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Frauen und Männer im Untergrund – Geschlechterverhältnisse im NSU und in seinem Umfeld

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Der hätte wahrscheinlich nicht 13 Jahre unentdeckt im Untergrund morden können ohne seine bürgerliche Fassade gegenüber Nachbar_innen und Bekannten so erfolgreich aufrecht zu erhalten. Dies ist vor allem der Frau im Trio zu verdanken, denn die gelebten und vorgespielten Geschlechterrollen des Trios ergänzten sich funktional. Die Blindheit gegenüber der Relevanz von Frauen in der Szene droht sich auch bei der Betrachtung des Umfeldes des fortzusetzen.

Bis jetzt wurde das Konzept des Rechtsterrorismus immer als männerbündische Kampfeinheit verstanden und wahrscheinlich auch als solche gedacht und geschrieben. Männer sind hier wie üblich das unmarkierte Ideal: Es wird sowohl über ihn – den Aktivisten – als auch für ihn – den Leser – geschrieben. Weder in der antifaschistischen Analyse noch in der extremen Rechten selbst wurden die Konzepte auf Geschlechterrollen und geschlechtlich konnotierte Funktionen gelesen. In der terroristischen Zelle als organischer Kampfgemeinschaft sind sich ergänzend funktionierende Mitglieder überlebensnotwendig. Die Idee, dass man sich in einem schon stattfindenden „Rassenkrieg“ befände, befördert das Agieren im Untergrund, den Einsatz terroristischer Gewalt und den „führerlosen Widerstand“. Dabei ist der „lone wolf terrorist“ auf sich alleine gestellt und agiert unabhängig von größeren Gruppenstrukturen, aber im Sinne ihrer Ziele oder der übergeordneten Ideologie. Der „lone wolf“ verkörpert das Ideal des hypermaskulinen Einzelkämpfers. In einer Zelle hingegen komplementieren und bedingen sich die jeweiligen Funktionen ihrer einzelnen (wenigen) Mitglieder – bis zum gemeinsamen Sieg oder Untergang. Genau das sehen wir beispielhaft bei der Zwickauer Nazizelle.

Die Familie „NSU“

Die Klischees über rechte Frauen im Besonderen und Frauen im Allgemeinen waren auch dem Trio dienlich: Die Frau ist friedfertig, sozial, gewaltablehnend, sie hält sich im Hintergrund. Mutter Böhnhardt hatte die Hoffnung, dass es Uwes neue Freundin Beate sein könnte, die ihn Ende der 90er Jahre aus der rechten Szene rausholt und seiner kriminellen Karriere ein Ende setzt. Im Interview mit der ARD beschreiben Böhnhardts Eltern als umsorgende Frau, die auch mal im Haushalt mit anpackte und noch aus dem Untergrund das Plätzchen-Rezept für den Uwe besorgte. Zschäpe hat die Hoffnung Mutter Böhnhardts enttäuscht. Sie wurde diejenige, die mit ihrer freundlichen Interaktion mit den Nachbar_innen, den Katzen, den Urlaubsbekanntschaften die fundamental notwendige bürgerliche Fassade des Trios erschaffen hat.

Nach allem, was wir wissen, hat Uwe Böhnhardt die Rolle des hypermaskulinen politischen Soldaten verkörpert und damit das vorherrschende Männer-Ideal der extremen Rechten reproduziert. Er war derjenige, der schon vor dem Abtauchen Taten statt Worte sprechen ließ und einen Totenkopf mit Stahlhelm tätowiert haben soll. Mundlos hingegen hatte angeblich die Rolle des Ideologen, der intellektuelle „Professorensohn“, und war laut Böhnhardts Mutter derjenige, der nicht gewillt war aufzugeben. Er hat zusammen mit Böhnhardt die Taten durchgeführt, mindestens der erste Mord soll von den beiden zusammen begangen worden sein – eine Tat, die die beiden Männer mutmaßlich zusammengeschweißt hat. Ihre Männerrollen ergänzen sich komplementär. Beate Zschäpe kann bis jetzt keine direkte Mordbeteiligung nachgewiesen werden. Ihre Rolle daher als nachrangig zu verharmlosen wäre aber fatal. Sie war diejenige, die sich gegen die Flucht ins Ausland gesperrt haben soll und damit die Perspektive des Trios als mordende Untergrundzelle erst geschaffen hat. Bei ihrer Festnahme bezeichnete sie die beiden Toten, Böhnhardt und Mundlos, als ihre „Familie“.

Ob Beate Zschäpe jetzt die „Freundin von…“ war oder nicht, ist vor der Ausnahmesituation, in der sich die drei konstant befanden, nebensächlich. Die Wohn- und Lebenskonstellation von zwei Männern und einer Frau, alle im „reproduktionsfähigen Alter“ und die meiste Zeit ohne Kinder unterwegs, ist riskant für das Leben im Untergrund: In einer spießigen Nachbarschaft in Zwickau ruft sie potenziell Spekulationen und voyeuristisches Interesse hervor. So werden das Kinderspielzeug in Wohnung und Caravan sowie das gelegentliche Auftreten als Kleinfamilie plus Kumpel oder Bruder nicht zuletzt einer pragmatischen und quasi lebensnotwendigen Entscheidung geschuldet gewesen sein. In der Logik des Untergrundes war das gelebte und nach Außen vertretene Geschlechterverhältnis die einzig vernünftige Rollenaufteilung.

„der Freund von…“ – und ihre Ex-Freunde

Mandy Struck, heute 36, redet von ihren angeblichen Jugendsünden und kommt bis dato damit durch. Die Kleinstadt Schwarzenberg im Erzgebirge, in der Mandy Struck heute als Friseurin arbeitet, nachdem sie in Johanngeorgenstadt aufwuchs und später in Chemnitz lebte, hält zu ihr: “Jeder hat doch eine Leiche im Keller”, sagt Eine aus der Stadt.1

Schon im Dezember 2011, nachdem ihre Wohnung aufgrund des Verdachtes der Unterstützung des NSU durchsucht worden war, war Mandy Struck angetreten, ihre Version der Dinge an die Behörden und in die Presse zu bringen. Eine Strategie, die sie laut Spiegel schon 2001 erfolgreich durchgeführt habe: „Bereits zehn Jahre zuvor, am 29. Januar 2001 [...], haben Ermittler des sächsischen Verfassungsschutzes mit Mandy S. ein Informationsgespräch geführt, in dessen Verlauf sie versuchte, den Eindruck zu erwecken, sie habe sich von der rechtsextremistischen Szene abgewandt. Weitere Kontakte mit der Behörde habe sie abgelehnt, da sie nicht gewillt sei, Leute zu verraten.”“ 2 Der „Welt“ erzählt sie im Dezember 2011, sie habe sich damals „überreden lassen“ Mitglied der Hilfsgemeinschaft für nationale politische Gefangene () zu werden, und mit ihrem 30. Geburtstag habe ihr Ausstieg begonnen. Jetzt von ihrer Vergangenheit eingeholt zu werden, setze ihr ganz fürchterlich zu.

Dass ihre angeblich eher passive Vergangenheit nicht allzu weit zurück liegen kann und bei weitem nicht aufgeräumt ist, belegt die Ausgabe der HNG-Nachrichten 4/2011: Hier wird der Name Mandy Struck auf der Schwarzen Liste veröffentlicht, wo die HNG diejenigen Mitglieder aufführt, die ihre Beiträge nicht gezahlt haben. Bis März 2011 scheint S. also ihre Mitgliedsbeiträge an die am 21. September 2011 durch Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) verbotene Nazi-Gefangenenhilfsorganisation pünktlich bezahlt zu haben, weder in den Ausgaben davor noch danach wird sie gelistet. Ihre enge Bindung an die HNG ist zumindest für die früheren Jahre zweifelsfrei belegt. Und dass Richard L., 1995 zu 12 Jahren Haft für einen homophob motivierten Totschlag verurteilt, im Knast von Mandy Struck betreut wurde, ist sicherlich kein Indiz dafür, dass sie nur halbherzig bei der Sache war. Mit ihm zusammen veröffentlichte sie 2001 auch einen Artikel in „Der “, einem Nürnberger Neonazi-Fanzine, in dem sie die Spaltung und den Streit in der „Bewegung“ beklagen und fordern: „Der Nationale Widerstand ordnet sich dem herrschenden System nicht in irgendeiner Richtung zu, sondern steht ihm frontal gegenüber und dieser soll alle in unserer Nation umfassen, die reinen Blutes sind.“ 3

Zu dieser Zeit saß Richard L. noch in der JVA Straubing (Bayern). Wie erst jetzt bekannt wurde, hat Mandy Struck um das Jahr 2006 herum selbst im Raum Nürnberg gewohnt. Sie geriet 2007 zusammen mit weiteren 161 verdächtigen extremen Rechten ins Visier der „Soko Bosporus“.

Ob Mandy Struck inzwischen bereit ist, Leute zu verraten? Jedenfalls geraten immer mehr ihrer Ex-Freunde in die Ermittlungen der Behörden: Da ist zum einen ihr ehemaliger Freund Max-Florian B., der seine Wohnung für mindestens zwei Monate dem Trio zur Verfügung stellte, weil er ja sowieso die meiste Zeit bei Mandy war. Ebenso ihr nächster Freund Kai S., der sich 2000 angeblich mit Böhnhardt treffen wollte. Dass nun auch die Unterstützung der Untergetauchten durch Gunter und Armin F. in die Öffentlichkeit gelangt ist, haben diese zumindest laut ARD auch der Aussage von Mandy Struck zu verdanken. Wenn Mandy Struck über andere Kameraden auspackt, scheint ihre Strategie der geständigen Ausgestiegenen aufzugehen, denn trotz ihrer vielfachen Unterstützungsleistungen für die Untergetauchten und ihrer ernormen Eingebundenheit in die Szene der 90er und 2000er Jahre liegt der Fokus der Ermittlungen auch weiterhin auf den Taten ihrer Ex-Freunde und anderer Männer.

Das Umfeld des NSU

Im Ermittlungskomplex NSU tauchen neben Mandy Struck mindestens vier weitere Frauen bis 2001 auf: Alleine drei (Mandy Struck, Susann E. und Antje P.) sollen direkte Unterstützungsleistungen vollbracht haben, immerhin zwei von ihnen werden als „Beschuldigte“ geführt. Eine weitere (Juliane W.) soll zusammen mit Ralf Wohlleben Kontaktperson zu den Untergetauchten gewesen sein. Die fünfte ist die Berliner Funktionärin Rita B., die angeblich zusammen mit Frank Schwerdt um Unterstützung bei der Flucht ins Ausland angefragt wurde. Zudem werden die mindestens neun Alias-Identitäten von Beate Zschäpe zum Teil Abwandlungen realexistierender Personen sein, was zwei weitere Frauen in den Kontext der Ermittlungen bringt. Insgesamt können wir sagen, dass 25 von 117 Namen, die wir derzeit im Komplex NSU zusammengetragen haben, weiblich sind, das sind über 20 %. In Haft sitzen neben Zschäpe wegen Verdacht auf Mitgliedschaft oder Unterstützung des NSU fünf Männer, von den dutzenden Hausdurchsuchungen im Kontext NSU war bisher nur Mandy Struck betroffen. 4

Rezeption

Das Missverhältnis in der Berichterstattung in Bezug auf Frauen in der Nazi-Szene im Allgemeinen und die sexistische Brille der Medien beim Fall „Zwickauer Zelle“ im Speziellen hat das Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus schon am 15. November 2011 kritisiert: Das „übliche Klischee von der unpolitischen“ und generell friedfertigen Frau wird „unreflektiert reproduziert“. Während der Boulevard über „Freie Liebe im Untergrund und ein Hang zu Katzen” 5 spekulierte, verniedlichten auch seriöse Zeitungen die Rolle der mutmaßlichen Terroristin Beate Zschäpe zu der des Anhängsels zweier Mörder. Weiterhin wundert sich ein Großteil der Presse vor allem darüber, dass die Frau im Trio so überzeugend sympathisch war und anscheinend so abgrundtief böse. Ihre Tatbeteiligung erschien vor dem Hintergrund der sexistischen Stereotypisierung ihrer Rolle plötzlich als unwahrscheinlich und verharmloste so ihre quasi erwiesene Täterinnenschaft im Untergrund, d.h. zumindest die Planung, die Bereitstellung der Infrastruktur, die Verbreitung des Bekennervideos etc., in all ihrer Konsequenz und Menschenverachtung – nur weil es kein Bild von ihr mit Waffe in der Hand gibt.

Ähnlich funktionieren die Ermittlungs- und Justizbehörden, die seit jeher extrem rechte Frauen nur dann in den Blick bekommen, wenn ihre Beteiligung an Straf- oder gar Gewalttaten offensichtlich und bewiesen ist. Das liegt sicherlich an den systemischen Fehlern der behördlichen Analyse der extremen Rechten, die Nazis nur da sieht, wo sie die Verfassung gewaltförmig angreifen. Aber es ist auch das vorherrschende Klischee vom männlichen jugendlichen Neonazi-Schläger im Kopf jedes einzelnen ermittelnden Beamten und jeder Urteil sprechenden Richterin.

Und auch die antifaschistische Recherche war lange Jahre blind für Frauen in der rechten Szene: Auf den vielen Aufmarschbildern der 90er-Jahre, die wir in den letzten Monaten auf der Suche nach den ProtagonistInnen des NSU durchforsteten, war der chauvinistische Blick der Fotografen zu spüren: Portraitaufnahmen der Männer und sobald eine Frau ins Bild wandert, wird die Kamera zu vermeintlich wichtigeren Personen umgeschwenkt. Eine androzentrische Sichtweise, die sich in den letzten Jahren nur langsam verbessert hat.

Inzwischen haben auch viele Medien einige Leerstellen gefüllt und über extrem rechte Frauen berichtet, nicht zuletzt weil der kürzlich angelaufene Film „Kriegerin“ eine brutale Neonazistin als Hauptfigur in die Kinos gebracht hat. Doch die Ermittlungsbehörden und in ihrem Fahrwasser die Journalist_innen scheinen beim NSU immer noch geschlechterblind und den Männern mehr Bedeutung beizumessen als den Frauen. Gründe dafür sind in der mangelnden Kontextualisierung von Geschlechterrollen in der extremen Rechten zu suchen sowie der bisher noch dünnen Forschung zum ideologischen Zusammenspiel spezifischer Frauen- und Männerrollen und extrem rechter Ideologie.

Fazit

Es stimmt, dass Frauen bei extrem rechten Straftaten viel seltener aktiv körperliche Gewalt ausüben. Es stimmt auch, dass die meisten Frauen in der Naziszene bestimmte Rollen haben: Sie sind häufig der soziale Kitt, übernehmen Funktionen im Hintergrund – so wie Mandy Struck in der HNG. Und auch Beate Zschäpe hatte noch im Jahr vor ihrem Untertauchen inhaftierte Kameraden betreut. Die langjährige HNG-Vorsitzende Ursel Müller betonte, dass es gerade Frauen seien, die fleißig Briefe an inhaftierte Kameraden schrieben und sie besuchten. So werden Inhaftierte ideologisch und sozial an die Szene gebunden und bei der Stange gehalten.

Auch bei der Untersuchung des NSU stellt sich die Frage nach der Übernahme von geschlechterspezifischen Funktionen. Auch wenn wahrscheinlich beim NSU nie beantwortet werden kann, was Pragmatismus und was Ideologie war: Um das Phänomen Rechtsterrorismus allgemein und den NSU speziell verstehen zu können, muss gender als Analysekategorie miteinbezogen werden – nicht zuletzt damit die beteiligten Frauen im Umfeld des NSU nicht so unsichtbar und nebensächlich bleiben, wie sie es im Nachhinein gerne sein wollen.

Eike Sanders (apabiz e.V. und Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus)

„Von Struck gibt es Fotos, wie sie mit Beate Zschäpe gegen Wehrmachtsausstellung demonstriert, die beiden Frauen tragen gemeinsam eine Fahne.“ (Der Spiegel 1/2012), Foto: 24. Januar 1998 Dresden: Beate Zschäpe (re., abgeschnittten), daneben Uwe Mundlos

Landser Ausgabe Nr. 8 (2001) – Fanzine aus Nürnberg

"Die Einheit der Rechten nur eine Illusion?" von Richard L. und Mandy S. im Landser Nr. 8

Nachrichten der HNG Nr. 361 (Mai 2011) mit Mandy Struck auf der Liste der Mitglieder mit Beitrags-Schulden

  1. http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,820123,00.html
  2. ebd.
  3. Der Landser, Nr. 8 (2001), S. 14
  4. Hierbei ist allerdings unklar, ob gegen die Frauen, deren Ehemänner aufgrund von Ermittlungen wegen Unterstützung des NSU durchsucht wurden, auch ein Durchsuchungsbeschluss vorlag – wahrscheinlich aber nicht.
  5. Z.B. Hamburger Morgenpost (Print) vom 14.11.2011

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Zweiter Akt der Thüringer Posse: Bericht von der 51. Sitzung des Untersuchungsauschusses

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Bericht von der 51. Sitzung des  -Untersuchungsausschusses im Bundestag am 31.1.2013 mit der Vernehmung von Thüringer LKA’lern und Verfassungsschützern als Zeugen 

  • KHK (Zielfahnder beim LKA Thüringen seit 1994),
  • (LKA-Chef Thüringen 1997-2000)
  • Thomas Sippel (Bundesamt für 1987-2000, Chef Landesamt für Verfassunggschutz Thüringen 2000-2012)

Am 31.1.2013 befragte der des Bundestages drei Zeugen, die in Thüringen mit der Suche nach dem untergetauchten NSU-Trio betraut waren: Den zuständigen Zielfahnder Sven Wunderlich, seinen damaligen LKA-Chef Egon Luthardt und Thomas Sippel, den Amtsnachfolger des berüchtigten Chefs des Thüringer Verfassungsschutzes, .

Die Anhörung des geplanten vierten Zeugens wurde aufgrund der fortgeschrittenen Zeit am späten Abend abgesagt.

In den Befragungen ging es oberflächlich betrachtet um viele kleine Details bestimmter Zeitpunkte und Verhaltensweisen zuständiger Beamter, die an dem einen oder anderen Punkt einen Erfolg bei der Fahndung nach den drei Untergetauchten versagten. Alle drei Zeugen nutzten die Befragung oder die Einlassung zur Rechtfertigung ihrer Unfähigkeit: Zu hohe Arbeitsbelastung und zu wenig Mitarbeiter_innen (Zielfahnung und LKA), der desaströse Zustand ihrer Behörden schon vor ihrer Amtsübernahme (LKA und LfV), Pech (Luthardt: „Wir kamen einfach immer zu spät“) oder auch generelle Unzuständigkeit (Sippel: „Da müssen Sie nicht mich fragen, das war vor meiner Amtsübernahme“).

Genauer betrachtet war der Tag ein Zeugnis dafür, wie Behörden sich (angeblich) gegenseitig wichtige Informationen vorenthalten und (angeblich) nicht kooperieren und gleichzeitig sich alle Ämter auf den Füßen zu stehen scheinen, inklusive MAD und BKA. Und wie schwierig und vielleicht unmöglich eine Aufklärung der Behördenvorgänge der damaligen Zeit ist: Noch immer fehlen Akten oder sind unvollständig, die Zeugen widersprechen einander, beschuldigen die jeweils anderen, erinnern sich nicht und führen die schwierigen Umstände als Entschuldigung an. Dabei erging sich vor allem der Zeuge Luthardt in Klagen über die damalige strukturelle Arbeitsunfähigkeit seines Amtes. Aber auch LfV-Chef Sippel schilderte recht eindrücklich, in welchem Zustand er das LfV nach Roewers Abgang vorgefunden hatte und wie er erstmal „die Hälfte des Führungspersonals ausgetauscht“ habe. Genaueres ist nachzulesen im Schäfer-Bericht.

Über einige spannende Details der Befragungen soll dennoch berichtet werden, ohne zur Hoffnung auf erhellende Antworten zu den Umständen des Untertauchens oder der Organisation des NSU und seines Umfeldes zu ermutigen.

Ahnungslose Zielfahndung und manipulierte Akten?

Eine offene und offensichtlich noch ungeklärte zentrale Frage ist: Was machte das BKA bei der Razzia der Garagen am 26.1.1998 bzw. kurz danach, wo 1,4 kg Sprengstoff und Rohrbomben gefunden wurden? Gefunden wurde nämlich auch eine Telefonliste, vermutlich von Uwe Mundlos, auf der quasi das who-is-who der damaligen und teilweise auch heutigen Neonaziszene, insbesondere von Sachsen (vgl. S. 5 http://gamma.noblogs.org/files/2012/07/gamma193-web.pdf) zu finden ist. Sie war damals ein zentrales Hinweisstück für das Umfeld der Geflüchteten und des späteren NSU. Diese Liste hat die Zielfahndung laut Aussage von KHK Wunderlich nie zu Gesicht bekommen, er habe von ihrer Existenz erst im Nachhinein erfahren. Luthardt dazu: „Die Einschätzung, dass die Telefonliste in der Garage nicht wichtig war, kam von zwei BKA-Beamten“. Wieso BKA-Beamte? Warum sind die da und begehen auch noch einen unglaublich fatalen Fehler? „Bei den Ermittlungen zum Puppentorso waren auch BKA-Beamte eingeschaltet, deswegen haben wohl auch untere Beamte [des zuständigen LKA] das BKA eingeschaltet“ und versäumt, das zu kommunizieren.

„Hätten wir den Hinweis gehabt, wären wir ihm nachgegangen“ sagte Zielfahnder Wunderlich nicht nur in Bezug auf die Telefonliste sondern auch auf ein anderes Asservat, das zu (organisierte die erste Unterkunft des Trios, späterer V-Mann für das Berliner LKA) und Thorsten S. als mögliches Versteck bzw. zumindest zu ihnen als helfendes Umfeld geführt hätte und wohl auch mit einem handschriftlichen Vermerk von einem Beamten (des BKA?) als „Hinweis auf einen möglichen Aufenthaltsort“ versehen war: Briefe, die das Trio vor ihrem Untertauchen an die beiden damals inhaftierten Neonazis in den Knast geschrieben hatten.

Desweiteren machte Wunderlich zumindest indirekt eine doch skandalöse Anschuldigung: Er suggeriert, dass die von ihm bzw. seiner Abteilung zusammengestellten Fahndungsakten im Nachhinein frisiert worden sind, wenngleich er das so direkt nicht sagen mochte. Er habe die insgesamt sieben oder acht Ordner vor der Übergabe an die EG Tex am 22.8.2001 eine Woche lang geordnet und sortiert und in einem tadellosen Zustand gebracht. Der visuelle Eindruck, den er nun bei der erneuten Akteneinsicht Beginn der Woche (zur Vorbereitung auf seine Aussage vor dem UA) gehabt habe, sei aber desaströs gewesen: Auf dem Kopf eingeheftete Blätter, fehlende Seiten, ein ganzer zusätzlicher Band, der nicht von der Zielfahndung stamme – und auf einmal die genannte ihm bis dahin aber unbekannte Telefonliste von Mundlos „in Kopie, aber an einer Stelle, wo sie bei ordnungsgemäßer Abheftung nicht hingehört hätte“. Hier wurde er mit der Aussage eines LKA-Beamten Melzer konfrontiert, dass Wunderlich die Akten im November 2011 selbst mit dem KHK Dressler „sondiert“ habe und dass das „ein wildes Treiben“ gewesen sei.

Wunderlich sagte, dass er im November 2011 aber nur einen flüchtigen Blick in die Akten geworfen hatte, um zu bestätigen, dass es sich um die der Zielfahndung handele, eine Unordnung oder Manipulation sei ihm deswegen damals noch nicht aufgefallen. „Wunderlich war einfach nicht in der Lage, eine saubere Aktenführung zu leisten, er war eigentlich überlastet“, fiel ihm Ex-LKA-Chef Luthardt in den Rücken. Uneinigkeit zwischen Wunderlich und Luthardt herrschte auch über die Definition des Zielfahnungsauftrages, d.h. ob es eine offizielle Zielfahndung war (Luthardt) oder nur eine „unterstützende Fahndung“ (Wunderlich), die erst später rückdatierend offiziell gemacht wurde.

Verfassungsschutz Thüringen vs. LKA

Unklar ist auch, ob LKA und Zielfahnung direkt vom LfV sabotiert wurden oder nicht. Derartige Vorwürfe und versandete Beschwerden an Roewer gab und gibt es vielerlei. Wunderlich sagt, dass es ein informelles Gespräch zwischen ihm und Luthardt gegeben habe, wo sie spekulierten, ob man vielleicht gar nicht wolle, dass man die drei kriege. Luthardt bestreitet das Gespräch. In Bezug auf den Wunsch des LfV, dass das LKA den Cousin von Zschäpe zu deren möglichen Aufenthaltsort nicht befragen solle, um „keine Unruhe in die rechtsradikale Szene“ zu bringen, sagte Wunderlich: „Das LfV hatte den ersten Schuss frei, erst dann kam die ermittelnde Behörde.“ Luthardt sagt: „Es gab Gerüchte, dass das LfV über V-Leute die Arbeit des LKA sabotiert, aber das waren nur Gerüchte.“ Ihm sei nicht bekannt, dass das LfV erst „vorchecken“ durfte, bevor die Zielfahnder befragen durften, erst im Nachhinein sei ihm klar geworden, dass dem LKA nur ca. ein Drittel der Informationen weitergeleitet wurden, wie zum Beispiel auch die Einschätzung, dass sich die drei bewaffnet haben. LfV-Präsident Sippel sagte dazu, dass er auf die Aussage von Peter Jörg Nocken (stellvertretender Chef des LfV Thüringen, vgl. Artikel auf haskala.de) vertraut habe, dass es im Amt nichts gäbe, was die Polizei nicht wisse: „Ich bin davon ausgegangen, dass alle Informationen übermittelt worden sind.“ Übermittelt worden sei laut Wunderlich von der Zielfahndung an LKA und LfV jedoch der Hinweis, dass der Vater von Uwe Mundlos am 18.3.1998 (bei McDonals an der Autobahnausfahrt Jena) dem LKA mitgeteilt hatte, dass er einen Zettel in seinem Briefkasten gehabt habe, auf dem stand, dass für den VS arbeite. Das Original dieses Zettels habe er aber den BeamtInnen nicht zeigen wollen und es ist bis heute unbekannt.

Gerüchte und gegenseitige Schuldzuweisungen der Untätigkeit

Unklar ist auch, ob das LKA über die Observation der Bernhardtstr. in Chemnitz, also die Wohnung der mutmaßlichen UnterstützerInnen (vgl. unser Artikel) und Kai S. informiert war. Luthardt wurde mit einem an ihn namentlich adressierten Schreiben des LfV Sachsen konfrontiert, in dem es hieß „wie besprochen“ anbei die Fotos von der Überwachung zur möglichen Identifizierung. Er behauptet, er kenne das Schreiben und auch den Vorgang nicht. Wunderlich sagte aus, dass es zumindest eine Befragung von Mandy Struck durch das LKA gegeben habe, die aber zu keinem Erfolg geführt habe.

Insgesamt machte der Tag im Untersuchungsausschuss deutlich, wie begrenzt die Möglichkeiten der Zielfahndung wohl tatsächlich waren – trotz einer generellen erstaunlichen Erfolgsbilanz von 170 erfolgreichen Fällen von insgesamt 180. In zehn entscheidenden Monaten (zwischen Dezember 1999 und August 2000) dieses Falles aber habe eine Fahndung nach dem Trio z.B. gar nicht stattgefunden, da die fünf Beamten voll mit der Suche nach „dem Satansmörder“ Möbus (Zitat Wunderlich) beschäftigt waren. Deutlich wurden aber auch die systemischen Fehleinschätzungen der Behörden, die sich bei allen drei Zeugen beispielhaft ausdrückten, hier ein best-of:

  • Wunderlich zu den in der Garage von Zschäpe gefundenen Rohrbomben: „Ja, also, das ist mir klar, dass das gefährlich ist, aber die Bombe war ja nicht jemandem direkt zuzuordnen. Es ist ja bekannt, das viele Jugendliche so was mal als Silvesterknaller machen.“
  • Luthardt zu den Verdiensten des VS Thüringen in Bezug auf Rechtsextremismus während seiner Amtszeit: „Zumindest führungsmäßig waren wir immer überaus engagiert was Rechtsextremismus angeht.“ Es habe eine „Konzeption zur Verhinderung von Skinhead-Konzerten“ geben, „die Erfolg hatte“. In seiner Amtszeit habe es dann keine Skinhead-Konzerte in Thüringen mehr gegeben.
    Hier sei nur das Blood & Honour-Konzert am 13. November 1999 in Schorba bei Jena nennen, an dem schätzungsweise 1.000 Neonazis teilnahmen (Infos auf haskala).
  • Sippel über , der nach seiner Enttarnung durch das LfV nachbetreut, aber nicht mehr befragt wurde: „Ich denke, dass er alles erzählt hat, was er erzählen konnte.“

Siehe auch den Bericht von Gerd Wiegel (Die LINKE) http://www.linksfraktion.de/nachrichten/keine-unruhe-rechtsextreme-szene-tragen/

Die nächsten Sitzungen des Untersuchungsausschusses finden am 21. und 22. Februar statt.

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„Ich hab noch nie einen Neonazi auf einem Fahrrad gesehen“

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Vorläufiges Fazit aus der Beobachtung des bayerischen NSU-Untersuchungsausschusses 2012/2013

von Birgit Mair [1]

Am 19. Februar 2013 präsentierte sich der Münchner Kriminaloberrat a.D. Franz-Josef Wilfling im Bayerischen NSU-Untersuchungsausschuss mit einer bemerkenswerten und prototypischen Aussage: Er habe noch nie einen Neonazi auf einem Fahrrad gesehen.

Wilfling war Leiter der 5. Mordkommission in München und zuständig für die Aufklärung des Mordes an dem türkischstämmigen Obst- und Gemüsehändler Habil Kılıç, der am 29. August 2001 in seinem Geschäft in der Bad-Schachener-Straße München ermordet wurde. Man habe die in Tatortnähe beobachteten Radfahrer „zwar einbezogen“, gefahndet worden sei aber zunächst nach dem Fahrzeug „mit dem Mischling“. Obwohl Wilfling mittlerweile davon ausgeht, dass es sich bei den Radfahrern um die wahren Täter handelte, relativierte er die von ZeugInnen gemachten wichtigen Beobachtungen in der Nähe des damaligen Tatortes. „Mir war es lieber, dass die Ermittlungen in Bayern geführt wurden, (…) weil ich die für kompetenter halte“ [2]. Auf die Frage einer Abgeordneten, ob er aus heutiger Sicht etwas anders machen würde, antwortete er konsequenterweise: „Nein“ [3].

Demonstration für die NSU-Opfer am 13. April 2013 in München (Foto: Birgit Mair)

Demonstration für die NSU-Opfer am 13. April 2013 in München (Foto: Birgit Mair)

Eine erste Analyse der bisherigen Arbeit des bayerischen Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ führt zu dem Ergebnis, dass die neonazistische Szene sowohl durch die Ermittlungsbehörden als auch durch den Verfassungsschutz systematisch falsch eingeschätzt bzw. verharmlost wurde. Polizeilich ermittelt wurde fast ausschließlich im persönlichen und beruflichen Umfeld der Mordopfer. Weiterhin waren rassistische Einstellungen bei einem relevanten Teil der vernommenen bayerischen Beamten zu verzeichnen.

Meine Analyse beruht auf der Auswertung von 77 Sitzungsstunden des Untersuchungsausschusses; die Beobachtungsprotokolle umfassen mehr als fünfhundert Seiten (Stand 5. Juni 2013). In öffentlicher Sitzung wurden bis dato 43 verschiedene ZeugInnen befragt. Bis auf drei externe Sachverständige in der Anfangsphase und in der Endphase Angehörige der Opfer waren dies ausschließlich Polizisten, Mitarbeiter des bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz sowie in Nürnberg und München ansässige Staatsanwälte. Inhaltlicher Fokus war die Aufklärung von Ermittlungsfehlern bei der Mordserie an bundesweit neun Migranten, davon fünf in Bayern. [4]

Ermittlungen hauptsächlich im Umfeld der Opfer

Dreh- und Angelpunkt des Skandals ist, dass jahrelang nicht in Richtung extreme Rechte ermittelt wurde, obwohl in den Jahren 2000 bis 2006 bundesweit neun Migranten mit derselben Waffe ermordet worden sind. Von den ermittelnden Polizeibeamten wurde vor dem Untersuchungsausschuss unisono erklärt, es habe seinerzeit keine Hinweise auf rassistische Hintergründe der Taten gegeben.

Von fast allen Zeugen wurde das Fehlen von einschlägigen Bekennerschreiben ins Feld geführt. Wer so argumentiert, hat wenig Ahnung von rechtem Terror oder will wenig Ahnung davon haben, denn Bekennerschreiben oder Ähnliches waren und sind bei den von Neonazis begangenen Morden oder Gewalttaten kaum üblich. Als bayerische Beispiele können das Oktoberfest-Attentat in München 1980, die Ermordung von Shlomo Lewin und Frieda Poeschke in Erlangen 1980 sowie der Brandanschlag in Schwandorf 1988 auf ein vorwiegend von TürkInnen bewohntes Haus dienen.

Von Anfang an wiesen Angehörige der NSU-Mordopfer auf ihren Verdacht hin, es könnten rassistische Tatmotive vorliegen, so die Familie des ersten Mordopfers, Enver Şimşek. [5] Derartige Hinweise wurden offensichtlich generell nicht ernst genug genommen. Dafür gab es bereits nach dem ersten Mord „mehrfach Abfragen“ [6] beim Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz, ob es „Erkenntnisse zum Mordopfer“ [7] gäbe.

Allgemeine Verharmlosung der Neonazi-Szene

Neben der Ausblendung rassistischer Tatmotive beeindruckte die allgemeine Verharmlosung der Neonazi-Szene. Eine derartige Mordserie schienen die staatlichen Behörden den Neonazis nicht zugetraut zu haben. Wie konnte es zu einer derartigen Fehleinschätzung kommen, obwohl zum Beispiel die neonazistische Gruppe um Martin Wiese im Jahr 2003 einen massiven terroristischen Anschlag in München geplant hatte und diese Tatplanung zum Glück rechtzeitig aufgedeckt worden war? Von den bereits erwähnten neonazistischen Bluttaten ganz zu schweigen.

Im Untersuchungsausschuss wurde nie geklärt, warum von den 682 Neonazis im Großraum Nürnberg, die der BAO Bosporus vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz nach monatelangem Zögern genannt wurden, nur neun persönlich kontaktiert worden sind. Während die BAO Bosporus nach dem letzten in Bayern begangenen NSU-Mord im Jahr 2005 die Münchener Wohnung und den Schrebergarten des Mordopfers mit Spürhunden durchsuchen ließ, das Telefon dessen Bruders abhörte[8] und den Opferangehörigen falsche JournalistInnen unterjubelte [9], begnügte man sich bei den Ermittlungen in der rechten Szene mit einer Alibi-Überprüfung „bei einer zentralen Figur der Nürnberger Neonazi-Szene“ [10] und so genannten Gefährderansprachen bei neun Szenegrößen im Nürnberger Raum. Dies waren unter anderem der damalige bayerische NPD-Vorsitzende und Stadtrat der rassistischen „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ (BIA), Ralf Ollert aus Nürnberg [11], der Nürnberger Ex-NPD-Aktivist Rainer Biller sowie der Fürther Szeneanwalt Frank Miksch [12]. Ergebnis der oberflächlichen Recherchen in der rechten Szene, wie nicht anders zu erwarten, gleich Null. Auch die staatlich bezahlten Neonazis, die so genannten „V-Leute“, hätten nichts Relevantes berichtet. Unbegreiflich bis heute die naiven Vorannahmen der ErmittlerInnen: Wieso sollten organisierte Neonazis die Wahrheit sagen, wenn es um Morde an den ihnen verhassten Migranten geht? Den bayerischen ErmittlerInnen fehlte – was die Neonaziszene anbelangte, jegliche Phantasie. Doch wenn es darum ging, die vermeintlichen Killer in der türkischen Community aufzuspüren, wurden in München und Nürnberg sogar falsche Dönerimbisse betrieben. Dies ist umso erstaunlicher, da nur eines der bayerischen Mordopfer in dieser Branche tätig war. Bundesweit waren es nur zwei.

Kriminelle „V-Leute“ wurden vom Staat geschützt

Eines wurde im bayerischen NSU-Untersuchungsausschuss deutlich: Der Staat schützte die von ihm in ihrer Funktion als „V-Leute“ bezahlten Neonazis selbst dann, wenn es um Mord ging. Dies wurde dann „Quellenschutz“ genannt.

Kai Dalek (Mitte-rechts mit dunklem Shirt, Brille, Stoppelbart und Ordnerbinde) bei einem Rudolf-Heß-Aufmarsch in Bayreuth, vermutlich 1991. Mit dabei: Christian Worch und der mittlerweile verstorbene Neonazianwalt Jürgen Rieger (Foto: privat)

Kai Dalek (Mitte-rechts mit dunklem Shirt, Brille, Stoppelbart und Ordnerbinde) bei einem Rudolf-Heß-Aufmarsch in Bayreuth, vermutlich 1991. Mit dabei: Christian Worch und der mittlerweile verstorbene Neonazianwalt Jürgen Rieger (Foto: privat)

Von zwei „V-Leuten“ war im Untersuchungsausschuss immer wieder die Rede: Während der Name Tino Brandt von Zeugen und Abgeordneten offen ausgesprochen wurde, wurde um Kai Dalek ein Geheimnis gemacht wie um die Figur des Lord Voldemort in den Harry-Potter-Romanen. Die Landtagsabgeordnete Tausendfreund beging schließlich in der 22. Ausschusssitzung am 17. April 2013 einen Akt der Zivilcourage, wogegen der Ausschussvorsitzende Schindler protestierte. Unter Berufung auf eine Zeugenaussage vor einem anderen NSU-Untersuchungsausschuss verkündete sie, dass gegen den „V-Mann“ Dalek drei Ermittlungsverfahren gelaufen seien, eines davon wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Im Hinblick auf seine „V-Mann-Eigenschaft“ seien die Ermittlungsverfahren jedoch alle eingestellt worden.

Kai Dalek war AntifaschistInnen bereits Anfang der 1990er Jahre ein Begriff. Er betrieb vom oberfränkischen Kronach aus einen so genannten Netzknoten des „Thule-Netzes“[13]. Über dieses Computernetzwerk waren persönliche Informationen über Nazi-GegnerInnen verbreitet und diese bedroht worden. Es besteht der Verdacht, dass dieses neonazistische Computernetzwerk auch mit Hilfe staatlicher Gelder aufgebaut worden ist und Dalek eine führende Rolle bei der Bespitzelung von Linken für die Neonazis („Anti-Antifa“) und gleichzeitig für den Staat spielte. Zudem war er offensichtlich führender Funktionär verschiedener neonazistischer Gruppen wie der “Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front” (GdNF) [14] und spielte zeitweise eine maßgebliche Rolle bei der Organisation der Rudolf-Heß-Demonstrationen [15].
Die Öffentlichkeit würde sicher gerne Genaueres über weitere Aktivitäten dieses „V-Mannes“ in staatlichen Diensten erfahren: Immerhin stand der damals in Oberfranken lebende Neonazi auf den 1998 von der Thüringer Polizei gefundenen „Garagenlisten“ des Uwe Mundlos.

„… als nicht gewaltbereit einzustufen“

Genau wie Dalek hatte der aus Thüringen stammende, aber auch in den bayerischen Städten Regensburg und Coburg aktive Neonazi und „V-Mann“ Tino Brandt Kontakt zu den späteren NSU-TerroristInnen. Nachweislich baute Brandt den neonazistischen „Thüringer Heimatschutz“ (THS) mit auf. In dieser militanten Nazi-Truppe wurden Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt politisch sozialisiert. Später spielte Brandt dann von Coburg aus – er arbeitete zu dieser Zeit beim extrem rechten Verlag Nation und Europa – eine wichtige Rolle bei der Gründung des „Fränkischen Heimatschutz“ (FHS) Coburg. Unter diesem Namen sind auch heute noch bzw. wieder Neonazis aktiv. [16]  Immerhin kam im Untersuchungsausschuss zur Sprache, dass die Kriminalpolizeiinspektion Coburg gegen den Gründer des „Fränkischen Heimatschutzes“, Tino Brandt, zwei Ermittlungsverfahren eingeleitet hatte. Einmal ging es um eine Fahne mit Sigrunen (SS-Runen), die von außen sichtbar in seiner Coburger Wohnung gehangen sei, aber bei der Hausdurchsuchung plötzlich verschwunden war. Beim anderen Mal hatte der Zoll eine Lieferung von zehn an Brandt adressierten Büchern abgefangen. Die Bücher behandelten Themen wie das Führen von Kleinkriegen, das Basteln von Rohrbomben oder den Umgang mit Sprengstoff. Brandt behauptete erfolgreich, er habe die kriminellen Machwerke gar nicht bestellt. Das einschlägige Ermittlungsverfahren wurde wie fünfunddreißig andere Ermittlungsverfahren gegen ihn eingestellt. Zur Erinnerung: Rohrbomben waren auch 1998 in einer der angemieteten Garagen der späteren NSU-Mörder in Jena gefunden worden.

Ein weiteres pikantes Detail zum „V-Mann“ Brandt: Obwohl der im bayerischen NSU-Untersuchungsausschuss angehörte Coburger Staatsschutzbeamte eigentlich wissen musste, dass gegen Brandt in Thüringen vielfach polizeilich ermittelt worden war, unter anderem auch wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, sagte er:
„Ich war der Meinung, dass unsere Szene in Coburg als nicht gewaltbereit einzustufen war und der Meinung bin ich auch heute noch.“ [17] Seltsamerweise führte keines der insgesamt 35 Ermittlungsverfahren gegen Brandt zu einer rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung. [18]

V-Mann und Neonazi Tino Brandt (Mitte, schwarze Bomberjacke, Brille, weiße Ordnerbinde) auf einem Treffen der „Nation-Europa-Freunde e.V.“ im oberbayerischen Kösching am 2. November 1997 (Foto: Antifaschistisches Infoblatt)

V-Mann und Neonazi Tino Brandt (Mitte, schwarze Bomberjacke, Brille, weiße Ordnerbinde) auf einem Treffen der „Nation-Europa-Freunde e.V.“ im oberbayerischen Kösching am 2. November 1997
(Foto: Antifaschistisches Infoblatt)

Rassismus: Kein „ideologischer Überbau“ der extremen Rechten?

Mitarbeiter des Bayerischen Verfassungsschutzes sprachen den Neonazis eine relevante gemeinsame Ideologie und den Willen zur revolutionären Veränderung dieser Gesellschaft ab. Der militante Rassismus der extrem Rechten und Neonazis sei jedenfalls kein bedeutsamer ideologischer Überbau der Rechten. Ebenso wurde unisono behauptet, der NSU sei nur eine kleine abgeschottete Gruppierung gewesen. Den meisten der befragten Polizeibeamten und Verfassungsschützer waren auch neonazistische Strategien wie der „Führerlose Widerstand“ oder rechtsterroristische vorbildhafte Gruppierungen wie „Combat 18“ nicht bekannt. Sie hätten es besser wissen können: Ein mittlerweile im Internet nachzulesendes 47 Seiten umfassendes Papier des Bundesamtes für Verfassungsschutz aus dem Jahr 2004 befasste sich detailliert mit derartigen Strategien und Gruppierungen. Auch die Personen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe waren in der VS-Broschüre u.a. im Zusammenhang mit den in ihrer Garage gefundenen funktionsfähigen Rohrbomben und ihrem Abtauchen namentlich erwähnt.

Rassistische Einstellungen und geradezu peinliche Fehleinschätzungen bei Behördenmitarbeitern

Am 15. Juni 2005 waren allein in Bayern bereits fünf unschuldige Menschen innerhalb dieser unaufgeklärten Mordserie hingerichtet worden. Die Ermittler wussten, dass es eine Mordserie war, weil alle mit derselben Waffe ermordet worden waren. Die Morde waren in München, der ehemaligen Hauptstadt der Hitler-Bewegung und in Nürnberg, der ehemaligen Stadt der NSDAP-Reichsparteitage, in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes begangen worden. Alle bayerischen Mordopfer lebten bereits seit langer Zeit in Bayern. Abdurrahim Özüdoğru beispielsweise hatte kurz vor seinem Tod sein 25-jähriges Dienstjubiläum bei einer großen Nürnberger Firma gefeiert, bei der er fest angestellt war. [19] Unter den bayerischen Mordopfern war mit Theodorus Boulgarides auch ein griechischer Staatsangehöriger. Umso erstaunlicher war es, dass die ab 1. Juli 2005 in Nürnberg angesiedelte polizeiliche „Besondere Aufbauorganisation Bosporus“ (BAO) nicht den Namen eines deutschen, sondern den eines türkischen Gewässers bekam. Dies zeugt unter anderem von einer strukturell rassistischen Denkstruktur innerhalb der Ermittlungsbehörden. Bereits im Vorfeld war eine polizeiliche Sonderkommission „Halbmond“ genannt worden, obwohl die Mordopfer in Deutschland gelebt hatten.

Jahrelang und mit großer Phantasie wurde in der Folge, wie bekannt, ausschließlich das Umfeld der Opfer krimineller Verstrickungen verdächtigt. Erst als bis zu 160 BeamtInnen jahrelang erfolglos Spuren hinein ins berufskriminelle Milieu verfolgt hatten, wurde ein so genannter Fallanalytiker beauftragt, nach weiteren Mordmotiven zu suchen. Das Ergebnis der in Polizeisprache so genannten „Operativen Fallanalyse“ (OFA) von Alexander Horn im Frühjahr 2006 war, dass es auch ein oder mehrere Einzeltäter sein konnten, die aus Hass Türken töteten. [20] Doch statt jetzt endlich verstärkt nach Neonazis zu suchen, wurde eine weitere Fallanalyse in Auftrag gegeben, die vor Rassismus nur so strotzte. Zitat aus dem im Ausschuss vorgelesenen Text:

„Vor dem Hintergrund, dass die Tötung von Menschen in unserem Kulturraum mit einem hohen Tabu belegt ist, ist abzuleiten, dass der Täter hinsichtlich seines Verhaltenssystems weit außerhalb des hiesigen Normen- und Wertesystems verankert ist“ [21].

Mit dieser Wertung war die Analyse von Horn relativiert und es wurde weiter auch im Umfeld der Opfer ermittelt.

Eine abenteuerliche und brandgefährliche Argumentation brachte Ministerialdirigent a.D. Dr. Wolf Dieter Remmele, vormals Abteilungsleiter beim Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz, bei seiner Vernehmung vor. Der Anstieg der rechtsextremen Gewalttaten und der Anstieg der Asylbewerberzahlen seien synchron verlaufen, so seine Argumentation. Der 1993 durch den Deutschen Bundestag beschlossene „Asylkompromiss“ – die De-Facto-Abschaffung des grundgesetzlich garantierten Asylrechts – habe folgerichtig einen „Abfall rechter Gewalt“ [22] bewirkt. Hartes Vorgehen gegen MigrantInnen wurde hier noch im Nachhinein gerechtfertigt.

Besagter Dr. Remmele hob sich auch noch in anderer Hinsicht von den blumigen und nebulösen Aussagen anderer Verfassungsschutz-Kollegen hervor. Er behauptete, der „Nationalsozialistische Untergrund“ könne gar nicht aus militanten Nazistrukturen wie „Blood & Honour“ hervorgegangen sein. „Blood & Honour“ sei nämlich „rechtzeitig verboten“ [23] worden, also bereits vor der NSU-Gründung. Ein informelles Weiterbestehen dieser Strukturen wurde also ausgeschlossen oder verleugnet.

Opfer und Angehörige wurden noch einmal vor dem Untersuchungsausschuss verunglimpft

Obwohl die ErmittlerInnen bereits seit November 2011 wussten, dass die Täter Neonazis waren, wurden die Opfer und deren Angehörige vor dem Ausschuss weiterhin in alter Manier verleumdet und verunglimpft. So behauptete ein damaliger Ermittler des Polizeipräsidiums Mittelfranken in der 13. Sitzung des Ausschusses am 5. Februar 2013, dass das Mordopfer X. – der Name soll hier bewusst nicht genannt werden – „eine kriminelle Figur in jeder Richtung“ [24] gewesen sei. Meine Recherchen, unter anderem ein Interview mit der Opferanwältin der Angehörigen dieses Mordopfers, ergaben unter anderem, dass X. nicht ein einziges Mal gerichtlich verurteilt worden war und auch die sonstige Einschätzung seiner Person grundfalsch war.

In der 14. Sitzung des bayerischen NSU-Untersuchungsausschusses am 19. Februar 2013 äußerte ein Mitarbeiter des Polizeipräsidiums München ganz unverhohlen, es gebe eine „türkische Drogenmafia mit Sitz in Holland, die wie eine Krake ihre Fühler über ganz Europa“ [25] ausbreiten würde. Bewusst oder unbewusst gab der Ermittler hier ein altbekanntes antisemitisches Stereotyp wieder und stülpte es der „türkischen Drogenmafia“ über. Derselbe Münchner Polizist berichtete dann noch von einem „Mischling“, der angeblich von zwei Zeuginnen am Tatort in der Bad-Schachener-Straße in München gesehen worden war. Später stellte sich heraus, dass die Zeuginnen gelogen hatten. Der Begriff „Mischling“ ist allenfalls im Tierreich noch angebracht, nicht aber bei Menschen, erinnert er doch an die 1935 in Nürnberg von den Nationalsozialisten verabschiedeten „Rassengesetze“ [26].

Angesprochen auf Türkenfeindlichkeit als mögliches Mordmotiv antwortete derselbe Beamte: „Eher dann in Richtung PKK, aber nicht passend zur rechtsradikalen Szene“ [27]. Ein Kommentar erübrigt sich hier.

In der 13. Sitzung am 5. Februar 2013 beschrieb ein damaliger Ermittler des Polizeipräsidiums Mittelfranken den NSU-Tatort in Kassel als „Türkenmeile“ [28] und wiederholte sodann die zwischenzeitlich enttarnte Lüge eines „Kronzeugen“, wonach das erste Mordopfer, Enver Şimşek, Streckmittel für Heroin über die holländische Grenze transportiert habe [29]. Von den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses intervenierte niemand. Anfang März 2013 erschien Semiya Şimşeks Buch  „Schmerzliche Heimat“. Die Tochter des ersten NSU-Mordopfers schrieb in diesem Buch, dass dieser Polizeiinformant im Jahr 2006 als Lügner überführt worden war: „Jahrelang war für die Nürnberger Ermittler Enver Şimşeks angebliche Heroinstreckmittelfahrt aus der Geschichte Yildirims [des „Kronzeugen“, A.d.V.] der wichtigste Grundstein gewesen, auf den sie ihre Drogentheorie aufbauten. Aber erst im Jahre 2006 erledigte ein (…) Beamter endlich die polizeilichen Hausaufgaben. Mit fünf Jahren Verspätung übernahm dieser Ermittler den überfälligen Routinejob, die Aussagen des angeblichen Zeugen Yildirim (…) auf ihren Wahrheitsgehalt hin abzuklopfen.“ [30]

Dass die im Jahr 2006 endlich widerlegte Lüge noch im Jahr 2013 vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss wiederholt wurde, ist bemerkenswert. Dass niemand den Beamten wegen übler Nachrede oder Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener anzeigte, ebenfalls.

Nachdem ich einige Mitglieder des bayerischen NSU-Untersuchungsausschusses über die genannten Hintergründe informiert hatte, kam es zu folgendem Wortwechsel. Vernommen wurde am 10. April 2013 der damals für die Mordserie verantwortliche Nürnberger Oberstaatsanwalt Dr. Walter Kimmel:

„Abgeordnete: Herr Şimşek wurde immer wieder verdächtigt, Drogendealer zu sein. Es gab einen Hinweisgeber, aufgrund dessen ermittelt worden ist. Aber seine Angaben sind erst fünf Jahre später, 2006, überhaupt hinterfragt und überprüft worden. Warum so spät?

Staatsanwalt: Man hat sich zunächst mit den aktuellen Fällen befasst. Erst dann hat man alles, was man mittlerweile schon ermittelt hatte, nochmal überprüft, gerade weil man nicht weitergekommen ist.

Abgeordnete: Es haben sich die Angaben des Hinweisgebers als falsch dargestellt. Das heißt, man hat fünf Jahre lang aufgrund falscher Hinweise ermittelt.

Staatsanwalt: Das war eine Spur. Wenn sich später herausstellt, dass die Spur falsch ist…“ [31]

Dr. Kimmel war dafür verantwortlich, dass das Kölner Nagelbombenattentat 2004 und die Mordserie nicht in einen vertieften ermittlungstechnischen Zusammenhang gebracht worden sind. Hier ein weiterer Dialog aus dem Untersuchungsausschuss zu der Frage an Dr. Kimmel, warum die Taten in Köln (2004) und Nürnberg (2005) nicht professionell verglichen worden sind. Besonders brisant ist dies deshalb, weil eine Nürnbergerin auf dem Video von der Kölner Keupstraße einen der beiden Männer mit Fahrrad und Basecap wiedererkannt hatte, die sie beim Mord an İsmail Yaşar am 9. Juni 2005 in der Nürnberger Scharrerstraße beobachtet hatte. [32]

„Abgeordneter: Inwieweit sind die Erkenntnisse der Ermittlungsarbeit des Kölner Nagelbombenanschlags in die Ermittlungsarbeit eingeflossen?

„Staatsanwalt: Es gab eigene Operative Fallanalysen. OFA München und OFA Köln. Ein Vergleich der beiden Taten bringt nix, weil die Taten zu unterschiedlich sind. Das haben die OFA-Analysten Bayern und Köln übereinstimmend vorgetragen. Wenn die OFA-Spezialisten das so bewerten – was soll ich denn da eine Analyse in Auftrag geben, wenn mir von vorn herein gesagt wird, das bringt nix.

Abgeordneter: Aber der Oberstaatsanwalt hätte doch die Möglichkeit gehabt, das zu vergleichen, gerade weil man seit Jahren nicht vorangekommen ist. Und jetzt hatten wir doch Videoaufnahmen und wieder waren Ausländer die Opfer. Da wäre das mit den Radfahrern aufgefallen.

Staatsanwalt: Die Radfahrer hatten wir ja beim Fall Yaşar, das war der erste konkrete Hinweis auf die zwei Radfahrer. Aber es gibt weiß ich nicht wie viele Millionen Männer mit Basecaps, die halt mal ein Fahrrad schieben. Aufgrund des Tatablaufs war es völlig anders. Wenn die reingegangen wären in einen Laden und hätten jemand erschossen, wäre es anders gewesen.“

Dr. Walter Kimmel, der in leitender Funktion für die Aufklärung der Mordserie zuständig war, wurde mittlerweile zum Chef der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth befördert. [33]

Untersuchungsausschuss: Leider nicht nachgebohrt…

Nicht nur in Bayern, auch anderenorts gaben die BehördenvertreterInnen meist nur das zu, was ihnen von anderer Seite (Medien, AntifaschistInnen, einzelne ParlamentarierInnen) nachgewiesen worden war. Inhaltsleere Monologe und endlose Selbstrechtfertigungen waren an der Tagesordnung.

Die veritable „Mauer des Schweigens“ wurde im bayerischen Untersuchungsausschuss nur selten durchbrochen. Da tauchten Dokumente im Nürnberger Polizeipräsidium auf, die auf Kontakte der späteren NSU-TerroristInnen zur mittelfränkischen Neonaziszene hinwiesen. Die diversen „Garagenlisten“ von Uwe Mundlos wiesen in dieselbe Richtung. Vertieft wurde das Thema in der Folge kaum. Viele Fragen zur „Tiroler Höhe“, einem ehemaligen Nazitreffpunkt in Nürnberg Mitte der 1990er Jahre, sowie zu den eben erwähnten „Garagenlisten“ wurden nur am Rande behandelt.

Im zwischenzeitlich geschlossenen Gasthaus „Tiroler Höhe“, das sich in unmittelbarer Nähe der ehemaligen SS-Kaserne im Nürnberger Süden befand, fand am 18. Februar 1995 ein damals so genanntes „Skinheadtreffen“, d.h., ein Treffen der militanten Neonaziszene mit vielen TeilnehmerInnen aus den neuen Bundesländern statt. Es gab Randale, Verhaftungen, und im Nachgang eine Personenkontrolle des Uwe Mundlos.

Antifaschistische Demonstration am 12. April 1995 gegen die „Tiroler Höhe“ in Nürnberg. Hier verkehrten auch spätere NSU-Terroristen (Foto: privat)

Antifaschistische Demonstration am 12. April 1995 gegen die „Tiroler Höhe“ in Nürnberg. Hier verkehrten auch spätere NSU-Terroristen (Foto: privat)

Höhepunkt der überregionalen rechten Vernetzung in der „Tiroler Höhe“ unter Federführung der regionalen NPD war der bundesweite “Nazi-Gipfel” am 25. März 1995 unter Anwesenheit von etwa 60 Neonazis. Neben NPD-Funktionären wie dem jetzigen Stadtrat der “Bürgerinitiative Ausländerstopp” und früheren NPD-Landesvorsitzenden Ralf Ollert waren auch VertreterInnen extrem rechter, „rechtspopulistischer” Parteien sowie die Crème de la Crème der damaligen militanten Naziszene anwesend, beispielsweise Friedhelm Busse, militanter Altnazi und u.a. ehemaliger Chef der zum Zeitpunkt des “Nazi-Gipfels” bereits verbotenen “Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei” (FAP).

Trotz deutlicher NSU-Relevanz wurde hier zu wenig nachgebohrt und recherchiert. Der NSU entstand nicht aus dem Nichts, sondern war ein Spross der militanten Naziszene der 1990er Jahre. Vielleicht entstand einer der Teil-Sprosse in Nürnberg und Umgebung.

Eine weitere Frage: Warum waren die späteren NSU-Terroristen in den Jahren 1995 und 1996 im Visier der hiesigen Polizei (Autobahnkontrolle 18. Februar 1995, handgeschriebene Liste der Polizeidirektion Nürnberg vom 21. September 1996)? [34] Wer saß außer Mundlos noch im Auto? Und: War es ein Zufall, dass der langjährige bayerische NPD-Chef und Nürnberger Stadtrat Ralf Ollert im Jahr 1997 in Neuhaus am Rennweg (Thüringen) an der Spitze einer Neonazidemonstration lief, ganz in der Nähe zwei der drei Kern-NSUler und mindestens einer der „V-Männer“, die sich im Terror-Umfeld bewegten?

Matthias Fischer (links) und Ralph Ollert 1994 auf einer Neonazi-Demonstration in Erlangen. Beide waren kaum Thema im bayerischen NSU-Untersuchungsausschuss, der den Zeitraum rechtsextremer Umtriebe in Bayern ab 1994 beleuchten sollte. (Foto: privat)

Matthias Fischer (links) und Ralph Ollert 1994 auf einer Neonazi-Demonstration in Erlangen. Beide waren kaum Thema im bayerischen NSU-Untersuchungsausschuss, der den Zeitraum rechtsextremer Umtriebe in Bayern ab 1994 beleuchten sollte. (Foto: privat)

Auch die Rolle von Mandy Struck war im bayerischen NSU-Untersuchungsausschuss nur marginal beleuchtet worden. Sie hatte den drei Neonazis Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt 1998 eine Wohnung bei ihrem damaligen Freund in Chemnitz vermittelt. Zur Zeit der ersten NSU-Morde lebte sie dann in Bayern und hatte u.a. Kontakt zur 2004 verbotenen Fränkischen Aktionsfront (F.A.F.). Deren Anführer Matthias Fischer stand namentlich auf der 1998 gefundenen Kontaktliste („Garagenliste“) des späteren NSU.

Das Thema „Fränkische NSU-Unterstützer-Szene“ wurde im Ausschuss nebenbei abgehandelt, hiesige „V-Leute“ in öffentlicher Sitzung nicht befragt. In Bezug auf die himmelschreienden Skandale rund um die beiden involvierten Neonazi-“V-Männer“ Dalek und Brandt wurde kaum Druck ausgeübt, kaum vertieft.

Auch die Frage, ob Aufkleber der 2004 vom bayerischen Innenministerium verbotenen „Fränkischen Aktionsfront“ (F.A.F.) bereits zum Zeitpunkt des Mordes an Herrn Özüdoğru an den Fallrohren des Tatortes in der Siemensstraße/Gyulaer Straße Nürnberg registriert werden konnten, wurde bisher nicht ausreichend geklärt. Reste der Aufkleber mit der Aufschrift „Den Zionismus gemeinsam bekämpfen“ fanden sich jedenfalls noch 2011 auf den Fallrohren und wurden mittlerweile entfernt.

Alte Aufkleber der „Fränkischen Aktionsfront“ am NSU-Tatort Siemensstraße im Jahr 2011 (Foto: Birgit Mair)

Alte Aufkleber der „Fränkischen Aktionsfront“ am NSU-Tatort Siemensstraße im Jahr 2011 (Foto: Birgit Mair)

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Auch folgende Frage wurde im bayerischen NSU-Untersuchungsausschuss noch nicht befriedigend geklärt: Wer nahm an der NPD-Veranstaltung „Kunstgeschichtliche Stadtführung in Franken“ teil, die für den 9. September 2000 in Nürnberg angekündigt worden war? Ausgerechnet an dem Tag, an dem in Nürnberg auf den Blumenhändler Enver Şimşek geschossen wurde! Wo wurde diese Veranstaltung durchgeführt? Warum spielte diese Veranstaltung bis heute keine Rolle in der öffentlichen Debatte?

Die Rolle der NPD-Veranstaltung „Kunstgeschichtliche Stadtführung in Franken“ mit der Angabe „09.09.2000 Nürnberg“ am Tag des ersten NSU-Mordes (9.9.2000) wurde bisher nicht geklärt.

Nur ganz nebenbei sei erwähnt, dass es zur Frage einer Aktenschredderei in Bayern nach dem 4. November 2011 von Seiten der vernommenen VS-Beamten widersprüchliche Aussagen gab. Vereidigt wurde bis jetzt in dieser wie auch in anderen Angelegenheiten kein Zeuge.

Ist die NSU-Aufklärung in Bayern gescheitert?

Diese Frage ist mit einem klaren „Ja“ zu beantworten.

Viele der im Ausschuss bekannt gewordenen Fakten und Umstände waren nicht wirklich neu. Die vernommenen Behördenvertreter mauerten häufig, antworteten einsilbig, inhaltsleer oder im Gestus der Selbstrechtfertigung. Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses initiierten – Ausnahmen bestätigen hier die Regel – kaum eigenständige Recherchen und betrieben oft sichtlich „Dienst nach Vorschrift“. Trotz des guten Willens eines Teils der Mitglieder des Untersuchungsausschusses wird dieser nur wenig zur Aufklärung der fünf rassistischen NSU-Morde und zum Versagen staatlicher Behörden in Bayern beitragen.

Häufig war die Öffentlichkeit im bayerischen NSU-Untersuchungsausschuss ausgeschlossen worden. (Foto: Birgit Mair)

Häufig war die Öffentlichkeit im bayerischen NSU-Untersuchungsausschuss ausgeschlossen worden. (Foto: Birgit Mair)

Es gab auch strukturelle Einschränkungen: Dass im Durchschnitt pro Zeuge weniger als zwei Stunden Zeit für die Befragung veranschlagt war und dass ein begrenzter und vorher zwischen allen Landtagsparteien „ausgehandelter“ Fragenkatalog abgearbeitet wurde bzw. abgearbeitet werden musste, zeigt die Grenzen eines solchen Verfahrens auf. Viele Sitzungen waren als „geheim“ oder „nicht öffentlich“ eingestuft, die JournalistInnen und BesucherInnen waren dann ausgeschlossen. Insbesondere wenn es um die so genannten „V-Leute“ des bayerischen Verfassungsschutzes ging, verschwanden die Abgeordneten im Münchener Maximilianeum ganz plötzlich in einen der Öffentlichkeit unbekannten Raum. Mitarbeiter des Bayerischen Innenministeriums wachten genauestens darüber, dass niemand folgte. Doch auch während der Sitzungen wachten diese Beamten darüber, dass ja niemand gegen die Auflagen der so genannten „Aussagegenehmigungen“ verstieß, die wohl eher den Namen „Aussageverweigerungen“ verdient hätten.

Ein indirekter Aufklärungsbeitrag wird jedoch bereits jetzt deutlich: Bei derart ignoranten und teilweise noch heute ihre groben Fehler und rassistischen Einstellungsmuster verteidigenden Behördenvertretern wird schon etwas klarer, warum es menschenverachtende Neonazis in Bayern teilweise derart leicht hatten und haben.

Ausblick [35]

Sehr erstaunt war ich, als am 18. Juni 2013, in einer der letzten Sitzungen des NSU-Untersuchungsausschusses, bekannt gegeben wurde, dass das Innenministerium dem Ausschuss die angeforderten Unterlagen zu weiteren Neonazi-V-Leuten immer noch nicht bereitgestellt hat. Auch das NSU-Bekennervideo und die dazu gehören- den Unterlagen haben die Abgeordneten noch nicht erhalten. Wenn man bedenkt, dass der Abschlussbericht am 17. Juli 2013 präsentiert werden soll, wundert man sich über diese Nachlässigkeit. Auch die Frage, wie der Wahrheitsgehalt der am 18. Juni 2013 im Untersuchungsausschuss getätigten Behauptung eines Polizeibeamten überprüft werden kann, blieb bisher ungeklärt. Der Beamte erklärte unter anderem, bei einer Besprechung der BAO Bosporus – mutmaßlich im Jahr 2007 – sei vom „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) als möglichem Urheber der Mordserie die Rede gewesen. [36]

Spannend bleibt, wie mit den offenen Fragen rund um den erst kürzlich bekannt gewordenen mutmaßlichen NSU-Sprengstoffanschlag am 23. Juni 1999 in der Nürnberger Scheurlstraße umgegangen wird. Die betroffene Kneipe „Sunshine“ hatte damals einen türkischstämmigen Wirt. Auch hier konnten sich die Ermittlungsbeamten kein rassistisches Motiv vorstellen. [37]

———————————————————–

[1] Korrespondenzadresse: ISFBB e. V., Adamstr. 37, 90489 Nürnberg (www.isfbb.de).
Email: birgitmair@t-online.de. Die Autorin bedankt sich bei den Nordbayerischen Bündnissen gegen Rechts für den Fahrtkostenzuschuss. Auch den redaktionellen HelferInnen und allen, die die Protokolle erstellt haben, sei an dieser Stelle gedankt.
[2]  Aussage von Franz-Josef Wilfling vom Polizeipräsidium München in der 14. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ am 19. Februar 2013. Zum Zeitpunkt der Ermordung des Obst- und Gemüsehändlers Habil Kılıç am 29. August 2001 in der Bad-Schachener-Straße in München war Wilfling Leiter der 5. Münchner Mordkommission.
[3]  ebd.
[4]  Die ermordete Polizistin Michèle Kiesewetter war während der seinerzeit laufenden Ermittlungen nicht in Verbindung mit der Mordserie an den Migranten gebracht worden, da eine andere Tatwaffe verwendet worden war. Deshalb spielte der Mordfall Kiesewetter im Bayerischen NSU-Untersuchungsausschuss keine Rolle.
[5]  Aussage von Albert Vögeler vom Polizeipräsidium Mittelfranken in der 11. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ am 22. Januar 2013
[6]  ebd.
[7]  ebd.
[8]   Aussage von Harald Pickert vom Polizeipräsidium München in der 14. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ vom 19. Februar 2013
[9]   Aussage von Dr. Walter Kimmel von der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg in der 21. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ vom 10. April 2013
[10]   Aussage von Wolfgang Geier vom Polizeipräsidium Unterfranken in der 15. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ vom 20. Februar 2013
[11]   Aussage von Manfred Hänsler vom Polizeipräsidium Mittelfranken in der 13. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ vom 5. Februar 2013
[12]   Aussage von Manfred Witkowski vom Polizeipräsidium Mittelfranken in der 18. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ am 19. März 2013
[13]   So auch die Aussage von Manfred Kellner vom Polizeipräsidium Oberfranken in der 11. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ vom 22. Januar 2013
[14]  Vgl. http://www.apabiz.de/archiv/material/Profile/GDNF.htm
[15]   Vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Gruppe der PDS/Linke Liste, Drucksache 12/5598, 21. September 1993
[16]   Zum Beispiel trat am 20. August 2005 bei einem Neonaziaufmarsch in der Nürnberger Südstadt ein Neonazi mit dem T-Shirt „Fränkischer Heimatschutz“ auf. (Foto im Archiv der Verfasserin). Im Zeitraum ab 2010 bis 2013 traten Neonazis des „Fränkischen Heimatschutzes“ auf verschiedenen Demonstrationen mit Transparent auf. (Fotos im Archiv der Verfasserin)
[17]   Aussage von Manfred Kellner vom Polizeipräsidium Oberfranken in der 11. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ vom 22. Januar 2013
[18]   Siehe die Antwort des Thüringer Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Martina Renner (DIE LINKE), Drucksache 5/4198, 15. März 2012
[19]   Aussage von Werner Störzer vom Polizeipräsidium Mittelfranken in der 13. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ vom 5. Februar 2013
[20]   Aussage von Alexander Horn vom Polizeipräsidium Mittelfranken in der 17. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ am 6. März 2013
[21]   Vom Ausschussvorsitzenden in der 20. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ vom 9. April 2013 vorgelesen
[22]   Aussage von Dr. Wolf-Dieter Remmele, MinDirig a.D. StMI in der 9. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ am 18. Dezember 2012
[23]  Ebd.
[24]   Aussage von Werner Störzer vom Polizeipräsidium Mittelfranken in der 13. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ am 5. Februar 2013
[25]   Aussage von Josef Wilfling vom Polizeipräsidium München in der 14. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ am 19. Februar 2013
[26]   Zitat aus den rassistischen Nürnberger Rassengesetzen: „Jüdischer Mischling ist, wer von ein oder zwei der Rassen nach volljüdischer Großelternteilen abstammt, sofern er nicht nach §5 Abs.2 als Jude gilt. Als volljüdisch gilt ein Großelternteil ohne weiteres, wenn er der jüdischen Religionsgemeinschaft angehört hat.“ Vgl. Internetseite des Deutschen Historischen Museums (DHM) in Berlin: http://www.dhm.de/lemo/html/dokumente/nuernbergergesetze/
[27]   Aussage von Josef Wilfling vom Polizeipräsidium München in der 14. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ am 19. Februar 2013
[28]   Aussage von Werner Störzer vom Polizeipräsidium Mittelfranken in der 13. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ am 5. Februar 2013
[29]  Ebd.
[30]  Semiya Şimşek/Peter Schwarz: Schmerzliche Heimat. Deutschland und der Mord an meinem Vater. Berlin 2013, S. 131ff sowie S. 151ff
[31]   Aussage von Dr. Walter Kimmel von der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg in der 21. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ vom 10. April 2013
[32]   http://www.endstation-rechts-bayern.de/2013/06/diese-dimension-konnte-man-sich-nicht-vorstellen/
[33]  http://www.nordbayern.de/nuernberger-zeitung/nurnberg/kimmel-wird-chef-der-staatsanwaltschaft-nurnberg-furth-1.2955667
[34]  Bündnis 90 / Die Grünen, Zwischenbilanz Untersuchungsausschuss „NSU — Rechtsterrorismus in Bayern”
[35]  Verfasst nach dem Ende des Analysezeitraums
[36]   Aussage von Konrad Pitz von der Kriminalpolizei Rosenheim bei der 28. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ am 18. Juni 2013
[37]   Nürnberger Nachrichten 25. Juni 1999

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Protokoll 38. Verhandlungstag – 24. Sept 2013

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Zeug_innen:

  • Brandermittler L. (zeigt Fotos vom Haus und Asservaten nach dem Brand in Zwickau
  • Wolfgang Fe. (Geschäftspartner im Schlüsseldienst des ermordeten Theodoros Boulgarides)
  • Polizist Hi. (Kriminaldauerdienst München, erster Beamter am Tatort)
  • Polizist Kr. (Eingrenzung der Tatzeit durch von ihm durchgeführte Zeugenbefragungen)

Bemerkenswert an der an diesem Tag fortgeführten Vernehmung des Brandermittlers waren u.a. Fotos von den im Brandschutt der Frühlingsstraße aufgefundenen Zeitungsausschnitten über die Morde: Diese stammen teilweise aus lokalen Zeitungen der Tatorte und könnten auf lokale UnterstützerInnen des NSU hindeuten. Ansonsten begann die Beweisaufnahme zum Mord an Theodoros Boulgarides durch zwei Beamte und die Anhörung seines Geschäftspartner. Er hatte Boulgarides tot aufgefunden und berichtete von den zerstörerischen Folgen der Tat und der Ermittlungsarbeit für Familie und Freunde und sein Geschäft.

Die Verhandlung beginnt um 9.45. Als Nebenkläger_innen sind heute Angehörige des am 15. Juni 2005 in der Münchner Trappentreustraße ermordeten Theodoros Boulgarides.

Die Sitzung beginnt jedoch mit der am 25. Verhandlungstag unterbrochenen Vernehmung des Brandermittlers L. aus Zwickau. Dieser geht im Folgenden wieder die Lichtbildmappen zum Brand in der Zwickauer Frühlingsstraße 26 durch. Gezeigt werden Übersichts- und Detailaufnahmen von beim Brand gesicherten Gegenständen. Es werden Bilder von einer Vielzahl an Dokumenten, Videokassetten, DVDs, Textilien, Schuhen und zum Teil von technischen Geräten gezeigt. Häufig weisen die Gegenstände Brandspuren auf. L. beginnt mit dem Brandbereich H, dem so genannten Schlafzimmer. Hier werden Bilder gezeigt vom geöffneten Tresor, der demontiert und gesichert worden sei, sowie von einem Karton und einer Batterie, die unter dem Bett in diesem Raum gefunden wurde. Aus dem sogenannten Katzenzimmer werden unter anderem Bilder gezeigt von schwarzen Tüchern, Turnschuhen und Basecaps, die in einer Plastiktüte verpackt gewesen seien. L. führt Bilder von Dokumenten vor, die in einem Stapel unter dem Schrank gefunden worden und von Löschwasser durchtränkt gewesen seien. Diese seien einzeln getrocknet worden, um Fingerabdruck- und DNA-Spuren zu sichern. Weiter geht es mit dem Brandbereich L, dem Gang. Man sieht hier unter anderem Bilder von Geldscheinen, die auf dem Fußboden festgestellt worden seien, so L. Auf einer Detailaufnahme ist auf einem Geldschein ein Aufdruck “Sparkasse Chemnitz” zu sehen. Dann folgen Aufnahmen von Euroschecks und später Fotos von einer großen Zahl Banderolen für Geldscheine von verschiedenen Geldinstituten, die im Gang aufgefunden worden seien. L. geht zu den gesicherten Gegenständen aus dem Bereich N über, dem Bereich der Nachsuche, wo der Bagger in die Wohnung hinein gegriffen habe. L. zeigt zunächst die dort gefundenen Waffen. Er beginnt mit einer Waffe mit Schalldämpfer, die die Nummer W04 trägt und Brandspuren aufweist. Die “Plasteanhaftungen”, die zu sehen sind, kämen von einem Plastikbeutel, so L. Kurz drauf sieht man in einer Detailaufnahme die Aufschrift “7.65mm Modell 83″. Dann zeigt er die weiteren in N gefundenen Waffen, darunter Revolver, eine Langwaffe und eine Maschinenpistole. Danach werden Bilder von in N gefundener Munition gezeigt. L. weist darauf hin, dass man sehe, dass bereits die Verpackung der Munition zum Teil “thermisch stark beaufschlagt” sei und Munitionsteile bereits explodiert seien. Das Bild mit der Nummer 1002 zeigt einen orangefarbenen Bibliotheksausweis mit dem Bild Beate Zschäpes, ausgestellt auf eine Frau S. R. (siehe Protokoll zum 23. Verhandlungstag). Angegeben ist auf dem Ausweis als Adresse der Bibliothek eine Anschrift in Hannover sowie eine Hannoveraner Telefonnummer. Dann folgt ein Bild, auf dem schwarzes Pulver in einem Glasbehältnis, das auf einer Waage steht, und in transparenten Tüten zu sehen ist. L. sagt, es handele sich um ca. 2,5 kg Sprengstoff, der im Bereich N aufgefunden worden sei. Ein weiteres Glas sei kaputtgegangen. Dieses Material sei unmittelbar am Fundort dem LKA übergeben worden. Ein Bild zeigt neben anderen Textilien Masken und Tücher. Bild 1018 zeigt einen Mitgliedsausweis mit dem Bild Zschäpes, auf dem ein “Tennisclub Großgründlach e.V.” genannt ist. Ausgestellt ist der Ausweis auf “Mandy Struck”. Das nächste Bild zeigt eine BahnCard ausgestellt auf den Namen des Angeklagten André E. Es folgt ein Foto einer AOK-Karte, ausgestellt auf Silvia R. [selber Nachname wie beim Bibliotheksausweis]. Man sieht eine Aufnahme von Passfotos, [die vielleicht den Angeklagten Holger G. zeigen]. Die nächsten Aufnahme zeigt einen weiteren Bibliotheksausweis, ebenfalls mit der Hannoveraner Adresse und dem Bild Zschäpes. Diesmal ist die Farbe aber eher pink.
Nach Übersichtsaufnahmen von zum Trocknen ausgelegten Papieren, z.B. Zeitungsartikeln und Kartenmaterial, wird eine Karte der Barmer Ersatzkasse, ausgestellt auf Uwe Mundlos, gezeigt. Es folgt ein Personalausweis, ausgestellt auf Beate Zschäpe und ein Reisepass, so L., “einer gewissen Beate Zschäpe”. Dann kommen Bilder von einem Personalausweis und einem Führerschein von Uwe Mundlos. Es folgen zwei weitere Personalausweise, ausgestellt auf einen Ralf H. und einen Michael F. Bild 1050 zeigt eine längliche Holzkiste mit einem Griff und zwei Löchern in der Längsseite. Die nächsten Aufnahmen zeigen den Inhalt: eine Laserwasserwaage, so L., die fest in der Kiste verschraubt gewesen sei. Auf einer Fotografie sieht man eine größere Zahl Briefumschläge. In diesen befänden sich DVDs mit dem Aufdruck “NSU”. Die Briefe seien getrocknet und an das BKA übergeben worden, sagt L.
Das nächste Bild zeigt eine Spur, die laut dem Zeugen mit Ottokraftstoff kontaminiert gewesen sei. Es seien zusammen geheftete Folien, in denen sich Zeitungsartikel befunden hätten. Sie hätten sich entschieden, diese heraus zu schneiden und zu trocknen. Die nächsten Bilder zeigen Zeitungsausschnitte. L. sagt, es handele sich um Abfolge der Morde, die in der Presse veröffentlicht worden seien. Die Nummerierung sei nicht von den Ermittlern vorgenommen worden, sondern die Zettel hätten sich mit in den Folien befunden. Gezeigt werden Bilder von verschiedenen Zeitungsartikeln aus verschiedenen, auch regionalen, Zeitungen wie der Abendzeitung aus München. Überschriften, die zu lesen sind, sind zum Beispiel: “Bub findet Sterbenden”, “Händler mit Kopfschuss hingerichtet”, “Sprengsatz verletzte 19-Jährige”, “Auftragskiller richtet das neunte Opfer hin” und “Zeugin beschreibt den Nagelbomber”. Dazwischen wird auch ein Dokument gezeigt mit der Aufschrift “Aufnahmeantrag und Mietbedingungen” und einem Logo mit den Buchstaben “DVR”, ausgestellt auf Susann Eminger. Nach dem Zeigen von insgesamt fast 1090 Bildern sagt L.: “Ausführung beendet.”

Nach einer Pause folgt die Befragung des Zeugen. Richter Götzl fragt nach dem Tresor. L. sagt, der Tresor sei mit einem Schlüssel zu öffnen gewesen, der aber nicht gefunden worden sei. Der Tresor sei geöffnet gewesen. Dann fragt Götzl zum baulichen Zustand des Hauses. Das Haus sein in beiden Hälften in relativ gutem Zustand gewesen, antwortet L. Die Dacheindeckung sei erst neu gemacht worden, die Holzkonstruktion der Geschossdecken sei in gutem Zustand gewesen, das sei beim Abriss nachvollziehbar gewesen. Auch die Holzkonstruktion in den beiden Treppenhäusern sei in relativ gutem Zustand gewesen, so L. Zwischen den beiden Gebäuden habe sich eine massive Wand befunden, nur der Dachstuhl sei komplett verbunden gewesen. Ein Brand, der sich auf den Dachstuhl ausbreite, ziehe den gesamten Dachstuhl in Mitleidenschaft. Das Haus sei an die öffentlichen Versorgungsnetze angeschlossen gewesen. Die Heizung sei eine Warmwasserheizung gewesen, die von einem Gaskessel befeuert worden sei. Dieser habe sich im Hausteil 26a im Keller befunden. Weitere Gasleitungen seien nicht vorhanden gewesen. Die Briefkästen hätten sie geöffnet, dort sei nichts Relevantes gefunden worden. Der gelbe öffentliche Postkasten vor dem Gebäude links sei durch die Feuerwehr beim Einsatz des Baggers entfernt und dem Polizeirevier übergeben worden. Dieses habe den an die Post übergeben, ohne ihn zu öffnen. Götzl fragt nach Ermittlungen zur Brandzeit. L. antwortet, ein Informatiker habe den Computer aus dem Brandbereich E untersucht, dieser sei um 14.30 Uhr ausgeschaltet worden. Um 15.08 sei der Notruf bei der Feuerwehr eingegangen, gegen 15.12 Uhr oder 15.15 Uhr sei das erste Löschfahrzeug am Ort gewesen und um 15.30 Uhr sei das Feuer unter Kontrolle gewesen. Von 14.30 Uhr bis 15.08 Uhr hätten 38 Minuten zur Verfügung gestanden, in denen sich der Brand habe entwickeln können, was kurz vor 15.08 Uhr zur Explosion geführt habe, so dass um 15.12 schon ein Flächenbrand zu erkennen gewesen sei. Auf Frage von Oberstaatsanwältin Greger sagt L., es sei ihm nicht möglich gewesen, die Zimmer bestimmten Personen zuzuordnen, er habe die Bezeichnungen der Zimmer nach den aufgefundenen Gegenständen vorgenommen. Dann fragt Nebenklagevertreter RA Scharmer. Er sagt, L. habe Teelichter gefunden und Ausführungen darüber gemacht, ob diese als Zündquelle in Frage kommen. L. sagt, die Teelichter in Brandbereich E seinen nicht “beaufschlagt” gewesen, die Teelichter aus der Küche und dem Gang aber schon. Eine offene Flamme sei durchaus in der Lage, ein Gasgemisch zu zünden, aber die Aussage, dass diese Flammen das Gemisch gezündet haben, könne er nicht treffen. Auf Frage Scharmers sagt L., im Brandbereich G und in der Küche sei Ottokraftstoff festgestellt worden, an den Teelichtern selbst sei kein Ottokraftstoff nachzuweisen gewesen. Scharmer zitiert L., der geschrieben habe, zur Zeit der Brandentstehung hätten evtl. Teelichter gebrannt, es sei nicht auszuschließen, dass diese die brandverursachende Zündquelle gewesen seien. L. sagt, die Einschätzung sei richtig. Wenn sich eine Person in der Wohnung befinde und offenes Feuer zünde, dann könne diese Person die Wohnung nicht mehr unverletzt verlassen. Scharmer erwidert, es gebe aber doch einen Zeitverzug zwischen der Entstehung des Gas-Luft-Gemisch und dem Zeitpunkt der Zündung. L. sagt, das Problem sei, dass ein Gas-Luft-Gemisch unkontrollierbar sei. Man könne nicht entscheiden, wann das Gemisch entstehe und wann das Gemisch zur Zündung komme. Scharmer fragt, ob L. andere Zündmechanismen gefunden habe, was L. verneint. RA Kolloge fragt, ob L. Spielzeug gefunden habe, was L. bestätigt. Das müsse man in den Listen des BKA nachschauen, das alle gefundenen Gegenstände dokumentiert habe. Im Keller sei auch ein Kinderfahrrad gefunden worden. RA Reinecke fragt wieder zu den Teelichtern, ob diese auf dem Boden gestanden hätten. L. sagt, in Bereich G hätten sie auf dem Boden gelegen, wo sie ursprünglich gestanden hätten, könne er nicht sagen. Im Brandbereich E hätten die Teelichter auf dem Fußboden gestanden und in der Küche auch. Reinecke fragt, ob dort die Teelichter mit dem Docht nach oben gestanden hätten, was L. bestätigt. Dann fragt Reinecke nach der Kraftstoffspur im Erdgeschoss. L. sagt, wie die Spuren von Kraftstoff dahin kamen, könne er nicht sagen. Dann will Reinecke wissen, ob es auch eine Durchbrennung an der Wohnungseingangstür rechts gegeben habe, was L. verneint. Die nächste “thermische Beaufschlagung” sei unmittelbar dahinter festzustellen gewesen.
RAin Schneiders, Verteidigerin von Wohlleben, fragt zum Baggereinsatz. L. berichtet, zunächst übernehme die Berufsfeuerwehr die Leitung. Da es Informationen gegeben habe, dass möglicherweise noch zwei männliche Personen in der Wohnung sein könnten, seien zunächst diese beiden Vermissten gesucht worden. Durch den Einsatzleiter sei ein Statiker von der Stadt Zwickau beauftragt und der Einsatz des Baggers beordert worden, um die Kontrolle des Wohnhauses durchzuführen. Durch den Bagger habe das Dach angehoben werden sollen, um das Gebäude gefahrlos betreten zu können. Das sei der Einsatz des Baggers gegen 22 Uhr bis 2 Uhr, wo er, L., das Objekt übernommen habe. Schneiders hält vor, in den Akten stehe, L. habe gegen 22 Uhr das weitere Abreißen des Gebäudes untersagt. L. sagt, das müsse 2 Uhr heißen, da habe er das Objekt für alle gesperrt. Schneiders fragt nach dem Grund dafür. L. sagt, das sei das normale Vorgehen, um Spuren zu sichern, angesichts des Ausmaßes des Brandes und der Verwendung von Ottokraftstoff, den er schon selbst habe riechen können. Es sei darum gegangen, was heraus geräumt und was abgestützt werden muss und was betreten werden könne. Die Vorgabe für den Bagger sei gewesen, die Dachlast zu minimieren, damit den Leuten, die hinein gehen, nichts passiere. Schneiders hält vor, L. habe geschrieben, was der Bagger heraus geholt habe sei nachvollziehbar durch die Ablagerungen. L. sagt, der Bagger habe das, was er heraus geholt habe, nicht von A nach B transportiert oder gedreht, sondern nur aus dem Objekt herausgezogen und abgelegt. Schneiders sagt, angesichts der ausführlichen Fotodokumentation frage sie sich, wieso diese bei der Nachsuche im Bereich N ende. L. erwidert, dort sei festgelegt worden, dass die relevanten Spuren direkt in Kisten oder Beutel gepackt und zur Polizeidirektion Zwickau verbracht werden ohne eine Dokumentation vor Ort. Der Bereich sei einsehbar gewesen und die Presse habe permanent rein geschaut. Die Anweisung des Vorgesetzten sei gewesen, dass diese Teile von der eingesetzten Bereitschaftspolizei in Kisten verpackt werden. Schneiders sagt, in seiner Auflistung der eingesetzten Beamten verweise L. auf eine Auflistung des BKA, diese sei dem Gutachten aber nicht beigefügt. L. sagt, das BKA habe sie ihm nicht zur Verfügung gestellt. RA Klemke, ebenfalls Verteidiger von Wohlleben, fragt, welcher Vorgesetzte die Anweisung gegeben habe. L. sagt, es gebe im Lagezentrum eine Person, die sei ihm aber jetzt namentlich nicht erinnerlich. Klemke will wissen, ob L. bei der Nachsuche in Bereich N anwesend war. L. sagt, er sei nicht die ganze Zeit da gewesen, insgesamt habe das einen Monat gedauert. Auf Nachfrage sagt er, er sei aber bis zu den Waffen und den DVDs dabei gewesen.

RA Heer, Verteidiger von Zschäpe, bittet um eine kurze Unterbrechung zur internen Beratung. Nach der Unterbrechung sagt Heer, L. habe gesagt, die Bausubstanz sei insgesamt gut gewesen, was L. bestätigt. Heer fragt, ob L. sich auch mit den Decken befasst habe, was L. ebenfalls bestätigt. Heer fragt L. nach Hohlräumen. L. sagt, es habe nur die Hohlräume in den Zwischenwänden, in denen die Versorgungsleitungen liegen, gegeben. Als nächstes fragt der Brandsachverständige Dr. Setzensack vom LKA Bayern, er fragt zunächst nach dem gefundenen Zehn-Liter-Benzinkanister. L. sagt, es sei nur noch ein kleiner Rest Benzin in dem Kanister gewesen. Die ebenfalls gefundene Ausgusstülle könne möglicherweise zum Kanister passen, das habe er aber nicht ausprobiert. Setzensack sagt, das LKA habe bei den verschiedenen Benzinproben in der Wohnung unterschiedliche Kraftstoffzusätze gefunden, das passe nicht mit dem einen gefundenen Kanister zusammen. L. sagt, es seien keine weiteren Kanister gefunden worden. Dann fragt Setzensack nach den Elektrogeräten, die als Zündquellen in Frage kämen. L. antwortet, einige seien angeschlossen gewesen, er habe aber nicht sicher feststellen können, ob sie eingeschaltet gewesen seien. Zum Zustand der Trennwand zur Nachbarwohnung befragt, sagt L., die Wand sei verschoben worden, dadurch seien Risse entstanden und durch diese Risse hätten Rauchgase eindringen können. Dann will Setzensack wissen, ob sich unter den Schusswaffen auch durchgeladene Waffen befunden hätten. L. sagt, dass bei den Schusswaffen aus der Wohnung ein Auswurf dokumentiert sei. RA Klemke fragt, was L. mit “Auswurf” meine. L. antwortet, dort klemme die Patrone drin, im Schlitten. Das Geschoss fliege normalerweise raus, die Hülse klemme dann oben. Er sei aber kein Experte für Waffen. Dann will Klemke wissen, wie die Suche im Brandbereich N konkret abgelaufen ist. L. sagt, es seien einige Tonnen gewesen, das könne nicht von nur zwei Personen durchsucht werden. Ab Montag sei daher Bereitschaftspolizei eingesetzt worden. Die Liste der eingesetzten Beamten liege vor. Die Beamten seien eingewiesen worden, wie sie den Brandschutt aufnehmen und transportieren müssten. Der Schutt sei an zwei Plattformen sortiert worden. Er habe noch fünf Brandermittler der Polizeidirektion Zwickau und “Kollegen USBV” [= Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen] am Tatort zum Einsatz gebracht. Die hätten den Brandschutt untersucht. Manches, z.B. Waffen, sei gleich dort verpackt worden, wo es gefunden wurde. Es stehe ja in der Liste, wer was gefunden habe. Das ganze sei “von uns” überwacht worden. Klemke, fragt wer mit “wir” gemeint sei. L. sagt, er habe die Ursachenermittlung geleitet, die anderen Ermittler, die er zum Einsatz gebracht habe, hätten selbstständig gearbeitet.
Die Bereitschaftspolizei sei fünf Meter entfernt gewesen. Klemke will wissen, ob die Fläche in Sektoren eingeteilt worden sei. L. verneint das, sie hätten vorne angefangen und sich nach hinten, zur Rückwand des Gebäudes, vorgearbeitet. L. sagt, es sei ihnen durch die Bereitschaftspolizei zur Kenntnis gebracht worden, dass Waffen gefunden worden seien. Dann seien sie dort hin und hätten die Waffen in Kartons gepackt und in die PD Zwickau gebracht. Das sei dokumentiert, aber nicht fotografiert worden, es gebe ein Protokoll dazu. Klemke sagt, das habe er in den Akten nicht gefunden. L. erwidert, es sei bekannt, wer welche Waffe gefunden habe. Auf Frage von Klemke sagt L. es stehe in den Akten, wann er selbst vor Ort gewesen sei, er sei jedenfalls in der ersten Woche ständig vor Ort gewesen. Nicht nur im Bereich N, sondern im gesamten Gebäude. Das Objekt sei abgesperrt und bewacht gewesen. Klemke fragt nach der Liste, welcher Beamte was gefunden hat. L. sagt, er wisse nicht, was damit passiert sei, dazu müsse man sich ans BKA wenden. Die Vernehmung endet um 11.47 Uhr.

Nach der Mittagspause geht es um 13.05 Uhr weiter mit dem Zeugen Wolfgang Fe., dem Geschäftspartner des am 15. Juni 2005 in München ermordeten Theodoros Boulgarides. Fe. sagt, er sei 43 Jahre alt und betreibe einen Schlüsseldienst. Er berichtet, er habe “den Theo” angerufen und der sei nicht ans Telefon gegangen: Daraufhin sei er hin gefahren und habe Boulgarides gefunden. Boulgarides habe hinter der Theke gelegen, das Telefon neben ihm. Er, Fe., habe geschaut ob Boulgarides noch lebt und dann die Polizei angerufen. Götzl fragt nach der Lage von Boulgarides. Fe. sagt, er habe gerade auf dem Rücken gelegen, das Telefon habe rechts neben ihm gelegen. Boulgarides sei nicht mehr am Leben gewesen. Götzl will wissen, wie Fe. zu Boulgarides gestanden habe. Fe. berichtet, er habe einen Geschäftspartner gesucht, weil er noch die Firma Karstadt bewache, und habe durch einen Freund Boulgarides kennengelernt. Dann hätten sie gesagt, machen wir einen Landen auf.und zwei Wochen später [nach der Eröffnung] sei das [der Mord] passiert. Es habe noch keine konkreten Absprachen gegeben, wann er arbeiten solle und wann Boulgarides, wie es in den 14 Tagen gewesen sei, könne er nicht mehr sagen, das habe sich ergeben. Es sei eigentlich nicht geplant gewesen, dass Boulgarides da gewesen sei. Boulgarides habe auch dort gewohnt. Einen Abend vorher sei zum Beispiel er selbst da gewesen. Auf Frage von Götzl sagt Fe., er habe im Vorfeld Werbung gemacht, “den Theo” habe er zur Unterstützung geholt. Die Firma habe den Namen “Schlüsselwerk” getragen. Fe. sagt, er könne sich nicht erinnern, ob am Laden die Namen der Inhaber gestanden hätten. Fe. gibt an, er habe Boulgarides gegen 19 Uhr gefunden. Warum er ihn angerufen habe, könne er nicht mehr sagen. Weiter sagt Fe., es seien ihm vor Ort keine Personen aufgefallen. Zur Lage des Geschäftes befragt, sagt Fe., er betreibe das Geschäft heute nicht mehr, es liege unterhalb der Donnersbergerbrücke. Davor liege eine Bushaltestelle. Es sei eine kleine Straße, die runter führe zum Mittleren Ring in den Trappentreutunnel. Götzl bittet Fe. Boulgarides zu beschreiben. Fe.: “Eine gelassene Person, immer auf Frieden ausgerichtet.” Die Familie habe er eigentlich nicht gekannt, nur den Bruder ein bisschen. Boulgarides habe zwei Töchter, so Fe. Fe. sagt, er habe Boulgarides ein halbes Jahr, vielleicht acht Monate gekannt. Sie hätten vor der Eröffnung drei Monate lang gemeinsam den Laden hergerichtet. Götzl fragt nach den Folgen der Tat für die Familie. Fe.: “Die totale Zerstörung, würde ich sagen. Nicht nur für die Angehörigen.” Die Mutter und der Bruder seien nach Griechenland zurück gegangen, der Bruder sei aber wieder hier, so Fe. weiter. Der Rest der Familie sei ein “bisschen zersprengt” worden dadurch.
Die Mutter habe immer Angst gehabt, der habe er ein Schloss eingebaut. Götzl fragt nach den Folgen für ihn selbst. Fe. sagt, eine Beziehung sei daran zerbrochen und er habe eine ganze Menge Geld verloren, “weil mich die Polizei schikaniert hat”. Er sei monatelang immer wieder vorgeladen worden, auch Mitarbeiter seien vorgeladen worden, der eine sei sogar weg gezogen. Götzl fragt, um welche Themen es bei den Vernehmungen gegangen sei. Fe. sagt, es sei immer um dasselbe gegangen. Ob sein Kollege sexsüchtig gewesen sei oder spielsüchtig. “Die wollten uns in den Dreck ziehen und das haben sie auch geschafft.” Er habe auch Kunden dadurch verloren, so Fe. Dann macht Götzl Vorhalte aus früheren Vernehmungen. Er sagt, Fe. habe angegeben, an dem Tag im Karstadt gearbeitet zu haben und Boulgarides sei im Laden gewesen. Fe. bestätigt das, Boulgarides habe Berufserfahrung im Schlüsseldienst gehabt. Weiter habe Fe. angegeben, Boulgarides habe am Tattag Tagdienst gehabt. Fe. bestätigt auch das. Götzl will wissen, wann der Laden üblicherweise geöffnet gewesen sei. F. sagt, das sei von 9 bis 18 Uhr, vielleicht auch von 8 bis 18 Uhr gewesen. Götzl hält vor, Fe. habe ausgesagt, dass er annehme, dass Boulgarides um 8 Uhr aufgesperrt habe. Weiter hält Götzl vor, dass Fe. berichtet habe, dass er um 11 Uhr im Geschäft angerufen habe und später noch einmal aus Versehen um die Mittagszeit. Danach habe Fe. Boulgarides dann erst wieder um 18.25 Uhr angerufen. Fe. sagt, das sei das Nottelefon gewesen, das 24 Stunden besetzt sein müsse, und Boulgarides sei nicht dran gegangen. Normalerweise sei Boulgarides zuverlässig gewesen. Er, Fe., habe auch nicht nur einmal angerufen. Götzl fragt nach der Fahrtzeit vom Karstadt zum Tatort. Fe. sagt, die sei zwölf Minuten. Götzl liest vor, Fe. habe angegeben, gegen 19.05 Uhr in der Trappentreustraße angekommen zu sein. Plötzlich sagt Fe.: “Herr Richter, ich bin 46 und nicht 43, ist mir gerade eingefallen.” Später sagt er, Götzl müsse wissen, er wiederhole das hier zum 50. Mal, deswegen habe er Zeit über andere Dinge nachzudenken. Götzl macht weiter Vorhalte und referiert Fe.s Aussage, dass er vor 19.03 Uhr am Tatort gewesen sein müsse, weil er um diese Zeit den Notruf betätigt habe. Fe. bestätigt das, er habe das Camping-Zelt von Karstadt abgesperrt. Dafür gebe es viele Zeugen, so dass er nicht verstanden habe, wieso ihn die Polizei nicht in Ruhe gelassen habe. Auf Frage von Götzl sagt Fe., dass er keine Fahrräder gesehen habe. Die Tür zum Laden sei zu, aber nicht versperrt gewesen, so Fe. Götzl hält vor, Fe. habe gesagt, im Büro habe Licht gebrannt, was Fe. bestätigt. Zur Lage gibt Götzl die Aussage wieder, Boulgarides habe auf dem Rücken gelegen, die Füße Richtung Tresen, der Kopf Richtung seitlicher Wand. Fe. bejaht das, er habe die Lage nicht verändert; er glaube auch, niemanden rein gelassen zu haben bis die Polizei und die Rettungskräfte gekommen seien. Gegenstände oder Geld hätten nicht gefehlt. Götzl fragt, ob Fe. von Streitigkeiten gehört habe. Fe.: “Nein, nein, sowas gab es bei ihm nicht.” Götzl hält eine Aussage Fe.s vor, nach der Boulgarides nie Streit gehabt und sei der freundlichste Mensch gewesen, den man sich vorstellen kann. Fe.: “Genauso wars.” Boulgarides sei in der Gegend des Ladens aufgewachsen sei, seine Mutter habe um die Ecke gewohnt, das seien alles Griechen und es sei sehr familiär dort. Freizeit hätten sie beide wenig gehabt, so Fe. Nebenklagevertreter RA Prosotowitz sagt, von der Beschriftung des Ladens habe man keinen Hinweis gehabt, dass dort ein ausländischer Mitbürger arbeitet. Darauf sagt Fe., das könne nicht geplant gewesen sein, manchmal habe auch er dort gearbeitet. Auf Nachfrage von Prosotowitz sagt Fe., Boulgarides sei 70 Prozent der Zeit im Laden gewesen. Dann will Prosotowitz wissen, ob man von Außen sehen könne, wer im Laden arbeite. Fe. sagt, das sei der Fall, außer wenn es draußen zu hell sei. Götzl bittet Fe. nach vorn. Es werden zwei Bilder vom Laden in der Trappentreustraße gezeigt. Fe. sagt, den Tresen habe er selber gebaut, Boulgarides habe aber hinter dem Tresen gelegen. RA Daimagüler fragt, ob Boulgarides Türkisch gesprochen habe. Fe. sagt, das wisse er nicht, Boulgarides sei aber oft als Türke angesprochen worden, die Leute hätten “oğlum” gesagt und solche Sachen. Nebenklagevertreter RA Kaplan will wissen, ob vorher in dem Laden eine Dönerbude gewesen sei. Fe. antwortet, das wisse er nicht, aber er wisse, dass Boulgarides den Laden jemandem weggeschnappt habe, der dort eine Dönerbude habe machen wollen. Dann will Kaplan wissen, warum die Polizei Fragen wie die nach der Sexsucht gestellt habe, ob ihm das erklärt worden sei. Richter Götzl beschwert sich heftig über die Frage und behauptet, das könne der Zeug nicht beantworten. Kaplan sagt, dass er gefragt habe, ob dem Zeugen das von der Polizei erklärt worden sei. Zwischendrin sagt Fe., er habe das Gefühl gehabt, dass “sie uns gegeneinander ausspielen wollten”. Nach kurzem Hin und Her über die Zulässigkeit der Frage, sagt Kaplan die Frage sei beantwortet. Die Vernehmung endet um 13.39 Uhr.

Es folgt der Zeuge Hi. Hi. war 2005 beim Kriminaldauerdienst in München, einer “Zwischendienststelle zwischen Schutzpolizei und Kriminalpolizei”. Den Tatort hätten sie gegen 19.30 Uhr von der Schutzpolizei übernommen bis die Mordkommission gekommen sei. Sie hätten festgestellt, dass Boulgarides tot war, “offenbar durch Einwirkung von außen”. Damit sei seine Arbeit eigentlich beendet gewesen, er habe aber noch Fotos gemacht. Götzl fragt nach weiteren anwesenden Personen. Hi. nennt Rettungsassistenten und Polizisten. Götzl fragt nach dem Zeugen Fe.. Hi. sagt, er denke schon, dass der anwesend gewesen sei, aber was im Detail besprochen worden sei, wisse er nicht. Es sei, so Hi. auf Nachfrage, auch ein Bruder des Getöteten da gewesen. Götzl fragt nach weiteren Informationen. Hi. antwortet, dass er glaube, vom Bruder habe es Informationen um angebliche Geldforderungen gegeben; das sei aufgenommen worden. Dann werden die Fotos vom Tatort in Augenschein genommen. Götzl warnt die anwesenden Angehörigen, dass nun auch Bilder des Leichnams von Boulgarides zu sehen sein werden. Man sieht die Außenfassade des Ladens, dann ein Foto von der Türe in den Laden hinein und zuletzt Bilder des Leichnams von Theodoros Boulgarides. Hi. sagt, das sei, wie Boulgarides von ihnen vorgefunden worden sei, es sei nichts verändert worden. Nebenklagevertreterin Angelika Lex möchte wissen, ob Hi. noch einmal geladen werde, da er ja auch bei der BAO (=Besondere Aufbauorganisation) dabei gewesen sei. Götzl erwidert, dabei handele es sich um eine andere Person.

Nach einer Pause folgt der Zeuge Kr. Kr. hat Ermittlungen zur Tatzeit des Mordes an Boulgarides angestellt. Kr. berichtet, er habe sich einen Tag nach der Tat in die Trappentreustraße 4 begeben, um dort die Bewohner des Anwesens zu befragen. Er habe unter anderem einen Herrn Ka. befragt. Ka. habe ausgesagt, Boulgarides auch noch am vorigen Tag gesehen zu haben. Ka. fahre nachts Bus für den MVV [Münchner Verkehrsverbund] und kenne Boulgarides vom Lokal “Trappentreuhof”. Boulgarides sei damals Fahrkartenkontrolleur gewesen und Ka. vom Sprechen bekannt. Ka. sei am Abend zuvor kurz vor 18 Uhr aus der Wohnung gegangen, weil seine Nachtschicht um 19 Uhr beginne. Ka. habe dann angegeben im “Trappentreuhof” gewesen zu sein. Gegen 18.25 habe er nach draußen geschaut, weil er auf seinen Abholer zum Dienst gewartet habe. Da habe Ka. bemerkt, dass Zeuge Pa. am Eingang zur Gaststätte stehe. Dieser habe gesagt, dass noch etwas mit dem Hausmeister bereden müsse. Pa. habe dann beim Hausmeister geklingelt. Während Pa. den Hausmeister mit dem Handy angerufen habe, habe Ka. Boulgarides im Türrahmen seines Geschäftes stehen gesehen mit einem schnurlosen Telefon oder Handy in der Hand. Kr. sagt, Ka. habe gesagt, dass es sich definitiv um Boulgarides gehandelt habe. Dann sei Ka. wieder ins Lokal gegangen und habe gezahlt, weil sein Abholer da gewesen sei und sei dann gleich rechts zu seinem Abholer gegangen. Er, Kr., habe die Angaben überprüft. Der Hausmeister habe die Angaben bestätigt. Der Anruf des Herrn Pa. beim Hausmeister habe laut Handy um 18.32 Uhr stattgefunden, die Uhr gehe aber um vier Minuten falsch, es sei also etwa 18.36Uhr gewesen. Auch der Zeuge Pa. habe das Zusammentreffen mit Ka. bestätigt, habe aber angegeben, Boulgarides nicht gesehen zu haben.

Nach der Vernehmung teilt Götzl mit, dass die Zeugin Mü. [Zeugin zum Fall Kılıç, die Radfahrer gesehen haben will] verstorben sei. Dann fragt er die Verfahrensbeteiligten, ob auf die Zeugin L. zum “Erstzugriff” beim Mord an Süleyman Taşköprü und auf die Zeugin Ho., verzichtet werden kann. Auf die Zeugin L. wird allgemein verzichtet. RAin Schneiders sagt, sie verzichte ungern auf die Zeugin Ho. Nebenklagevertreterin RAin Pinar regt noch einmal an, den Zeugen Bl. zum Mord an Taşköprü zu laden.

Der Verhandlungstag endet um 14.47 Uhr.

Nebenklagevertreter RA Scharmer erklärt zu den Ausführungen des Brandermittlers:

“Es erscheint fern liegend, dass Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und ggf. auch Beate Zschäpe nach ihren Morden und Anschlägen noch länger an den jeweiligen Tatorten blieben, um Zeitungsartikel aus lokalen Medien zu sammeln. [...] Es liegt nahe, dass Unterstützer des NSU vor Ort die Zeitungsartikel sammelten und an das Trio weitergaben. Es ist daher dringend erforderlich, konzentriert weitere Ermittlungen zu lokalen Unterstützern und dem Netzwerk des NSU anzustellen.“

Nebenklagevertreter RA Stolle erklärt zu den Ermittlungen zum Mord an Theodoros Boulgarides:

“Durch die Tat verloren die Familie und die Bekannten ihren Vater, Sohn, Ehemann, Kollegen und Freund, den alle als ruhig, ausgeglichen und freundlich beschrieben. Durch die Ermittlungen wurden sie erneut und langwierig traumatisiert. In den Vernehmungen wurde versucht, den Ermordeten „in den Dreck zu ziehen“ und die Zeugen gegeneinander auszuspielen. Trotzdem Theodoros Boulgarides schon das siebente Opfer der Mordserie war, suchte die Polizei wieder nach einem Motiv für eine Beziehungstat – als ob Serienmorde in diesem Bereich begangen werden würden.“

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Protokoll 61. Verhandlungstag – 27. November 2013

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Zeug_innen:

  • Stefan A. (Cousin von Beate Zschäpe, damals selbst in der rechten Szene aktiv)
  • Annerose Zschäpe (Mutter von Beate Zschäpe, verweigerte die Aussage)

Am 61. Verhandlungstag sagte der Cousin von Beate Zschäpe, Stefan A., aus. Stefan A., der heute in Spanien lebt, war in den neunziger Jahren Teil der rechten Szene Jenas und auch mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt bekannt. Bei seiner Aussage verwies der Zeuge auffallend häufig auf Erinnerungslücken, selbst wenn es um Fragen des familiären Hintergrunds von Zschäpe ging. Die ebenfalls als Zeugin geladene Mutter Zschäpes, Annerose Zschäpe, verweigerte mit Verweis auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht die Aussage.

Der Verhandlungstag beginnt um 9.50 Uhr. Als Zeuge gehört wird heute Stefan A., 39, der Cousin von Beate Zschäpe. Auf Fragen verweist A. immer wieder darauf, dass er sich nicht erinnern könne oder Dinge nicht mehr wisse. Vorsitzender Richter Götzl beginnt mit Fragen zum familiären Hintergrund von Zschäpe. A. sagt, Zschäpe und er seien zusammen aufgewachsen, “für mich normal”. Er wisse nicht, was er dazu sagen solle. Auf Nachfrage von Götzl sagt A., Beate sei halt mehr bei den gemeinsamen Großeltern gewesen. Als sie mit Uwe Mundlos zusammen gewesen sei, habe sie sich mit ihrer Mutter, der Schwester seines Vaters, zerstritten. Beate habe ihr Zimmer auf der einen Seite der Wohnung gehabt und die Mutter ihres auf der anderen, da seien sie sich “mehr oder weniger aus dem Weg gegangen”. Er selbst sei bei seinen Eltern aufgewachsen, Beate bei ihrer Mutter – er in Jena-Nord, sie in Jena-Winzerla. Den Vater von Zschäpe habe er nie kennengelernt, so A. Zschäpe sei bei ihrer Mutter aufgewachsen. Am Wochenende seien sie mit den Großeltern und seinen Eltern im Garten gewesen, da hätten sie auch übernachtet. Die Woche über sei dann jeder seiner Wege gegangen. Götzl fragt, wie in der Kindheit das Verhältnis Zschäpes zu ihrer Mutter war. Das wisse er nicht, antwortet A. Vom Kindergarten habe Zschäpe immer die Großmutter abgeholt. Die Großeltern hätten sich “natürlich gut” um Zschäpe gekümmert, zumindest als sie jung war, als sie älter geworden sei, 13 oder 14 vielleicht, sei sie nicht mehr so viel bei den Großeltern gewesen. Auf die Frage, auf welche Art Schule Zschäpe gegangen sei, sagt A.: “Eine normale Schule.” Nebenklagevertreter RA Daimagüler interveniert, er habe Probleme mit dem Begriff ‘normal’, den A. häufig verwende. A. sagt, es sei eine Hauptschule gewesen. Welchen Abschluss Zschäpe habe, wisse er nicht, jedenfalls habe sie irgendwann eine “Gartenlehre” gemacht. In der Kindheit habe, so A. auf Frage Götzls, viel Kontakt zwischen ihm und Zschäpe bestanden, später habe man “sich eben mal getroffen” bei Feiern, bei der Verwandtschaft oder im Jugendclub. Wie lang das Leben Zschäpes bei den Großeltern gedauert hat, wisse er nicht mehr genau, Zschäpe habe aber auch bei ihrer Mutter gelebt. Von den Lebensgefährten bzw. Ehemännern der Mutter von Zschäpe kenne er keinen, so A. Zu Wohnungen befragt, spricht er von zwei von Zschäpe und ihrer Mutter bewohnten Wohnungen, eine sei in Lobeda-Ost gewesen. Dann erinnere er sich noch an die Wohnung in Winzerla, in der Zschäpe später alleine gelebt habe. Die Großmutter habe sich viel gekümmert, sie sei eine “liebe, gute Frau”, die herzlich und ehrlich sei. Auch der Großvater sei ein “korrekter Mensch” gewesen. Die Großeltern seien zu den Enkelkindern gut gewesen, hätten sich mehr um Beate gekümmert, weil deren Mutter wohl keine Zeit gehabt habe. Warum Beate zeitweise bei den Großeltern aufgewachsen sei, wisse er nicht. Auf die Frage, wie es in den Achtzigern gewesen sei, sagt A., das wisse er nicht mehr, er sei selber von 1987 bis 1989 im Kinderheim gewesen. Er glaube nicht, dass Beate mal bei Familie Böhnhardt gewohnt hat. Zschäpe sei, sagt A. eigentlich immer ein lustiger Mensch gewesen, zur Familie immer lieb, nett, sympathisch. Den Hintergrund des Konfliktes mit ihrer Mutter kenne er nicht, es habe ihn auch nicht interessiert.
Dann geht es um Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Mundlos habe er in der Wendezeit kennengelernt und Böhnhardt im Berufsvorbereitungsjahr, da sei er selbst 22 oder 23 Jahre alt und Böhnhardt noch relativ jung gewesen. Er, A., habe eine “Lotterleben” geführt und viel gesoffen. In den Pausen seien sie zur Kaufhalle gegangen. Dort hätten sie auch Mundlos getroffen, der, wenn er das richtig erinnere, in die Berufsschule gegangen sei. A. bestätigt, dass sich Mundlos und Böhnhardt über ihn kennengelernt hätten. Man sei dann gemeinsam in den Jugendclub gegangen oder habe Partys im Wald gefeiert. Sie seien eine große Gruppe gewesen. Zschäpe sei mit Böhnhardt und Mundlos jeweils irgendwann mal liiert gewesen. Später habe er keinen Kontakt mehr gehabt, weil Mundlos mit seiner Lebenseinstellung nicht zufrieden gewesen sei und ihn als “Assi” betitelt habe. A. sagt, sein Leben sei damals “unkontrolliert” gewesen, er habe gesoffen, Party gemacht und kaum gearbeitet. Nach der Wende habe er im Kinderheim die Sachen gepackt und habe noch ein halbes Jahr die Schule fertig gemacht. Dann habe er erstmal nichts gemacht. Dann seien Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gekommen. Er habe eine überbetriebliche Ausbildung zum Maler und Lackierer gemacht und sei immer wieder arbeitslos gewesen. Kontakt habe er zu vielen Leuten, vor allem in Winzerla, gehabt. Götzl fragt, ob das die rechte Szene gewesen sei. A. antwortet: “Hat sich ein bisschen so entwickelt.” Sie seien auf jeden Fall rechtsgerichtet gewesen. Später sei man dann auch mal auf Konzerte gefahren. Sie hätten Bomberjacke, Stiefel und kurze Haare getragen. Götzl fragt zu den politischen Vorstellungen. A.: “Gegen Staat, gegen Ausländer, gegen Linke, gegen alles.” Böhnhardt sei erst später dazu gekommen, mit Mundlos sei er auf Konzerten gewesen, viel in Chemnitz bei Freunden. Die Äußerung, dass A. ein “Assi” sei, sei wohl ein oder zwei Jahre, bevor “die” untergetaucht seien, gefallen. Am Anfang sei es Mundlos auch um Spaß und Party gegangen, dann habe er sich “ein bisschen nach oben gesteigert”. Mundlos sei auf Demonstrationen gefahren, zu Treffen und Parteiveranstaltungen. Darauf habe er, A., keine Lust gehabt. Auf Frage von Götzl sagt A., es seien nicht direkt “Parteisachen” gewesen, sondern Kameradschaftstreffen. Um welche Kameradschaft es sich gehandelt habe, wisse er nicht, er habe damit nichts zu tun gehabt. Mit Zschäpe habe er nie über Politik gesprochen, bei den anderen beiden sei klar gewesen, dass die “sich ein bisschen rein steigern in so Sachen”. Die beiden hätten keinen Alkohol mehr getrunken und seien halt rechts gewesen. Einmal sei er mit Böhnhardt in der Stadt unterwegs gewesen, da habe Böhnhardt einer “Zigeunerin” ein Stück Kuchen an den Kopf geschmissen. Böhnhardt sei ein “Waffennarr” gewesen und habe immer Schreckschusspistolen getragen. Götzl fragt nach weiteren Waffen. A. sagt, er wisse von keinen weiteren Waffen, keinen scharfen Waffen. Dann sagt A.: “Was bei ihr gefunden wurde, diese Armbrust, das war seins. Das hat sie mir gesagt, dass es von ihm ist, was bei ihr zu Hause war. Oder er hat es mir gesagt? Kann auch sein.”

Nach einer Pause bis 11.05 Uhr berichtet A., Mundlos habe Flugblätter geschrieben und “Hetzgedichte” gegen Ausländer. Erinnern könne er sich an einen großen Stapel von Plakaten zur Erinnerung an Rudolf Heß, da wisse er aber nicht mehr, ob Mundlos die selbst verfasst hat. Außerdem habe Mundlos im Jugendclub begonnen, die Sozialarbeiter als “Linke” und “rote Schweine” zu betiteln. Zur Reaktion der Sozialarbeiter befragt, sagt A., die seien ruhig geblieben und hätten sich wohl ihren Teil gedacht. Böhnhardt habe die Schreckschusspistole am Halfter getragen und habe, wenn sie unter sich gewesen seien, auch mal mit der Waffe herum gespielt. Zwischen den Beziehungen Zschäpes mit Mundlos und mit Böhnhardt sei nur relativ wenig Zeit gewesen, so A. auf Frage von Götzl, von diesbezüglichen Problemen zwischen den Uwes habe er nichts mitgekriegt. Anfangs seien Mundlos und Böhnhardt auch öfters im Jugendclub gewesen, dann hätten sie sich abgekapselt. Mundlos habe mit ihm nicht mehr gesprochen, Böhnhardt und Zschäpe hätten ihn noch gegrüßt, seien aber immer schnell wieder weg gewesen. Das sei ein oder zwei Jahre gewesen, nachdem sie sich kennengelernt hätten. Götzl fragt nach anderen Personen im Bekanntenkreis, die mit den Uwes oder Zschäpe befreundet waren. A. nennt Wohlleben, André K., Kai St. und “alles was so in Jena rum gerannt ist an Szene”. Wohlleben und K. seien sowieso nicht so oft dabei gewesen, die seien ja aus einem anderen Stadtteil gekommen.
Dann bittet Götzl A., seine Cousine zu beschreiben. A. sagt, sie sei immer nett gewesen und habe immer ein bisschen einen großen Mund gehabt: “Sie hat sich auch nicht übern Mund fahren lassen.” Sie habe sich von niemanden etwas aufzwingen lassen. Götzl möchte, dass A. das konkretisiert. A. sagt: “Wenn jemand zu ihr frech geworden ist, hat sie gesagt, sei mal ruhig, nicht dass sie, weil sie ein Mädchen ist, sich das hat gefallen lassen oder so.” In der Familie sei Zschäpe lieb und nett gewesen, aber auch zu anderen Leuten. Er selbst sei auch ein netter Mensch. Früher habe er sich öfters mal geprügelt, aber mit jedem, auch untereinander. Richter Götzl hält vor, A. habe in einer Aussage bei der Polizei gesagt, er und Zschäpe seien wie Geschwister gewesen. A. sagt, da habe er sich vielleicht falsch ausgedrückt, sie hätten jedenfalls als Kinder viel Kontakt gehabt. Auf Vorhalt, dass er angegeben habe, Zschäpe sei die einzige Frau in der Szene gewesen, sagt A., Zschäpe sei bestimmt nicht die einzige Frau gewesen. Dann hält Götzl eine Beschreibung Zschäpes durch A. vor, derzufolge Zschäpe offen, selbstbewusst, “robuster im Umgang als andere Frauen” sei und kein Blatt vor den Mund genommen habe. Das bestätigt A. Götzl hält weiter vor, A. habe angegeben, dass Zschäpe viele Männer als Freund gehabt habe. Weiter habe A. gesagt, so Götzl, Matthias Ri. [phonetisch] sei der erste Freund von Zschäpe gewesen, Jahre später sei Mundlos gekommen und dann irgendwann Böhnhardt. Zschäpes Art, so der Vorhalt weiter, habe wohl die beiden Männer zusammen gehalten, sie habe die Jungs im Griff gehabt. A. sagt, wenn Zschäpe mit jemandem zusammen gewesen sei, dann habe sie demjenigen auch mal was gesagt. Sie sei kein “Mauerblümchen” gewesen und habe gesagt: “So geht’s lang, nicht was du willst.” Zschäpe sei auf die Leute zugegangen, habe ein klares Wort geredet und nicht “rumgeschleimt”, so A. weiter. Götzl hält vor, A. habe davon gesprochen, dass Zschäpe gesellig und lustig gewesen sei und viel gelacht habe. A. bestätigt den Vorhalt, Zschäpe habe gerne “Frauengetränke” getrunken. Er sagt, sie habe gerne Wein, Sekt und Schaumwein getrunken. Götzl hält die Aussage A.s vor, derzufolge A. und Böhnhardt gemeinsam auf die Berufsschule gegangen seien, sich wegen ihrer Bekleidung gefunden, keine gemeinsamen politischen Aktionen gemacht, aber zur Skinhead-Szene gehört hätten. Das Hauptanliegen in der Skinhead-Szene sei der Spaß gewesen, so A., das sei auch der Grund gewesen, warum Mundlos ihn nicht mehr habe leiden können. Die Begriffe “Kameradschaft Jena” und “Thüringer Heimatschutz” kenne er, so A., das sei so eine Gruppe, die “die aus Lobeda” gegründet hätten, er wisse nicht, wer dabei gewesen sei, er glaube aber Wohlleben und André K. Er selbst sei nicht dabei gewesen. Er wisse nicht, ob seine Cousine dabei war, sagt A. auf Frage von Götzl. Holger G. kenne er, der sei irgendwann aus Jena weg gezogen. G. sei mit Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe, Wohlleben und K. befreundet gewesen, bestätigt A. Dass es den THS gebe, habe sich herum gesprochen, da sei auch irgendwann etwas mit einem Kontakt nach Rudolstadt gewesen. Ob G. dabei war, könne er nicht sagen: “Hat ja keiner eine Nummer gehabt, ich gehöre zum THS, oder was.” Die Aktivitäten des THS seien für ihn, A., uninteressant gewesen, er habe sich nicht in eine Gruppierung drängen lassen. Skinhead heiße für ihn Party, Spaß und ab und zu eine Prügelei: “Das war unsere ganze Lebensweisheit.” Die anderen hätten sich anders verhalten, nicht soviel getrunken und seien zu Demos gefahren. Holger G. habe nicht zur Skinhead-Szene gehört. Im Laden “Madley” hätten sie früher alle eingekauft – CDs mit rechtem Inhalt, Stiefel, Turnschuhe, Shirts. A. sagt, seines Wissens nach seien dort keine Waffen verkauft worden. Mit dem Inhaber Frank Li. habe er nur im Laden zu tun gehabt, mit Andreas Sch. sei er ein- oder zweimal in Kahla in einer Gaststätte gewesen. Götzl hält vor, A. habe auf Frage bei der Polizei bestätigt, dass er mal mit Li. in Naumburg auf einem Konzert gewesen sei. Das könne sein, so A., aber normal sei er nicht mit denen unterwegs gewesen.

Es folgt die Mittagspause bis 13.08 Uhr. Dann wird die Mutter von Beate Zschäpe, Annerose Zschäpe, aufgerufen. Sei erscheint mit einem Anwalt als Beistand. Götzl belehrt die Zeugin, dass sie als Mutter einer Angeklagten ein Zeugnisverweigerungsrecht habe. Auf Frage von Götzl sagt Annerose Zschäpe, sie wolle keine Angaben machen. Götzl fragt, ob die Zeugin damit einverstanden ist, dass die polizeiliche Vernehmung hier eingeführt wird, was sie ebenfalls verneint.

Es folgt eine fünfminütige Pause, nach der es mit Stefan A. weiter geht. Götzl fragt A. zur damaligen politischen Einstellung Beate Zschäpes. Die sei auch rechts gewesen, sagt A., er würde aber behaupten, nicht “so extrem rechts” wie die von Mundlos und Böhnhardt. Ab wann Zschäpe rechts gewesen sei, könne er nicht sagen. Sie seien eine große Gruppe gewesen und hätten alle “mehr oder weniger den rechten Gedanken” gehabt, es sei das “allgemeine Palaver” gewesen. Bei ihm selbst habe das zur Wendezeit begonnen, bei Zschäpe vielleicht 1992/ 93. Götzl hält vor, er habe ausgesagt, das habe sich ergeben, als Zschäpe viel mit Wohlleben und K. gemacht habe. Sie sei viel mit denen unterwegs gewesen, sagt A., er selbst sei da nicht dabei gewesen. Das sei später und die Zeit gewesen, wo sie sich mit Mundlos und Böhnhardt getroffen habe. Götzl sagt, A. habe in seiner Vernehmung folgendes gesagt: “Ich glaube nicht, dass es mal ein Schlüsselerlebnis in Beates Leben gegeben hätte weswegen sie ihr Leben verändert hätte.” Auf Frage Götzls sagt A., er wisse nicht, worauf sich das beziehe, er sei zehn Stunden lang vernommen worden. Dann sagt Götzl, im Vernehmungsprotokoll stehe, A. habe gesagt, Zschäpe sei flexibel gewesen, aber – vielleicht wegen der Uwes – sei sie später “nur noch in der Partei” gewesen. Der Satzteil, dass sie nur noch in der Partei gewesen sei, sei im Protokoll von A. durchgestrichen worden, so Götzl weiter. Für sie in der Gruppe der Skinheads seien die anderen “Parteispinner, Parteiheinis” gewesen, so A. Er meine damit z. B. die KS Jena. Wohlleben habe er 1991 oder 1992 mit dessen damaliger Freundin Ulrike Po. kennengelernt, sagt A. auf Frage Götzls. Er sei mit Wohlleben bekannt gewesen, aber dass sie „großartig etwas zusammen gemacht“ hätten, sei nicht der Fall gewesen. Götzl möchte wissen, wie es dazu gekommen sei, dass Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe plötzlich verschwunden waren. A. sagt, er wisse davon nichts, er habe nur aus den Medien, der Zeitung erfahren, dass “irgendwelche “Bombensachen” gefunden worden seien. Seine Tante und seine Großmutter seien “völlig von der Rolle” gewesen und hätten das gar nicht verarbeiten können. Vor dem Verschwinden habe Zschäpe keinen großartigen Kontakt zu ihrer Mutter gehabt, zur Großmutter aber schon ab und zu. Die Großmutter habe auch Mundlos und Böhnhardt gekannt, die hätten ihr auch mal geholfen, etwa beim Einkaufen. Die Großmutter habe sich nach dem Verschwinden Sorgen gemacht, von Versuchen Kontakt aufzunehmen wisse er nichts, auch er selbst habe das nie versucht. Er habe auch nie mit den Bekannten der drei darüber gesprochen. Götzl fragt, warum nicht. A. erwidert: “Weil mir das eh niemand sagen würde.” Sein letzter Kontakt zu Zschäpe sei viele Jahre her, er sei seit acht Jahren auf Mallorca und habe keine Informationen von Dritten über die Untergetauchten bekommen. Im November 2011 hätten ihn seine Eltern angerufen und gesagt, er solle den Fernseher anmachen, und das sei es gewesen.
Götzl hält vor, A. habe in der Vernehmung Mundlos und Böhnhardt der “Sektion Jena” zugeordnet und will wissen, wie das zu verstehen sei. A. sagt, er sei zehn Stunden bei der Polizei gewesen und “zugetextet” worden und wisse nicht, ob er das so gesagt hat. Götzl sagt, er habe das unterschrieben und auch gelesen, immerhin habe er ja auch einen Halbsatz weggestrichen. Dann fragt Götzl zur Bezeichnung A.s als “Assi” durch Mundlos. Das habe sich ergeben, so A., man habe sich nicht mehr gesehen und Mundlos habe irgendwann schlecht über ihn gesprochen. Ihm sei aber egal gewesen, was Mundlos denkt. Er und seine Cousine hätten sich dann schon weniger gesehen, Böhnhardt und Zschäpe hätten ihn aber schon noch gegrüßt und auch mal mit ihm über Belangloses gesprochen. Götzl fragt zum “Braunen Haus”. Wohlleben, André K. und “der Max” [gemeint ist vermutlich Maximilian Le.] hätten das Haus gemietet, dort seien auch Treffen gewesen. Er selbst sei zwei- oder dreimal da gewesen. Götzl hält vor, A. habe gesagt, er könne sich nicht erinnern, die drei dort gesehen zu haben, sonst wäre er auch nicht hingegangen, weil Mundlos ihn als “Assi” und “Säufer” bezeichnet habe. Dann fragt Götzl zu den Besuchen in Chemnitz. A. bestätigt, mehrere Male mit Mundlos über Nacht bei einem Scha. gewesen zu sein. Sie hätten dort mit den Skinhead-Freunden Party gemacht, seien an den Baggersee gefahren, hätten Lagerfeuer gemacht und seien zusammen zu Konzerten gefahren. Für Mundlos und Böhnhardt habe die Musik eine große Rolle gespielt, für Zschäpe weniger. Götzl hält vor, er habe angegeben, Mundlos habe sich eher für rechte Musik interessiert, die Rolle von Böhnhardt kenne er nicht. Auf Frage sagt A., Zschäpe habe auch diese Musik gehört, aber sie sei nicht mit in Chemnitz gewesen und habe noch andere Musik gehört, “so Pop-Rock-Zeugs”. Die Musik stachele einen auf und habe das ausgesagt, was viele gedacht hätten: “Es wird gegen den Staat gesungen, gegen Ausländer, gegen Linke, gegen Kommunismus.” A. bestätigt, einmal in Straubing gewesen mit ein paar Leuten aus Chemnitz. Da sei eine Feier gewesen, Mundlos sei wahrscheinlich dabei gewesen und Thomas Wa. Götzl hält vor, A. habe ausgesagt, sie seien mit dem Auto von Mundlos dorthin gefahren. Nach Besonderheiten befragt, sagt A., es habe dort durch die Polizei eine Personenkontrolle gegeben. Dann hält Götzl vor, A. sei bei der Polizei gefragt worden, ob ihm Personen bekannt seien, die das Trio beim Untertauchen oder danach unterstützt haben, darauf habe er geantwortet, ihm hätten weder die drei noch André K. und Wohlleben vertraut. Götzl sagt, zu seiner Cousine habe A. doch ein gutes Verhältnis gehabt. A. sagt, vielleicht habe sie ja gesagt bekommen, dass sie sich nicht melden soll oder dass sie überwacht werden. Dann will Götzl wissen, warum A. die beiden Namen K. und Wohlleben auf die Frage der Polizei genannt habe. A. sagt, nach diesen zwei Namen sei bei der Polizei immer gefragt worden.
Auf Frage von Götzl sagt A., Mundlos habe Interesse an Computern und Sport gehabt, Böhnhardt an Waffen. Teilweise habe Böhnhardt zwei Schreckschusswaffen einstecken gehabt. Götzl hält vor, A. habe Mundlos als offen und intelligent bezeichnet, und Böhnhardt als nicht so intelligent und eher abweisend. Böhnhardt sei nicht auf Leute zugegangen und habe in seiner eigenen Welt gelebt, so der Vorhalt weiter. A. bestätigt das. Götzl sagt, A. habe angegeben, dass die beiden Männer sicher Einfluss auf die Beate gehabt hätten. A. sagt, Zschäpe sei nicht mehr bei der Familie gewesen und wenn, sei sie immer kurz angebunden gewesen. Das sei Zschäpe ansonsten nicht, Familie sei ihr eigentlich über alles gegangen. Auf Vorhalt, dass er gesagt habe, Böhnhardt sei nie bei der Oma gewesen, sagt A., der sei sicher mal da gewesen, sei aber “ein anderer Schlag von Mensch” gewesen und habe sich nicht wie Mundlos hingesetzt und die Leute unterhalten. Als Mundlos bei Zschäpe und ihrer Mutter übernachtet habe, habe es große Spannungen gegeben, sagt A. auf Frage Götzls. Er habe mit der Großmutter nicht darüber gesprochen, “weil die in einer heilen Welt lebt”. Auf Frage sagt A., die Ehefrau von Wohlleben kenne er, das sei die Jacqueline Fe. An Verwandten kenne er David und Markus Fe., mit Markus sei er früher in einer Freizeit-Hobbymannschaft gewesen. David Fe. sei mal in Nürnberg LKW-Fahrer gewesen. David Fe. habe die Uwes gekannt, bei Markus wisse er es nicht. Götzl will wissen, ob die Kontakt gehabt hätten, auch in Nürnberg. Das glaube er nicht, so A. Götzl hakt nach. A. sagt, es sei “viele Jahre davor” gewesen, dass David Fe. in Nürnberg gewohnt habe. Zu Thomas St. [vgl. Aussagen Holger G.s: Protokoll 23. Verhandlungstag] befragt, sagt A., der sei aus Chemnitz und habe Mundlos auf jeden Fall gekannt. Bei der Polizei sei ihm, A., gesagt worden, dass seine Cousine und St. mal ein Paar gewesen seien, das habe er nicht gewusst. Mundlos habe St. Briefe ins Gefängnis geschrieben. Auf Vorhalt Götzls bestätigt A., dass Wohlleben eng mit den dreien befreundet gewesen sei, weil die viel gemeinsam unterwegs gewesen seien, Holger G. und André K. seien auch dabei gewesen. Die Namen André und Susann E. sowie Carsten S. sagten ihm nichts, so A. Dann fragt Götzl nach Tibor Re. Das sei ein Bekannter, ob der zu den dreien Kontakt gehabt habe, wisse er nicht, es habe aber jeder jeden gekannt in Jena. Sven Ro. komme aus Rudolstadt, sagt A. auf Frage, den habe Böhnhardt, so glaube er, im Gefängnis kennengelernt.
Dann geht es wieder um die Familie. Über den Vater von Zschäpe, so A., habe er nicht mit ihr gesprochen, von Geschwistern oder Halbgeschwistern Zschäpes wisse er nichts. Zschäpe habe mit 20 oder 21 mal eine Unterleibs-OP gehabt und er glaube, sie habe auch nach der OP noch Beschwerden gehabt. Zu den Mengen an Alkohol, die Zschäpe getrunken habe, befragt sagt A. sie habe schon “eins, zwei Flaschen gemacht”, wenn sie zusammen gesessen hätten. Zeichen von Alkoholisierung habe er aber seiner Erinnerung nach nicht wahrgenommen, er sei dann auch schon vorher besoffen gewesen.Der Großvater sei verstorben, der sei “im Prinzip” der Chef der Familie gewesen. Wichtigste Bezugsperson für Zschäpe sei die Großmutter gewesen. In der Kindheit habe die Mutter eine eher nebensächliche Rolle gespielt. Bezugspersonen für Zschäpe seien außerdem seine Eltern gewesen, vor allem sein Vater. Er habe heute keine Bezüge zur rechten Szene mehr, so A. Zur Reaktion der Großmutter auf die Festnahme Zschäpes sagt A.: “Wie soll ich sagen? Sie ist eine alte Frau, die kann das nicht richtig verarbeiten, alles.” Die Oma werde 90, sei krank und könne nicht mehr laufen. Er sei mit sieben, Zschäpe mit sechs Jahren eingeschult worden. Die Tante habe in Rumänien studiert, er meine BWL oder so etwas. Auf Vorhalt bestätigt A. dass Zschäpes Mutter Zahnmedizin studiert habe, ob sie praktiziert habe, wisse er nicht. Die Gärtnerlehre habe Zschäpe seines Wissen gefallen, ob sie gerne etwas mit Kindern, z. B. Kindergärtnerin, gelernt hätte, wisse er nicht. Er wisse nicht, wie lange Zschäpe als Gärtnerin gearbeitet habe. Sie sei irgendwann arbeitslos geworden, darüber habe er nicht mit ihr gesprochen, er sei selber arbeitslos gewesen, das sei ja normal gewesen. Es folgt eine Pause bis 15.07 Uhr.

Dann fragt OStA Greger, ob A. bekannt sei, ob seine Cousine mal jemanden körperlich angegriffen hat. A. berichtet von einer Auseinandersetzung – er glaube, zwei Jahre vor dem Verschwinden, mit den Türstehern der Disco “Modul”, an der auch Zschäpe beteiligt gewesen sei. Da seien die “Fäuste hin und her geflogen” und Zschäpe solle “angeblich” dem Einlasser ein Glas “über den Kopf gezogen” haben. Er wisse davon, weil sich das herum gesprochen habe, so A. Greger sagt, Ende 1996 habe es im Raum Jena Drohschreiben mit Briefbombenattrappen gegeben. A. erwidert, da sei ihm nichts bekannt, er wisse das nur aus den Medien. Greger erläutert, es gehe nicht um die Garagenfunde. A. sagt, von den Drohschreiben wisse er nichts. Greger erwidert, im Ermittlungsverfahren sei auch gegen ihn ermittelt worden. A. sagt, das sei ihm nicht bekannt. Auf Frage der Nebenklagevertreterin RAin Basay sagt A., Zschäpe habe seit ihrer Inhaftierung zweimal geschrieben, er habe aber nicht geantwortet. Basay fragt, ob A. mal in Nürnberg gewesen sei. Als David Fe. in Nürnberg gewohnt habe, habe er den dort besucht mit seinem Vater und dem Hund, antwortet A. Basay hält aus einer Vernehmung von Holger G. vor, derzufolge A. zusammen mit u.a. Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe und G. bei einem Kameradschaftsabend in Nürnberg gewesen sei, man sei noch am selben Abend unter Polizeischutz zurück nach Jena gefahren. Daran könne er sich nicht erinnern, so A., er glaube nicht, dass er dabei war. Basay fragt zu den Begriffen “Scheitelfraktion” und “Spaßfraktion” A.: “Die Kameradschaft war für uns die Scheitelfraktion und wir waren die Ganzkurzhaar-Fraktion.” Dann fragt RA Ilius zu den Kontakten zur rechten Szene in Chemnitz. Die Kontakte hätten seit Anfang der Neunziger bestanden, eine Zeit lang sei er fast jedes Wochenende bei Konzerten in Chemnitz gewesen, dann sei irgendwann, wann wisse er nicht mehr genau, wieder “Funkstille” gewesen, sagt A. Den Namen Mandy St. kenne er nicht, so A. Ilius fragt nach einem Vorfall in Einsiedel 1997. Da seien sie mal zu einem Brauereifest gewesen, so A. Ilius hält einen VS-Vermerk vor, demzufolge sich bei einer Veranstaltung mit Rechtsextremisten am 18. Mai 1997 in der Kleingartenanlage Waldesrauschen 54 namentlich festgestellte Personen getroffen hätten, darunter hätten welche “Sieg heil” gerufen, da sei auch sein, A.s, Name aufgeführt und die von Thomas St. und von Mandy St. Mit dem Namen Mandy St. könne er nichts anfangen, sagt A. Auf Frage von Ilius sagt A., er habe sich in Chemnitz vor allem im Heckert-Gebiet aufgehalten. Da sei eine Endhaltestelle der Straßenbahn und ein Kiosk, da hätten die sich immer getroffen, so A. Die Adresse Friedrich-Viertel-Straße 85 sage ihm nichts, so A. Dann hält Ilius einen Vermerk des LKA Thüringen von 1997 vor, demzufolge die Kameradschaft Jena folgende Struktur habe: Führer sei André K., Stellvertreter Böhnhardt und Mundlos und Mitglieder seien Wohlleben, Zschäpe, Mark-Rüdiger He., Holger G. und eben Stefan A. A. sagt, er sei nie in der Kameradschaft gewesen. Tom Tu. kenne er, so A. Der habe ausgesagt, so Ilius, die Gründung der KS Jena sei durch die Teilnahme an den Heß-Gedenkmärschen zustande gekommen, sie seien politische Aktivisten gewesen, und Tu. habe dann auch den Namen Stefan A. genannt. Er sei ganz sicher nicht dabei gewesen, erwidert A. Dann zitiert Ilius aus der polizeilichen Vernehmung mit Kai St., derzufolge Mundlos über Zschäpes Familie gehetzt habe und Mundlos und A. sich spinnefeind gewesen seien, das habe Zschäpe sehr belastet, in der Zeit sei sie öfter bei A. zu Hause gewesen. Er könne sich nicht erinnern, das sie ihn zu der Zeit besucht habe. Den Namen Sven Fi. kenne er aus seiner Jenaer Zeit, der sei eigentlich aus der Punkszene. Ilius hält aus einem Vermerk des LKA vor, der besagt, dass ein Sven Fi. aus der linken Szene in Weimar laut einer Freundin gesagt habe, er habe Stefan A. getroffen, dieser habe ihm berichtet, dass sich Zschäpe in Holland aufhalte. Weiter stehe dort, es müsse davon ausgegangen werden, dass A. den Aufenthaltsort von Zschäpe kennt. Das könne nicht sein, er habe Fi. nicht getroffen, so A.
RA Kaplan fragt, was A. gegen den Staat gehabt habe. A. sagt, sie seien frustriert gewesen und hätten sich gegen alles gewandt. Gegen den Staat hätten sie gehabt, “dass er alles zulässt, die Ausländer, und wir hängen auf der Straße rum”. Sie hätten sich gedacht, dass die Ausländer vom Staat Geld und Wohnungen bekämen und nichts dafür machen müssten. Darüber habe man sich beim Beisammensein unterhalten. Kaplan fragt nach dem Angriff auf die Romni mit dem Kuchen. A. sagt, in der Jenaer Innenstadt habe eine Frau vor der Bäckerei auf dem Boden gesessen, Böhnhardt sei dann in die Bäckerei gegangen, habe sich ein Stück Kuchen gekauft und auf die Frau geworfen. Sie hätten beide gelacht, sich aber nicht weiter darüber unterhalten. Er habe das nicht so schlimm gefunden, es sei ein Stück Kuchen, Torte gewesen. Auf Frage sagt A., er habe sich vor 15, 16 Jahren aus der Szene zurückgezogen, warum wisse er nicht genau, er habe aber viel gearbeitet. Kaplan fragt, ob A. wisse, woher Böhnhardt die Schreckschusswaffen gehabt habe, was A. verneint. Wann er zuletzt Kontakt zu Wohlleben und André K. hatte, wisse er nicht. A. bestätigt, dass sich das Verhalten Wohllebens ihm gegenüber nach dem Streit mit Mundlos nicht verändert habe. Kaplan fragt, ob A. sagen könne, warum man ihm nicht vertraut habe. A. sagt, er wisse es nicht, es sei einfach so. gewesen: “Ich kann nicht in die Hirne anderer Leute gucken.” Anfangs sei er, sagt A. auf Frage, mit den Uwes auch mal Angeln gewesen, so A., zumindest mit Böhnhardt habe er auch mal Skat und Poker gespielt, in der Familie sei auch Doppelkopf gespielt worden. RAin Dierbach fragt, ob sich die Ablehnung der Szene gegen alle Ausländer gerichtet habe, auch gegen Engländer oder Schweden. Das bestätigt A. RA Kuhn fragt, warum der Kontakt zur rechten Szene in Chemnitz beendet worden sei. A. sagt, das wisse er nicht mehr, es habe sich verlaufen. Nach seinem Streit mit Mundlos seien die Chemnitzer nochmal in Jena gewesen, er glaube, er, A., sei danach aber nicht mehr in Chemnitz gewesen. Kuhn zitiert aus der Vernehmung von Kai St., dass laut St. A. und St. ein gutes Verhältnis gehabt hätten und sich einig gewesen seien, dass sie die drei nicht unterstützen würden. An so etwas könne er sich nicht erinnern, sagt A. RA Daimagüler fragt zu den Interessen Zschäpes. Sie habe gerne Karten gespielt, Wein getrunken und Party gemacht, sonst wisse er nichts, so A. Zschäpes erster Freund hab sich auch wie ein Angehöriger der rechten Szene gekleidet, sei aber in der Szene nicht wirklich anerkannt worden, so A. auf Frage. Dann will Daimagüler wissen, warum A. nicht auf die Briefe von Zschäpe geantwortet habe. Er habe nicht gewusst, was er schreiben soll, so A., er habe 15 Jahre nichts gehört und dann gebe es die Anschuldigungen gegen sie. Zschäpe habe nur private Dinge geschrieben. Seine Tante und seine Oma hätten auch Briefe bekommen und auch geantwortet. Daimagüler will wissen, wie er sich die Ablehnung von Ausländern vorzustellen habe, ob sie abends zusammen gesessen und auf Schweizer, Schweden, Luxemburger geschimpft hätten. A. sagt: “Mehr auf den Ostblock und südlichere Länder.” Daimagüler fragt, auf welche. A.: “Alle. Ist doch egal.” Auf erneute Nachfrage spricht A. von südlichen Ländern und Afrikanern, dann von Türken und Rumänen. Daimagüler fragt, ob es ein spezielles Thema bei den Türken gegeben habe, was A. verneint. Daimagüler sagt, er habe aber doch über Türken geschimpft, aber nicht über Norweger. A. gibt einen unverständlichen Laut von sich. Daimagüler sagt, er hab das Gemurmel nicht verstanden. A. erwidert, er habe nur gebrummt. Daimagüler sagt, dann solle er das ins Deutsche übersetzen. A.: “Das war ein deutsches Brummen.” Götzl ermahnt A., die Fragen zu beantworten. A. sagt, es sei nicht speziell um Türken gegangen: “Nicht speziell Türken scheiße, Afrikaner scheiße. Alles Scheiße.” Auf Frage von RA Stolle sagt A., der Spitzname von Wohlleben sei “Wolle”. RA Reinecke fragt, ob sich A. vorstellen könne, dass seine Großmutter mal geäußert hat, wenn jemand was wisse, dann er. Er habe der Großmutter gesagt, dass er der letzte wäre, der was erfährt. Sieh habe ja gar keinen Kontakt zu den Leuten gehabt und werde sich das deswegen so gedacht haben. Reinecke sagt, in der Akte zu der erwähnten Gartenparty stehe zu A.s Person, er sei Mittäter der Skinhead-Szene Chemnitz und aufgefallen bei einem Gedenken für Rudolf Heß in Chemnitz. A. sagt, er sei bei keiner Demo dabei gewesen. Er sagt, er kenne keine völlig andere Version, wie es zu der Auseinandersetzung mit Mundlos kam. Reinecke hält eine Aussage des Vaters von Mundlos vor, derzufolge A. mit Wahrscheinlichkeit Informant der Polizei sei, er, Siegfried Mundlos, habe sich bei einer Person für das Verhalten seines Sohnes entschuldigt. Diese habe dann geäußert, dass die Straftat nicht aufgeklärt worden wäre, wenn nicht der A. einen Tipp gegeben hätte. Es könne sein, dass er einen Tipp gegeben habe, aber er sei kein V-Mann gewesen. Dann fragt Reinecke zu einem Interview, das A. für die ARD-Dokumentation “Der Zschäpe-Prozess” gegeben habe. Dort habe A., so Reinecke, zusammenfassend gesagt, dass die drei in Chemnitz untergetaucht seien. A. erwidert, er habe gesagt, wenn er selbst untertauchen würde, würde er nicht in Chemnitz untertauchen, wo man jahrelang verkehrt sei. Reinecke wiederum sagt, A. habe gesagt, es gebe enge Verbindungen Jena-Chemnitz und deshalb hätte die Polizei doch als erstes in Chemnitz nach gucken sollen. A. sagt Ja. Reinecke will wissen, ob A. sich keine Gedanken gemacht habe. A. sagt, er habe sich Gedanken gemacht, aber an Chemnitz hätte er als letztes gedacht. A. sagt auf Frage von Reinecke, dass er in der Dokumentation gesagt habe, er denke, dass Zschäpe irgendwann mal aussagen wird.
RA Bliwier hält aus der Vernehmung von Kai St. vor, St. habe nie vermutet, dass die drei in Chemnitz sind, weil [Thomas] St. und Böhnhardt sich nicht hätten leiden können; es sei von Südafrika die Rede gewesen, er wisse aber nicht, ob das Ablenkung gewesen sei, jedenfalls er [Kai St.] erinnere sich aber, dass er wüst angesprochen worden sei, wo denn sein Geld bleibe, dabei habe er zusammen mit Stefan A. öffentlich gemacht, dass er die drei nicht unterstütze. A. sagt, davon wisse er nichts. Die Frage, ob er häufiger Erinnerungslücken habe, verneint A. A. sagt, es könne sei, dass es ein Foto mit ihm gibt, wo er den “Kühnen-Gruß” [Abwandlung des Hitler-Grußes] zeigt. Es folgt eine Pause bis 16.36 Uhr.

Auf Frage von RAin Lunnebach verneint A. die spanische Staatsbürgerschaft zu haben. Dann fragt Lunnebach, ob A. das Gefühl habe, Spaniern den Arbeitsplatz wegzunehmen. OStA Weingarten beanstandet die Frage. Götzl sagt, es gehe um Angaben zur rechten Gesinnung. A. sagt, er denke nicht, dass er Spaniern den Arbeitsplatz wegnehme, manchmal würden auch Spanier für ihn arbeiten. Auf Frage von Lunnebach bestätigt A. mal bei einer Kreuzverbrennnung gewesen zu sein. Das sei bei einer Party gewesen, da habe jemand das Kreuz hingestellt und angebrannt. Es sei wohl darum gegangen, den Ku-Klux-Klan nachzuäffen, und um die “Rassenverfolgung in Amerika”. Auf die Frage, ob man sich darauf positiv oder negativ bezogen habe, sagt A., er habe das Kreuz nicht aufgestellt, er wisse auch nicht mehr, wer dabei war. Dann werden A. mehrere Namen aus einem Ermittlungsverfahren wegen der Kreuzverbrennung, darunter Wohlleben, André K, Tom Tu., Holger G., Mark-Rüdiger He. und Stefan A. selbst. Er habe keine Erinnerung, so A. Nach einer Pause geht es um 16.53 Uhr weiter. RAin Clemm lässt A. ein Bild von mehreren Personen in Bomberjacken mit einer schwarz-weiß-roten Fahne gezeigt. A. nennt die Namen Wohlleben, Holger G., André K. Diese drei Personen zeigen den “Kühnen-Gruß”. Weiter nennt A. Ronny We., den Namen Ho. und sich selbst. Zur Bedeutung der Farben der Fahne befragt, sagt A., das seien “Nationalfarben”. Laut Akte sei das Bild vom 28. Juni 1996, sagt Clemm. A. sagt, das müsse älter sein. Dann wird A. ein Bild von zwei Personen mit “Kühnen-Gruß” vorgelegt. A. muss sich tief herunter beugen, um das Bild erkennen zu können. Dann sagt er, das seien er selbst und Kai St. Den Zusammenhang wisse er nicht mehr, er kenne auch die Bedeutung des “Kühnen-Grußes” nicht. Man sehe doch, so A., dass er da wieder betrunken gewesen sei. Dann wird ein Bild von einer Kreuzverbrennung gezeigt, vor dem Feuer, mit dem Rücken zur Kamera steht ein Neonazi in Bomberjacke. So könne das gewesen sein, sagt A. Clemm fragt, ob Zschäpe bei der Kreuzverbrennung dabei gewesen. Er wisse nicht mehr, wer dabei war, so A. Auf die Frage, ob ein Sozialarbeiter dabei gewesen sei, sagt A., das glaube er nicht. Clemm geht noch einmal auf den Tipp, den A. laut Siegfried Mundlos gegeben habe, ein. A. sagt, er sei mal vorgeladen worden, könne sich aber nicht mehr an die Vernehmung erinnern, er glaube nicht, dass er einen Tipp gegeben habe. Als nächstes fragt RA Hoffmann. Auf dessen Frage sagt A., Mundlos habe Thomas St. Briefe ins Gefängnis geschrieben. Mundlos habe in “unserer aller Namen” den Briefkontakt ins Gefängnis gemacht. Hoffmann sagt, Mundlos habe also für eine Gruppe von Menschen den Kontakt zu Inhaftierten hergestellt. Das bestätigt A. Mundlos habe St. gekannt und es sei die Zeit gewesen, in der sie immer in Chemnitz gewesen seien. Hoffmann fragt, wie das abgelaufen sei, ob Mundlos gesagt habe, er schreiben wieder an St. und sie hätten dann Grüße ausrichten lassen. A. sagt, Mundlos habe im Gruppennamen Grüße ausgerichtet. Hoffmann will wissen, welche Gruppe das gewesen sei. A. sagt, die die nach Chemnitz gefahren seien, die Gruppe habe keinen Namen gehabt. Mundlos habe dann auch einen schönen Gruß von St. zurück ausgerichtet. Wenn sie nach Chemnitz gefahren seien, dann hätten sie sich immer in Jena getroffen, wo wisse er nicht mehr, so A. auf Frage von Hoffmann. Mundlos habe nicht gesagt, dass er schreibt, sondern einfach geschrieben. Von ihm, A., habe Mundlos dem St. nichts Konkretes berichtet. Hoffmann zitiert aus einer Auswertung von Dokumenten und Briefen, die in der Garage gefunden worden seien. A. sagt, Mundlos habe von sich aus gegrüßt, ohne nochmal nachzufragen. Hoffmann zitiert aus der Auswertung, dass “Stefan, Thomas, Tom, Tuffi und Uwe” grüßen. Das habe Mundlos also einfach so gemacht, fragt Hoffmann. A. bejaht das, das sei auch in Ordnung für ihn gewesen. Hoffmann fragt, ob das eine “Knastbetreuung” gewesen sei. A.: “auf eine Art schon.” Er wisse nicht mehr, ob Mundlos erzählt habe, was St. bei Briefen zurück geschrieben hat. In einer Zusammenfassung stehe, dass „Esche“, La. und Antje zu Besuch kommen wollten. Mit “Esche” habe er nicht soviel zu tun gehabt, so A., Antje sei wohl eine von den Freundinnen “von denen da” gewesen. Hoffmann fragt, ob “Esche” Thomas Es. sei, was A. bestätigt. Wo er rechte Musik kennengelernt habe, wisse er nicht mehr, so A. In Jena habe es nur einmal ein kleines Konzert im “Winzerclub” gegeben, auf den Namen der Band komme er nicht mehr. Hoffmann fragt, ob es sich um die Band “Vergeltung” gehandelt habe, was A. bestätigt. Auf Frage von Hoffmann sagt A., Konzerte seien deutschlandweit gewesen und nennt die Städte Chemnitz und Magdeburg. In Hamburg, Schleswig-Holstein, im “Club 88″, in Mecklenburg-Vorpommern, z. B. in Anklam, sei er, glaube er, noch nicht gewesen, so A. auf Frage von Hoffmann. Richter Götzl fragt nach der Relevanz der Frage. Nachdem der Zeuge den Saal verlassen hat, sagt Hoffmann, er habe heute über den Tag manch eine Frage gehört, die darauf zielte, zu ergründen welche politischen Einflüsse auf die Angeklagten, insbesondere Zschäpe, zwischen 1990 und dem Untertauchen eingewirkt haben. Vorhin habe man gehört, das Zschäpe wenig Interesse an der Musik gehabt habe, aber die anderen ein großes Interesse. Man habe aber nicht gehört, um was für Bands und welche Inhalte es gehe. Götzl sagt, dann solle Hoffmann die Frage so stellen. Hoffmann erwidert: “Wenn ich die so stelle, dann kriege ich keine Antwort.” Bundesanwalt Diemer sagt, es sei empörend was die rechtsextremistische Szene getan habe, es gehe aber um die hier verhandelten Taten. Hier solle Allgemeinkundiges über den Zeugen eingeführt werden. Hoffmann erwidert, wenn man sehe, dass in der Garage neben dem Sprengstoff Inhalte mit solchen Texten gefunden worden seien, dann müsse man fragen, ob es solche Musik war, mit der die Angeklagten ihre Zeit verbracht haben. Er erinnere daran, dass Wohlleben und der Zeuge André K. solche Veranstaltungen weiter gemacht und darüber ihre Netzwerke aufgebaut hätten. Es gehe auch darum, welche Verbindungen bestanden und welche aufrecht erhalten wurden. Diemer sagt, es gehe um die Wahrnehmungen des Zeugen. Welche Auswirkungen das gehabt habe, müsse Zschäpe sagen, die aber nichts sage. Diemer: “Wenn das so weiter geht, dann verhandeln wir in 5 Jahren noch.” Darauf sagt Hoffmann, Diemer solle doch einfach beanstanden. Götzl wirft ein, er selbst habe schon beanstandet. Darauf erwidert Hoffmann, dann solle Götzl die Frage eben nicht zulassen. Der Zeuge kommt wieder in den Saal. Auf Frage von Hoffmann sagt er, die meisten Konzerte habe er von 1990 bis zum Streit mit Mundlos in der Gegend von Chemnitz gesehen. Es seien keine festen Orte gewesen, wer die Konzerte organisiert habe, wisse er nicht. Er kenne die Gruppierung “Blood & Honour”, das habe aber damit nichts zu tun gehabt. Er wisse nicht, ob es die Gruppierung in Chemnitz gebe, er kenne auch niemanden von “Blood & Honour”. Hoffmann fragt, ob es Bands gegeben habe, die häufiger gespielt hätten. A.: “Das weiß ich alles gar nicht mehr.” Er glaube, dass Zschäpe mit ihm persönlich nie zu einem Konzert gefahren sein. Er wisse auch nicht, ob Wohlleben mal dabei gewesen sei, mit Mundlos sei er jedenfalls mehrfach zusammen zu Konzerten gefahren. Die Bandnamen könne er nicht mehr nennen. Hoffmann fragt, ob A. Fan einer bestimmten Band gewesen sei. Das verneint A., er habe sich viele Band angehört. Er wisse auch nicht, ob Mundlos Fan einer bestimmten Band war. Hoffmann fragt: “Wussten sie das noch nie oder erinnern sie es nicht?” Er wisse es nicht, so A., er habe nicht gefragt. Hoffmann fragt, ob die Frage, welche Bands spielen, ein Kriterium gewesen sei, ob man hin fährt. Das sei egal, so A., wichtig sei die Musik und das Trinken. Hoffmann fragt, ob Musik oder Texte wichtig gewesen seien. Die Texte seien sicherlich auch wichtig gewesen, so A. Die Musik habe am besten schnell und hart seien müssen. Die Texte hätten rechtsextremen Inhalt haben und zum Mitgrölen sein müssen. Hoffmann fragt, ob es irgendwelche Texte gegeben habe, die Holger G., Wohlleben, Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe besonders gut gefunden hätten. Das wisse er nicht, so A.

Die Vernehmung wird unterbrochen und morgen fortgesetzt. Der Verhandlungstag endet um 17.32 Uhr.

Das Blog “NSU-Nebenklage” zur Aussage von Stefan A.:

“Der Zeuge folgt der offensichtlich für die Zeugen aus der Naziszene ausgegebenen Losung ‘alles vergessen!’ (…) Das Gericht lässt ihn gewähren, denn die für die Bestätigung der Anklage wichtigen Angaben hat er bereits gemacht: Beate Zschäpe war selbstbewusst, sie hatte ihre Männer im Griff und ließ sich nicht unterbuttern. Sie war gleichberechtigtes Mitglied der Naziszene um sie, Mundlos, Böhnhardt, K., G. und Wohlleben.”

Nebenklagevertreter RA Scharmer zur Aussageverweigerung von Annerose Zschäpe:

“Dass die Mutter (…) von ihrem Recht, die Aussage zu verweigern, Gebrauch macht, ist aus ihrer Sicht nachvollziehbar. (…) Nicht zu verstehen ist, warum das BKA und die Bundesanwaltschaft nicht bereits im Ermittlungsverfahren veranlasst haben, dass die Zeugin ordnungsgemäß von einem Richter vernommen wird. Nahe Verwandte dürfen schweigen. Annerose Zschäpe hatte sich allerdings 2011 umfassend bei der Polizei geäußert. Es gehört zum Standardprozedere, dass in solchen Fällen Vernehmungen zumindest richterlich wiederholt werden. Dann bleibt die Aussage, auch wenn sich die Zeugen später auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen, verwertbar. Ein einleuchtender Grund, gerade bei Frau Zschäpe ein solches Vorgehen zu unterlassen, ist nicht erkennbar.“

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Der NSU im Netz von Blood & Honour und Combat 18 – Teil 1

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Dieser Artikel wird aufgrund seines Umfanges in vier Teilen im jeweiligen Abstand von wenigen Tagen auf nsu-watch.info veröffentlicht. Er bietet mit Fokus auf das Unterstützungsnetzwerk des NSU einen umfassenden Überblick über die Erkenntnisse antifaschistischer Recherche zum neonazistischen Netzwerk Blood & Honour und seinen terroristischen Strukturen wie Combat 18.

von Michael Weiss für NSU-Watch

Teil 1: Die Unterstützung von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt durch Blood and Honour in der Anfangsphase
Teil 2: Blood and Honour und seine Flügelkämpfe
Teil 3: Der Import von „Leaderless Resistance“ und Combat 18
Teil 4: Combat 18 in Dortmund und weitere Spuren

Text in einem Dokument:
Der NSU im Netz von Blood & Honour und Combat 18 – Gesamtversion

Mark Mühlhaus hat im November 2011 Orte portraitiert, an denen sich der NSU und sein Umfeld in den letzten 15 Jahren getroffen haben. Hier: Jena, der Garagenkomplex, wo die Bombe gebaut wurde. © Mark Mühlhaus/attenzione photographers Mark Mühlhaus hat im November 2011 Orte portraitiert, an denen sich der NSU und sein Umfeld in den letzten 15 Jahren getroffen haben. Hier: Jena, der Garagenkomplex, wo die Bombe gebaut wurde. © Mark Mühlhaus/attenzione photographers Mark Mühlhaus hat im November 2011 Orte portraitiert, an denen sich der NSU und sein Umfeld in den letzten 15 Jahren getroffen haben. Hier: Jena, der Garagenkomplex, wo die Bombe gebaut wurde. © Mark Mühlhaus/attenzione photographers http://attenzione-photo.com/

Mark Mühlhaus hat im November 2011 Orte portraitiert, an denen sich der NSU und sein Umfeld in den letzten 15 Jahren getroffen haben. Hier: Jena, der Garagenkomplex, wo die Bombe gebaut wurde.
© Mark Mühlhaus/attenzione photographers http://attenzione-photo.com/


Die Unterstützung von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt durch Blood and Honour in der Anfangsphase

So sehr sich Sicherheitsbehörden und die Bundesanwaltschaft an die Legende klammern, der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) sei ein auf sich alleine gestelltes „Trio“ gewesen – die Erkenntnisse der letzten Jahre zeichnen ein anderes Bild. Der NSU war Bestandteil eines weitverzweigten Netzes von AktivistInnen, die eines verband: Das Selbstbild der „politischen Soldaten“, die sich in der Pflicht sahen, den „nationalen Kampf“ bis zum Äußersten zu führen. Das Netzwerk Blood & Honour und das von ihm protegierte Konzept des „Leaderless Resistance“ spielte darin eine wesentliche Rolle. In Kreisen von Blood & Honour fanden Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Bestätigung, Rückhalt und konkrete Unterstützung für ihr Leben im Untergrund. Ohne Blood & Honour hätte der NSU – zumindest in dieser Form – nicht entstehen und agieren können.

Unterstützung aus dem Kreis von Blood & Honour

Das Konzert in Schorba war einer der Konzerthöhepunkte des Jahres 1999 für die deutsche Neonaziszene. Am 13. November 1999 traten in der thüringischen Kleinstadt bei Jena vor 1.200 BesucherInnen vier neonazistische Bands aus den USA und aus Deutschland auf. Lieder wie „Wir sind total radikal“ und „Retter Deutschlands“ wurden vom Publikum mit Hitlergrüßen gefeiert. Die Polizei hatte nichts unternommen, um das Konzert zu verhindern und führte erst bei der Abreise der Teilnehmenden Kontrollen durch. Veranstalter des Konzert war Blood & Honour (B&H) gewesen. Das Magazin „Blood & Honour Deutschland“ vermeldete danach: „Ein lustiger Abend, der sich mal wieder gelohnt hat.“ [1]
Marcel Degner aus Gera, genannt „Riese“, Chef der B&H-Sektion Thüringen, fand an diesem Abend – das ergab die Beweisaufnahme im Münchner NSU-Prozess – Zeit für ein Gespräch mit dem Chemnitzer Thomas Starke, der mit der beinahe kompletten Gruppe von B&H Chemnitz angereist war. Degner bot Starke an, die „drei“ mit Geld zu unterstützen, doch Starke lehnte dankend ab. Die drei, so bedeutete er Degner, seien versorgt, sie würden jobben. „Die drei“, das meinte Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt, die seit Januar 1998 untergetaucht waren, und die „Jobs“, mit der sie ihren Lebensunterhalt bestritten, waren bis dato Überfälle auf zwei Postfillialen und einen Edeka-Markt gewesen. Degner und Starke waren Freunde, trafen sich zu dieser Zeit circa alle zwei Wochen. In B&H-Kreisen in Sachsen und Thüringen wusste man, an wen man sich zu wenden hatte, wenn es um „die drei“ ging.

Der antifaschistische Nachrichtenblog „Störungsmelder“ berichtet, Marcel Degner habe Uwe Böhnhardt zu seinem Rechtsanwalt in Gera mitgenommen, als die Jenaer Polizei 1997 gegen Böhnhardt ermittelte. Als das Trio untergetaucht war, soll Degner für sie 1.000 DM Spendengelder gesammelt haben. [2] Mit (späteren) Exponenten von Blood & Honour Chemnitz reisten Zschäpe, Mundlos und/oder Böhnhardt ab 1993 zu Neonazipartys ins bayerische Straubing oder ins baden-württembergische Ludwigsburg. Besonders eng war ihre Freundschaft mit Thomas Starke, der in Chemnitz eine Szeneautorität war. Als Starke von 1994 bis 1996 eine Haftstrafe verbüßte (wegen einer Schlägerei, an der auch Mundlos beteiligt gewesen sein soll) wurde er von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt unterstützt. 1997 hatte Starke ein Liebesverhältnis mit Zschäpe und ebenfalls 1997 bat ihn Mundlos, ihm Sprengstoff zu beschaffen. Starke erhielt daraufhin laut eigener Aussage vom B&H-Aktivisten Jörg W. aus Leppersdorf (bei Dresden) TNT geliefert, das er an Mundlos weitergab. Als das TNT im Januar 1998 in der Garage in Jena gefunden wurde und die drei untertauchen mussten, wandten sie sich an Starke, der ihnen Unterkunft bei B&H-Leuten in Chemnitz vermittelte.

Jena Uwe Bšhnhardt Letzte Adresse  -Richard-Zimmermann-Strasse 18  Die Nummern des Blocks Šnderten sich vor Jahren - jetzt ist es die Nummer 11. Interessant ist aber eher das Viertel Hier: Plattenbausiedlung - in diesem Block lebte Bšhnhardt   © Mark MŸhlhaus/attenzione photographers [Inhaltsveraendernde Manipulation des Fotos nur nach Genehmigung des Fotografen. Vereinbarungen Ÿber Abtretung von Persoenlichkeitsrechten/Model Release der abgebildeten Person/Personen liegen nicht vor.]

Jena: Plattenbausiedlung. Uwe Böhnhardts letzte offizielle Adresse. © Mark Mühlhaus/attenzione photographers http://attenzione-photo.com/

Von Januar bis Februar 1998 wohnten die drei in der Friedrich-Viertel-Straße 85 in Chemnitz in einer Wohnung, die ihnen der B&H-Aktivist Thomas Rothe zur Verfügung stellte. Im selben Haus lebten nur einige Monate später in anderen Wohnungen bzw. schon ab Januar 1998 vier Eingänge weiter insgesamt mindestens fünf weitere B&H-Leute. Man kann nicht ernsthaft annehmen, dass diese nicht in die Unterstützung der Flüchtigen eingebunden waren.

Es muss betont werden: Es waren nicht nur Einzelpersonen, sondern es war die Struktur von B&H, zumindest in Westsachsen, die Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt ab 1998 unterstützte. Wohl waren die Beiträge der einzelnen Personen unterschiedlich, nicht jede*r war in alles eingeweiht. Nach heutigem Wissensstand leisteten in Chemnitz um die 20 Personen aus dem Kreis von B&H Unterstützungshandlungen für die Untergetauchten, die zu diesem Zeitpunkt eigentlich nicht wirklich untergetaucht waren. Die drei erhielten mehrere tausend DM aus der Kasse von B&H Sachsen [3], die von Chemnitzern verwaltet wurde. ChemnitzerInnen besorgten ihnen Wohnungen, Reisepässe und andere Papiere, mit denen sie Alias-Identitäten aufbauten. Man traf sich und diskutierte zusammen.

Eine zentrale Person im Unterstützungsnetzwerk war der Chemnitzer Jan Werner, Chef der B&H-Sektion Sachsen. Er war Betreiber des Chemnitzer Labels Movement Records und mitverantwortlich für die Herausgabe des B&H-Magazins „White Supremacy“ (Weiße Vorherrschaft). Im Sommer 1998 fragte Werner beim Neonazi Carsten Szczepanski im brandenburgischen Königs Wusterhausen an, ob dieser ihm eine Schusswaffe für die drei besorgen könne. Als Szczepanski nicht lieferte, schickte ihm Werner am 25. August eine SMS: „Hallo. Was ist mit den Bums“. Szczepanski diente unter dem Decknamen „Piatto“ dem Brandenburger Verfassungsschutz als V-Mann. Er informierte den Verfassungsschutz 1998 auch darüber, dass sich das Trio durch Überfälle finanzierte und weitere Überfälle planen würde. Seine Meldungen an seinen V-Mann-Führer belegen das Geschehen.

Carsten Szczepanski war ein Combat 18-Protagonist der ersten Stunde in Deutschland und eine Schlüsselperson im militanten Neonazinetzwerk. 1995 war er wegen des versuchten rassistischen Mordes am aus Nigeria stammenden Steve Erenhi zu einer achtjährigen Haftstrafe verurteilt und 1994 in der Untersuchungshaft als V-Mann angeworben worden. Szczepanski war eng mit Antje Probst und ihrem Ehemann in Limbach-Oberfrohna (bei Chemnitz) befreundet. Antje Probst war eine der wenigen Frauen in Deutschland, die im Männerbund von B&H ein gewichtiges Wort mitreden durfte. Die heute 40-jährige vierfache Mutter, die heute Antje B. heißt, war seit 1995 bei Blood & Honour in Chemnitz dabei. Ihr Ehemann führte zwei neonazistische „Sonnentanz“-Ladengeschäfte in Chemnitz und Aue, Antje Probst arbeitete dort. Am Trio war sie offensichtlich nahe dran, Szcepanski meldete im September 1998, dass Antje Probst plane, Beate Zschäpe ihren Reisepass für eine Flucht ins Ausland zur Verfügung zu stellen. Etwa zur selben Zeit wandte sich Szczepanski mit einer Bitte an die Eheleute Probst: Wenn er einen Arbeitsvertrag nachweisen könne, dann würde er beim Arbeitsamt in ein Förderprogramm fallen und früher aus der Haft entlassen werden. Antje Probst besorgte nun vom Arbeitsamt Fördergelder, mit denen Szczepanski im „Sonnentanz“-Laden angestellt werden konnte.[4] So platzierte der Verfassungsschutz, mitfinanziert vom Arbeitsamt, eine Topquelle an einem Knotenpunkt der Chemnitzer Szene.

Wer und was war Blood & Honour?

Es ist wahrscheinlich, dass Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt, die den Kern des NSU bildeten, in einigen Städten ihrer Morde, Anschläge und Überfälle vor Ort TippgeberInnen oder gar HelferInnen hatten. Wer nach Personen sucht, die im Netzwerk von B&H agierten und mit UnterstützerInnen des NSU persönlich bekannt waren, wird in allen Tatorten fündig. Zum Beispiel in Rostock, wo am 25. Februar 2004 Mehmet Turgut in einer Imbissbude im abgelegenen Stadtteil Toitenwinkel vom NSU ermordet wurde – in direkter Nähe des Tatortes wohnten mindestens zwei ehemalige B&H-Aktivisten. Oder in Nürnberg, wo das hiesige B&H in den 1990er und 2000er Jahren exzellente Verbindungen zu B&H in Chemnitz unterhielt. Chemnitzer B&H-Leute waren häufig in Nürnberg anzutreffen und umgekehrt. So zum Beispiel die Chemnitzerin Mandy Struck, die Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos seit 1998 mit Wohnungen und Papieren versorgte, die das Trio noch viele Jahre später nutzte. Struck wohnte ab 2001 einige Jahre in Nürnberg und war unter anderem mit Christian W. liiert, der als eine damals führende Person der Nürnberger Strukturen von B&H und Combat 18 beschrieben wird.

Um diese Spuren einzuordnen und um das Verhältnis des NSU zu Blood & Honour zu bestimmen, muss man sich klar werden, wer und was B&H eigentlich war.

Coburg Restaurant Delphi (Griechisch) -Hier traf sich der V-Mann Tino Brandt wšchentlich mit seinen Vertrauensleuten vom ThŸringer Verfassungsschutz - sie sassen meist in der hinteren Ecke an der Wand. Hier: heimlich gemachte Innenaufnahme im Restaurant   © Mark MŸhlhaus/attenzione photographers [Inhaltsveraendernde Manipulation des Fotos nur nach Genehmigung des Fotografen. Vereinbarungen Ÿber Abtretung von Persoenlichkeitsrechten/Model Release der abgebildeten Person/Personen liegen nicht vor.]

Coburg: Restaurant Delphi (Griechisch). Hier traf sich der V-Mann Tino Brandt wöchentlich mit seinen Vertrauensleuten vom Thüringer Verfassungsschutz – sie sassen meist in der hinteren Ecke an der Wand. © Mark Mühlhaus/attenzione photographers http://attenzione-photo.com/

Das Netzwerk von B&H Deutschland war 1994 von England nach Deutschland importiert worden. Zu seiner Hochzeit um 1998 hatte B&H in Deutschland 300 bis 500 Mitglieder. Gegliedert war B&H in eine Divisionsleitung (Bundesführung) mit Sitz in Berlin, sowie in zeitweise 17 Sektionen (Landes- und Regionalverbände). Darüber, dass B&H die Szene mit Rechtsrock-Produktionen und Konzerten versorgte, einen militanten und elitären Habitus pflegte, war es eine feste Größe der Szene. Wer etwas auf sich hielt und im „harten Kern“ dabei war, der/die war vielerorts in Deutschland entweder Mitglied von B&H oder gehörte einer Gruppe an, die mit B&H verbunden war. Der/die las B&H-Publikationen, bezog Musik von B&H, besuchte B&H-Konzerte, unterhielt Freundschaften zu B&H-Leuten. Das taten auch Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt. Wenngleich es keinen Beleg dafür gibt, das eine/r der drei Mitglied bei B&H war, so waren die Verbindungen des Trios zu Personen von B&H derart eng, dass selbst die Thüringer Behörden 1998 davon ausgingen, dass die drei Untergetauchten „zum harten Kern der Blood & Honour Bewegung“ zählten. [5]

Musiknetzwerk und politische Kampfgemeinschaft

Auch wenn sich B&H in Deutschland als eine verschworene Gemeinschaft präsentierte, so gab es von Anfang an verschiedene Flügel, die unterschiedliche Ziele verfolgten. Die einen sahen in B&H ein Netzwerk, mit dem es möglich war, das Millionengeschäft mit dem Rechtsrock selbst zu organisieren und nicht Geschäftsleuten zu überlassen, die als szenefremd angefeindet wurden. Unter dem Label von B&H entstanden Unternehmen zur Produktion und Vermarktung von Rechtsrock und zur Durchführung von Tourneen führender White-Power-Bands. Wenngleich das Geld, das laut eigenem Selbstverständnis in den „politischen Kampf“ fließen sollte, zum Großteil bei denen hängen blieb, die nun Geschäftemacher im Unternehmen B&H wurden, so entstand ein Netzwerk, in dem sich Dutzende professionell um die Verbreitung und Vermarktung von politischer Propaganda über Rechtsrock kümmerten.

Die Verfassungsschutzbehörden, die über ihre V-Leute doch so tiefe Einblicke hatten, stellten indes stets heraus, dass B&H vor allem eine „Musikorganisation“ bzw. ein „Musiknetzwerk“ sei. Sie spielten damit herunter, dass Zehntausende mit den Parolen vom neonazistischen Mord und Totschlag sozialisiert und radikalisiert wurden. Sie ignorierten, dass B&H über Zeitschriften, Booklets und Liedtexte Terrorkonzepte verbreitete und diese mit den Aufrufen koppelte, zur Tat zu schreiten. Denen, die den Kampf gegen System und Volksfeinde als „Untergrundgruppen“ aufnehmen wollten, lieferte B&H Anleitungen und bot ihnen Anlaufstellen.
Spätestens als sich B&H auf einem Divisionstreffen am 24. September 1999 in Berlin ein 25-Punkte-Programm zur Bildung einer „politischen Kampfgemeinschaft“ verpasste, das an das 25-Punkte-Programm der NSDAP von 1920 angelehnt war, brachen schon bestehende interne Konflikte offen aus. Manche derer, die gut am Rechtsrock verdienten, wollten sich das Geschäft nicht durch politisch-radikale Abenteuer verderben lassen. Die „politischen Soldaten“ hingegen betrachteten sowieso misstrauisch, wie sich die KameradInnen immer ungenierter die eigenen Taschen füllten. B&H zerfiel in Teilgruppen, die schließlich nicht einmal mehr das gemeinsame Label zusammen zu halten vermochte. Einzelne Sektionen brachen auseinander und miteinander und schlossen sich gegenseitig aus. Es begann ein Kampf, der sich bis in die nach 2000 entstehenden Nachfolgestrukturen ziehen sollte, intern hieß es: „Real-B&H“ gegen „Combat 18“ – die, die ein kommerzielles Musiknetzwerk betreiben wollten gegen die, die für das Untergrund-Konzept von Combat 18 plädierten.

 

in Kürze
Teil 2: Blood and Honour und seine Flügelkämpfe

—————-

Fußnoten:

[1]    „B&H-Konzert in Thüringen“, in: Blood & Honour Deutschland, Nr. 9, 2000
[2]    „Wie nah war V-Mann „2100/Hagel“ dem NSU-Trio?, Störungsmelder, 15.04.2015
[3]    Tatsächlich sollen laut Antje Probst (in ihrer Aussage als Zeugin im Münchner NSU-Prozess) um 1998 circa 20.000 DM in der Kasse der Konzerteinnahmen von B&H in Chemnitz/Sachsen gefehlt haben. Als gesichert gilt, dass zumindest ein Teil des Geldes zur Unterstützung des gesuchten Trios verwendet wurde. Vgl.: www.nsu-nebenklage.de/blog/tag/20-000-dm/
[4]    http://www.nsu-watch.info/2014/11/protokoll-162-verhandlungstag-20-november-2014/
[5]    Beschlussempfehlung und Bericht des 2. Untersuchungsausschuss, Deutscher Bundestag, Drucksache 17/14600, 22.08.2013, S. 157

 

Der Beitrag Der NSU im Netz von Blood & Honour und Combat 18 – Teil 1 erschien zuerst auf NSU Watch.

Der NSU im Netz von Blood & Honour und Combat 18 – Teil 3

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Teil 3: Der Import von „Leaderless Resistance“ und Combat 18

Dieser Artikel wird aufgrund seines Umfanges in vier Teilen im jeweiligen Abstand von wenigen Tagen auf nsu-watch.info veröffentlicht. Er bietet mit Fokus auf das Unterstützungsnetzwerk des NSU einen umfassenden Überblick über die Erkenntnisse antifaschistischer Recherche zum neonazistischen Netzwerk Blood & Honour und seinen terroristischen Strukturen wie Combat 18.

von Michael Weiss für NSU-Watch

Teil 1: Die Unterstützung von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt durch Blood and Honour in der Anfangsphase [veröffentlicht am 26.5.2015]
Teil 2: Blood and Honour und seine Flügelkämpfe [veröffentlicht am 29.5.2015]
Teil 3: Der Import von „Leaderless Resistance“ und Combat 18
Teil 4: Combat 18 in Dortmund und weitere Spuren  [veröffentlicht am 8.6.2015]

Text in einem Dokument:
Der NSU im Netz von Blood & Honour und Combat 18 – Gesamtversion

Mark Mühlhaus hat im November 2011 Orte portraitiert, an denen sich der NSU und sein Umfeld in den letzten 15 Jahren getroffen haben. Hier: Jena, der Garagenkomplex, wo die Bombe gebaut wurde. © Mark Mühlhaus/attenzione photographers Mark Mühlhaus hat im November 2011 Orte portraitiert, an denen sich der NSU und sein Umfeld in den letzten 15 Jahren getroffen haben. Hier: Jena, der Garagenkomplex, wo die Bombe gebaut wurde. © Mark Mühlhaus/attenzione photographers Mark Mühlhaus hat im November 2011 Orte portraitiert, an denen sich der NSU und sein Umfeld in den letzten 15 Jahren getroffen haben. Hier: Jena, der Garagenkomplex, wo die Bombe gebaut wurde. © Mark Mühlhaus/attenzione photographers http://attenzione-photo.com/

Mark Mühlhaus hat im November 2011 Orte portraitiert, an denen sich der NSU und sein Umfeld in den letzten 15 Jahren getroffen haben. Hier: Jena, der Garagenkomplex, wo die Bombe gebaut wurde.
© Mark Mühlhaus/attenzione photographers http://attenzione-photo.com/

 

Blaupausen für den „Leaderless Resistance“

Darren Wells, der in den 1990er Jahren zum Kern der Gruppe Combat 18 in England gehörte und dann ausstieg, erzählt: „[…] Außerdem muss man bedenken, dass alle in einer Gruppe wie der unsrigen eigentlich nur als Teil der Gruppe lebten, wir hatten ein einziges Leben. Die Gefühle haben sich hochgeschaukelt. Wie schon gesagt, man verliert den Bezug zur Realität, weil wir überzeugt waren, etwas wirklich Riesiges zu machen und dann in einem entsprechenden Glorienschein zu sterben. […] aber damals 1996 waren einige Leute völlig von der Geschichte von Robert Matthews eingenommen und wollten ihm hier nacheifern. Das wurde zu unserem einzigen Lebenszweck und wurde wichtiger als andere: Die Leben der Leute, ihre Jobs und Familien bedeuteten nichts mehr. Alles, was zählte, war so zu werden wie unserer Vorstellung nach The Order war.“ [1]

Robert Matthews, The Order, die „Die Turner Tagebücher“ – diese drei Begriffe stehen für das Konzept des „Leaderless Resistance“ (Führerloser Widerstand), das sich ab 1995 in der neonazistischen Szene in Deutschland verbreitete. Der Zeitpunkt war nicht zufällig. Die Neonazigeneration dieser Zeit hatte ihre „Bewegungsjahre“ auskosten und ihre Allmachtsphantasien ausleben können, nun wurde ihnen klar, dass die Pogrome in Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen nicht das Fanal gewesen waren, sondern die Höhepunkte. Der Staat gewann nun ein Stück weit Kontrolle zurück, die Repression nahm zu, die Bewegungsräume wurden enger. Im Jahr 1995 konnte man nicht mehr mit Hitlergruß und Molotow-Cocktail durch die Straßen ziehen und sich am Gejohle des Mobs berauschen. Doch klein beigeben oder gar aufgeben wollten viele auch nicht. Was war nun die Alternative?

Jena: Die Bombenbastelgarage im Garagenkomplex "An der Kläranlage" Garage "H54".  © Mark Mühlhaus/attenzione photographers http://attenzione-photo.com/

Jena: Die Bombenbastelgarage im Garagenkomplex „An der Kläranlage“ Garage „H54“.
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Die Idee des „führerlosen Widerstandes“, auch „führungslosen Widerstandes“, verfing sich ab 1995 insbesondere bei denen, die nun unter dem Label von Combat 18 „ernst“ machen wollten oder machten. In einem Artikel im Magazin „Blood & Honour“ der Division Deutschland (Nummer 2, 1996) heißt es: „Wir dürfen nicht auf einen eventuell irgendwann mal auftauchende Führer warten, darauf das immer jemand kommt und sagt was zu tun ist. Nein! Jeder ist dazu aufgerufen, etwas zu tun. LEADERLESS RESISTANCE ist die Devise!“ Der Artikel endet mit der Beschwörung: „Die Patrioten von heute müssen sich auf den größten aller Kriege, den Rassenkrieg, vorbereiten, und dafür muß man geheime Strukturen schaffen und bereit sein, sein Leben zu opfern.“ Beim Verfasser, der mit „B.“ unterzeichnet, handelt es sich sehr wahrscheinlich den texanischen Neonazi Bart A., der zu dieser Zeit – und bis mindestens 2003 – im deutschen und skandinavischen B&H aus und ein ging und den Aufbau von Combat 18-Strukturen vorantrieb. A. galt im Spektrum von B&H als Waffenbeschaffer und Experte für Sprengstoff.

Das Konzept des „Leaderless Resistance“ sieht das Agieren in einer Zellenstruktur vor. Die deutschsprachige B&H-Zeitschrift „Totenkopf Magazin“ schrieb 2002 in dem Artikel „Der politische Soldat“: „Combat 18 arbeitet nach der Methode des führungslosen Widerstandes, das bedeutet das die einzelnen Zellen oder Personen sich nicht kennen und unabhängig voneinander arbeiten und keiner zentralen Führungsstelle Bericht erstatten. Es darf nicht die Struktur einer Befehlskette entstehen, denn es könnte ein Glied dieser Kette schwach sein und somit die ganze Organisation schwächen. Allerdings weist auch dieses Konzept Fehler auf, in der Praxis ist es sehr schwer, ganz allein zu arbeiten – unsere Hoffnungen setzen wir daher auf semi-autonome Arbeit. Es muss bei einzelnen Aktionen kooperiert werden, weil die eine Zelle vielleicht etwas weis oder besorgen kann was die andere nicht kann – das heißt im Klartext das eine Person jeder Zelle eine andere Person aus einer anderen Zelle kennen sollte und die Zellen sich einander ergänzen sollten […]“.

„Die Turner Tagebücher“, im englischsprachigen Original „The Turner Diaries“, ist ein 1978 verfasster Roman des US-amerikanischen Neonazis William Pierce. Er beschreibt das Wirken der fiktiven Person Earl Turner, der als Mitglied einer geheimen Organisation und organisiert in einer Zelle den Kampf gegen das System und die „Überfremdung“ Amerikas aufnimmt, der sich schließlich zu einem regelrechten Krieg ausweitet. Im Visier der US-amerikanischen Neonazis stehen insbesondere jüdische Einrichtungen und staatliche Behörden, wie das FBI-Hauptquartier, die allesamt als jüdisch kontrolliert beschrieben werden.

„The Turner Diaries“ erfuhren ihre Quasi-Umsetzung durch die US-amerikanischen Terrorgruppe The Order, eine rassistische und antisemitische Terrorgruppe in den USA, die auch unter dem Namen „Brüder Schweigen“ bekannt wurde. Sie wurde von Robert Jay Matthews angeführt. Die Gruppe raubte zwischen 1983 und 1984 mehrere Banken und Geldtransporter aus, beging Bombenschläge auf eine Synagoge und ein Theater und ermordete am 18. April 1984 in Denver den jüdischen Radiomoderator Alan Berg. 1984 hob das FBI die Truppe aus. Robert Jay Matthews kam ums Leben, als bei der Erstürmung seines Hauses im US-Bundesstaat Washington am 18. Dezember 1984 sein Munitionsvorrat explodierte. Er hatte sich trotz seiner aussichtslosen Situation geweigert, sich zu ergeben.

Dirk Laabs, Autor des Buches „Heimatschutz“, weist in einem Artikel im Antifaschistischen Infoblatt auf zahlreiche Parallelen zwischen dem NSU und „The Order“ hin. Laabs schreibt: „Die US-Terrorgruppe raubte Banken aus, richtete Menschen gezielt hin und benutzte dabei Waffen, die mit Schalldämpfern bestückt waren. So lange ihre Mitglieder unerkannt im Untergrund lebten, bekannte sich die Gruppe nie zu den Taten. Wie „The Order“ fühlte sich der NSU zudem offenbar als eine Art Vorauskommando einer „arischen Befreiungsarmee“, deren Geschichte nach der Vernichtung der Feinde von den Überlebenden in Ehrfurcht gefeiert werden wird, was die Tatwaffen zu quasi religiösen Reliquien macht.“ Sowohl der NSU als auch „The Order“ hatten Waffen und Gegenstände aufbewahrt, die sie schwer belasteten. Laabs schreibt weiter: „Wenn die Mitglieder von „The Order“ morden wollten, dann musste das Opfer offenbar im Stile einer Exekution sterben – wie bei einem Ritualmord. Es sollte nur um den Akt des Tötens, nicht um Raub oder andere Motive gehen.“ [2] The Order und die „Turner Diaries“ waren zweifellos eine Inspirationsquelle für den NSU. Die „Turner Diaries“ befanden sich auch auf den Computern von Ralf Wohlleben und André Eminger, die im November 2011 beschlagnahmt wurden.

Saalfeld - Ehemaliger Treffpunkt (Ladenkomplex mit zugehöriger Trinkhalle, Saalfeld-Gorndorf ) ist abgebrannt. In der Nähe sind aber noch Sprühereien zu erkennen.  © Mark Mühlhaus/attenzione photographers http://attenzione-photo.com/

Saalfeld – Ehemaliger Treffpunkt (Ladenkomplex mit zugehöriger Trinkhalle, Saalfeld-Gorndorf ) ist abgebrannt. In der Nähe sind aber noch Sprühereien zu erkennen.
© Mark Mühlhaus/attenzione photographers http://attenzione-photo.com/

Blood & Honour und die sogenannten Hammerskins erzählen die Geschichte von Robert Jay Matthews und The Order / Brüder Schweigen immer wieder. Das in England herausgegebene Magazin „Blood & Honour“ widmete Robert Jay Matthews 2013 (Ausgabe 48) einen einseitigen Nachruf und zitierte ihn mit den Worten: „I have been a good soldier, fearless soldier. I will die with honour und join my brothers in valhalla.“ Als am 26. Oktober 2014 der Neonazi Thomas Gerlach im Münchner NSU-Prozess in den Zeugenstand trat, trug der Angeklagte André Eminger ein Shirt mit der Aufschrift „Brüder schweigen – bis in den Tod“.

Terror von Combat 18

Combat 18, abgekürzt C18, war/ist das von Blood & Honour geschaffene und protegierte Label für den Untergrundkampf. C18 war um 1992 in England aus einer Hooligan-Schlägertruppe im Umfeld der British National Party entstanden. Nach dem Tod des englischen B&H-Begründers Ian Stuart Donaldson 1993 bei einem Autounfall versuchte C18 die Kontrolle über B&H an sich zu reißen und schuf ein neonazistisches Terrornetz, das nach innen und außen mörderisch wirkte. 1997 verschickten C18-Aktivisten aus England, Dänemark und Schweden Briefbomben an Prominente [3], eine Antifa-Gruppe und Konkurrenten im Rechtsrock-Business. Intern herrschte zu dieser Zeit ein Machtkampf zwischen Paul „Charlie“ Sargent und William Browning, die beide die Führung von C18 und somit von B&H England für sich reklamierten. 1997 ermordete Paul Sargent einen Gefolgsmann von Browning und wurde zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.

Konzeptionell verschrieb sich Combat 18 dem Prinzip des Leaderless Resistance. Der britische C18-Aussteiger Darren Wells gab an: „Zum Jahresende 1998 schlug jemand vor, dass ich nach Deutschland reisen sollte, um dort ein paar Bomben zu bauen und sie abzuschicken“. Der Plan wurde von ihm nicht umgesetzt. [4] Im April 1999 verübte der Britische Neonazi David Copeland in London binnen dreizehn Tagen drei Bombenanschläge, die auf Homosexuelle, Schwarze und aus Bangladesh eingewanderte Menschen zielten. Dutzende Menschen erlitten schwere Verletzungen und bleibende Schäden. David Copeland gehörte zur Gruppe National Socialist Movement, die aus C18 hervorgegangen war, und muss somit als Aktivist von C18 gesehen werden. Copeland gab an, durch die „Turner Diaries“ zu den Anschlägen inspiriert worden zu sein. Am 29. September 2004 schickte Scotland Yard ein Dossier über Copeland und die Londoner Anschläge an die Kölner Polizei, da sie einen Zusammenhang der Anschläge in London und des NSU-Anschlags am 9. Juni 2004 in der Kölner Keupstraße für möglich hielten, zumal in beiden Fällen Nagelbomben eingesetzt wurden. Da Copeland zum Zeitpunkt des Keupstraße-Anschlags in Haft saß, konnte ihn die Kölner Polizei als Täter ausschließen. Sie nahm den Hinweis von Scotland Yard zu den Akten und suchte die TäterInnen weiter unter den Bewohner*innen der Keupstraße.

Zu Jahresanfang 2000 veröffentlichte der Norweger Erik Blücher, eine zentrale Figur von B&H Scandinavia, die Schrift „The Way Forward“, die schnell ins Deutsche übersetzt wurde. „Der Weg Vorwärts“ ist das B&H-Manifest des bewaffneten Kampfes. Es strotzt vor schwülstigem Pathos und antisemitischen Vernichtungsphantasien. Blücher benennt Combat 18 als „Armee von Blood & Honour“ und als „bewaffneter Arm der Blood & Honour-Bewegung“ und schließt mit den Worten: „Die Zeit des Geredes ist wirklich vorbei. Wir haben ein Stadium erreicht, in der jegliche Form der Aktion der Inaktivität vorzuziehen ist. […] Lasst uns unsere Schreibtische verlassen und das mulitkulti, multikriminelle Inferno von ZOG zerstören.“ ZOG steht für Zionist Occupation Government, die imaginierte jüdische Weltverschwörung. Der Begriff ZOG erfuhr seine Verbreitung durch die „Turner Diaries“.

Combat 18 in Deutschland

Das Fanzine und die Kameradschaft United Skins aus dem Raum Königs Wusterhausen, die Carsten Szczepanski zu dieser Zeit noch aus dem Gefängnis heraus dirigierte, machte sich ab 1996 eifrig daran, Combat 18 in der deutschen Szene zu etablieren. Als V-Mann des Verfassungsschutzes hatte er viele Freiheiten, aus dem Knast heraus zu wirken.
1997 planten Neonazis aus Königs Wusterhausen, Oranienburg, dem sächsischen Limbach-Oberfrohna und dem Sauerland (Nordrhein-Westfalen) die Herausgabe einer deutschen C18-Untergrundzeitung. Der Plan setzte sich offensichtlich nicht um, denn spätestens im Jahr 1997 erreichten die Konflikte des englischen C18 auch Deutschland und spalteten die Szene in einen Pro-Sargent, einen Pro-Browning und einen „neutralen“ Flügel.
United Skins stellte sich auf die Seite von Paul Sargent und dessen C18-Abspaltung National Socialist Alliance, die 1997 im National Socialist Movement aufging. Befreundete Personen und Gruppen, wie zum Beispiel das einflussreiche Hildesheimer B&H, rückten nun von United Skins ab. Ihr Chemnitzer Freundeskreis blieb den Neonazis aus Königs Wusterhausen weitgehend erhalten. Thomas Starke schrieb mehrfach für das United Skins und zur Ausgabe Nummer 13 im Jahr 1999 trug auch „Karline (Chemnitz)“ einen Artikel bei. „Karline“ ist der Szenename von Antje Probst. Eingeleitet wird diese Ausgabe mit einem Gruppenbild des englischen National Socialist Movement und einem Zitat von Earl Turner aus den „Turner Tagebüchern“: „[…] Nach unserer Einstellung haben die, die nur darauf bedacht sind ihr Leben zu genießen, in dieser Zeit des Kampfes auf Leben und Tod unserer Rasse, das Überleben nicht verdient. Laß sie ruhig sterben. Während wir diesen Krieg führen, werden wir uns bestimmt keine Gedanken um ihr Wohlergehen machen. Dieser Krieg wird immer mehr zu einem Fall bei dem man entweder voll auf unserer Seite steht oder gegen uns ist.“

Treffpunkte/ Versammlunsgorte des Thüringer Heimatschtz: Zum Goldenen Löwen, Schwarza (heute nur noch Ruine) Schwarzburger Strasse 62, Fassade zur Strasse hin  © Mark Mühlhaus/attenzione photographers http://attenzione-photo.com/

Treffpunkte/ Versammlunsgorte des Thüringer Heimatschutz: Zum Goldenen Löwen, Schwarza (heute nur noch Ruine)
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Zu dieser Zeit begann in Oberfranken der B&H-Funktionär Bernd Peruch das Label Combat 18 kommerziell auszubeuten. Gegen Peruch hegten das Chemnitzer (Post-)B&H und United Skins eine innige Abneigung. Peruch stellte sich auf die Seite von William Browning und des mit ihm verbündeten skandinavischen B&H. Der Streit, wer nun den „wahren“ C18 repräsentierte, belastete das gesamte deutsche B&H-Netzwerk. Es setzte sich nie eine Ebene durch, die Kraft ihrer Autorität oder Authentizität hätte durchsetzen können, wer sich des Namens „Combat 18“ bedienen dürfe. Die einen machten damit Geschäfte, andere gingen damit ins allgemeinkriminelle Milieu, andere meinten es ernst mit dem politischen „Untergrundkampf“ des C18. Und andere, wie Combat 18 Pinneberg, verbanden alles miteinander. Der schwedische B&H-Aussteiger Kim Fredriksson beschreibt C18 als Label für militante Aktionen des (schwedischen) B&H. Feste Mitgliedschaften habe es in Schweden nicht gegeben. Fredriksson: „Wir waren Blood & Honour, also waren wir auch Combat 18“. [5] Bernd Peruch, der die Neonaziszene um 2001 verließ und Einlassungen bei der Polizei machte, verwies ebenso darauf, dass der Name C18 frei verfügbar (gewesen) sei.
Andere sahen darin eine exklusive Organisation. So entstand Ende der 1990er Jahre die Situation, dass Peruch dem Szeneumfeld C18-Bekleidung verkaufte, die diesem – laut Aussagen von Peruch – keine 50 Kilometer weiter in Nürnberg von Christian W. und Christian K. wieder abgenommen wurden, da die TrägerInnen nach Ansicht von W. und K. nicht berechtigt gewesen seien, C18-Schriftzüge zu tragen. Christian W. war 2001 Lebensgefährte der Chemnitzer NSU-Unterstützerin Mandy Struck. Christian K. soll laut Peruch nach 2000 eine Combat 18-Gruppe im Raum Nürnberg angeführt haben, der 20 bis 30 Leute angehört haben sollen und die sich als „bewaffneter Arm“ von B&H konzipiert habe. Danach war Christian K. in der B&H-Nachfolgestruktur Division 28 aktiv. 2010 und 2011 fanden in einer Gaststätte in Nürnberg mindestens zwei Treffen einer Kameradschaft Südstadt mit 20 bis 30 Neonazis statt. Zeug*innen erkannten unter den Teilnehmenden nicht nur Christian K. – eine Zeugin legte sich nach polizeilicher Einschätzung „glaubhaft“ darauf fest, dass auch Andre Eminger an einem dieser Treffen teilgenommen habe.

Combat 18 wurde in Deutschland zu einem Schlachtruf – vor allem, aber nicht nur im Kampf gegen Linke – , dem sich jede/r bedienen konnte. Manchmal blieb es bei der Drohgebärde, wenn Neonazis die Häuser politischer Gegner mit C18-Symbolik beschmierten, doch der Schritt zur Aktion war oft nicht weit. Einige Beispiele: In Halle griffen zwischen 1998 und 2000 Neonazis einer C18-Gruppe, die aus dem hiesigen B&H heraus entstanden war, linke Wohnprojekte an. In Berlin bestand von 2000 bis 2001 eine Gruppe, die sich die Bombenbauanleitungen verschaffte, Sprengstoff-Anschläge gegen türkische und jüdische Einrichtungen plante und Morddrohungen verschickte, die mit „Combat 18 Berlin“ unterzeichnet waren. Im Raum Backnang (nord-östlich von Stuttgart) existierte um 2003 eine dreiköpfige Gruppe, die einen Molotow-Cocktail auf ein Wohnheim von Geflüchteten warf, eine Rohrbombe herzustellen versuchte und Staatsschutzbeamte unter dem Label C18 mit dem Tod bedrohte. Als der Neonazi Thomas Baumann aus Weil am Rhein im Jahr 2009 einen Bombenanschlag auf ein linkes Zentrum in Freiburg (Breisgau) plante, zeichnete er seine interne Kommunikation mit C18. Der Anschlag fand nicht statt, da eine antifaschistische Gruppe die Pläne entdeckt und öffentlich gemacht hatte.

 

In Kürze:

Der vierte und letzte Teil:  Combat 18 in Dortmund und weitere Spuren

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Fußnoten:

[1]    „Combat 18“ inside!, Antifaschistisches Infoblatt Nr. 54, 2001
[2]    Dirk Laabs: „Der NSU, „The Order“ und die neue Art des Kampfes“, Antifaschistisches Infoblatt Nr. 105, 2014
[3]    Die Briefbomben richteten sich an weiße Prominente, die Schwarze Lebenspartner*innen hatten. Die Briefbomben wurden von der britischen Polizei, die Combat 18 bis in die höchsten Kreise unterwandert hatte und informiert war, abgefangen.
[4]    „Combat 18“ inside!, Antifaschistisches Infoblatt Nr. 54, 2001
[5]    Gespräch der Autor*innen mit Kim Fredriksson, Februar 2015

Der Beitrag Der NSU im Netz von Blood & Honour und Combat 18 – Teil 3 erschien zuerst auf NSU Watch.

Der NSU im Netz von Blood & Honour und Combat 18 – Gesamtversion

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Dieser Artikel wurde aufgrund seines Umfanges in vier Teilen im jeweiligen Abstand von wenigen Tagen auf nsu-watch.info veröffentlicht. Dies ist die Gesamtversion des Artikels. Er bietet mit Fokus auf das Unterstützungsnetzwerk des NSU einen umfassenden Überblick über die Erkenntnisse antifaschistischer Recherche zum neonazistischen Netzwerk Blood & Honour und seinen terroristischen Strukturen wie Combat 18.

von Michael Weiss für NSU-Watch

 

Mark Mühlhaus hat im November 2011 Orte portraitiert, an denen sich der NSU und sein Umfeld in den letzten 15 Jahren getroffen haben. Hier: Jena, der Garagenkomplex, wo die Bombe gebaut wurde. © Mark Mühlhaus/attenzione photographers Mark Mühlhaus hat im November 2011 Orte portraitiert, an denen sich der NSU und sein Umfeld in den letzten 15 Jahren getroffen haben. Hier: Jena, der Garagenkomplex, wo die Bombe gebaut wurde. © Mark Mühlhaus/attenzione photographers Mark Mühlhaus hat im November 2011 Orte portraitiert, an denen sich der NSU und sein Umfeld in den letzten 15 Jahren getroffen haben. Hier: Jena, der Garagenkomplex, wo die Bombe gebaut wurde. © Mark Mühlhaus/attenzione photographers http://attenzione-photo.com/

Mark Mühlhaus hat im November 2011 Orte portraitiert, an denen sich der NSU und sein Umfeld in den letzten 15 Jahren getroffen haben. Hier: Jena, der Garagenkomplex, wo die Bombe gebaut wurde.
© Mark Mühlhaus/attenzione photographers http://attenzione-photo.com/

 

So sehr sich Sicherheitsbehörden und die Bundesanwaltschaft an die Legende klammern, der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) sei ein auf sich alleine gestelltes „Trio“ gewesen – die Erkenntnisse der letzten Jahre zeichnen ein anderes Bild. Der NSU war Bestandteil eines weitverzweigten Netzes von AktivistInnen, die eines verband: Das Selbstbild der „politischen Soldaten“, die sich in der Pflicht sahen, den „nationalen Kampf“ bis zum Äußersten zu führen. Das Netzwerk Blood & Honour und das von ihm protegierte Konzept des „Leaderless Resistance“ spielte darin eine wesentliche Rolle. In Kreisen von Blood & Honour fanden Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Bestätigung, Rückhalt und konkrete Unterstützung für ihr Leben im Untergrund. Ohne Blood & Honour hätte der NSU – zumindest in dieser Form – nicht entstehen und agieren können.

Unterstützung aus dem Kreis von Blood & Honour

Das Konzert in Schorba war einer der Konzerthöhepunkte des Jahres 1999 für die deutsche Neonaziszene. Am 13. November 1999 traten in der thüringischen Kleinstadt bei Jena vor 1.200 BesucherInnen vier neonazistische Bands aus den USA und aus Deutschland auf. Lieder wie „Wir sind total radikal“ und „Retter Deutschlands“ wurden vom Publikum mit Hitlergrüßen gefeiert. Die Polizei hatte nichts unternommen, um das Konzert zu verhindern und führte erst bei der Abreise der Teilnehmenden Kontrollen durch. Veranstalter des Konzert war Blood & Honour (B&H) gewesen. Das Magazin „Blood & Honour Deutschland“ vermeldete danach: „Ein lustiger Abend, der sich mal wieder gelohnt hat.“ [1]
Marcel Degner aus Gera, genannt „Riese“, Chef der B&H-Sektion Thüringen, fand an diesem Abend – das ergab die Beweisaufnahme im Münchner NSU-Prozess – Zeit für ein Gespräch mit dem Chemnitzer Thomas Starke, der mit der beinahe kompletten Gruppe von B&H Chemnitz angereist war. Degner bot Starke an, die „drei“ mit Geld zu unterstützen, doch Starke lehnte dankend ab. Die drei, so bedeutete er Degner, seien versorgt, sie würden jobben. „Die drei“, das meinte Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt, die seit Januar 1998 untergetaucht waren, und die „Jobs“, mit der sie ihren Lebensunterhalt bestritten, waren bis dato Überfälle auf zwei Postfillialen und einen Edeka-Markt gewesen. Degner und Starke waren Freunde, trafen sich zu dieser Zeit circa alle zwei Wochen. In B&H-Kreisen in Sachsen und Thüringen wusste man, an wen man sich zu wenden hatte, wenn es um „die drei“ ging.

Der antifaschistische Nachrichtenblog „Störungsmelder“ berichtet, Marcel Degner habe Uwe Böhnhardt zu seinem Rechtsanwalt in Gera mitgenommen, als die Jenaer Polizei 1997 gegen Böhnhardt ermittelte. Als das Trio untergetaucht war, soll Degner für sie 1.000 DMSpendengelder gesammelt haben. [2]
Mit (späteren) Exponenten von Blood & Honour Chemnitz reisten Zschäpe, Mundlos und/oder Böhnhardt ab 1993 zu Neonazipartys ins bayerische Straubing oder ins baden-württembergische Ludwigsburg. Besonders eng war ihre Freundschaft mit Thomas Starke, der in Chemnitz eine Szeneautorität war. Als Starke von 1994 bis 1996 eine Haftstrafe verbüßte (wegen einer Schlägerei, an der auch Mundlos beteiligt gewesen sein soll) wurde er von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt unterstützt. 1997 hatte Starke ein Liebesverhältnis mit Zschäpe und ebenfalls 1997 bat ihn Mundlos, ihm Sprengstoff zu beschaffen. Starke erhielt daraufhin laut eigener Aussage vom B&H-Aktivisten Jörg W. aus Leppersdorf (bei Dresden) TNT geliefert, das er an Mundlos weitergab. Als das TNT im Januar 1998 in der Garage in Jena gefunden wurde und die drei untertauchen mussten, wandten sie sich an Starke, der ihnen Unterkunft bei B&H-Leuten in Chemnitz vermittelte.
Von Januar bis Februar 1998 wohnten die drei in der Friedrich-Viertel-Straße 85 in Chemnitz in einer Wohnung, die ihnen der B&H-Aktivist Thomas Rothe zur Verfügung stellte. Im selben Haus lebten nur einige Monate später in anderen Wohnungen bzw. schon ab Januar 1998 vier Eingänge weiter insgesamt mindestens fünf weitere B&H-Leute. Man kann nicht ernsthaft annehmen, dass diese nicht in die Unterstützung der Flüchtigen eingebunden waren.

Es muss betont werden: Es waren nicht nur Einzelpersonen, sondern es war die Struktur von B&H, zumindest in Westsachsen, die Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt ab 1998 unterstützte. Wohl waren die Beiträge der einzelnen Personen unterschiedlich, nicht jede*r war in alles eingeweiht. Nach heutigem Wissensstand leisteten in Chemnitz um die 20 Personen aus dem Kreis von B&H Unterstützungshandlungen für die Untergetauchten, die zu diesem Zeitpunkt eigentlich nicht wirklich untergetaucht waren. Die drei erhielten mehrere tausend DM aus der Kasse von B&H Sachsen [3], die von Chemnitzern verwaltet wurde. Chemnitzer*nnen besorgten ihnen Wohnungen, Reisepässe und andere Papiere, mit denen sie Alias-Identitäten aufbauten. Man traf sich und diskutierte zusammen.
Eine zentrale Person im Unterstützungsnetzwerk war der Chemnitzer Jan Werner, Chef der B&H-Sektion Sachsen. Er war Betreiber des Chemnitzer Labels Movement Records und mitverantwortlich für die Herausgabe des B&H-Magazins „White Supremacy“ (Weiße Vorherrschaft). Im Sommer 1998 fragte Werner beim Neonazi Carsten Szczepanski im brandenburgischen Königs Wusterhausen an, ob dieser ihm eine Schusswaffe für die drei besorgen könne. Als Szczepanski nicht lieferte, schickte ihm Werner am 25. August eine SMS: „Hallo. Was ist mit den Bums“. Szczepanski diente unter dem Decknamen „Piatto“ dem Brandenburger Verfassungsschutz als V-Mann. Er informierte den Verfassungsschutz 1998 auch darüber, dass sich das Trio durch Überfälle finanzierte und weitere Überfälle planen würde. Seine Meldungen an seinen V-Mann-Führer belegen das Geschehen.

Carsten Szczepanski war ein Combat 18-Protagonist der ersten Stunde in Deutschland und eine Schlüsselperson im militanten Neonazinetzwerk. 1995 war er wegen des versuchten rassistischen Mordes am aus Nigeria stammenden Steve Erenhi zu einer achtjährigen Haftstrafe verurteilt und 1994 in der Untersuchungshaft als V-Mann angeworben worden. Szczepanski war eng mit Antje Probst und ihrem Ehemann in Limbach-Oberfrohna (bei Chemnitz) befreundet. Antje Probst war eine der wenigen Frauen in Deutschland, die im Männerbund von B&H ein gewichtiges Wort mitreden durfte. Die heute 40-jährige vierfache Mutter, die heute Antje B. heißt, war seit 1995 bei Blood & Honour in Chemnitz dabei. Ihr Ehemann führte zwei neonazistische „Sonnentanz“-Ladengeschäfte in Chemnitz und Aue, Antje Probst arbeitete dort. Am Trio war sie offensichtlich nahe dran, Szcepanski meldete im September 1998, dass Antje Probst plane, Beate Zschäpe ihren Reisepass für eine Flucht ins Ausland zur Verfügung zu stellen. Etwa zur selben Zeit wandte sich Szczepanski mit einer Bitte an die Eheleute Probst: Wenn er einen Arbeitsvertrag nachweisen könne, dann würde er beim Arbeitsamt in ein Förderprogramm fallen und früher aus der Haft entlassen werden. Antje Probst besorgte nun vom Arbeitsamt Fördergelder, mit denen Szczepanski im „Sonnentanz“-Laden angestellt werden konnte. [4] So platzierte der Verfassungsschutz, mitfinanziert vom Arbeitsamt, eine Topquelle an einem Knotenpunkt der Chemnitzer Szene.

Wer und was war Blood & Honour?

Es ist wahrscheinlich, dass Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt, die den Kern des NSU bildeten, in einigen Städten ihrer Morde, Anschläge und Überfälle vor Ort TippgeberInnen oder gar HelferInnen hatten. Wer nach Personen sucht, die im Netzwerk von B&H agierten und mit UnterstützerInnen des NSU persönlich bekannt waren, wird in allen Tatorten fündig. Zum Beispiel in Rostock, wo am 25. Februar 2004 Mehmet Turgut in einer Imbissbude im abgelegenen Stadtteil Toitenwinkel vom NSU ermordet wurde – in direkter Nähe des Tatortes wohnten mindestens zwei ehemalige B&H-Aktivisten. Oder in Nürnberg, wo das hiesige B&H in den 1990er und 2000er Jahren exzellente Verbindungen zu B&H in Chemnitz unterhielt. Chemnitzer B&H-Leute waren häufig in Nürnberg anzutreffen und umgekehrt. So zum Beispiel die Chemnitzerin Mandy Struck, die Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos seit 1998 mit Wohnungen und Papieren versorgte, die das Trio noch viele Jahre später nutzte. Struck wohnte ab 2001 einige Jahre in Nürnberg und war unter anderem mit Christian W. liiert, der als eine damals führende Person der Nürnberger Strukturen von B&H und Combat 18 beschrieben wird.

Um diese Spuren einzuordnen und um das Verhältnis des NSU zu Blood & Honour zu bestimmen, muss man sich klar werden, wer und was B&H eigentlich war.
Das Netzwerk von B&H Deutschland war 1994 von England nach Deutschland importiert worden. Zu seiner Hochzeit um 1998 hatte B&H in Deutschland 300 bis 500 Mitglieder. Gegliedert war B&H in eine Divisionsleitung (Bundesführung) mit Sitz in Berlin, sowie in zeitweise 17 Sektionen (Landes- und Regionalverbände). Darüber, dass B&H die Szene mit Rechtsrock-Produktionen und Konzerten versorgte, einen militanten und elitären Habitus pflegte, war es eine feste Größe der Szene. Wer etwas auf sich hielt und im „harten Kern“ dabei war, der/die war vielerorts in Deutschland entweder Mitglied von B&H oder gehörte einer Gruppe an, die mit B&H verbunden war. Der/die las B&H-Publikationen, bezog Musik von B&H, besuchte B&H-Konzerte, unterhielt Freundschaften zu B&H-Leuten. Das taten auch Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt. Wenngleich es keinen Beleg dafür gibt, das eine/r der drei Mitglied bei B&H war, so waren die Verbindungen des Trios zu Personen von B&H derart eng, dass selbst die Thüringer Behörden 1998 davon ausgingen, dass die drei Untergetauchten „zum harten Kern der Blood & Honour Bewegung“ zählten. [5]

Musiknetzwerk und politische Kampfgemeinschaft

Auch wenn sich B&H in Deutschland als eine verschworene Gemeinschaft präsentierte, so gab es von Anfang an verschiedene Flügel, die unterschiedliche Ziele verfolgten. Die einen sahen in B&H ein Netzwerk, mit dem es möglich war, das Millionengeschäft mit dem Rechtsrock selbst zu organisieren und nicht Geschäftsleuten zu überlassen, die als szenefremd angefeindet wurden. Unter dem Label von B&H entstanden Unternehmen zur Produktion und Vermarktung von Rechtsrock und zur Durchführung von Tourneen führender White-Power-Bands. Wenngleich das Geld, das laut eigenem Selbstverständnis in den „politischen Kampf“ fließen sollte, zum Großteil bei denen hängen blieb, die nun Geschäftemacher im Unternehmen B&H wurden, so entstand ein Netzwerk, in dem sich Dutzende professionell um die Verbreitung und Vermarktung von politischer Propaganda über Rechtsrock kümmerten.

Die Verfassungsschutzbehörden, die über ihre V-Leute doch so tiefe Einblicke hatten, stellten indes stets heraus, dass B&H vor allem eine „Musikorganisation“ bzw. ein „Musiknetzwerk“ sei. Sie spielten damit herunter, dass Zehntausende mit den Parolen vom neonazistischen Mord und Totschlag sozialisiert und radikalisiert wurden. Sie ignorierten, dass B&H über Zeitschriften, Booklets und Liedtexte Terrorkonzepte verbreitete und diese mit den Aufrufen koppelte, zur Tat zu schreiten. Denen, die den Kampf gegen System und Volksfeinde als „Untergrundgruppen“ aufnehmen wollten, lieferte B&H Anleitungen und bot ihnen Anlaufstellen.
Spätestens als sich B&H auf einem Divisionstreffen am 24. September 1999 in Berlin ein 25-Punkte-Programm zur Bildung einer „politischen Kampfgemeinschaft“ verpasste, das an das 25-Punkte-Programm der NSDAP von 1920 angelehnt war, brachen schon bestehende interne Konflikte offen aus. Manche derer, die gut am Rechtsrock verdienten, wollten sich das Geschäft nicht durch politisch-radikale Abenteuer verderben lassen. Die „politischen Soldaten“ hingegen betrachteten sowieso misstrauisch, wie sich die KameradInnen immer ungenierter die eigenen Taschen füllten. B&H zerfiel in Teilgruppen, die schließlich nicht einmal mehr das gemeinsame Label zusammen zu halten vermochte. Einzelne Sektionen brachen auseinander und miteinander und schlossen sich gegenseitig aus. Es begann ein Kampf, der sich bis in die nach 2000 entstehenden Nachfolgestrukturen ziehen sollte, intern hieß es: „Real-B&H“ gegen „Combat 18“ – die, die ein kommerzielles Musiknetzwerk betreiben wollten gegen die, die für das Untergrund-Konzept von Combat 18 plädierten.

Das Milieu von Blood & Honour Chemnitz

Für B&H in Sachsen waren Musik und Kampf zwei Seiten einer Medaille. Die Sektion B&H Sachsen bestand aus Blood & Honour Chemnitz plus einzelner Mitglieder im Raum Dresden und Riesa. Wie anderen Sektionen ging es auch B&H Sachsen nicht darum, möglichst viele feste Mitglieder zu sammeln. Dies hätte den elitären Charakter der Organisation aufgeweicht. So bauten B&H-Sektionen Vorfeldorganisationen auf. In Thüringen, Sachsen und Brandenburg entstand die White Youth als „offizielle“ Jugendorganisation von B&H.
In Westsachsen bildeten die Skinheads Chemnitz 88 das Scharnier von B&H zur Jugendkultur. Die Skinheads Chemnitz 88 integrierten Nachwuchs und Umfeld. Sie verbanden Skinheadkult, Fußball und Partys mit einer neonazistischen Identität. Denjenigen, die „das Politische“ der Party vorzogen und nach einem „Aufstieg“ in der Szene trachteten, schlossen sich sukzessive B&H an. Wer brauchbar schien, wurde von B&H angeworben. Die Weiße Bruderschaft Erzgebirge, aus deren Reihen neben André Eminger einige weitere Neonazis kamen, die Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt nach dem Jahr 2000 unterstützten, agierte zwar eigenständig, war aber mit B&H eng verbunden.
So lässt sich ein westsächsisches B&H-Milieu skizzieren, was Ende der 1990er Jahre über den überschaubaren Mitglieder-Kreis hinaus weit über 100 Personen einband. Blood & Honour Chemnitz wuchs zu einer führenden B&H-Struktur in Deutschland. Mehrere Fanzines, die mit dem Label von B&H aus Chemnitz herausgegeben wurden, spiegelten die Dynamik der dortigen B&H Sektion wider. Movement Records florierte, die Konzerte waren stets gut besucht fanden zeitweise alle zwei Wochen statt. Hin und wieder intervenierte die Polizei an den Orten, an denen Konzerte stattfinden sollten, und verbot diese, doch fast immer fanden sich Ausweichorte in regionaler Nähe.

Andere Sektionen hatten es schwerer. Sie waren personell nicht so gut aufgestellt und hatten mit antifaschistischen Kampagnen und Repression zu kämpfen, die ihnen die Räume immer enger machten. Die Berliner Sektion beispielsweise musste bis nach Vorpommern ausweichen, um ungestört größere Konzerte durchzuführen.
Die ChemnitzerInnen waren immer weniger bereit, sich den Anweisungen der Bundesführung aus Berlin zu beugen. Angeblich nachdem die Divisionsleitung Geld von Movement Records einforderte, dieses aber nicht erhielt, kam es 1998 zum Bruch. Blood & Honour Sachsen trat aus. Für die Chemnitzer AktivistInnen änderte sich wenig. In Westsachsen lief alles weiter wie bisher, und Gelder, die die Konzertkasse und Movement Records zu verteilen hatten, schienen ihnen in den eigenen Taschen und bei den untergetauchten Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt besser aufgehoben zu sein als in der Divisionskasse.

Das Netzwerk politischer Soldaten

In den wenigen Statements, die vom (späteren) NSU vorliegen, wird klar: Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt verstanden sich nie als das isolierte Trio, als das sie die Bundesanwaltschaft noch immer sehen will. Die drei verstanden sich im Rahmen und im Sinne eines Netzwerkes handelnd. Sie sahen sich als Vorhut und bewaffneter Arm einer Bewegung. Dort hatten sie Anschluss, dort suchten sie Bestätigung. Dies wird unter anderem deutlich in dem NSU-Bekennervideo, in dem sie sich als ein „Netzwerk von Kameraden“ benennen und in dem sogenannten „NSU-Brief“, der vermutlich 2002 (mit beiliegenden Geldgeschenken) an ausgesuchte neonazistische Zeitschriften verschickt wurde.

Aus den Reihen von B&H kamen maßgebliche Personen und Netzwerkskontakte, die ab Mitte der 1990er Jahre den Aufbau von „Untergrund“-Strukturen vorantrieben. In Kreisen von B&H fanden Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt Gleichgesinnte: Im Selbstverständnis als Elite und als „politische Soldaten“; In der Überzeugung, dass der „nationale Kampf“ härter und kompromissloser geführt werden müsse; In der Abneigung gegen Szene-Führer, die nur auf ihren eigenen Status bedacht waren; In der Verachtung derer, die sich mit dem Etikett des „nationalen Kampfes“ versahen, deren Aktivitäten sich jedoch in Saufgelagen erschöpften. Diese Diktion klang in deutschen B&H-Magazinen immer wieder an, zum Beispiel im Artikel „Gedanken zur Szene“ im Chemnitzer B&H-Magazin White Supremacy im Sommer 1998 (Nr.1/98). Dort heißt es: „Konzerte sind und bleiben ein reines Freizeitvergnügen und haben mit dem Kampf nur soviel zu tun, daß sie für uns das stärkende Mittel sind, welches uns die Kraft für den weiten Weg gibt. Leider sieht die Realität anders aus, denn viele Kameraden machen sich nicht den Kampf zum Lebensinhalt, sondern das Vergnügen. […] Es ist traurig, aber leider Wahr – Vielen, sehr vielen Kameraden ist der Eigennutz wichtiger als die Bewegung. Sie rufen Parolen wie: „Skinheads die Elite der Masse!“ doch sehen kann man nur die massigen Bäuche vom saufen. Sie singen Lieder mit wie: „Skinheads – die SA der Neuzeit“ doch auf der Straße, wie die SA, sieht man sie nicht. […]
Uwe Mundlos soll diesen Artikel geschrieben haben.

Als Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt sich 1998 dem Zugriff der Polizei entzogen, fanden sie im Netzwerk von B&H HelferInnen, die bereits hochgradig kriminell agierten. Nicht zuletzt über die Produktion und den Vertrieb volksverhetzender Musik hatten die B&H-Aktiven zumindest Grundprinzipien des konspirativen Handelns gelernt. Sie wussten, wie man „Ameisenstraßen“ organisiert, über die illegales Material verteilt werden konnte. Sie achteten auf Observationen und ihnen brauchte man nicht zu erklären, dass heikle Telefonate von öffentlichen Telefonen geführt werden sollten und dass es anrufbare Telefonzellen gibt.
Doch auch unter den Unterstützenden in Chemnitz gab es Schwachstellen, die Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt zunehmend nervös gemacht haben dürften. Es waren wohl Antje Probst und Jan Werner, die mit ihrem Wissen zu offen umgingen, und sowieso wussten in Chemnitz zu viele, dass die drei in der Stadt waren und wer sich um sie kümmerte. Im Jahr 2000 zogen die drei nach Zwickau und hielten vermutlich nur noch über einzelne Vertrauensleute Kontakt nach Chemnitz. Ab spätestens 2001 dürfte Thomas Starke nicht mehr zu diesen gezählt haben. Es wurde in der Szene bekannt, dass er als Beschuldigter in den Ermittlungen wegen der Produktion und Verbreitung volksverhetzender Musik der Berliner B&H-Band Landser Aussagen gemacht hatte, die Kameraden belasteten. In der Nacht zum 11. Juni 2001 klingelte Antje Probst an seiner Wohnung und bat ihn heraus zukommen. Dann wurde Starke von zwei Berliner Neonazis, die ihm aufgelauert hatten, verprügelt und zog daraufhin seine Aussagen zurück.

Verbindungs- und Vertrauenspersonen

Was Antje Probst und die Berliner Neonazis zu diesem Zeitpunkt vermutlich nicht wussten:
Thomas Starke, der enge Freund des Trios, war zu diesem Zeitpunkt ein V-Mann. In den Ermittlungen gegen Starke im Landser-Komplex war es dem Landeskriminalamt Berlin im November 2000 gelungen, Starke als V-Mann anzuwerben. Bis mindestens 2005 lieferte Starke als „VP 562“ Informationen an die Behörde.

Bereits im Juni 2000 flog Carsten Szczepanski („Piatto“) als V-Mann auf. 2002 wurde bekannt, dass der Thüringer B&H-Chef Marcel Degner unter dem Decknamen „Hagel“ seit 1997 für den Thüringer Verfassungsschutz spitzelte. Degner war eine Szenegröße weit über Thüringen hinaus und sammelte Kontakte in ganz Deutschland und international. Es gibt Hinweise auf zwei Geldspenden von Degner an das Trio, wie nahe er dem Trio ansonsten stand und wieweit er in Unterstützungshandlungen für die drei eingebunden war, ließ sich bisher nicht in Erfahrung bringen. Seine ehemaligen V-Mann-Führer geben nur lückenhaft Auskunft und die Akten des V-Mannes Degner sind verschwunden.
Ein weiterer V-Mann in der Aktivisten-Ebene des westsächsischen B&H war Ralf Marschner „Manole“ aus Zwickau. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) führte ihn von 1992 bis 2002 unter dem Decknamen „Primus“. Marschner war ein Urgestein der Zwickauer Naziskinheadszene und ein B&H-Aktivist der ersten Stunde. Mit der Chemnitzer Szene stand er in engem Kontakt. Auch die Verbindungen von „Primus“ zum untergetauchten Trio sind nicht aufgearbeitet. Marschner betrieb ein neonazistisches Ladengeschäft in Zwickau, in dem Zeug*innen Beate Zschäpe gesehen haben wollen, und er unterhielt eine Baufirma, über die es – so schreibt die Zeitschrift „Der Rechte Rand“ – beim Gewerbeamt keinerlei Unterlagen gibt. [6] Am 13. Juni 2001 und am 29. August 2001, den Tagen der NSU-Morde an Abdurrahim Özüdoğru in Nürnberg und Habil Kılıç in München, waren über diese Baufirma Autos angemietet worden.

Derzeit verdichten sich die Hinweise darauf, dass noch weitere B&H-Leute aus der Chemnitzer Szene, möglicherweise auch aus der Führungsebene, Ende der 1990er Jahre für Sicherheitsbehörden Spitzeldienste leisteten. Dies lässt das Ausscheiden der Chemnitzer aus der B&H-Bundesorganisation in einem anderen Licht erscheinen. Wohl ist der Machtkampf zwischen B&H Chemnitz und der Berliner Bundesführung über verschiedene Quellen nachzuvollziehen, doch möglicherweise war dies nicht der einzige Grund für den Austritt von B&H Chemnitz bzw. B&H Sachsen. Bis 1997 war das Chemnitzer B&H sehr vehement gegenüber den Personen aufgetreten, denen auch nur ein vager Spitzelverdacht anhaftete. Mehrmals waren es ChemnitzerInnen, die diesen Verdacht äußerten und den Rausschmiss der betreffenden Personen, die stets anderen Sektionen angehörten, aus B&H forderten. Es überrascht daher, dass ausgerechnet Antje Probst, die als radikale Kraft der Gruppe galt, im Jahr 1998 die Meinung vertreten haben soll, dass durch Kontakte einzelner B&H-Aktivisten zum Verfassungsschutz die Geheimdienste auf falsche Fährten gelockt werden könnten um die eigenen Aktivitäten umso ungestörter durchziehen zu können. [7]
Ab spätestens 1998 wurde bundesweit verstärkt gegen B&H-Strukturen ermittelt und Material für ein Verbot von B&H gesammelt. Die AktivistInnen in Westsachsen, die Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt beherbergten und unterstützten, standen – da sie formal nicht mehr B&H angehörten – in diesem Ermittlungskomplex weit weniger im Fokus und blieben beim Vollzug des Verbotes im September 2000 unbehelligt. Durch den Austritt aus B&H waren unwägbare Risiken für das Unterstützungsnetzwerk für das Trio vermieden worden. Ungeklärt ist: Hatte eine Behörde – und welche Behörde? – über ihre V-Person(en) auf die Entscheidung, aus B&H auszutreten, Einfluss genommen? Und war dies geschehen, um das Unterstützungsnetzwerk zu schützen?

Blood & Honour nach dem Verbot

Mit Verfügung vom 12. September 2000 verbot der Bundesminister des Inneren die deutsche Division von Blood & Honour und die White Youth. Für viele VerfechterInnen von „Kampfgemeinschaft“ und „Untergrund“ hatte das Verbot praktisch keine Auswirkung. Viele waren der Streitereien und der nicht erfüllten Ansprüche überdrüssig geworden und hatten sich bereits aus der Organisation zurückgezogen oder eben – da das Verbot von B&H seit Längerem im Raum stand – aus Gründen der Sicherheit rechtzeitig abgesetzt.
Viele Freundeskreise, Geschäftsverbindungen und Kampfgemeinschaften, die unter dem Dach von B&H entstanden waren, blieben nach dem Verbot bestehen. Manche machten namenlos weiter, andere versuchten, neue Labels zu installieren und mehr oder weniger dreist Nachfolgeorganisationen zu gründen. So entstanden Brotherhood 28, Pirates 28 oder die Division 28. Das erklärte Anliegen der knapp 50 Personen, die sich im November 2003 in einer Berghütte im österreichischen Vorarlberg trafen, war es B&H weiterzuführen. „Division 28“ war lediglich der Name, mit dem man in der Neonaziszene auftrat. Die 28 steht für die Buchstaben BH. Schon ab 2003 brachen in den einzelnen Sektionen bzw. zwischen den Sektionen der Division 28 die alten Streits aus: Business oder Untergrund? „Real-B&H“ vs. Combat 18. Die Exponenten des Combat 18-Flügels waren Mitglieder aus Nürnberg und Thüringen, unter ihnen Ronny L. aus Weimar. L. war ein B&H-Aktivist der ersten Stunde (1995) und ein alter Bekannter des untergetauchten Trios. 1996 hatte die Polizei Fotos eines Treffens von 16 Neonazis gefunden, die in der Nähe von Jena eine Kreuzverbrennung im Stile des Ku-Klux-Klan inszeniert hatten. Daran beteiligt waren Ronny L., Ralf Wohlleben, Holger Gerlach, Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt.

Spätestens 2006 hatte sich die Division 28 zerstritten und gespalten, ihre Reste wurden von der Polizei zerschlagen. Das BKA, das die Ermittlungen gegen die Division 28 wegen des Verdachts der Fortführung einer verbotenen Vereinigung führte, tat sich zunächst schwer. Es wusste von einigen Beschuldigten nicht, ob diese zuvor B&H angehört hatten. Das Bundesamt für Verfassungsschutz ließ diesbezügliche Anfragen des BKA unbeantwortet.

Paramilitärische Gruppen, Hells Angels und Combat 18

Die aus Hildesheim stammenden Johannes Knoch und Hannes Franke waren im „alten“ B&H aktiv gewesen. Aus der Hildesheimer B&H-Gruppe waren 1999 die Impulse für das 25-Punkte-Programm gekommen, das B&H zur „politischen Kampfgemeinschaft“ formen sollte. Wie so viele andere konnten die beiden nach dem B&H-Verbot im September 2000 nicht die Finger vom Label lassen. 2008 wurden sie vom Landgericht in Halle verurteilt, da sie auch nach dem Verbot an der Organisation eines B&H-Konzertes beteiligt gewesen waren.
Am 23. März 2003 telefonierte Johannes Knoch mit Marco H. aus Hamburg. Der Inhalt: Knoch erzählt H. von einem neonazistischen Versand, der Sachen im Angebot habe, die man schon bei anderen beanstandet habe und er gibt H. die Anweisung, Informationen über den Versand einzuholen und sich um diesen zu „kümmern“. H. antwortet: „Ja, klar.“
H. war zu dieser Zeit eine Führungsperson der Gruppe Combat 18 Pinneberg. Diese hatte sich wenige Monate nach dem Verbot von B&H gegründet. Knapp 20 Neonazis gehörten ihr an. Die Gruppe vertrieb über „alte“ B&H-Kanäle illegale Rechtsrock-CDs und versuchte darüber hinaus, von neonazistischen Läden und Versänden Geld zu erpressen. Wer Artikel im Angebot hatte, die mit B&H assoziiert sind, beispielsweise Bekleidung mit der „28“ (dem Zahlencode für BH), der sollte zahlen. Combat 18 Pinneberg trieb quasi Tantiemen für B&H-Symbole ein. Um diesen Forderungen Nachdruck zu verleihen, traten die Erpresser bisweilen in Support-Kleidung der Hells Angels auf. 2003 wurde die Gruppe ausgehoben, einzelne Mitglieder wurden wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung verurteilt. Knoch war nicht angeklagt. Sein Name war schon zu Anfang der Ermittlungen ohne weitere Begründung aus der Liste der Tatverdächtigen verschwunden. Es findet sich nicht einmal ein Hinweis darauf, dass er als Zeuge gehört wurde.
Die Aktivitäten von Combat 18 Pinneberg erschöpften sich nicht im Geschäft mit Rechtsrock und Schutzgeld. Mitglieder der Gruppe hatten schon vor der Gründung „Todeslisten“ angelegt und einem antifaschistisch engagierten Gewerkschafter Morddrohungen zugesandt. Nun beschafften sie sich Waffen und versuchten u.a. persönliche Daten von Polizeibeamten auszuspähen. Bei einer der ersten Sitzungen war an die Mitglieder eine Pflichtlektüre verteilt worden, die als Leitfaden des Handelns dienen sollte: Das Buch „Die Turner Tagebücher“.

Von 2004 bis 2009 betrieb Johannes Knoch eine „Schule für Überlebenstraining“ mit Sitz in Hildesheim. Zusammen mit dem Unternehmen „Combat and Survival Warrior School“ aus Munster (bei Celle) veranstaltete Knoch Überlebenstrainings und Kampfausbildungen. Im Angebot war auch „Scharfschützenausbildung“. Trainings fanden in den Wäldern Niedersachsens, in der Schweiz und bei Chemnitz statt, immer wieder konnten Neonazis, unter anderem aus Sachsen, Magdeburg und Rostock, als Teilnehmende festgestellt werden. Wiederholt wiesen Medien darauf hin. Das Antifaschistische Infoblatt stellte die Frage: „Geschah die Gründung dieser „Schulen“, um militanten Neonazis ein legales Dach für paramilitärische Ausbildung zu schaffen und diese an scharfen Waffen auszubilden?“
Mitte der 2000er Jahre schlossen sich Knoch und Franke dem Rockerclub Hells Angels an, wurden schließlich Mitglieder des Hells-Angels-Charter in Rostock. Dort kam spätestens 2009 auch Thomas D. unter. Fotos der vergangenen Jahre zeigen D., Franke und Knoch im kleinen Kreis auf privaten Zusammenkünften, auf Partys, zusammen mit Neonazis aus Sachsen oder Hamburg. Auf einem Foto posieren D. und Knoch in Kampfuniformen bei einem paramilitärischen Training. Thomas D. zählt seit Anfang der 2000er Jahre zum harten Kern der Rostocker Neonaziszene. Bis mindestens 2002 wohnte er in der elterlichen Wohnung im Rostocker Stadtteil Toitenwinkel – in Sichtweite der Imbissbude, in der am 25. Februar 2004 Mehmet Turgut vom NSU erschossen wurde. [8]
Am 29.11.2011 berichtete das ZDF-Magazin Frontal 21, dass Johannes Knoch „nachweislich noch im Sommer 2011“ Kontakt zu Andre Eminger, einem Angeklagten im NSU-Prozess, gehabt habe. [9] Andre Eminger soll sich nach Erkenntnissen von Frontal 21 mit Hannes Franke und Johannes Knoch in einem Tattoostudio in Hildesheim getroffen haben und herzlich begrüßt worden sein. Nach Informationen des Weserkuriers soll Eminger in Begleitung eines Rostocker Neonazirockers der Hells Angels gewesen sein. [10] Franke ist gegen Frontal 21 wegen dieser Aussagen gerichtlich vorgegangen und hat den Rechtsstreit in erster Instanz verloren. Ein Berufungsverfahren ist anhängig.

Blaupausen für den „Leaderless Resistance“

Darren Wells, der in den 1990er Jahren zum Kern der Gruppe Combat 18 in England gehörte und dann ausstieg, erzählt: „[…] Außerdem muss man bedenken, dass alle in einer Gruppe wie der unsrigen eigentlich nur als Teil der Gruppe lebten, wir hatten ein einziges Leben. Die Gefühle haben sich hochgeschaukelt. Wie schon gesagt, man verliert den Bezug zur Realität, weil wir überzeugt waren, etwas wirklich Riesiges zu machen und dann in einem entsprechenden Glorienschein zu sterben. […] aber damals 1996 waren einige Leute völlig von der Geschichte von Robert Matthews eingenommen und wollten ihm hier nacheifern. Das wurde zu unserem einzigen Lebenszweck und wurde wichtiger als andere: Die Leben der Leute, ihre Jobs und Familien bedeuteten nichts mehr. Alles, was zählte, war so zu werden wie unserer Vorstellung nach The Order war.“ [11]
Robert Matthews, The Order, die „Die Turner Tagebücher“ – diese drei Begriffe stehen für das Konzept des „Leaderless Resistance“ (Führerloser Widerstand), das sich ab 1995 in der neonazistischen Szene in Deutschland verbreitete. Der Zeitpunkt war nicht zufällig. Die Neonazigeneration dieser Zeit hatte ihre „Bewegungsjahre“ auskosten und ihre Allmachtsphantasien ausleben können, nun wurde ihnen klar, dass die Pogrome in Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen nicht das Fanal gewesen waren, sondern die Höhepunkte. Der Staat gewann nun ein Stück weit Kontrolle zurück, die Repression nahm zu, die Bewegungsräume wurden enger. Im Jahr 1995 konnte man nicht mehr mit Hitlergruß und Molotow-Cocktail durch die Straßen ziehen und sich am Gejohle des Mobs berauschen. Doch klein beigeben oder gar aufgeben wollten viele auch nicht. Was war nun die Alternative?

Die Idee des „führerlosen Widerstandes“, auch „führungslosen Widerstandes“, verfing sich ab 1995 insbesondere bei denen, die nun unter dem Label von Combat 18 „ernst“ machen wollten oder machten. In einem Artikel im Magazin „Blood & Honour“ der Division Deutschland (Nummer 2, 1996) heißt es: „Wir dürfen nicht auf einen eventuell irgendwann mal auftauchende Führer warten, darauf das immer jemand kommt und sagt was zu tun ist. Nein! Jeder ist dazu aufgerufen, etwas zu tun. LEADERLESS RESISTANCE ist die Devise!“ Der Artikel endet mit der Beschwörung: „Die Patrioten von heute müssen sich auf den größten aller Kriege, den Rassenkrieg, vorbereiten, und dafür muß man geheime Strukturen schaffen und bereit sein, sein Leben zu opfern.“ Beim Verfasser, der mit „B.“ unterzeichnet, handelt es sich sehr wahrscheinlich den texanischen Neonazi Bart A., der zu dieser Zeit – und bis mindestens 2003 – im deutschen und skandinavischen B&H aus und ein ging und den Aufbau von Combat 18-Strukturen vorantrieb. A. galt im Spektrum von B&H als Waffenbeschaffer und Experte für Sprengstoff.
Das Konzept des „Leaderless Resistance“ sieht das Agieren in einer Zellenstruktur vor. Die deutschsprachige B&H-Zeitschrift „Totenkopf Magazin“ schrieb 2002 in dem Artikel „Der politische Soldat“: „Combat 18 arbeitet nach der Methode des führungslosen Widerstandes, das bedeutet das die einzelnen Zellen oder Personen sich nicht kennen und unabhängig voneinander arbeiten und keiner zentralen Führungsstelle Bericht erstatten. Es darf nicht die Struktur einer Befehlskette entstehen, denn es könnte ein Glied dieser Kette schwach sein und somit die ganze Organisation schwächen. Allerdings weist auch dieses Konzept Fehler auf, in der Praxis ist es sehr schwer, ganz allein zu arbeiten – unsere Hoffnungen setzen wir daher auf semi-autonome Arbeit. Es muss bei einzelnen Aktionen kooperiert werden, weil die eine Zelle vielleicht etwas weis oder besorgen kann was die andere nicht kann – das heißt im Klartext das eine Person jeder Zelle eine andere Person aus einer anderen Zelle kennen sollte und die Zellen sich einander ergänzen sollten […]“.

„Die Turner Tagebücher“, im englischsprachigen Original „The Turner Diaries“, ist ein 1978 verfasster Roman des US-amerikanischen Neonazis William Pierce. Er beschreibt das Wirken der fiktiven Person Earl Turner, der als Mitglied einer geheimen Organisation und organisiert in einer Zelle den Kampf gegen das System und die „Überfremdung“ Amerikas aufnimmt, der sich schließlich zu einem regelrechten Krieg ausweitet. Im Visier der US-amerikanischen Neonazis stehen insbesondere jüdische Einrichtungen und staatliche Behörden, wie das FBI-Hauptquartier, die allesamt als jüdisch kontrolliert beschrieben werden.
„The Turner Diaries“ erfuhren ihre Quasi-Umsetzung durch die US-amerikanischen Terrorgruppe The Order, eine rassistische und antisemitische Terrorgruppe in den USA, die auch unter dem Namen „Brüder Schweigen“ bekannt wurde. Sie wurde von Robert Jay Matthews angeführt. Die Gruppe raubte zwischen 1983 und 1984 mehrere Banken und Geldtransporter aus, beging Bombenschläge auf eine Synagoge und ein Theater und ermordete am 18. April 1984 in Denver den jüdischen Radiomoderator Alan Berg. 1984 hob das FBI die Truppe aus. Robert Jay Matthews kam ums Leben, als bei der Erstürmung seines Hauses im US-Bundesstaat Washington am 18. Dezember 1984 sein Munitionsvorrat explodierte. Er hatte sich trotz seiner aussichtslosen Situation geweigert, sich zu ergeben.
Dirk Laabs, Autor des Buches „Heimatschutz“, weist in einem Artikel im Antifaschistischen Infoblatt auf zahlreiche Parallelen zwischen dem NSU und „The Order“ hin. Laabs schreibt: „Die US-Terrorgruppe raubte Banken aus, richtete Menschen gezielt hin und benutzte dabei Waffen, die mit Schalldämpfern bestückt waren. So lange ihre Mitglieder unerkannt im Untergrund lebten, bekannte sich die Gruppe nie zu den Taten. Wie „The Order“ fühlte sich der NSU zudem offenbar als eine Art Vorauskommando einer „arischen Befreiungsarmee“, deren Geschichte nach der Vernichtung der Feinde von den Überlebenden in Ehrfurcht gefeiert werden wird, was die Tatwaffen zu quasi religiösen Reliquien macht.“ Sowohl der NSU als auch „The Order“ hatten Waffen und Gegenstände aufbewahrt, die sie schwer belasteten. Laabs schreibt weiter: „Wenn die Mitglieder von „The Order“ morden wollten, dann musste das Opfer offenbar im Stile einer Exekution sterben – wie bei einem Ritualmord. Es sollte nur um den Akt des Tötens, nicht um Raub oder andere Motive gehen.“ [12]
The Order und die „Turner Diaries“ waren zweifellos eine Inspirationsquelle für den NSU. Die „Turner Diaries“ befanden sich auch auf den Computern von Ralf Wohlleben und André Eminger, die im November 2011 beschlagnahmt wurden.

Blood & Honour und die sogenannten Hammerskins erzählen die Geschichte von Robert Jay Matthews und The Order / Brüder Schweigen immer wieder. Das in England herausgegebene Magazin „Blood & Honour“ widmete Robert Jay Matthews 2013 (Ausgabe 48) einen einseitigen Nachruf und zitierte ihn mit den Worten: „I have been a good soldier, fearless soldier. I will die with honour und join my brothers in valhalla.“ Als am 26. Oktober 2014 der Neonazi Thomas Gerlach im Münchner NSU-Prozess in den Zeugenstand trat, trug der Angeklagte André Eminger ein Shirt mit der Aufschrift „Brüder schweigen – bis in den Tod“.

Terror von Combat 18

Combat 18, abgekürzt C18, war/ist das von Blood & Honour geschaffene und protegierte Label für den Untergrundkampf. C18 war um 1992 in England aus einer Hooligan-Schlägertruppe im Umfeld der British National Party entstanden. Nach dem Tod des englischen B&H-Begründers Ian Stuart Donaldson 1993 bei einem Autounfall versuchte C18 die Kontrolle über B&H an sich zu reißen und schuf ein neonazistisches Terrornetz, das nach innen und außen mörderisch wirkte. 1997 verschickten C18-Aktivisten aus England, Dänemark und Schweden Briefbomben an Prominente [13], eine Antifa-Gruppe und Konkurrenten im Rechtsrock-Business. Intern herrschte zu dieser Zeit ein Machtkampf zwischen Paul „Charlie“ Sargent und William Browning, die beide die Führung von C18 und somit von B&H England für sich reklamierten. 1997 ermordete Paul Sargent einen Gefolgsmann von Browning und wurde zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.

Konzeptionell verschrieb sich Combat 18 dem Prinzip des Leaderless Resistance.
Der britische C18-Aussteiger Darren Wells gab an: „Zum Jahresende 1998 schlug jemand vor, dass ich nach Deutschland reisen sollte, um dort ein paar Bomben zu bauen und sie abzuschicken“. Der Plan wurde von ihm nicht umgesetzt. [14]
Im April 1999 verübte der Britische Neonazi David Copeland in London binnen dreizehn Tagen drei Bombenanschläge, die auf Homosexuelle, Schwarze und aus Bangladesh eingewanderte Menschen zielten. Dutzende Menschen erlitten schwere Verletzungen und bleibende Schäden. David Copeland gehörte zur Gruppe National Socialist Movement, die aus C18 hervorgegangen war, und muss somit als Aktivist von C18 gesehen werden. Copeland gab an, durch die „Turner Diaries“ zu den Anschlägen inspiriert worden zu sein. Am 29. September 2004 schickte Scotland Yard ein Dossier über Copeland und die Londoner Anschläge an die Kölner Polizei, da sie einen Zusammenhang der Anschläge in London und des NSU-Anschlags am 9. Juni 2004 in der Kölner Keupstraße für möglich hielten, zumal in beiden Fällen Nagelbomben eingesetzt wurden. Da Copeland zum Zeitpunkt des Keupstraße-Anschlags in Haft saß, konnte ihn die Kölner Polizei als Täter ausschließen. Sie nahm den Hinweis von Scotland Yard zu den Akten und suchte die TäterInnen weiter unter den Bewohner*innen der Keupstraße.

Zu Jahresanfang 2000 veröffentlichte der Norweger Erik Blücher, eine zentrale Figur von B&H Scandinavia, die Schrift „The Way Forward“, die schnell ins Deutsche übersetzt wurde. „Der Weg Vorwärts“ ist das B&H-Manifest des bewaffneten Kampfes. Es strotzt vor schwülstigem Pathos und antisemitischen Vernichtungsphantasien. Blücher benennt Combat 18 als „Armee von Blood & Honour“ und als „bewaffneter Arm der Blood & Honour-Bewegung“ und schließt mit den Worten: „Die Zeit des Geredes ist wirklich vorbei. Wir haben ein Stadium erreicht, in der jegliche Form der Aktion der Inaktivität vorzuziehen ist. […] Lasst uns unsere Schreibtische verlassen und das mulitkulti, multikriminelle Inferno von ZOG zerstören.“ ZOG steht für Zionist Occupation Government, die imaginierte jüdische Weltverschwörung. Der Begriff ZOG erfuhr seine Verbreitung durch die „Turner Diaries“.

Combat 18 in Deutschland

Das Fanzine und die Kameradschaft United Skins aus dem Raum Königs Wusterhausen, die Carsten Szczepanski zu dieser Zeit noch aus dem Gefängnis heraus dirigierte, machte sich ab 1996 eifrig daran, Combat 18 in der deutschen Szene zu etablieren. Als V-Mann des Verfassungsschutzes hatte er viele Freiheiten, aus dem Knast heraus zu wirken.
1997 planten Neonazis aus Königs Wusterhausen, Oranienburg, dem sächsischen Limbach-Oberfrohna und dem Sauerland (Nordrhein-Westfalen) die Herausgabe einer deutschen C18-Untergrundzeitung. Der Plan setzte sich offensichtlich nicht um, denn spätestens im Jahr 1997 erreichten die Konflikte des englischen C18 auch Deutschland und spalteten die Szene in einen Pro-Sargent, einen Pro-Browning und einen „neutralen“ Flügel.
United Skins stellte sich auf die Seite von Paul Sargent und dessen C18-Abspaltung National Socialist Alliance, die 1997 im National Socialist Movement aufging. Befreundete Personen und Gruppen, wie zum Beispiel das einflussreiche Hildesheimer B&H, rückten nun von United Skins ab. Ihr Chemnitzer Freundeskreis blieb den Neonazis aus Königs Wusterhausen weitgehend erhalten. Thomas Starke schrieb mehrfach für das United Skins und zur Ausgabe Nummer 13 im Jahr 1999 trug auch „Karline (Chemnitz)“ einen Artikel bei. „Karline“ ist der Szenename von Antje Probst. Eingeleitet wird diese Ausgabe mit einem Gruppenbild des englischen National Socialist Movement und einem Zitat von Earl Turner aus den „Turner Tagebüchern“: „[…] Nach unserer Einstellung haben die, die nur darauf bedacht sind ihr Leben zu genießen, in dieser Zeit des Kampfes auf Leben und Tod unserer Rasse, das Überleben nicht verdient. Laß sie ruhig sterben. Während wir diesen Krieg führen, werden wir uns bestimmt keine Gedanken um ihr Wohlergehen machen. Dieser Krieg wird immer mehr zu einem Fall bei dem man entweder voll auf unserer Seite steht oder gegen uns ist.

Zu dieser Zeit begann in Oberfranken der B&H-Funktionär Bernd Peruch das Label Combat 18 kommerziell auszubeuten. Gegen Peruch hegten das Chemnitzer (Post-)B&H und United Skins eine innige Abneigung. Peruch stellte sich auf die Seite von William Browning und des mit ihm verbündeten skandinavischen B&H. Der Streit, wer nun den „wahren“ C18 repräsentierte, belastete das gesamte deutsche B&H-Netzwerk. Es setzte sich nie eine Ebene durch, die Kraft ihrer Autorität oder Authentizität hätte durchsetzen können, wer sich des Namens „Combat 18“ bedienen dürfe. Die einen machten damit Geschäfte, andere gingen damit ins allgemeinkriminelle Milieu, andere meinten es ernst mit dem politischen „Untergrundkampf“ des C18. Und andere, wie Combat 18 Pinneberg, verbanden alles miteinander. Der schwedische B&H-Aussteiger Kim Fredriksson beschreibt C18 als Label für militante Aktionen des (schwedischen) B&H. Feste Mitgliedschaften habe es in Schweden nicht gegeben. Fredriksson: „Wir waren Blood & Honour, also waren wir auch Combat 18“. [15] Bernd Peruch, der die Neonaziszene um 2001 verließ und Einlassungen bei der Polizei machte, verwies ebenso darauf, dass der Name C18 frei verfügbar (gewesen) sei.
Andere sahen darin eine exklusive Organisation. So entstand Ende der 1990er Jahre die Situation, dass Peruch dem Szeneumfeld C18-Bekleidung verkaufte, die diesem – laut Aussagen von Peruch – keine 50 Kilometer weiter in Nürnberg von Christian W. und Christian K. wieder abgenommen wurden, da die TrägerInnen nach Ansicht von W. und K. nicht berechtigt gewesen seien, C18-Schriftzüge zu tragen. Christian W. war 2001 Lebensgefährte der Chemnitzer NSU-Unterstützerin Mandy Struck. Christian K. soll laut Peruch nach 2000 eine Combat 18-Gruppe im Raum Nürnberg angeführt haben, der 20 bis 30 Leute angehört haben sollen und die sich als „bewaffneter Arm“ von B&H konzipiert habe. Danach war Christian K. in der B&H-Nachfolgestruktur Division 28 aktiv. 2010 und 2011 fanden in einer Gaststätte in Nürnberg mindestens zwei Treffen einer Kameradschaft Südstadt mit 20 bis 30 Neonazis statt. Zeug*innen erkannten unter den Teilnehmenden nicht nur Christian K. – eine Zeugin legte sich nach polizeilicher Einschätzung „glaubhaft“ darauf fest, dass auch Andre Eminger an einem dieser Treffen teilgenommen habe.

Combat 18 wurde in Deutschland zu einem Schlachtruf – vor allem, aber nicht nur im Kampf gegen Linke – , dem sich jede/r bedienen konnte. Manchmal blieb es bei der Drohgebärde, wenn Neonazis die Häuser politischer Gegner mit C18-Symbolik beschmierten, doch der Schritt zur Aktion war oft nicht weit. Einige Beispiele: In Halle griffen zwischen 1998 und 2000 Neonazis einer C18-Gruppe, die aus dem hiesigen B&H heraus entstanden war, linke Wohnprojekte an. In Berlin bestand von 2000 bis 2001 eine Gruppe, die sich die Bombenbauanleitungen verschaffte, Sprengstoff-Anschläge gegen türkische und jüdische Einrichtungen plante und Morddrohungen verschickte, die mit „Combat 18 Berlin“ unterzeichnet waren. Im Raum Backnang (nord-östlich von Stuttgart) existierte um 2003 eine dreiköpfige Gruppe, die einen Molotow-Cocktail auf ein Wohnheim von Geflüchteten warf, eine Rohrbombe herzustellen versuchte und Staatsschutzbeamte unter dem Label C18 mit dem Tod bedrohte. Als der Neonazi Thomas Baumann aus Weil am Rhein im Jahr 2009 einen Bombenanschlag auf ein linkes Zentrum in Freiburg (Breisgau) plante, zeichnete er seine interne Kommunikation mit C18. Der Anschlag fand nicht statt, da eine antifaschistische Gruppe die Pläne entdeckt und öffentlich gemacht hatte.

Die Kreise um die Band Oidoxie

Die Hammerskins sind ein weiteres militantes Netzwerk mit einem Faible für den Untergrund und einem elitären Selbstverständnis. Den Hammerskins kommt heute zunehmend Bedeutung zu, auch deswegen, da sie nach der Zerschlagung von B&H-Nachfolgeorganisationen etliche Personen aus B&H-Kreisen aufgenommen haben, die politisch heimatlos geworden waren. Mit C18 in Deutschland hatten die Hammerskins lange Zeit ihre Probleme, zu selbstherrlich traten C18-Leute auf, zu frech formulierten diese Führungsansprüche. Seit 2011 herrscht weitgehend Friede. Malte Redeker, führender Hammerskin in Deutschland, schrieb in einer internen Mail am 5. Juli 2011 an seine „Brüder“ der Hammerskin Nation (HSN): „Das andere Gespräch fand zwischen mir und den deutschen Combat18 Leuten statt. Wie unlängst […] beschlossen wurde, hat sich die deutsche Grundeinstellung zum C18 (zumindest dem deutschen Flügel) gewandelt. Von einer passiven aber ablehnenden Haltung sind wir zu einer neutralen Haltung übergegangen. Es war einhellige Meinung, keinen Krieg mehr über 15 Jahre alte Geschichten zu führen. Das Gespräch wurde mir von Gottschalk und einigen Streetfighting Crew Leuten „gedrückt“, da die Jungs parallel zu uns zur selben Erkenntnis gekommen sind. Gottschalk hatte mir also 1 zu 1 dasselbe erzählt, was ich ihm eh ausrichten wollte. Das Gespräch war sehr aufschlussreich und verlief in sehr guter Atmosphäre. Es gibt keinen einzigen C18 Mann in Deutschland, der keine gute Beziehung zur HSN möchte. Wir müssen es jetzt ja nicht überstürzen mit Verbrüderungen, etc. Aber ist grundsätzlich mal gut zu hören, dass unser „Friedensangebot“ mehr als willkommen geheissen wird. Schauen wir also mal, dass wir die Oidoxie Jungs irgendwo mal spielen lassen.[…]“ Aus dieser Mail geht hervor, dass es noch im Jahr 2011 eine Struktur in Deutschland gab, die – immerhin von den Hammerskins – als „deutsches C18“ angesehen wurde: Die „Streetfighting Crew Leute“, die „Oidoxie Jungs“.

Die Musikband Oidoxie wurde 1995 vom Dortmunder Marko Gottschalk gegründet. In den 1990er stellte sie die Struktur von B&H im Ruhrgebiet. Oidoxie und die mit ihr „verbrüderten“ Band Weisse Wölfe (Sauerland) und Extressiv (Raum Werne) machte sich mit Songs wie „Terrormachine Combat 18“ (Oidoxie) und Texten wie „You know what I mean, hail, hail, hail the terrormachine, hail, hail, hail Combat 18“ (Weisse Wölfe) zum Sprachrohr des deutschen C18.
Um das Jahr 2003 entstand aus dem „Oidoxie-Saalschutz“ die Oidoxie Streetfighting Crew. Zunächst auf den Raum Dortmund beschränkt gründeten sich – autorisiert von den Dortmundern – „Crews“ auch in Kassel und in Schweden, wohin Gottschalk exzellente Kontakte pflegt. Kasseler Neonazis der „Nordhessen Crew“ stellten Bühnenordner beim Auftritt von Oidoxie am 17. September 2005 auf einem B&H-Konzert in Tschechien. Zu den Geburtstagspartys führender Kasseler „Crew-Member“ reisten in den Jahren 2006 und 2007 Oidoxie und/oder Extressiv an. Einzelne dieser Konzerte wurden von der Polizei verhindert, andere fanden statt. Am 18. März 2006 feierte „Crew-Member“ Stanley R. mit Oidoxie seinen Geburtstag in einem Rocker-Clubhaus in Kassel. Am 17.06.2006 spielten Oidoxie und Extressiv im Clubhaus auf der Geburtstagsfeier von „Crew-Member“ Michel F. vor 50 bis 100 geladenen Gästen.
Es ist signifikant: In der Oidoxie Streetfighting Crew gab es im Frühjahr 2006 eine innige Verbindung zwischen Kasseler und Dortmunder Neonazis, die sich als „deutsches Combat 18“ verstanden. Das Clubhaus in Kassel, in dem die Partys mit Oidoxie stattfanden, lag keine 20 Fußminuten von dem Internet-Cafe entfernt, in dem Halit Yozgat vom NSU ermordet wurde. Doch es gibt keine Gewissheit, dass diese Verbindung auch das Bindeglied zu den NSU-Morden an Halit Yozgat am 4. April 2006 in Kassel und an Mehmet Kubaşık am 4. April 2006 in Dortmund war.

Combat 18 in Dortmund

Im Jahr 2000 eskalierte in Nordrhein-Westfalen die neonazistische Gewalt: Am 14. Juni erschoss der Neonazi Michael Berger in Dortmund und Waltrop zwei Polizisten und eine Polizistin und richtete sich danach selbst. Am 27. Juli explodierte eine mit TNT gefüllte Rohrbombe am Düsseldorfer Bahnhof Wehrhahn und verletzte zehn Personen zum Teil lebensgefährlich. Bei den Opfern handelte es sich ausnahmslos um Migrant*innen, sechs davon mit jüdischem Hintergrund, die von einem Sprachkurs kamen. Am 15. Oktober fand die Polizei bei einem Einsatz in Bocholt beim Neonazi Markus N. eine Rohrbombe, die offensichtlich gegen Linke eingesetzt werden sollte. Markus N. kommt aus der Dortmunder Szene um Oidoxie.
Am 19. Januar 2001 folgte der NSU-Anschlag in einem Ladengeschäft in der Kölner Probsteigasse, der eine 19-jährige schwer verletzte.

Um das Jahr 2000 entdeckten Neonazis der Kameradschaft Dortmund und der Kameradschaft Essen für sich das Label „Combat 18“ und verstanden sich nun als eine C18-Gruppe. Die Kameradschaft Dortmund war weitgehend identisch mit dem engeren Kreis um Oidoxie, mehrere Mitglieder trugen „Combat 18“-Tätowierungen. Diese C18-Gruppe führte unter anderem Schießübungen durch, an denen auch Michael Berger teilnahm. Als dieser am 14. Juni 2000 zwei Polizisten und eine Polizistin erschoss, feierte ihn die Kameradschaft Dortmund mit einem Aufkleber: „Berger war ein Freund von uns! 3:1 für Deutschland“.

Im Jahr 2006 entstand aus der Oidoxie Streetfighting Crew erneut eine Kleingruppe, die Combat 18 umsetzen wollte. Mitglieder waren unter anderem Marko Gottschalk, der Dortmunder Robin Schmiemann und Sebastian Seemann aus Lünen. In der Gruppe kursierten die „Turner-Diaries“ und Schusswaffen, die von belgischen Neonazis von B&H Vlaanderen beschafft worden waren. Der Rechercheblog DerWesten schreibt, die Dortmunder Gruppe habe zeitweise mehrere Pumpguns und eine Maschinenpistole besessen und resümiert: „Nur mit Glück ist der große Knall einer rechtsradikalen Gewaltorgie in Dortmund ausgeblieben.“ [16]
Sebastian Seemann, der heute Sebastian W. heißt, war eine Schlüsselfigur der regionalen B&H-Szene. Er veranstaltete bis weit in die 2000er Jahre B&H-Konzerte in Belgien, war ein Waffennarr und bereits im Jahr 2006 im schwerkriminellen Milieu unterwegs. Die Neonazis um Seemann waren unter anderem Zuhälter, Waffenschieber und Drogenhändler. In einem Kokain-Deal 2007 kam ihm die Bielefelder Polizei auf die Spur, überwachte ihn und stellte fest, dass Seemann als V-Mann für den nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz arbeitete und von seinem V-Mann-Führer Warnungen vor Polizeiaktionen erhielt. Der Drogendeal platzte, der darin involvierte Robin Schmiemann schuldete Seemann mehrere tausend Euro und wurde von diesem gedrängt, das Geld aufzutreiben. „Er hat mir damals die Waffe in die Hand gedrückt und mich losgeschickt“, sagte Schmiemann später vor Gericht, nachdem er wegen der Schulden am 2. Februar 2007 in Dortmund einen Supermarkt überfallen und einen 60-jährigen Kunden migrantischer Herkunft mit Schüssen in Brust und Bein um ein Haar getötet hatte. Schmiemann wurde 2008 zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Der V-Mann Seemann erhielt 2008 in einem kaum mehr als zweistündigen Prozess ohne Zeugen und Beweisaufnahme aufgrund eines Deals zwischen Richter und Staatsanwalt eine milde Strafe von drei Jahren und neun Monaten Haft wegen Drogenhandels. Die Weitergabe der Waffe an Schmiemann und der illegale Besitz von acht Schusswaffen wurden nie verhandelt und verurteilt. [17]

Im Jahr 2013 wurde ein Briefkontakt zwischen Robin Schmiemann und Beate Zschäpe bekannt. Dieser fand im Frühjahr 2013 statt, alleine im März 2013 schickte Beate Zschäpe drei bis zu 26 Seiten lange Briefe und eine Karte an den im niederrheinischen Geldern inhaftierten Schmiemann. Darin gibt Zschäpe tiefe Einblicke in ihr Seelenleben, der Ton ist vertraut. Ein Hinweis darauf, dass sich die beiden schon zuvor kannten oder gemeinsam an einer Aktion mitgewirkt hatten, findet sich darin nicht. Doch auch ohne es voneinander gewusst haben zu müssen waren die beiden über Jahre miteinander verbunden gewesen: durch die Idee des „Leaderless Resistance“ und durch die Netzwerke von Blood & Honour und Combat 18.

Noch viele nicht erzählte Geschichten

Natürlich kann dieser Artikel nur einen Anriss geben über die vielfältigen Verschränkungen zwischen dem NSU und dem Netzwerk Blood & Honour. Es gibt viele weitere Spuren: So zum Beispiel in Kassel, wo der Verfassungsschutzmitarbeiter Andreas Temme zum Zeitpunkt des NSU-Mordes an Halit Yozgat im Hinterzimmers des Internet-Cafés saß, in dem die Tat geschah. Und der dorthin aufbrach, nachdem er einen Anruf eines Kasseler Neonazis erhalten hatte, den er als V-Mann führte und der der Stiefbruder eines ehemaligen Kasseler B&H-Exponenten ist.[18] In Dortmund gab eine V-Person zu Protokoll, sie habe wenige Tage vor dem Mord an Mehmet Kubaşık Uwe Mundlos in Dortmund in Begleitung mit einem aus Brandenburg zugezogen „alten“ B&H-Aktivisten gesehen. [19] Wie glaubhaft sind diese Angaben? Die Informationen werden mehr, die Gewissheiten nicht.

Und der Neonazi-Untergrund lässt sich nicht auf das Netzwerk von Blood & Honour reduzieren. Die „Hammerskin Nation“ bietet ein ähnliches Bild: Morde und Anschläge, die von ihren Anhängern verübt wurden, Waffen, die von ihnen beschafft werden, die mystische Verehrung der Terrorgruppe The Order – und das alles noch ein Stück konspirativer und schwerer einzusehen als das Wirken von Blood & Honour. Auch von den Hammerskins findet man einige Spuren in den Kreis der UnterstützerInnen des NSU. Der Angeklagte im NSU-Prozess Andre Eminger stand den Hammerskins, die sich untereinander stets als „Brüder“ ansprechen, offenkundig ebenso nahe wie Blood & Honour. Als der Hammerskin Thomas Gerlach, von dem direkte Verbindungen zu etlichen Personen des NSU-Unterstützungskreises führen, im Oktober 2014 im Münchner NSU-Prozess als Zeuge auftrat, war wirklich nicht zu erwarten, dass er belastende Aussagen machen würde. Welche (doppelte?) Botschaft steckt also in dem Shirt „Brüder schweigen – bis in den Tod“, mit dem ihn Andre Eminger empfing? Neben der Anspielung auf die Terrorgruppe The Order / Brüder Schweigen auch das Bekenntnis von Andre Eminger zu den „Brüdern“ der Hammerskins? Die Verbindungen der Hammerskins zum NSU und anderen neonazistischen Terrorgruppen sind eine weitere Geschichte, die noch erzählt werden muss.

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Fußnoten:

[1]    „B&H-Konzert in Thüringen“, in: Blood & Honour Deutschland, Nr. 9, 2000
[2]    „Wie nah war V-Mann „2100/Hagel“ dem NSU-Trio?, Störungsmelder, 15.04.2015
[3]    Tatsächlich sollen laut Antje Probst (in ihrer Aussage als Zeugin im Münchner NSU-Prozess) um 1998 circa 20.000 DM in der Kasse der Konzerteinnahmen von B&H in Chemnitz/Sachsen gefehlt haben. Als gesichert gilt, dass zumindest ein Teil des Geldes zur Unterstützung des gesuchten Trios verwendet wurde. Vgl.: www.nsu-nebenklage.de/blog/tag/20-000-dm/
[4]    http://www.nsu-watch.info/2014/11/protokoll-162-verhandlungstag-20-november-2014/
[5]    Beschlussempfehlung und Bericht des 2. Untersuchungsausschuss, Deutscher Bundestag, Drucksache 17/14600, 22.08.2013, S. 157
[6]    „V-Mann Ralf Marschner“, Der Rechte Rand, Nr. 150, 2014
[7]    Hilde Sanft, Ulli Jentsch: Rechter Terror in der antifaschistischen Analyse, in Antifaschistisches Infoblatt Nr.105, Winter 2014
[8]    Antifaschistisches Infoblatt Nr.100, 2013: „Vom Kamerad zum Member. Blood & Honour trifft die Hells Angels auf der >Nordachse<“
[9]    Frontal21: Verbindungen des Zwickauer Terrornetzwerkes zu militanter Neonazi-Organisation, ZDF, 29.11.2011
[10]    „Mörderische Töne“, Weser-Kurier, 29.11.2011
[11]    „Combat 18“ inside!, Antifaschistisches Infoblatt Nr. 54, 2001
[12]    Dirk Laabs: „Der NSU, „The Order“ und die neue Art des Kampfes“, Antifaschistisches Infoblatt Nr. 105, 2014
[13]    Die Briefbomben richteten sich an weiße Prominente, die Schwarze Lebenspartner*innen hatten. Die Briefbomben wurden von der britischen Polizei, die Combat 18 bis in die höchsten Kreise unterwandert hatte und informiert war, abgefangen.
[14]    „Combat 18“ inside!, Antifaschistisches Infoblatt Nr. 54, 2001
[15]    Gespräch der Autor*innen mit Kim Fredriksson, Februar 2015
[16]    David Schraven: „Dortmunder Nazis: Combat 18-Zelle versorgte sich mit Waffen“, in DerWesten, 15. Mai 2012, http://www.derwesten-recherche.org/2012/05/3248/
[17]    Stephan Rauch: „Stets zu Diensten“, Lotta, Nr. 46, Winter 2011
[18]    Vgl. Andrea Röpke: „Der Nazi-V-Mann und der NSU“, in: Störungsmelder, 23. Februar 2015, http://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2015/02/23/der-nazi-v-mann-und-der-nsu_18703
[19]    David Schraven: „Die rechte Terrorspur des NSU führt nach Dortmund“, in WAZ, 25.03.2013, http://www.derwesten.de/politik/die-rechte-terrorspur-fuehrt-nach-dortmund-id7766563.html

 

Tipps zum Weiterlesen:

White Noise – Rechts-Rock, Skinhead-Musik, Blood & Honour – Einblicke in die internationale Neonazi-Musik-Szene, Hamburg/Münster 2001

Hilde Sanft, Ulli Jentsch: „Rechter Terror in der antifaschistischen Analyse“, in Antifaschistisches Infoblatt (AIB) Nr.105, Winter 2014, http://www.nsu-watch.info/2015/01/rechter-terror-der-antifaschistischen-analyse/

Dirk Laabs: „Der NSU, >The Order< und die neue Art des Kampfes“, zuerst erschienen im Antifaschistisches Infoblatt (AIB), 04/2014, http://www.nsu-watch.info/2015/02/der-nsu-order-und-die-neue-art-des-kampfes/

Eike Sanders, Kevin Stützel, Klara Tymanova: „Taten und Worte – Neonazistische „Blaupausen“ des NSU“, http://www.nsu-watch.info/2014/10/taten-und-worte-neonazistische-blaupausen-des-nsu/

Hilde Sanft, Eike Sanders, Ulli Jentsch: „Reihenweise Einzeltäter. Die Behörden verhindern die Aufklärung des NSU-Netzwerkes“, in Monitor Nr. 66, Oktober 2014, www.apabiz.de/publikationen/monitor/Monitor_Nr66.pdf

Alex Hartinger, Thomas Sandberg, Michael Weiss: „Nur eine Gang von Vielen? Spurensuche im Netzwerk paramilitärischer deutscher Neonazis“, http://www.blog.schattenbericht.de/2011/12/nur-eine-gang-von-vielen/

„Vom Kamerad zum Member? Blood & Honour trifft die Hells Angels auf der »Nordachse«“,  Antifaschistisches Infoblatt (AIB) Nr.100, 03/2013

Der Beitrag Der NSU im Netz von Blood & Honour und Combat 18 – Gesamtversion erschien zuerst auf NSU Watch.


Protokoll 217. Verhandlungstag – 14. Juli 2015

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Am heutigen Prozesstag geht es zunächst um einen Reisepass, der 2011 auf Holger Gerlach ausgestellt wurde, den dieser an das Trio weitergab. Dann geht es um eine Wohnmobilanmietung, ebenfalls aus dem Jahr 2011. Dabei gibt die Zeugin, die bei der Autovermietung arbeitet, an, ein Pärchen, eine Frau und ein Mann, hätten dieses Wohnmobil gemietet, bei der Abholung sei auch ein Kind mitgewesen. Danach sagt ein ehemaliges Mitglied der „Weißen Bruderschaft Erzgebirge“ aus. Er wird befragt zu Matthias Dienelt, der die Wohnung in Zwickau anmietete und zu André Eminger. Diesen sah der Zeuge zuletzt auf einer Demonstration in Schneeberg gegen eine Geflüchtetenunterkunft.

 

Zeugen:

  • Timo Ko. (BKA Meckenheim, Ermittlungen zu einem auf Holger Gerlach ausgestellten Pass)
  • Michele Ar. (Zeugin zu Anmietung eines Wohnmobils im Oktober 2011)
  • Marcel Schenke (ehem. Mitglied der „Weißen Bruderschaft Erzgebirge“, befreundet bzw. bekannt  mit Matthias Dienelt und André Eminger)

Der Prozesstag beginnt um 09:57 Uhr. Erster Zeuge ist Timo Ko. vom BKA Meckenheim. Götzl: „Es geht uns um Ermittlungen im Hinblick auf einen Reisepass.“ Ko. solle berichten. Ko.: „Wir hatten ja aus Beschuldigtenvernehmungen von Holger Gerlach die Erkenntnis, das er einen Reisepass übergeben haben möchte an Böhnhardt. Wir haben dieses Asservat im Wohnmobil gefunden 2011.“ Das sei ein Reisepass mit Foto und vollständigem Namen von Gerlach. Sie hätten bei der zuständigen Ausweisstelle von Gerlach ermittelt. Eine Mitarbeiterin habe ihnen mitgeteilt, dass der Ausweis am 19.05.2011 dort beantragt und dann am 16.06.2011 dort abgeholt worden sei. Beantragung und Abholung seien per Unterschrift quittiert worden. Bei diesen Unterschriften und der Unterschrift von Gerlach aus der Vernehmung handele es sich dem Augenschein nach um identische Unterschriften, also würden sie davon ausgehen, dass Gerlach den Pass selbst beantragt und abgeholt hat. Gerlach habe in der Vernehmung zu Protokoll gegeben, dass Mundlos und Böhnhardt ihn im Frühjahr 2011 besucht und gebeten hätten, den Pass zu besorgen. Gerlach sei das Haar geschoren worden. Es gebe Passbilder, die Gerlach mit kurzen Haaren zeigten. Mundlos habe Gerlach die Haare geschnitten, damit er Böhnhardt ähnlicher sieht, um die Legende, die habe generiert werden sollen, glaubhafter zu machen. Der Zeuge wird entlassen.

Nach einer Pause bis 10:17 Uhr sagt Götzl, es stehe noch eine Erklärung von NK-Vertreterin RAin von der Behrens zum Zeugen Ha. (zuletzt 214. Verhandlungstag) aus. V. d. Behrens sagt, die Erklärung sei verbunden mit einem Beweisantrag, den die Kollegin Basay verlese. V. d. Behrens: Der Zeuge zeigte keinerlei Belastungstendenzen; vielmehr konkretisierte er seine Aussagen aus der polizeilichen Vernehmung oft zugunsten der Angeklagten, indem er z. B. Erinnerungsprobleme von sich aus offen legte und immer bemüht war, zwischen dem, was er erinnerte, und dem, was er in der Presse gelesen hatte, zu differenzieren. Entsprechend misslang der Versuch der Verteidigung, den Zeugen als unglaubhaft darzustellen. Vielmehr ist nach der Vernehmung der Zeugen Re. und Ha. festzustellen: Wenn die Verteidigung einem Zeugen laut vorhält, er würde nicht die Wahrheit sagen und lügen, so ist dies ein Zeichen dafür, dass es sich bei diesem nicht um einen Szenezeugen handelt, der Ahnungs- und Erinnerungslosigkeit vortäuscht. Wie bereits andere Zeugen beschrieb auch Ha. die Radikalisierung von Uwe Mundlos seit Beginn der 90er Jahre.

Diese Bekundungen bestätigen die Angaben u.a. von Holger Gerlach zu den in der KS Jena geführten Gewaltdiskussionen: Denn nur in diesem Kontext sind die damaligen Aussagen Mundlos‘ zu scharfen Waffen und Sprengstoff zu verstehen. Diese konkreten Überlegungen von Mundlos zur Bewaffnung müssen somit nach der bisherigen Beweisaufnahme Wohlleben und Gerlach bekannt gewesen sein. Der Zeuge bestätigte auch die bisherigen Angaben des Zeugen Kay St., dass Mundlos, zusammen mit anderen aus seinem engsten Kreis, sowohl für das Aufhängen der Puppe an der Autobahnbrücke als auch für das Abstellen des Koffers mit Hakenkreuz vor dem Theater verantwortlich gewesen sei. Weiter bestätigte der Zeuge die enge Verbindung des Trios nach Chemnitz.

Auf Befragung der Verteidigung Wohlleben blieb Ha. dabei, dass nach seiner Erinnerung auch Wohlleben mitgefahren sei. Weiter bestätigte der Zeuge auch Belege für die frühen Kontakte des Trios nach Zwickau. Zu der Rolle des Angeklagten Wohlleben gab der Zeuge an, Wohlleben habe ihn, Ha., nach dem Untertauchen des Trios gebeten, Mundlos‘ Fahrrad zu verkaufen, weil dieser jetzt Geld brauche. Hinsichtlich der Angeklagten Zschäpe bestätigte der Zeuge ebenfalls die Angaben vorangegangener Zeugen: Zschäpe habe sich in der Gruppe behaupten können, sei „nicht dumm oder gutgläubig“ gewesen, habe „gewusst, was sie wollte“. Die geschilderten Umstände zeigen das hohe Maß an Konspiration und den routinierten Umgang mit Repressionsmaßnahmen, auch der Angeklagten Zschäpe. Dies ist ein weiterer Beleg dafür, dass sie schon damals auf allen Ebenen gleichberechtigtes Mitglied der KS Jena war. Weiter sind diese Angaben ein Hinweis darauf, dass die KS Jena oder das Trio mglw. in einem größeren Maß als bisher bekannt überwacht wurden.

Weiter berichtete der Zeuge, er habe ein Bild von einer Situation in einem Club im Kopf, wo Zschäpe mit einem Bierglas zugeschlagen habe; ob er die Situation selber gesehen oder nur Mundlos ihm davon berichtet habe, wisse er nicht mehr. Auf Nachfrage erinnerte er sich, dass dieser Club „Modul“ geheißen habe. In der Gerichtsakte finden sich Dokumente aus einem Strafverfahren gegen Mundlos u.a. wegen Gewalttätigkeiten in dem Club am 19.04.1997. Nach den dortigen Zeugenangaben hat die Cousine von Stefan Apel jemanden mit einem Bierglas geschlagen. Die Ermittlungsakten zu dem damaligen Verfahren belegen somit die Richtigkeit der Erinnerung des Zeugen, trotz des langen Zurückliegens der Ereignisse, was auch für die Bewertung der übrigen durch ihn gemachten Angaben relevant ist.

Drei Aspekte der Bekundungen des Zeugen waren jedoch neu und müssen zu einer Neubewertung führen hinsichtlich des Zeitpunktes, zu dem sich das Trio entschloss, unterzutauchen, und damit auch des Zeitpunktes der Gründung der terroristischen Vereinigung sowie der Rolle von Tino Brandt: Der Zeuge hat konkret bestätigt, dass die Szene wusste bzw. vermutete, dass Brandt ein Spitzel ist. Nach der bisherigen Beweisaufnahme war Brandt in die Unterstützungsleistungen für das Trio eingebunden, die anderen Unterstützer wie Wohlleben und André Kapke schienen ihm zu vertrauen und schließlich war er auch gezielt mit solchen Unterstützungsaktivitäten betraut, die zur Ergreifung des Trios hätten führen können, wie das zwischen Brandt und Böhnhardt am 8. März 1999 aus zwei Telefonzellen geführte Telefonat. Der Zeuge Norbert Wießner konnte bisher in der Hauptverhandlung nicht erklären, warum das Gespräch, von dem das TLfV vorher wusste, nicht zu einer Standortermittlung des Gesprächspartners von Brandt führte. Dieses Wissen über die V-Mann-Eigenschaft von Brandt heißt mglw., dass Brandt in einem noch größeren Ausmaß als bekannt ein doppeltes Spiel gespielt hat und dass das TLfV ihn hat gewähren lassen bzw. ihn in dem Glauben gelassen hat, sein Spiel würde nicht durchschaut.

An dieser Stelle unterbricht Zschäpe-Verteidiger RA Heer und sagt, die Grenze des § 257 StPO sei erkennbar überschritten sei, er beanstande es aber nicht förmlich. Götzl: „Also, es wird nicht beanstandet.“

V. d. Behrens setzt fort: Weiter ist durch die Angaben des Zeugen bekannt geworden, wie eng die bundesweite Vernetzung des Trios vor dem Untertauchen war. Der Zeuge bestätigte insofern seine beim BKA gemachten Angaben, dass es Einladungen von „Altnazis“ gegeben habe, die „Nachwuchs aus dem Osten“ hätten unterstützen wollen und diesen eine „finanzielle Basis“ gegeben hätten. Diese Treffen hätten in der Zeit, bevor Mundlos zum Ilmenau-Kolleg gegangen sei, unter anderem einmal in Hessen und einmal in NRW stattgefunden. Auch sei Mundlos mit anderen einmal nach Hessen oder Bayern gefahren, wo es „kleinere militärische Veranstaltungen, zum Thema ‘Ausschluss der Fremden‘ gegeben habe“. Diese Angaben belegen, dass das Trio bereits sehr früh Kontakte in mindestens zwei Bundesländer hatten, in denen später der NSU Morde und Anschläge verübte.

Das weitere Neue an der Aussage des Zeugen war, dass Mundlos mit ihm über einen längeren Zeitraum hinweg über bevorstehende Repressionsmaßnahmen gesprochen hat, die mglw. auch den Gang in den Untergrund notwendig machen würden. Auf spätere Nachfrage des Vorsitzenden, ob Mundlos gesagt habe, was er befürchte, gab Ha. an, er hätte Sorge gehabt, dass er wegen irgendeines Paragraphen, der mit Terrorismus zu tun hat, in Haft genommen werden würde. Auf weitere Nachfrage sagte Ha., dass es eine Zuspitzung seit dem Sommer 1997 gegeben hatte. Von einem konkreten Plan habe er, Ha., aber nichts gewusst. In der darauf folgenden Vernehmung wiederholte der Zeuge diese Angaben sinngemäß und sagte, er persönlich denke, Mundlos habe einen Plan gehabt, dass dies aber nur eine Interpretation von ihm sei. Diese Bekundungen des Zeugen sprechen dafür, dass Mundlos und auch Böhnhardt und Zschäpe bereits vor dem 26. Januar 1998 das Untertauchen geplant hatten.

Nun fährt RAin Basay fort: Daneben gibt es noch weitere Indizien, die für ein früh geplantes Untertauchen des Trios sprechen, die z.T. schon eingeführt worden sind bzw. deren Einführung im Folgenden beantragt wird: 1. Die „Aktionen“ der KS Jena durch die Platzierung von Bombenattrappen in Jena spitzten sich kontinuierlich seit 1994 zu, wie sich insbesondere aus den Angaben des Zeugen Dressler ergibt. Der Schritt zu Anschlägen war bereits mit dem Ausspähen von Asylbewerberheimen für Anschläge, wie der Zeuge Tibor Re. bekundete, und dem Bau der Rohrbomben in der Garage getan, so dass 1997/1998 ein Gang in den Untergrund durchaus aus der Sicht des Trios der logisch nächste Schritt gewesen sein dürfte.

Hier unterbricht nun Wohlleben-Verteidiger RA Klemke und sagt, dass es sich hier nicht um ein Plädoyer handeln dürfe. Es folgt eine Pause bis 10:53 Uhr. Dann verkündet Götzl den Beschluss, dass die Ausführungen von RAin Basay zulässig sind: „Es obliegt der Entscheidung desjenigen, der den Antrag stellt, ob er erst die Beweistatsache und dann die Begründung nennt.“

Basay setzt fort: Parallel zu dieser Zuspitzung hat sich die KS Jena mit der Organisation in „autonomen Zellen“ beschäftigt. Dass das Trio über den „leaderless resistance“ und „autonome Zellen“ diskutierte, zeigt auch der Briefwechsel, den Mundlos, auch im Namen von Böhnhardt und Zschäpe, mit dem damals inhaftierten Chemnitzer Neonazi Torsten Schau führte, in dem es unter anderem um die Themen Vernetzung, Schutz vor V-Männern und Arbeit in „autonomen Gruppen“ ging. Insofern wird beantragt, den Brief Nr. 45 aus dem Asservat Nr. 59.61. zu verlesen zum Beweis der Tatsache, dass der Brief mit „Hallo Ihr Drei“ über- und mit „Eure Jenaer“ unterschrieben und nicht datiert ist, dass es in dem Brief heißt: „Es hat leider etwas länger gedauert, als wir bei Dir (Torsten) ankündigten, aber Ihr könnt Euch bestimmt schon wieder denken an wem es lag (Beate hat mir deswegen auch schon Anschisse verpasst).“, und weiter: „Denn egal was anliegt, kaum sind mehr als 30 Mann versammelt, so kann man doch schon getrost davon ausgehen, das ein Spitzel oder Angstanscheißer mit darunter ist (und leider gibt es ja dafür nicht mal eine wirksame Alternative, bis auf die, wo ich aber noch immer zweifel, ob sie uns wirklich zum Sieg führen kann, was da heißt in kleinen autonomen Gruppen arbeiten.“

Weiter wird beantragt, den Brief Nr. 46 aus dem Asservat Nr. 59.61 zu verlesen, zum Beweis der Tatsache, dass der Brief auf den 16.11.1995 datiert ist und als Absender Torsten Schau, JVA Waldheim trägt, dass er an „Heil Euch, Ihr Talbewohner“ adressiert ist und es dort heißt: „Wir dürfen gerade jetzt nicht aufgeben, das will dieser Staat bloß. Das sie jetzt mit ihren Strafen durchgreifen wollen, ist die Ohnmacht des Systems, es ist dem Zerfall nahe. Laßt Euch nicht von irgendwelchen WM-Zersetzern den Mut nehmen und Euch provozieren, dies ist von denen pure Absicht. Die Arbeit in kleinen autonomen Gruppen, wie du Uwe, es schreibst, wird von vielen Kameraden geplant bzw. schon in die Realität umgesetzt. Es werden auch keine neuen Parteien mehr gegründet, man bildet Interessengruppen, die noch nicht verboten werden können. Falls Du/ Ihr mal paar Adressen haben wollt, kein Problem, müsst das bloß schreiben.“

Bei dem Asservat 59.61 handelt es sich um die am 26. Januar 1998 sichergestellte Korrespondenz, insbesondere mit den damals inhaftierten Chemnitzern Thomas Starke und Torsten Schau. Bei dem Brief Nr. 45 ergibt sich aus dem Kontext, dass die angesprochenen drei Personen Thomas Starke, Torsten Schau und Enrico Ri. sind, der Verfasser Mundlos ist und der Brief ungefähr aus der Zeit Oktober bzw. November 1995 stammt, da Schau den Brief Nr. 45 mit dem Brief Nr. 46 vom 16. November 1995 beantwortet. Wie auch bei den übrigen Briefen des Asservats geht auch aus diesen beiden Briefen hervor, dass Mundlos im Namen von allen drei schreibt und insbesondere auch Zschäpe aktiv die Korrespondenz unterstützt, indem sie Mundlos mahnt zu schreiben. Die KS Jena und das Trio diskutierten nicht nur über die Organisation im Untergrund, sondern zumindest Mundlos beschäftigte sich über die Abwehr der alltäglichen Strafverfolgung auch mit größeren Konzepten und Methoden der Fahndung und Strafverfolgung, wie der Zeuge Andreas Re. berichtet. Schließlich sprechen auch rein praktische Umstände dafür, dass ein Untertauchen schon vor der Garagendurchsuchung geplant war.

Wie bereits durch Verlesung des Urteils eingeführt, wurde die gegen Böhnhardt verhängte Jugendstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten am 10.12.1997 rechtskräftig. Die Zeuginnen Ilona Mundlos und Brigitte Böhnhardt haben in ihren Vernehmungen dargelegt, wie belastend die erste Hafterfahrung für Uwe Böhnhardt gewesen war. Die Zeugin Böhnhardt gab weiter an, dass ihr Sohn damals gesagt habe, er würde nicht noch einmal ins Gefängnis gehen. Trotz der Entschlossenheit von Uwe Böhnhardt, nicht noch einmal in Haft zu gehen, konnte bzw. wollte keine der beiden Zeuginnen und auch weitere Zeugen nicht angeben, was Uwe Böhnhardt vorhatte, nachdem auch mit dem Berufungsurteil vom 16.10.1997 eine nicht mehr zur Bewährung aussetzbare Jugendstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten verhängt worden war und es absehbar war, dass es rechtskräftig werden würde. Die Rechtskraft wurde lediglich vorübergehend durch die Revision der StA hinausgezögert, die jedoch wieder am 09.12. zurückgenommen worden war. Spätestens am 09. oder am 10.01.1998 hat Böhnhardt die Mitteilung von der eingetretenen Rechtskraft erhalten.

Ein weiteres Indiz für den frühen Plan des Trios ist, dass Mundlos seit dem 16.01.1998, also 10 Tage vor der Durchsuchung der Garage, nicht mehr das Ilmenau-Kolleg besuchte, obwohl regulärer Schulbetrieb war.  Insofern wird beantragt, das Schreiben des Ilmenau-Kollegs vom 29. Januar 1998 im Original beizuziehen und zu verlesen, zum Beweis der Tatsache, dass das Schreiben den Absender des Ilmenau-Kollegs trägt, an Mundlos adressiert ist und es dort heißt: „Sehr geehrter Herr Mundlos, seit dem 16.01.98 versäumen Sie den gesamten Unterricht ohne ausreichende Entschuldigung. Ich ersuche Sie hiermit, dieses Verhalten umgehend abzustellen, sonst sehe ich mich gezwungen, das Schulverhältnis gemäß § 151 (2) der Thüringer Schulordnung zu beenden. Bitte sprechen Sie am 04.02.1998 bei mir vor. Mit freundlichen Grüßen , Dr. Go., Kollegleiterin“.

Somit spricht in Zusammenschau der Angaben des Zeugen Ha. und der genannten Indizien viel dafür, dass das Trio bereits vor der Durchsuchung der Garage geplant hatte, in den Untergrund zu gehen und von dort aus weiter Anschläge zu begehen: Entweder nach einem erfolgten Anschlag mit den in der Garage gebauten Rohrbomben oder bevor Böhnhardt seine Jugendstrafe hätte antreten müssen. Die Frage, wann der Entschluss zum Untertauchen und damit auch zur Verfolgung ihrer völkisch-rassistischen Ziele mit terroristischen Mitteln aus dem Untergrund heraus gefallen ist, ist für den Vorsatz und die Strafzumessung der Angeklagten Zschäpe, Wohlleben und Gerlach sowie für die Feststellungen hinsichtlich des Organisationsdeliktes relevant.

In Bezug auf den Angeklagten Wohlleben gab Ha. an, dass über das Untertauchen auch in seiner Anwesenheit und der von André Kapke gesprochen worden sei, er also auch mindestens davon gewusst haben muss, wenn er nicht auch Teil des Planes war. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die übrigen aktiven Mitglieder der KS Jena, also insbesondere auch der Angeklagte Gerlach, in diese Pläne eingeweiht waren. Hierfür spricht schon die Kenntnis des Zeugen Ha. von diesen Plänen, denn er betonte in seiner Vernehmung in Bezug auf die Fragen zu dem durch Mundlos ankündigten Untertauchen, dass Mundlos politische Dinge bei ihm nur oberflächlich angesprochen habe, da er selber nicht zu der Gruppe gehört habe und wegen seiner Herkunft auch nie hätte dazu gehören können.

Danach folgt die Vernehmung der Zeugin Ar. Ar. ist mit einem Zeugenbeistand, RA Schmidt, erschienen. Götzl: „Es geht uns um die Frage der Anmietung eines Wohnmobils im Oktober 2011 bei der Firma K. Was können Sie uns dazu berichten?“ Ar.: „Eine Vermietung wie jede andere, die bei uns täglich stattfindet.“ Es sei ein Pärchen gewesen, die ein Wohnmobil gewollt hätten, um damit ihren Urlaub zu verbringen. Sie habe das erklärt und gezeigt, den Vertrag gemacht und die Miete. Götzl fragt, ob Ar. mit den Personen noch weiter befasst gewesen sei. Ar.: „Ich selber nicht. Ich habe das Fahrzeug gezeigt, den Mietvertrag gemacht. Aber die Übergabe hat der Kollege gemacht damals.“ Götzl: „Wann hat die Übergabe stattgefunden?“ Ar.: „An dem Tag der Abholung, an dem Oktobertag: Ich glaube, der 19. Weiß es nicht mehr ganz genau.“ Götzl: „Der Abschluss des Vertrages, wann hat der stattgefunden?“ Ar.: „Das war eine gewisse Zeit vorher.“

Götzl möchte wissen, um welches Fahrzeug es sich gehandelt habe. Das sei ein großes Fahrzeug gewesen, für sechs Personen, so Ar. Götzl: „Können Sie die Personen etwas näher dann auch beschreiben, die vorgesprochen haben?“ Ar.: „Dazu kann ich wirklich nichts mehr sagen. Ich habe die Aussage damals gemacht, als es noch frisch war, aber kann ich nicht mehr nach der Zeit.“ Götzl fragt, ob Ar. zum Thema Urlaub Näheres erfahren habe. Ar.: „Ich denke, wir hatten darüber gesprochen, wo es hingehen soll. Die Reise sollte irgendwo nach Deutschland gehen.“ Götzl: „Haben Sie eine Erinnerung, für welchen Zeitraum das gemietet werden sollte?“ Ar.: „Dachte, 14 Tage.“ Götzl: „Zahlungsmodalitäten, Kaution: Was ist da gesprochen worden, vereinbart worden? Wie wurde das ggf. abgewickelt?“ Ar.: „Bezahlung war damals, so wie ich es in Erinnerung habe, alles in Bar. Aber das ist bei uns nicht unüblich.“

Götzl fragt, ob Ar. zur Personenbeschreibung keine Erinnerung mehr habe. Ar.: „Schwierig. Mann und Frau. Weiß ich nicht, beide dunkle Haare und kamen mir wie ein Paar vor. Ich habe damals auch ausgesagt, dass es eindeutig ein Pärchen war.“ Auf Nachfrage sagt Ar.: „Waren sich sehr vertraut, würde ich sagen. Ich kann nicht sagen, ob Händchen gehalten oder irgendwas.“ Götzl fragt, ob Ar. eine Beobachtung gemacht habe, wie die beiden damals in die Firma gekommen seien. Ar.: „Die kamen mit dem Auto.“ Götzl: „Zum Aussehen, Größe Statur, Kleidung, können Sie dazu etwas sagen?“ Ar.: „Was ich, nicht hundertprozentig sicher, noch weiß: Schlanke Frau, dunkel gekleidet und ein recht sportlicher Mann dazu.“ Götzl fragt, was damit gemeint sei. Ar.: „Schlank.“ Auf Frage nach dem Alter sagt Ar.: „Mitte, Ende 30 vielleicht.“ Götzl: „Beide?“ Ar.: „Würde ich jetzt so sagen, ja.“ Götzl fragt nach der Größe. Ar.: „Die Frau vielleicht so groß wie ich, 1,72, 1,74, wenn ich das noch in Erinnerung habe. Und der Mann war größer.“ Zur Frisur sagt sie: „Also, er hatte ganz kurze dunkle Haare und sie lange dunkle Haare, weiß aber nicht mehr, ob offen oder zum Zopf getragen.“

Götzl fragt nach der Kleidung. Ar.: „Also, ich denke, sie hatte damals einen dunklen Rock an oder ein Kleid und Stiefel dazu, das weiß ich noch. Aber was er anhatte, kann ich wirklich nicht mehr sagen.“ Götzl fragt, was Ar. von der Abholung mitbekommen habe. Ar.: „Das läuft so ab, dass der Kunde kommt, er kriegt die Rechnung über die gezahlte Miete, hinterlegt die Kaution, die quittieren wir, dann schicken wir sie an das Fahrzeug, wo der Kollege die Einweisung macht. Das ist eine Sache von 5 bis 10 Minuten bei uns vorne am Tresen.“ Auf Frage, wer aus der Firma bei der Abholung des Wohnmobils da gewesen sei, nennt Ar. Herrn K. (54. Verhandlungstag). Götzl fragt, ob beide Personen bei der Abholung da gewesen seien, sagt Ar.: „Ja. Ob jetzt beide bei der Übergabe teilgenommen haben, weiß ich leider nicht.“ Götzl: „Was haben Sie denn jetzt bei der Abholung beobachtet, vom Ablauf?“ Ar. sagt, sie habe nichts weiter beobachtet, die Abholung sei hinterm Haus, da habe sie keine Einsicht; beide seien zur Tür raus, ob beide zum Fahrzeug gegangen seien oder einer weggefahren sei, wisse sie nicht.

Sie bejaht, dass ihr von der Polizei Lichtbilder gezeigt worden seien. Sie sei zweimal vernommen worden, so Ar. auf Frage. Sie bejaht, jemanden erkannt zu haben. Es folgt eine Inaugenscheinnahme. Ar.: „Die Bilder habe ich schon mal gesehen und hier habe ich damals Bild 02 erkannt und hier das Bild 8.“ [vermutlich Böhnhardt und Zschäpe]Die Zeugin nimmt wieder Platz. Götzl: „Wann war die Vernehmung?“ Ar.: „Die war Anfang November.“ Vorhalt: Es war am 14.10.2011.  Götzl sagt, hier werde ein konkretes Datum genannt. Ar.: „Den Durchschlag vom Mietvertrag hatten wir ja vorliegen.“ Vorhalt: Sie wollten ein Wohnmobil mieten; es sollte etwas größer sein, weil sie nochmal Urlaub machen wollten; ich habe gefragt wohin es gehen soll, worauf sie sagten, das sei nicht bekannt. Ar.: „Dachte, es war Deutschland, aber, wie gesagt, ganz sicher nicht mehr.“ Vorhalt: Wir haben uns über den Mietzeitraum unterhalten; sie kamen etwas ins Schwanken und konnten keinen festen Termin nennen; erst hieß es 21.10., aber die männliche Person wusste nicht, ob sie noch arbeiten muss, ob ein späterer Zeitpunkt favorisiert wird. Ar.: „Kann sein. Ist bei uns nicht unüblich, dass die Miete mal um eins, zwei Tage nach vorne oder hinten verschoben wird.“

Vorhalt: Tag der Übernahme: 25.10.11. Ar.: „Kann sein, dass das der Tag war.“ Götzl fragt, ob Ar. das damals bei der Vernehmung noch habe nachvollziehen können. Ar.: „Ja, war ja kurz drauf.“
Vorhalt: Ich habe noch die Kaution in Höhe von 1.000 Euro kassiert und problemlos bekommen. Ar.: „Ja.“ Auf Frage sagt Ar., das seien zwei 500-Euro Scheine gewesen. Vorhalt: Anfügen möchte ich noch, dass die beiden Kunden diesmal in den Verkaufsraum mit einem Kind gekommen sind. Ar.: „Ja, es war ein Kind dabei, aber mehr kann ich dazu nicht mehr sagen.“ Götzl fragt nach dem Alter. Ar. sagt, das könne sie nicht mehr sagen. Götzl fragt, ob es ein Mädchen oder ein Junge gewesen sei. Ar.: „Ein Mädchen.“ Götzl: „Wissen Sie, was das Kind gemacht hat?“ Ar.: „Nein, das hat gespielt bei uns. Wir hatten einen kleinen Wohnwagen im Verkaufsraum stehen und da war definitiv Bewegung drin.“ Vorhalt: Sagen möchte ich auch gleich, dass die Frau und das Kind schon vor der Übergabe des Wohnmobils an den Kunden weggefahren sind, dies geschah mit dem Fahrzeug, womit sie hergefahren sind. Ar.: „Ja, wie gesagt, das war zwei Wochen, drei Wochen später. Da konnte ich mich gut erinnern.“ Mittlerweile könne sie das nicht mehr.

Vorhalt: Ich war dann in der Folge nicht weiter hier im Haus tätig und habe am Freitag, den 04.11.2011 erfahren, dass der Herr Gerlach angerufen hätte und die Mietzeit verlängert hätte, erstmal bis Montag und evtl. bis zum 11.11. Ar. sagt, das könne sie ganz genau nicht mehr sagen. Vorhalt: Männliche Person, Alter ca. 30 bis 35, 180, 185 cm, Haare kurz, Stoppelfrisur, dunkelbraun bis schwarz, sportlich … eine Tätowierung gesehen. Ar.: „Ja.“ Götzl fragt nach der Sprache: „Es war kein Dialekt von uns, das weiß ich noch.“ Vorhalt: Weibliche Person: ca. 30 bis 35, ca. 170 bis 175 cm, Gestalt: Schlank, attraktiv, dunkles mittellanges Haar, dunkelbraun bis schwarzes Haar, etwa schulterlang, etwas stufig geschnitten, Spitzen berührten leicht die Schultern, offen getragen; Meinung, dass die Haare gefärbt waren. Ar.: „Könnte ich jetzt so bejahen, dass ich es gesagt habe, aber genau nicht.“ Vorhalt: Trug Ohrringe, meine silberne, konkretere Angaben kann ich nicht machen. Götzl: „Kommt eine Erinnerung zurück?“ Ar.: „Nein.“

Vorhalt: Wimperntusche, Lippenstift, dezente Farben; Oberbekleidung: Denke, dass sie einen Mantel getragen hat, was darunter war, habe ich nicht gesehen, ein dunkler schwarzer Mantel, etwa bis zu den Knien; blondes Mädchen, ca. 4 bis 5 Jahre, ca. 1,10 Meter groß. Ar.: „Kann sein. Wie gesagt, weiß ich jetzt wirklich nicht mehr.“ Götzl fragt, ob sich das Kind mit einer der Personen unterhalten habe. Ar.: „Ich glaube, mit ihr, aber was weiß ich nicht mehr.“ Vorhalt: Das Mädchen hatte längere blonde Haare, vielleicht Zöpfe; die Haare waren, konkreter gesagt, hellblond-wellig: zur Länge kann ich nichts sagen; das Mädchen trug zudem eine Mütze, dazu kann ich keine weiteren Angeben machen; gehört habe ich noch, wie das Kind zur Frau „Mama“ gesagt hat. Ar.: „Kann sein, wie gesagt, da kann ich mich jetzt nicht mehr dran erinnern.“

Vorhalt aus dem Protokoll vom 10.12.11: Ich bin konkreter der Meinung, dass das Mädchen vielleicht 4 oder 5 Jahre alt war, das Mädchen war vielleicht reichlich 1 Meter groß, normale Gestalt, nicht dünn oder dick, richtig blonde Haare, reichten bis unter die Schulter, meine ich mich zu erinnern, weil links und rechts ein Zopf gebunden, in der Nacht Lichtbilder vorgelegt bekommen von Kindern, beim besten Willen nicht festlegen, das ist dieses oder jenes Mädchen gewesen, dass ich dort gesehen habe. Vorhalt aus dem Protokoll vom 22.5.12: Blondes Mädchen mit längeren Haaren, in der Zeit als die nun als Beate Zschäpe bekannte Person in … auf, Spielecke, nicht weiter drauf geachtet; denke noch nicht schulpflichtig, denke 4 oder 5 Jahre, mein Sohn jetzt 3 und das Mädchen war etwas älter; ich glaube mich zu erinnern, dass das Kind zu der Frau ein engeres Verhältnis hatte, ich denke sogar, das Kind hat „Mama“ zu der Frau gesagt. Ar. sagt, das wisse sie jetzt nicht mehr. Götzl hält vor, dass Ar. angegeben habe, dass sie schon gedacht habe, dass der Mann und die Frau ein Paar waren. Götzl fragt, ob sich Ar. jetzt erinnere, dass es nochmal eine Lichtbildvorlage gab, was die Zeugin bejaht. Götzl fragt, ob Ar. da ein Kind erkannt habe. Ar.: „Nein, ich dachte nicht.“ Es folgt die Mittagspause bis 13:08 Uhr.

RA Grasel: „Sie haben angegeben, dass sowohl Anzahlung, als auch Miete und Kaution geleistet wurden. Können Sie sagen, von wem das Geld übergeben wurde?“ Ar.: „Ich kann es nicht mehr genau sagen, aber ich dachte, er war das.“ RA Stahl: „Wissen Sie noch, was Sie in der polizeilichen Vernehmung gesagt haben, wer den Mietvertrag gemacht hat und wer gezahlt hat?“ Ar.: „Den Mietvertrag hat er gemacht, deswegen habe ich auch seine Daten genommen.“ Stahl fragt, ob es beide Male die gleichen Personen gewesen seien. Ar.: „Ja.“ Auf Frage, ob die beim ersten Mal mit Auto da gewesen seien, sagt Ar.: „Wenn ich es so ausgesagt habe, ja.“ Auf Frage, ob die beim zweiten Mal auch mit Auto da gewesen seien, sagt Ar., das wisse sie nicht, aber es sei sicher so gewesen. Auf Frage sagt Ar., dass das Auto definitiv nicht da geblieben sei. Stahl: „Wissen Sie, wer mit dem Auto weggefahren ist oder wer das Wohnmobil gefahren hat?“ Ar.: „Weiß ich heute nicht mehr.“

NK-Vertreterin RAin Kaniuka: „Sie hatten gesagt, auf die Frage des Vorsitzenden nach der Sprache der Person: Kein Dialekt von uns. Haben Sie das auf den Mann oder auf beiden bezogen?“ Ar.: „Auf den Mann.“ Kaniuka: „Wie war es bei der Frau?“ Ar.: „Bin ich mir nicht mehr sicher. Ich dachte, sie hatte etwas Dialekt, aber ich kann es wirklich nicht mehr mehr sagen.“ Kaniuka: „Dialekt in welche Richtung?“ Ar. sagt, sie habe damals noch etwas dazu gesagt, aber sie habe viele Kunden gehabt in den letzten Jahren. Vorhalt: Dass dieser meiner Meinung nach ostdeutsch war; ich möchte einschätzen, nicht aus dem hiesigen Raum, Besonderheiten sind mir nicht aufgefallen, angenehme Stimme. Ar.: „Wenn ich das so gesagt habe, dann ist das so richtig.“ Richter Götzl fragt nach der Entfernung von Schreiersgrün nach Zwickau. Ar.: „Circa 35 km.“

RA Stahl macht einen Vorhalt aus einer Vernehmung von Ar.: Sagen möchte ich auch gleich, dass die Frau und das Kind schon vor der Übergabe des Wohnmobils an den Kunden weggefahren sind, dies geschah mit dem Fahrzeug, womit sie hergefahren sind. Ar.: „Dann wird das so stimmen.“ Aber ein Bild davon komme ihr jetzt nicht mehr; sie hätten so viele Kunden, da müsse sie sich nicht an jedes Detail erinnern. Nachdem die Zeugin entlassen ist gibt RA Stahl eine Erklärung ab: Unterstellt, die Zeugin Ar., wovon wohl der GBA ausgeht, hat vermeintlich Frau Zschäpe wiedererkannt, die bei Anmietung und Abholung dabei gewesen sein soll, ergibt sich eine Diskrepanz zu der Frage, wer das Geld des Trios verwaltet hat, weil wohl klar sein muss, dass weibliche Person weder Miete noch Kaution gezahlt hat. Einer andere Diskrepanz ergibt sich bei der Frage, ob Frau Zschäpe die gewesen sein kann, die mit dem Fahrzeug weggefahren ist, zu der bisher nicht getroffenen Feststellung, ob sie in der Lage ist, ein Fahrzeug zu fahren oder einen Führerschein hat.

Es folgt die Einvernahme des Zeugen Schenke. Götzl: „Es geht uns um, ja, Erkenntnisse, Informationen zum einen zu André Eminger. Dann geht es auch um Kontakte im Hinblick auf Herrn Mundlos, Herrn Böhnhardt, Frau Zschäpe, zu Matthias Dienelt. Ich würde Sie bitten, zunächst mal zu schildern, ob Sie sie kannten, gegebenenfalls woher, wie lange.“ Schenke: „Also, André Eminger, kenne ich aus der Schule. Kontakt, keine Ahnung, in den letzten zehn Jahren eigentlich so gut wie gar nicht. Dienelt kenne ich, naja, auch aus der Schule und wir sind halt Kumpels.“ Er verneint, die weiteren Personen, die Götzl genannt hat, zu kennen. Götzl bittet Schenke, den Verlauf des Kontakts zu André Eminger zu schildern, wie intensiv der gewesen sei. Schenke: „Früher sind wir halt öfter zusammen in die Disko gefahren, und das aber seit 15 Jahren oder was nicht mehr.“ Götzl: „Ja, wie war denn jetzt der Kontakt in den letzten 15 Jahren?“ Schenke: „Sporadisch, ab und zu mal, alle vier, fünf Jahre mal gesehen.“ Götzl fragt, bei welchen Gelegenheiten: Schenke: „Durch einen dummen Zufall mal in der Disko. Auf einer Demo. Und sonst gar nicht.“

Götzl fragt, welche Demos das gewesen seien. Schenke: „Es war mal eine Demo gegen das, naja gut, gegen das Asylantenheim in Schneeberg.“ Götzl fragt, wann diese Demo etwa gewesen sei. Schenke: „Voriges Jahr im November, Dezember.“ Götzl fragt, was Schenke zu Dienelt sagen könne. Schenke: „Wir sind Freunde und treffen uns ab und zu mal.“ Er bejaht, die vorhin genannten Personen Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe aus der Presse zu kennen. Götzl: „Haben Sie die Berichterstattung verfolgt?“ Schenke: „Stellenweise ja.“ Auf Frage, wann er das erste Mal darauf aufmerksam geworden sei, sagt er: „Als es in den Nachrichten kam.“ Auf Nachfrage, wann das etwa gewesen sei, sagt er: „Keine Ahnung, 2011, 2010, so irgendwo da. Weiß ich nicht genau, wann das dann in der Presse halt rumging.“ Götzl: „Haben Sie im Anschluss an die Berichterstattung da dann mal Kontakt mit André Eminger gehabt?“ Schenke: „Nein.“ Götzl: „Zu Dienelt?“ Schenke: „Ja.“

Götzl: „Erzählen Sie!“ Schenke: „In den Nachrichten kam, dass in Zwickau ein Haus abgebrannt wäre, und dass der Mieter oder Vermieter der Matthias Dienelt gewesen wäre. Ich habe gefragt, ob er das war, hat er gesagt: Ja.“ Götzl: „Hat er Näheres erzählt?“ Schenke: „Nein.“ Götzl: „Haben Sie sich im weiteren Verlauf mal mit ihm über das Thema unterhalten?“ Schenke: „Nein.“ Götzl fragt, wie häufig sich Schenke und Dienelt gesehen hätten. Schenke: „So alle drei, vier Monate.“ Götzl fragt nach den Gelegenheiten. Schenke: „Mal zum Grillen, um Bier zu trinken, meinen Geburtstag feiern.“ Götzl: „Und es ist nie über diesen Vorwurf gesprochen worden oder die Information?“ Schenke: „Er wollte nicht drüber reden und ich wollte es nicht wissen.“ Götzl: „Können Sie erklären, warum Sie es nicht wissen wollten?“ Schenke: „Weil, wenn ich mich hier so umschaue, genug Leute es wissen wollten. Er musste zu dem Zeitpunkt, glaube ich, genug Fragen beantworten.“ Götzl sagt, Schenke solle das mal erklären. Schenke: „Er hat ja nun genug Aussagen bei der Polizei und alles gemacht und war, glaube ich, ein halbes Jahr auch in U-Haft und da wollte ich ihn nicht noch extra noch fragen.“ Götzl: „Woher hatten Sie diese Informationen?“ Schenke: „Aus den Nachrichten, weil bei ihm ein Sondereinsatzkommando eingestiegen ist. Das kam überall im Fernsehen.“ Götzl fragt, ob Schenke sagen wolle, dass er das nur aus den Nachrichten wisse. Schenke: „Ja.“ Götzl: „Nicht von ihm?“ Schenke: „Nein.“

Schenke verneint, Dienelt in der Haft besucht zu haben. Götzl: „Wie haben Sie erfahren, dass er wieder auf freiem Fuß ist?“ Schenke: „Von einem Kumpel.“ Götzl fragt, ob das nicht angesprochen worden sei danach. Schenke, er habe gefragt, aber es sei nicht wirklich beantwortet worden. Götzl: „Wann hatten Sie den letzten Kontakt zu Matthias Dienelt?“ Schenke: „Am Sonntag.“ Götzl: „Haben Sie mit ihm darüber gesprochen, dass Sie heute hier als Zeuge erscheinen müssen?“ Schenke: „Ich habe ihm das gesagt.“ Götzl: “ Was hat er dazu gesagt?“ Schenke: „Er hat mir viel Spaß gewünscht.“ Götzl: „Haben Sie sonst über Punkte gesprochen, im Hinblick auf Angaben bei der Polizei?“ Schenke: „Nee, es ging bei dem Besuch um seine Tochter, weil er Vater geworden ist.“ Götzl: „Bei diesem Telefonat, das Sie damals geführt hatten mit Dienelt, haben Sie da etwas erfahren, wie er sich dann verhalten hat oder wie er sich verhält, ob er Angaben macht?“ Schenke: „Nein, er hat bloß gesagt, dass er mit seinem Anwalt schon bei der Polizei gewesen wäre.“ Götzl: „Hat er erläutert, warum?“ Schenke: „Nein.“ Götzl: „Hat er gesagt, wie es dazu kam, dass er Vermieter dieser Wohnung gewesen sei?“ Schenke: „Nein, weiß ich nicht.“ Götzl: „Hat er etwas zu Herrn Eminger gesagt in dem Zusammenhang?“ Schenke: „Nein.“

Vorhalt aus dem Protokoll der Vernehmung von Schenke am 06.03.1012: Haben Sie Matthias Dienelt auf den Sachverhalt Wohnungsanmietung für das Trio angesprochen, nachdem Sie es aus der Presse erfahren hatten? – Ja, das war kurz nachdem ich es im Radio gehört habe. Ich war in München auf einer Baustelle. Ich rief ihn an und habe gefragt, ob er der Matthias D. gewesen sei, der das angemietet habe. Wir haben nicht lange telefoniert. Er sagte, dass er das sei. Er sagte, dass er schon mit seinem Anwalt bei der Polizei gewesen sei. Ich fragte weiter, wie das zusammenhing. Er sagte, er habe das mal angemietet, weil er mal darum gebeten wurde. Schenke: „Ja kann sein, weiß ich nicht mehr genau.“ Vorhalt: Ich bin davon ausgegangen, dass es sich um die Sache mit dem Herrn Eminger handelte. Die Leute, die er angeschleppt hat. Götzl: „Die ‚Sache mit Eminger, die Leute, die er da angeschleppt hat‘. Wissen Sie etwas dazu?“ Schenke: „Nein.“

Götzl: „Wie sind Sie überhaupt auf Dienelt gekommen?“ Schenke: „In den Nachrichten kam Matthias D. und Zwickau irgendwie, weiß es nicht mehr genau.“ Es sei im Radio ein Matthias D. im Zusammenhang mit einem Brand in Zwickau genannt worden. Götzl fragt, wie Schenke da auf Dienelt komme. Schenke: „Weil es wahrscheinlich nicht so viele Matthias D. gibt.“ Götzl: „Matthias ist sicher ein häufiger Vorname und D. auch kein seltener Familienname und die Kombination wahrscheinlich auch nicht. Ich versuche nur, ihre Gedankengänge nachzuvollziehen.“ Schenke: „Deswegen habe ihn angerufen und gefragt.“ Götzl: „War zu einem früheren Zeitpunkt mal von dem Anmieten einer Wohnung die Rede?“ Schenke: „Weiß ich nicht mehr.“ Götzl: „Was heißt denn das?“ Schenke: „Kann sein, dass mal die Rede war, aber ich weiß es nicht.“ Götzl: „Aufgrund welcher Umstände kommen Sie zu: Kann sein?“ Schenke: „Es ist 15 Jahre her. Es ist möglich.“

Vorhalt: Was wissen Sie über Kontakte des Matthias Dienelt nach Zwickau? – Dass er irgendwann für irgendwen eine Wohnung dort angemietet hat. Götzl: „Was sagen Sie dazu?“ Schenke: „Weiß ich nicht mehr.“ Götzl: „Haben Sie das gesagt?“ Schenke: „Wenn es da drin steht, wahrscheinlich.“ Götzl: „Die Vernehmung war am 06.03.2012. Das ist nicht so ewig lange her.“ Schenke: „Ich weiß es trotzdem nicht mehr.“ Vorhalt: Ich meine, das ging von Herrn Eminger aus, damit meine ich André Eminger; der hat Matthias angesprochen und gesagt, dass er irgendwelche Kameraden habe, die wegen Schulden Ärger bei der Bank haben und keine Wohnung selbst mieten konnten. Schenke: „Möglich.“ Götzl: „Was können Sie dazu sagen?“ Schenke: „Nichts.“ Götzl: „Was jetzt hier steht, das sagt Ihnen nichts?“ Schenke: „Nein.“ Götzl: „Ja, und wenn hier steht: ‚Kameraden, die wegen Schulden Ärger mit der Bank haben und keine Wohnung selbst mieten konnten.‘? Das ist ja eine ganze Reihe von Informationen, die hier im Protokoll steht. Und Sie selbst sagen: Wenn es hier steht, dann habe ich es wohl gesagt.“ Schenke: „Muss ich ja wohl.“

Götzl: „Haben Sie eine Erinnerung, dass Dienelt ihnen mal was erzählt hat über Eminger, dass der ihn angesprochen hat?“ Schenke: „Schon möglich. Ich weiß es nicht, ist schon 15 Jahre her.“ Götzl: „Sagen Sie mal, was Sie in Erinnerung haben!“ Schenke: „Wahrscheinlich ziemlich das, was da drin steht.“ Götzl: Sagen Sie es mir selbst.“ Schenke: „Ich will nur vermeiden, dass mir jedes Wort im Mund rumgedreht wird.“ Götzl: „Ich will Ihnen nichts im Mund rumdrehen, sondern wissen, was Sie wissen.“ Schenke: „Schon möglich, dass da irgendwann mal was war, aber ich weiß es nicht mehr.“ Auf Nachfrage sagt Schenke: „Dass irgendwer mal irgendwen angesprochen hätte wegen einer Wohnung. Aber ich weiß es nicht mehr.“ Götzl fragt, wo die gelegen habe. Schenke: „Ich glaube, es war in Zwickau.“

Götzl: „Wer hat mit wem gesprochen?“ Schenke: „Glaube, Herr Eminger mit Herrn Dienelt, aber ich weiß es nicht genau.“ Götzl: „Woher stammt die Information?“ Schenke: „Das weiß ich nicht mehr.“ Götzl: „Haben Sie mit Herrn Dienelt über das Thema gesprochen?“ Schenke: „In den letzten Jahren nicht, nee.“ Götzl: „Früher?“ Schenke: „Weiß ich nicht mehr.“ Götzl: „Was heißt: in den letzten Jahren?“ Schenke: „Da die Information da drin steht, muss ich ja mal mit ihm gesprochen haben, aber wann das war, weiß ich nicht mehr.“ Götzl hält nochmal den Teil mit den „Kameraden“, die Ärger mit der Bank wegen Schulden hätten, vor. Schenke: „Würde ich auch machen, wenn mich ein Kamerad drum bittet.“ Götzl: „Mich interessiert, ob das Gesprächsthema war und was gesagt wurde.“ Schenke: „Das weiß ich nicht mehr.“ Götzl: „Wie sah es denn überhaupt mit Kontakten Matthias Dienelts nach Zwickau aus?“ Schenke: „Das weiß ich nicht.“ Götzl: „Wie würden Sie denn überhaupt Ihren Freundschaftsgrad zu Matthias Dienelt einordnen?“ Schenke: „Heute? Wir sind gute Freunde, sehen uns aber trotzdem bloß alle drei, vier Monate.“ Götzl: „Wie gut?“ Schenke: „Richtig gut.“

Götzl: „Sagt Ihnen WBE etwas?“ Schenke: „Ja.“ Götzl: „Was?“ Schenke: „Dass ich mal Mitglied war.“ Götzl: „Wann?“ Schenke: „Keine Ahnung, ’98 bis etwa 2000.“ Götzl: „Wer war noch Mitglied?“ Schenke: „Die meisten Namen kenne ich nicht mehr. Weil ich zu den ganzen Leuten so gar keinen Kontakt mehr habe.“ Götzl: „Kein einziger Name?“ Schenke: „Matthias D., André E., Maik E.“ Götzl fragt, warum Schenke Abkürzungen nenne, er solle die Namen vollständig nennen. Schenke: „Ach so.“ Götzl: „Ich werde etwas ungeduldig mit Ihnen, Sie sollten nicht meine Geduld strapazieren. Verstehen wir uns richtig? „Schenke: „Ja.“ Dann sagt er: „André Eminger, Maik Eminger, Matthias Dienelt. Und, wie er mit vollem Namen heißt, weiß ich nicht: Kösch [phon.]. Max, weiß nicht, wie er mit vollem Namen heißt. Mehr fallen mir jetzt nicht ein.“ Götzl: „Was bedeutet das, Mitglied in der WBE zu sein?“ Man habe „schicke T-Shirts“ gekriegt und ein „Ärmelband“ für die Bomberjacke, das sei ein Aufnäher. Götzl fragt, von wem man das bekommen habe. Sie hätten zusammen bestellt, so Schenke. Götzl: „Worum ging es denn der WBE?“ Schenke: „Für mich? Irgendeine Gruppenzugehörigkeit.“ Götzl: „Irgendeine?“ Schenke: „Ner rechten Gruppe.“ [leicht fragend]Götzl: „Erzählen Sie mal! Lassen Sie es sich nicht aus der Nase ziehen. Ich muss andauernd nachfragen. Merken Sie denn das nicht, dass jeder Satz wieder Fragen aufwirft? Die Fragen sind doch nicht kompliziert. Inwiefern war das für Sie bedeutsam, dass es eine rechte Gruppe war?“ Schenke: „Weil wir zu dem Zeitpunkt alle rechts waren. Und da lag das nah.“

Götzl fragt, warum Schenke ausgeschieden sei. Schenke: „Wegen meiner damaligen Freundin. Die war links und ihr hat es nicht gefallen.“ Götzl: „Worum ging es der WBE?“ Schenke: „Für mich ging es eigentlich bloß, wenn wir in die Disko gegangen sind, man macht viel mehr Eindruck, wenn man mit, was weiß ich, zehn Mann da rein geht und wir sehen alle gleich aus.“ Götzl: „Inwiefern war das von Bedeutung?“ Schenke: „War gut fürs Ego.“ Götzl: „Inwiefern?“ Schenke: „Man fühlte sich gleich viel größer.“ Götzl: „Können Sie Dienelt etwas beschreiben: Einstellung, Charakter, Art?“ Schenke: „Ein sehr korrekter Mensch. Manchmal cholerisch.“ Götzl fragt, was mit „sehr korrekt“ gemeint sei. Schenke: „Dass es, ja, z. B. hat er mal zugeschaut, wie ich die Hucke vollgekriegt habe, weil ich angefangen habe.“ Götzl fragt nach der Charakterisierung „cholerisch“. Schenke: „Er schreit halt gern im Auto.“

Götzl bittet Schenke, André Eminger zu beschreiben. Wo sie noch öfter Kontakt gehabt hätten, hätten sie tatsächlich bloß Kontakt in der Disko gehabt, so Schenke; sie hätten sich kurz davor getroffen, seien in die Disko, hätten getrunken und seien dann nach Hause gefahren. Götzl fragt nach dessen Rolle bei der WBE. Schenke: „Meines Wissens normales Mitglied.“ Götzl: „Gab es noch etwas anderes als normales Mitglied?“ Schenke: „Nicht so richtig, weil sonst wäre es nicht auseinander gegangen. Es gab keine richtige Führungsebene.“ Götzl: „Wie war die Struktur, können Sie das näher erklären? Wer hat sich um Organisatorisches gekümmert?“ Schenke: „Das war, glaube ich, der Maik Eminger.“ Götzl: „Was wissen Sie denn?“ Schenke: „Wir haben uns einmal im Monat getroffen, dann ist das mehr in Smalltalk ausgeartet und dann sind wir wieder jeder seiner Wege gegangen.“ Götzl fragt, wie die Treffen ausgemacht worden seien. Schenke: „Da hat jeder jeden angerufen.“ Götzl: „Was ist dann dabei rausgekommen, wenn jeder jeden anruft?“ Schenke: „Meistens nichts Genaues.“ Götzl: „Sie sagen doch, Sie hätten etwas unternommen.“ Schenke: „Wir haben uns einmal im Monat getroffen. In verschiedenen Kneipen.“ Götzl: „Wer hat das organisiert?“ Schenke: „Einer hat angefangen anzurufen und der hat den nächsten angerufen.“ Götzl: „Wer hat angefangen?“ Schenke: „Weiß ich nicht mehr.“ Götzl fragt, ob es Beiträge gegeben habe. Schenke: „Keine Ahnung.“ Götzl: „Maik Eminger, welche Rolle hatte der?“ Schenke: „Das weiß ich nicht mehr.“ Es folgt eine Pause bis 14:31 Uhr.

Danach fragt Götzl, ob er es richtig verstanden habe, dass Schenke gesagt habe, dass Dienelt keinen Bezug zu Zwickau hatte. Schenke: „Das weiß ich nicht, ob er Bezug noch hatte nach Zwickau.“ Götzl: „Sie hatten aber auch gesagt, dass Sie im Zusammenhang mit der Berichterstattung von Matthias D. in Zwickau gehört hätten, wie kommt da der Bezug zustande?“ Schenke: „In den Nachrichten kam, dass in Zwickau ein Haus abgebrannt war und ein Matthias D. involviert wäre.“ Götzl: „Wie kommen Sie denn dann darauf, dass D. Dienelt bedeutet, wenn er keinen Bezug zu Zwickau hat?“ Schenke: „Das wusste ich ja nicht, deswegen habe ich ihn ja angerufen und gefragt.“ Götzl: „Das ist das eine, aber die Frage ist: Wie kommen Sie auf Dienelt?“ Schenke: „Einfach so.“

Götzl: „Hat Herr Eminger mal bei Ihnen gewohnt?“ Schenke: „Nein.“ Götzl fragt, ob Eminger Schenke mal Briefe habe zukommen lassen, die für ihn selbst bestimmt gewesen seien. Schenke: „Er kam auf mich zu und hat gefragt, ob er einen Brief auf meine Adresse zustellen kann, da es seine Mutter nicht erfahren sollte.“ Götzl: „Können Sie das näher erläutern?“ Schenke: „Das weiß ich nicht. Ich habe bloß einen Brief bekommen und den habe ich ihm halt dann ausgehändigt.“ Götzl: „Was sollte seine Mutter nicht erfahren?“ Schenke: „Das mit dem Brief. Weiß nicht, was der Zusammenhang war, dass das seine Mutter nicht erfahren sollte. Da habe ich ihm gesagt, er kann den Brief an meine Adresse schicken lassen.“ Götzl fragt, ob Schenke erfahren habe, worum es in dem Brief geht. Schenke: „Nein, der wurde mir bloß dann bei beim Verhör mal vorgelegt. Muss wohl eine Abrechnung für eine Wohnung gewesen sein.“ Götzl: „Bei der Vernehmung wurde der Brief vorgelegt? Wann war denn das?“ Schenke: „Das Jahr weiß ich nicht mehr.“ Götzl: „Etwa?“ Schenke: „Keine Ahnung, 2000 rum. Kann auch ’98 gewesen sein, ich weiß es nicht mehr so genau.“

Dann folgt eine Inaugenscheinnahme zweier Blätter der „Wohnungsgenossenschaft Einheit Chemnitz“. Schenke: „Könnte sein, weiß ich nicht, ob der das war.“ Götzl sagt, da stehe das Jahr 2000. Schenke: „Das wurde mir bei der Polizei vorgelegt.“ Götzl: „Beide?“ Schenke: „Weiß ich nicht, möglich.“ Götzl: „Haben Sie so was mal bekommen?“ Schenke: „Ich selber? Nee.“ Götzl: „Wo haben Sie denn 2000 in dem Zeitraum gewohnt?“ Schenke: „2000? Glaube, noch bei meiner Mutter.“ Er nennt die Adresse. Götzl hält eine andere Adresse in der Christian-Friedrich-Röder-Straße in Johanngeorgenstadt vor. Schenke: „Das ist meine Wohnung gewesen, nach dem Bund, 2000 etwa.“ Götzl: „Und an welche Adresse haben sie was bekommen?“ Schenke: „An meine Adresse, an meine Wohnung, also muss der Brief 2000 rum gekommen sein.“ Götzl sagt, die Blätter würden beide die Adresse „Herr und Frau Eminger, c/o Marcel Schenke“ in der Christian-Friedrich-Röder-Straße tragen: „Deswegen die Frage: Haben Sie ein oder zwei Schreiben bekommen?“ Schenke: „Glaube eins.“ Götzl: „Was haben Sie damit gemacht?“ Schenke: „An André Eminger weitergegeben.“ [leicht fragend]Auf Frage, bei welcher Gelegenheit er das getan habe, sagt Schenke: „Weiß ich nicht mehr. Bei nächster Gelegenheit, wo ich den getroffen hatte.“ Er verneint, etwas über den Inhalt erfahren bzw. danach gefragt zu haben.

Vorhalt aus Schenkes Vernehmung am 06.12.2011: Der Matthias war vor drei Wochen bei mir zu Hause beim Grillen, ich glaube es war der 12. November. – Wie lange war er bei Ihnen? – 5 bis 6 Stunden. – Haben Sie über die Ereignisse in Zwickau gesprochen – Nein, die haben wir absichtlich ausgeschlossen, weil das überall im Fernsehen war. Götzl: „Über dieses Telefonat finde ich im Vernehmungsprotokoll nichts.“ Schenke: „Dann war es bei einer der nächsten Vernehmungen. Ich weiß es nicht.“ Götzl: „Ja die Frage ist, warum Sie nichts davon erwähnt haben.“ Schenke: „Weil ich nicht danach gefragt wurde.“ Götzl: „Das war am 06.12.2011! Und die Frage war: ‚Haben Sie über die Ereignisse in Zwickau gesprochen?'“ Schenke: „Nee.“ Götzl: „Deswegen: Gab es einen Grund, warum Sie das nicht erwähnt haben, das Telefonat in der ersten Vernehmung?“ Schenke: „Weil ich nicht danach gefragt wurde.“ Götzl: „Haben Sie denn zu dem Brief etwas gesagt, der für Herrn Eminger bestimmt gewesen wäre?“ Schenke: „Das weiß ich nicht, ob das bei der ersten Vernehmung war oder bei einer weiteren.“

Vorhalt: Aus bisherigen Ermittlungen ist bekannt, dass Post von Herrn Eminger an Ihre Anschrift zugestellt wurde. Welche Erinnerung haben Sie? – Keine. Schenke: „Weil ich mich nicht an jeden Brief erinnern kann, der irgendwann bei mir im Briefkasten landet.“ Vorhalt: Können Sie etwas aus Johanngeorgenstadt und über die Eminger-Brüder erzählen? – Nein und über die Eminger-Brüder möchte ich auch keine Aussage machen. Schenke: „Deswegen bin ich ja nochmal vorgeladen worden und dann wurde es ausführlich besprochen, das Ganze, nochmal.“ Götzl: „Gab es eine Grund, warum sie keine Aussagen machen wollten?“ Schenke: „Nein.“ Götzl: „Können Sie erklären, warum Sie dann keine Aussage machen wollten über die Eminger-Brüder?“ Schenke schweigt. Nach einer Weile sagt Götzl: „Dass sie unter Wahrheitspflicht stehen, muss ich, denke ich, nicht wiederholen. Ich rufe das einfach nochmal in Erinnerung.“ Wieder sagt Schenke nichts.

Dann macht Götzl einen Vorhalt aus dem Protokoll einer weiteren Vernehmung vom 17.12.2011: Wie lange haben Sie Briefe für Herrn Eminger entgegengenommen? – Das weiß ich nicht genau, aber nicht lange und es waren auch nicht viele Briefe. Götzl: „Hier ist also von Briefen die Rede.“ Schenke: „Vielleicht waren es auch zwei, ich weiß es nicht mehr.“ Vorhalt: Möchten Sie zu der Aussage, dass Sie mit Dienelt nicht über den Sachverhalt aus den Medien gesprochen haben, noch etwas ergänzen? – Nein, wir haben einen gemütlichen Abend verbracht, Matthias hat mir zu verstehen gegeben, dass er über die Sache nicht reden will und dann habe ich nicht nachgefragt. Götzl: „Auch hier findet sich nichts von dem Telefonat, das kommt dann erst im März. Warum haben Sie da am 17.12. nichts davon gesagt?“ Schenke: „Weil ich nicht danach gefragt wurde. Ich wurde gefragt nach dem Abend.“ Götzl sagt, er habe es ja vorgelesen und im Protokoll finde sich keine Beschränkung der Frage auf den Abend. Vorhalt: Möchten Sie zu der Aussage, dass Sie mit Dienelt über den Sachverhalt nicht geredet haben, etwas ergänzen? Schenke: „Ja aber nur zu dem Abend. Wir haben auch nicht über den Sachverhalt geredet, ich habe nur gefragt, ob er das war.“

Götzl: „Ich sage nur noch einmal: Ich habe Sie belehrt. Wenn Sie etwas verschweigen, dann machen Sie sich einer Falschaussage schuldig.“ Götzl sagt, Schenke könne als Zeuge schon ersehen, ob etwas zu einem bestimmten Thema gehört oder nicht, es müsse nicht immer ausdrücklich danach gefragt werden: „Wenn klar ist, dass es um bedeutsame Umstände geht, müssen Sie das darlegen, sonst verschweigen Sie unter Umständen einen wichtigen Aspekt. ‚Möchten Sie zu der Aussage, dass Sie mit Dienelt nicht über den Sachverhalt gesprochen haben, etwas ergänzen?‘ Da wäre doch Gelegenheit gewesen, auf das Telefonat einzugehen.“ Schenke: „Offensichtlich habe ich das so verstanden, dass sie mich bloß auf den Abend angesprochen haben.“ Götzl: „Gab es denn so etwas öfters, dass Sie Briefe angenommen haben unter Ihrer Anschrift von anderen Personen?“ Schenke: „Nein.“

NK-Vertreterin RAin Lunnebach fragt nach zum Grillabend am 12.11.2011: „Und jetzt war ja kurze Zeit vorher relativ viel in den Medien berichtet worden über den Brand in Zwickau. Wer hat denn mit wem über diesen Brand gesprochen?“ Schenke: „Da haben wir gar nicht drüber geredet.“ Lunnebach: „Weder Sie mit Herrn Dienelt noch sonst irgendeiner?“ Schenke: „Richtig.“ Lunnebach: „Wenn ich Ihnen vorhalte, dass Dienelt am 06.11. vernommen worden ist bei der Polizei, wollen Sie aussagen, dass Dienelt über die Tatsache, dass er vernommen worden ist, nicht berichtet hat?“ Schenke: „Es ist möglich, dass er gesagt hat, dass er mit seinem Anwalt bei der Polizei war.“ Lunnebach: „Aber Sie sagten gerade, dass an diesem Grillabend nicht gesprochen worden ist.“ Schenke: „Richtig. Wahrscheinlich hat er es dann kurz erwähnt, aber das Eigentliche, was da abging, hat er nicht erwähnt.“ Lunnebach: „Was heißt wahrscheinlich?“ Schenke: „Dass er mit dem Anwalt bei der Polizei war und damit war das Thema gegessen.“ Lunnebach: „Ist das eine Erinnerung?“ Schenke: „Ja.“

Lunnebach: „Eben erzählten Sie noch was komplett anderes. Welche Erinnerung darf ich jetzt zugrundelegen?“Schenke: „Er hat wahrscheinlich gemeint, dass er mit seinem Anwalt bei der Polizei war, und dass er da nicht drüber reden will.“ Lunnebach: „Ich habe den Eindruck, dass Sie möglichst wenig sagen wollen. Ich erinnere Sie daran, dass Sie sich anstrengen und die Wahrheit sagen müssen. Ein sehr guter Freund wird am 06.11. von der Polizei vernommen und Sie wollten mir zunächst sagen, dass Sie darüber nicht gesprochen haben. Und jetzt doch. Also was haben Sie genau mit Dienelt besprochen?“ Schenke: „Ich weiß, dass wir das Thema ausgeklammert haben.“

Lunnebach: „Haben Sie mit Herrn Eminger über das, was am 04.11.2011 unter dem Stichwort NSU aufgeflogen ist, gesprochen?“ Schenke: „Nein.“ Lunnebach: „Bei der Demo haben Sie mit ihm nicht über das Thema NSU-Prozess, seine Rolle als Angeklagter und Ihre Rolle als Zeuge gesprochen?“ Schenke: „Nein.“ Schenke verneint, bei der Demo die ganze Zeit neben Eminger gelaufen zu sein: „Ich habe nach Ende der Veranstaltung ihn ganz kurz gesehen. Ich bin den ganzen Tag mit meiner Frau rumgezogen und habe ihn bloß durch dummen Zufall beim Gehen getroffen. Da haben wir uns 30 Sekunden die Hand gegeben und ‚Glück auf‘ gesagt und dann sind wir wieder gegangen.“ Das sei ein Bergmannsgruß bei ihnen in der Gegend, das sei so wie ‚Grüß Gott‘. Lunnebach: „Und da war Ihre Frau auch dabei?“ Schenke: „Die war mit der Tochter beschäftigt. Die stand ein bisschen weiter weg.“

Vorhalt aus dem Protokoll einer Vernehmung von Kü. zum Thema Matthias Dienelt: Es war in den letzten Jahren, da hat er mir am Wochenende mal gesagt, dass er dorthin macht zu den Zwickauern. Es war auf jeden Fall im Zeitraum, seit ich bei [Firmenname] gearbeitet habe ab 2006 und auch in der letzten Zeit. Wenn ich gefragt werde, wie oft er dort war, kann ich das nicht sagen. Ich habe ihn ja auch nicht jedes Wochenende gesehen. V. d. Behrens: „Matthias Dienelt soll zu Kü. gesagt haben, er fährt nach Zwickau. Hat er auch Ihnen gegenüber so was gesagt?“ Schenke: „Nein.“ Vorhalt aus einer Vernehmung von Rocco He.: Matthias hat mal erzählt, dass er in Zwickau mal zu einer Art WG fährt; das war als er Computerprobleme hatte; er sagte, dass er in Zwickau jemanden kennen würde, die würden sich drum kümmern; ich habe gefragt und er hat gesagt, das wären zwei Kerle und eine Frau, die dort in einer WG wohnen. V. d. Behrens: „Erwähnte Dienelt Ihnen gegenüber mal eine WG in Zwickau?“ Schenke: „Nein.“

V. d. Behrens fragt zur WBE: „Heute sagten Sie, Maik Eminger sei für die Organisation verantwortlich gewesen. Wissen Sie noch, dass Sie beim BKA etwas Abweichendes gesagt haben?“ Schenke: „Nein.“ Vorhalt: Die organisatorischen Sachen haben die Eminger-Brüder übernommen, wobei es nicht viel zu organisieren gab; sie haben die Treffen organisiert, wobei es mehr eine Umfrage war, wer wann kann. Schenke: „Möglich.“ Vorhalt: Wer gab vor, welche Aktionen durchgeführt werden sollten bzw. wer organisierte die? – Das ging von den Emingers aus und wir haben das diskutiert, ob wir das machen; die Emingers haben Aufgaben verteilt, bei der Durchführung haben alle anderen mitgeholfen. V. d. Behrens: „Kommt eine Erinnerung zurück, dass das so war?“ Schenke: „Ja.“ V. d. Behrens: „Gibt es einen Grund, warum Sie das dann auf Frage des Vorsitzenden nicht angegeben haben?“ Schenke: „Es ist mir wahrscheinlich entfallen.“

Er bejaht, dass ihm bekannt sei, ob die WBE durch Staatsschutz oder Verfassungsschutz überwacht wurde, die WBE habe mal ein Konzert veranstalten wollen und dort sei ein oder zwei Tage vorher ein Staatsschützer gekommen: „Wir wissen wo es ist, wer da spielen soll und, halt alles.“ V. d. Behrens: „Gab es dann eine Diskussion unter Ihnen, woher er die Informationen hatte?“ Schenke: „Ja, bestimmt.“ V. d. Behrens: „Haben Sie eine Erinnerung daran?“ Schenke: „Nein.“ V. d. Behrens fragt, ob Schenke mal angesprochen worden sei vom VS oder Staatsschutz, ob er zusammenarbeiten wolle. Schenke: „Nein.“ „Wissen Sie von anderen WBE-Mitgliedern, ob die angesprochen wurden?“ Schenke: „Nein.“ V. d. Behrens: „Kennen Sie das Lied von ‚Gigi und den Braunen Stadtmusikanten‘?“ Schenke: Ja.“ V. d. Behrens: „Wie heißt das?“ Schenke: „Der hat mehrere Lieder, aber ich gehe davon aus, dass Sie ‚Dönerkiller‘ meinen.“

RA Narin: „Haben Sie mit jemandem aus dem Freundeskreis über Ihre Aussage hier vor Gericht gesprochen?“ Schenke: „Ich habe dem Herrn Dienelt gesagt, dass ich heute hierher muss, am Sonntag.“ Narin: „Haben Sie in der Vergangenheit auch über Ihre polizeilichen Vernehmungen mit anderen Personen gesprochen?“ Schenke: „Nein.“ Narin: „Sind Sie sicher?“ Schenke: „Ja.“ Vorhalt aus einer Vernehmung von Frank S.: Letztes Mal rief mich der Matthias an, der sagte mir, dass er gerade mit [Name der Frau von Schenke] gesprochen hätte; die sagte, dass Sie gerade ihren Mann abgeholt hätten, daraufhin rief ich den Marcel an und er sagte mir, dass sie ihn wegen Briefen befragt hätten. Schenke: „Dann haben die mich doch mal. Aber ich erinnere mich nicht an jedes Telefonat.“ Narin: „Sind Sie häufiger Zeuge in Mordverfahren gewesen?“ Schenke: „Nein, das ist mein erster.“ Narin: „Haben Sie mit weiteren Zeugen oder Beschuldigten in diesem Verfahren über deren Vernehmungen gesprochen?“ Schenke: „Nein.“ Narin: „Wissen Sie, ob S. vernommen wurde in dem Verfahren?“ Schenke: „Es wurde ganz Johannstadt [Johanngeorgenstadt] vernommen, so kommt’s einem vor.“ Die Informationen habe er von den Leuten, mit denen er im Garten ein Bier trinken gewesen sei.

Er bejaht, Mandy Struck zu kennen. Narin: „Woher?“ Schenke: „Aus der Schule.“ Narin: „Haben sie sich mit Mandy Struck auch mal unterhalten über dieses Verfahren?“ Schenke: „Nein.“ Narin: „Haben Sie sich mit anderen über die Einvernahme von Mandy Struck unterhalten?“ Schenke: „Nicht dass ich wüsste.“ Narin: „Haben Sie eigentlich Kontakte nach Bayern, nach München oder Nürnberg?“ Schenke: „Nein.“ Narin: „Haben Sie nicht gesagt, dass Sie in München gearbeitet haben?“ Schenke: „Ja, mit der Firma aus Breitenbrunn in Sachsen.“ Narin: „Wissen Sie, ob Mandy Struck mal in München gelebt hat?“ Schenke: „Nein.“

Narin: „Haben Sie eigentlich Angst vor Repressalien aus der Szene im Hinblick auf Ihre Aussage?“ Schenke: „Nein.“ Narin: „Haben Sie die Befürchtung, im Zusammenhang mit einer wahrheitsgemäßen Aussage im Freundes- und Bekanntenkreis an Ansehen zu verlieren?“ Schenke: „Nein.“ Narin fragt, ob in der WBE über Ausländer gesprochen worden sei. Nach kurzem Schweigen sagt Schenke: „Das kann ich so nicht sagen, bestimmt.“ Narin: „Wurde über Türken gesprochen?“ Schenke: „Weiß ich nicht mehr.“ Narin: „Über Juden?“ Schenke: „Keine Ahnung, ob wir da vor 15 Jahren mal drüber gesprochen haben.“ Narin: „War das allgemein Thema: Juden, Ausländer, Asylbewerber?“ Schenke: „Nein.“ Narin: „Ich will Ihnen in einem ganz anderen Kontext noch was vorhalten. Ein Beamter sagt in Ihrer Vernehmung: ‚Sie äußerten bei der letzten Vernehmung Folgendes: Wenn die beiden nicht schon tot wären, müssten die für diese Scheiße verhaftet werden.'“ Schenke: „Ja.“ Narin: „Wie meinten Sie das?“ Schenke: „Wenn das alles so zutrifft, wie die Medien berichten, dann hätten die weggeschlossen gehört, für immer. Können doch nicht einfach Leute umbringen.“

Ein NK-Vertreter [vermutlich in Vertretung für RA Rabe]fragt, ob das Thema „Rasse“ in der WBE Thema gewesen sei. Schenke: „Bestimmt.“ Auf Frage, wie darüber gesprochen worden sei, sagt Schenke: „Wahrscheinlich in Gesprächen, wie man halt so spricht.“ Der RA fragt: „Wie sprach man denn da so?“ Schenke schweigt zunächst und sagt dann: „Ich hab keine Ahnung, wie ich das erklären soll.“ Auf Frage, wie es denn zu dem Namen „Weiße Bruderschaft Erzgebirge“ gekommen sei, sagt er: „Wie das genau entstanden ist, weiß ich nicht mehr so genau.“ Auf die Frage, was denn auf T-Shirts und Aufnähern drauf gestanden habe, sagt Schenke: „Weiße Bruderschaft Erzgebirge.“ Der RA fragt: „Man wird sich ja überlegt haben, was man drauf schreibt. Wie kam es zu der Bestellung? Wer ist an Sie herangetreten, ob Sie ein T-Shirt wollen?“ Schenke: „Das ist 15 Jahre her, das weiß ich nicht mehr.“ Der NK-Vertreter sagt, man hätte sich ja z. B. auch „Nationale Bruderschaft“ nennen können. Schenke: „Das weiß ich nicht mehr.“ Schenke bejaht die Frage, ob dieser Name etwas mit einer „weißen Rasse“ zu tun gehabt habe.

RA Kuhn: „Wann kam Ihnen denn das erste mal eine Erinnerung, dass zu Ihnen Briefe geschickt wurden, die an Eminger adressiert waren?“ Schenke: „Das weiß ich nicht. Vermutlich nachdem sie mir vorgelegt wurden.“ Kuhn: „Die sind Ihnen am 17.12.2011 vorgelegt worden. Der Kollege Narin hat Ihnen die Angaben des Zeugen S. vorgehalten: ‚Und er sagte, dass sie ihn wohl wegen irgendwelcher Briefe befragt hätten, welche er für André in Empfang nahm‘. Diese Vernehmung ist aber auf den 14.12.2011 datiert. Wann kam Ihnen das erste Mal die Erinnerung?“ Schenke: „Ich weiß es schlicht und einfach nicht mehr.“ Vorhalt aus einem Vernehmungsprotokoll von Schenke: In Ihrer letzten Vernehmung tauchen Unregelmäßigkeiten in Ihrer Aussage auf, die heute geklärt werden könnten; bedenken Sie die Konsequenzen einer Falschaussage und äußern Sie sich wahrheitsgemäß. Kuhn: „Wissen Sie noch, was Sie darauf gesagt haben?“ Schenke: „Das weiß ich nicht, aber Sie werden es mir bestimmt gleich erzählen.“ Vorhalt: Wenn ich gesagt habe, dass ich nichts mehr weiß, dann muss ich sagen, dass ich nicht geschwindelt habe; ich kenne niemanden, der sich erinnern würde, dass er 12, 13 Jahre vorher Post bekommen hat. Schenke: „Richtig.“ Kuhn: „Wie konnten Sie das drei Tage vorher gegenüber S. erinnern aber dann nicht mehr bei der Polizei?“ Schenke: „Das weiß ich nicht.“ Kuhn: „Welchen Grund gab es, nicht die Wahrheit zu sagen?“ Schenke: „Keinen, das ist mir wahrscheinlich einfach nur entfallen.“ Kuhn: „Nach drei Tagen?“ Schenke: „Ja.“

OStA Weingarten: „Die WBE, hat die Ihrer Kenntnis nach ein Heft herausgegeben?“ Schenke: „Ja.“ Das habe seiner Erinnerung nach „The Aryan Law and Order“ geheißen, so Schenke auf Frage. Weingarten: „Wie kam es zur Erstellung des Heftes, können Sie mir das berichten?“ Schenke: „Nein, weil ich mich damit überhaupt nicht befasst habe.“ Vorhalt aus einer Vernehmung Schenkes vom 20.08.2014: Wer war für die Veröffentlichung verantwortlich? – Ich nehme an, dass dafür die Emingers verantwortlich waren. Schenke: „Ja, das ist eine Vermutung von mir.“ Weingarten: „Wie kommen Sie auf die Vermutung?“ Schenke: „Keine Ahnung. Habe es einfach nur vermutet. Ich weiß es nicht.“ Weingarten: „Wollen Sie mir sagen, dass Sie bei der BKA-Vernehmung einfach mal so Ihren ehemaligen Freund, Bekannten als Verantwortlichen für das Heft bezeichnet haben, ohne irgendeinen Anlass für diese Erinnerung?“ Schenke: „Ja.“ Weingarten: „Sie stehen unter Wahrheitspflicht und ich sage Ihnen offen: Ich glaube Ihnen nicht. Und was das bedeutet, wenn ein Staatsanwalt so was sagt, ist klar?“ Schenke: „Ja.“

Weingarten: „Der Satz geht weiter: ‚weil sie allgemein für die Organisation verantwortlich waren.‘ Haben Sie das so gesagt?“ Schenke: „Wenn es da drinsteht, ja.“ Weingarten: „Kommt jetzt eine Erinnerung daran?“ Schenke: „Wenn Sie die ganze Organisation gemacht haben, dann werden sie wohl auch das gemacht haben.“ Weingarten: „Herr Schenke, was wissen Sie heute zu diesem Thema?“Schenke: „Nichts.“ Weingarten: „Ihre BKA-Vernehmung ist keine 11 Monate her. Was ist seither passiert, was Ihre Erinnerung derart pulverisiert haben könnte?“ Schenke schweigt. Weingarten: „Sie müssen meine Frage beantworten und ich schweige solange, bis Sie sie beantworten.“ Weingarten wiederholt die Frage. Schenke antwortet: „Nichts.“ Weingarten: „Dann erklären Sie, warum Sie am 20.08.2014 eine Erinnerung hatten, dass die Emingers verantwortlich waren allgemein für die Organisation, und heute keine Erinnerung haben!“ Schenke: „Ich tue mich jetzt im Zweifelsfall bloß in Widersprüche verwickeln. Und da mir hier jemand einen ganz großen Strick drehen will. Ich bin ja schon oft drauf hingewiesen worden, dass ich mit Verhaftung bedroht werde. Im Moment fühle ich mich nicht von der rechten Szene bedroht, sondern von Ihnen.“

Weingarten sagt, dass von Haft niemand gesprochen habe. Schenke sagt, ihm sei heute ein Jahr Haft angedroht worden. Dazu sagt Götzl, dass das die Belehrung gewesen sei und das sehe die StPO nun mal vor. Weingarten: „Und außerdem ist es so, da Sie ja Klartext wünschen: Die Falschaussage ist erst dann vollständig, wenn Ihre Aussage beendet ist. Sie können das jetzt noch ohne jeden Schaden tun. Und außerdem will Sie niemand in Widersprüche verwickeln, sondern nur die ungeschminkte Wahrheit hören. Und ich verwahre mich gegen die Unterstellung. Haben Sie das verstanden?“ Schenke: „Ja.“ Weingarten: „Gut, denn es ist ehrenrührig, wenn Sie mir derartiges entgegenschleudern. Und jetzt warte ich auf die Antwort auf die Frage, die ich bereits zweimal gestellt habe.“ Schenke: „Da die Emingers bei der WBE die meiste Zeit, wie ich bei der Vernehmung auch gesagt habe, die Organisation übernommen hatten, bin ich davon ausgegangen, dass sie auch für die Organisation von dem Heft verantwortlich waren.“ Weingarten: „Also ein Rückschluss. Sie haben keinerlei Erinnerung, in der Sie die beiden Emingers mit dem Heft in Verbindung bringen?“ Schenke: „Richtig.“

Vorhalt: Ich glaube, dass eher der Maik dafür verantwortlich war. Schenke bejaht, das so gesagt zu haben. Schenke sagt, früher habe es, weil es ja Zwillinge sind, immer geheißen: „der Dumme und der Schlaue“. Und Maik sei immer als der Schlaue bezeichnet worden. Weingarten: „Ausweislich des Protokolls war die Schlussfolgerung eine andere: ‚da er sich mehr mit Schreiben beschäftigt hat‘. Stimmt das so?“ Schenke: „Ja.“ Weingarten: „in welcher Form hat sich Maik mehr mit Schreiben beschäftigt?“ Schenke: „Weil er mal Abitur machen wollte.“Weingarten: „Ja, da steht nichts von Abitur, da steht ‚Schreiben‘.“ Schenke: „Wenn was in der WBE zu machen war, dann hat es meistens der Maik gemacht.“ Weingarten: „Wenn was zu machen war?“ Schenke: „Irgendwas Schriftliches. Eine Art Schriftführer.“

Weingarten: „Waren Sie mal zugegen, wenn in der WBE über einzelne Artikel oder das Heft gesprochen worden ist?“ Schenke: „Nein.“ Weingarten: „Sie sind mal gefragt worden unter Vorlage eine Artikels aus diesem Fanzine, ob Ihnen das was sagt, wenn da das Kürzel ‚A.‘ steht.“ Schenke: „Ja, da habe ich gesagt: Nee, weiß ich nicht, könnte der Autor sein.“ Weingarten: „Haben Sie Kenntnisse dazu, welche Personen aus der WBE Artikel geschrieben haben für dieses Fanzine?“ Schenke: „Nein.“ Weingarten: „Ihnen ist mal ein Interview vorgelegt worden aus dem ‚Foier Frei‘ Nummer 13. Da soll die WBE mal vorgestellt worden sein. Haben Sie das Interview gegeben?“ Schenke: „Nein.“ Weingarten fragt, ob Schenke wisse, wer dieses Interview gegeben habe. Schenke: „Nein.“ Weingarten: „Gab es Verantwortliche innerhalb der WBE, die solche Tätigkeiten übernommen haben?“ Schenke: „Ich vermute mal, dass es der Maik gemacht hat.“ Weingarten: „Warum?“ Schenke: „Weil Schreiben sein Ding war.“ Vorhalt: Wenn dann hat bestimmt einer der beiden Emingers die WBE nach außen vertreten. Schenke: „Ja.“ Weingarten: „Eben sagten Sie, der Maik hätte die WBE nach außen vertreten, aber im Protokoll ist von beiden Emingers die Rede. Können Sie erklären, woher die unterschiedliche Vermutung kommt?“ Schenke: „Nee.“

NK-Vertreter RA Hoffmann: „War ‚The Aryan Law and Order‘ der politische Ausdruck der WBE?“ Wieder schweigt Schenke zunächst und sagt dann: „Ich sag jetzt einfach mal ja.“ Hoffmann: „Haben Sie darüber diskutiert, was in die Hefte reinkam?“ Schenke: „Nein, also ich nicht. Weil ich nicht involviert war. Weil ich mich damit nicht befasst habe.“ Hoffmann: „Wer hat die gedruckt?“ Schenke: „Das weiß ich nicht. Ich habe mich damit nicht befasst.“ Er verneint, mitbekommen zu haben, ob und wie diese Hefte verteilt wurden.

Hoffmann: „Sind die zu den monatlichen Treffen mitgebracht worden?“ Schenke: „Ich glaube ja, ich habe eins zu Hause, zwei.“ Hoffmann: „Erinnern Sie sich, von wem Sie das gekriegt haben?“ Schenke: „Nein.“ Hoffmann. „Ist irgendjemand als Verkäufer aufgetreten?“ Schenke: „Das weiß ich nicht, ich habe mich mit den Heften nicht befasst.“ Hoffmann: „Kennen Sie die ’14 words‘?“ Schenke: „Ja, ich kann sie aber wörtlich nicht wiedergeben.“ Hoffmann: „War das einer der Inhalte, eine der Forderungen der WBE?“ Schenke: „Soweit man von Forderungen sprechen kann, ja.“ RAin v. d. Behrens macht einen Vorhalt aus einer Vernehmung von Hi.: Dazu kann ich sagen, dass die beiden Emingers verantwortlich sind, weil sie uns Entwürfe von Artikeln zum Lesen vorlegten; die haben auch gesagt, dass Mitgliedsbeiträge zum Drucken verwendet wurden. Schenke: „Dann war ich offensichtlich zu dem Treffen nicht.“ Der Zeuge wird entlassen. NK-Vertreter_innen behalten sich Erklärungen vor. Der Verhandlungstag endet um 16:04 Uhr.

Das Blog „nsu-nebenklage“:

„Es folgte eine Mitarbeiterin des Autoverleihs, bei dem das Trio das Fahrzeug für den Banküberfall in Eisenach am 4.11.2011 gemietet hatte. Bei der Abholung wurde Uwe Böhnhardt von einer Frau begleitet. Nach den Aussagen der Zeugin heute hatte die Frau ein Mädchen dabei, das sie als „Mama“ ansprach, und fuhr nach einem Termin mit dem Auto weg – deutliche Hinweise, dass es sich nicht um Beate Zschäpe handelte. (…) Jedenfalls zeigt auch ihre Aussage erneut, dass die These vom NSU als kleine, abgeschottete Zelle nicht stimmen kann, wenn eine weitere „Kameradin“ des Trios nicht nur bei der Anmietung eines Fahrzeugs für eine Straftat des NSU dabei war, sondern auch anscheinend nichts dabei fand, ihre kleine Tochter mitzunehmen. Die erste und einzige Frage des neuen Zschäpe-Verteidigers Grasel war, wer denn damals die Miete für das Fahrzeug bezahlt hatte. Der Zeugin zu Folge war es der Mann. Die Verteidigung wollte darauf hinaus, dass Zschäpe entgegen der bisherigen Beweisaufnahme doch nicht das gemeinsame Geld verwaltet habe – eine These, die kaum verfängt, wenn sie bei der Abholung gar nicht dabei war. Der gesamte Nachmittag war dann wieder einem Zeugen aus der Abteilung „und täglich lügt der Nazizeuge“ gewidmet. (…) Der Zeuge trug seine angeblichen Erinnerungsschwierigkeiten so dreist vor, dass schlussendlich – ein Novum in diesem Prozess – der Vertreter der Bundesanwaltschaft Weingarten ihm die Einleitung eines Strafverfahrens wegen Falschaussage androhte. Einmal mehr wurde deutlich, dass das Umfeld des NSU bis heute zusammenhält und jede Aufklärung zu verhindern versucht. Insoweit war es kaum verwunderlich, dass der Zeuge angab, den Angeklagten Eminger im vergangenen Jahr zufällig getroffen zu haben: bei einer rassistischen Demonstration gegen eine Asylunterkunft in Schneeberg.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2015/07/14/14-07-2015/

Der Beitrag Protokoll 217. Verhandlungstag – 14. Juli 2015 erschien zuerst auf NSU Watch.

Protokoll 218. Verhandlungstag – 15. Juli 2015

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An diesem Verhandlungstag sagt zunächst ein Zeuge aus, der Zschäpe 2000 in ihrem damaligen Wohnhaus im Treppenhaus mehrfach gesehen hat. Seine Mutter hatte sich über Lärm aus ihrer Wohnung beschwert. Die zwei darauf folgenden Polizeibeamt_innen sagen zum THS und zu Alias-Identitäten des NSU aus. Als weiterer Zeuge ist Mario Brehme geladen. Er ist Mitglied des THS gewesen. Brehme sagt nur sehr bruchstückhaft aus und muss dabei ständig vom Vorsitzenden Richter angetrieben werden.

Zeug_innen:

  • Jürgen Ba. (Erkenntnisse zur Wohnung von Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe in der Wolgograder Allee in Chemnitz)
  • Ottmar Ei. (Polizeibeamter, Auswerteberichte zum THS)
  • Annika Al. (BKA Meckenheim, Ermittlungen zu Aliaspersonalien des NSU)
  • Mario Brehme (Neonazi, ehem. Mitglied des THS, Erkenntnisse zu Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe, Wohlleben)

Der Verhandlungstag beginnt um 09:47 Uhr. Nach der Präsenzfeststellung sagt Götzl, dass man mit Verlesungen beginne. Es geht zunächst um Verlesung und Inaugenscheinnahme von Kündigungsschreiben von Carsten Ri. für die Wohnung in der Altchemnitzer Straße 12 und von André Eminger für die Wohnung in der Wolgograder Allee 76 und entsprechenden Einlieferungsbelegen (siehe Beweisantrag von NK-Vertreter RA Reinecke vom 100. Verhandlungstag). Götzl verliest zunächst die Fundstellen, dann werden die Asservate verlesen und in Augenschein genommen. Danach wird eine Erkenntniszusammenstellung des TLfV vom 14.11.2011 an das BKA, „BAO Trio“ zur Auswertung der „Vorgangsakte Drilling, Maßnahmen zur Aufenthaltsermittlung Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe, Erkenntnisse des TLfV über die Person Wohlleben, Ralf“ verlesen. In der Erkenntnismitteilung werden Punkte aufgeführt, die belegen sollen, dass für die Jahre 1998 und 1999 Anhaltspunkte dafür vorliegen würden, dass Wohlleben als Fluchthelfer und Unterstützer fungierte, und dass für 2000 und 2001 Erkenntnisse vorliegen würden, dass Wohlleben als Mitwisser des Verbleibs der Flüchtigen fungiert haben, und dass ihm zumindest zeitweise eine steuernde Rolle zugekommen sein könnte.

Es folgt dann die Einvernahme des Zeugen Jürgen Ba. Götzl: „Es geht uns um Beobachtungen im Anwesen Wolgograder Allee 76 in Chemnitz. Schildern Sie uns, welche Beobachtungen Sie gemacht haben, zunächst von sich aus.“ Ba.: „Was ich gesehen habe? Die Frau Zschäpe habe ich gesehen. Zwei- bis dreimal im Haus, weil meine Mutter dort gewohnt hat, die habe ich regelmäßig besucht.“ Götzl: „Welche Zeit war das?“ Ba. sagt, das müsse 2000 gewesen sein. Ich bin jede Woche einmal zu meiner Mutter, da ist sie mir im Treppenhaus entgegengekommen: Guten Tag. Und mehr war da auch nicht. Ich kann mich nur erinnern, weil meine Mutter sich da beschwert hat, was da los ist. Ich wollte erst hochgehen, habe dann aber gesagt, sie soll sich doch an die Wohnungsgenossenschaft wenden. Das hat sie wohl gemacht.“ Götzl fragt, in welchem Bereich des Treppenhauses Ba. Zschäpe getroffen habe. Ba.: „Auf der Höhe der Wohnung meiner Mutter. Sie ist von oben runter gekommen, an mir vorbei und dann raus.“ Götzl: „Sie sagen, diese Frau sei Frau Zschäpe gewesen. Wie kam es zu dieser Zuordnung?“ Ba.: „Das kam ja erst viel später, nachdem die Fahndungsfotos im Fernsehen kamen. Da habe ich zu meiner Frau gesagt: Die Frau kenne ich. Die habe ich bei meiner Mutter im Haus gesehen. Und dann kam es, dass raus kam, dass die dort drinne gewohnt haben. Da war meine Mutter schon im Pflegeheim, da ist die Polizei im Pflegeheim gewesen. Da hat die Polizei eine Nachricht für mich hinterlassen, ich solle mich doch mal melden.“

Götzl: „Haben Sie sie einer bestimmten Wohnung zugeordnet oder haben Sie Informationen über eine bestimmte Wohnung gehabt?“ Ba.: „Es ging darum, weil meine Mutter sich immer beschwert hatte, dass von oben Zigarettenkippen runter kamen und mehrere Männer hätten dort draußen auf dem Balkon gestanden, rumgegrölt und Bier runter geschüttet. Das ist alles bei ihr auf den Balkon gegangen. Und da hat sie sich bei mir beschwert. Naja, was soll denn da ich machen? So wie das meine Mutter mir erzählt hat, muss es wahrscheinlich mehrere Male Zusammenstöße gegeben haben in dem Haus. Aber das hat sie mir ja nur erzählt, ich persönlich habe es ja nicht gesehen [phon.].“ Götzl: „Sind da Namen gefallen, Beschreibungen?“ Ba.: „Nee, also ich kann mich nicht mehr erinnern.“

RA Narin: „Sie deuteten an, es habe Zusammenstöße oder einen Konflikt mit den Personen zwei Stock über der Wohnung Ihrer Mutter gegeben. Gab es da noch andere Dinge, die Ihnen Ihre Mutter erzählt hat, vom Hörensagen?“ Ba.: „Nur vom Hörensagen, dass sie sich wahrscheinlich im Haus mit jemand getroffen hat, und die hat sich beschwert und die ist dann – wie sagt man? – abgekanzelt worden.“ Narin: „Abgekanzelt?“ Ba.: „Die ist beschimpft worden, sie soll sich um ihr eigenes Zeug kümmern.“ Narin: „Von wem sie beschimpft wurde, hat sie das berichtet?“ Ba.: „Ja, das hat sie berichtet, von der Frau Zschäpe.“ Narin: „In welcher Weise? Hat sie das berichtet?“ Ba.: „Nee, nur dass es einen Zusammenstoß gab und dass sie beschimpft worden ist, weil sie gesagt hat, dass es so laut ist und die Zigarettenkippen rumliegen. Da ist sie beschimpft worden, sie soll sich um ihr eigenes Zeug kümmern.“ Götzl: „Sie sagen jetzt, sie sei von Frau Zschäpe beschimpft worden. Fiel der Name?“ Ba.: „Nee.“ Götzl: „Wie kommt dann die Zuordnung zum Namen?“ Ba.: „Sie sagte, die Frau, die du im Treppenhaus gesehen hast.“

Nach einer Unterbrechung bis 11:13 Uhr wird Ottmar Ei. einvernommen. Götzl sagt, es gehe um Erkenntnisse zum THS: „Da würde mich interessieren, welche Feststellungen von Ihrer Seite getroffen wurde und aus welchen Quellen.“ Ei.: „Laut Vorladung geht es da um zwei Schreiben vom 09.11.2011 und 28.11.2011, Berichte, die ich gefertigt habe fürs BKA bzw. für unsere Führung. Das sind Auswerteberichte, nix Spektakuläres, wo man eigene Erkenntnisse einbringt, sondern wie eine Hausarbeit aus Unterlagen, die mir zur Verfügung gestellt wurden.“ Bei den Unterlagen handele es sich Berichte des TLfV und Halbjahres- und Jahresberichte des polizeilichen Staatsschutzes beim TLKA. Götzl: „Welche Informationen haben Sie daraus entnommen?“ Ei.: „Alles seit Bestehen des THS bzw. der vorherigen Organisation ‚Anti-Antifa‘ bis zum Datum, wo letzten Endes die Feststellungen gemacht wurden, der 04.11.“ Er habe die Erkenntnisse zusammengetragen, die bei ihnen in der Dienststelle oder in den Jahresberichten des TLfV aufzufinden gewesen seien. Ei.: „Am 09.11. war ja der Bericht von mir erstellt worden, weil ein unheimliches Informationsdefizit bestand.“

Daraus resultierte der erstere kürzere Bericht, der sei für die Führungskräfte des Hauses gewesen, damit die in die Lage versetzt würden, nachzuvollziehen, was der THS war. Beim zweiten Bericht, da sei das BKA an sie herangetreten für einen ausführlicheren Bericht. Götzl „Ja, was war der THS?“ Ei.: „Ausweislich der Unterlagen eine Organisation von anfänglich um die 70, 80 Personen bis hin in Spitzenzeiten zu 170 Personen, die also aus dem rechtsextremistischen Klientel sich im Bereich Thüringen zusammengetan haben und als Organisation aufgetreten sind.“ Führer des THS sei Tino Brandt bis zum Schluss gewesen. Götzl: „Ich muss nachfragen, haben Sie nur diese Berichte ausgewertet oder hatten sie sonstige Informationen?“ Ei.: „Die Berichte, Halbjahresberichte und Jahresberichte. Daraus hab ich den Bericht erstellt, praktisch wie eine Hausarbeit.“

NK-Vertreter RA Elberling: „Nach den Altakten waren Sie in den 90er auch mit Ermittlungen gegen Mitglieder des THS beteiligt.“ Ei.: „Zeitweise, ja.“ Elberling: „Es gibt Aktenvermerke, wonach Sie Asservate bei Hausdurchsuchungen ausgewertet haben. Können Sie sich noch erinnern?“ Ei.: „En detail nicht, aber es ist durchaus möglich.“ Vorhalt aus einem Vermerk in einer Altakte der StA Gera: Beim Beschuldigten Uwe Böhnhardt sei eine Computerdiskette mit der Aufschrift „Kripokennzeichen“ gefunden worden. Elberling: „Können Sie sich dran erinnern, eine solche Diskette ausgewertet zu haben?“ Ei.: „Nein, tut mir leid.“ Vorhalt: Diese Diskette beinhaltet Listen mit Fahrzeugen und Kennzeichen der Thüringer Polizei. Elberling: „Kommt da eine Erinnerung, dass Sie einen solche Diskette mal behandelt haben?“ Das verneint Ei., es sei aber möglich, dass er da eine Auswertung getätigt habe. Vorhalt: Beschlagnahmte Gegenstände bei Ralf Wohlleben. Ei. verneint, sich zu erinnern. Vorhalt: Ein Handscanner und Auflistung von Funkfrequenzen auf Notizzetteln. Ei.: „Ich erinnere mich nicht explizit dran, aber es kann durchaus sein.“ Elberling fragt nach einer Vorladung an Mundlos wegen Hausfriedensbruch und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte aus 1997: „Können Sie sich an diese Ermittlung erinnern?“ Ei.: „Nein, leider nicht.“ Götzl: „Das wäre sinnvoll, dass Sie solche Fragen vorher ankündigen, damit der Zeuge sich letztlich vorbereiten kann.“

NK-Vertreter RA Narin: „Ist Ihnen erinnerlich, dass durch einen Marc Se. im Jahr 2003 mal ein Hinweis auf die Anwesenheit des Uwe Böhnhardt gegeben wurde in Jena?“ Ei.: „Sie sprechen auf den Beitrag an, der in den Medien gelaufen ist und im Untersuchungsausschuss Thüringen behandelt wurde.“ Ei. sagt, er habe dazu um Thüringer UA ausgesagt und bejaht, damals damit befasst gewesen zu sein. Narin: „Und was haben Sie herausgefunden?“ Ei.: „Dass die Aussage des Herrn Se., die er getätigt hat, nicht den Tatsachen entsprach.“ Narin: „Haben Sie Ermittlungen durchgeführt?“ Ei.: „Ja, da sind Ermittlungen von uns, einem Kollegen und mir, durchgeführt worden. Wir haben den Herrn Se. dazu gehört, ob weitere Ermittlungen weiß ich nicht mehr.“ Narin: „Was hat der denn berichtet?“ Ei.: „En detail hab ich die Aussage nicht mehr im Kopf. Aber sinngemäß: Er habe den Böhnhardt in Jena mit seinem Fahrzeug gesehen [phon.].“ Narin: „Wann, wo?“ Ei.: „Ich habe die Daten jetzt nicht im Kopf, tut mir leid. Ich kann mich an das Jahr nicht genau erinnern, bin aber auch nicht vorbereitet. Aber nach dem Verschwinden auf jeden Fall.“ Narin: „2002, 2003?“ Ei.: „Das könnte hinkommen.“ Narin: „Mehr wissen Sie nicht dazu im Moment?“ Ei.: „Nein, im Moment nicht.“ Der Zeuge wird entlassen.

Danach wird die BKA-Beamtin Annika Al. vernommen. Götzl sagt, es gehe um Ermittlungen im Hinblick auf Aliaspersonalien von Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe. Al: „In der Asservatenauswertung wurden eine Vielzahl von Personalien festgestellt , diese wurden überprüft, ob sie von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe als Aliaspersonalien benutzt wurden, z. B. Kontounterlagen, Ausweise, Rechnungen.“ Man könne das unterteilen. Zum einen in die Aliaspersonalien, die von Beschuldigten zur Verfügung gestellt wurden: „Max-Florian B.“, „Matthias Dienelt“, „André und Susann Eminger“, „Holger Gerlach“ und „Mandy Struck“. Dann Personalien von weiteren existierenden Personen: Ralph Be., Gunter Frank Fiedler und Silvia Ro. Zum anderen gebe es die Aliaspersonalien, zu denen Sie keine reale Person hätten ermitteln können: „Lisa Dienelt“, „Lisa Pohl“, „Gerri Müller“.

Dann gebe es Personalien, die sie nicht hätten ermitteln können: Personalausweise auf „Michael Fr.[von Red. abgekürzt]“ und „Grimm“. Zu Uwe Böhnhardt seien mehrere Aliaspersonalien festgestellt worden: „Matthias Dienelt“, „André Eminger“ und „Holger Gerlach“. Zur Aliaspersonalie „Dienelt“ seien im Brandschutt Mietverträge zu den Wohnungen Polenzstraße 2 und Frühlingsstraße 26, eine Prepaidcreditcarte und Kaufverträge und Rechnungen sichergestellt worden. Zu „André Eminger“ seien im Wohnmobil und in der Frühlingsstraße mehrere Bahncards mit dem Bild von Böhnhardt sowie Unterlagen zur Anmietung der Wohnung Wolgograder Allee 76 und Unterlagen zur Anmietung von Wohnmobilen sichergestellt worden. Zu „Holger Gerlach“: Im Brandschutt Wohnmobil und Frühlingsstraße zwei Reisepässe und ein Führerschein, die u.a. zur Anmietung von Kfz und Wohnmobilen genutzt worden seien und mit denen auch Campingplatzaufenthalte gebucht worden seien.

Uwe Mundlos habe die Aliaspersonalien „Max-Florian B.“ und „Max Müller“ benutzt. Zu „Max-Florian B.“ seien im Brandschutt Wohnmobil und Frühlingsstraße ein Reisepass und mehrere Bahncards mit dem Bild von Mundlos sichergestellt worden, außerdem eine Geburtsurkunde und Untermietverträge für die Polenzstraße 2 und die Frühlingsstraße 26. Zu „Max Müller“: Im Brandschutt Frühlingsstraße sei eine Liste mit Zugangsdaten für Onlinedienste sichergestellt worden, da tauche mehrmals „Max“ bzw. „Max Müller“ auf, u. a. für einen ICQ-Account. „Max Müller“ sei auch für eine Campingplatzbuchung genutzt worden. Aus Zeugenaussagen sei bekannt, dass Mundlos sich ggü. Urlaubsbekanntschaften „Max“ genannt habe. „Max Müller“ sei vermutlich eine Abwandlung von „Max-Florian B.“, weil für „Max Müller“ teilweise das gleiche Geburtsdatum verwendet worden sei.

Beate Zschäpe habe als Aliaspersonalien „Susann Eminger“, „Lisa Dienelt“ und „Mandy Struck“ benutzt. Zu „Susann Eminger“: Bei den von Zschäpe am Tag der Selbststellung mitgeführten Gegenständen hätten sich ein Zugfahrschein und eine Fahrradservicekarte auf den Namen „Susann Eminger“ gefunden, im Brandschutt Frühlingsstraße eine Bahncard mit Lichtbild von Zschäpe, auf den Namen seien auch Campingplatzbuchungen getätigt worden. Zur Aliaspersonalie „Lisa Dienelt“ sagt Al., dass auf „Susann Dienelt“ Brillenpässe und Einzahlungsbelege gefunden worden seien. Bei den Nachbarn in der Polenzstraße sei Zschäpe als „Susann“, „Lisa“ oder „Lisa Dienelt“ bekannt gewesen, als „Lisa“ auch bei den Urlaubsbekanntschaften. Zu „Mandy Struck“ seien zwei Katzenimpfpässe und zwei Mitgliedsausweise für Tennisclubs sichergestellt worden. Außerdem habe Mandy Struck selbst ausgesagt, dass sie Zschäpe einmal ihre Versichertenkarte für einen Arztbesuch zur Verfügung gestellt habe. Weitere Aliaspersonalien, die keinem der Drei direkt hätten zugeordnet werden können, seien u.a. auf Rechnungen: „Ralph Be.“, „Andreas Fr.“, „Carsten Ri.“ und „Sven Ri.“ [von der Redaktion abgekürzt]gewesen. Es folgt die Mittagspause bis 12:50 Uhr.

Danach sagt Götzl: „Ich möchte jetzt auf einzelne Asservate und Personalien kommen, zunächst auf Bärbel B., Stichwort: Bundespersonalausweis.“ Al.: „Diese Personalie gehört zu denjenigen, wo wir keine Nutzung feststellen konnten. Der Personalausweis wurde im Brandschutt Frühlingsstraße festgestellt. Frau B. wurde vernommen. Sie wohnt in Braunschweig und hat ausgesagt, dass sie mit Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe keinen Kontakt hatte und nie in Zwickau war. Weitere Informationen haben wir eigentlich gar nicht dazu.“ Götzl fragt nach „Max-Florian B.“. Es ist so, dass u.a. im Brandschutt der Frühlingsstraße 26 eine Geburtsurkunde sichergestellt wurde. Mit der wurde wahrscheinlich der Reisepass beantragt, mit dem Lichtbild des Uwe Mundlos. Das hat die kriminaltechnische Untersuchung ergeben.“ Außerdem hätten sie eine EC-Karte auf den Namen „Max-Florian B.“ im Brandschutt Frühlingsstraße gefunden und weitere schriftliche Unterlagen zu diesem Konto.

Vorhalt aus Al.s Bericht: Im Wohnmobil befand sich außerdem eine EC-Karte auf „Max-Florian B.“ bei der Commerzbank Dresden, das Konto wurde unter Verwendung des Reisepasses am 06.06.2000 eröffnet. Es wurden vom Konto des existenten B. Zahlungen zum Saldenausgleich festgestellt. Götzl: „Sind entsprechende Feststellungen getroffen worden?“ Al: „Wenn das da so steht, natürlich.“ Vorhalt: Weiterhin wurde im Wohnmobil eine Bahncard mit Bild des Uwe Mundlos ausgestellt auf „Max B.“ [Geburtsdatum, gekürzt von der Redaktion – abweichendes Geburtsdatum] – wohnhaft Frühlingsstraße 26 aufgefunden. Laut DB wurde die erste Bahncard 2005 beantragt. Al.: „Dann ist das so richtig.“ Vorhalt: Es erfolgten dann jährliche Verlängerungen bis 2011, mit einer Gültigkeit bis zum 30.06.2012 … zu dieser Bahncard konnten weitere schriftliche Unterlagen sichergestellt werden. Al.: „Ja.“ Götzl hält vor, dass auf den Namen „Max-Florian B.“ ein Mietvertrag für die Heisenbergstraße 6 in Zwickau festgestellt worden sei. Al.: „Wenn das so da steht, ist es korrekt.“

Götzl hält vor, dass dem Mietvertrag Gehaltsbescheinigungen von Max-Florian B. beigelegt seien. Al.: „Wir haben festgestellt, dass Max-Florian B. aktiv Unterlagen gegeben haben muss, dazu gehören auch die Gehaltsbescheinigungen, die man beim Mietvertrag meistens vorzeigen muss.“ Auf Frage sagt Al., dass B., soweit sie sich erinnern könne, bei den genannten Firmen tatsächlich gearbeitet habe. Götzl: „Sind denn Unterlagen aufgefunden worden zur Wohnung in der Heisenbergstraße?“ Al.: „Es sind weitere Unterlagen im Brandschutt aufgefunden worden, aber die kann ich einzeln jetzt nicht nennen.“ Götzl nennt die Personalie „Andreas D.“. Al.: „Ein schwieriger Fall, weil wir einen handschriftlichen Notizzettel mit Namen und Anschrift im Brandschutt der Frühlingsstraße gefunden haben, aber wir haben keine Anhaltspunkte, dass diese Personalie genutzt wurde. Wir kamen zu dem Schluss, dass der Name aufgeschrieben wurde, weil er ein Nachbar des Gunter Frank Fiedler war. Und zu Fiedler wurden ja auch handschriftliche Notizen zu seiner Familie festgestellt. Wir sind davon ausgegangen, dass Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe Informationen zu den Aliaspersonalien gesammelt haben, um Aussagen zum Umfeld treffen zu können. Wir konnten aber keine Nutzung dieser Personalie feststellen.“

Götzl fragt, ob zu den Notizen ein Gutachten eingeholt worden sei zur Urheberschaft. Al.: „Ich gehe schwer davon aus, dass es einen Handschriftenvergleich gegeben hat, weil wir das eigentlich bei allen Asservaten gemacht haben. Ich kann es aber nicht aus der Erinnerung raus sagen.“ Vorhalt: Mit leicht überwiegender Wahrscheinlichkeit ist Beate Zschäpe die Urheberin der Notizen zu Andreas D. Al.: „Ja. Ich habe mir alle Vermerke, die ich in den Fußnoten zitiere, auch selber angeschaut.“ Götzl: „Und ‚Matthias Dienelt‘, Stichwort Wohnung Polenzstraße 2, was können Sie zur Anmietung sagen?“ Al.: „Es fällt mir schwer, was Konkretes zu sagen. Es kann sein, dass ich Personalien vermische, es waren so viele. Es könnte sein, dass es da Untermietverträge und Mietverträge gab.“

Götzl: „Asservat bestehend aus Schreiben der Deutschen Bank, sagt Ihnen das was?“ Al.: „Wir haben ja zu den Mietverträgen, die wir im Brandschutt Frühlingsstraße 26 sichergestellt haben, haben wir schriftliche Unterlagen gefunden, Einzahlungsbelege, Schreiben von der Bank, die sich alle auf die Anmietung von den Wohnungen beziehen. Sei es ein Internetvertrag oder Schreiben von den Energieversorgern.“ Vorhalt: Es handelt sich um 14 Schreiben der Deutschen Bank Chemnitz aus 2010 und 2011 an „Matthias Dienelt“, Frühlingsstraße 26. Die Schreiben beinhalten Einzahlungsbestätigungen auf das Konto des Fl. bis 2011 Götzl: „Sagt Ihnen das was?“ Al.: „Grundsätzlich schon. Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe haben diese Personalie genutzt, um die Anmietung der Wohnung möglich zu machen. Nach unseren Informationen ist Matthias Dienelt teilweise eigenständig aufgetreten. Also es ist ja zu unterscheiden, ob Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe die Aliaspersonalie selbst benutzt haben oder ob die Personen selbst ihre Personalien zur Verfügung gestellt haben, um das zu ermöglichen. Hier haben Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe die Personalie genutzt, ohne dass Matthias Dienelt aufgetreten wäre.“

Götzl: „Wissen Sie, ob beim Schreiben der Deutschen Bank eine kriminaltechnische Untersuchungen vorgenommen wurden?“ Al.: „Weiß ich nicht mehr.“ Vorhalt: Eine kriminaltechnische Untersuchung ergab auswertbare daktyloskopische Spuren von Beate Zschäpe. Al.: „Dann wird das so gewesen sein.“ Götzl hält vor, dass zur Personalie „Susann Eminger“ im Brandschutt der Frühlingsstraße 26 eine Bahncard sichergestellt worden sei. Al.: „Diese Bahncard hat das Lichtbild der Beate Zschäpe. Das wurde durch unsere Kriminaltechnik festgestellt. Soweit ich weiß, war die 2011 aktuell gültig. Vorhalt: Für den Zeitraum 25.06.2009 bis 24.06.2010, ausgestellt auf „Susann Eminger“ mit dem Bild der Beate Zschäpe. Al.: „Wenn das so steht, dann wird das so gewesen sein.“ Götzl fragt nach einem Anschreiben einer Strandhausvermietung. Al. sagt, der Name „Susann Eminger“ sei für verschiedene Buchungen genutzt worden, sei es für das Strandhaus, das, glaube sie, in Neustadt sei, oder auch für Campingplätze: „Da wurden im EDV-System Buchungen zwischen, glaube ich, 2005 und 2011 festgestellt.“ Diese Buchungen seien mit unterschiedlichen Namen festgestellt worden: „‚Susann und André Eminger‘, mal mit ‚Holger Gerlach‘ oder eben mit ‚Max Müller‘, da gibt es unterschiedliche Konstellationen.“

Götzl: „Wissen Sie, ob insofern eine Telefonnummer eine Rolle gespielt hat?“ Al.: „Soweit ich mich erinnern kann, wurde die Mobilfunknummer ‚Mobil 03‘ genutzt.“ Al. sagt, diese Nummer sei durch Beate Zschäpe genutzt worden. Vorhalt: Buchung Ferienhaus 2010 auf den Namen „Susann Eminger“, als Telefon wurde 0162-7000587 angegeben, welche Beate Zschäpe zugeordnet werden kann. Al.: „Ja, genau, diese Telefonnummer meinte ich.“ Götzl: „Sind insofern weitergehende Befragungen mit Vorlagen von Lichtbildern durchgeführt worden?“ Al.: „An den Campingplätzen wurden die Mitarbeiter befragt und das EDV-System durchleuchtet. Wir haben entsprechende Treffer gehabt und die Kollegen haben die Mitarbeiter vor Ort befragt und, soweit ich weiß, auch Lichtbildvorlagen gemacht.“ Vorhalt: Es konnte weiter festgestellt werden, dass die Anmietung durch Gisela P. bearbeitet wurde. Sie erkannte Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe anhand der vorgelegten Wahllichtbildmappe als die Personen, welche die Ferienwohnung angemietet hatten. Al.: „Ja.“ Das Strandhaus sei in Neustadt gewesen, so Al., aber die Campingplätze in Fehmarn.

Auf Frage sagt sie, beim Campingplatz Wulfener Hals seien Mitarbeiter befragt und EDV-Systeme und schriftliche Unterlagen durchgegangen worden, um festzustellen, wann Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe dort ihren Urlaub verbracht haben. Götzl: „Können Sie was dazu sagen, ob für 2012 auch eine Reservierung vorgenommen wurde?“ Al.: „Ja, wurde es. Da gab es schriftliche Unterlagen dazu in der Frühlingsstraße 26. Aber es wurde auch festgestellt, dass André Eminger kurz nach der Selbststellung der Beate Zschäpe diese Reservierung abgesagt hat.“ Vorhalt: Für 05.07. bis 29.07.2012 lag eine weitere Reservierung auf den Namen „Susann Eminger“ vor, welche am 21.11.2011 durch André Eminger mit gmx.de-E-Mail-Account gekündigt wurde.

Götzl: „Dann geht es mir um die Personalie ‚Gunter Frank Fiedler‘.“ Al.: „Wir haben zu ‚Gunter Frank Fiedler mehrere Bahncards auch sicherstellen können im Brandschutt Frühlingsstraße 26. Die Aliaspersonalie wurde eher am Anfang, ab 1998 bis Mitte der 2000er Jahre benutzt. In diesem Zeitraum war auch die Gültigkeit dieser Bahncards mit dem Lichtbild des Uwe Böhnhardt. Wir haben diese handschriftlichen Notizen zu seiner Familie sichergestellt, weiteres müssten Sie mir vorhalten.“ Vorhalt: Fünf Bahncards auf „Gunter Frank Fiedler“ 1999 bis 2004. Ein Vergleich der Lichtbilder auf den Bahncards mit Bildern von Gunter Frank Fiedler und Uwe Böhnhardt ergab, dass die Bilder wahrscheinlich Uwe Böhnhardt zeigen. Götzl: „Und dann ging’s um einen Antrag auf einen Reisepass.“ Al.: „Ja, dieser Antrag für einen Reisepass konnte bei der Stadt sichergestellt werden und dabei lag auch ein Lichtbild des Uwe Böhnhardt. Die Bahncards wurden wahrscheinlich auch mit dem Reisepass beantragt, wir haben den Reisepass selber aber nicht sicherstellen können.“

Nach der Pause bis 13:38 Uhr sagt Götzl, dass man die Einvernahme von Al. unterbreche und mit Mario Brehme fortfahre. Nachdem Al. den Saal verlassen hat, betritt Brehme mit seinem Zeugenbeistand, Stefan Böhmer [Szeneanwalt] den Saal. Bei der Personalienfeststellung sagt Brehme auf Frage nach seinem Beruf: „Angestellter.“ Götzl: „In welchem Bereich?“ Brehme sagt nichts. [Offenbar redet er mit Böhmer.] Dann sagt Brehme: „Danke, so passt das. Das war schon die Antwort.“ Götzl erwidert, dass „Angestellter“ nicht den Beruf als solches wiedergebe, sondern nur das Beschäftigungsverhältnis. Brehme sagt, er sei Pharmareferent. Götzl fragt nach Brehmes Adresse. Brehme sagt, das sei die Adresse über die er geladen worden sei. Götzl: „Was sollen die Mätzchen?“ Brehme zu Götzl: „Beruhigen Sie sich mal!“ Götzl sagt zu RA Böhmer, der solle nicht auf den Zeugen einreden, er sei als Zeugenbeistand nicht gefragt. Böhmer: „Ich gebe keine Antworten an des Zeugen statt, ich war gerade dabei auf den Zeugen einzuwirken.“ Brehme nennt dann eine Adresse in Rudolstadt.

Götzl stellt die obligatorische Frage, ob Brehme mit den Angeklagten verwandt oder verschwägert sei. Brehme: „Nicht bewusst.“ Götzl: „Ja, sind Sie verwandt oder verschwägert?“ Brehme: „Nicht bewusst.“ Götzl: „Das ist das erste Mal in diesem Verfahren dass wir bei den Personalien diese Probleme haben.“ Dann sagt Götzl, dass es um Erkenntnisse zu Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe, Wohlleben gehe, um Fragen hinsichtlich der Vermittlung eines Interviews mit der Zeitschrift Stern, auch um Brehmes Verhältnis zu Wohlleben, die Einstellung Wohllebens, auch im Hinblick auf Gewalt. Mich würde mal zunächst interessieren, dass Sie uns im Zusammenhang berichten, was es damit auf sich hat.“ Brehme: „Konkret, bitte.“ RA Böhmer: „Es hat noch keine Belehrung stattgefunden.“ Götzl: „Natürlich hat eine stattgefunden. Eingangs, bevor wir zu den Personalien gekommen sind. Ich bitte um mehr Aufmerksamkeit.“

Brehme: „Bitte die erste Frage!“ Götzl: „Ich will, dass Sie zum Beweisthema berichten. Und ich hatte gesagt, Sie sollen überhaupt erstmal Stellung nehmen, inwiefern Sie die genannten Personen kennen?“ Brehme: „Also, den Ralf Wohlleben kenne ich seit mehreren Jahren, die Beate Zschäpe habe ich damals auch gekannt, mehrere Jahre, den Uwe Böhnhardt habe ich natürlich auch gekannt und den Uwe Mundlos auch.“ Götzl: „Berichten Sie uns, wann Sie sie kennengelernt haben, wie im Weiteren das Verhältnis verlaufen ist.“ Brehme: „Ich habe sie kennengelernt Mitte der 90er Jahre. Aber wo genau, kann ich nicht mehr sagen, entweder in Rudolstadt, oder im Landkreis Rudolstadt oder in Jena.“ Götzl: „Zu den einzelnen Personen, was können Sie zu denen jeweils sagen?“ Brehme: „Der Uwe Böhnhardt ist mein Jahrgang, wir hatten einen recht guten Kontakt, standen positiv zueinander. Ich war auch auf einer Geburtstagsparty von ihm, der letzten vor seinem Verschwinden. Mit Uwe Mundlos verbindet mich, dass wir im selben Jahr Abitur gemacht haben, er war ja älter. [phon.] Und Beate Zschäpe kenne ich halt auch.“ Götzl: „Woher?“ Brehme: „Wie vorher genannt: Ich kann es nicht weiter konkretisieren. Irgendwo zwischen Jena und Rudolstadt gab es einen Erstkontakt. Ich kann die Zeit noch eingrenzen. Ich habe die Drei erst kennengelernt ab dem 3. Januar 1994. ’94, ’95 oder ’96 dann. Jedenfalls nicht vorher.“

Götzl: „Warum benennen Sie das Datum?“ Brehme: „Weil ich da Tino Brandt kennengelernt habe.“ Götzl fragt, wie der Kontakt zu den Personen verlaufen sei. Brehme: „Der Kontakt war gut. Schätze, ich habe in den damaligen Jahren einen der vier Genannten bestimmt einmal pro Woche gesehen, trotz der Entfernung von Jena nach Rudolstadt. Wobei die vier nicht als Vierergruppe aufgetreten sind und die Drei nicht als Dreiergruppe.“ Götzl: „Sondern?“ Brehme: „Mal eine Person, mal zwei, mal drei, mal sechs Jenaer. Wir haben die nicht wie später das LKA als ‚Drilling‘ oder ‚Trio‘ bezeichnet.“ Götzl: „Bei welchen Gelegenheiten?“ Brehme: „Ich hatte das eine oder andere Sportereignis mit dem Uwe Böhnhardt alleine zum Beispiel. Und bei anderen Veranstaltungen wie Wintersonnwendfeiern, Sommersonnwendfeiern waren dann halt fünf, sechs, sieben Jenaer dabei.“

Götzl: „Und Wohlleben: Was können Sie uns zu ihm sagen?“ Brehme: „Also, ich kann sagen, dass er erst im Lauf der 90er Jahre in verantwortungsvolle Position geraten ist, und konkret erst ab 2001. Mit dem Bekanntwerden Brandts als V-Mann sind halt Wohlleben und andere in leitende Position gekommen. Zuvor hatten sie nicht diese Tragweite. [phon.] Es entstand nach dem Bekanntwerden Brandts als V-Mann ein Vakuum und das wurde dann wiederbesetzt.“ Götzl fragt, bei welchen Organisationen Wohlleben leitende Positionen gehabt habe. Brehme: „Im Einzelnen weiß ich das nicht. Ich denke, er ist zu einer demokratischen Partei gegangen. Ich denke, es war wohl die NPD.“ Götzl: „Wo noch?“ Brehme: „Dadurch dass er diesen Werdegang gegangen ist, hat sich das für uns getrennt, weil ich da nicht so orientiert war.“

Götzl: „Wie war es denn vorher gewesen, vor 2001?“ Brehme: „Vorher war es so, dass er gleichberechtigtes Mitglied der Kameradschaft Jena gewesen ist und keine Führungsverantwortung übernommen hat.“ Götzl fragt, was Brehme zur KS Jena sagen könne. Brehme: „Die war eine typische Kameradschaft Mitte der 90er Jahre auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Man konnte sie definieren durch ein Kommen und Gehen, wie bei anderen Kameradschaften. Die Leute sind mit 15, 16 Jahren gekommen und haben sie mit Ende der Lehre, Berufseintritt oder Wohnortwechsel wieder verlassen [phon.].“ Götzl: „Wer gehörte dazu“? Brehme: „Das kann ich nicht bis auf den letzten Mann wiedergeben.“ Götzl: „Mir geht es um Personen, mit denen Sie Kontakt hatten.“ Brehme: „Vor Augen habe ich schon den ein oder anderen. Namen haben wir damals auch nicht unbedingt gekannt.“ Götzl: „Wen ordnen Sie zu?“ Brehme nennt Wohlleben. Götzl: „Und sonst?“ Brehme schweigt. Götzl: „Ja, Sie sprechen von einem gleichberechtigten Mitglied der Kameradschaft Jena. Jetzt frage ich Sie nach Mitgliedern.“ Brehme: „Ich war nicht für Jena zuständig.“ Götzl: „Ja, dann müssen Sie sagen, wie Sie zu dieser Einordnung kommen, von einem gleichberechtigten Mitglied der Kameradschaft Jena zu sprechen.“ Brehme: „Weil er keine Führungsverantwortung hatte.“

Götzl: „Das ist eine Negativbeschreibung, Herr Brehme. Da habe ich meine Probleme damit.“ Brehme schweigt kurz und sagt dann: „Ich war für Rudolstadt zuständig, aber zu Jena, Jena ist ziemlich groß.“ Götzl: „Nein, ich will das erläutert wissen, was Sie mir gesagt haben. Inwiefern können Sie sagen, dass Wohlleben ein gleichberechtigtes Mitglied der Kameradschaft Jena war.“ Brehme: „Er kam aus Jena, er war ein Kamerad, er hat versucht sich zu organisieren und ist nicht nach oben abgewichen. Damit war er einfaches Mitglied der Kameradschaft Jena.“ Götzl: „Gab es andere Mitglieder, welche waren das, und wie sah das aus?“ Brehme: „Ich kann zu Jena in den 90er Jahren nicht viel sagen.“ Götzl: „Wie sah die Struktur der Kameradschaft Jena aus?“ Brehme: „Kann ich nicht sagen. Ich weiß nur, dass Jena ziemlich groß ist und die verschiedenen Stadtviertel sich teilweise selbst organisiert hatten.“ Götzl fragt, ob es jemanden gegeben habe, der zur Führungsebene gehörte. Brehme: „Habe ich zu dem Zeitpunkt in Jena nicht wahrgenommen.“ Auf Frage sagt Brehme, dass er von Mitte der 90er spreche, 1994 bis 1996 ungefähr.

Götzl: „Hat sich das geändert?“ Brehme: „Ab 2001 würde ich schon sagen, dass der Herr Wohlleben Einfluss hatte.“ Götzl: „Und vor 2001, wie sahen da die Strukturen aus?“ Brehme: „Irgendwann bilden sich erste Kameradschaften. Es gab ja mit der Wende strukturlose Bekanntschaften, das heißt Sie hatten in Jena ja alles Mögliche vertreten.“ Götzl: „Was bedeutet das?“ Brehme: „Sie hatten verschiedene Szenen parallel, verschiedene Kameradschaften parallel, wie sich das in Jena geordnet hat, kann ich nicht sagen. Ich kann es nur für Saalfeld-Rudolstadt sagen.“ Götzl fragt, ob Mundlos in der KS Jena eine Rolle gespielt habe. Brehme: „Ich denke schon, ja.“ Götzl: „Worauf gründet das?“ Brehme: „Weil er aus Jena kam.“ Götzl: „Ist das das einzige Kriterium?“ Brehme: „Das Hauptkriterium.“ Götzl fragt nach den weiteren Kriterien. Brehme: „Er war ein Kamerad.“ Götzl: „Wie war es mit Uwe Böhnhardt?“ Brehme: „Gleichfalls.“ Götzl: „Wie war es mit Frau Zschäpe?“ Brehme: „Kann ich so nicht sagen, ob sie sich direkt der Kameradschaft zugeordnet gefühlt hat. Die Ränder waren ja eher fließend.“ Götzl fragt, was damit gemeint sei. Brehme: „Es gab keinen abgeschlossenen Personenkreis.“

Götzl: „Wie war es mit André Kapke?“ Brehme: „Der hatte zunehmende Bedeutung ab 2001.“ Götzl: „Welche Bedeutung?“ Brehme: „Richtungsweisend.“ Götzl: „Im Hinblick worauf?“ Brehme: „Die Kameradschaft Jena.“ Götzl: „Inwieweit?“ Brehme: „Kann ich auch nicht weiter sagen, weil ich auch da nicht in Jena war.“ Götzl entgegnet, dass Brehme doch Ausführungen gemacht habe, dass Kapke im Hinblick auf die KS Jena richtungsweisend gewesen sei: „Jetzt sagen Sie: Kann ich nicht sagen.“ Brehme: „Formulieren Sie Ihre Frage um.“ Götzl: „Ich formuliere die Frage nicht um. Ich frage nur ab, was Sie gesagt haben.“ Brehme: „Konkret die Straftaten wurden weniger, auch durch seine Hilfe. Die Straftaten, die durch einzelne Mitglieder begangen wurden in Jena, wurden weniger. Auch durch seine Richtungsvorgaben.“ Götzl: „Können Sie das erläutern?“ Brehme: „Es stellte sich so dar, dass der Staat einen ziemlich starken Verfolgungsdruck an den Tag gelegt hat und Jugendliche bei Nichtwissen vor die Gerichte gezerrt hat. Und Kapke hat dafür gesorgt, dass möglichst wenig Jugendliche in diese Strickfallen treten.“ Götzl: „Wie hat er das gemacht?“ Brehme: „Er hat sie darauf hingewiesen.“

Er bejaht, Holger Gerlach zu kennen: „Ungefähr selbe Zeit, auch aus Jena.“ Götzl: „Und Herrn Schultze?“ Brehme: „Ja.“ Götzl: „Können Sie dazu bitte auch noch etwas sagen?“ Brehme: „Auch aus Jena, aber später.“ Das sei 1998 wahrscheinlich gewesen. Er verneint, André Eminger zu kennen. Götzl: „Können Sie uns die Rolle Brandts beschreiben und wie der Kontakt zu ihm war?“ Brehme: „Bis 2001 war der Kontakt zu ihm sehr gut. Tino Brandt war die Schlüsselfigur der damaligen Zeit in Saalfeld-Rudolstadt und in ganz Thüringen. Mit zunehmender Bedeutung bundesweit durch den Eintritt in die NPD und die Gründung der Revolutionären Plattform in der NPD.“ Götzl: „Wie war Ihr Kontakt zu ihm?“ Brehme: „Sehr gut.“ Götzl fragt, wie intensiv der Kontakt gewesen sei. Brehme: „Wir sind ja beide aus Rudolstadt. Man hatte ihm aus politischen Gründen die Arbeit gekündigt in Regensburg, daraufhin ist er nach Rudolstadt verzogen und da habe ich ihn kennengelernt. Seither hatten wir mehrfach die Woche Kontakt.“ Götzl: „Welche Rolle spielte Tino Brandt für die Kameradschaft Jena?“ Brehme: „Zunächst keine. Anfang der 90er war die Kameradschaftsstruktur in Jena nicht fassbar, es war ein Kommen und Gehen. Erst später als die Kameradschaftsstruktur etwas enger wurde, kann man sagen, dass Brandt auch da Einfluss gewonnen hat in Jena, ja.“

Götzl fragt, wann das gewesen sei. Brehme: „Beim Übergang von der ‚Anti-Antifa-Ostthüringen‘ zum THS.“ Das sei 1996, in der Zeit, gewesen. Götzl: „Was bedeutet: ‚Strukturen enger geworden‘?“ Brehme: „Wenn ich für Saalfeld-Rudolstadt reden darf: Wir hatten die ‚Anti-Antifa Ostthüringen‘ gegründet in Reaktion auf die vielen Übergriffe der Linksextremisten. Auch die Personen, die im Abschlussbericht des Untersuchungsausschuss Thüringen genannt werden, das waren keinen Sachverständigen, sondern Gewalttäter. Die haben die Eltern zusammengeschlagen, die Kameraden in der Wohnung zusammengeschlossen [phon.], unsere Reifen abgestochen. Der Sache musste man Herr werden. Letzten Endes war das Brandts Idee als Teil einer Gesamt-Anti-Antifa [phon.]. Und Brandt hatte halt damals den Kontakt zur GdNF [Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front, Neonazi-Kaderorganisation in den 80er und 90er Jahren] und wir nicht.“

Götzl: „Wie muss ich mir den Übergang von der Kameradschaft Jena zum THS vorstellen?“ Brehme: „Es gab eine Mitwirkungserklärung. Die haben sich bereit erklärt da mitzuwirken. Weil sie der Sache eine andere Bedeutung gegeben haben als der einzelnen Kameradschaft. Und als die Anti-Antifa-Arbeit Früchte getragen hat, war der Zeitpunkt, aus der Region rauszutreten und sich gauweit zu organisieren.“ Zu dem Zeitpunkt des Übergangs von der „Anti-Antifa Ostthüringen“ zum THS seien, so Brehme, die „Viktimisierungsvorgänge“ abgeschlossen gewesen: „Das heißt, wir brauchten uns nicht mehr um die Linken kümmern, sondern hatten eine andere Zielrichtung.“ Götzl: „Wie sah die aus?“ Brehme: „Der gewaltbereite Linke war nicht mehr der Hauptfeind, den hatten wir in den Griff bekommen. Und konnten uns um andere Sachen kümmern, die den Menschen stören [phon.].“ Götzl: „Um was?“ Brehme: „Um ein besseres Deutschland.“ Götzl: „Was ist damit gemeint?“ Brehme: „Ein Deutschland, in dem die Umwelt geschützt wird und die Heimat, in dem die Arbeit dem Menschen dient und nicht der Mensch der Arbeit, ein Land, das sich nicht an Auslandskriegen beteiligt, in dem die Bürger nicht überwacht werden, in dem es keine Gefangenschaften gibt von drei Jahren ohne Urteil.“

Götzl: „Was wurde konkret unternommen?“ Brehme: „Wir waren ja Jugendliche, wir hatten natürlich keinen abgeschlossenen Plan. Wir hatten nur eine Idee, eine Idee des Besseren.“ Götzl sagt, seine Frage sei gewesen, ob jetzt etwas unternommen worden sei, um die Idee umzusetzen. Brehme: „Wir haben uns öffentlich ausgesprochen gegen die Beteiligung der Bundeswehr am Krieg in Serbien, für einen Sofortaustritt aus der NATO, gegen den Einfall der Amerikaner im Irak.“ Götzl: „Bei welcher Gelegenheit haben Sie sich dagegen ausgesprochen?“ Brehme: „Öffentliche und nichtöffentliche Gelegenheiten.“ Götzl sagt, Brehme solle konkret werden. Brehme: „Bei Podiumsdiskussionen, bei Ständen, Unterhaltungen, Stammtischen.“ Götzl: „Was bedeutet ‚wir‘?“ Brehme: „Die Idee des Wirs.“ Götzl: „Bitte?“ Brehme: „‚Wir‘ als Idee.“ Götzl sagt, man spreche ja vom THS. Brehme: „Das von mir verwendete ‚Wir‘ beschränkt sich nicht auf den THS.“ Götzl: „Dann beschränken Sie sich mal auf die Personen des THS!“ Brehme: „Brandt hat sich auch ausgesprochen gegen den Bundeswehreinsatz.“ Götzl: „Sie weichen mir aus.“ Brehme: „Konkret Brandt und ich haben uns gegen den Krieg gegen Serbien ausgesprochen.“ Götzl: „Ja, bestand der THS aus Ihnen und Brandt?“ Brehme: „Auf alle Fälle.“

Auf Frage sagt er: „Ich kann mich durchaus an verschiedene weitere Personen erinnern, aber keine Namen.“ Auf Nachfrage sagt Brehme: „Wenn Sie mir einen nennen, kann ich versuchen zu rekonstruieren. [phon.] Und ich kann nicht wissen, wer V-Mann war.“ Götzl: „Es ist eine einfache Frage: Wer gehörte zum THS außer Ihnen und Brandt?“ Brehme: „Definitiv Brandt und ich .“ Götzl: „Sie weichen mir aus. Ich habe Sie belehrt. Ihr Zeugenbeistand hat es wohl überhört, aber ich hatte Sie belehrt, dass Sie nichts verschweigen dürfen.“ Brehme: „Ich werde nur wiedergeben was ich zu 100 Prozent rekonstruieren kann.“ Götzl: „Sie werden einfach die Wahrheit sagen, es geht um wahrheitsgemäße Antworten. Deswegen nochmal: Wer gehörte zum THS?“ Brehme: „Das kann ich nicht mit letzter Gewissheit beantworten, bevor ich eine Falschaussage mache.“ Götzl: „Also, Sie können keine weitere Person nennen?“ Brehme: „Vom Sehen bestimmt, aber nicht mit Namen.“ Götzl: „Dann beschreiben Sie mir mal Personen, die Sie in Erinnerung haben und die Umstände dazu, irgendwelche Besonderheiten.“ Brehme: „Dann legen Sie mir doch Fotos vor.“ Götzl: „Sie gehen bitte auf meine Fragen ein. Bisher antworten Sie nicht drauf, sondern Sie machen mir Vorschläge. Meine Fragen sind klipp und klar.“ Brehme: „Zum THS zählten definitiv Brandt und ich.“ Dann schweigt Brehme.

Götzl: „Nochmal die letzte Nachfrage: Sind Ihnen Namen von weiteren Mitgliedern des THS bekannt? Bitte die Frage beantworten.“ Brehme: „Der THS war ja ein Zusammenschluss von Kameradschaften oder Netzwerken zu einem großen Netzwerk. Da waren die Übergänge fließend.“ Da hätten sich auch Personen zugerechnet, die Brandt oder er selbst nicht zugerechnet hätten. Götzl: „Dann haben Sie ein Abgrenzungsproblem und da müssten Sie ja noch mehr Namen kennen. Aber Sie gehen ja nicht drauf ein. Meine Frage geht im Hinblick auf die konkreten Personen. Wird die Frage beantwortet?“ Brehme: „Auch eine Teilnahme auf THS-Tagungen oder Veranstaltungen hat nicht zwingend eine Mitgliedschaft zufolge.“ Götzl: „Danach hatte ich Sie nicht gefragt. Meine Frage ist: Wer zählte noch zum THS?“ Brehme: „Und ich versuche es wahrheitsgemäß zu beantworten.“ Er wolle nichts sagen, was er nicht mit letzter Gewissheit rekonstruieren könne. Götzl: „Vielleicht wollen Sie die Frage nicht beantworten.“ Brehme: „Vielleicht verstehe ich Ihre Frage nicht.“ Götzl: „Die Frage ist doch klipp und klar!“ Brehme: „Wenn mir Namen einfallen, werde ich sie selbstständig einfügen.“ Götzl: „Ja, können Sie jetzt Namen nennen?“ Brehme verneint das.

OStA Weingarten: „Nach meinem Eindruck unterliegt der Zeuge einem Rechtsirrtum. Er glaubt offenbar, dass er nur Umstände bekunden muss, die er hundertprozentig weiß. Ich rege an, ihn darauf hinzuweisen, dass er nur seine Erinnerung wiedergeben muss, die ist naturgemäß unsicher.“ Götzl: „Er war durchaus in der Lage das klarzumachen. Er hat die Unterscheidung ja auch vorgenommen. Um das abzuschließen: Weitere Namen, die Sie zum THS zählen, können Sie nicht sagen?“ Brehme: „Aktuell fallen mir keine ein. Ich werde das nachholen, wenn sie mir selbstständig einfallen.“ Götzl sagt, er habe auch danach gefragt, ob Brehme ihm Personen beschreiben könne, mit Funktionen, Spitznamen oder Umstände, Erlebnisse, sonstige Ereignisse. Brehme schweigt. Götzl: „Gibt’s da jemanden?“ Brehme: „Letzten Endes nur Brandt. Brandt hat meines Erachtens den Namen [phon.] erfunden und hat die Umstrukturierung herbeigeführt von der ‚Anti-Antifa Ostthüringen‘ zum ‚Thüringer Heimatschutz‘. Ob die Wortwahl von ihm direkt stammt, kann ich nicht sagen. Mir wurde sie von ihm bekannt.“

Götzl: „Jetzt haben wir uns heute schon über Namen unterhalten außer Brandt. Was ist denn mit diesen Personen: Ralf Wohlleben, Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt, Beate Zschäpe, Holger Gerlach, Carsten Schultze?“ Brehme: „Also, die Personen befanden sich damals in der Szene. Man muss von einer Szenenhaftigkeit sprechen. Und ich kann nicht mit letzter Gewissheit sagen, dass sie selbst der Kameradschaft Jena zuzuordnen sind oder dem THS, auch wenn sie zu Stammtischen oder Wochenendlagern gekommen sind.“ Götzl: „Was war denn notwendig, um Mitglied zu sein?“ Brehme: „Man durfte entscheiden.“ Götzl: „Ja, was denn?“ Brehme: „Über die eine oder andere Richtungsweisung, Stellungnahmen.“ Götzl fragt nach einem Beispiel. Brehme: „Der Einsatz gegen Serbien.“ Götzl: „Wer hat denn jetzt entschieden?“ Brehme: „Wir haben uns zusammengesetzt und diskutiert, wie wir uns eine bessere Welt vorstellen. Und das ist ja das Gegenteil.“ Götzl: „Und wer war da dabei?“ Brehme: „Brandt und ich. Wie bei den Stammtischen zum Teil.“ Götzl: „Wer war bei den Stammtischen dabei?“ Brehme: „Nicht alle beim Stammtisch waren THS-Mitglieder.“ Götzl: „Sagen Sie mir einfach mal, wer dabei war?“ Brehme: „Welchen Stammtisch meinen Sie denn?“ Götzl: „Wir können das einzeln durchgehen.“ Brehme: „Nennen Sie mir das erste Datum und dann fange ich an.“ Götzl: „So nicht!“

Nach kurzem Schweigen sagt Brehme: „Also, war zum Beispiel bei Stammtischen der Kai Dalek dabei. Der wiederum kein Mitglied des THS war.“ Götzl: „Ja, machen Sie doch weiter mit Namen!“ Brehme: „An den kann ich mich erinnern.“ Götzl: „Ist das der einzige, an den Sie sich erinnern?“ Brehme: „Ich kenne nicht von allen den Namen.“ Götzl: „Sie tun so, also ob das jetzt ein besonderes Ereignis wäre, dass Sie mir den Namen Kai Dalek nennen. Nicht drumrum reden! Es geht drum, dass Sie die Namen nennen, dann muss ich nicht nachfragen.“ Brehme: „Ich bin ja dabei.“ Götzl: „Jaja, machen Sie mal! Sie sind dran, nicht ich. Nennen Sie mir ein paar Namen!“ Brehme: „Die Stammtische waren besetzt von zwei Personen bis 60. Mal waren Brandt und ich zu zweit, mal waren 60 da.“ Götzl: „Dann müssten ja jede Menge Namen da sein.“ Brehme: „Ich habe nur Gesichter im Kopf, keine Namen.“ Götzl: „Dann Ralf Wohlleben, Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Frau Zschäpe, Holger Gerlach, Carsten Schultze: Was war mit denen, waren die zugegen?“ Brehme: „Die waren gelegentlich Teilnehmer der Stammtische. Mal zwei, mal fünf, sechs, sieben Jenaer, mal ein, mal zwei Autos.“

Götzl: „Ja, sind das keinen Namen? Sind das nur Gesichter?“ Brehme: “ Das sind aber nicht zwangsweise Mitglieder des THS.“ Götzl: „Was bedeutet: ’nicht zwangsweise‘?“ Brehme: „Nicht jeder ist Mitglied des THS gewesen, nur weil er auf dem Stammtisch war.“ Götzl: „Die Genannten, waren die Mitglied im THS?“ Brehme: „Ich kann mich zumindest nicht an Funktionen erinnern.“ Götzl: „Was meinen Sie?“ Brehme: „Dass wer eine tragende Funktion hatte.“ Götzl: „Was waren denn andere Funktionen als tragende? Schildern Sie mir Funktionen, Aufbau und Strukturen beim THS, bitte! Oder insgesamt, gleich mit Personen.“ Brehme: „Nicht jede Struktur erschloss sich jedem Mitglied oder auf jeder Ebene. Es gab Entscheidungsgremien etwas höher und es gab einfache Kameraden, ohne Aufgabe und ohne Verpflichtung [phon.]. Und einfache Teilnahme an einem Stammtisch: da können Sie nix drauf bauen.“ Götzl: „Welche Personen rechnen Sie welchem Bereich zu?“ Brehme: „Letzten Endes rechne ich dem THS Brandt zu und mich.“ Götzl: „Und die anderen Personen?“ Brehme: „Kann ich nicht mit letzter Gewissheit sagen.“ Götzl: „Was?“ Brehme: „Ob sie Funktionen hatten. Weil sie für mich nicht ersichtlich waren.“

Götzl: „Was haben Sie in Erinnerung?“ Brehme: „Ich habe an Einzelpersonen in Erinnerung, eine Sommersonnwendfeier mit dem Herrn Gerlach. Das ist keine Funktion des THS.“ Götzl: „Dann handeln Sie die einzelnen Personen ab und was Sie im Hinblick auf das Thema sagen können. Sonst werden wir heute nicht fertig werden. Ich bitte um Beschleunigung.“ Brehme: „Ich möchte meine Zeugenaussage nicht beschränken.“ Götzl: „Ich räume Ihnen die Zeit ein. Gehen Sie auf meine Fragen ein, dann geht es schneller. Aber die Zeit, die wir brauchen, die nehmen wir uns.“ Brehme: „Danke schön.“ Götzl: „Wenn Sie sich bei mir bedanken, wäre ich Ihnen auch dankbar, wenn Sie die Frage beantworten würden.“ Brehme: „Also, ich kann mich an eine Sommersonnwende erinnern, wo Herr Gerlach dabei war, in der Nähe von Nürnberg. Und Wintersonnwenden zwischen Rudolstadt und Jena, wo die anderen dabei waren, Beate und die beiden Uwes.“ Götzl: „Sie nicken mir so schön zu, ich weiß es nicht.“ Brehme: „Also, vorwiegend Sommer- und Wintersonnwendveranstaltungen.“ Götzl: „Von welchen Personen sprechen Sie?“ Brehme: „Beate Zschäpe, die beiden Uwes, teilweise Ralf Wohlleben und teilweise von Holger Gerlach.“

Götzl: „Sonstige Ereignisse?“ Brehme: „An Sportveranstaltungen kann ich mich noch erinnern, mit Uwe Böhnhardt.“ Götzl: „Sonst etwas?“ Brehme: „Das sind die Sachen die ich im Kopf habe.“ Götzl: „Und im Hinblick auf Ralf Wohlleben?“ Brehme: „Der ist ja irgendwann in die Partei, die NPD, eingetreten. Und das war nicht die Hauptausrichtung des THS.“ Götzl: „Sondern?“ Brehme: „Der THS halt sich als frei verstanden und die NPD hat ja das Wort ‚demokratisch‘ bereits im Namen. Und das war für uns nicht zielführend für eine bessere Welt.“ Götzl: „Erzählen Sie weiter, was Wohlleben anbelangt!“ Brehme: „Das Eintreten in die bestimmte Politik [phon.] war beim Kameraden Wohlleben ab 2001, nachdem Brandt weg war. Vorher kamen und gingen Personen.“ Es habe da noch ein kriminelles Milieu um Jena herum gegeben, mit dem es Überschneidungen gegeben habe: „Und aus dem ganzen Umfeld löste sich der Kamerad Wohlleben und hat den demokratischen, rechtstreuen Weg beschritten, gewollt.“ Götzl: „Was heißt das?“ Brehme: „Viele von den jungen Kameraden haben damals Straftaten begangen und sind ins kriminelle Milieu abgerutscht und hängen geblieben.“ Götzl: „Und vor 2001, was Herrn Wohlleben anbelangt?“ Brehme: „Ich kann mich nur erinnern, dass er nicht die übermäßige Rolle gespielt hat, sondern ein gleichberechtigter Kamerad war, ohne Funktion, ohne übermäßiges Vertrauen, er war einfach dabei.“

Götzl: „Wie war Ihr Verhältnis zu Wohlleben?“ Brehme: „Gut, wie auch zu den anderen.“ Götzl: „Wie gut kannten Sie ihn?“ Brehme: „Das Verhältnis war nicht ganz so eng wie zu Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos.“ Götzl: „Sie neigen zu Negativabgrenzungen. Umschreiben Sie es positiv.“ Brehme: „Ich bitte weiter nachzufragen, wenn es wieder passiert, gelobe aber Besserung.“ Götzl: „Nicht so eng wie zu Böhnhardt und Mundlos‘. Wenn Sie das sagen, dann muss ich nach dem Verhältnis zu Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt fragen.“ Brehme: „Weil ich einen von den beiden bestimmt einmal pro Woche gesehen, an den Mittwochsstammtischen oder am Wochenende, von 1995 bis 1997, um den Dreh.“ Götzl: „Wie eng war das Verhältnis zu Beate Zschäpe?“ Brehme: „Ich kannte sie, das Verhältnis war an sich gut, ich kann jetzt nichts Negatives sagen. Sie hat sich jetzt nicht nach oben hervorgetan und keine leitende Funktion übernommen. Es war eher so, dass, als bekannt war das sich die drei Jenaer auf der Flucht befanden, als die aufgezählt wurden, da kam eher die Frage auf: Wer noch? Also, wenn schon Beate Zschäpe mit denen auf der Flucht war, wer dann noch alles? Habe sie nicht so als Dreiergruppe wahrgenommen. Ich hätte ihr auch keine tiefergehende Vertrauensstellung eingeräumt zwischen den beiden [phon.]. Als es dann hieß, sie soll die Garage angemietet haben, dachte ich: Ja aber sie wusste wahrscheinlich nicht was drinne ist.“

Götzl fragt nach dem Begriff „Vertrauensstellung“. Brehme: „Die von mir zu Brandt war wesentlich fester.“ Götzl unterbricht: „Mir geht es um Beate Zschäpe, die Sie gerade bewerten hinsichtlich einer Vertrauensstellung.“ Brehme: „Ich hatte ja nicht weitere Veranstaltungen mit ihr konkret, wo ich sagen könnte, das Vertrauen ist gestiegen oder ich hätte ihr einen verantwortlichere Rolle zuspielen wollen. Das Verhältnis war einfach gut, aber das war’s dann auch.“ Götzl: „Wie oft haben Sie Frau Zschäpe gesehen?“ Brehme: „Bestimmt weniger als die anderen beiden, Böhni und Uwe Mundlos. Vielleicht einmal im Monat, in der damaligen Zeit.“ Götzl fragt, wann und in welcher Form Brehme Kontakt zu Mundlos und Böhnhardt gehabt habe. Brehme: „Mittwochsstammtisch oder Wochenendveranstaltungen.“ Götzl: „Können Sie uns jetzt sagen, wie Ihr Verhältnis zu Ralf Wohlleben war?“ Brehme: „Etwas distanzierter.“ Auf Nachfrage sagt Brehme: „Die Vertrauensbasis zu den beiden Uwes war einfach besser, weil wir auf Veranstaltungen den Kontakt zueinander gesucht haben und uns unterhalten haben. Und Ralf Wohlleben halt andere Gesprächspartner gesucht hat.“ Auf Frage sagt Brehme, er habe vielleicht auch einmal im Monat zu Wohlleben Kontakt gehabt. Götzl: „Und bei welchen Gelegenheiten war jetzt der Kontakt zu Herrn Wohlleben?“ Brehme: „Ich glaube, bei verschiedenen Seminaren.“

Götzl: „Können Sie denn mit dem Stichwort ‚Interview Zeitschrift Stern‘ etwas anfangen?“ Brehme : „Beim Verhör beim BKA wurde das auch erwähnt, da wurde das Datum 28.10.1998 oder 2000, helfen Sie mir kurz, genannt.“ Götzl: „Was hat es damit auf sich?“ Brehme: „Damals war es halt so: Dewes war Innenminister, der öfter damit rauspolterte, eine Datei von Rechtsextremisten anzulegen und den THS zu verbieten. Es war also etwas Sorgfalt vonnöten, dass es nicht zu einem Verbot kommt.“ Von irgendeinem Innenminister sei immer was verboten worden „in der freiheitlichen BRD“. Brehme weiter: „Und da kam das Angebot, ich weiß nicht von wem, für ein Interview zwischen 50.000 und 60.000 zu zahlen. Dann wird abgewogen. Und letzten Endes haben wir uns bei einem zweiten Treffen dagegen entschieden, um eben die Sicherheit des THS nicht zu gefährden.“

Götzl: „Worum sollte es bei der Interviewanfrage gehen?“ Brehme: „Es sollte darum gehen, dass die drei Jenaer, die sich auf der Flucht befanden, dass sie einfach zeigen wollen, sie können Kontakt aufnehmen und der Staat schafft es nicht [phon.]. Und dass sie nicht verhaftet werden, sondern sozusagen freies Geleit kriegen. Sagen, was sie gemacht haben oder nicht gemacht haben und dann wieder gehen.“ Götzl: „Welche drei?“ Brehme: „Die drei Jenaer, die sich ab ’98 auf der Flucht befanden.“ Götzl: „Wen meinen Sie damit?“ Brehme sagt, er habe vorhin schon erklärt, dass erst seit Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe von Jena weg seien, man sie erst dann zusammengefasst habe als „die drei Jenaer“: „Das verbindende Element war ‚Jena‘.“ Götzl: „Wer hat das Interview geführt?“ Brehme: „Es kam nicht zustande.“ Götzl: „Wer hat die Kontakte aufgenommen? Wer hat mit wem gesprochen?“ Brehme: „Mit dem Stern-Reporter?“ Götzl: „Ja.“ Brehme: „Weiß nicht. Welcher Stern-Reporter war es denn?“ Götzl: „Ich beantworte hier keine Fragen.“ Brehme: „Wenn Sie einen Namen genannt hätten, wär’s mir vielleicht eingefallen, aber jetzt kann ich es nicht sagen. Der Vorteil wäre eine finanzielle Entlastung mit Erwerb eines Grundstücks. Nachteil wäre ein Gesamtverbot des THS mit Auflagen, die wir für die Zukunft nicht absehen konnten. Es wurde abgewägt: Nein, Nachteile überwiegen. Und weil wir nicht wollten, hat irgendwer dem Stern-Reporter abgesagt.“

Götzl: „Wer war derjenige?“ Brehme: „Kann ich nicht sagen. Weil ich nicht weiß, wer der Stern-Reporter war.“ Götzl: „Ich habe nicht nach dem Stern-Reporter gefragt.“ Brehme: „Wir hatten damals gelegentlich Kontakt zu verschiedenen Reportern. Ich kann es nicht sagen.“ Brandt habe Kontakt zu einem „Haus- und Hofreporter“ gehabt. Götzl: „Von wem wurden die Vor- und Nachteile abgewogen?“ Brehme: „Definitiv von Brandt und mir. Wer noch dabei war, kann ich nicht mit Gewissheit sagen.“ Götzl: „Wer war noch dabei?“ Brehme: „Kann ich nicht sagen.“ Götzl: „Ja, war noch jemand dabei?“ Brehme: „Ich habe es gelesen, aber ich kann mich nicht mehr dran erinnern. Ich kann auch nicht sagen, wie die Anfrage zustande kam. Vielleicht über zwei, drei Personen, das war nicht unüblich damals.“ Götzl: „Von wem haben Sie die Information bekommen zu dem Interview?“ Brehme: „Ich gehe davon aus, dass mich Brandt rangeholt hat.“ Götzl: „Hat hier Herr Wohlleben eine Rolle gespielt?“ Brehme: „Ralf Wohlleben hat das Ganze vorgetragen in der kleinen Gruppe und das war’s von seiner Seite. Eine weitere tragende Rolle hat er da nicht gespielt.“

Götzl: „Jetzt bleiben wieder zwei Punkte offen: Was hat Ralf Wohlleben vorgetragen? Und welche kleine Gruppe?“ Brehme: „Das meine ich, den Sachverhalt. Das Angebot zwischen 50 und 60.000 DM.“ Götzl: „Wie hätte der Kontakt aufgenommen werden sollen zu den Drei?“ Brehme: „Das hätten wir in einem weiteren Gespräch geklärt.“ Götzl: „Dann informieren Sie mich.“ Brehme: „Wir müssen uns erstmal Gedanken machen: Wollen wir es realisieren? Und wenn wir uns einigen, nein, wir realisieren das nicht, dann brauchen wir kein drittes Gespräch.“ Götzl: „Vor allem braucht man kein Gespräch zu führen, wenn die Möglichkeit des Kontakts nicht besteht.“ Brehme: „Das Entscheidende ist, Ralf Wohlleben hat die Information weitergegeben und die wurde diskutiert.“ Götzl: „Wer gehörte jetzt zu dieser kleinen Gruppe?“ Brehme: „Ich kann mich nicht erinnern, hab’s nur gelesen. Brandt hat mich dazu geholt, Wohlleben hat es vorgelesen. Beim zweiten Mal war Wohlleben nicht mehr dabei, aber Brandt definitiv und ich auch.“

Götzl legt eine Pause ein bis 15:15 Uhr. Dann fragt er: „Wer hat denn die Entscheidung getroffen, dass das Interview nicht durchgeführt wird?“ Brehme: „Denke, das war basisdemokratisch.“ Götzl: „Mir genügt, wenn Sie sagen, wer.“ Brehme: „Ich denke, wahrscheinlich Brandt und ich.“ Götzl: „Wer war denn zugegen?“ Brehme: „Ich kann mich an Brandt erinnern und an mich. Ich habe auch gelesen, wer dabei gewesen sein soll, kann mich aber daran nicht mehr erinnern.“ Götzl: „Was meinen Sie damit? Wo haben Sie was gelesen?“ Brehme: „In öffentlich zugänglichen Quellen?“ Götzl: „Welche meinen Sie?“ Brehme: „Ich führe im Kopf kein Quellenregister.“ Götzl: „Das interessiert mich nicht. Ich möchte einfach wissen, was die Quelle ist. Dann nennen Sie es mir. Wir müssen nicht über etwas reden, was ich nicht gefragt habe.“ Brehme: „Fahren Sie bitte fort.“ Götzl: „Sie sind dran!“ Brehme: „Ich kann mich nur an Brandt und mich erinnern. Und es gab kein drittes Gespräch, weil es obsolet war. Beim zweiten haben wir beschlossen, dass wir kein drittes mehr brauchen.“

Götzl: „Nochmal nachgefragt, weil Sie auf die Frage nicht eingegangen sind: Hatten Sie Informationen dahingehend, dass der Kontakt zu den drei Jenaern, dass dieser Kontakt herstellbar war?“ Brehme: „Das stand nicht zur Debatte zu dem Zeitpunkt.“ Götzl: „Hat Herr Kapke beim Interview eine Rolle gespielt?“ Brehme: „Kann ich nicht mit letzter Gewissheit sagen.“ Götzl: „Was haben Sie noch in Erinnerung?“ Brehme: „Also, ausschließen kann ich es nicht, weder beim ersten noch beim zweiten Gespräch.“ Götzl: „Was haben Sie dazu in Erinnerung?“ Brehme: „Ich habe nicht mehr in Erinnerung, ob er teilgenommen hat oder nicht.“ Vorhalt aus einer Erkenntnismitteilung zum THS: Der Jenaer Aktivist Ralf Wohlleben, Spitzname: Wolle, habe den THS-Aktivisten Brehme, Brandt und Kapke in einem persönlichen Gespräch mitgeteilt, dass er am 25.10.2000 von einem Stern-Journalisten aus der Berliner Redaktion auf die drei Flüchtigen angesprochen wurde. Er sei an einem Interview interessiert und sei bereit 50-60.000 DM für die Vermittlung zu bezahlen. Wohlleben habe um Bedenkzeit gebeten, was von ihm akzeptiert worden wäre. Götzl: „Was sagen Sie dazu?“ Brehme: „Die zeitliche Einordnung kann zutreffen, habe ich ja vorher versucht zu rekonstruieren, kann hinhauen. Dass Wohlleben nicht zugesagt hat, ist ebenso plausibel. Er hat um Zeit gebeten, das kann ich nachvollziehen, er musste ja uns erstmal anhören und konnte nicht frei entscheiden. Das klingt plausibel.“

Götzl: „Aber da ist auch von André Kapke die Rede.“ Brehme: „Ich habe den Text nicht verfasst.“ Götzl: „Mir geht’s darum, ob Herr Wohlleben Ihnen dreien das mitgeteilt hat?“ Brehme: „Vielleicht waren wir auch zu viert oder fünft. Ich weiß es nicht mehr. Es kann schon sein, dass er uns dreien das mitgeteilt hat, ja.“ Vorhalt: Während Kapke und Wohlleben durch die Höhe des finanziellen Gebots zur Annahme tendierten, sei es durch Brehme gleich als unsicher und politisch gewagt abgelehnt worden. Brehme: „Könnte so sich dargestellt haben. Hab ich ja vorhin versucht darzulegen.“ Vorhalt: Nachdem der Stern-Reporter am 01.11. in gleicher Sache André Kapke unter dessen Festnetznummer angerufen habe, seien Mario Brehme und Brandt unterrichtet worden und hätten sich spontan mit Kapke zu einem Gespräch in einem Rudolstädter Café verabredet. Brehme: „Kann ich mich nicht erinnern.“ Vorhalt: Kapke sei gemeinsam mit Jana Ap. gekommen. Brehme: „Der Name sagt mir nichts.“

Vorhalt: Brehme habe das Gespräch als gefährlich bezeichnet, weil allein die Kontaktherstellung schon einen Verbotsgrund liefere, er und Brandt lehnten den Kontakt ab, auch wenn ein Kontakt nicht in Deutschland, sondern auch in Weißrussland stattfinden könne. Götzl: „Was sagen Sie dazu?“ Brehme: „Ich kann mich an Kapkes Worte nicht mehr erinnern.“ Vorhalt: André Kapke sei aufgefordert worden, Brehmes Meinung Ralf Wohlleben mitzuteilen und den Kontakt zu dem Journalisten abzubrechen. Brehme: „Klingt plausibel.“ Götzl: „Es geht gerade um André Kapke. Was heißt: ‚klingt plausibel‘?“ Brehme: „Das klingt doch sehr basisdemokratisch, finde ich.“ Götzl: „Es geht um die Rolle Kapkes.“ Brehme: „Ich kann mich an Kapkes Zutun nicht erinnern. Aber an sich ist das der normale Weg, wenn man was ablehnt, dass mitgeteilt werden muss, dass ein Angebot abgelehnt wird. Ob das Bote X übernimmt oder Bote Y spielt ja keine Rolle.“

Götzl fragt, welche Rolle die Diskussion über Gewalt in der Szene, im Rahmen des THS, gespielt habe. Brehme: „Die Diskussion hatte zu diesem Thema eine untergeordnete Bedeutung.“ Götzl: „Dann sprechen Sie aber von Bedeutung: Welche Bedeutung hatte das?“ Brehme: „Man hat schon durchdiskutiert, welche Möglichkeiten die Polizei hat, gegen meinungsfremde Personen vorzugehen.“ Götzl: „Und Gewalt für das Erreichen von politischen Zielen?“ Brehme: „Die Polizei wollte immer mit derartigen Maßnahmen ihre Ziele durchsetzen.“ Götzl: „Ich habe nicht nach der Polizei gefragt.“ Brehme: „Das erste, was ich assoziiert habe, war die Polizei.“ Götzl: „Die Rolle von Gewalt zur Durchsetzung Ihrer Ziele!“ Brehme: „Ich habe keine Gewalt ausgeübt.“ Götzl: „Wurde darüber diskutiert?“ Brehme:“ Ja, ich wurde überfallen von fünf Antifaschisten, erlitt einen Nasenbeinbruch durch einen Stiefel und mit einem Teleskopschlagstock wurde mein Finger gebrochen. Das wurde diskutiert.“ Götzl: „Wurde diskutiert, ob man zum Erreichen politischer Ziele Gewalt anwendet?“ Brehme: „Zu welchem Ziel denn konkret?“ Götzl: „Welche hatten Sie denn?“ Brehme: „Eine bessere Welt ohne Gewalt [phon.]. Dafür brauchen wir keine Gewalt.“

Götzl: „Ist diskutiert worden?“ Brehme: „Ja, dass wir uns bedeutend zurückhaltender verhalten, als der Polizei Rechte eingeräumt werden.“ Vorhalt aus einer Vernehmung von Brehme: Ich denke, ich habe Kapke bei den Stammtischen kennengelernt, spätestens 1996; André war ein Typ, mit dem man diskutieren konnte. Ich meine, dass es im Spektrum Leute gab, die Gewalt anderen gegenüber nicht abgeneigt waren. Götzl: „Was ist damit gemeint?“ Brehme: „Das Wort Gewalt wurde von dem Beamten ins Spiel gebracht, ich habe das nicht verwendet und auch nicht mit André Kapke in Verbindung gebracht.“ Götzl fragt, ob Brehme das nicht gesagt habe. Brehme: „Wenn, dann nicht auf Kapke bezogen.“ Er habe Gewalt nicht mit André Kapke in Verbindung gebracht. Götzl fragt, ob Brehme das Protokoll durchgelesen habe. Brehme: „Ich habe mir selber ein Gedächtnisprotokoll erstellt.“ Götzl: „Haben Sie es abgezeichnet?“ Brehme sagt nichts. Götzl: „Wer war denn noch dabei bei der Vernehmung?“ Brehme: „Ein Zeugenbeistand.“ Götzl: „Ja, haben Sie es durchgelesen?“ Brehme: „Ich habe es durchgelesen, ob ich es unterzeichnet habe, kann ich nicht mit Gewissheit sagen.“ Götzl: „Haben Sie einzelne Seiten abgezeichnet?“ Brehme: „Ich habe beim ersten Verhör auf einzelnen Seiten Rechtschreibfehler angemarkert, aber beim zweiten Verhör das nicht mehr korrigiert.“ Brehme geht an den Richtertisch, um das Vernehmungsprotokoll in Augenschein zu nehmen. Götzl: „Unten rechts, ist das Ihr Namenskürzel?“ Brehme: „Jawoll.“ Götzl: „Deswegen die Nachfrage: Haben Sie das so gesagt?“ Brehme: „Ihre Frage war auf Kapke bezogen. Auf die anderen Teilnehmer kann es gelegentlich zugetroffen haben.“ Götzl: „Ja, haben Sie das so gesagt, wie es hier steht?“ Brehme: „An die genaue Wortwahl kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich erinnere mich aber, dass ich vom BKA-Beamte beim zweiten Verhör eine Blanko-A4-Seite bekommen habe zum Unterschreiben.“

Götzl: „Jetzt reden wir ja über die erste Vernehmung. Wie haben Sie denn erfahren vom Untertauchen der drei Personen?“ Brehme: „Ich wurde ca. fünf Tage später angerufen. Das heißt, die ersten Radiomeldungen kamen zehn Tage später.“ Götzl: „Was haben Sie erfahren?“ Brehme: „Ich habe erfahren, dass die drei weg sind, also Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe. Die erste Reaktion war: Wer noch, wenn Beate Zschäpe weg ist? Hat sich mir nicht erschlossen, warum alle drei. Dann gab es die Mitteilung, dass es um eine Garage ging, dass sie von der Polizei gesucht werden, weil sie gefährlich wäre, und dass sie angeblich in einem Labor Sprengstoff selbst hergestellt hätten. Mittlerweile habe ich mir angelesen, dass das kein Thema war. Aber damals hieß es so.“ Götzl: „Haben Sie denn was über den Aufenthaltsort erfahren?“ Brehme: „Anfangs nicht, irgendwann später hieß es bei einem kleinen Zusammentreffen in Bad Blankenburg, dass Böhnhardt und Mundlos erschossen auf Kreta aufgefunden worden seien.“ Das sei Jahre später gewesen und diese Information solle von einem Bereitschaftspolizisten aus Rudolstadt gekommen sein: „Ansonsten war Tenor: Sie sind im Ausland. Und es hieß: Beate Zschäpe kommt zurück und stellt sich, weil sie nichts zu erwarten hat.“ Götzl fragt, von wem diese letztgenannten Informationen gekommen seien. Brehme: „Von Brandt.“

Götzl: „Können Sie es zeitlich einordnen?“ Brehme: „Im ersten Vierteljahr irgendwann. Also Februar bis April, Mai 1998.“ Götzl: „Zu dieser Information ‚Im Ausland‘ gab es dazu konkretere Informationen?“ Brehme: „Nee, nur dass sie im Ausland wären, wovon auch alle ausgegangen sind. Also sowohl wir als auch die Polizei.“ Götzl: „Wer ist denn ‚wir‘?“ Brehme: „‚Wir‘ sind in dem Fall eine nicht bestimmte Personengruppe mit Gemeinschaftsgefühl.“ Götzl fragt, wie Brehme denn sagen könne, was Leute unbestimmter Art denken. Brehme: „Ich denke, Sie orten das ‚wir‘ falsch ein. Wir unterliegen ja nicht dem Individualismus der heutigen Gesellschaftsform. [phon.]“ Götzl: „Bitte lauter!“ Brehme: „Im ersten Vierteljahr sind alle, mit denen man davon gesprochen hat, Flucht, davon ausgegangen, dass die drei Jenaer – das verbindende Element war die Stadt Jena – sich im Ausland aufhalten. Was wiederum nicht unüblich war bei Personen, die sich auf der Flucht befanden.“ Götzl: „War mal von Südafrika die Rede?“ Brehme: „Das war nicht der Fall, nein.“

Götzl: „Waren Sie mal in Südafrika?“ Brehme: „Jawohl.“ Götzl: „Wann denn?“ Brehme: „Ich denke 1998, Sommer 1998. Also Sommer in Deutschland, 1998.“ Götzl: „Waren Sie allein dort?“ Brehme: „Nee, das Land war voll.“ Götzl: „Das habe ich nicht verstanden.“ Brehme: „Südafrika war voll.“ Götzl: „Sie sollten sich solche Unverschämtheiten sparen.“ Brehme: „Ich war nicht alleine im Staate Südafrika.“ Götzl: „Mit wem waren Sie dort?“ Brehme: „Ich bin mit André Kapke hingeflogen.“ Götzl: „Wo waren Sie?“ Brehme: „Wir haben mehrere Orte und Personen besucht.“ Götzl: „Ja, wen?“ Brehme: „Wir haben uns zum Beispiel mehrere Tage im Krüger Nationalpark aufgehalten.“ Götzl: „Warum ein Ort, wenn ich nach Namen frage. Haben Sie ein Problem in der Hinsicht? Warum ist es nicht möglich, die Frage präzise zu beantworten, haben Sie da irgendwelche Schwierigkeiten?“ Brehme: „Ich versuche es doch die ganze Zeit.“ Götzl: „Mit dem Ausweichen auf ganz Südafrika haben Sie kein Problem. Wen haben Sie besucht, welche Personen?“ Brehme: „An Namen kann ich mich nicht erinnern.“ Götzl: „Gut, das nehme ich mal zu Kenntnis. Fällt Ihnen ein Name ein?“ Brehme: „Wenn Sie mir behilflich wären.“ Götzl: „Nein, ich will Namen wissen.“ Brehme: „Fällt mir augenblicklich keiner ein.“

Götzl: „Was war der Zweck der Reise?“ Brehme: „Urlaub.“ Götzl: „Wie lang?“ Brehme: „Mehrere Wochen.“ Götzl: „Wurde zwischen Ihnen und Kapke mal diskutiert, ob Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe nach Südafrika ausreisen könnten?“ Brehme: „Ich kann mich nicht daran erinnern, ich kann es aber als theoretische Frage nicht ausschließen.“ Götzl: „Kennen Sie einen Herrn Dr. Nordbruch?“ Brehme: „Ist mir bekannt.“ Götzl: „Woher?“ Brehme: „Von verschiedenen Seminaren und Kongressen. Beispielhaft, das Jahr kann ich nicht nennen, in Gera, da kann ich mich dran erinnern, weil wir das Kongresshotel verlassen mussten aufgrund einer Bombendrohung durch die Antifa.“ Götzl: „Wie gut kennen Sie ihn?“ Brehme: „Ich kenne ihn, aber nicht weitergehend.“ Auf Nachfrage sagt Brehme: „Ich denke, ich kannte ihn schon vor Gera. Aber an Gera kann ich mich konkret erinnern.“ Götzl: „Wo lebt er?“ Brehme: „Ist mir aktuell nicht bekannt.“ Götzl sagt, dass es im Vernehmungsprotokoll heiße, dass Nordbruch Brehmes Gastgeber in Südafrika gewesen sei. Brehme: „Unter anderen Umständen auch. [phon.] Wir waren ja bei verschiedenen Personen an verschiedenen Orten.“

Götzl: „Können Sie mir Uwe Böhnhardt mal beschreiben, wie er sich verhalten hat?“ Brehme: „In welcher Situation denn?“ Götzl sagt, es gehe ihm um besondere Verhaltensweisen. Brehme: „Wir hatten ähnliche Charakterzüge. Ich kann es jetzt nicht weiter ausführen, aber wir hatten jetzt auch keine Angst vor der Polizei. Wenn jetzt zwei Thüringer Polizisten vor der Haustür stehen, dann hätte er mit Sicherheit keinen Selbstmord gemacht.“ Götzl: „Sonstiges?“ Brehme: „Ich habe mit ihm Sport gemacht, er war auch für Sportveranstaltungen offen. Im Gegensatz zu Brandt zum Beispiel. Oder auch Wohlleben oder auch mit Kapke war kein Sport zu machen.“ Götzl: „Was können Sie sonst noch zu Böhnhardt sagen?“ Brehme: „Er war eine emotionale Person, die sich in der Jugendreife befand, auf dem Weg der totalen Selbstfindung, angenehmer Zeitgeselle.“ Götzl fragt, ob es sonst noch was zu Böhnhardt zu sagen gebe. Brehme: „Können Sie mir einen Anhaltspunkt geben? Dann kann ich es versuchen.“ Götzl: „Von sich aus. Ich möchte nichts vorgeben und gebe auch nichts vor.“ Brehme: „Dann fällt mir momentan nix weiter ein.“ Götzl: „Was meinen Sie damit: Er war eine emotionale Person?“ Brehme: „Dass er Gefühlsregungen zugelassen hat und auf Gefühle von anderen reagiert hat. Dass er lachen konnte. Mundlos hat noch mehr gelacht, auch mehr geredet, ich dachte auch ursprünglich, ‚Mundlos‘ wäre der Spitzname.“

Götzl: „Beschreiben Sie ihn.“ Brehme: „Ich kann mich noch erinnern, dass bei irgendeinem Lagerfeuer er halt Quatsch gemacht hat. Dabei sind auch Fotos gemacht worden.“ Auf Nachfrage sagt Brehme: „Er kam bei den Mädels gut an. Er ist so’n Schwiegermuttertyp. Und hatte einen deutlich erweiterten Horizont.“ Götzl: „Zurück zu Böhnhardt: ‚Auf dem Weg zur totalen Selbstfindung‘. Was meinen Sie damit?“ Brehme: „Er befand sich ja im jugendlichen Alter und musste seinen Platz in der neu entstehenden, sich verändernden Gesellschaft erstmal finden. Und die Szene in Jena und die Szene in Rudolstadt war nicht gleich. Und deswegen denke ich auch, dass sich der Kontakt von Jena nach Rudolstadt sich vertieft und verstärkt hat.“ Götzl fragt, was Brehme mit „angenehmer Zeitgeselle“ meine. Brehme: „Er war mir gegenüber korrekt, höflich, freundlich. Ich habe ihn als Freund wahrgenommen, nicht nur als Kameraden. Er war mein Jahrgang, das heißt wir hatten eh mehr miteinander zu tun. Da sich so eine Jugendszene auch dadurch aufbaut, dass Ältere oder Personen, die länger dabei sind oder gewalttätiger mehr Einfluss haben. Wir waren zu dem Zeitpunkt noch jünger und so entstand der Kontakt zwischen uns beiden. Hinzu traten später Mundlos und die anderen Jenaer, in gleicher Art und Weise.“

Götzl fragt nach dem Verhältnis von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe untereinander. Brehme: „Also, ich habe ja vorher schon gesagt, dass ich die drei Jenaer nicht als Einheit betrachtet habe. Später ist mir erst bekannt geworden, dass sie mit dem einen oder anderen liiert war, ich weiß nicht mit wem, das hat sich nach außen für mich nicht dargestellt, keine Rolle gespielt.“ Götzl: „Von wem haben Sie das erfahren?“ Brehme: „Von Brandt.“ Götzl fragt nach dem Verhältnis von Mundlos und Böhnhardt untereinander. Brehme: „Ich glaube, die haben sich schon gut verstanden. Das Vertrauen untereinander war stärker als das Vertrauensverhältnis zur Beate.“ Vorhalt: Man könnte schon sagen, dass das Trio irgendwie enger unter sich verbunden war, woran festgemacht weiß ich nicht genau, wahrscheinlich an der Art wie die drei miteinander interagierten. Brehme: „Das Wort ‚Trio‘ kam durch das BKA ins Spiel. Das Wort wurde auch deswegen eingebracht, um nicht alle drei Namen nennen zu müssen. Als Worterleichterung, nicht als Einheit.“ Götzl: „Ja, haben Sie es so gesagt, wie es hier steht?“ Brehme: „Sicherlich gesagt in dem Fall. Wobei das nicht heißt, dass die drei oder die zwei, die beiden Uwes, nicht mit den anderen interagiert haben.“ Götzl: „Was ist mit der ‚Art wie die drei miteinander interagierten‘ gemeint?“ Brehme: „Wer sucht den Kontakt miteinander, wer sucht das Gespräch, wer hört zu?“

Götzl: „Mich interessiert, welche Verhaltensweisen der drei Personen gemeint sind.“ Brehme: „Der freundschaftliche Hintergrund neben dem Kameradschaftsbezug. Ist ja nicht jeder Kamerad gleich ein Freund oder guter Freund. Und ich denke, dass die drei schon befreundet waren. Aber auf politischer Ebene oder Kameradschaftsebene waren sie nicht gleichberechtigt.“ Götzl sagt, Brehme solle das erklären. Brehme: „Beate Zschäpe hat sich einfach nicht eingebracht.“ Götzl: „Was ist damit gemeint?“ Brehme: „Sie war auch auf Stammtischen oder so was, aber sie hat sich darüber hinaus nicht eingebracht. Sie hat nichts organisiert, war keine Entscheidungsträgerin, wurde dazu auch nicht berufen, wollte es auch gar nicht wahrscheinlich.“ Götzl fragt, ob Brehme etwas mitbekommen habe, ob den drei untergetauchten Personen Zahlungen, Gelder zugeflossen sind. Brehme: „Das wurde diskutiert, das ist korrekt, es wurden Gelder gesammelt, unter anderem auch in Heilsberg auf Konzerten, die von unterschiedlichen Verbänden organisiert waren. Die Gesamtsumme, die sich über alle Veranstaltungen und Sammlungen erstreckt hat, kam nicht zur Übergabe, die ist verschwunden irgendwann, aus dem Auto heraus in Ilmenau.“

Götzl fragt, bei welcher Person. Brehme: „Das Auto war zum Zeitpunkt des Entwendens des Geldes leer und ich war nicht dabei.“ Götzl: „Von wem haben Sie denn diese Informationen bekommen?“ Brehme: „Von Brandt.“ Götzl: „Wer hat das Geld aufbewahrt, haben Sie dazu Informationen?“ Brehme: „Nein.“ Götzl: „Wann war das zeitlich?“ Brehme: „’98, ’99. Also ich habe es festgemacht an Heilsberg. In Heilsberg wurde gesammelt und Heilsberg haben wir übergeben am 30. April 1998 an die Gemeinde.“ Götzl: „Zur Südafrikareise: Wer hat die Reise finanziert?“ Brehme: „Ich habe sie vorfinanziert.“ Er habe für André Kapke und sich die beiden Tickets gekauft. Kapke hat es in Teilbeträgen zurückgezahlt. Auf Nachfrage sagt Brehme: „Ich habe auf einen Schlag erstmal beide Tickets bezahlt, also habe ich die Reise erstmal vorfinanziert.“ Götzl: „Wie ist das dann von der Finanzierung her abgelaufen?“ Brehme: „Ich habe die Tickets geholt, ganz normal im Reisebüro.“ Götzl: „Ich meine: Wer hat letztlich den Flug bezahlt für Sie beide?“ Brehme: „Ja, ich habe den Flug bezahlt.“ Götzl: „Hat Kapke gezahlt?“ Brehme: „Habe ich doch gesagt: Er hat begonnen, Ratenzahlungen zu leisten.“

Götzl: „Können Sie mir den Herrn Kapke beschreiben?“ Brehme: „Er war ein angenehmer Zeitgeselle. Sonst wäre ich nicht in den Urlaub gefahren mit ihm. Man konnte es längere Zeit mit ihm aushalten an einem Ort zusammen.“ Götzl: „Ist denn damals, Ende der 90er Jahre, das Thema Waffen ein Thema gewesen?“ Brehme: „Wir haben uns über die Bewaffnung der Polizei unterhalten und über die Bewaffnung der Linksextremisten, jawoll.“ Götzl fragt, ob in der rechten Szene Beschaffung von Waffen oder überhaupt Waffen ein Thema gewesen sei. Das sei bestimmt von dem ein oder anderen verfolgt worden, so Brehme: „In Rudolstadt gibt es ja ein Schützenfest.“ Götzl fragt, wie es bei Brehme selbst sei. Brehme: „Ich finde Waffen auch okay.“ Götzl: „Kennen Sie sich mit Waffen aus?“ Brehme: „Nicht zur Genüge, nein.“ Götzl: „Was bedeutet das?“ Brehme: „Worauf wollen Sie denn raus?“ Götzl sagt, er wolle auf gar nichts raus, Brehme solle seine Frage beantworten. Brehme: „Ich habe die Einstellung: Nicht Waffen töten Menschen, sondern Menschen töten Menschen.“ Götzl: „Ja, und wie ist ihr Verhältnis zu Waffen?“ Brehme: „Ich denke, Sie sind erforderlich. Sonst würde sie ja wohl die Polizei nicht tragen.“ Götzl: „Wie gut kennen Sie sich jetzt aus mit Waffen?“ Brehme: „Nicht zur Genüge.“ Götzl: „Das ist auch wieder eine Antwort, da muss ich nachfragen. Das ist eine Frage des Standards. Was meinen Sie?“ Brehme: „Ich würde bestimmt den Waffentest [phon.] der Bundeswehr jetzt in der Wiederholung nicht bestehen.“

Götzl: „Sie haben ja über die zweite Vernehmung kurz gesprochen, 15.03.2012. Erinnern Sie sich, ob in der Vernehmung das Thema Waffen angesprochen wurde?“ Brehme: „Kann sein. Wahrscheinlich um die Tatwaffen in dem Prozess.“ Götzl fragt, welche Rolle das gespielt habe. Brehme: „Hat bestimmt der BKA-Beamte eingebracht.“ Vorhalt: Fällt Ihnen sonst noch etwas zu Wohlleben oder Schultze oder dem Trio ein? – Ich weiß aus der Presse, dass Schultze die Waffe in Jena für das Trio gekauft haben soll, mehrere Varianten. – Wissen Sie,was für eine Waffe? – Ja, eine tschechische Ceska, ich traue dem Schultze aber nicht zu, dass er eine Ceska von einer Radom unterscheiden kann. Brehme: „Ich denke, dass er gar keine Ahnung von Waffen hat. Ich denke, er kann eine Schreckschuss- nicht von einer scharfen Waffe unterscheiden.“ Götzl: „Warum kann das Herr Schultze nicht?“ Brehme: „Schultze kam später in die Szene. Anfang der 90er war es durch Gewaltbereitschaft geprägt, das baute sich jedes Jahr ab.“ Der „Wehrhaftigkeitsgedanke“ sei weniger geworden und als Schultze dazu gekommen sei, sei das kein Thema mehr gewesen.

Götzl: „Haben Sie konkrete Informationen zur Kenntnis von Herrn Schultze von Waffen?“ Brehme: „Ich weiß nicht, ob er im Schützenverein ist oder nicht.“ Götzl: „Wie ist Ihr Kenntnisstand bezüglich Ceska und Radom?“ Brehme: „Da war die Presse ja recht hilfreich mit Fotos.“ Vorhalt: Was für Details fallen Ihnen ein? – Die hatte einen Schalldämpfer, gibt es nicht serienmäßig, außerdem beschädigt, stand in Presse, meine gelesen zu haben durch Brand, irgendwas mit Plastiktüte. Götzl: „Welche Kenntnisse haben Sie oder hatten Sie zur Frage der Ausrüstung von Waffen mit Schalldämpfer?“ Brehme: „Ich habe keine große Ahnung, mein Kenntnisstand ist nur, es ist nicht serienmäßig dabei, auch nichts um es aufzuschrauben.“ Götzl: „Woher haben Sie die Information?“ Brehme: „Habe mich mir angelesen.“ Götzl: „In welchem Zusammenhang?“ Brehme: „Mit der Prozessberichterstattung.“ Götzl: „Es geht ja um Äußerungen in der Vernehmung.“ Brehme: „Ja, gerade zu dem Zeitpunkt.“ Götzl wiederholt das Datum der Vernehmung: 15.03.12. Brehme: „Da war die Berichterstattung ja voll mit Fotos, ja.“

Vorhalt: Ich glaube, dass eine serienmäßige Ceska gar keine Vorrichtung für einen Schalldämpfer hat. Brehme: „Ich führe kein Quellenverzeichnis, aber ich habe es mir angelesen.“ Götzl: „Können Sie Herrn Wohlleben noch beschreiben?“ Brehme: „Bis 2001 eher zurückhaltend, und ab dann hat er schon Verantwortung übernommen. Meine Kenntnis ist, er hat sich in diesen Teilstadtrat in Jena wählen lassen, hat sich, schätze ich, für die Bürger in Jena eingesetzt, hat Familie gegründet. Das heißt, er ist zukunftsorientiert. Er ist kein Typ für Gewalt. Und kein Typ für Sport.“ Wohlleben sei keiner, der zu Gewalt anhält, eher immer beschwichtigt habe: „Mehr fällt mir aktuell nicht ein.“ Götzl sagt, man werde Brehmes Einvernahme für heute unterbrechen müssen. Brehme und Böhmer verlassen den Saal. Der Verhandlungstag endet um 16:24 Uhr.

Das Blog „nsu-nebenklage“:

„Schließlich sagte eine BKA-Beamtin aus, die zu den Aliaspersonalien der Drei ermittelt hatte. Spannend war, dass die drei von den Personen, die ihnen Pässe und anderes beschafft hatten, zahlreiche Informationen zum privaten Umfeld erhalten hatten, um besser in diese „Rollen“ schlüpfen zu können. Die Anbindung des Unterstützerumfeldes muss insgesamt sehr eng gewesen sein. Warum die Bundesanwaltschaft trotz dieses Wissens bis heute an der Mär der isolierten Gruppe dreier Täter festhält, ist immer weniger nachzuvollziehen. […] Mario Brehme, […] versuchte angestrengt, alle bisher dagewesenen Nazizeugen an Dreistigkeit zu übertreffen. […] Dem heute bürgerlich auftretenden Brehme kam der Jargon des neo-nationalsozialistischen Agitators sehr flüssig von den Lippen. Er griff auch das Gericht direkt an: im Thüringer Heimatschutz habe er sich eingesetzt für eine Welt, „in der es keine Gefangenschaften gibt über drei Jahre ohne Urteile“ – ein klarer Verweis auf die andauernde Untersuchungshaft gegen Wohlleben. Bezogen auf den Tod von Uwe Böhnhardt, zweifelte er dessen Selbstmord an: „Er hatte auch keine Angst vor der Polizei. Also wenn zwei Thüringer Polizisten vor der Haustür stehen, hätte er sicher keinen Selbstmord gemacht.“ Durch sein bisheriges Verhalten ist der Zeuge insgesamt vollkommen unglaubwürdig und deshalb auch für die Verteidigung Wohlleben unbrauchbar. Es wird einmal mehr deutlich, dass die Zeugen aus dem NSU-Umfeld längst erkannt haben, dass das Gericht eine harte Auseinandersetzung selbst mit dreist lügenden Zeugen aus der Naziszene scheut.“

http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2015/07/15/15-07-2015/

Der Beitrag Protokoll 218. Verhandlungstag – 15. Juli 2015 erschien zuerst auf NSU Watch.

Protokoll 227. Verhandlungstag – 15. September 2015

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Der einzige Zeuge des Tages ist der ehemalige V-Mann-Führer von Marcel Degner, alias V-Mann „Hagel“, Jürgen Zweigert. Degner stritt vor Gericht ab, V-Mann gewesen zu sein. Zweigert gibt während seiner Aussage an, er habe Degner nach dem Trio gefragt, allerdings habe der V-Mann gesagt, er kenne die drei nicht. Alle weiteren Informationen zu Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe seien gegenüber Norbert Wießner angegeben worden, der Degner vertretungsweise führte und laut Zweigert für den Themenkomplex „Drilling“ zuständig gewesen sei. Degner sei dann als V-Mann abgeschaltet worden, als er eigenmächtig handelte und einen Anwalt gegen das Verbot von Blood&Honour einschaltete. Vorher habe er aber immer wahrheitsgemäß berichtet.

Zeuge:

  • Jürgen Zweigert (ehem. TLfV, Führung des V-Mannes „Hagel“, Marcel Degner)

Der Verhandlungstag beginnt um 09:48 Uhr. Zeuge ist heute Jürgen Zweigert (zuletzt 144. Verhandlungstag). Nach der Verlesung von Zweigerts Aussagegenehmigung sagt Götzl: „Es geht uns bei Ihrer Einvernahme um die Führung des V-Mannes ‚Hagel‘, insbesondere von 1997 bis 2000 und dann geht es uns zum anderen um Mitteilungen des V-Mannes an Sie.“ Götzl sagt, Zweigert solle zunächst mal über die Führung des V-Mannes berichten, wie es abgelaufen ist, den Zeitraum, in dem Zweigert zu ihm Kontakt gehabt habe, die Häufigkeit; Zweigert solle von sich aus berichten, was er in Erinnerung habe. Zweigert: „Also gut, okay, ich kann nicht genau sagen, wann ich ihn von Wießner übernommen habe, der ihn angeworben hatte. Die Treffen fanden nach Möglichkeit einmal die Woche statt. Ließ sich nicht immer so durchführen, war aber so angedacht, und war eigentlich auch über einen gewissen Zeitraum so, dass wir uns regelmäßig getroffen haben. Also, am Anfang war das ein bisschen problematisch mit ihm, weil er sich doch sehr zurückgehalten hat, das liegt aber an der Person. Es musste eine gewisse Vertrauensbasis aufgearbeitet werden, dass er gemerkt hat, dass er hier nicht in irgendeiner Art und Weise vorgeführt wird. Dann hat er aber auch offen berichtet nach unserem Eindruck über Verbindungen, die er hatte, Veranstaltungen, an denen er teilgenommen hatte, über Personen. Nach unserer Erkenntnis hat alles so der Wahrheit entsprochen, war also eine zuverlässige Quelle gewesen.“

Götzl: „Sie sagten, Sie hätten ihn von Wießner übernommen. Wann zeitlich?“ Zweigert: „Im Lauf des Jahres, so weit ich mich erinnern kann, 1997.“ Er habe ihn geführt bis 2000, so Zweigert auf Frage: „Wo er abgeschaltet werden musste, weil er eigenmächtig gehandelt hatte. Da ging es um das Verbot von Blood & Honour, wo er aus irgendeinem Grund gemeint hat, er müsste dagegen vorgehen, ohne sich vorher mit uns abzusprechen. Aufgrund dessen haben wir ihn dann abgeschaltet.“ Götzl: „Zurück zur Übernahme des V-Mannes durch Sie 1997, mit welchen Informationen wurde ihnen damals der V-Mann übergeben?“ Zweigert: „Als Mitglied von Blood & Honour Thüringen, bzw. sogar, er war ja der Sektionschef von Thüringen und er war Kassierer oder so was von dieser Sektion Deutschland. Das war ein bisschen unklar gewesen, die ganzen Zusammenhänge. Was jetzt genau, wie, das ist nie so richtig bekannt geworden.“

Die Sektion Thüringen solle mal aus 18 Personen bestanden haben, sagt Zweigert, das sei aber wohl nicht so gewesen, es seien zehn oder so gewesen. Es hätten sich immer wieder neue Sektionen gebildet in Deutschland, andere Sektionen hätten aufgehört zu existieren oder die Namen gewechselt. Die Mitglieder hätten permanent geschwankt. Zweigert: „Das war also ein bisschen undurchsichtig, die ganze Geschichte. Aber er hatte da schon, was den Bereich Mitteldeutschland anbelangt, einen relativ guten Einfluss gehabt.“ Götzl: „Was ist damit gemeint?“ Zweigert:“Dass er sich also stark engagiert hat, um auch diese ganze Blood & Honour-Bewegung am Leben zu erhalten. Da hat er sich intensivst eingesetzt.“ Götzl: „Was haben Sie denn von ihm erwartet und inwiefern wurde das dann umgesetzt?“ Zweigert: „Dass er über die Veranstaltungen, an denen er teilnimmt, Konzerte, Treffen von Blood & Honour, umfassend berichtet. Und das ist dann auch, wie gesagt: am Anfang zögerlich, aber später problemlos so geschehen.“ Und das sei auch offensichtlich von anderen Dienststellen, anderen Landesämtern bestätigt worden, an die das von der Auswertung weitergemeldet worden sei, weil er viel über andere Verbände berichtet habe: „Jedenfalls wurde nichts an mich rangetragen, dass was nicht den Tatsachen entsprochen hat.“

Götzl fragt, inwiefern der V-Mann am Anfang zögerlich gewesen sei. Zweigert: „Es musste ein gewisses Vertrauen erarbeitet werden, dass er nicht in irgendeiner Weise von uns gelinkt wird. Er hat immer noch die Angst gehabt am Anfang, dass es bekannt wird. Und diese Angst musste erst mal weg sein oder so weit wie möglich weg sein. Dann hat er gemerkt: Es wird nichts bekannt. Und dann hat er völlig problemlos berichtet.“ Götzl: „Dass ‚das bekannt wird‘?“ Zweigert: „Dass er für den Verfassungsschutz als Quelle tätig ist.“ Götzl fragt, woran Zweigert das „zögerlich“ festmache. Zweigert sagt, später habe er frei weg erzählt und am Anfang habe man ihm alles Mögliche aus der Nase ziehen müssen: „Ob er mir da alles erzählt hat, weiß ich nicht. Ich kann ihm ja nicht in den Kopf gucken. Aber das war schon problematisch gewesen am Anfang, bis er von sich aus dann erzählt hat.“ Götzl fragt, wann das gewesen sei. Zweigert: „Es hat ein Jahr bestimmt gedauert bis man sagen konnte: Er scheint jetzt gemerkt zu haben, dass ihm nichts passiert.“

Götzl: „Können Sie den V-Mann beschreiben vom Verhalten. Aussehen, sonstige Informationen, die Frage der Identität?“ Zweigert: „Seine Identität?“ Götzl: „Ja.“ Zweigert: „Der Name ist bekannt. Marcel Degner.“ Götzl: „Und sein Verhalten, Aussehen?“ Zweigert: „Ja, ich meine, dass er den Spitznamen ‚Riese“ hatte, der nicht unbedingt zu seinem Äußeren passte. Ansonsten ein typischer Skin eigentlich gewesen. Obwohl, er war ja berufstätig gewesen, und war also ganz normal gekleidet, zumindest wenn er unterwegs war. Er war ja auf Montage. Am Wochenende sah das sicher anders aus, aber ich habe ihn da nicht gesehen.“ Götzl fragt, ob Zweigert,“kein“ oder „ein“ typischer Skin gesagt habe. Zweigert: „Doch. Er hatte ja entsprechend Glatze gehabt, er war wohl auch tätowiert, aber er war die Woche über auf Montage und ganz normal gekleidet, so dass man das nicht feststellen konnte. Er hat sich das auch anscheinend in seinem Beruf nicht anmerken lassen.“ Götzl fragt nach den Tätowierungen. Das wisse er jetzt nicht, das habe er nur mal auf einem Bild gesehen, so Zweigert. Götzl fragt, ob Zweigert die Motive in Erinnerung habe. Zweigert: „Weiß ich nicht.“

Götzl: „Welche Bilder waren das?“ Zweigert: „Er hat also immer wieder Bilder mitgebracht, von Konzerten in der Regel, wo Angehörige von Blood & Honour gewesen sind in erster Linie. Da war er auch auf dem einen oder anderen Bild drauf gewesen. Da sind ja die Mitglieder von Blood & Honour häufig mit freiem Oberkörper rumgesprungen und waren in der Regel alle tätowiert.“ Deswegen wisse er jetzt nicht, wie das bei ihm gewesen sei. Götzl fragt nach Größe, Aussehen, Statur. Zweigert: „Er war also etwas über 1,70 m gewesen. Besonders groß war er nicht gewesen und eigentlich auch eher schmächtig.“ Götzl: „Er hatte eine Glatze?“ Zweigert: „Richtig.“ Götzl: „Hat sich da was an der Frisur im Laufe der Zeit geändert?“ Zweigert: „Eigentlich nicht.“ Götzl: „Kleidung, in denen er jetzt Ihnen gegenüber getreten ist?“ Zweigert: „Ganz normal Jeans, ganz normale legere Kleidung, wir haben uns ja normalerweise getroffen, wenn er zurückgekommen ist von der Montage, also auf dem Weg nach Hause.“ Götzl: „Sonst irgendwelche Besonderheiten, Gesichtsform oder sonst etwas?“ Zweigert sagt, da habe er nichts in Erinnerung.

Götzl: „Die Treffen, auf dem Weg nach Hause, wie lange haben diese Treffen gedauert?“ Zweigert: „Das hing davon ab, ob am Wochenende vorher irgendwas gewesen ist. Dann hat es in der Regel länger gedauert. Dann sind Personen benannt worden, zu denen er was erzählen konnte. Es sind Bilder mitgebracht worden. Wenn nichts weiter gewesen ist am Wochenende, ist es kurz geblieben, dann hat er nur berichtet was evtl. ansteht.“ Es sei unterschiedlich gewesen. Götzl: „Ungefähr, größenordnungsmäßig?“ Zweigert: „Sagen wir mal, eine Stunde bis zwei Stunden.“ Götzl: „Sein Verhalten Ihnen gegenüber, können Sie ihn da beschreiben?“ Zweigert: „Korrekt. Er war offen zu mir. Ich kann da in dem Sinn eigentlich nichts Negatives sagen.“ Götzl fragt nach der Sprache. Zweigert: „Er sprach eigentlich Hochdeutsch, kein großartiger Thüringer Dialekt, das war also jetzt nicht, eigentlich wenig.“

Götzl: „Haben in der Zeit ab der Übernahme weitere Personen den V-Mann betreut, im Vertretungsfalle?“ Zweigert: „Vertreter war der Herr Wießner gewesen und dann kam später, wann das genau war, kann ich nicht sagen, der Kollege Neisen, der ihn wohl auch einige Male getroffen hat.“ Vertretungsfälle seien z. B. gewesen, wenn er, Zweigert, Urlaub gehabt habe oder aus anderem Grund verhindert gewesen sei. Zweigert: „Wie ich mir die Unterlagen nochmal angeschaut habe, wurde mir gesagt, dass der Kollege Neisen so um die zehn Treffen hatte und der Kollege Wießner ein paar mehr. Aber diese Unterlagen habe ich nicht gesehen, das wurde mir nur mitgeteilt.“ Götzl: „Von wem?“ Zweigert: „Der Kollege, der mir die Unterlagen zur Verfügung gestellt hat. Da ging’s ja auch um das Problem der drei Personen aus Jena. Der Herr Wießner hatte ja hinsichtlich dieses Themas mit ihm Treffen wahrgenommen.“

Götzl: „Kommen wir gleich zu diesen Unterlagen. Bitte berichten Sie, welche Unterlagen das waren.“ Zweigert: „Das sind die von mir gefertigten Deckblattberichte, die wurden mir vorgelegt. Es ging ja darum, was in der Ladung niedergeschrieben wurde. Da ging es um die drei Personen, und dieses Thema wurde nicht von mir besprochen, das hat der Herr Wießner besprochen.“ Götzl: „Welche drei Personen?“ Zweigert nennt Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt. Götzl: „Haben Sie diese Unterlagen dann eingesehen?“ Zweigert: „Meine ja, aber nur meine.“ Götzl: „Die Deckblattmeldungen, die Sie gefertigt haben?“ Zweigert: „Ja, genau.“ Götzl: „Und bezüglich der drei Personen?“ Zweigert: „War nichts.“ Götzl: „War nichts?“ Zweigert: „War nichts.“ Die Kollegen vom LfV, die ihm die Unterlagen vorbereitet hätten, hätten die auch ausgewertet und ihm gesagt, Wießner habe diese Treffen mit der Quelle gemacht.

Götzl: „Gab es eine interne Absprache, dass Herr Wießner sich um dieses Thema kümmert?“ Zweigert, sagt, dass Wießner offensichtlich vom Präsidenten des TLfV beauftragt worden sei, sich mit diesem Thema zu beschäftigen: „Das ist nie richtig publik gemacht worden, ich hatte aber so den Eindruck, dass er den Auftrag hatte, sich um den Sachverhalt ganz speziell zu kümmern. Wir sollten zwar auch jeder unsere Quellen auch fragen, ob Erkenntnisse vorliegen, wo sie sich aufhalten, das ist allgemeiner Auftrag gewesen, aber da gab es außer Tino Brandt keine Quelle, die ich geführt habe, die die Personen kannte.“ Götzl: „Jetzt muss ich nachfragen. Dass sich Herr Wießner um ‚dieses Thema‘ kümmert, da sagten Sie, Sie hatten den ‚Eindruck‘ und ‚offensichtlich‘. Mich interessiert, welche Informationen Sie haben, dass Wießner sich um dieses Thema kümmern soll.“ Zweigert: „Das liegt eben daran, das was jetzt bekannt geworden ist deswegen, das habe ich damals so gar nicht wahrgenommen. So hoch angebunden war das Verschwinden dieser drei Personen damals gar nicht. Die Wertigkeit, die sie heute haben, bestand ja damals nicht. Das waren irgendwelche Angehörigen der Kameradschaft Jena, die sich aus irgendeinem Grund abgesetzt hatten. Das fand in der Szene selbst Interesse, aber warum, das hat keiner so richtig verstanden. Jedenfalls wurde uns das so mitgeteilt. Und der Bekanntheitsgrad bei meinen Quellen war keiner. Außer Tino Brandt kannte keine Quelle diese Personen.“

Er habe Tino Brandt in Vertretung gehabt, so Zweigert, und müsse dazu sagen, dass er ansonsten keine Quelle aus Jena gehabt, in dem Bereich sei Wießner tätig gewesen. Götzl: „Mich würde interessieren, wie das praktisch, organisatorisch jetzt umgesetzt wurde, dass sich Herr Wießner um dieses Thema gekümmert hat. Wie hat man das damals organisiert und welche Informationen haben Sie?“ Zweigert: „Ich weiß nicht, wie ich das jetzt, ich habe meine Quellen betreut und das war tagtäglich die gleiche Arbeit gewesen. Und ich hatte den allgemeinen Auftrag zu fragen: Kennt Ihr die? Wisst Ihr, wo die sind? Und sonst nichts.“ Es seien einige Maßnahmen im Raum Jena gelaufen, so Zweigert, das habe er nur am Rande mitbekommen, da sei Wießner zugange gewesen. Zweigert weiter: „Wer den Auftrag gegeben hat? Ich unterstelle, dass der damalige Präsident, der Herr Roewer, ihm den Auftrag gegeben hat. Aber wissen tue ich es nicht, ich war nicht dabei.“ Götzl fragt, warum Zweigert das unterstelle. Zweigert: „Das ist mein Eindruck, den ich damals hatte, dass Wießner damit beauftragt war. Aber ich kann es nicht belegen. Da auch der Herr Wunderlich, der Zielfahnder, öfter bei uns rumgesprungen ist, konnte man davon ausgehen, dass es so ist.“

Götzl: „Haben Sie sich mit Wießner mal unterhalten über dieses Thema?“ Zweigert: „Nein.“ Götzl: „Die Frage, die sich stellt, ist: Wie lässt sich absehen, dass bestimmte Informationen im Hinblick auf bestimmte Personen anfallen?“ Zweigert: „Wenn Informationen anfallen, die für mich, für meine Treffs wichtig waren, dann habe ich die schon bekommen. Aber in dem Fall gab es keinen Grund, mir was zu sagen, weil das für meine Quellen nicht von Belang war.“ Götzl sagt, Wießner und Neisen hätten laut Zweigert den V-Mann vertretungsweise getroffen, und fragt, wie Zweigert in den Informationsfluss der Quelle, die er eigentlich betreue, eingebunden gewesen sei, wie eine Abstimmung erfolgt sei hinsichtlich der Informationen: „Darum geht es mir, deswegen frage ich nach.“ Zweigert: „Im Normalfall, die Treffen, wenn ich verhindert war, die von meinen Kollegen stattgefunden haben, da wurde mir schon gesagt, was er da erzählt hat. Aber zu diesem Thema, da war ich nicht involviert gewesen. Weil auch die Quelle ‚Hagel‘ gesagt hat, er kennt diese Personen nicht.“

Götzl: „Welche Informationen, von welchem Zeitraum sprechen wir denn jetzt, wenn Sie sagen, der Herr Wießner hat zu diesem Thema den V-Mann befragt?“ Zweigert: „Das weiß ich nicht, an welchen Terminen er den getroffen hat. So viele Treffs waren das nicht, so 12, 13, 14, in der Größenordnung, wo er mich vertreten hat. Und Herr Neisen zehnmal, also nicht viel.“ Götzl: „Und die Information, dass ‚Hagel‘ Ihnen gesagt habe, er kenne diese Personen nicht?“ Zweigert: „Das war also nachdem die Personen weg waren, da wurden wir generell angehalten, alle Quellen zu fragen, ob sie die Personen kennen und wissen, wo sie sich aufhalten. Und ‚Hagel‘ sagte, er kenne aus Jena nur den Herrn Wohlleben und den Herrn Kapke, André. Andere Personen waren ihm nicht bekannt.“ Götzl fragt, um welchen Kontext es bei Wohlleben und Kapke gegangen sei. Zweigert: „Es ging um irgendwelche, in der Regel um Konzerte, wo man sich getroffen hatte. Aber der Kontakt war, denke ich mal, ganz selten. Er hatte also eigentlich nach Jena keine regelmäßigen Verbindungen. Er hat wohl auch mal in Heilsberg gewohnt [phon.], wo der THS seine Veranstaltungen machte, ein Konzert mitveranstaltet [phon.], und da hat er die Personen auch mal gesehen, aber die Kontakte waren dürftig. Wie häufig kann ich nicht sagen, denn es gab damals für mich keinen Grund nachzufragen: Wie oft hast Du Wohlleben getroffen, wie oft Kapke? Auch von Seiten der Auswertung kam nie ein Auftrag in der Richtung.“

Götzl: „Welche Informationen zur Person Wohllebens haben Sie von Hagel bekommen?“ Zweigert: „Kann ich nichts zu sagen. Er sagte nur, das ist der einzige, den er kennt. Wie tief die sich kennen, da muss ich passen, das weiß ich nicht.“ Götzl fragt, ob Zweigert sagen könne, inwiefern Neisen Informationen zu den genannten Personen Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt habe. Zweigert: „Der Herr Neisen? Das weiß ich nicht.“ Der sei, so Zweigert auf Frage, erst später als Vertreter eingesetzt gewesen, er glaube, erst 1999. Götzl: „Jetzt hatten Sie den V-Mann ‚Hagel‘ auch bewertet eingangs Ihrer Aussage hier: Zuverlässig. Wie kommt es zu der Bewertung? Inwiefern lagen Bestätigungen von Informationen vor?“ Zweigert: „Ja, okay, also die Informationen, die er mir gegenüber gegeben hat, die wurden von mir umgesetzt in Deckblattberichte und gingen in die Auswertung. Da waren viele Geschichten, die außerhalb Thüringens gespielt haben, die, soweit ich weiß, weitergeleitet wurden, ob ans BfV oder das jeweilige Landesamt, gehe ich davon aus. Rückmeldung habe ich praktisch nie gekriegt, aber das war wohl so Usus gewesen, dass von der Auswertung die Erkenntnisse zusammengestellt worden sind und weitergegeben worden sind. Und von der Seite wurde uns immer wieder gesagt, die Quelle berichtet also wahrheitsgemäß.“ Götzl: „Von welcher Seite?“ Zweigert: „Von Seiten der Auswerter.“

Götzl: „Haben Sie Details in Erinnerung, besondere Punkte, Themen?“ Zweigert: „Treffen, Konzerte, wer teilgenommen hat. Oder Treffen von Blood & Honour, Strategietreffen, Absprachen. Das was er erzählt hat, ist von anderer Seite bestätigt worden oder hat der Wahrheit entsprochen. Jedenfalls ist mir nie mitgeteilt worden, da und da hat er falsch berichtet.“ Götzl fragt, wie es mit der Bezahlung von „Hagel“ ausgesehen habe. Zweigert: „Entlohnung fand statt, das ist richtig.“ Götzl fragt nach Einzelheiten, Größenordnung und von das wem erfolgt sei. Zweigert: „Der jeweilige V-Mann-Führer hat bei jedem Treffen eine Entlohnung vorgenommen in Form von Prämie und Auslagen. Das war dann in unterschiedlicher Höhe. Das hing davon ab, was er für Veranstaltungen besucht hatte und welche Auslagen er hatte.“ Auf Nachfrage sagt Zweigert: „Er ist gut entlohnt worden. So Prämien gab es in der Regel so um die 4, 500 DM. Und die Auslagen haben sich in unterschiedlicher Höhe bewegt, ob es Benzingeld war, Eintritt für irgendwas oder Spenden für irgendwas. Das ist ihm dann erstattet worden.“

Götzl: „Jetzt hatten Sie geschildert, dass die Quelle 2000 abgeschaltet wurde im Hinblick auf das eigenmächtige Vorgehen gegen das Verbot. Mich würde der Kontakt in dieser Zeit interessieren, Reaktionen von Seiten ‚Hagels‘ darauf. Wie war die Situation gewesen in der Schlussphase?“ Zweigert: „Das Verbotsverfahren ist ja dann durchgeführt worden und, gut, okay, es hat ihm eben nicht gefallen, das kann man vielleicht irgendwo nachvollziehen. Und da hat er angesprochen, dass man innerhalb eines Gremiums, wer konkret weiß ich nicht mehr, darüber nachgedacht habe, evtl. dagegen vorzugehen.“ Götzl: „Da hat er mit Ihnen drüber gesprochen?“ Zweigert: „Das hat er schon angesprochen. Aber dann ist das in dem Kreis wohl verworfen worden. Er hat sich dann aber eigenmächtig einen Anwalt genommen, um dagegen vorzugehen, ohne uns zu informieren.“ Und das hätten sie dann zum Anlass genommen, ihn abzuschalten. Götzl: „Über welchen Zeitraum hat sich das hingezogen?“ Zweigert: „Nicht allzu lange, da will ich mich nicht festlegen.“ Götzl: „Können Sie es abschätzen?“ Zweigert: „Vier [phon.] Wochen vielleicht, ich weiß es nicht, könnte sein.“

Götzl fragt, ob denn in den Jahren der Betreuung Enttarnung und Reaktion hinsichtlich Folgen einer Enttarnung Thema gewesen seien. Zweigert: „Es ist ganz klar, dass am Anfang drüber gesprochen wurde über die Art und Weise des Verhaltens nach außen, damit eben nichts bekannt wird. Auch die Art und Weise, wie er sich zu verhalten hat, auch wenn wir uns treffen, dass er nicht einfach zufahren [phon.] und aussteigen soll, sondern dass er sich schon ein bisschen konspirativ verhält, um es mal so zu sagen. Und das hat er eigentlich auch immer. Er hatte ja auch immer eine relativ lange Anfahrt gehabt, war auf Montage in den westlichen Bundesländern, da hätte ihm kaum einer nachfahren könne. Er hatte sich also relativ konspirativ verhalten. Er ist auch entsprechend belehrt worden, dass er sich aus kriminellen Machenschaften raushalten soll und wenn er unglücklicherweise mal mit der Polizei in Kontakt gerät, weil was ist, dass er dann auf keinen Fall die Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz kundtun soll, weil wir ihm auch sowieso nicht helfen könnten. Und das hat er eigentlich so bis zuletzt durchgezogen, offensichtlich.“ [Zweigert lacht leicht auf; vermutlich bezieht er sich damit auf Degners Aussage im Prozess, er sei nie V-Mann gewesen].

Götzl: „Und die Situation, als über das Verbotsverfahren gesprochen wurde und mögliches Vorgehen von seiner Seite, ist der Punkt Ihnen gegenüber mal von seiner Seite angesprochen worden?“ Zweigert: „Nein, ich glaube, wir sind drüber informiert worden, weiß ich gar nicht, wie das bei uns bekannt wurde, dass er da mit einem Anwalt Klage dagegen eingelegt hat oder wie auch immer. Da fand dann aufgrund dessen auch sofort ein Treffen statt, wo er abgeschaltet wurde. Weil wir das nicht akzeptieren konnten, dass er so was macht, ohne das mit uns abzusprechen.“ Götzl: „Hat er das angekündigt, dass er erwägt dagegen vorzugehen?“ Zweigert sagt, dass ein Personenkreis bei B&H das diskutiert habe, es sei aber verworfen worden: „Wir haben da in keinster Wiese da was gesagt, dass er dagegen vorgehen soll oder nicht vorgehen soll. Er hat das nicht mit uns besprochen. Ob er das alleine entschieden hat oder sich da mit jemand kurzgeschlossen hat, das weiß ich nicht.“

Götzl: „Die Frage ist: Hat er zu irgendeinem Zeitpunkt Ihnen gegenüber ausgesprochen oder auch nur angedeutet, dass er erwägt, dagegen vorzugehen?“ Zweigert: „Er hat mit anderen, das hat er uns gesagt, haben sie diskutiert, dagegen vorzugehen. Und dass das verworfen wurde. Das ist mit Sicherheit festgehalten worden. Er hat aber mit Sicherheit uns gegenüber nicht angekündigt, weder mir, noch Neisen, noch Wießner, dass er jetzt selbst dagegen vorgeht. Das hat er in so einer Nacht-und-Nebel-Aktion gemacht, ohne uns in Kenntnis zu setzen.“ Götzl: „Sind denn da die Konsequenzen für seine V-Mann-Tätigkeit erörtert worden?“ Zweigert: „Nein.“ Götzl: „Nachdem er mit Rechtsanwalt gegen das Verbot vorging, gab es da nochmal Kontakt zu ihm?“ Zweigert: „Zur Abschaltung, nur zur Abschaltung haben wir uns nochmal getroffen.“ Götzl fragt, was da besprochen wurde, wie die Situation gewesen sei. Zweigert: „Gut, er hat dafür sogar Verständnis aufgebracht, weil er das eben eigenmächtig getan hat, dass die Vertrauensbasis eben nicht mehr da war. Hat er akzeptiert und er hat die üblichen Verschwiegenheitserklärungen abgegeben, das war alles ganz normal verlaufen, wie eine Abschaltung halt erfolgt.“ Götzl: „Hatten Sie danach nochmal zu ihm Kontakt?“ Zweigert: „Nein.“ Es folgt eine Pause bis 11:09 Uhr.

Dann fragt Götzl, ob es bei jedem Termin eine Prämienzahlung gegeben habe. Zweigert: „Ja.“ Götzl: „Bei jedem Termin in dieser Größenordnung?“ Zweigert: „In der Regel ja.“ Götzl: „Gab es eine Einstufung der Quelle in eine bestimmte Kategorie?“ Zweigert: „Ja, es gab eine Einstufung, die ist aber von der Auswertung vorgenommen worden, ich kann nicht sagen, wie die gewesen ist.“ Götzl: „Können Sie etwas dazu sagen, ob Akten, die jetzt Ihren V-Mann ‚Hagel‘ betrafen, ob die zu irgendeinem Zeitpunkt vernichtet wurden?“ Zweigert: „Das weiß ich nicht.“ Götzl fragt, ob es Informationen von „Hagel“ zur KS Jena gegeben habe. Zweigert: „Mir gegenüber nicht. Dass er also, wie gesagt, aus Jena, abgesehen von den beiden genannten Personen eigentlich niemanden kannte.“ Götzl: „Und der Begriff ‚Kameradschaft Jena‘, hat der eine Rolle gespielt?“ Zweigert: „Der Begriff war ihm bekannt, okay, dadurch dass er in Heilsberg ein Konzert mitveranstaltet hatte und der THS aus verschiedenen Kameradschaften bestanden hatte, kannte er schon diesen Begriff. Aber da hatte er keinerlei Beziehung gehabt.“ Götzl fragt, ob irgendwelche Personen in Bezug auf die KS Jena eine Rolle gespielt hätten, Mitglieder. Zweigert: „Nein, abgesehen von den beiden, die ich nannte, Wohlleben und Kapke, kannte er keine.“

Götzl: „Ist die Rede mal gewesen von Holger Gerlach seitens des V-Manns?“ Zweigert: „Ist mir nicht bekannt.“ Götzl: „Nochmal klar nachgefragt: War von den Personen, Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt von Seiten des V-Manns ihnen gegenüber mal die Rede, überhaupt mal Gesprächsthema, gab es hierzu Informationen von Seiten des V-Manns?“ Zweigert: „Nein. Das einzige ist, was ich sagte: Es wurden am Anfang alle Quellen gefragt, ob sie die Personen kennen und wissen, wo sie sich aufhalten könnten. Und bei ‚Hagel‘ hieß es: Er kennt die Personen nicht.“ Götzl: „War unabhängig von Namen und Personen mal von Flüchtigen die Rede, von Seiten des V-Mannes Ihnen gegenüber?“ Zweigert: „Nein.“ Götzl: „War mal von Unterstützung, Geldunterstützung die Rede?“ Zweigert: „Ist mir nichts bekannt.“ Götzl: „War von Seiten des V-Mannes ‚Hagel‘ mal die Rede von Bomben, Bombenattrappen in Jena?“ Zweigert: „Nein.“ Götzl: „War mal Gesprächsthema ein T-Shirt-Motiv ‚Skinsons‘?“ Zweigert: „Nein, ist mir total unbekannt.“ Götzl: „Hat er mal über die Gruppe ‚Combat 18‘ gesprochen?“ Zweigert: „Könnte sein, da will ich mich nicht festlegen, wäre möglich, aber weiß ich jetzt nicht mehr.“

Es folgt eine Inaugenscheinnahme einer Wahllichtbildvorlage mit Porträtbildern von Männern am Richtertisch. Zweigert sagt, die Nummer 6 sei Degner, die anderen kenne er nicht. Götzl: „Die Nummer 6 sei Degner. Sind Sie sich sicher?“ Zweigert: „Ja.“ Götzl: „Vom Aussehen her, sind irgendwelche Besonderheiten, wo Sie sagen, da wären Unterschiede zum damaligen Aussehen?“ Zweigert: „Ja, vielleicht ein bisschen viele Haare auf dem Bild. Aber das hat er immer mal variiert, dass er mal welche hatte und dann Glatze, aber so viele Haare kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern.“ Götzl: „War mal Thema zwischen Ihnen und dem V-Mann eine Mitarbeit bei Blood & Honour-Veröffentlichungen, ist darüber mal gesprochen worden?“ Zweigert: „Nein.“

Eminger-Verteidiger RA Kaiser: „Herr Zweigert, Sie hatten berichtet, dass dem Herrn Degner auch Spenden erstattet worden sind, hatte er da ein bestimmtes Limit, wieviel er spenden durfte?“ Zweigert: „Nein. Spenden kamen auch selten vor. Einmal ist in einem Ort in Thüringen eine Person ums Leben gekommen, ein Rechter, da haben sie Spenden gesammelt, zweimal, da kann ich mich dran erinnern, einmal bei einer Veranstaltung und einmal war die Mutter der Person bei einer Veranstaltung. Aber das war das einzige Mal, was mir jetzt in Erinnerung ist.“ Kaiser: „Hat es noch andere Spenden gegeben?“ Zweigert: „Nur die zwei Spenden.“ Kaiser: „In welcher Höhe?“ Zweigert: „Da sind einmal, ich glaube, 800 DM zusammengekommen damals, und bei der zweiten Sammlung 2000. Was er da jetzt gegeben hat, weiß ich nicht mehr.“

Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders: „Haben Sie Erkenntnisse was sein Beweggrund war, für Sie und den Verfassungsschutz tätig zu werden?“ Zweigert: „Gut, das kann ich aus dem Stegreif nicht sagen. Eher der Herr Wießner, der ihn angeworben hatte. Aber das ist eine finanzielle Geschichte, denke ich mal.“ Er verneint, dass der V-Mann sich mal ihm ggü. dazu geäußert habe. Schneiders fragt, ob die Trefforte immer dieselben Örtlichkeiten gewesen seien. Zweigert: „Das waren unterschiedliche Orte, weil er auch nicht immer aus der gleichen Richtung gekommen ist.“ Schneiders fragt, wer aus der Auswertung die Einschätzung gegeben habe, dass sich alles bestätigt habe. Zweigert: „Der Auswerter war der Herr Elsner [phon.], deswegen gehe ich davon aus, dass es auch von ihm gekommen ist.“ Schneiders fragt, ob Zweigert Erkenntnisse habe, wie Degner und RA Thaut zusammengekommen seien. Zweigert: „Das weiß ich nicht.“ Schneiders: „Haben Sie Erkenntnisse, ob der Verfassungsschutz Thüringen Einfluss genommen hat auf die Tätigkeit von Rechtsanwalt Thaut für Ihren V-Mann?“ Zweigert: „Nein.“ Schneiders fragt, ob der V-Mann andere Aufgaben als die Informationsbeschaffung gehabt habe, ob er Einfluss habe nehmen sollen. Zweigert: „Nein, er sollte nur umfassend berichten, nicht Einfluss nehmen. Einfluss zu nehmen, das ist von uns nicht erfolgt.“

RA Klemke: „Sie berichteten, dass Degner von Montage zu den Treffen kam. Als was hat er denn gearbeitet?“ Zweigert: „Der war Elektriker.“ Klemke fragt, ob Degner auch Auslagen erstattet bekommen habe für Veranstaltungen, die er selbst organisiert oder mitorganisiert habe. Zweigert: „Er hat natürlich mitveranstaltet, aber für Beschaffung von Bands und Entlohnung, da gab es von uns kein Geld, die erfolgte meines Wissens nach sowieso nur durch Eintrittsgelder.“ Degner habe da selbst nie was gezahlt, habe im Prinzip immer nur den Veranstaltungsort gesucht. Auf Frage, ob das die einzigen Mitteilungen zu B&H gewesen seien, sagt Zweigert, es sei auch um Treffen von B&H-Angehörigen gegangen. Klemke: „Mir ging es um die Tätigkeiten Ihrer Quelle ‚Hagel‘ betreffend Blood & Honour-Veranstaltungen.“ Zweigert: „Ja, unabhängig von Konzerten, die haben sich auch getroffen, um was abzusprechen, was auch immer.“ Klemke: „Und bei Konzerten, sagten Sie, hat er nur den Veranstaltungsort ausgesucht?“ Zweigert: „Das ist ja unterschiedlich, jede Sektion war in der Pflicht, mal ein Konzert zu veranstalten, und da musste man einen geeigneten Ort finden und das war ja nicht ganz so einfach.“

Klemke fragt, ob Zweigert Kenntnis habe, ob Veranstaltungen z. B. von B&H Brandenburg in einem anderen Bundesland stattgefunden hätten, z. B. in Thüringen. Zweigert: „Das weiß ich jetzt nicht, aber es mussten immer mal wieder kurzfristig Veranstaltungen abgesagt werden und kurzfristig musste ein andere Ort gesucht werden. Das gelang nicht immer, aber es gelang.“ Klemke: „Wie viele Konzerte hat er mitveranstaltet in der Zeit, in der Sie ihn betreuten?“ Zweigert: „Das waren ganz wenig. In Heilsberg ein oder zweimal, das war ’97 oder ’98 gewesen. Und ansonsten eins im Bereich Weimar und dann bei Bucha an der Autobahn oben. An viel mehr kann ich mich nicht erinnern. Das war wenig.“ Klemke: „Ich habe Sie eben so verstanden, bitte korrigieren Sie mich, dass Sie sagten: So hoch angebunden war das Untertauchen der Drei gar nicht und in der Szene habe keiner so recht verstanden, warum sie untergetaucht sind.“ Zweigert: „Richtig, ich kann aber ja nur sagen, was wir von den Quellen als Feedback bekommen haben. Und da war, dass es bei dem Personenkreis, den ich betreut habe, gar nicht bekannt war, warum sie das gemacht haben. Das hat niemand verstanden.“ [phon.] Man habe das interessant gefunden, dass sie von jetzt auf gleich verschwunden gewesen seien, aber nicht verstanden, warum.

Klemke: „Wo war es nicht so hoch angebunden? Ich habe Sie eben so verstanden, in Ihrer Dienststelle.“ Zweigert: „Ja, das ist mein Eindruck gewesen, weil diese Personen nicht so im Fokus standen. Das waren keine Rädelsführer, das waren Mitläufer. Man hätte gerne gewusst, wo sie sich aufhalten, aber wenn nicht, okay, dann war es nicht so dramatisch. Man konnte ja nicht in die Zukunft gucken. Man hätte schon gerne gewusst, wo sie sich aufhalten, aber das war’s dann schon.“ Klemke fragt, woran Zweigert seinen Eindruck festmache. Zweigert: „Ja, das ist mein Eindruck einfach nur gewesen, kann ich nicht konkret festmachen. Man wollte schon ihrer habhaft werden auf irgendeine Art und Weise, aber es gab möglicherweise Wichtigeres.“ Klemke sagt, Zweigert habe zunächst gesagt, ‚Hagel‘ habe Wohlleben und Kapke gekannt und man habe sich auf Konzerten getroffen, dann habe Zweigert nur noch gesagt, dass man sich gekannt habe. Zweigert: „‚Hagel‘ hat mir gegenüber geäußert, er kennt nur Wohlleben und Kapke aus Jena. Größere Kontakte oder so gab es nicht. Getroffen war meines Wissens nach mal in Heilsberg auf einem Konzert. Aber mehr auch nicht.“ Das „Kennen“ beziehe sich nicht auf nähere Kontakte.

Carsten Schultzes Verteidiger RA Pausch: „Gab es eine Staffelung der Prämien je nach Qualität und Quantität?“ Zweigert: „Ja, die fand schon statt.“ Auf Nachfrage sagt Zweigert: „Es ging meistens um Wochenenden, wo er irgendwo engagiert war, wie stark ihn das beansprucht hat und wie längerfristig das war, da gab es dann schon Unterschiede. Es sollte ja nicht dazu führen, dass er ein Festgehalt hat, dass man sagt, du kriegst jeden Monat 1.000 Mark, sondern er sollte schon ein gewisses Engagement zeigen. Für Nichtstun sollte es auch nichts geben.“ Pausch: „Und das Kriterium Qualität, gab es das?“ Zweigert: „Ja.“ Pausch: „Konnten Sie das vor Ort schon überprüfen?“ Zweigert: „Teilweise schon, aber in der Regel nach der Auswertung.“ Die Honorierung sei entsprechend der Berichterstattung, dass man sage, da sei viel berichtet worden, umfassende Erkenntnisse, gute Erkenntnisse, ein oder zwei Wochen später entsprechend erfolgt. Pausch: „Die Bezahlung erfolgte nach der Auswertung?“ Zweigert: „Richtig.“

Wohlleben-Verteidiger RA Nahrath fragt, ob Zweigert Erkenntnisse habe, ob die Quelle ‚Hagel‘ nach der Abschaltung von einer anderen Dienststelle übernommen wurde. Zweigert: „Ist mir nichts bekannt.“ Nahrath: „Vielleicht von der Polizei?“ Zweigert: „Ich habe mal erfahren, dass er einer TKÜ des LKA Sachsen-Anhalt unterlegen war. Aber ob da eine Kontaktierung erfolgte, weiß ich nicht.“ RAin Schneiders: „Zu welchen Personen in Sachsen hatte ‚Hagel‘ Kontakt?“ Zweigert: „Da gab es einige Personen, ja, aber konkrete Namen? Jan Werner ist einer. Ich weiß die Personen jetzt nicht mehr, die er immer wieder mal auf Veranstaltungen, die mit Blood & Honour in Verbindung stehen, zwangsläufig getroffen hat.“ Schneiders: „Starke?“ Zweigert: „Auch.“ Schneiders: „War das eine lose Bekanntschaft oder enge Freundschaft?“ Zweigert: „Nein, nein, Freundschaft war sowieso nicht so. In der Regel haben die sich auf Konzerten getroffen und die haben sich auch nicht alle so richtig gerne gemocht, die haben ihr Süppchen gekocht. So eine richtig enge Kameradschaft war das bei Blood & Honour nicht gewesen. Einige haben sich gar nicht so richtig verstanden. Und Sachsen war auch ein bisschen außen vor gewesen.“

Schneiders: „Was heißt das?“ Zweigert sagt, die hätten sich nicht an allem beteiligt, an gemeinschaftlichen Konzertveranstaltungen. Es sei ja darum gegangen, dass man Geld einnimmt für die Kasse von B&H für alle Eventualitäten, zum Beispiel „Kameraden“, die einen Prozess bekommen. Deswegen seien alle gehalten gewesen, an den Konzerten teilzunehmen und andere dazu zu animieren, teilzunehmen; Eintrittsgelder zu bezahlen, damit Gelder in die Kasse kommen: „Und da gab es einige, die sich da gesperrt haben und mit Sachsen gab es da immer wieder Probleme.“ Schneiders sagt, Zweigert habe angegeben, dass ‚Hagel‘ der Kassenwart von B&H Deutschland gewesen sei, und fragt, ob es da auch Informationen gegeben habe über Kassenstände und was man erwirtschaftet hat. Zweigert: „Die hatten da eine Staffelung, dass die Sektion, die so und so viele Mitglieder hat, so und so viel Beitrag einzahlen sollte.“ Manche Sektion habe aus 200 [phon.], manche aus 20 Mitgliedern bestanden, so Zweigert. Er könne jetzt aber nicht sagen, wie das genau war. Nur habe es Probleme mit der Bezahlung gegeben, es habe nicht so richtig funktioniert.

Schneiders fragt, ob es in den Deckblattmeldungen, mit denen sich Zweigert vorbereitet habe, zu den Beitragszahlungen Informationen gebe. Zweigert: „Da gibt es eine Meldung, wo diese Staffelung aufgeführt ist, wieviel die Sektionen zahlen sollen, und dass es da eben bei der Beitragszahlung Probleme gibt, diese Gelder jeweils zusammen zu bekommen.“ Schneiders fragt, ob es in den Deckblattmeldungen zu Geldzahlungen, Prozessunterstützungen von „Kameraden“ auch Informationen gebe. Zweigert: „Nein. Ich weiß es nicht, mir ist nichts bekannt, ob der Fall jemals eingetreten war.“ Schneiders: „Ja, hat Ihr V-Mann etwas berichtet?“ Zweigert: „Also, ich wüsste es jetzt nicht mehr.“ Schneiders sagt, dass Zweigert aber doch davon gesprochen habe. Zweigert: „Die Gelder waren dafür gedacht, habe ich gesagt.“

NK-Vertreter RA Bliwier: „Ich habe Sie heute so verstanden, dass Sie mit Degner tatsächlich ein Gespräch geführt haben, ob er was zu den drei Flüchtigen sagen kann.“ Zweigert: „Ja, ein generelles Gespräch.“ Bliwier: „Und er antwortete, er würde die gar nicht kennen?“ Zweigert: „Richtig.“ Bliwier: „Erinnern Sie Sie sich an Ihre Vernehmung im NSU-Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags?“ Zweigert: „Ja. Was habe ich da gesagt?“ Bliwier: „Ich möchte nur wissen, ob Sie sich erinnern.“ Zweigert: „Das ist jetzt auch schon ein paar Jahre her.“ Bliwier hält vor, dass Zweigert laut Protokoll die Frage der Abgeordneten Renner verneint habe, ob er irgendwann mal als V-Mann-Führer der Quelle bezogen auf die drei in Rede stehenden Neonazis angesprochen worden sei. Zweigert: „Wir wurden angehalten, zu fragen.“ [phon]Bliwier: „Ich halte Ihnen nur Ihre Vernehmung vor.“ Zweigert: „Dann ist das möglicherweise dann irgendwo missverstanden worden.“

Bliwier hält vor, dass Renner im Thüringer UA gefragt habe, ob Zweigert die Quelle mal auf die Drei habe ansprechen sollen, und auch das habe Zweigert laut Protokoll verneint, weil es keine Bezüge zwischen dieser Quelle und dieser Szene gegeben habe. Bliwier: „Das ist jetzt ein gewisser Widerspruch.“ Zweigert: „Ja, aber jetzt habe ich mich auch wieder belesen und damals nicht. Es war generell so, dass wir jede Quelle in diesem Bereich fragen sollten, und das war halt negativ.“ Bliwier erwidert, dass das ein Widerspruch sei, damals habe Zweigert ausgesagt, er habe nicht mit der Quelle darüber gesprochen, und heute sage er, er habe mit der Quelle gesprochen: „Wie kommt es zu der besseren Erkenntnis?“ Zweigert: „Es sind so viele Jahre ins Land gegangen.“ Bliwier: „Und da ist Ihre Erinnerung jetzt besser?“ Zweigert: „Ich habe ja jetzt auch gelesen.“ Bliwier: „Ja, wo haben Sie das gelesen, so dass Ihre Erinnerung jetzt besser ist?“ Zweigert: „Ich habe die Deckblattmeldungen zu ‚Hagel‘ gelesen, wo mir gesagt wurde, dass zu diesem Thema ‚Drillinge‘ bei mir nichts drinsteht, aber bei Wießner. Und das ist dann im Gespräch erfolgt, dass wir die Quellen befragt haben.“

Bliwier: „Das habe ich nicht verstanden. Was haben Sie gelesen, nur zu diesem Thema: ‚befragt die nach den Dreien‘?“ Zweigert: „Da gibt es schriftlich mit Sicherheit nichts. Das war eine ganz allgemeine Aussage [phon.] damals, dass wir alle Quellen fragen sollen.“ Bliwier: „Und das passt nicht zu Ihrer Antwort von eben, Ihre Erinnerung sei jetzt besser, weil Sie es gelesen hätten.“ Zweigert: „Das ist richtig.“ Bliwier: „Sie sagten heute das genaue Gegenteil von dem, was Sie im Untersuchungsausschuss gesagt haben.“ Zweigert: „Das ist richtig.“ Bliwier: „Was ist jetzt die Wahrheit? Eine Antwort kann nicht stimmen.“ Zweigert: „Da wurden so viele Fragen gestellt von der Frau Renner und den anderen, dass das vielleicht missverständlich war.“ Bliwier: „Ich halte das nicht für missverständlich. Wir haben den Widerspruch. Irgendeine Erklärung können Sie mir jetzt nicht anbieten?“ Zweigert: „Ich kann dazu jetzt nichts anderes sagen, tut mir leid.“

RA Hoffmann: „Sie haben gerade eben gesagt, wenn ich es richtig verstanden habe, dass Ihnen gesagt worden ist, dass es die Anweisung gab. Habe ich Sie falsch verstanden?“ Zweigert: „Nein, das wurde uns gesagt durch die Referatsleitung bei uns.“ Hoffmann: „Dann habe ich Sie falsch verstanden. Als Sie jetzt Ihre Deckblattmeldungen bekommen haben, ist Ihnen da etwas von den Personen gesagt worden?“ Zweigert: „Nein, ich habe die Deckblattmeldungen von einem Kollegen bekommen, der damals noch gar nicht im Amt gewesen ist. Ich hatte ja jetzt Zeit, dass mir das wieder ins Gedächtnis gekommen ist. Das ging damals ziemlich ad hoc mit dem Untersuchungsausschuss, da hatte ich an das Ganze keine Erinnerung mehr gehabt.“ Hoffmann fragt, ob Degner regelmäßige Mitteilungen über Ein- und Ausgaben von B&H gegeben habe. Zweigert: „Nein.“ Hoffmann: „In welchem Zeitraum war er Kassenwart bei Blood & Honour Deutschland?“ Zweigert: „Meines Wissens nach im gesamten Zeitraum. Aber man muss unterscheiden zwischen Beschaffer und Auswertung. Ich habe das geliefert und die Auswertung musste das umsetzen. Und wenn ich was umsetzen sollte, dann kam es von der Auswertung. Aber es kam äußerst selten vor. Ich habe keine Auswertung betrieben.“

Hoffmann: „Ja, haben Sie ihn denn gefragt nach Kassenständen?“ Zweigert: „Nein, es hat offensichtlich niemanden interessiert in der Auswertung.“ Hoffmann: „Sie bekamen keine Anweisung, den Kassenwart von Blood & Honour Deutschland nach Ein- und Ausgaben zu fragen?“ Zweigert: „Nein.“ Hoffmann: „Und von sich aus hat er nichts erzählt?“ Zweigert: „Nein.“ Hoffmann: „Und die beiden Kollegen?“ Zweigert: „Ich habe mit ihnen nicht darüber gesprochen und ich weiß es auch nicht.“ Hoffmann: „Hatte ‚Hagel‘ Kontakte zu Antje Probst?“ Zweigert: „Weiß ich nicht.“ Hoffmann: „Zu Carsten Szczepanski?“ Zweigert: „Weiß ich auch nicht.“ Hoffmann: „Sie sagten, Blood & Honour Thüringen habe nur wenige Konzerte gemacht, u.a. Heilsberg ’97/98. Können Sie sich versuchen zu erinnern, wann diese Konzerte waren?“ Zweigert: „Den genauen Zeitpunkt weiß ich nicht.“ Zweigert bejaht, von der Quelle dazu Informationen bekommen und diese in den Deckblattmeldungen gefunden zu haben. Hoffmann fragt, ob da die Daten drin standen. Zweigert: „Ja, aber ich habe annähernd hundert Deckblattmeldungen gelesen.“ Hoffmann: „Das waren nur die von Ihnen?“ Zweigert: „Richtig.“

Hoffmann: „Haben Sie eine Erinnerung, ob diese Konzerte vor oder nach dem Verschwinden von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt waren?“ Zweigert: „Eins war relativ sicher vorher gewesen, das war ’97 gewesen.“ Hoffmann: „War die Quelle ‚Hagel‘ Mitorganisator?“ Zweigert: „Ja.“ Hoffmann: „Wer noch?“ Zweigert: „Das war vom THS. Ich glaube, Tino Brandt selbst war da mit involviert und einige andere.“ Hoffmann: „Wer?“ Zweigert: „Tut mir leid. Ich meine Rosemann, aber da will ich mich jetzt nicht festlegen.“ Er bejaht, dass diese Informationen in den Deckblattmeldungen seien. Er verneint, das Konzert in Weimar zeitlich einordnen zu können, auch nicht, ob es vorher oder nachher war. Hoffmann: „Diese Spenden, können Sie die zeitlich einordnen?“ Zweigert: „Das genaue Jahr nicht. Aber in Bad Berka ist das passiert, wo der Rechte ums Leben gekommen ist, wo bei zwei Veranstaltungen gesammelt wurde für den.“ Hoffmann: „Vor oder nach dem Verschwinden der Drei?“ Zweigert: „Das weiß ich jetzt nicht mehr.“ Hoffmann: „Gab es da eine Spendenquittung?“ Zweigert: „Nein.“ Hoffmann: „Auf Treu und Glauben?“ Zweigert: „Richtig.“

Hoffmann: „Sie haben vorhin gesagt, dass es eine Fluktuation gab. Wie viele Personen umfasste 1997 bis zum Ausschalten der Quelle die Sektion Thüringen von Blood & Honour?“ Zweigert: „Am Anfang war von 17 oder 18 Personen die Rede, es waren im Endeffekt aber doch nur etwa zehn.“ Namen wisse er nicht, so Zweigert auf Nachfrage, bejaht aber, dass die in den Deckblattmeldungen enthalten seien. Hoffmann: „Können Sie gar keine Namen nennen?“ Zweigert: „Mike Bär ist mir gerade geläufig.“ Hoffmann: „Was hat die Quelle über Mike Bär berichtet?“ Zweigert: „Tut mir leid, dazu kann ich nichts sagen. Wahrscheinlich so viel wie zu anderen Personen, über die er berichtet hat.“ Hoffmann fragt, ob Mike Bär eine besondere Aufgabe bei B&H gehabt habe. Zweigert: „Nicht dass ich wüsste.“ Zschäpe-Verteidiger RA Stahl beanstandet; er habe jetzt Schwierigkeiten mit dem Sachzusammenhang. RA Hoffmann: „Ich nehme dazu Stellung, aber nicht vor dem Zeugen. “ Götzl sagt, man lege dann gleich die Mittagspause ein, Zweigert könne schon in die Pause gehen und man bespreche jetzt die Frage. Zweigert verlässt den Saal.

Hoffmann sagt, die Frage dränge sich auf, weil Bär ganz enge Kontakte nach Jena gehabt habe, da interessiere ihn, was Degner aus zweiter Hand über Geschehnisse in Jena berichtet habe, und außerdem sei Bär für die „White Youth“ [Jugendorganisation von B&H] tätig gewesen. RA Stahl: „Da muss man ja nichts dazu sagen, weshalb ich die Frage beanstande. Keinerlei Zusammenhang zur Tat- und Schuldfrage, aber null.“ RA Bliwier sagt, er verstehe die Beanstandung nicht, immerhin habe die Verteidigung Zschäpe einen Einstellungsantrag damit begründet, dass die Taten „unter den Augen des Verfassungsschutzes“ stattgefunden hätten: „Das wird hier aufgeklärt und Sie wagen es ernsthaft, diese Fragen hier zu beanstanden.“ RA Stahl: „Das muss Ihnen nicht nachvollziehbar sein und ich sehe davon ab, das zu erläutern für Sie. Das eine ist, dass hier ein Verfahren durchgeführt wird unter besonderen Vorzeichen, die wir in dem damaligen Antrag dargelegt haben. Und das andere ist, ob es zur Urteilsfindung notwendig ist, das zu beleuchten. Und das was wir immer beanstanden, ist, aus diesem Verfahren eine Art Untersuchungsausschuss zu machen.“ RA Bliwier: „Lesen Sie Ihren eigenen Antrag!“ RA Stahl sagt, das könne er Bliwier draußen mal erklären. Es folgt die Mittagspause bis 13:05 Uhr.

Der Zeuge ist zunächst nicht im Saal. Götzl fragt Hoffmann, ob die Frage aufrechterhalten bleibe, was Hoffmann bejaht. Hoffmann sagt, er wolle noch zwei Dinge anmerken: Man rede bei Bär nicht über irgendjemanden, Bär sei die zweite Person neben Degner, die gegen das B&H-Verbot geklagt habe und sei eng vertraut gewesen mit Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt, es gebe ein Foto, auf dem Bär Arm in Arm mit Zschäpe zu sehen sei. Götzl sagt, Hoffmann habe nach dessen Funktion bei B&H gefragt. Es folgt eine Pause bis 13:17 Uhr.

Danach lässt Götzl den Zeugen wieder in den Saal holen und teilt dann mit, dass die Frage Hoffmanns zurückgewiesen ist, der Sachbezug sei nicht erkennbar. Hoffmann fragt Zweigert: „Hat Ihnen die Quelle Hagel berichtet von Diskussionen auf Strategietreffen von Blood & Honour, die eine mögliche Selbstauflösung von Blood & Honour Sachsen zum Thema hatten?“ Zweigert: „Ich kann mich nicht erinnern, ob das mal Thema einer Diskussion war, tut mir leid.“ Hoffmann fragt, ob sich Zweigert nicht erinnere, ob er dazu in den Deckblattmeldungen etwas gelesen habe. Zweigert: „Das waren an die 100 Stück, die ich gelesen habe. Zu einzelnen Fragen kann ich nichts sagen.“
Hoffmann: „Zum Abschluss: Diese 100 Stück, waren das alles Deckblattmeldungen, die Sie gefertigt haben?“ Zweigert: „Richtig, an die 100, nicht exakt.“

RA Langer fragt, ob Wießner und Neisen, wenn sie Zweigert vertreten hätten, auch Schriftliches verfasst hätten über die Treffen. Das bejaht Zweigert, es seien immer Deckblattmeldungen verfasst worden. Auf Nachfrage sagt Zweigert: „Gelesen habe ich die nicht: Ich gehe davon aus, dass es mir erzählt wurde.“ Langer: „Sie haben dennoch keine Erinnerung, dass es um die drei Untergetauchten gegangen sei?“ Zweigert: „Nein. Mir wurde letzte Woche, als ich das gelesen habe, gesagt, dass es um die Drei ging bei Wießner.“ Langer fragt, von wem ihm das gesagt worden sei. Zweigert: „Von dem Kollegen, der mir beim Verfassungsschutz die Berichte gegeben hat zu Lesen.“ Zweigert nennt auf Nachfrage den Namen Lö. [phon.].

Dann fragt RAin von der Behrens: „Sie hatten ja auch schon berichtet, dass Wießner für das Thema zuständig gewesen sein soll. Ist das Ihre Erinnerung oder haben Sie das bekundet, weil der Kollege Ihnen das so mitgeteilt hat?“ Zweigert sagt, das sei zum einen seine Erinnerung, zum anderen habe er mit Wießner auch mal gesprochen, er glaube, letztes Jahr. Da sei es, glaube er, mal um das Thema Jena gegangen. Wießner sei ja öfters in Jena gewesen und da habe er erfahren, dass Wießner hauptsächlich für den Bereich zuständig gewesen sei. V. d. Behrens fragt, ob Zweigert wisse, wen Wießner in Jena getroffen habe. Zweigert: „Weiß ich nicht.“ Er wisse nicht, ob V-Personen oder Quellen. V. d. Behrens fragt, ob die Deckblattmeldungen, die Zweigert gelesen habe, die gewesen seien, die vom TLfV ans BfV gegangen seien oder eigene Deckblattmeldungen. Zweigert: „Von unserem Haus und die gleichen Meldungen sind vom Bundesamt zurückgeschickt worden, teilweise geschwärzt.“ V. d. Behrens: „Bei Ihnen ungeschwärzt und das Gleiche haben Sie nochmal geschwärzt bekommen vom BfV?“ Zweigert: „So ist es richtig.“ V. d. Behrens fragt, ob Zweigert die auch eingesehen bei der Vorbereitung zur Aussage beim UA. Zweigert: „Nein.“ V. d. Behrens fragt nach dem Grund dafür. Zweigert: „Zum damaligen Zeitpunkt ging das alles recht flott, es kam kein Hinweis, dass wir uns vorbereiten sollen.“ Eigentlich habe er keine Erinnerung gehabt und jetzt erstmals dazu Meldungen gelesen.

V. d. Behrens sagt, dass Wießner zuletzt im April hier bekundet habe, es gebe nur drei bis vier Blätter zu Degner. Zweigert sagt, das könne er nicht beurteilen, er könne nur sagen, was er letzte Woche gesehen habe, Kopien, so habe es ausgesehen, und das seien die Deckblattmeldungen gewesen, die er selbst gefertigt habe. Auf Frage sagt Zweigert: „Das waren die ursprünglichen Meldungen, die von mir gefertigt wurden. Wer das beim Bundesamt geschwärzt hat, ob das der Auswerter bei uns geschwärzt hat, weil es für das Bundesamt nicht relevant war, das weiß ich nicht.“ V. d. Behrens fragt, ob es da auch um das Heft „White Supremacy“ gegangen sei. Zweigert sagt, dass der V-Mann ihm ja mehrere Materialien mitgebracht habe und so was sei da dabei gewesen. V. d. Behrens: „Was hat er dazu gesagt?“ Zweigert antwortet, es habe auf den Konzerten immer wieder diverse Personen gegeben, die Materialien, Fanzines oder CDs verkauft hätten: „Er hatte generell den Auftrag, das zu besorgen und mitzubringen.“ V. d. Behrens: „Hat er da gesagt, wo er das gekauft hat?“ Das wisse er jetzt nicht mehr, so Zweigert, es könne sein, das müsse er in den entsprechenden Deckblattmeldungen nachschauen.

V. d. Behrens fragt, ob die Treffen immer am selben Wochentag gewesen seien. Zweigert: „Nein, nicht immer, weil er nicht immer am selben Tag die Woche beendet hat.“ Es sei mal später, mal früher gewesen, donnerstags, freitags, es sei auch der Mittwoch vorgekommen und er habe den V-Mann auch schon am Wochenende getroffen, wenn es nicht anders gegangen sei. V. d. Behrens: „Was wurde Ihnen von der Auswertung gesagt, wonach Degner gefragt werden sollte?“ Zweigert sagt, er könne sich an einen speziellen, konkreten Auftrag nicht erinnern. Degner habe über das berichten müssen, woran er teilgenommen habe und das habe er getan: „Aber an einen konkreten Auftrag von der Auswertung, ein bestimmtes Konzert, Person, Veranstaltung, kann ich mich nicht erinnern, ist zu lange her.“ V. d. Behrens sagt, Zweigert habe ja nachgelesen. Zweigert: „Selbst das Lesen hilft ja auch nur bedingt.“ Degner sei nur eine Quelle von mehreren gewesen, so Zweigert, er habe nicht nur mit Degner zu tun gehabt und man müsse den Zeitraum beachten. V. d. Behrens: „Fanden sich in den Meldungen konkrete Aufträge, Berichte über die Struktur von Blood & Honour?“ Zweigert: “ Da gibt es Berichte drüber, ja.“

V. d. Behrens fragt, ob Degner habe offenlegen sollen, mit wem er Kontakt gehabt hat in Bezug auf Konzerte und die Organisation. Zweigert: „Selbstverständlich.“ RA Stahl beanstandet und sagt, er könne schon erkennen, wonach v. d. Behrens frage, es gehe um den Inhalt der Meldungen, das könne nicht Gegenstand der Befragung sein, es sei nicht relevant. Götzl: „Ich habe es als vorbereitende Frage gesehen.“ V. d. Behrens: „Sind Sie sein Adressbuch durchgegangen?“ Zweigert: „Sind wir, ja.“ V. d. Behrens: „Sind Sie dabei auf die Namen Eminger oder Gerlach gestoßen?“ Zweigert: „Nein, kann ich mich nicht erinnern.“ Er könne auch nicht sagen, wann er das durchgegangen sei. V. d. Behrens fragt, ob das vor oder nach dem Untertauchen der Drei gewesen sei. Das könne er auch nicht sagen, so Zweigert. V. d. Behrens: „Mehrfach oder einmal?“ Zweigert: „Ich denke, das war öfters gewesen.“ V. d. Behrens fragt, ob Zweigert Kontakte Degners ins Erzgebirge, nach Johanngeorgenstadt bekannt seien. Zweigert: „Sind mir nicht bekannt.“

V. d. Behrens fragt, ob es Zweigert bekannt sei, ob es eine Durchsuchung bei Degner gegeben habe. Zweigert: „Es hat mal eine Durchsuchung gegeben, aber wann weiß ich nicht.“ V. d. Behrens: Hat Degner mit Ihnen über die Durchsuchung gesprochen und was beschlagnahmt wurde?“ Zweigert: „Ja, wir haben darüber gesprochen, aber was beschlagnahmt wurde, kann ich nicht sagen.“ V. d. Behrens fragt, ob Zweigert vor oder nach der Durchsuchung Kontakt mit der Polizei gehabt habe. Zweigert: „Ich hatte nie Kontakt mit der Polizei.“ V. d. Behrens: „Sie hatten auch schon über Wießner berichtet, dass er derjenige war, der nach dem Trio fragen sollte, waren auch andere damit beauftragt?“ Zweigert: „Aus dem Beschaffungsbereich direkt weiß ich es nicht. So groß ist das Landesamt ja nicht gewesen. Das war nach meiner Kenntnis hauptsächlich der Wießner gewesen, in Zusammenarbeit mit der Auswertung wahrscheinlich.“ V. d. Behrens fragt nach Schrader und Nocken. Zweigert: „Als Vorgesetzte selbstverständlich, aber inwieweit nicht.“

V. d. Behrens fragt, ob Zweigert bekannt sei, dass es im TLfV eine Auslobung von 3.000 DM gegeben habe für Hinweise, die zur Ergreifung der Drei führen. RA Stahl beanstandet wegen fehlender Relevanz. Götzl sagt, v. d. Behrens müsse sagen, woher der Vorhalt stamme. V. d. Behrens fragt, ob Zweigert bekannt sei, ob es so etwas gegeben habe. Götzl sagt, das sei dasselbe. V. d. Behrens sagt, der Zeuge könne bei der Erläuterung der Frage im Saal bleiben und führt aus, dass Wießner das bekundet habe und es ergebe sich auch aus Deckblattmeldungen. Sie interessiere sich in dem Kontext dafür, wie wichtig das Thema ‚Trio‘ für das LfV war. Götzl: „Dann fragen Sie doch danach.“ Stahl sagt, die Frage beanstande er dann auch. Der Zeuge wird aus dem Saal geschickt. V. d. Behrens sagt, dass Zweigert mehrfach bekundet habe, dass für ihn das Thema Trio und Untertauchen kein großes Thema gewesen sei und auch ansonsten nicht die Brisanz gehabt habe wie heute. Es gebe aber erhebliche Anhaltspunkte, dass es hoch auf der Tagesordnung des TLfV, des TLKA und des Thüringer Innenministerium gestanden habe, ein Hinweis darauf sei die Auslobung, ein anderer die Sendung „Kripo Live“. Es gehe ihr darum, woraus sich diese Einschätzung stützt. Das sei so nicht plausibel.

Stahl sagt, es handele sich um eine Wiederholungsfrage, der Zeuge habe die Frage der Wichtigkeit aus der damaligen Sicht für die Behörde dargelegt und der ganze Komplex gehe stark am § 155 [Umfang der gerichtlichen Untersuchung] vorbei, es bewege sich mehr im Bereich des Verschuldens auf Seiten der Behörden. V. d. Behrens erwidert, es gehe nicht um das Verschulden der Behörden, sondern um Zweigerts Bekundungen. Stahl: „Diese Fragen spielen doch für die Sachentscheidung keine Rolle. Vielleicht doch, aber nicht für den Senat. [phon.]“ Götzl: „Vielleicht doch? Dann ziehen Sie doch die Beanstandung der Frage zurück.“ Im Saal kommt kurz leises Gelächter auf. NK-Vertreter RA Scharmer: „Es ist ja so, dass der Zeuge an vielen Stellen Erinnerungslücken deutlich gemacht hat. Die Verteidigung Wohlleben hat nach meiner Erinnerung gefragt, wie die drei Untergetauchten und ihre Positionen bewertet worden sind, und er meinte, es seien Mitläufer gewesen. Was die Kollegin anknüpft ist sinnvoll, ob es eine persönliche Einschätzung oder eine konkrete Erinnerung ist.“ In der Tat sei die Einschätzung „Mitläufer“ bei Untergetauchten und beim Thema Bombenbau nicht ganz nachvollziehbar.

OStA Weingarten: „Wir nehmen zur Kenntnis, dass die Einschätzung von Rechtsanwältin von der Behrens und uns einigermaßen übereinstimmt, dass die Fahndung hohe Wichtigkeit hatte.“ Die Frage bewege sich im Grenzbereich, weil persönliche Einschätzungen nicht Gegenstand sein dürften. Die gestellte Frage sei aber gewesen, ob 3.000 DM ausgelobt worden seien und diese Frage könne weder mittelbar und schon gar nicht unmittelbar zur Sache beitragen. Stahl sagt, die Frage, ob das seinerzeit richtig, zutreffend oder falsch eingeschätzt worden ist, könne heute keine Relevanz haben: „Wenn wir das Feld eröffnen und die Frage zulassen, dann müssen wir andere Fragen auch als zulässig betrachten, und dann verirren wir uns.“ V. d. Behrens: „Mir geht es nicht um die Richtigkeit der Einschätzung, es geht um die Bewertung der Deckblattmeldungen, die Frage: Gibt es in den Meldungen, die wir nicht haben, weitere Hinweise auf das Trio?“ Es gehe um die Frage, ob es noch weitere Informationen im LfV gebe, so v. d. Behrens. Eminger-Verteidiger RA Kaiser: „Der Zeuge hat doch hier ganz deutlich gesagt, es gibt keine Hinweise auf das Trio in den Deckblattmeldungen, weil er die gar nicht gekannt habe, und er hat gesagt, klar und deutlich, dass es seine persönliche Einschätzung sei, dass die Fahndung nach den Dreien nicht so hochgehangen worden sei, er sei nicht damit befasst gewesen und Wießner sei derjenige gewesen, der sich kümmern sollte.“ Es folgt eine Unterbrechung bis 13:58 Uhr.

Dann verkündet Götzl, dass die Frage zurückgewiesen ist und der Zeuge kommt wieder in den Saal. V. d. Behrens sagt, es gebe eine Gesprächsnotiz [von Tino Brandt]vom 08.03.1999 über ein Telefongespräch zwischen Brandt und mutmaßlich Mundlos. Darin, so hält v. d. Behrens vor, habe der Sprecher am Telefon gesagt, dass „der Dicke“ ein „Kameradenschwein“ sei, weil von André anvertrautem Geld, das für sie bestimmt sei, nur Bruchteile bei ihnen angelangt seien und zwar immer nur die, die bekannt geworden seien, und dass sie von „Riese“ über Bekannte erfahren hätten, dass eine halbe Einnahme von einem Konzert, mindestens 1.000 DM, nie bei ihnen angekommen sei, obwohl dieser gesagt habe, dass er das Geld nach Jena gegeben habe. V. d. Behrens: „Hat Wießner Ihnen darüber berichtet, dass ‚Riese‘ 1.000 DM gespendet habe?“ Zweigert: „Ist mir neu gewesen, jetzt.“ V. d. Behrens: „Gab es zwischen Ihnen und Wießner eine Absprache, dass Sie Informationen, die das Trio betreffen, nicht erfahren?“ Zweigert: „Es gab keine Absprache.“

V. d. Behrens sagt, dass Zweigert heute angegeben habe, Degner habe die KS Jena gekannt, aber nicht mehr darüber gewusst: „Kommt die Aussage aus Ihrer Erinnerung oder aus einer Deckblattmeldung?“ Zweigert: „Das ist aus meiner Erinnerung.“ Dazu sei schriftlich nichts niedergelegt. V. d. Behrens fragt, ob Zweigert bekannt sei, ob Degner mit der Band „Vergeltung“ Kontakt gehabt, Konzerte organisiert habe. Zweigert: „Kann sein, kann ich nicht sagen, bei der Vielzahl der Bands.“ V. d. Behrens: „Ist Ihnen der Name der Band in Deckblattmeldungen untergekommen?“ Zweigert: „Ich glaube, ja.“ V. d. Behrens fragt, ob Zweigerts Bekundung, Degner habe aus Jena nur Wohlleben und Kapke gekannt, aus der Erinnerung oder einer Deckblattmeldung stamme. Zweigert: „Aus den Erinnerungen.“ V. d. Behrens: „Finden sich die beiden Namen in Deckblattmeldungen?“ Zweigert: „Nein, es gab keinen Bezug zu dem, was er berichtet hat, über Veranstaltungen, da gab es keinen Bezug, dass die hätten erwähnt werden müssen.“ [phon.] V. d. Behrens fragt, ob Degner das berichtet habe und Zweigert habe es nicht in Deckblattmeldungen aufgenommen. Zweigert: „Es ging um die Frage, ob er Erkenntnisse über die drei Personen habe und da sagte er, kennt er nicht, er kennt nur diese beiden Personen.“ V. d. Behrens: „Und das haben Sie nicht festgehalten?“ Zweigert: „Nein. Zumindest nicht in denen, die ich gelesen habe, ich vermute, das waren alle.“

V. d. Behrens: „Haben Sie später Degner nochmal zu Wohlleben und Kapke befragt?“ Zweigert: „Nein.“ V. d. Behrens: „Gibt es einen Grund, dass dazu keine Informationen angefordert worden sind?“ Wieder beanstandet Stahl: „Mag auf der Grenze liegen, aber es ist wieder die Frage nach der Schuld des LfV.“ V. d. Behrens: „Es ist auffällig, dass der Zeuge nicht bekundet, wozu Degner bekundet hat, aber genau weiß, was nicht interessiert hat.“ Es erschließe sich ihr nicht, so v. d. Behrens, warum nicht nach Wohlleben und Kapke, Führungspersonen in Jena, gefragt worden sei. Zweigert sagt, zunächst mal habe Degner nach Jena hin eigentlich keinerlei Bezüge gehabt: „Die Personen, die ich benannt habe, hat er namentlich genannt. Ob sich das auf Konzerte beschränkt hat, kann ich nicht nachvollziehen, und das ist alles. Er hatte keinerlei Kontakt dahin gehabt, für mich gab es keinen Grund danach zu fragen, und auch die Auswertung hatte offensichtlich keinen Grund bei uns zu fragen: Die Quelle soll sich da mal schlau machen in diese Richtung.“

V. d. Behrens: „Ist Ihnen bekannt, ob es am 25.04.1998 anlässlich des einjährigen Bestehens von Blood & Honour Thüringen ein Treffen von 100 Personen gab, und wenn ja, ob Personen aus Jena anwesend waren?“ Wieder beanstandet Stahl. Götzl sagt in Richtung von v. d. Behrens, er wolle den Beweisantrag in Erinnerung rufen, man sei großzügig gewesen, aber v. d. Behrens frage jetzt andere Themen ab: „Ich will nicht den Eindruck gewinnen, dass Beweisanträge gestellt werden zu Themen und dann zu den Themen keine Frage gestellt werden.“ V. d. Behrens: „Der Eindruck wäre auch falsch, es geht weiterhin darum, was wusste der Zeuge über Jena, ein wesentlicher Kernpunkt des Beweisantrages.“ Götzl sagt, v. d. Behrens gehe aber jetzt darüber hinaus. V. d. Behrens erwidert, sie habe gefragt, ob bei dem Treffen, wenn es das gab, Personen aus Jena teilgenommen hätten. Götzl wird laut: „Es geht doch nicht um die gesamte Bevölkerung von Jena! Um welche Personen geht es denn? Fragen Sie dann doch nach den Personen!“ V. d. Behrens: „Dann zähle ich die Personen auf: Wohlleben, Kapke, Gerlach.“ Stahl sagt, er beanstande das nach wie vor. Götzl sagt in Richtung von v. d. Behrens, im Antrag sei der Bezug hergestellt, so sei er jetzt nicht erkennbar.

RA Kaiser sagt, dass der Zeuge mehrfach erklärt habe, dass die Namen Wohlleben und Kapke aus aus seiner Erinnerung stammen würden, nicht aus einer Deckblattmeldung, und er habe mehrfach erklärt, dass ihn Jena nicht interessiert habe: „Ich frage mich, wie oft die Fragestellerin noch hören will, dass er dazu keine Meldungen bekam. Jede weitere Frage in Richtung Jena müsste sich erledigt haben.“ V. d. Behrens sagt, sie frage nach, weil sie das nicht für glaubhaft halte. Götzl sagt, es dürfe sich nicht um Wiederholungsfragen handeln. V. d. Behrens sagt, dass die Aussage im Übrigen nicht mit der des Zeugen Wießner übereinstimme, der gesagt habe, dass er nicht für Jena und das Trio zuständig gewesen sei. Stahl sagt, es sei doch nicht hilfreich, „immer und immer wieder“ danach zu fragen, ob es nicht doch etwas in Jena gegeben habe: “ Wir wollen doch mal voran kommen.“ Götzl fragt in Richtung von v. d. Behrens: „Wenn Sie Degner anzweifeln, was wollen Sie dann von Zweigert?“ V. d. Behrens entgegnet, sie habe nicht gesagt, dass sie die Informationen von Degner anzweifele, sondern die Informationen, die Zweigert wiedergibt, was Degner berichtet habe.“ Götzl: „Also nicht Zweigert anzweifeln?“ Aus den Reihen der NK-Vertreter_innen hört man ein mehrstimmiges: „Doch!“ Götzl: „Aber Wiederholungsfragen trotzdem nicht.“

V. d. Behrens fragt Zweigert: „Hat Degner berichtet, dass er am 10.10.1998 auf einem Treffen der Blood & Honour Sektion Sachsen in Wilsdruff gewesen ist?“ Zweigert: „Wann das jetzt konkret war, weiß ich natürlich nicht mehr, Sie haben es vor sich. Ich weiß nur, dass er mal in Wilsdruff gewesen ist. Er war mal in Wilsdruff auf einer Veranstaltung von Blood & Honour, aber ob das an dem Datum war, weiß ich jetzt nicht mehr und wer teilgenommen hat, kann ich auch nicht mehr rekonstruieren.“ V. d. Behrens fragt, ob das in den Deckblattmeldungen gewesen sei. Zweigert: „Ja.“ V. d. Behrens fragt, ob sie richtig verstanden habe, dass Zweigert heute angegeben habe, dass C18 mal Thema gewesen sei. Zweigert: „Ich habe das mal gehört.“ RA Stahl sagt, Zweigert habe gesagt: „Möglicherweise ja.“ V. d. Behrens: „Haben Sie in den Deckblattmeldungen etwas zu Combat 18 gelesen?“ Zweigert: „Nein.“ V. d. Behrens: „Auf welche Tatsachen stützen Sie das ‚möglicherweise‘?“ Zweigert: „Weil ich den Begriff kenne, aber den Zusammenhang kann ich nicht herstellen jetzt.“

V. d. Behrens fragt, ob Degner Kontakte nach NRW gehabt habe, insbesondere zu „Oidoxie“ [Rechtsrockband], Sebastian Seemann, Marko Gottschalk. Stahl beanstandet erneut. V. d. Behrens sagt, es handele sich um eine Einleitungsfrage und es würden konkrete Fragen folgen, wenn es bejaht werde. Es sei nicht sachdienlich direkt zu fragen. RA Klemke sagt, das ändere nichts daran, dass die Frage keinen Zusammenhang zum Verfahren habe. Götzl sagt, der Hinweis auf eine Einleitungsfrage helfe auch nicht weiter, die Frage habe auch keinen Einleitungscharakter: „Fragen Sie es einfach!“ RA Scharmer sagt, es werde hier Bezug genommen auf die Anträge vom November 2014 zu „Oidoxie“ etc. Das alles abzufragen mache aus Beschleunigungsgründen keinen Sinn. Stahl sagt, er und seine Kollegen seien der Meinung, dass man darüber streiten könne, ob man die B&H-Szene in diesem Verfahren hier überhaupt so beleuchten müsse, aber hier sei nicht erkennbar, wo der Zusammenhang zum Verfahren sei. Götzl sagt, v. d. Behrens solle in oder zwei Sätzen die Unmittelbarkeit oder Mittelbarkeit darlegen. V. d. Behrens sagt, sie stelle die Frage einfach um und fragt Zweigert, ob Degner ihm über Kontakte der Band „Oidoxie“, von Seemann, Gottschalk zu Jan Werner, Thomas Starke, Wohlleben, André Kapke, Brandt, Holger Gerlach berichtet habe. Zweigert: „Nein.“

V. d. Behrens: „Hat Ihnen der V-Mann Degner berichtet, ob Seemann und Gottschalk über Combat 18-Zellen in Dortmund diskutiert haben, und dass diese zu Blood & Honour Sachsen Kontakt haben?“ Wieder beanstandet Stahl und sagt, C 18 sei nicht angeklagt, auch keine Mitglieder. Und auch wenn Dortmund ins Spiel komme, sehe er den Zusammenhang nicht. V. d. Behrens erwidert, dass es Hinweise auf eine C18-Zelle in Dortmund gebe um das Jahr 2006, dem Jahr, in dem Mehmet Kubaşık ermordet wurde, und wenn es Kontakte gegeben haben sollte, spreche dies dafür, dass sie ggf. ins Netzwerk des NSU eingebunden gewesen sei. Kaiser: „Der Zeuge hat klar gemacht, welche Aufgaben er Degner gestellt hat, was er berichten sollte, dazu gehörten die Treffen von Blood & Honour, die Konzerte, die Besucher, das waren im Wesentlichen die Meldungen.“ Hier würden jetzt Dinge gefragt, so Kaiser, die Degner gar nicht zur Aufgabe gemacht worden seien und über die deswegen auch keine Informationen an den Zeugen gelangt seien.

Stahl: „Die Bundesanwaltschaft hat bereits früh erwähnt, was es mit der Erwähnung von Blood & Honour in der Anklageschrift auf sich hat. Es kann nicht angehen, dass Teile der Nebenklage die Hauptverhandlung nutzen, um Ermittlungen nach einem Netzwerk durchzuführen. Das steht nicht in der Anklage und das gibt es auch nicht.“ Schneiders sagt, sie könne sich Stahl nur anschließen, der Zeuge habe gesagt, er wisse nichts zu C18 und v. d. Behrens sattele jetzt noch oben drauf. Klemke: „Wenn ich zur Begründung der Frage irgendwelche Netzwerke herbeifantasiere von Dortmund nach Sachsen. Wenn es nicht links wäre, würde ich sagen: Eine krude Verschwörungsfantasie.“ [phon.] V. d. Behrens sagt, da die Frage bereits beantwortet sei, nehme sie sie zurück.

RA Narin: „Waren terroristische Strukturen in der rechten Szene Thema mit Degner?“ Zweigert: „Nein.“ Narin fragt, ob Gewalt in der Szene Thema gewesen sei. Zweigert spricht von „Auswüchsen in der Skinheadszene“ und sagt: „Mit Alkoholgenuss hing das zusammen, aber das waren irgendwelche anderen Geschichten, da hat er sich nicht dran beteiligt.“ Narin sagt, Stephan Lange (201. Verhandlungstag) habe berichtet, dass es in Franken eine terroraffine C18-Struktur um Peruch gegeben habe: „War das mal Thema?“ Zweigert: „Nein.“ Narin fragt, ob Christian Wi. oder Stefan Bö. Thema gewesen seien. Wiederum beanstandet Stahl. Narin sagt, er halte die Frage aufrecht; der B&H-Chef von Deutschland [Stephan Lange, 201. Verhandlungstag] habe hier in der Hauptverhandlung bekundet, dass sich im fränkischen Raum, wo drei Personen durch den NSU ermordet worden sind, eine C18-Struktur entwickelt habe, und C18 sei die Handschrift, nach der die Personen ermordet wurden. Degner dürfe, so Narin weiter, darüber berichtet haben, falls er quellenehrlich gewesen sei. Klemke sagt, es gebe keinen Sachzusammenhang: „Woher weiß der Kollege, dass es die Handschrift von Combat 18 ist.“ Es sei, so Klemke nicht bekannt, dass es in England Tötungen mit Schalldämpferwaffen gegeben habe; es werde versucht, überregionale Netzwerke herbeizureden. Narin: „Es gab in England Nagelbombenanschläge, die dem Anschlag in der Keupstraße entsprachen.“

Narin nennt u.a. das „Field Manual“, die „Turner-Tagebücher“, „Hunter“, das Annähern mit Rädern: „Das ist die Handschrift von Combat 18. Sie haben ja selbst, Herr Kollege, Blood & Honour thematisiert in Ihrem Beweisantrag, Sie habe selbst so argumentiert.“ Klemke sagt, die „Turner-Tagebücher“ habe ein Amerikaner geschrieben. Narin: „Aber Combat 18 hat sich drauf bezogen.“ RAin Schneiders sagt, Narins Vorhalt sei nicht korrekt, Lange habe bekundet, dass ihm konkret zu C18 nichts bekannt sei. Narin sagt, er habe vorgehalten, dass Lange von „C18-affinen“ Strukturen in Franken gesprochen habe. Mandy Struck, so Narin, habe bekundet, dass Wi. sich auf C18 bezogen habe, habe von einer Bombenbauanleitung berichtet. Das höre die BAW wohl nicht gern, weil sich wahrscheinlich viele V-Leute in den B&H-Strukturen befunden hätten. Stahl sagt, wenn man sämtliche Fragen zu C18-affinen Personen zulasse, eröffne man einen „Fragereigen“ und eine „riesige Beweisaufnahme“. Bisher habe man es halbwegs eng gesehen mit B&H, hier werde jetzt nach internationalen Netzwerken gefragt: „Das kann eigentlich nicht sein.“

Narin erwidert, es gehe auch um die Vorbereitung von Beweisanträgen und weiterer Fragen. Stahl sagt, der Gegenstand der Untersuchung richte sich nicht auf Dinge außerhalb des Vorwurfs. Bundesanwalt Diemer sagt, er müsse den Argumenten der Verteidigung beipflichten, man habe hier fünf Angeklagte, es gehe um Beihilfe, Mittäterschaft oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, Narin stelle „fiktive Fragen“ zu Franken, die Frage sei zurückzuweisen. Narin entgegnet, dass die Personen in Franken nicht fiktiv seien. Diemer: „Sie wissen genauso gut wie ich, dass wir hier kein Ermittlungsverfahren führen können.“ Es gehe ausschließlich um Tat und Schuld der Angeklagten, Narin solle sich mal besinnen, dass er als RA ein „Organ der Rechtspflege“ sei. Narin: „Das verbitte ich mir, Sie sind vom Legalitätsprinzip gehalten, rechtsterroristische Aktivitäten zu ermitteln.“ Narin sagt, es gehe um potenzielle weitere Zeugen zur Aufklärung. RA Kaiser sagt, er schließe sich der Beanstandung an und prognostiziere, dass der Zeuge „Nein“ antworten wird. Es folgt eine Pause bis 14:56 Uhr.

Danach verkündet Götzl den Beschluss, dass die Frage wegen fehlender Relevanz zurückgewiesen ist. Narin: „Noch eine Frage: Sie bekundeten, dass Marcel Degner Kassenwart bei Blood & Honour Deutschland gewesen sei. Hat er berichtet, wer in der maßgeblichen Zeit Kassenwart von Blood & Honour Sachsen gewesen sei?“ Zweigert: „Nein, das weiß ich nicht.“ Götzl sagt den obligatorischen Satz vor der Entlassung des Zeugen: „Dann bleibt der Zeuge unvereidigt.“ Dann widerspricht jedoch RA Bliwier der Entlassung des Zeugen und beantragt die Beiziehung der Unterlagen, die der Zeuge zur Vorbereitung herangezogen hat. Die von Zweigert genannten etwa 100 Deckblattmitteilungen würden nicht vorliegen. Der Zeuge habe Aufgabe und Recht, sich auf die Aussage vorzubereiten, zur Überprüfung müssten aber die Verfahrensbeteiligten die Unterlagen einsehen können. Zweigert habe heute eine bessere Erinnerung gehabt, weil er die Unterlagen habe einsehen können. Die Meldungen seien auch wegen der Überprüfung der Glaubwürdigkeit des Zeugen Degner beizuziehen. Eine Entlassung des Zeugen Zweigert komme nicht in Betracht, bis die Unterlagen vorliegen. Diemer nimmt Stellung und sagt, die BAW sehe die Gründe, die gegen eine Entlassung sprechen würden, nicht. Die Beiziehung der Deckblattmeldungen sei nicht angezeigt, es handele sich um einen Beweisermittlungsantrag, es seien keine Tatsachen vorgetragen worden, die beweisen werden sollten.

RA Hoffmann schließt sich dem Antrag an: „Der Zeuge hat bei Fragen nach Angaben der Quelle ‚Hagel‘ zu Personen in Jena auf ein Konzert in Heilsberg verwiesen, konnte aber die Daten nicht nennen. In dem Zusammenhang habe es bei dem Konzert Kontakt zu Wohlleben und Kapke gegeben. Auf Frage, wer das mitorganisiert habe, sagte der Zeuge, in der Meldung habe es gestanden, aber er erinnere sich nicht.“ Diese Informationen bekomme man nur aus den Meldungen, daher sei die Beiziehung notwendig. Bliwier sagt zur Stellungnahme Diemers, es handele sich nicht um einen Beweisermittlungsantrag: „Wenn hier ein Zeuge sagt, er habe sich auf die Vernehmung vorbereitet anhand von Meldungen, die er gelesen habe, muss es den Verfahrensbeteiligten ermöglicht werden, diese Unterlagen auch sehen zu können.“ Es gehe um die Frage, ob die zahlreichen Bezugnahmen auf die Unterlagen so richtig seien, ob die Antworten sich so wiederfinden lassen in den Unterlagen: „Wenn er einen Ordner dabei gehabt hätte, hätte man diesen herausgeben lassen.“ RA Behnke schließt sich dem Antrag an. Götzl: „Für heute jedenfalls sind wir am Ende, Herr Zweigert, mit Ihrer Einvernahme.“ Zweigert verlässt den Saal. RA Kaiser: „Vorbereitung spielt nur dann eine Rolle, wenn die Unterlagen von Relevanz fürs Verfahren sind und genau daran scheint es zu fehlen.“

Dann sagt Götzl, es gehe ihm noch um den Antrag zum Thema Schomerusstraße, das würden noch Stellungnahmen ausstehen von RAin Lunnebach und RA Lindemann, ob sich der Antrag auf Vernehmung des Sachbearbeiters der „Jena Wohnen GmbH“ erledigt habe. Lunnebach erklärt das. Lindemann sagt, dass RAin Singer mitgeteilt habe, dass sie sich dem Antrag nie angeschlossen habe. Götzl: „Also ist der Antrag von Ihnen nicht gestellt?“ Lindemann bejaht das und sagt dann, Götzl habe ihm das letzte Mal Unzuverlässigkeit vorgeworfen, und er wolle der Öffentlichkeit darstellen, dass es keine Verfehlung von ihm gewesen sei, dass er von dem Antrag nichts gewusst habe. RAin Lunnebach fragt, ob der für morgen geladene Zeuge Tom T. vorgeführt werden [T. war der Ladung mehrfach nicht gefolgt]. Götzl: „Er hat sich entschuldigt das letzte Mal. Wir gehen davon aus, dass er kommt.“ Der Verhandlungstag endet um 15:09 Uhr.

Der Blog „nsu-nebenklage“ kommentiert:

Sein V-Mann-Führer bestätigte heute nicht nur, dass es sich bei ‚Hagel‘ um Marcel Degner handelte, sondern erklärte sogar, dieser habe als sehr quellenehrlich gegolten und bei jedem der wöchentlichen Treffen über drei Jahre hinweg mehrere hundert DM an Prämien erhalten. […] Zweigert gab nunmehr sogar an, er habe etwa 100 Deckblattmeldungen beim ThLfV eingesehen, daneben gäbe es noch etwa 12-14 von Wießner und 10 von einem weitere Kollegen Neisen gefertigte Meldungen zu Treffen mit Degner. Diese wundersame Vermehrung von 69 auf über 100 Meldungen des V-Mannes bedarf dringend einer Klärung. Auch ansonsten war Zweigerts Aussage aufschlussreich: er gab an, für alle Fragen nach den drei untergetauchten und allgemein zu Jena sei ausschließlich Wießner zuständig gewesen. Die drei Untergetauchten seien damals als Mitläufer eingeschätzt worden, es habe kein besonderes Interesse an ihnen bestanden. Gleichzeitig gab er allerdings auch an, der Zielfahnder des LKA, Wunderlich, sei häufig bei Wießner gewesen, es sei wohl um Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt gegangen. Wenn die drei als unbedeutende Mitläufer eingeschätzt wurden, warum waren dann eine umständliche Kompetenzenaufteilung unter V-Mann-Führern und häufige Treffen zwischen dem Landesamt und einem Zielfahnder notwendig?“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2015/09/15/15-09-2015/

Der Beitrag Protokoll 227. Verhandlungstag – 15. September 2015 erschien zuerst auf NSU Watch.

Protokoll 233. Verhandlungstag – 30. September 2015

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Der 233. Verhandlungstag beschäftigt sich erneut mit einer Taxifahrt, deren Fahrgast Beate Zschäpe gewesen sein soll. Genauer geht es um die Befragung des Taxifahrers zu dieser Fahrt durch Beamt_innen des BKA. Vor allem geht es um die Frage, wie die Lichtbildvorlagen, auf denen der Taxifahrer Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt erkannt haben will, in die Befragung eingebracht wurden. In den Aussagen, wie diese abgelaufen sei, widersprechen sich der Taxifahrer He., der bereits als Zeuge gehört worden war, (225.Verhandlungstag) und die Beamt_innen des BKA. Nachdem erneut Fotos der Tätowierungen des Angeklagten André Emingers in Augenschein genommen werden, lehnt der Senat zahlreiche Anträge der Verteidigung und Nebenklage ab. (http://www.nsu-watch.info/2015/10/gericht-lehnt-zahlreiche-beweisantraege-ab/).

 

Zeug_innen:

  • Britta Ko. (BKA-Beamtin, Befragung des Taxifahrers Patrick He.)
  • Ivar Kä. (BKA-Beamte, Befragung des Taxifahrers Patrick He.)
  • Paul Le. (Kriminaloberkommissar beim BKA)

Der Verhandlungstag beginnt um 09:49 Uhr. Götzl ruft die Zeugin Britta Ko. auf. Nach Begrüßung und Belehrung erklärt er, es ginge um die Angaben des Taxifahrers Patrick He. und den Ermittlungen im Zusammenhang mit der Befragung des Taxifahrers (225. Verhandlungstag). Britta Ko. berichtet, das sei Anfang Dezember gewesen. Sie hätten den Auftrag bekommen, sich die Taxizentrale näher anzusehen. Weil sie in den Asservaten eine Telefonnummer gefunden hätten, die von Frau Zschäpe genutzt worden sein soll und mit der sie mehrfach telefoniert gehabt haben soll. Die Auswertung der Aufträge in der Taxizentrale habe Fahrten von der Frühlingsstraße und Polenzstraße aus ergeben. Am 16.06.2011 morgens um 05:30 Uhr sei eine Fahrt von der Frühlingsstraße aus beauftragt worden, durch Herr He. als Fahrer.

He. habe ausgesagt, die Fahrt sei mit einer Frau zum Bahnhof gewesen. Die Frau habe er auf der Wahllichtbildvorlage identifiziert. Auf einer anderen Vorlage habe er Herrn Böhnhardt erkannt und angegeben, dass er diesen drei, vier Wochen vor der Fahrt im Juni schon mal gefahren hätte. Das sei der Inhalt der Befragung gewesen. Götzl fragt weiter, ob der Auftrag für die Taxifahrt nachts erteilt worden sei. Ko. bejaht und sagt, es sei gegen «2 Uhr nochwas» gewesen. Der Vorsitzende Richter fragt, wer bei der Befragung und der Vorlage der Wahllichtbildvorlage anwesend gewesen sei und wie oft die Befragung durchgeführt worden sei. Frau Ko. gibt an, dass Herr Kä. und sie selbst dabei gewesen seien und dass sie Herrn He. einmal befragt hätten.

Auf die Frage, welche Personen neben dem genannten Böhnhardt bei den Wahllichtbildvorlagen vom Taxifahrer He. erkannt worden seien, gibt Ko. an, außer diesem und Frau Zschäpe seien keine weiteren Personen erkannt worden. Der Vorsitzende Richter fragt, ob von Frau Ko. oder Herr Kä. angesprochen worden sei, ob Herr He. die Personen auch vor dem Vorfall schonmal in den Medien oder durch Fahndungsfotos gesehen habe. Die Zeugin antwortet, Herr He. habe die Personen vom Fahnungsplakat des BKA gekannt und habe aber nur die zwei erkannt, andere angesprochene Personen habe er nicht erinnern können.

Götzl fragt, ob Ermittlungen zu dieser Fahrt des Herrn Bönhardt oder im Hinblick auf die Unterlagen der Taxizentrale durchgeführt worden seien, was Frau Ko. verneint. Götzl hält der Zeugin Ko. vor: Zum 16.6. gab He. an, dass die Fahrt von der Frühlingsstraße zum Bahnhof gegangen sei. Und zu den weiteren Zielen stehe im Vermerk: Er habe Böhnhardt vom Bahnhof Zwickau aus zum Viadukt gefahren und dort in etwa auf Höhe alter Bahnhof abgesetzt. Zeugin Ko. bejaht beides. Götzl fragt die Bundeskriminalbeamtin, ob der Taxifahrer He. zur Fahrt mit Böhnhardt Angaben zu dessen Kleidung oder zum Gepäck gemacht habe. Ko. antwortet, nachdem sie sich den Vermerk nochmal durchgelesen habe glaube sie, er habe ausgesagt, dass Böhnhardt eine schwarze Tasche dabei gehabt haben soll und dass er sehr freundlich gewesen sei. Auf die Frage, ob sie unabhängig vom Durchlesen des Vermerks noch Erinnerungen an die Aussage He. habe, verneint die Zeugin. Götzl geht weiter auf die Entstehung des Vermerks ein. Ko. sagt, sie habe zunächst handschriftlich Notizen gemacht und durch die Weihnachtsfeiertage sei es dann etwas später geworden bis sie den Vermerk erstellt und unterschrieben habe. Götzl fragt nach, ob das der 05.01. sei, an dem sie den Vermerk fertiggestellt habe, was Ko. bestätigt.

Im Anschluss fragt Götzl, ob der Taxifahrer Herr He. Angaben zur Kleidung und zum Aussehen von Frau Zschäpe gemacht habe. Frau Ko. antwortet, sie könne sich nicht mehr erinnern. Sie glaube, Frau Zschäpe sei neben dem Taxifahrer auf dem Beifahrersitz gesessen und habe während der Fahrt telefoniert. Ob sie eine Brille getragen habe, daran könne sie nicht mehr erinnern. Götzl hält ihr aus dem Vermerkt vor. Vorhalt: Sie hätte einen schwarzen Kapuzenpulli und eine Brille getragen. Frau Ko. sagt, das habe Herr He. so ausgesagt. Sie ergänzt auf Nachfrage nach Verhalten und Befindlichkeit des Fahrgasts, Herr He. habe gesagt, dass sie relativ unfreundlich gewesen sei. Zur Sitzposition im Taxi hält Götzl erneut aus dem Vermerkt vor: Da die Frau alleine gefahren sei, … da Personen, die alleine fahren, immer auf dem Beifahrersitz sitzen würden. Frau Ko. bestätigt, das habe He. so gesagt. Götzl fragt, ob zu irgendeinem Zeitpunkt von He. die Rede gewesen sei, dass mit dem weiblichen Fahrgast weitere Personen zugegen gewesen wären, zugestiegen wären oder sowas in die Richtung. Ko. verneint.

Götzl bittet die Zeugin Ko. nach vorne für die Inaugenscheinnahme der Unterlagen, die sie ausgewertet habe. Im Gerichtssaal werden die Ausdrucke der Unterlagen von der Taxizentrale in Augenschein genommen. Der Vorsitzende Richter fragt, welche Informationen Ko. aus dieser Aufstellung entnommen habe. Ko. sagt aus, es ginge um den letzten Absatz des Ausdrucks. Die Vorbestellung für 05:30 Uhr am 16.06. sei unter dem Namen Dienelt in Auftrag gegeben worden, von der Frühlingsstraße 26 als eine 4D-Fahrt, das hieße Bereitschaftsdienst. Hinter der Nummer verberge sich das Taxiunternehmen Sa. und die Worte «nicht klingeln» hießen, dass der Fahrgast rauskomme. Götzl fragt nach, woher die Zeugin Ko. entnehme, dass das Taxiunternehmen Sa. zuständig gewesen sei und Ko. erklärt, das ergebe sich aus der angegeben Nummer.

Von Seiten der Verteidigung fragt RA Stahl, ob die Reihenfolge der Befragung im Vermerk dem realen Ablauf der Befragung entspreche. Ko. gibt an, sie hätten mit der Wahllichtbildvorlage begonnen und dann die restliche Befragung gemacht. Sie hätten zuerst die Personalien überprüft, dann Wahllichtbildvorlage und dann habe Herrn He. die Angaben in der Reihenfolge wie im Vermerk gemacht. Stahl fragt, wann Ko. den Zeugen He. zum ersten mal gefragt habe, ob er sich noch an den Fahrgast erinnere oder überhaupt an die Fahrt. Ko. gibt an, das könne sie nicht mehr sagen, das sei zu lang her. Stahl führt aus, laut dem Vermerk hätte Ko. dem Taxifahrer zunächst einmal eine Wahllichtbildvorlage gezeigt in der Zschäpe zu sehen sei und habe dann nach dem Fahrgast gefragt. Ko. sagt, sie könne sich nicht mehr erinnern. Stahl fragt erneut, ob sie nicht mehr wisse, ob sie He. vor Zeigen der Wahllichtbildvorlage gefragt habe, ob er Fahrgäste beschreiben könne. Ko. sagt, sie wisse das nicht mehr.

Stahl hält der Zeugin vor, der Taxifahrer He. habe in der Hauptverhandlung am 02.09.2015 gesagt, er habe an dem Tag eine Frau zum Bahnhof gefahren und am selben Tag jemand abgeholt und sei dann zurückgefahren und so hätte er das auch der Polizei gesagt. Ko. sagt dazu, ihnen gegenüber habe He. diese Aussage nicht getroffen. Stahl fragt, ob sie das vermute oder nicht mehr wisse. Ko. verneint, He. habe das ihnen gegenüber nicht ausgesagt, sonst hätte sie es aufgeschrieben. Sie habe genau die Informationen, die er gesagt habe, in den Vermerk aufgeschrieben.

Stahl fragt, ob sie He. mit dem Namen Susann Dienelt konfrontiert habe. Ko. antwortet: „Nein, nicht dass ich mich daran erinnern könnte.“ Auf die Frage, wie es dazu kam, dass sich He. an die konkrete Fahrt erinnern konnte, gibt Ko. an, sie hätten ihn dazu befragt, dass er nach Aufzeichnungen des Unternehmen Sa. die Fahrt von der Frühlingsstraße übernommen habe und ob er sich daran erinnern könne. Die Uhrzeit hätten sie ihm nicht gesagt. „Er war erst der Meinung, dass die Fahrt am Nachmittag war und erst auf Vorhalt sagte er, es könnte auch um 05:30 Uhr gewesen sein.“ Stahl hält ihr vor, dass He. nach der Reihenfolge im Vermerk von der Fahrt gesprochen habe und ihm dann die Wahllichtbildvorlage gezeigt worden sei. Stahl fragt nochmals nach dem Vorgehen. Ko. sagt, sie könne sich nicht mehr genau erinnern. Sie habe Vermerk nach ihren handschriftlichen Auszeichnungen angefertigt.

Stahl fragt, ob sie zu Beginn der Vernehmung eine Arbeitshypothese dazu, wer sich hinter dem Namen Dienelt verbergen könnte, gehabt habe. Ko. gibt an, es seien bei ihnen vorher Informationen geflossen, dass sich hinter dem Namen Dienelt mutmaßlich Zschäpe verbergen würde. Das hätten sie aber nicht dem Taxifahrer He. vorgehalten. Stahl sagt: „Das hab ich auch nicht gefragt. Aber warum haben Sie dann kein Wortprotokoll geführt beziehungsweise derart insuffizient die Vernehmung dokumentiert?“ Ko. sagt, es seien nur Befragungen durchgeführt worden, keine Vernehmungen. Stahl: „Sie haben doch den Beruf einer Polizeibeamtin gelernt, wie viele Taxifahrer haben Sie denn nach Dienelt befragt?“ – „Das weiß ich nicht“. Stahl: „Ich schon: keine. Deswegen: Haben Sie eine Erklärung dafür, den Zeugen nicht mit einem Wortprotokoll zu befragen?“ Ko. sagt, das sei von der Verfahrensführung nicht in Auftrag gegeben worden.

Als Götzl den nächsten Zeugen Kä. aufrufen möchte, bittet RA Stahl darum, eine kurze Erklärung abgeben zu dürfen. „Hohes Gericht, nicht zum ersten Mal begegnet uns in der Beweisaufnahme ein, ich habe ‚eher insuffizient‘ gesagt, ich meine aber dilettantisches Vorgehen, das hier gerade unter Beweis gestellt worden ist.“ Stahl sagt weiter, es sei sträflich vernachlässigt worden, eine ordnungsgemäße Dokumentation vorzunehmen, dass man nur fragen könne, warum das unterblieben sei. Sie hätten in der Hauptverhandlung eine Schilderung von Herrn He. gehört, bei der er etwas anderes gesagt habe, als das was er bei Frau Ko. gesagt haben soll. „Noch schlimmer ist, dass man mit der Arbeitshypothese, es handele sich um Susann Dienelt alias Zschäpe herangeht, sich den Fahrgast nicht beschreiben lässt, sondern mit einer Wahllichtbildvorlage beginnt, in der auch Zschäpe vorkommt und man dann noch über die gesuchten Personen spricht. Ein derart dilettantisches Vorgehen führt dann dazu, dass wir Ergebnisse bekommen, die sehr stark von einer Arbeitshypothese geleitet sind, das heißt nicht dass sie falsch sind, aber dass man sehr sehr vorsichtig sein muss.“

Götzl bittet, den Zeugen Ivar Kä. aufzurufen und erklärt, es ginge um die Durchführung und den Ablauf der Wahllichtbildvorlage mit Patrick He. Ivar Kä. berichtet, er sei für drei Monate in Zwickau gewesen und im Dezember hätten sie den Auftrag gehabt, die Taxifahrten zu ermitteln. Sie hätten im Dezember verschiedene Taxifahrer befragt und Wahllichtvorlagen durchgeführt. Die Wahllichtbildvorlagen, die sie gezeigt hätten, hätten sie von ihrer Fachdienststelle erhalten. He. habe Zschäpe und Böhnhardt darauf erkannt. Auf die Frage nach sonstigen Personen, sagt Kä., sie hätten ihm alle Personen gezeigt, die bis dahin im Verfahren relevant gewesen seien und das seien die einzigen gewesen, die er erkannt habe. Götzl fragt, ob Kä. bei der Befragung anwesend gewesen sei. Kä. bejaht, mit der Kollegin Ko. zusammen. Nach dem Ablauf der Befragung gefragt, führt Kä. aus, da sie mehrere Taxifahrer befragt hätten und viele Vernehmungen und Befragungen durchgeführt hätten, könne er sich nicht im Detail erinnern.

Normal sei es so, dass man erst die Befragung durchführe und dann die Wahllichtvorlage einführe. An den konkreten Fall könne er sich nicht mehr erinnern. Götzl fragt, ob es Thema gewesen sei, ob He. irgendwelche Personen schon mal gesehen habe. Kä. antwortet, sie hätten ihm den Grund genannt, warum sie ihn befragt hätten, dass er identifiziert wurde vom Taxiunternehmen, dass er die Fahrt gemacht habe und dann sei er zur Befragung gekommen. He. habe Zschäpe am 16.06. gefahren und nach seiner Aussage habe He. vorher schon mal Böhnhardt gefahren. He. seien die Personen wohl aus der Presse bekannt gewesen. Auf die Frage, welcher Grund ihm für die Vernehmung genannt worden sei, gibt Kä. an, das Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalt, ihr Ermittlungsauftrag. Auf die Nachfrage, wie der konkrete Auftrag gewesen sei, antwortet Kä. sie hätten He. telefonisch mitgeteilt, dass er laut Taxilisten die fragliche Fahrt am 16.06. durchgeführt habe. Götzl fragt, ob Kä. oder seine Kollegin dabei schon irgendwelche Personen genannt hätten. Kä. antwortet, das könne er nicht mehr nachvollziehen. Auf die Frage, ob von bestimmten Personen und Namen gesprochen worden sei, bevor die Wahllichtbildvorlage durchgeführt worden sei, gibt Kä. erneut an, er wisse das nicht mehr. Er könne nicht sagen, ob sie die Beschuldigten explizit genannt hätten, aber He. habe die Namen aus der Presse schon gekannt.

Auf die Frage, wen He. Bei der Lichtbildvorlage erkannt habe, gibt Kä. an, Zschäpe und Böhnhardt. Gefragt danach, ob er sich an Einzelheiten der Befragung erinnern könne, gibt Kä. an, dass der Taxifahrer He. sich wohl erinnern konnte, Zschäpe gefahren zu haben am 16.06. und vorher auch Böhnhardt. Götzl fragt, ob bezüglich der Fahrt am 16.06. von Seiten He. die Rede davon gewesen sei, dass weitere Personen mitgenommen wurden, was Kä. verneint. Soweit er wisse, habe He. lediglich Zschäpe zum Bahnhof gefahren und keine weiteren Aussagen dazu gemacht. OStA Weingarten fragt, ob Kä. bekannt sei, ob das BKA die Funktaxizentrale Zwickau im Vorfeld der Befragung um Mithilfe gebeten habe. Kä. antwortet, die Taxifahrer seien gebeten worden, sich zu melden, wenn sie einen der drei gefahren hätten. Weingarten fragt, ob Kä. ein Begleitschreiben der Taxizentrale kenne. Kä. gibt an, er habe mal eines gesehen, wisse aber nicht, ob dass dasjenige war. Auf die Frage, ob er wisse, ob Zschäpe in dem Schreiben namentlich abgefragt worden sei, gibt Kä. an, das könne er nicht sagen.

RA Stahl fragt, ob er richtig verstanden habe, dass die Befragung des Zeugen He. von Kä. zusammen mit der Kollegin Ko. durchgeführt worden sei. Kä bejaht. Stahl: „Was genau hatten Sie denn für einen Auftrag?“. Kä. erklärt: „Wir hatten ja mehrere Fahrten, die in Frage kamen von Taxifahrern, die Fahrten von der Frühlingsstraße oder Polenzstraße gemacht haben, und haben die Taxifahrer vorgeladen.“ Stahl fragt, ob He. telefonisch vorgeladen wurde. Darauf sagt Kä., er wisse es nicht, aber die Taxifahrer seien meist kurzfristig vorgeladen worden, mit Postlauf hätte das viel zu lange gedauert. Mit Hinweis darauf, dass der Name Dienelt in der Auswertung vorkomme fragt Stahl Kä. nach einer Arbeitshypothese. Kä. gibt an, die Personalie Dienelt sei schon bekannt gewesen und sie seien davon ausgegangen, dass ein Fahrauftrag Dienelt mit Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe in Verbindung stehe.

Stahl fragt: „Nicht mit Frau Zschäpe?“ Kä. führt aus, es habe Telefonate, Aufzeichnungen gegeben, in denen sich eine Frau mit Dienelt melde. Da läge es nahe, dass das Zschäpe gewesen sei. Stahl unterbricht ihn: „Ich will einfach nur wissen, wovon Sie ausgegangen sind, wer sich hinter dem Namen Dienelt verbirgt.“ – Kä.: „Frau Zschäpe“ – „Dann sagen Sie das doch auch, nicht Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe.“ Götzl sagt, das habe er am Anfang so nicht gesagt. RA Stahl erwidert: „Deswegen hab ich ja insistierend nachgefragt! Meine Frage an den Zeugen richtete sich danach, von welcher Arbeitshypothese der Zeuge und die Zeugin ausgegangen sind, als sie He. befragt haben. Und da sagte er zunächst, dass sie von Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe ausgegangen wären. Dann habe ich nachgehakt, dann erwähnte er, dass auf Tonbandaufnahmen eine Frauenstimme sei und auf Nachfrage sagte er aus, dass sie davon ausgingen, dass es Frau Zschäpe ist“. Kä. erklärt, sie hätten die Adresse mit den drei Personen Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe gehabt. Dazu hätten sie gefragt. He. habe von einer Frau gesprochen. Darauf hätten sie geschlossen, dass es Zschäpe gewesen sei.

RA Stahl fragt, wann Kä. die Aufnahmen gehört habe. Zeuge Kä. antwortet, die Ermittlungsführung habe die Aufnahmen gehört, nicht sie selbst. Daraufhin fragt Stahl, ob Kä. die Information gehabt hatte, ob es eine Männer- oder Frauenstimme gewesen sei. Kä. antwortet, zu dem konkreten Termin und dem konkreten Fahrauftrag noch nicht. Das seien Aufnahmen, die ihnen in Zwickau noch nicht vorgelegen hätten, sie hätten nur die Fahrtaufträge bekommen. Zum Ablauf der Befragung mit He. sagt Kä., sie stellten sich vor, sagten ihm den Grund, warum sie explizit ihn befragen würden. Stahl fragt nach dem konkreten Grund den Kä. gegenüber He. genannt habe. Kä. sagt, er könne das nicht mehr genau wiedergeben. Der Grund sei die Fahrt am 16.06. gewesen. Stahl fragt, ob He. sofort gewusst habe, um welche Fahrt es sich dabei gehandelt habe oder ob seine Erinnerung gedauert habe. Kä. schweigt und Stahl fragt weiter danach, was Kä. in der Befragung gemacht habe, ob er Fragen gestellt habe. Kä. erklärt, dass Ko. die Fragen gestellt habe, da sie den Vermerk geschrieben habe. Stahl fragt, ob Kä. noch eine Erinnerung daran habe, dass er keine Fragen gestellt habe. Kä. sagt, das könne er nicht ausschließen.

Stahl fragt Kä., ob er den Vermerk kenne, den Ko. gefertigt habe. Kä. antwortet, bei einem Vermerk von gemeinsamen Ermittlungen würden er und seine Kollegin diesen zumindest gegenlesen. Stahl fragt, ob Kä. an der Erstellung des Vermerks mitgewirkt habe, was Kä. verneint. „Wissen Sie noch, wann Sie den Vermerk gelesen haben?“ Kä. antwortet: „Er wurde am 05.01. fertiggestellt. Wann er gelesen wurde, kann ich nicht angeben. Stahl fragt den Zeugen, ob er sich Notizen gemacht habe zu den Inhalten der Befragung. Der Zeuge verneint. Stahl fragt erneut: „An dem Tag, an dem er befragt wurde?“ – „Man macht sich Notizen an dem Tag.“ – „Nicht ‚man‘, sondern Sie?“ – „Ja, man macht sich Notizen.“ – „Wo sind die denn?“ – „Die gibt’s nicht mehr.“- „Wie? Die haben Sie vernichtet?“ – „Da müssten Sie Frau Ko. nochmal fragen.“

Stahl fragt weiter: „Woran lag es, dass keine Vernehmungsniederschrift gefertigt wurde?“ Kä. antwortet, sie hätten den Auftrag bekommen, eine Befragung durchzuführen. Das sei im Nachgang besprochen worden, ob noch eine Vernehmung erforderlich sei, aber das sei nicht so empfunden worden. Stahl fragt, was der Unterschied sei, zwischen Befragung und Vernehmung. Kä. gibt an, bei einer Vernehmung unterschreibe der Zeuge am Ende ein Protokoll und bei einer Befragung würden sie im Nachhinein ein Protokoll erstellen.

RA Kaiser hält dem Zeugen vor, er habe auf die Frage nach dem Ermittlungsauftrag geantwortet, dieser sei vom Generalbundesanwalt gekommen. Kaiser fragt den Zeugen dazu: „Was haben sie verstanden, was Sie machen sollten?“ Kä. antwortet, das Verfahren und konkrete Aufträge seien von der Verfahrensführung in Meckenheim gekommen. Dort habe es geheißen, von der Telefonnummer Zschäpes sei die Taxizentrale angerufen worden. Sie hätten herausfinden sollen, welche Fahrten das gewesen seien. Kaiser fragt, ob der Auftrag auf bestimmte Personen beschränkt worden sei. Kä. gibt an, da müsste man gucken, ob auf der Wahllichtvorlage Personen aufgeführt seien, sonst könne er das nicht sagen.

Nachdem der Zeuge entlassen wird, gibt RA Stahl erneut eine Erklärung ab. Er wolle sich nicht wiederholen, was den Beweiswert bei der Befragung des Zeugen He. angeht. Es müsse nicht alles falsch sein, was bei der Befragung herausgekommen sei. Das Problem sei nur, dass im Verfahren die Ermittlungsbeamten nicht selten mit einer konkreten These in die Befragung reingehen würden, statt die Befragung offen zu gestalten und die Person beschreiben zu lassen. Es sei misslich, wenn seitens der Beamten direkt davon gesprochen werde, in welchem Verfahren sie ermittelten und klar gestellt werde: “Die Beschuldigten kenne ich aus der Presse”. Dann entstehe der Eindruck für der Verteidigung, als stünde das Ergebnis der Befragung schon fest, bevor die Beamten reingehen. Das sei nicht schön, sagt Stahl.

RAin Lunnebach von der Nebenklage sagt, nach dem Vermerk soll Zschäpe im Taxi gefahren sein und Herr He. habe vor Gericht etwas anderes ausgesagt. Mehr sei als Beweisergebnis in Zusammenhang mit den beiden Beamten nicht festzuhalten. RA Stahl sagt, er möchte darauf kurz erwidern. Götzl unterbricht ihn: „Aber das muss ich Ihnen schon erst gestatten. Bitteschön!“ Stahl fährt fort: „Was wir uns unter einem sorgfältigen Bericht vorzustellen haben, da gehen die Meinungen offensichtlich weit auseinander.“ Um 11:04 Uhr wird die Verhandlung bis 11:25 Uhr unterbrochen.

Um 11:21 Uhr wird der Zeuge Paul Le. aufgerufen. Götzl sagt, es gehe um zwei Fragestellungen: um eine Fahrt mit der Zeugin Sp. 2012 anlässlich ihrer Vernehmung und um Tätowierungen André Emingers. Paul Le. berichtet, Anja Sp. sei am 26.06.2012 durch ihn und Kommissar Ri. in Chemnitz zeugenschaftlich vernommen worden. Sie habe angegeben, sie sei 1997/1998 die Freundin des Angeklagten Emingers gewesen und sei im Sommer/Herbst 1998 mit Eminger zusammen einmal in eine Wohnung in der Nähe Südbahnhof Chemnitz gefahren. In dieser Wohnung, so habe Sp. ausgesagt, hätte sie die Angeklagte Zschäpe getroffen. Sie hätten gemeinsam Kaffee getrunken und geraucht, es sei über Belangloses gesprochen worden. Nach Sp.s Aussage, seien noch zwei bis drei Personen dort gewesen, diese habe sie aber nicht mehr in Erinnerung gehabt.

Sp. habe ausgesagt, es sei eventuell Mandy Struck dabei gewesen, habe es aber nicht mehr mit Bestimmtheit sagen können. Die Wohnungsadresse habe sie nicht genau benennen können, deswegen sei mit der Zeugin im Anschluss an die Vernehmung eine Fahrt gemacht worden in die Altchemnitzer Straße. Sp. habe dort die Hausnummer 12 zweifelsfrei als das Objekt identifiziert, wo sie seinerzeit Zschäpe getroffen hätte. Sie habe sogar sagen können, dass die Wohnung im zweiten oder dritten Obergeschoss gewesen sei und von der Straße aus auf der rechten Seite. Sp. habe sich so gut erinnern können, weil ein Freund von ihr später im gleichen Haus gewohnt hätte. Le. berichtet, dann sei zur Wolgograder Alle 76 gefahren worden, weil dort auch eine mutmaßlich durch Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe genutzte Wohnung gewesen sei. Aber Sp. habe weder den Block noch den Eingang identifizieren können. Götzl fragt Le., ob für die Altchemnitzer Straße die Angaben der Zeugin eine Rolle gespielt hätten. Le. antwortet, das wisse er nicht mehr, ob Sp. oder sie selbst die Altchemnitzer Straße benannt hätten. Es könnte auch sein, dass sie in die Altchemnitzerstraße gefahren seien. Er ergänzt, es sei aber definitiv so gewesen, dass sie während der Fahrt als Adresse auf die Hausnummer 12 gedeutet habe.

Götzl fragt nach Emingers Tätowierungen. Le. gibt an, er habe mit dem Datum 18.09. zwei Vermerke dazu geschrieben und fragt, auf welchen sich Götzl beziehen möchte. Der Vorsitzende Richter antwortet, ihnen läge ein Vermerkt vom 18.09.2012 vor. Er fragt den Zeugen, welche Tätowierungen er habe feststellen können und was ihm zur Verfügung stand. Le. sagt, er fange mit dem ersten Vermerk zur erkennungsdienstlichen Behandlung an. Am 30.11.2011 sei Eminger in der JVA durch das BKA erkennungsdienstlich behandelt worden. Weil sich der Angeklagte, damals noch Beschuldigter, geweigert habe, von einigen Tätowierungen Aufnahmen fertigen zu lassen, sei entschieden worden, dass die erkennungsdienstliche Behandlung erstmal nicht mit Zwang durchgeführt werde, sondern abgewartet werde. Später sei mit dem Generalbundesanwalt entschieden worden, dass Fotos zur Akte genommen werden.

Le. sagt weiter, um den Angeklagten Eminger nicht weiter zu belasten, seien später Fotos von elektronischen Datenträgern zur Akte genommen worden. Le. habe drei Ablichtungen ausgewählt: eine vom März 2010, die den Angeklagten frontal zeige mit SS-Totenkopf im Brustbereich und dem Schriftzug “Die Jew Die” auf dem Bauch, ein Bild vom August 2011 mit dem Angeklagten in einem Strandkorb mit einem seiner Söhne, wo der Bauchbereich zu sehen ist und ein Bild vom März 2010 mit seiner Frau Susann, auf dem die Tätowierung „Blut und Ehre“ am Arm zu sehen ist. Letztere habe er bei der erkennungsdienstlichen Behandlung auch gezeigt. Götzl fragt, ob es noch weitere Urlaubsbilder gebe. Le. ergänzt, das Foto sei über ein Jahr später aufgenommen, er habe aber keine neuen Tätowierungen feststellen können. Diese Bilder werden in Augenschein genommen.

RAin von der Behrens bittet, weitere Bilder in Augenschein zu nehmen. Im Saal werden die Fotos von Emingers Tätowierungen projiziert, die eine Lebensrune zeigen. V. d. Behrens fragt Le. nach Ermittlungen zur Bedeutung der Tätowierung mit der Lebensrune. Le. gibt an, es sei ein Auftrag des Generalbundesanwalt gewesen, in welchem die Runenschrift übersetzt werden sollte. Es handele sich um eine Lebensrune und darüber stehe der Name der Ehefrau Susann. Die Ehefrau habe ein gleichartiges Tattoo mit einer Lebensrune und dem Namen André im Nacken. Le. sagt, sie seien von einer partnerschaftlichen Tätowierung mit Bezug zum germanischen Glauben ausgegangen.

Zu einem weiteren Bild von einem Tattoo mit Runen erklärt Le., das sei mit Hilfe eines Wörterbuchs übersetzt worden. Das habe sich auf einer Festplatte befunden, die bei Eminger gefunden worden sei. Bei der Tätowierung auf dem Bild sei von oben nach unten das Wort Stolz auf dem Arm zu lesen. Zu dem Foto des Tattoos auf dem Bauch mit dem Schriftzug „Die Jew Die“ spricht Le. über die schwarzen Achterkugeln, die sich um ein Runenzeichen befinden. Das sei schwierig gewesen, sagt Le. Durch Recherchen im Internet habe er herausgefunden, dass die Buchstaben K und C sowie W und V jeweils den gleichen Laut hätten. So könne man von rechts unterhalb des Bauchnabels im Uhrzeigersinn lesen: “Du bist nichts, dein Volk ist alles“. Das sei ein programmatischer Leitspruch aus dem NS-Regime. RA v. d. Behrens fragt den Zeugen, ob er auch den Schriftzug “Weiße Bruderschaft Erzgebirge” festgestellt habe. Le. bejaht, am linken Oberarm. Am rechten Oberarm stehe „Blut und Ehre“.

Es folgt eine Erklärung mehrerer Nebenklagevertreter_innen zur Aussage von Dr. Pr. (231. Verhandlungstag), die RAin Basay verliest: Die methodische Zuverlässigkeit der aufwändigen DNA-Analysen habe die Verteidigung nicht angegriffen. Daher ergeben aus Sicht der Nebenklage folgende wesentliche Ergebnisse. Aus der Mischspur im Brandschutt in Zwickau, in der alle Merkmale der Angeklagten Zschäpe gefunden worden seien, zeige, sie habe Zugang zum Archiv zu Taten und Opfern gehabt, wenn sie auch nicht mitgearbeitet habe. Darauf wiesen zwei daktyloskopische Spuren hin. Auf dem Gewinde einer Plastikflasche im Wohnmobil hätten sich Spuren von Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe gefunden. Die DNA der Angeklagten an der Flasche sowie ein braunes Haar im Wohnmobil und zwei Paar Socken belegten, dass sich die Angeklagte nach der Anmietung dort aufgehalten habe müsse. RA Basay sagt, es werde angeregt, einen Zeugen aus Eisenach zu hören, der sich erinnern würde, in Stregda schon einmal eine weißes Wohnmobil mit drei jungen Leuten gesehen zu haben, von denen eine eine Frau mit langen Haaren gewesen sei. Die Spuren zeigten, dass Zschäpe sich nicht nur länger im Wohnmobil befunden habe, sondern vielleicht auch im Wohnmobil befunden habe, als die Tatort ausgekundschaftet worden seien.

Die Spuren zeigten den engen Kontakt zur Familie Eminger. Die Spuren von Susann Eminger an den Fersenschäften der Schuhe und Schnürsenkel sprächen dafür, dass Zschäpe von Susann Eminger Wechselkleidung bekommen habe, weil ihre eigene Kleidung benzingetränkt gewesen sei. Vernehmung des Sachverständigen hätte ergeben, dass an Zschäpes Socken Ottokraftstoff nachgewiesen worden sei. Da dieser an den Schuhen gefehlt habe, aber DNA von Susann Eminger gefunden worden sei, dränge sich auf, so RAin Basay, dass Zschäpe neue Kleidung und Schuhe bekommen habe. Die Rechnungen des Media Marktes zeigten, dass Eminger die Aliasnamen des Trios gekannt haben müsse. Bisher sei noch nicht eingeführt oder bewiesen worden, dass André und Maik Eminger eineiige Zwillinge seien. Auch wenn Spuren nur bewiesen, dass einer der beiden diese gegebenenfalls hinterlassen haben könnte, sei dieser Nachweis trotzdem von hohem Beweiswert.

An einem Spielhubschrauber aus dem Wohnzimmer der Frühlingsstraße seien Spuren von einem Sohn Emingers und Susann Eminger gefunden worden. Diese hätten beim gemeinsamen Spielen und nicht durch Übertragung entstehen müssen. Das sei ein weiteres Indiz für das enge Verhältnis der Familie Eminger zum Trio. Zur Beziehung zum Mord an  Kiesewetter geht Basay auf die mit Blut von Kiesewetter bespritzte und nicht gewaschene Jogginghose in der Frühlingsstraße und ein darin gefundenes Taschentuch sowie andere Spuren mit der DNA von Uwe Mundlos. Der Sachverständige Pr. habe gesagt, dass die Blutspritzer zur Position des Schützen passen könnten. Weiter habe Dr. Pr. gesagt, dass die Hose nicht gewaschen worden sei. Basay sagt, sie sei ebenso wie die Dienstwaffen als Trophäe über all die Jahre aufbewahrt worden.

Bestätigung für den Überfall von Mundlos und Böhnhardt auf die Wartburg-Sparkasse sei, so Basay, die DNA von den beiden auf den im Wohnmobil gefundenen Sturmhauben.
Zur Frage nach dem Unterstützernetzwerk des NSU gehöre die DNA von bisher nicht zugeordneten Personen an drei Waffen: am Lauf und Trommel des Revolvers im Wohnmobil, dem Abzug der Maschinenpistole und an der im Wohnmobil sichergestellten Handgranate. Auf einer Vielzahl von Ausspähmaterial sei DNA von jeweils einer unbekannten Person gefunden worden: Auf dem Stadtplan von Arnstadt von einer Person und auf einer handschriftlichen Aufzeichnung und einer gedruckten Aufzeichnung von drei Personen sowie auf einem Stadtplan von Kassel eine Mischspur mit 3 Personen. Das sei ein deutlicher Hinweis darauf, dass zum einen eine weitere Person in die Vorbereitung von Straftaten eingebunden gewesen sei und die Waffen auch von Dritten genutzt worden seien.

In dem vom Trio genutzten Keller der Frühlingsstraße seien Zigaretten der Marke Philipp Morris mit der DNA einer unbekannten weiblichen Person gefunden worden. Weiter sei an einem Kinderschuh im Wohnmobil Spuren von einer unbekannten weiblichen Person ohne Verwandtschaftsverhältnis zwischen der Verursacherin und André Eminger. Basay sagt, bedeutend seien auch die Spuren, die fehlten. Am Bekennerbrief und den Umschlägen seien nur Spuren von Berechtigten. Der NSU habe sehr sorgfältig gearbeitet. Das scheint aber nicht vollständig gelungen zu sein, da auf der Rückseite des Umschlags an die Lippische Zeitung ein Fingerabdruck von Zschäpe gefunden worden sei. Basay endet damit zu sagen, dass die Erklärung von ihr selbst sowie den Nebenkläger_innen Daimagüler, v. d. Behrens, Matt und Hoffmann unterschrieben sei.

RA Stahl sagt, er würde gern kurz darauf erwidern, da die Verteidigung Zschäpe in der Erklärung unmittelbar angesprochen worden sei. Wenn Basay ausführe, es sei nicht ersichtlich, warum der Beweis von DNA-Spuren kritisch zu betrachten sei, wie er das erwähnt habe. Das Problem der DNA-Spur sei, das habe auch der Sachverständige ausgeführt, sage etwas über Qualität aus, nicht über die Aktivität, wie die Spuren dorthin gekommen seien. Stahl erklärt weiter, sie hätten auch gehört, dass es Spuren von berechtigten Personen gegeben habe, die offenkundig ihre DNA hinterlassen hätten. Sie wüssten nicht, wie der Weg des Spurenmaterials gelaufen sei, aber die Qualität von DNA-Spuren ist vor allem daran zu ermessen, wo sie aufgefunden worden seien.

An einem Tatort möge das aufschlussreich sein, so Stahl. Aber sie hätten zum Beispiel in der Frühlingsstraße eine DNA-Müllhalde gefunden. Eine derartige Gemengelage gebe es selten. „Und unter der Hypothese, dass da drei Personen in einem Haushalt gewohnt haben und alle möglichen Dinge übereinander lagen, da muss man schon kritisch hinterfragen, woher eine Spur denn kommt.“ Deswegen zeigten die Spuren nicht ohne weiteres, dass Frau Zschäpe dieses und jenes getan habe. „So einfach ist es nicht.“ Es zeige nur, dass das Genom von Zschäpe weitestgehend übereinstimme. Wie die Spur dort hingekommen sei, zeige die Spur nicht. Die Schlussfolgerung, die dann weiter gezogen würde, dass Spuren auf einem Zeitungsausschnitt zeigten, dass Zschäpe zu einem angelegten Zeitungsarchiv Zugang gehabt habe, zeige nur, so Stahl, dass die Beweiswürdigung von RA Basays sehr zielorientiert sei. Wie das genetische Material da hingekommen sei und vor allem wann, das zeige die Spur nicht. Stahl müsse es vor dem Hintergrund, dass der Sachverständige Dr. Pr. ausgeführt habe, wie viele Berechtigte ihre Spuren auf den Asservaten hinterließen, obskur nennen, dass Mischspuren den Rückschluss zuließen, dass einen dritte Person zwingend in die Vorbereitung von Straftaten mit einbezogen sein müsste. Stahl sagt: „Das krankt einfach an einer logischen Betrachtung von DNA Spuren, das tut mir furchtbar leid.“ RA Matt von der Nebenklage sagt, das Gutachten zeige, dass es nicht nur um DNA-Spuren in der Frühlingsstraße gehe, sondern zum Beispiel auch im Wohnmobil in Eisenach.

Im Folgenden verliest Götzl Beschlüsse zu Anträgen. Es sei beantragt worden, die dem BKA vorliegende CD „NSU-NSDAP“ und den Auswertebericht des BKA dem Verfahren beizuziehen und die Beamten zu laden, die geheimen Akten des Bundestagsuntersuchungsausschusses und die im zweiten parlamentarischen Untersuchungsausschuss bezeichnete Akte bezuziehen, den V-Mannführer des Bundesamts für Verfassungsschutz zu vernehmen, die Ermittlungsakte zum Tod Thomas Richters sowie die Akte von Thomas Richter des Bundesamtes für Verfassungsschutz beizuziehen. Götzl sagt, diesen Anträgen werde nicht nachgekommen. Zu den Gründen sagt Götzl, die gestellten Anträge seien Beweisermittlungsanträge. Die Antragssteller kannten noch nicht die Beweistatsachen.

Im Rahmen der gerichtlichen Aufklärungspflicht sei demnach zu entscheiden, wobei nur den erkennbaren und sinnvollen Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhalts nachgegangen werden müsse. Bezüglich der CD „NSU-NSDAP“ gebiete es die Aufklärungspflicht nicht, den Datenträger und den Bericht bei zuziehen und den Beamten zu hören. Es sei, so Götzl, nicht zu erwarten, dass für das vorliegende Verfahren relevante Erkenntnisse gewonnen werden könnten. Zudem habe der Generalbundesanwalt in seiner Stellungnahme ausgeführt, die Behörde ermittle und es gebe bisher keinen Hinweis, dass der Datenträger von einem der Angeklagten erstellt worden sei. Außer der Namensgleichheit bestehe auch kein Zusammenhang zum hiesigen Verfahren.

Zum Antrag der Beiziehung der Akten erklärt Götzl, aus den Akten würde sich ergeben, das Richter einmal Mundlos getroffen habe und Informationen über die Kameradschaft Jena erhalten wollte. Dies sei kein relevanter Erkenntnisgewinn für einen eventuelle Schuld- und Straffolgefrage im hiesigen Verfahren. Bei den weiteren Akten, deren Beiziehung beantragt worden sei, würde sich ergeben, dass Richter 2000 im Besitz einer Broschüre gewesen sei, in der der Autor zu bewaffnetem Kampf aufrufen würde. Er habe zudem an einem Konzert in Altenburg mit Thomas Gerlach und André Kapke teilgenommen. Götzl sagt, Auswirkungen dieser Umstände auf einen eventuelle Schuld und Straffrage seien nicht ersichtlich.

Zur Begründung im Antrag, dass der Verfassungsschutz Thomas Richter als Quelle Corelli geführt hätte und dass ihm Uwe Mundlos vom Aufbau der Kameradschaft Jena berichtet habe und dass die Zeugen auch zur „NSU-NSDAP“-CD zu befragen seien, sagt Götzl, der Nachweis eines Treffens zwischen Richter und Mundlos führe nicht zu einem relevanten Informationsgewinn. Ein Zusammenhang zum vorliegenden Verfahren sei nicht erkennbar. Weiter sagt Götzl, nach dem Vortrag der Antragssteller sei zu klären, welche Mitarbeiter einer Sicherheitsbehörde Thomas Richter tot aufgefunden hätten. Die Aufklärungspflicht gebiete es nicht, die Akten beizuziehen, erklärt Götzl. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die CD zu den angeklagten Taten in Bezug stehe. Es sei nicht relevant, von wem Thomas Richter tot aufgefunden worden sei. Eine nicht auf Tatsachen gestützte Spekulation eines Printmediums stelle keinen Bezug dar.

Weiter verliest Götzl den Beschluss zum Antrag, Sven Rosemann zu vernehmen. Der Antrag werde abgelehnt. Dass Rosemann 1995/1996 ein Transparent mit der Aufschrift „Rache für Heß“ auf dem Gerüst mit Bombenattrappe angebunden habe, dass er einmal Stress auf einer Diskoveranstaltung gehabt habe und da sei „Böhni“ dagestanden und habe eine „Knarre“ gezogen, sei für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung. Der Umstand, der bewiesen werden solle, belege lediglich, dass der Zeuge so gehandelt habe und die Person informiert habe. Es lasse sich aber kein Indiz dafür gewinnen, dass eine der genannten Personen den Puppentorso an der Autobahnbrücke befestigt habe. Ein Indiz für die Täterschaft der genannten Personen lasse sich daraus nicht entnehmen. Die genannten Umstände belegten, dass der verstorbene Uwe Böhnhardt in einer Stresssituation in einer Diskothek mit einer “Knarre” drohte. Aus einer spontanen Aggressionshandlung lasse sich aber nicht schließen, dass er alleine oder mit anderen Personen mit Waffen aggressiv geworden sei. Hinsichtlich der „Knarre“ fehlten jegliche Hinweise drauf, um was für einen Waffe es sich gehandelt habe.

Götzl verliest einen weiteren Beschluss. Es sei beantragt worden, den Zeugen Norbert Marco Gottschalk zu vernehmen, mit der Begründung, dass er mit Seemann in Dortmund eine Combat-18-Zelle aufgebaut habe, die Turner-Tagebücher den Mitgliedern ausgehändigt wurden, er Waffen aus Belgien beschafft habe und Anschläge, die Turner-Tagebücher sowie das Zellenkonzept in der rechten Szene diskutiert worden sei und Kontakte zu Blood & Honour Gruppen in Flandern, Skandinavien, Schweiz und Österreich bestanden. Götzl sagt, dies werde abgelehnt, weil es für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung sei.

Es werde nicht nachgekommen, den Zeugen Gottschalk zu befragen, wie viele Mitglieder der „Oidoxie Streetfighting Crew“ aus Kassel stammten, ob er Personen aus dem NSU-Unterstützerumfeld kenne, mit ihnen über den NSU gesprochen habe, ob er aus seinem Umfeld erfahren habe, das Morde an Kubaşik und Yozgat und die anderen Morde vom NSU begangen worden seien, ob er den Kiosk in der Mallingrothstraße oder Kubaşik gekannte habe oder Informationen weitergegeben habe, welche Erkenntnisse Gottschalk über das hat, was in der Szene nach dem Mord 2006 über die Tat gesprochen worden sei, welche Kenntnisse er über das Lied „Dönerkiller“ habe.

Zu den Gründen sagt Götzl, selbst wenn unterstellt würde, dass die Beweistatsachen zutreffend seien, bezögen sie sich auf Gottschalk, Seemann oder die Gruppe um Gottschalk hinaus oder auf die “rechte Szene”. Eine Relevanz zur Schuld- und Straffrage im Hinblick auf die Angeklagten sei nicht ersichtlich. Die Feststellung der Umstände lasse keinen Schluss zu bezüglich der fünf Angeklagten oder den verstorbenen Mundlos und Böhnhardt. Der Aufbau einer Combat-18-Zelle in Dortmund sei kein Indiz dafür, dass es Kontakte zum NSU gegeben habe. Auch dass die Turner-Tagebücher oder das Zellenkonzept diskutiert worden sei, sage nichts über die Angeklagten oder Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos aus. Dass für Kenner der Turner-Tagebücher die Anschläge die Handschrift einer Neonazigruppe getragen hätten, führe nicht dazu, dass Außenstehende die Angeklagten oder Mundlos und Böhnhardt als Täter erkennen haben können.

Götzl verliest weiter, für die Beurteilung der Schuld- und Straffrage hinsichtlich der Angeklagten sei nicht ersichtlich, inwieweit die Anzahl der Kasseler Mitglieder von Combat-18 von Bedeutung wäre. Die für möglich erachteten Kenntnisse des Zeugen Gottschalk oder seines Umfelds wirkten sich, selbst wenn sie gegeben wären, nicht auf Schuld- oder Straffrage der Angeklagten aus. Auch die Frage, ob der Zeuge Gottschalk das Opfer Kubaşik gekannt habe, sei für einen Schuld- und Straffrage der Angeklagten ohne Relevanz. Die Kenntnisse Gottschalks über den Inhalt von Gesprächen der Neonaziszene Dortmund sowie das Lied „Dönerkiller“ wirkten sich auf eine mögliche Schuld- oder Straffrage der Angeklagten ebenfalls nicht aus.

Götzl verliest einen weiteren Beschluss. Die Anträge, die Akte der Thüringer Landeskriminalamt-Zielfahndung beizuziehen und auszugsweise zu verlesen sowie den Zeugen Kriminalhauptkommissar Wunderlich zu laden, seien gestellt worden zum Beweis der Tatsachen, dass durch die Überwachung des Telefonanschlusses Thomas Starke bekannt geworden sei, das Starke am 15.08.1998 in der Umgebung von Dortmund eine SMS geschrieben habe: “Nur Türken, da fällt dir nichts mehr ein” und Gunnar Al. geantwortet habe: “Da weiß man ja, wo das nächste Mal aufgeräumt werden muss”. Außerdem zu beweisen, dass durch die Überwachung des Telefonanschlusses von Thomas Starke bekannt geworden sei, dass der Angeklagte Wohlleben bei André Kapkes Mobilnummer angerufen habe. Des Weiteren, dass durch die Überwachung Starke bekannt geworden sei, dass die Telefonnummer von Max-Florian Bu. verwendet worden sei und Starke am 11.08.1998, dem Geburtstag von Mundlos, Bu. gefragt habe, ob dieser beim Geburtstagsgrillen sei und dieser mit einer Verwarnung reagiert habe. Diese Anträge werden abgelehnt, verliest Götzl, weil sie für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung seien. Die Zielfahndungsakten seien in anderem Zusammenhang aber bereits beigezogen worden.

Der SMS-Kontakt belege, dass er stattgefunden habe, aber ein Zusammenhang zu den Angeklagten sei nicht gegeben. Der Kontakt zu Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe lasse nicht den Schluss zu, dass eine SMS auch an Mundlos Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe gelangt sei. Andere Umstände, die eine Weitergabe durch Starke an Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe stützen würden, seien nicht vorhanden. Damit entfalle die Basis für den zusätzlichen Schluss, die Information sei ein möglicher weiterer Grund für die Tat in Dortmund. Zwischen SMS und Tat würden knapp 8 Jahre liegen, was zusätzlich gegen einen Kausalität spreche. Dazu, dass Wohlleben 1998 auf einer auf zugelassenen Mobilfunknummer angerufen habe, erklärt Götzl, es sei nicht naheliegend, dass dieser Telefonkontakt Bezug zu Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe gehabt habe. Die zeitliche Nähe zu einem Umzug Böhnhardts, Mundlos‘ und Zschäpes ändere daran nichts. Die Angaben des Zeugen Brandt, Wohlleben habe Kontakt zu sächsischen Kameraden gehabt, werden dadurch bestätigt. Das sehe der Senat aber nicht als bedeutsam zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit Brandts an.

Dass Starke an Bu. am Geburtstag Uwe Mundlos‘ eine SMS geschrieben und gefragt habe, ob er beim Grillen beim Geburtstagskind sei und die Reaktion eine Verwarnung gewesen sei, stelle keinen für die Entscheidung erheblichen Sachverhalt dar, der auf die Tat- und Straffragen bezüglich der Angeklagten Einfluss gewinnen können würde. Dem Wortlaut der SMS beziehe sich die Verwarnung auf Michael Probst. Es seien keine Anhaltspunkte vorhanden, dass sich der Text auf Mundlos beziehe. Michael Probst habe am 10.08. Geburtstag. Dass ein Bezug zur Textpassage zu Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe bestehe, sei eine Vermutung. Werde sie als wahr unterstellt, bestehe kein Zusammenhang mit den angeklagten Taten. Die zeitliche Nähe zum Umzug von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe in die Altchemnitzerstraße 1 reiche auch unter Berücksichtigung des bisherigen Beweisergebnisses nicht dafür aus, dass die Wohnung, in der in der SMS die Rede sei, für Böhnhardt, Zschäpe und Mundlos gewesen sei. Ebenso wenig lasse sich schließen, dass der Aufenthalt des Trios in Chemnitz einem größeren Kreis bekannt geworden sei. Götzl sagt, der Senat habe nochmal alle unter Beweis gestellten Tatsache als erwiesen angesehen und auch bei dieser Betrachtung hätten die Anträge abgelehnt werden können. Götzl beendet den heutigen Prozesstag um 13:48 Uhr.
Der Blog NSU-Nebenklage kommentiert:
„Erstaunlich war an den teilweise schablonenhaft formulierten Beschlüssen nicht die Tatsache, dass die Beweisanträge abgelehnt wurden – der Antrag zu den Combat 18-Aktivitäten der Dortmunder Naziszene wurde ja bereits am 6.11.2014 gestellt, es war also offensichtlich, dass das Gericht ihm nicht nachgehen wollte. Überraschend war eher, wie leicht es sich das Gericht nun macht, mögliche Kontakte organisierter Nazis an den Tatorten zum NSU und damit eine Einbindung in die Taten als für das Münchner Verfahren bedeutungslos abzutun. Dabei muss sich das Gericht nun entscheiden, ob es die Aufklärung der terroristischen Vereinigung NSU und der durch diese begangenen Straftaten oder doch nur die Verurteilung der in München angeklagten Mitglieder und Unterstützer zum Ziel hat. In den vergangenen zwei Jahren hatte der Vorsitzende Richter immer wieder Interesse an einer tatsächlichen Aufklärung gezeigt, nun scheint sich das Gericht darauf festgelegt zu haben, jedenfalls die möglichen Kontakte zu Nazistrukturen an den Tatorten sowie zur Existenz eines bundesweiten Netzwerkes bewaffneter Zellen aus dem Prozess heraushalten zu wollen. Entsprechend wurde auch ein Beweisantrag auf Beiziehung der sogenannten ‚NSU-NSDAP‘-CD, die der verstorbene V-Mann Thomas Richter geliefert hatte, abgelehnt.“ (http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2015/09/30/30-09-2015/)

Der Beitrag Protokoll 233. Verhandlungstag – 30. September 2015 erschien zuerst auf NSU Watch.

Protokoll 271. Verhandlungstag – 16. März 2016

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Am heutigen Prozesstag werden zunächst Zeug_innen zur Tatortarbeit und Asservierung von Waffen nach dem 04.11.2011 im Wohnmobil in Eisenach und der Frühlingsstraße in Zwickau befragt. Danach werden Antworten von Beate Zschäpe auf weitere Fragen von den Verfahrensbeteiligten verlesen. Dabei geht es u.a. um die Rolle vom Angeklagten André Eminger und seiner Frau.

Zeug_innen:

  • Andrea Se. (BKA, Asservierung einer Waffe aus der Zwickauer Frühlingsstraße)
  • Wolfgang Hi. (BKA, Asservierung einer Waffe aus der Zwickauer Frühlingsstraße)
  • Thilo Ho. (TLKA, Tatortarbeit am Wohnmobil in Eisenach)
  • Jörn Na. (Polizeibeamter, Auffinden der Tatwaffe Ceska)

Heute ist Fototermin. Es sind im Vergleich zu den meisten Verhandlungstagen in der letzten Zeit viele Pressevertreter_innen und Zuschauer_innen da. Dennoch ist auf der Empore noch Platz. Der Verhandlungstag beginnt um 09:46 Uhr. Anwesend ist heute Zschäpe-Verteidiger RA Borchert, außerdem ist auch der psychiatrische SV Saß da.

Zunächst wird die Zeugin Andrea Se. gehört. Götzl sagt, es gehe um die Sicherstellung von Waffen in der Frühlingsstraße 26 in Zwickau: „Inwiefern waren Sie damit befasst, was können Sie uns berichten?“ Se.: „Ja, der Kollege Hi. und ich waren ein Asservierungsteam. Wir sind in Zwickau am 12.11.2011 eingetroffen. Da waren bereits alle Gegenstände aus dem Brandschutt geborgen und zur PD Südwestsachsen verbracht worden, auch die in Rede stehende Waffe.“ Diese habe sich in einem verschlossenen Kellerraum befunden, da seien auch weitere Munitionsteile gewesen. Die Pistole habe sich in einem weißen Kunststoffeimer befunden mit diversen anderen Munitionsteilen [phon.]. Sie hätten die Pistole fotografisch dokumentiert und asserviert, ihr eine Nummer gegeben, sie beschrieben in der Asservatenliste und mit der Nummer versehen. Wenige Tage später hätten sie die Waffe nach Wiesbaden verbracht, um sie der kriminaltechnischen Untersuchung zuzuführen. Götzl fragt, ob Se. gesagt worden sei, wo die Waffe aufgefunden worden sei. Se. sagt, alles was sich in dem Keller befunden habe, auch der Eimer mit der Pistole, sei in „N“ gefunden worden. „N“ stehe für „Nachsuche“ im Brandschutt. Wo genau die Waffe aufgefunden worden sei, wisse sie nicht.

Es folgt der Zeuge Wolfgang Hi. Wieder sagt Götzl, es gehe um die Sicherstellung von Waffen im Bereich des Anwesens Frühlingsstraße 26 in Zwickau. Hi.: „Also, selber in der Frühlingsstraße war ich nicht tätig, das waren die Kollegen aus Zwickau. Als ich am 12.11.2011 in Zwickau angekommen bin, waren sämtliche Asservate aus dem Haus und davor in einer Garage in den Räumlichkeiten der PD Zwickau zum Trocken ausgebreitet. Dort haben wir Stück für Stück wegasserviert, fotografiert und dokumentiert.“ Götzl fragt nach der Waffe „MOD.-315 Auto Kal. 8 mm“ [phon.]. Hi.: „Es gab auf dem Gelände noch einen Kellerraum, der über zwei Räume abgesperrt war, da lagerten diverse Munitionsteile, die im Brandschutt im Rahmen der Nachsuche gesichert wurden. Da lag in einem weißen Kunststoffeimer die besagte Waffe.“ Diese hätten sie dann fotografiert, asserviert und verpackt. Götzl: „Haben Sie Informationen bekommen von irgendeiner Seite, wo diese Waffe Bruni aufgefunden wurde?“ Hi.: „Sie kam aus dem Bereich N. Das stand für Nachsuche im Brandschutt.“

Als nächstes wird der Zeuge Thilo Ho. gehört. Götzl: „Es geht uns um die Sicherstellung von Waffen im Wohnmobil V-MK 1121.“ Götzl fragt, inwieweit Ho. damit befasst gewesen sei. Ho.: „Also, ich war damit schon befasst, wir haben ja an dem 04.11. den ersten Angriff gefahren.“ Er sei damals, so Ho., in der Tatortgruppe gewesen, gegen 12 Uhr hätten sie einen Anruf bekommen, dass vermutliche Bankräuber in dem Wohnmobil in Stregda aufgefunden worden seien. Die Tatortgruppe sei angefordert worden, er und eine Kollegin seien dann zum Tatort gefahren. Es habe dann eine erste Besichtigung des Wohnmobils von außen gegeben. [phon.] Dann sei von der Polizeiführung entschieden worden, dass das Wohnmobil abgeschleppt wird und es sei dann – nicht viel, 10 km ungefähr – abgeschleppt worden. Dann hätten sie angefangen das zu untersuchen. Ho. weiter: „Der Anblick: Es waren zwei Personen in dem Wohnmobil. Das Wohnmobil war stark brandgeschädigt. Ein Großteil der Plastedecke war auf den Boden gestürzt und hat die beiden Leichen, die eine stark und die hintere zum Teil, mit Brandschutt bedeckt. Am Ausgangsort in Stregda haben wir noch eine Waffe gesichert, die Waffe im Nassbereich des Wohnmobils, eine P 2000 – wie sich rausstellte, die Waffe von einem Kollegen. An dem Abend wurden noch zwei Pumpguns gesichert, eine komplett bedeckt vom Herrn Böhnhardt und eine zweite war die, die weiter weg vom Herrn Mundlos lag. Weiter wurde noch ein Revolver sichergestellt, der links neben der Spüle lag. Eine weitere Waffe, auch P 2000, die war auf dem Tisch, auch sehr mit Brandschutt bedeckt. Und rechts neben dem Tisch auf der Sitzbank lag noch eine MP. Bis auf die MP haben wir an dem Abend die Waffen alle gesichert. Das waren nicht alle Waffen. Am nächsten Tag haben die Kollegen aus Gera noch weitere Waffen gesichert. Die hat man erstmal nicht gesehen, weil alles mit Brandschutt bedeckt war.“ Es folgt eine Inaugenscheinnahme von Lichtbildern, auf denen die Waffen, z.T. mit Brandschutt und „organischem Material“ behaftet, zu sehen sind. Danach nimmt Ho. wieder am Zeugentisch Platz.

Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders fragt, ob Ho. etwas zu den Gründen dafür sagen könne, dass die Einsatzleitung den Abtransport des Wohnmobil zum Abschleppunternehmen angeordnet hat. Ho.: „Sie müssen davon ausgehen: Zum Zeitpunkt, als wir es aufgefunden haben, war es ja ein Banküberfall. Soweit ich weiß, wollte der Polizeiführer uns in Ruhe arbeiten lassen. Es ist Presse gekommen und er wollte uns in Ruhe arbeiten lassen. Wir haben das anders gesehen, aber er wollte uns arbeiten lassen.“ Schneiders: „Wie haben Sie es gesehen?“ Ho.: „Sagen wir mal, es ist ungewöhnlich. Normalerweise hätten wir einige Sachen erst machen müssen, Abmessung, Absuche des Bereichs. [phon.]“ Schneiders fragt, ob Ho. in Stregda Fotos gemacht habe. Ho.: „Ich persönlich nicht, aber die Kollegin.“ Ho. nennt auf Frage den Namen Mi. von der Tatortgruppe Thüringen. Schneiders fragt, ob die weitergereicht worden seien zu den Akten. Ho.: „Davon gehe ich aus, wir haben nichts gehortet.“ Schneiders: „Haben Sie Erkenntnisse über Bilder von der Feuerwehr?“ Ho.: „Ich selber weiß es nicht. Ich habe ein paar Bilder beim Untersuchungsausschuss gesehen in Thüringen.“ Schneiders: „Wie viele?“ Ho.: „Die die Feuerwehr gemacht hat? Weiß ich nicht.“ Schneiders: „Wie viele haben Sie gesehen?“ Ho.: „Nicht viele. Drei, vier Stück.“

Schneiders: „Haben Sie Informationen darüber, wer alles im Wohnmobil war, bevor Sie vor Ort waren?“ Ho.: „Der Polizeiführer, Herr Menzel. Das ist das, was mir bekannt ist.“ Schneiders: „Was ist Ihnen dazu bekannt?“ Ho.: „Ich war selber nicht vor Ort. Hörensagen.“ Schneiders: „Von wem haben Sie was gehört?“ Ho.: „Weiß ich nicht mehr, ist ein paar Jahre her. Ich weiß nur, Herr Menzel war drin. Da war ein Baterrieladegerät, das klingt jetzt so, aber er hat geguckt, ob das ein Sprengsatz ist, das ist aber nur vom Hörensagen. [phon.] Ich weiß, dass er drin war.“ Schneiders: „Hat Sie das auch verwundert oder ist das üblich?“ Ho.: „Grundsätzlich ja. Es ist natürlich so, dass es eine Lage war, wo erstmal jemand reingucken muss, was da drin los ist. Aber es ist ungewöhnlich, dass der Polizeiführer selbst reingeht, ja“ Schneiders: „Die erste Polizeiwaffe, von wem ist die aufgefunden worden?“ Ho.: „Die P 2000 aus der Nasszelle? Ich und die Kollegin. Ich habe sie gesichert vor Ort noch in Stregda. Wir haben gesehen, es ist eine Polizeiwaffe und haben eine Überprüfung veranlasst. Und ich glaube, 16 Uhr und ein paar Minuten, das Mobil war schon abgeschleppt, kam die Information, dass es die Waffe von einem Kollegen aus Heilbronn ist.“ Schneiders: „Haben Sie eine Information von Herrn Menzel bekommen darüber, welche Waffen vorhanden sind, eine Einweisung von Herrn Menzel oder jemand anderem?“ [phon.] Ho.: „Wir haben eine Einweisung bekommen. Aber es ist vier Jahre her. Ich weiß nicht mehr, wie es lief. Aber es gab eine Einweisung.“

Schneiders fragt, ob durch Menzel oder jemand anderen. Ho. sagt, Menzel sei dabei gewesen und der Kollege, der die ersten Maßnahmen mit geführt habe, den Namen wisse er nicht mehr. Schneiders: „Zum Abtransport: Sind Veränderungen aus Ihrer Sicht entstanden im Wohnmobil?“ Ho.: „Meine persönliche Meinung ist: Eigentlich nicht. Es ist nicht auszuschließen, aber es war durch Brand und Plaste, was runtergetropft ist, es war ja alles fest. Dass im Schrank was rumgerutscht ist, ist nicht auszuschließen. Aber es war ja alles eine Schuttmasse. Kann sein, aber ich glaube es nicht.“ Schneiders: „War an den Gegenständen etwas ersichtlich, dass etwas verrutscht ist?“ Ho.: „Nein.“ Schneiders: „Wie kam es, dass sie an dem einen Tag die Spurensicherung gemacht haben und dann die Kollegen aus Gotha?“ Ho.: „Das war in Absprache mit dem Polizeiführer. Das war in dem Moment auch eine vernünftige Entscheidung. Es hing was dran: Wir haben den ersten Angriff gemacht, die Leichen gesichert, die mussten zur Sektion, die Waffen mussten gesichert werden. Aus Gotha die Kollegen sollten das weiter machen. Das war grundsätzlich ein guter Plan. Aber die Kollegen in Gotha, ich sage mal, das war zu wenig, sage mal, Manpower für das große Wohnmobil.“ Auf die Frage, ob die Kollegen aus Gotha Verstärkung gewesen seien, sagt Ho.: „Nein, ich habe am 05.11. gegen Mittag [phon.]die Übergabe mit den Kollegen gemacht.“

Wohlleben-Verteidiger RA Klemke: „Sie sagten, Sie hätten das anders gesehen, das Fahrzeug abzuschleppen, dass es noch hätte eingemessen werden sollen: War das Wohnmobil für Sie kein potenzieller Tatort?“ Ho.: „Doch.“ Klemke: „Doch. Darf denn an einem Tatort vor der Tatortarbeit, durch Sie als Tatortgruppe z.B., irgendetwas verändert werden?“ OStA Weingarten beanstandet die Frage, weil es nicht um Dienstvorschriften gehe, sondern um die Wahrnehmungen des Zeugen. Klemke erwidert, es gehe nicht um die Dienstvorschrift, der Zeuge gehöre zur Tatortgruppe, sei also fähig zu antworten. Götzl lässt die Frage zu, weil es um den konkreten Einsatz gehe. Ho.: „Grundsätzlich ist es so, dass keine Maßnahmen getroffen werden sollen, bis die Tatortgruppe da ist, aber es ist nicht unüblich, dass die Kollegen anfangen bis die Tatortgruppe da ist. Keine Dienstanweisung dazu. [phon.]“ Klemke fragt, mit was die Kollegen anfangen würden. Ho.: „Mit Spurensicherung teilweise. Es gibt ja Kriminaltechniker auf den einzelnen Behörden. Um Spuren zu schonen, zu schützen, fangen die teilweise an. Und dann gibt es eine Einweisung. [phon.]“ Klemke sagt, es gehe ihm ja nicht um die Spurensicherung, sondern um die Bewegung des Tatorts. Ho.: „Wenn ich den Tatort bewege, hat es was mit Spuren zu tun. [phon.] Wie gesagt, da war auch schon die Feuerwehr. Als wir ankamen, war das Wohnmobil auch schon eingepackt. Da war Folie drum rum wahrscheinlich von der Feuerwehr. Es ist unglücklich, so gesehen, aber es war eine Entscheidung des Polizeiführers.“

Klemke fragt, warum das unglücklich gewesen sei. Ho.: „Wie ich schon gesagt habe.“ Klemke: „Wollten Sie sagen, dass man den Tatort als solches nicht bewegen sollte?“ [phon.] Götzl: „Suggestiv.“ Klemke: „Der Zeuge ist fachkundig, er wird suggestiven Einflüssen nicht unterliegen.“ Ho.: „Wenn ich jetzt einfach von einem Fahrzeug ausgehe und Sachverhalte in dem Fahrzeug sind, ist es schon üblich, dass abgeschleppt wird und dann in einem gesicherten Bereich bearbeitet wird.“ [phon.] Klemke: „Vor der Spurensicherung?“ Ho.: „Ja.“ Klemke: „Hätte es andere Möglichkeiten gegeben, ohne Abschleppen?“ Ho.: „Ja.“ Klemke: „Hielten Sie das für sachgerechter?“ Ho.: „Grundsätzlich ja.“ Götzl: „Das ist jetzt eine Wertung.“ Klemke: „Wir bewegen uns im Bereich der Sachkunde des Zeugen.“ Ho.: „Grundsätzlich ist es besser, wenn es stehen bleibt und man dort anfängt. Man darf aber nicht vergessen: Das Fahrzeug hat gebrannt, die Feuerwehr hat gelöscht.“ Er könne nicht sagen, inwiefern die Feuerwehr drin war, aber spurentechnisch sei das vom Brandtatort [phon.] sehr schlecht, so Ho. Klemke: „Und dann macht man den noch schlechter?“ Ho.: „Ich bin der Meinung, dass das Abschleppen in dem Wohnmobil nichts verändert hat.“

Klemke: „Andere Frage: Habe ich Sie richtig verstanden, die erste Waffe, die Sie gefunden haben, die war in der Nasszelle?“ Ho.: „Die erste Waffe, die wir gesichert haben.“ Klemke: „Welche Waffe haben Sie zuerst gesehen?“ Ho.: „Das kann ich nicht mehr sagen.“ Klemke: „Sind Sie gleich einmal durch das Wohnmobil marschiert oder schrittweise vorgegangen?“ Ho.: „Ich habe mir einen Überblick verschafft in dem Wohnmobil. Spurenschonend, wie sich das gehört. Ich habe sicher die eine Pumpgun gesehen, aber ob das die erste Waffe war, die ich gesehen habe, da kann ich nicht die Hand ins Feuer legen für.“ Klemke: „Bei der Einweisung, wurden Sie da auf Gegenstände hingewiesen?“ Ho.: „Kann Ich Ihnen nicht mehr sagen.“ Klemke: „Sie erwähnten eine P2000 auf dem Tisch und mit Brandschutt bedeckt. Wissen Sie, wann Sie die registriert [phon.] haben?“ Ho.: „Aus dem Kopf nicht, aber die Uhrzeit müsste im Spurenbericht stehen.“ Klemke fragt, ob Ho. die Uhrzeit notiert habe, sofort wenn er eine Waffe registriert habe. Ho.: „Nein, beim Sichern.“ Klemke: „Die Waffe war mit Brandschutt bedeckt. Konnte die ohne Weiteres gesehen werden oder erst nachdem der Brandschutt beseitigt wurde, ganz oder teilweise?“ Ho.: „Ich meine mich zu erinnern, dass sie mit dem Griffstück rausgeguckt hat aus dem Brandschutt.“ [phon.] Klemke: „Wissen Sie, wie weit das Griffstück raus ragte?“ Ho.: „Nein.“

Eminger-Verteidiger RA Kaiser: „Waren Sie dabei, als dieses Wohnmobil abgeschleppt worden ist?“ Ho.: „Ja.“ Kaiser: „Auf welche Weise wurde es abgeschleppt, auf eigener Achse oder angehoben, stand es schräg?“ Ho.: „Ich, weiß es jetzt nicht mehr hundertprozentig. Ich meine, es wurde hochgezogen auf den Abschleppwagen, aber ich weiß es nicht mehr.“ Wohlleben-Verteidiger RA Nahrath: „Wissen Sie, wohin das Wohnmobil gebracht wurde?“ Ho.: „Nach Eisenach zu einem Abschleppdienst, in eine Lagerhalle.“ Nahrath: „Nicht in eine polizeiliche Einrichtung?“ Ho.: „Nein.“ Nahrath: „Haben Sie dann die Arbeit in der Halle aufgenommen?“ Ho.: „Ja.“ Nahrath: „Haben Sie es auch dort an die Kollegen aus Gotha übergeben?“ Ho.: „Ja.“ Nahrath: „Wissen Sie, was dann mit dem Wohnmobil passierte, nach Beendigung der Arbeit der Kollegen aus Gotha?“ Ho.: „Grundsätzlich stand es in der Garage bei dem Abschleppdienst. Es wurde nach der Spurenbearbeitung durch die Gothaer Kollegen ins LKA geschleppt.“ Nahrath: „Haben Sie das Abschleppen begleitet und dann gleich angefangen zu arbeiten?“ Ho.: „Am 04.11., ja.“ Nahrath: „Die ganze Nacht?“ [phon.] Ho.: „Wir haben bis 1 Uhr gearbeitet und dann aufgehört. Ich meine, das steht in den Akten, es wurde bewacht. [phon.]“ Nahrath: „Sie wissen nichts Genaues?“ [phon.] Ho.: „Ich kann mich nicht erinnern, es ist aber sehr üblich, dass es bewacht wird.“ Nahrath: „Haben Sie bis zur Übergabe am 05.11. die Spurensicherung geleitet?“ Ho.: „Ja.“ Nahrath: „Hatten Sie Schlüssel zu der Halle?“ Ho.: „Kann ich nicht mehr sagen.“ Nahrath: „War das Fahrzeug, das abgeschleppt hat, auch da?“ Ho.: „Es war auf jeden Fall von der Firma.“ Nahrath: „Haben Sie das noch vor Augen?“ Ho.: „Nein.“

NK-Vertreter RA Langer: „Als Sie das Fahrzeug in der Lagerhalle hatten, waren Sie da auch drin, als die Leichen noch drin lagen?“ Ho.: „Ja.“ Langer fragt, ob die Lage der Leichen verändert oder gleich gewesen sei. Ho.: „Vor und nach dem Abschleppen? Die Lage war gleich.“ NK-Vertreter RA Behnke: „Wann hat das LKA die Arbeit, die Tatortarbeit, übernommen?“ Ho.: „Sie meinen, am 04.11.?“ Behnke: „Die Frage zielt darauf ab, wie lange Zeit dazwischen vergangen war.“ Ho.: „Im Tatortbefundbericht müsste die Zeit drin stehen. Man kann grundsätzlich von anderthalb bis zwei [phon.] Stunden ausgehen, nachdem wir alarmiert werden. Steht im Tatortbefund.“ RA Narin: „Haben Sie auch mitbekommen, ob Herr Menzel sich noch in Stregda lautstark über Herrn Wießner geäußert haben soll?“ Ho.: „Nein.“ Nahrath: „Sie sagten, Sie haben sich sehr lange im Wohnmobil aufgehalten zur Spurensicherung. Haben Sie auch organisches Material gefunden? An den Wänden, auf dem Boden?“ Ho.: „Ja.“ Nahrath: „Konnten Sie entscheiden oder erkennen, was für Material?“ Ho.: „Es war viel Hirnmasse und viel Blut.“ Nahrath: „Im Umfeld beider Leichen?“ Ho.: „Das Wohnmobil war nicht groß. Ich konnte von meiner Seite nicht zuordnen, was zu wem gehörte.“ Der Zeuge wird entlassen.

Es folgt der Zeuge Jörn Na., 37, Polizeibeamter aus Görlitz. Götzl: „Es geht uns um die Sicherstellung von Waffen im Bereich Anwesen Frühlingsstraße 26 in Zwickau, inwiefern Sie damit befasst waren, was Sie gemacht haben und die Ergebnisse.“ Na.: „Ich war im Bereich Frühlingsstraße Zwickau am 09.11.2011 eingesetzt. Ich habe zu dem Zeitpunkt meine Ausbildung in der Polizeifachschule in Chemnitz durchgeführt. Wir wurden einen Tag vorher informiert über diesen Einsatz. Da war noch nicht klar, worum es da ging, es hieß nur, es geht zu einer Suche [phon.]. Wir sind um 7 Uhr gestartet und waren gegen 8 Uhr in Zwickau, wurden da eingeteilt in drei Gruppen, die mit der Beräumung des Schutthaufens, Abtransport des Schutthaufens beauftragt waren. Das begann eigentlich sofort nach Ankommen, wir haben nicht lange Zeit da rumgestanden. Im Laufe des Nachmittags wurde dann halt diese Ceska von mir gefunden.“ Götzl: „Können Sie noch Näheres zur Auffindung schildern?“ Na.: „Ja. Wir sind angekommen in der Frühlingsstraße. Es war ein Schuttberg vor dem Haus in der Frühlingsstraße. Wahrscheinlich oder ersichtlich von dem ersten Stockwerk, was da runtergerissen wurde. Bauschutt, Leitungsrohre, Holzbalken etc. [phon.] Wie gesagt, es wurde nicht nur eine Waffe gefunden, sondern mehrere Waffen, an dem Tag durch andere Kollegen.“

Götzl: „Wie sah die Ceska aus?“ Na.: „Wo ich es ausgegraben habe, habe ich vorher nur ein kleines Rohr gesehen. Sah aus wie ein Leitungsrohr, dachte ich erst. Ich habe dran gezogen. Es war der Schalldämpfer und am anderen Ende des Schalldämpfers hing halt diese Pistole. Die war jetzt nicht stark verrostet im ersten Eindruck. [phon.] Natürlich Bauschutt und Wasser angebacken, wahrscheinlich durch die Löscharbeiten. Der Schalldämpfer war wie angebacken in eine Folientüte, verbrannt, also die Pistole war mit dem Schalldämpfer verschmolzen.“ Götzl: „Was haben Sie mit der Waffe gemacht?“ Na.: „Ich habe die erstmal abgelegt, ich bin erstmal ein bisschen erschrocken. Ja, und dann habe ich einen Kollegen gerufen, wir haben uns die zusammen angeschaut und die dann zu dem Fahrzeug gebracht, was in der Nähe stand, in eine Tüte und dann kam das dort in die Kiste.“

OStA Weingarten: „Wenn ich Sie falsch verstanden haben sollte, korrigieren Sie mich bitte. Sie haben gegen 8 Uhr begonnen. Können Sie sagen, wann Sie Ihrer Erinnerung zufolge die Waffe gefunden haben?“ Na.: „Das war gegen nachmittags.“ Weingarten: „Wie haben Sie die Stunden zwischen Aufnahme der Arbeiten und Fund ganz konkret verbracht?“ Na. sagt, es habe drei Gruppen gegeben, eine zur Beräumung des Schutthaufens, eine zum Abtransport des Schutts auf die Abräumstelle [phon.], wo nochmal durchsucht worden sei durch andere Beamte, und eine Gruppe habe Pause gemacht und unterstützt bei großen Teilen [phon.]. Weingarten fragt, ob Werkzeuge genutzt worden seien. Na.: „Nein, keine Werkzeuge. Bauhandschuhe und darunter Gummihandschuhe. Keine Werkzeuge außer der Schubkarre.“ Weingarten sagt, Na. habe zunächst ein Rohr erwähnt, dass er es für ein Leitungsrohr gehalten habe. Na.: „Ja.“ Weingarten: „Haben Sie das schon morgens wahrgenommen?“ Na.: „Nein, das war wirklich am Ende gewesen, im unteren Teil des Schutthaufens, kurz vor Beendigung der Maßnahme.“ [phon.] Weingarten: „Habe ich Sie richtig verstanden, Sie sind von der Straße aus gesehen von vorne in Richtung Haus vorgegangen?“ Na.: „Diese Gruppen waren etwa 7 bis 8 Mann stark. Wir haben uns verteilt und uns zum Innenraum vorgearbeitet. Größere Teile von oben runtergenommen, die gestört haben. [phon.]“ Weingarten: „Haben Sie eine Erinnerung daran, welche Höhe an Schutt sie abgeräumt haben, bevor Sie dieses Rohr wahrgenommen haben?“ Na.: „Wenn ich so zurückdenke, dann war es über Mann hoch, über 2 Meter, würde ich sagen.“

Wohlleben-Verteidiger RA Nahrath: „Waren während Ihrer Maßnahmen weitere Polizeikräfte außer den drei Gruppen vor Ort?“ Na.: „Ja, da waren auch andere Polizeibeamte vor Ort.“ Nahrath: „Welche Dienststellen?“ Na.: „Kann ich nicht genau sagen, ich weiß es nicht. Ich weiß, dass Beamte aus Sachsen dabei waren, uniformierte.“ Die hätten Jacken getragen wie Brandursachenermittler. [phon.] Na. weiter: „Es war auch ein Wappen aus Baden-Württemberg zu sehen. Aber ich kann nicht sagen, wer genau da war.“ Nahrath: „Waren auch Kräfte in Zivil dabei, LKA oder BKA?“ Na.: „Wie gesagt, diese Jacke Brandursachenermittler habe ich gesehen, war wie eine Feuerwehruniform, aber das Logo von Sachsen drauf. In Zivil gekleidete Personen habe ich nicht wahrgenommen.“ Nahrath fragt nach Na.s Vorgesetztem. Na. nennt denen Namen F. [phon.] Nahrath: „War das praktische Ausbildung aus Ihrer Sicht, die Sie da betrieben haben?“ Na.: „Nein.“ Nahrath: „Weil Sie schon vorher Polizist waren?“ Na.: „Nein, ich war in der Ausbildung.“ RA

Klemke: „Sie sagten, Sie haben übermannshoch Schutt weggeräumt vor der Waffe.“ Na.: „Ja.“ Klemke fragt, ob das bei der Maßnahme fotografisch dokumentiert worden sei, wenn etwas gefunden worden sei. Na.: „Kann ich so nicht sagen.“ RAin Schneiders bittet darum, dass Na. ein Lichtbild aus der Mappe des Brandermittlers vorgelegt wird, ob dann eine Erinnerung kommt, ob das in dem Bereich gewesen sei, wo er die Waffe gefunden habe, oder in einem anderen Nachsuchebereich. Na. geht wieder an den Richtertisch. Na.: „Ich erinnere den Schuttberg und wir haben den von rechts bzw. vorderer Bereich abgetragen. Und die Waffe wurde dann eher im hinteren Bereich, also links, gefunden, wo genau kann ich nicht sagen.“ [phon.] Schneiders: „Können Sie zur Sicherung des Tatorts etwas sagen? Man hat ja die Bauzäune gesehen. Kam da jeder rein oder nur Personen wie Sie, mit einer Aufgabe?“ Na.: „Meine Wahrnehmung war am 09.11.2011, dass ein Bauzaun aufgebaut war. Ob irgendjemand reingehen konnte, kann ich nicht sagen. Ob das bewacht war, kann ich auch nicht sagen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass als wir da waren, nur Polizeibeamte in dem Bereich waren.“ Schneiders: „Innerhalb des Bauzauns?“ [phon.] Na.: „Ja.“ Na. bejaht, dass Schaulustige und Presse da gewesen seien: „Meist Fotografen, die am Zaun gestanden haben und versucht haben Fotos zu machen vom Einsatzort.“ Schneiders fragt, ob das geschützt gewesen sei vor Einblicken von außen. Na.: „Nein, nicht geschützt, normaler Bauzaun, nicht abgehangen.“ [phon.] Schneiders: „Wissen Sie, ob es ein Einsatzteam gegeben hat, das fotografisch dokumentiert hat, grundsätzlich?“ Na.: „An dem Tag, wo wir da waren, am 09.11., ist mir nicht aufgefallen, dass jemand mit einer Kamera rumgelaufen ist und den Tatort dokumentiert hat, fotografisch.“

Schneiders sagt, Na. habe davon gesprochen, dass er die Waffe in einer Kiste abgelegt habe und fragt, ob da etwas von jemandem dokumentiert worden sei, ob bei dem Fahrzeug jemand gewesen sei, der Notizen gemacht habe. Na.: „Ich war in der Ausbildung. Ich habe den Fehler gemacht – würde ich nicht mehr machen – , dass ich mir keine Notizen gemacht habe, an wen ich sie übergeben habe. Ich kann es nicht mehr sagen. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemandem meinen Namen gesagt hätte, dass ich die Waffe gefunden hätte. [phon.]“ Schneiders fragt, ob es eine Einweisung gegeben habe. Na.: „Gegen 8 Uhr wurden wir in Empfang genommen und eingewiesen, dass wir den Schutthaufen beräumen sollen, mehr wurde nicht gesagt.“ Schneiders: „Sind Sie auf Gefahren hingewiesen worden?“ Na.: „Nein.“ Schneiders: „Gab es Hinweise, dass sich in dem Bereich Waffen oder Sprengstoff befinden könnten?“ Na.: „Nein.“ RA Nahrath: „Wo war denn Ihr Lehrer in der Zeit?“ Na.: „Außerhalb des Bauzaunes. Hat beim Bus gewartet.“ Nahrath: „Mit dem Sie gekommen sind?“ Na.: „So ist es.“ Auf Frage, ob der Vorgesetzte in dem Bus gewesen sei, sagt Na.: „Nicht die ganze Zeit, er wird auch mal rausgegangen sein, aber er war nicht beteiligt [phon.].“ Nahrath: „Hat er nicht einen Stein angefasst?“ Na.: „Er war der Zugführer, er beobachtet das Ganze, teilt ein.“ [phon.]

Nahrath: „Wissen Sie heute, ob es für solche Einsätze eine spezielle Truppe gibt im Rahmen der Polizei Thüringen, Entschuldigung, Sachsen?“ Na.: „Ich muss nachfragen, was Sie meinen. Dass seit dem Vorfall Frühlingsstraße anders an einen Tatort herangegangen wird?“ Nahrath: „Ja.“ Na.: „Nein, glaube ich nicht.“ Nahrath: „War irgendjemand bei den Teams dabei, der nicht in Ausbildung war? War es Ihre Klasse?“ Na.: „Es war meine Klasse. Da waren zwei, drei Beamte, Brandursachenermittler.“ Nahrath: „Aus Ihrer Klasse?“ Na.: „Nein, aber die waren bei dem Schuttberg mit dabei, haben aber nicht mit gesucht. Die haben das ein bisschen mit beobachtet.“ Nahrath: „Haben Sie von denen Anweisungen bekommen, wie Sie Ihre Arbeit zu machen haben?“ Na.: „Nein.“ RAin Schneiders bitte darum, dass Na. das Bild 697 vorgelegt wird. Schneiders fragt, ob das die beiden Ermittler seien, die Gesichter seien leider unkenntlich gemacht. Na.: „Ja, hier sieht man diese Rampe, wo wir raufgefahren sind. Der Kleidung nach würde ich sagen, dass die am 09.11. auch da waren.“ Schneiders: „Können Sie etwas sagen, ob es bei denen auch mehrere Teams waren, die sich abgewechselt haben?“ Na.: „Nein, dazu kann ich nichts sagen.“ Der Zeuge wird entlassen. Es folgt die Mittagspause bis 12:06 Uhr.

Danach sagt Götzl, dass die Verteidigung Zschäpe, das Wort habe. RA Borchert verliest dann Antworten Zschäpes:

Ich beantworte die mir gestellten Fragen des Senats und der Verteidigung Schultze wie folgt:

I. Fragen des Senats

Frage 1: Zum Alkoholkonsum
Was verstehen Sie unter den Begriffen „betrunken“ und „angetrunken“?

Antwort: Den Begriff „betrunken“ verbinde ich mit einem „Filmriss“, wenn ich mich also am nächsten Tag nicht mehr erinnern kann, was in den letzten Stunden des Vortages geschehen ist. Außerdem verbinde ich mit dem Begriff „betrunken“, wenn ich nach dem Aufwachen nicht mehr weiß, wie ich ins Bett gekommen bin oder ob ich mir vor dem zu Bett gehen die Zähne geputzt habe. Ich verbinde den Begriff „betrunken“ außerdem damit, wenn ich mich wegen des übermäßigen Alkoholkonsums übergeben muss. Den Begriff „angetrunken“ verbinde ich mit den Gefühlen, dass ich geselliger und redseliger bin und dass ich albern werde. Ich bezeichne meine Stimmung als eher lustig und ich beginne in diesem Zustand zu „quasseln“.

Frage 2: Wie waren die Situationen als Uwe Böhnhardt Ihnen gegenüber handgreiflich
wurde. Wann war das?

Antwort: Vor unserem Untertauchen und zu Beginn unseres Untertauchens, also etwa Frühjahr 1998 bis Sommer 2001, kam es vor, dass Uwe Böhnhardt mir gegenüber handgreiflich wurde, das heißt er schlug mich, wenn ihm bei einer verbalen Auseinandersetzung die Argumente ausgingen. Mit der Zeit konnte ich einschätzen, wann es für mich besser ist, eine Diskussion zu beenden, beziehungsweise nachzugeben, um eine Eskalation zu vermeiden. Verbal konnte sich Uwe Böhnhardt gegenüber Uwe Mundlos und auch gegenüber mir in Diskussionen nicht durchsetzen. Solche Situationen beendete er mir gegenüber mit Schlägen. Konkret erinnere ich mich beispielsweise an folgende Situationen: Es gab Streit wegen einer Pistole, die offen auf dem Tisch in der Wohnung herumlag, weil Uwe Böhnhardt sie dort hingelegt hatte. Ich wollte nicht, dass eine Waffe offen zugänglich in der Wohnung herumliegt. Uwe Böhnhardt war das egal und er beendete den lautstarken Streit mit Schlägen. Erwähnen möchte ich auch noch einen Streit, bei dem es um das Thema Internet ging. Dies war kurz nach dem Umzug nach Zwickau, also in der zweiten Jahreshälfte 2000. Sowohl Uwe Mundlos als auch ich wollten gerne einen Internetanschluss. Ich wollte den Anschluss, um im Internet surfen zu können. Uwe Böhnhardt war jedoch strikt dagegen, da er darin ein Sicherheitsrisiko sah. Er war stattdessen dafür, dass man besser in ein öffentliches Internetcafe gehen solle, was sowohl er als auch Uwe Mundlos in den späteren Jahren auch taten – ab wann genau weiß ich nicht mehr. Es kam wiederholt zum Streit zwischen uns, bis er mich erneut schlug, um das Thema zu beenden. Erst Jahre später, ich glaube in der Frühlingsstraße, konnte Uwe Mundlos ihn schließlich überzeugen und wir bekamen einen eigenen Internetanschluss. Zudem gab es einen weiteren heftigen Streit bezüglich der 10.000 DM, die Holger Gerlach erhalten sollte. Ich war absolut dagegen, weil das Geld bei ihm nicht gut aufgehoben wäre, weil er damals bereits spielsüchtig war. Uwe Böhnhardt beendete die Diskussion erneut mit Schlägen und er übergab das Geld schließlich persönlich an Holger Gerlach. Das müsste meiner Erinnerung nach etwa im Jahr 2000 oder 2001 gewesen sein.

Frage 3: Haben Sie nähere Informationen zur massiven Gewalt und zum sexuellen Missbrauch, den Uwe Böhnhardt während seiner Inhaftierung erlebt hat?

Antwort: Uwe Böhnhardt hatte mir von Gewalt und von sexuellem Missbrauch im Jahr 1995 berichtet. Mehrere Inhaftierte hatten ihm gegenüber Gewalt angewandt. Uwe Böhnhardt schilderte mir ein Vorkommnis, bei welchem massive Gewalt in sexueller Hinsicht ausgeübt wurde. Details möchte ich in aller Öffentlichkeit nicht schildern.

Frage 4: Zum Abend des 3. November 2011
Was bedeutet „ziemlich viel Sekt“ konkret? Was meinen sie mit „betrunken gefühlt“? Wann haben Sie mit dem Trinken begonnen, wann aufgehört?

Antwort: Am 3. November trank ich über den Tag verteilt mindestens drei Flaschen Sekt. Ich fing gegen Mittag an zu trinken und kurz vor dem Schlafen gehen hörte ich auf, wobei mir eine genaue zeitliche Einordnung nicht mehr möglich ist. Ich fühlte mich betrunken, wie bereits unter Frage 1 geschildert. Als ich wohl gegen Mitternacht schwankend ins Bett ging, musste ich mich dabei immer wieder festhalten. Am nächsten Morgen konnte ich mich nicht mehr an alle Details des Vorabends erinnern.

Frage 5: Zum Vormittag des 4. November 2011
Von wann bis wann haben sie getrunken? Wie war die Wirkung des Sekts?

Antwort: Ich bin gegen 8:00 Uhr morgens aufgestanden und habe ca. eine Stunde später das erste Glas Sekt getrunken. Ich hatte nicht gefrühstückt. Gegen 11.30 Uhr hatte ich im Internet recherchiert und währenddessen Sekt getrunken. Ich denke, dass ich bis um etwa 14:30 Uhr eine Flasche Sekt getrunken hatte. Ich hatte jedoch keine Ausfallerscheinungen.

Frage 6: An welchen Umständen machen Sie fest, dass Gerlach nicht spielte, weil er Spaß am Spiel hatte, sondern weil er einfach spielen musste?

Antwort: Ich mache dies daran fest; dass er so lange spielte, bis er kein Geld mehr hatte und anschließend frustriert und deprimiert war. Wenn er kein Bargeld mehr hatte kam es vor, dass er zum nächsten Geldautomaten ging und Geld abhob, um weiterspielen zu können. Auch die Tatsache, dass er parallel an mehreren Automaten gleichzeitig spielte, spricht für mich dafür, dass er spielsüchtig war.

Frage 7: Zum Besuch Andre Kapke’s in der Limbacher Straße
Wie kam es zu diesem Besuch? Erfolgte der Besuch zu einem bestimmten Zweck? Wie waren die Umstände des Besuchs?

Antwort: Der Besuch von Andre Kapke in der Limbacher Straße muss ganz zu Beginn unseres Untertauchens gewesen sein. Ich weiß heute nicht mehr, ob sein Besuch einen bestimmten Grund hatte oder ob es nur ein Wiedersehen unter Freunden war. Ich hatte mich damals auf jeden Fall gefreut ihn wieder zu sehen, weil wir befreundet waren. Ich glaube, er hatte uns 500 DM vorbeigebracht – mit Sicherheit kann ich dies jedoch nach der langen Zeit nicht mehr sagen. Nach diesem Besuch habe ich ihn nie wieder gesehen und ich meine, dass auch Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt ihm danach nicht mehr begegnet sind.

Frage 8: Zu Andre Eminger
Wie haben Sie Andre Eminger kennengelernt? Welche Information hatte Andre Eminger zu ihrer Flucht und den Gründen für die Flucht? Welche Kenntnis hatte Andre Eminger zu ihren Lebensumständen? Hatte er Kenntnis von den Raubüberfällen und Tötungsdelikten? Haben Sie Andre Eminger von den Ereignissen vom 04.11.2011 berichtet und ggf. was? An welchem Ort hat Sie Andre Eminger abgeholt?

Antwort: Ich habe Andre Eminger während der Zeit in der Limbacher Straße – also zwischen Mitte Februar und Spätsommer 1998 – in Chemnitz kennengelernt. Max-Florian [Bu.] hatte diese Wohnung damals für uns angemietet. Entweder er oder Mandy Struck brachten Andre Eminger bei einem ihrer Besuche mit und stellten ihn uns vor. Später kam es dann wie gesagt dazu, dass Andre Eminger die Wohnung in der Wolgograder Allee in Chemnitz für uns angemietet hat. Zu diesem Zeitpunkt kannten weder Uwe Mundlos noch Uwe Böhnhardt oder ich seine Frau Susann. Andre Eminger wusste, dass Uwe Böhnhardt eine Haftstrafe anzutreten hatte und er wusste auch, dass in der von mir angemieteten Garage in Jena Sprengstoff gefunden worden war. Das waren die ihm bekannten Gründe für unser Untertauchen. Nach der Anmietung der Wohnung in der Wolgograder Allee nahm der Kontakt zu ihm ab. Nach der Geburt seines ersten Kindes wurde der Kontakt noch seltener. In den Folgejahren kam es nur noch zu sporadischen Kontakten mit Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und mir. Erst nach der Geburt seines zweiten Kindes im Sommer 2006 wurde unser Kontakt intensiver. Zu dieser Zeit lernte ich seine Frau Susann kennen und wir freundeten uns an. Ab Herbst 2006 haben mich Susann und die Kinder regelmäßig – das heißt im Durchschnitt ca. einmal wöchentlich – besucht. Gelegentlich war auch Andre dabei. Wie bereits erwähnt haben mir vor allem die Besuche mit den Kindern gut getan, da diese für mich eine Art Ersatzkinder waren, da ich selbst keine Kinder bekommen konnte. Am 11.01.2007 begleitete mich Andre Eminger zur Polizei in Zwickau, wo ich unter Verwendung des Ausweises seiner Frau als Susann Eminger auftrat und eine Zeugenaussage machte. Den Ausweis seiner Frau hatte mir Andre Eminger mitgebracht. Nachdem wir von der Polizei nach Hause zurückgekehrt waren, fragte Andre Eminger, warum wir drei denn eigentlich nicht wieder in das bürgerliche Leben zurückkehren würden bzw. wann wir das Untertauchen abbrechen würde. Bei diesem Gespräch waren dann auch Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt anwesend. Andre Eminger meinte, dass die Sache mit dem Sprengstoff in der Garage doch schon Jahre zurückliege und vermutlich bereits verjährt sei und dass auch die Haftstrafe, zu der Uwe Böhnhardt verurteilt worden war, doch auch irgendwann einmal verjährt sein müsse. Auf Grund seiner Hilfeleistungen in der Vergangenheit – nämlich die Anmietung der Wohnung, die logistische Unterstützung bei größeren Einkäufen von Lebensmitteln und zuletzt meine Begleitung zur Polizei vom selben Tag – vertrauten wir ihm nunmehr soweit, dass wir ihm von den zurückliegenden Raubüberfällen berichteten und dass dies der Grund sei, weshalb wir nicht einfach wieder auftauchen könnten. Von den Tötungsdelikten und Bombenanschlägen erfuhr er jedoch nichts. Nachdem ich am 04.11.2011 die Wohnung in der Frühlingsstraße in Brand gesetzt hatte rief ich Andre Eminger an und bat ihn um ein Treffen. Wir vereinbarten als Treffpunkt den Ort eines Black Metal Konzerts, bei dem Andre Eminger einmal gewesen war. Es handelt sich dabei um die Kreuzung der Crimmitschauer Straße mit der Dieselstraße, ca. 10-15 Gehminuten von der Frühlingstraße entfernt. Ich habe ihm dann erzählt, dass ich die Wohnung mit Benzin angezündet hätte, meine Kleidung deshalb stark nach Benzin roch und ich deshalb neue Kleidung benötigte. Er fragte mich, weshalb ich dies getan hätte. Ich berichtete ihm davon, dass Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt tot seien und dies ihr letzter Wille gewesen sei, den ich ihnen erfüllt hätte. Wir fuhren dann gemeinsam in seine Wohnung, wo er mir frische Kleidung seiner Frau gab. Susann war zu diesem Zeitpunkt nicht zuhause. Anschließend brachte mich Andre Eminger zum Bahnhof nach Chemnitz, nachdem in Glauchau kein Zug fuhr. Er fragte mich, was ich nun vorhätte, nämlich ob ich mich wie Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt auch umbringen wolle, mich der Polizei stellen oder flüchten würde. Da ich diese Frage selbst nicht genau beantworten konnte, blieb ich ihm eine Antwort schuldig. Wir verabschiedeten uns und ich ging in den Bahnhof. Das war das letzte Mal, dass ich Andre Eminger vor der Hauptverhandlung gesehen und gesprochen hatte.

Frage 9: Zu Susann Eminger
Welche Kenntnis hatte Susann Eminger von ihren Lebensumständen? Hatte sie Kenntnis von den Raubüberfällen und Tötungsdelikten? Hatten Sie am 04.11.2011 Kontakt zu Susann Eminger?

Antwort: Susann Eminger war – wie bereits oben erwähnt – etwa ab Herbst 2006 regelmäßig, das heißt im Durchschnitt einmal wöchentlich, bei mir zuhause, so dass sie dort natürlich sah, wie wir lebten. Sie kannte die Wohnung und auch mein Zimmer. Ich hatte darauf geachtet, dass bei ihren Besuchen keine Waffe offen herumlag, zumal sie fast immer ihre Kinder mitgebracht hatte. Ab dem Jahr 2007 wusste Susann Eminger, dass Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Raubüberfälle begangen hatten und dass wir von dem erbeuteten Geld lebten. Nachdem Andre über die Raubüberfälle informiert worden war, sprach mich Susann natürlich darauf an und ich bestätigte ihr dies. Von den Bombenanschlägen und den Tötungsdelikten hatte ich Susann – ebenso wie ihrem Mann – nichts erzählt. Am 04.11.2011 hatte ich keinen Kontakt zu ihr.

Frage 10: Zur Waffe von Holger Gerlach
Haben Sie aus den Erzählungen der beiden nähere Umstände hinsichtlich des Besorgens, der Lieferung und des Verwendungszwecks der Waffe erfahren? Was wissen Sie über die zeitliche Einordnung des Vorgangs?

Antwort: Eine zeitliche Eingrenzung des Vorganges fällt mir schwer. Ich erinnere mich noch daran, dass geplant war, dass Holger Gerlach über den Jahreswechsel 1999/2000 zu uns nach Chemnitz kommt und wir Silvester zusammen feiern wollten. Ich wartete am Bahnhof auf ihn, da er mit dem Zug anreisen wollte. Doch er kam nicht. Auch danach haben wir uns eine ganze Weile nicht getroffen. Ich schätze es war dann im Sommer 2001 als wir ihn wiedergesehen hatten. Holger Gerlach besuchte uns in Zwickau. Ich holte ihn – wie auch bei seinen anderen Besuchen – am Bahnhof ab und wir gingen gemeinsam in die Wohnung in der Polenzstraße. Weitere Einzelheiten bezüglich des Besorgens, der Lieferung und des Verwendungszwecks der Waffe sind mir nicht bekannt.

Frage 11: Zur Waffe von Jan Werner
Wann haben Sie von U.B. erfahren, dass eine weitere Pistole über Jan Werner geliefert worden sei? Haben Sie näheres über die Umstände der Lieferung erfahren?

Antwort: Eine genaue zeitliche Einordnung ist mir nach den vielen Jahren nicht möglich. Ich denke, es war zu Beginn unseres Untertauchens. Details hinsichtlich der Lieferung der Waffe oder zu deren Preis sind mir nicht bekannt. Weder Uwe Mundlos noch Uwe Böhnhardt hatten mir Einzelheiten mitgeteilt.

Frage 12: Bei welcher Gelegenheit und wann hatte ihnen Carsten Schultze die Vollmacht des Rechtsanwalts Dr. Eisenecker gegeben?

Antwort: Carsten Schultze hatte mir die Vollmacht in einem Kaufhaus in Chemnitz übergeben. Die diesbezüglichen Angaben des Carsten Schultze vom 5. Hauptverhandlungstag sind zutreffend.

Frage 13: Haben Ihnen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt mitgeteilt, welchen Zweck sie mit der Versendung der DVDs verfolgten?

Antwort: Sowohl Uwe Mundlos als auch Uwe Böhnhardt hatten mir zu keinem Zeitpunkt ihre Beweggründe hierfür näher erklärt. Es wurde nie erörtert, dass mit der Versendung und Veröffentlichung der DVDs politische Ziele erreicht werden sollen. Ich hatte auch nie konkret nachgefragt, weil wir dann über den Tod der beiden hätten sprechen müssen. Diese Gedanken – nämlich der Tod der beiden und mein weiteres Leben ohne sie – waren für mich unerträglich. Ich fragte deshalb nicht nach dem Warum oder Weshalb und verdrängte diese Vorstellungen. Rückblickend glaube ich, dass es Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt mit dem eigenen Tod vor Augen beruhigte, dass trotz ihres Todes einmal ihr Tun veröffentlicht werden würde.

Frage 14: Auf Grund welcher Umstände vermuteten Sie, dass auch die Morde Gegenstand des Films sein könnten? Was ist mit der Formulierung „ich verdrängte jedoch diesen Gedanken“ gemeint?

Antwort: Im Jahr 2000/2001 hatte ich Gesprächen der beiden entnommen, dass Uwe Mundlos eine DVD über die Raubüberfälle erstellen wollte. Von mir darauf angesprochen, was er für einen Film mache, erhielt ich zur Antwort, dass er es selbst noch nicht genau wisse. Über die Jahre hinweg fragte ich nicht nach, was mit dem geplanten Film sei. Ich konnte auch nicht sehen, ob er am Film arbeitete oder ob er mit Computerspielen beschäftigt war, denn er saß regelmäßig stundenlang an seinem Computer, während Uwe Böhnhardt und ich am Fernseher Filme und Serien anschauten oder anderweitig beschäftigt waren. Erst als sie mich darauf ansprachen, dass ich nach ihrem Tod die DVDs versenden solle, hatte ich mir Gedanken darüber gemacht, dass nicht nur die Raubüberfälle Inhalt des Films sein könnten. Die Tatsache, dass Uwe Mundlos mich bei der Erstellung des Films nicht einbezogen und ihn mir auch nie gezeigt hatte, ließ mich vermuten, dass der Film auch das Töten von Menschen zum Inhalt haben könne. Sowohl Uwe Mundlos als auch Uwe Böhnhardt konnten davon ausgehen, dass es für mich unproblematischer gewesen wäre, mir einen Film anzusehen, der nur die Raubüberfälle zum Gegenstand gehabt hätte, Wenn aber der Tod eines Menschen darin gezeigt würde, hätte ich damit sehr wohl ein Problem gehabt. Heute vermute ich, dass sie sich nicht sicher waren, ob ich die DVDs nach ihrem Tod tatsächlich versendet hätte, wenn sie mir den Film gezeigt hätten. Ich hatte beide nie darauf angesprochen, ob meine Vermutungen zutreffen. Hätte ich das gemacht, so wäre ich mir sicher gewesen, dass es zu größeren Auseinandersetzungen gekommen wäre – möglicherweise nicht nur verbaler Art. Dies wollte ich vermeiden. Ich verdrängte folglich den Gedanken, dass auch das Töten von Menschen Gegenstand des Films sein könne. Mit der Beschreibung „Verdrängen des Gedankens“ meine ich also, dass ich mich nicht weiter damit auseinandersetzen konnte, dass die beiden Menschen getötet hatten.

Frage 15: Wurde zwischen Ihnen und Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt besprochen, wie es mit Ihnen weitergehen sollte, falls die beiden Suizid begehen würden oder erschossen werden sollten Haben Sie im Hinblick auf den Eintritt einer solchen Situation Überlegungen angestellt, ggf. welche?

Antwort: Anfang Frühling 2008 – heute weiß ich nicht mehr, ob wir noch in der Polenzstraße oder schon in der Frühlingstraße wohnten – unternahmen Uwe Mundlos und ich eine Fahrradtour. Uwe Mundlos sprach mich während dieser Tour darauf an, ob ich mich mit dem Gedanken anfreunden könne, mich im Falle einer Entdeckung umzubringen. Ich sagte ihm, dass ich mich nie erschießen würde. Er erwiderte, dass es auch andere Methoden gäbe. Er schlug mir vor, dass ich mich mit Kohlenmonoxid umbringen könne. Auch dies lehnte ich ab. Dass ich im Falle einer Entdeckung lieber in Haft gehen würde, als mich umzubringen, konnte er nicht verstehen. Seine Einstellung erschreckte mich. An weitere Gespräche über dieses Thema kann ich mich nicht erinnern. Alles was mit dem Tod der beiden und den daraus resultierenden, möglichen Konsequenzen zusammenhing, wollte ich nicht wahrhaben. Ich habe auch nie ausführlich über meine eigene Zukunft nachgedacht. Natürlich ließen sich solche Gedanken nicht ganz ausschließen. Für mich kam jedoch ein Suizid nie in Frage, eine weitere alleinige Flucht aber auch nicht. Es wäre für mich also nur die Haft übrig geblieben, mit der ich mich gedanklich aber nicht auseinandersetzen wollte.

Frage 16: Haben Sie vor oder anlässlich der Brandlegung Überlegungen angestellt, wie sie im Anschluss daran weiter vorgehen werden und ggf. welche Überlegungen?

Antwort: Außer den groben Anweisungen von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, die Wohnung anzuzünden, die DVDs zu verschicken und ihre Eltern zu informieren, gab es keine weiteren Anweisungen der beiden. Vor der Brandlegung hatte ich nie darüber nachgedacht, wie ich im Ernstfall konkret vorgehen würde. Ich wollte mich mit diesem Gedanken nicht befassen und hoffte, dass diese Situation möglichst nie eintreten würde. Erst als ich erfahren hatte, dass Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt tot waren, begann ich damit entsprechende Überlegungen anzustellen. Nachdem ich die Wohnung angezündet und mich anschließend mit Andre Eminger getroffen hatte und schließlich am Bahnhof in Chemnitz angekommen war, hatte ich zum ersten Mal aktiv über meine weiteren Möglichkeiten nachgedacht. Ein weiteres Leben wie in den letzten 13 Jahren kam für mich nicht in Frage. Ich spielte mit dem Gedanken, mich ebenfalls umzubringen. Ich überlegte mich vor einen Zug zu werfen. Diesen Gedanken verwarf ich jedoch wieder und stellte mich stattdessen vier Tage später der Polizei. Zuvor wollte ich unbedingt meine Oma noch einmal wiedersehen, wozu es aber nicht mehr kam.

Frage 17: Zum Thema Auswanderung
Wurde der Gedanke an eine Auswanderung ins Ausland zu irgendeinem Zeitpunkt aufgegeben, ggf. wann und aus welchen Gründen?

Antwort: Ich meine mich zu erinnern, dass etwa Mitte 1998 – also relativ kurze Zeit nach dem Untertauchen – zum ersten Mal die Rede von Südafrika war. Konkreter wurde dies – soweit ich mich noch daran erinnern kann – aber erst Ende 1999. Zu diesem Zeitpunkt sprachen mich Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt mehrfach auf ihre Pläne an und fragten, ob ich mitkommen würde. Ich lehnte dies aus den bereits vorgetragenen Gründen ab. Beide kannten meine ablehnende Einstellung zum Auswandern und banden mich nicht in ihre Diskussionen ein. Sie wollten, dass ich nicht wisse, wohin sie innerhalb von Südafrika genau hinziehen würden, damit ich ihr Versteck auch nicht verraten könne. Die Argumente, warum die beiden mir insoweit misstrauten, habe ich bereits vorgetragen. Es war etwa zum Zeitpunkt des Umzugs nach Zwickau im Sommer des Jahres 2000, als der Auswanderungsgedanke von den beiden aufgegeben wurde. Heute weiß ich nicht mehr, ob sie mir damals Gründe für diese Entscheidung mitgeteilt hatten. Es wurde meiner Erinnerung nach nicht mehr über das Thema gesprochen.

Frage 18: Ende 1998 sei das Geld aufgebraucht gewesen. Über wieviel Geld hatten Sie verfügen können? Woher hatten Sie welche Beträge? Hatten Sie von Andre Kapke Geld bekommen, ggf. wie Hatten Sie von Carsten Schultze Geld bekommen, ggf. wie?

Antwort: Zum Zeitpunkt des Untertauchens hatten wir etwa 1.500 bis 2.000 DM zur Verfügung. Das meiste Geld hatte Uwe Böhnhardt, weil er seinen Dispokredit ausgeschöpft hatte. Ca. 300 DM stammten von mir. Ganz genau weiß ich heute nicht mehr, über wie viel Geld wir tatsächlich verfügten. Ich weiß aber, dass wir sehr sparsam lebten. Holger Gerlach hatte uns kurz nach unserem Untertauchen, den genauen Tag weiß ich nicht mehr, 3.000 DM gegeben, die Uwe Böhnhardt ihm später zurückzahlte. Auch die Mutter des Uwe Böhnhardt hatte uns zu Beginn unseres Untertauchens zweimal je 500 DM zur Verfügung gestellt. Ich möchte betonen, dass ich mich heute konkret nicht mehr an die Zahlungen erinnern kann. Ich gehe jedoch davon aus, dass Frau Böhnhardt in der Hauptverhandlung die Wahrheit gesagt hat. An die Tatsache, dass Sie uns Geld gegeben hat, erinnere ich mich, jedoch nicht an die genauen Beträge. Wie bereits unter Frage 7 ausgeführt glaube ich mich daran zu erinnern, dass Andre Kapke uns bei seinem Besuch 500 DM mitgebracht hat. Ich weiß nicht, ob uns Carsten Schulze damals Geld gegeben hat. Ausschließen möchte ich dies nicht, ich kann mich jedoch nicht konkret daran erinnern.

Frage 19: Von wem wurden welche Räume auf welche Art und Weise in der Wohnung in der Frühlingstraße genutzt?

Antwort: Zur Beantwortung dieser Frage füge ich eine Skizze bei, in welcher vermerkt ist, wer welchen Raum bewohnte und wie die Wohnung aufgeteilt war. Jeder hatte sein eigenes Zimmer und nur das Wohnzimmer, die Küche und die zwei Bäder wurden gemeinsam benutzt.

II. Fragen der Verteidigung Schultze

Frage 1: Wer veranlasste in der Zeit nach dem Untertauchen aus Ihrer Sicht den Telefonkontakt zwischen Carsten Schultze und dem sogenannten Trio? Wie wurde er hergestellt, wie häufig fand er statt und über welche Themen wurde gesprochen?

Antwort: Ich habe nie länger mit Carsten Schultze gesprochen. Der einzige Kontakt zu ihm war in dem Cafe in dem Kaufhaus, als ich die Vollmacht für Herrn Rechtsanwalt Dr. Eisenecker unterschrieben hatte. Die Telefonkontakte fanden ausschließlich mit Uwe Böhnhardt oder Uwe Mundlos statt, niemals mit mir. Ich wusste zwar, dass die drei miteinander telefonierten, ich wusste jedoch nicht, über was konkret gesprochen wurde. Mir ist bekannt, dass Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Telefonnummern von Telefonzellen in Jena kannten, die angerufen werden konnten. Ob es auch umgekehrt so war, also dass auch Carsten Schultze Telefonnummern von Telefonzellen in Chemnitz kannte, weiß ich nicht. Ich habe vage in Erinnerung, dass bei den Telefonaten immer gleich der Termin für das nächste Telefonat vereinbart wurde. Zur Häufigkeit der Telefonate kann ich keine weiteren Angaben machen. Bezüglich der Themen, über die gesprochen wurde, erinnere ich mich noch daran, dass über das Thema Ausland gesprochen wurde und darüber, wohin Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos verschwinden könnten.

Frage 2: Erinnern Sie sich an Kontakte zwischen Carsten Schultze und Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Ihnen vor dem Untertauchen im Jahr 1998? Wie häufig kamen sie vor und aus welchem Anlass fanden sie statt?

Antwort: Ich meine mich zu erinnern, dass ich vor dem Untertauchen einmal in der Wohnung des Carsten Schultze war. Zu den Kontakten zwischen Carsten Schultze und Uwe Mundlos bzw. Uwe Böhnhardt kann ich nichts sagen. Ob und gegebenenfalls wie oft sie sich getroffen haben, ist mir nicht bekannt.

Nachdem Borchert die Verlesung beendet hat, spricht Götzl Zschäpe an: „Das was vorgelesen wurde, sind Ihre Antworten? Ja.“ Zschäpe nickt. Götzl: „Dann nehmen wir die Skizze in Augenschein.“ Ein Justizangestellte legt das Blatt zur Inaugenscheinnahme auf, die Skizze wird an die Leinwände übertragen. Götzl: „Linkes Zimmer Böhnhardt, mittlerer Bereich Mundlos und rechts Zschäpe. Gibt es das wieder, Frau Zschäpe, wie es war? Ja.“ Zschäpe nickt. Götzl: „Dann werden wir eine Pause einlegen.“ Es folgt eine Unterbrechung bis 13:05 Uhr.

Götzl sagt, es gehe nun um Lichtbilder zum Thema Zeitschriften [siehe 270. Verhandlungstag, Zeugin Ar.]. Es seien bereits beim Zeugen Le. Lichtbilder dazu in Augenschein genommen worden, so Götzl. Dann wird ein Lichtbild von zusammen liegenden Artikeln in Folienhüllen in Augenschein genommen. Götzl: „Und in der Folge kommen dann die einzelnen Artikel.“ Zschäpe-Verteidiger RA Stahl: „Wenn ich das richtig sehe, ist das alles,was wir an Dokumentation zur Auffindesituation des ‚Archivs‘ in den Akten haben?“ Götzl: „Das ist das, was wir jedenfalls in Augenschein genommen haben.“

Dann verliest Götzl Hinweise des Senats zu den Beweisanträgen der Nebenklage Yozgat vom 270. Verhandlungstag. Götzl führt zu mehreren Stellen in beiden Anträgen aus, wie der Senat die Anträge verstehe.

Wohlleben-Verteidiger RA Nahrath beantragt dann, eine erweiterte Aussagegenehmigung für den Zeugen Görlitz zu erwirken, dahingehend, dass dieser auch zu Nick Greger und Toni Stadler, wie generell auch über 1997 und 1998 hinaus aussagen darf. Die Angeklagte Zschäpe, so Nahrath, habe angegeben, Böhnhardt habe ihr erzählt, dass Jan Werner ihm eine Pistole verschafft habe. Hinsichtlich dieser Waffe sei laut Zschäpe auch von einem Schalldämpfer die Rede gewesen, genauere Erinnerungen hieran habe sie jedoch nicht mehr. Der Zeuge Görlitz, so Nahrath weiter, habe bislang nur von Versuchen Jan Werners berichtet eine Waffe zu beschaffen. Es liege aufgrund der SMS vom 25.08.98 nahe, dass Jan Werner den V-Mann „Piatto“ deswegen ansprach und dieser in die Waffenbeschaffung involviert war. Es sei daher nicht ausgeschlossen, dass Werner die besagte Waffe nach dem 31.12.1998 beschaffte und diese von oder unter Vermittlung des V-Mannes Szczepanski alias „Piatto“ erhielt. Das Aussageverhalten des Zeugen Görlitz sei bisher davon geprägt gewesen, den Verfahrensbeteiligten so wenige Informationen wie möglich zukommen zu lassen. Widersprüche habe der Zeuge nur zögerlich und nur auf Vorhalt korrigiert. Görlitz sei aufzugeben, sich pflichtgemäß auf seine Zeugenaussage vorzubereiten. Der Senat habe darauf zu drängen, dass das Innenministerium Brandenburg die acht Leitz-Ordner, mit denen sich Görlitz vorbereitet habe, freigibt, damit Görlitz unbefangen aus diesen Unterlagen zitieren kann.

Nähere Angaben zu Waffengeschäften von „Piatto“ habe Nick Greger gegenüber „dem Nachrichtenmagazin Compact“ gemacht. Demnach sei „Piatto“ Anfang 2000 schnell in den Landesvorstand der brandenburgischen NPD aufgestiegen. An Greger und andere „rechte Kameraden“ solle sich „Piatto“ mit dem Vorschlag gewandt haben, eine Wehrsportgruppe zu bilden. Zuerst habe laut Greger nur in den Wäldern bei Halbe für einen „ominösen Tag X“ trainiert werden sollen. Laut Greger solle Szczepanski eine Bauanleitung und Schwarzpulver für einen Sprengsatz besorgt haben; Greger solle die Rohrbombe gebaut haben. Auch ein Präzisionsgewehr solle laut Greger angeschafft worden sein. Dann zitiert Nahrath aus dem Interview: „Außerdem bot er uns eine tschechische Pistole an, Kaufpreis 600 D-Mark. Gottlob lehnte ich ab. Seit ich weiß, dass die sogenannten Döner-Morde mit einer tschechischen Ceska-83 begangen wurden, mache ich mir über dieses Angebot meine Gedanken‘. Laut dem Berliner Polizeipräsidenten Klaus Kandt, so Nahrath weiter, sei Nick Greger vom 17.04.2001 bis zum 13. oder 18.03.2003 mit der Codierung „VP 598“ erst Informant und dann V-Person des LKA Berlin gewesen. In diesem Zeitraum seien mindestens 9 Treffen aktenkundig, acht in der JVA Tegel, eines in Dresden.

Die Anwerbung als VP habe im Frühjahr 2001 in der JVA Tegel stattgefunden, während Greger eine Haftzeit wegen einer Rohrbombe dort abgesessen habe die er nach seinen Angaben zusammen mit dem V-Mann Carsten Szczepanski gebaut haben wolle. Auch die Verbindungen zwischen dem von Görlitz geführten V-Mann Szczepanski und dem weiteren Spitzel Toni Stadler könnten sich als verfahrensrelevant erweisen. Der Zeuge Thomas Mü. habe über seinen RA bekundet, dass es 2006 in Dortmund ein Treffen zwischen Toni Stadler und Uwe Mundlos gegeben haben soll; es solle bei diesem Treffen um Waffengeschäfte gegangen sein. Stadler sei, so Nahrath weiter, ebenfalls V-Mann gewesen und stamme aus Guben in Brandenburg. Auch Stadler habe Kontakte zum V-Mann „Piatto“ gehabt. Aus den genannten Gründen ergebe sich, so Nahrath, dass weitaus umfänglicher in Waffenbeschaffungen für die „so genannte rechte Szene“ verwickelt gewesen ist, als er dies bisher eingeräumt habe, und dass dem Zeugen Görlitz dies in amtlicher Eigenschaft bekannt geworden ist. Der Senat nehme die unglaubhaften und erstaunlich lückenhaften Bekundungen des Zeugen Görlitz mit überraschender Langmut hin, so Nahrath. Deshalb besorge die Verteidigung Wohlleben, dass sich der Senat hinsichtlich des Herkunftsweges der Tatwaffe der Ceska-Mordserie bereits abschließend festgelegt hat. Der Verhandlungstag endet um 13:28 Uhr.

Das Blog „nsu-nebenklage“: „Der Tag begann mit Aussagen mehrerer Polizeibeamtinnen zu den Waffen, die in der Frühlingsstraße 26 und im Wohnmobil in Eisenach gefunden wurden. Dabei wurden auch praktische Beiträge zur Ausräumung von Verschwörungstheorien geleistet, konkret zu der, es sei keine Hirnmasse von Böhnhardt und Mundlos im Wohnmobil gefunden worden, was zeige, dass sie anderswo ermordet worden seien: auf Frage der Verteidigung Wohlleben gab ein Beamter der Tatortgruppe an, er habe „viel Hirnmasse und viel Blut“ im Wohnmobil gesehen. Auch die von der Verteidigung Wohlleben immer wieder angedeutete These, die Mordwaffe Ceska sei von Dritten in den Brandschutt der Frühlingsstraße eingebracht worden, wurde erneut widerlegt: der Polizeibeamte, der die Waffe aufgefunden hatte, gab an, sie habe ganz unten in dem Schuttberg gelegen und sei erst nach stundenlangem Abtragen gefunden worden, es habe auch an dem Tag außer der Polizei niemand Zutritt zu dem Gelände gehabt. Es folgten weitere Antworten der Verteidigung Zschäpe auf die Fragen des Gerichts und der Verteidigung Schultze, die von RA Borchert verlesen wurden. Wie zuvor blieben die Antworten total vage, Zschäpe will von nichts gewusst haben und sich über nichts Gedanken gemacht haben. Auch André Eminger habe nichts gewusst. Die von Zschäpes Verteidigern formulierten Antworten bleiben in den Kernfragen extrem detailarm, während Randgeschehen sehr detailreich beschrieben wird. Sie wirken darüber hinaus konstruiert, bereits in sich unglaubhaft und widersprüchlich: so hatte Zschäpe etwa zu Beginn behauptet, sie habe die beiden Männer mehrfach ausdrücklich angesprochen und aufgefordert, nicht mehr zu morden – heute dagegen gab sie an, sie habe sich nicht einmal getraut, Themen wie einen eigenen Internetanschluss anzusprechen, aus Angst, dass Uwe Böhnhardt sie schlagen würde. Der Vorsitzende kündigte an, dass die Fragen der anderen Beteiligten (also der Generalbundesanwaltschaft, der Nebenklage und des Sachverständigen) morgen gestellt werden könnten – die Befragung durch das Gericht ist demnach nunmehr abgeschlossen.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2016/03/16/16-03-2016/

Der Beitrag Protokoll 271. Verhandlungstag – 16. März 2016 erschien zuerst auf NSU Watch.

Protokoll 286. Verhandlungstag – 02. Juni 2016

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An diesem Verhandlungstag gibt es zunächst zwei Zeugenvernehmungen von Polizeibeamten. Dabei dreht es sich erst um Ermittlungen zum Konto von Ralf Wohlleben zwischen 1999 und 2000. Danach sagt ein Beamter zur Vernehmung von Carsten Schultze im Jahr 2012 aus. Dominiert wird der Prozesstag allerdings von der Verlesung von Gegenvorstellungen durch Vertreter_innen der Nebenklage zu Ablehnungen von Beweisanträgen. Dabei geht es u.a. um die V-Leute Ralf Marschner („Primus“), Carsten Szczepanski („Piatto“) und Michael Doleisch von Dolsberg („Tarif“).

Zeugen:

  • Bernd Ko. (Ermittlungen zu den Einnahmen und Ausgaben von Ralf Wohlleben 1999 bis 2000)
  • Thorsten We. (Vernehmung von Carsten Schultze am 12.09.2012)

Der Verhandlungstag beginnt um 09:53 Uhr. Es wird der Zeuge Bernd Ko. vom BKA gehört. Götzl: „Es geht uns um Ermittlungen zu Einnahmen und Ausgaben von Herrn Wohlleben, ein bestimmter Zeitraum, vom 01.01.1999 bis 31.12.2000. Mit welchen Ermittlungen waren Sie befasst? Was haben Sie letztlich ermittelt und zu welchem Ergebnis haben diese Ermittlungen geführt?“ Ko.: „Man muss vorausschicken, dass gerade für 1999 bis 2000 nur rudimentäre Daten vorlagen, die uns von den Banken zur Verfügung gestellt werden konnten. 10 Jahre Löschfrist, so auch in diesem Fall. [phon.] Die Commerzbank konnte noch mitteilen, dass Ralf Wohlleben ein Spar- und ein Girokonto bei der Commerzbank hatte, hatten aber nur noch rudimentäre Daten der Transaktionen: Wann, welche Höhe und ob die Transaktion eine Lastschrift, Überweisung oder Barabhebung war [phon.]. Weitere Daten waren nicht mehr verfügbar. Das Gegenkonto konnte daraus nicht mehr erkannt werden, man konnte nicht erkennen, wer hat Geld übersandt und wohin [phon.], auch nicht mehr die Daten des Verwendungszwecks. Ich habe also grob abgesteckt, über welche Geldmittel Ralf Wohlleben verfügen konnte. Auf dem Sparkonto wurden im Juli 1999 1.750 DM gutgeschrieben, Herkunft nicht feststellbar. So war ein Guthaben von rund 1.900 DM. Im Oktober 1999 wurden 900 Euro auf das Girokonto umgebucht und dann in mehreren Tranchen verbraucht, wie es den Anschein hat.“

Ko. weiter: „1.000 DM verblieben bis Mai 2001 auf dem Sparbuch und wurden erst im Mai 2001 aufs Girokonto umgebucht. Das waren alle Transaktionen, die dem Sparbuch zugeordnet werden konnten. Auf dem Girokonto waren natürlich mehr Transaktionen. 1999 wurden 19.000 DM an Einkommen erzielt, im Jahr 2000 waren es 20.800, die dann auch ausgegeben wurden, da wurde sogar mehr ausgegeben als eingenommen. Um die Herkunft etwas einschränken zu können, haben wir in die Asservate geschaut, da haben wir einen Lebenslauf aufgefunden und konnten erkennen, wo Ralf Wohlleben beschäftigt war. Anfang 1999 kurze Zeit der Arbeitslosigkeit, dann feste Arbeit im Einzelhandel von ca. April 1999 bis Juni 2000 und danach wieder arbeitslos. Das hat sich in den Summen der Zahlungseingänge widergespiegelt: Anfang des Jahres ein bisschen weniger, während der Vollbeschäftigung etwas mehr, am Ende etwas weniger. Zu den Geldflüssen: Grundsätzlich kann man sagen, das was rein gekommen ist, wurde im Monat auch wieder ausgegeben.“

Ko weiter: „Als er dann eine vollwertige Beschäftigung hatte, hat er regelmäßig mehr ausgegeben als eingenommen, so dass sich ein Dispokredit aufgetürmt hat: Im Februar 2000 waren es 1.700 DM [phon.], die das Girokonto im Soll war. Die Einnahmen im Monat waren da 1.500 DM. Das war der Höhepunkt. Dann wurde weniger ausgegeben als eingenommen, so dass dann im Laufe der Zeit das Girokonto auf Null gebracht werden konnte. Ich habe dann noch die Bargeldtransaktionen auf die Monate aufgeschlüsselt, ob da Auffälligkeiten waren. Für 1999 und 2000 gab es Monate, wo gar nichts abgehoben wurde, sonst so 2, 3, 800 DM, einmal auch 1.000 DM im Mai 1999 [phon.]. Auch daraus konnte man keine Auffälligkeiten ableiten. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass das Konto, so wie es mir vorlag mit den rudimentären Daten, für seine privaten Zwecke genutzt wurde, ansonsten keine relevanten Transaktionen, nichts, was auf eine Unterstützung oder kriminelle Handlungen hingedeutet hätte.“ Der Zeuge wird entlassen. Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders: „Wir würden uns gern dazu eine Erklärung vorbehalten.“

Es folgt der Zeuge Thorsten We. Götzl: „Es geht uns um die Beschuldigtenvernehmung von Herrn Schultze, 12.09.2012, mich interessiert die Situation, der Ablauf, inhaltliche Angaben, sein Verhalten und sonstige Besonderheiten.“ We.: „Ja, die Beschuldigtenvernehmung fand am 12.09.2012 im BKA Meckenheim statt, anwesend waren seine beiden Verteidiger, Herr Pausch und Herr Hösl, sowie der Herr [Timo] Ko. und ich. Die Beschuldigtenvernehmung kam auf Initiative des Herrn Schultze zustande. Rechtsanwalt Hösl hatte sich bei der Bundesanwaltschaft gemeldet, um um einen weiteren Vernehmungstermin zu bitten, da ihm weitere Sachverhalte zwischenzeitlich eingefallen seien. Zu Beginn hatten die Rechtsanwälte mitgeteilt, dass sie auch über die ideologische Einbindung Schultzes sprechen wollten. Und wir wollten auch noch was klären. Vor der Vernehmung hat Herr Schultze ein Gespräch mit den Rechtsanwälten geführt, etwa zwei Stunden. Er wurde als Beschuldigter belehrt und wir haben ihn dann gebeten, uns die Sachverhalte zu schildern, die er noch ergänzen wollte.“

We. weiter: „Er hat damit angefangen, dass er im Fernsehen ein Interview mit den Eltern Uwe Böhnhardts gesehen habe, dabei sei ihm eingefallen, dass er in Chemnitz einen Brief eines der beiden Uwes erhalten habe. Er habe in einem Kasten in Jena-Winzerla den Brief eingeworfen. Zum Inhalt könne er nichts sagen, weil er zugeklebt gewesen sei. Er wollte das auch mitteilen, um den Zeitpunkt der Waffenübergabe einzugrenzen. Er habe auch in den Akten gelesen, dass die Mutter von Mundlos im Rewe arbeiten würde. Ihm sei eingefallen, dass er mit Wohlleben mal im Rewe gewesen sei und dabei eher zufällig Frau Mundlos getroffen habe. Und Wohlleben habe gesagt, es sei in Ordnung, dass er, Carsten Schultze dabei sei und dass es ihrem Sohn gut gehen würde. Dann hat er zur Waffenübergabe Chemnitz angegeben, dass er da den Pullover mit ‚ACAB‘ angehabt habe, ein Comicmotiv, wo ein Glatzkopf einem Polizeibeamten auf der Motorhaube eines Polizeiwagens eine Waffe an den Kopf hält. Den habe er im Madleys gekauft und getragen, weil er farblich zur Hose passte. Er sei von einem der Uwes aufgefordert worden den Pulli auszuziehen, es sei kühl gewesen [phon.] und er habe gefroren.“

We. weiter: „Zur zeitlichen Eingrenzung. Dann berichtete er von zwei Szenekontakten nach dem Ausstieg. Einmal, ca. 2001, sei er mit Ronny Ar. unterwegs gewesen, dabei habe Ar. mit Tino Brandt telefoniert, sie seien zu Brandt gefahren, sie seien 10 bis 15 Minuten da gewesen und Brandt habe ihm seine Gay-Homepage gezeigt. Und er berichtete von einem Kontakt zu André Kapke. Er sei nach seinem Ausstieg in einen anderen Freundeskreis geraten, da sei auch die Marlen Ri. gewesen, die sei auch ein, zwei mal auf rechten Demonstrationen gewesen. Die habe ihn überredet, am ‚Braunen Haus‘ vorbeizufahren, um dem André Kapke zum Geburtstag zu gratulieren. Er habe da um die Ecke gewohnt damals. Er sei dort angestarrt worden von den Anwesenden. Er habe dem André Kapke gratuliert, ohne dass es weitere Gespräche gegeben habe. Kapke habe dort gelegen, sei wohl krank gewesen, und es sei das erste und letzte Mal gewesen, dass er das ‚Braune Haus‘ betreten habe. Der Anwalt hat gefragt, ob er wegen des Ausstiegs damals angemacht worden sei im ‚Braunen Haus‘. Das hat er verneint.“

We. fährt fort: „Dann wollten die Anwälte zur ideologischen Festigkeit des Mandanten fragen. Zuerst, wie tief denn seinen ideologische Verankerung gewesen sei. Schultze führte Beispiele auf: Diskussionen untereinander, Infostände, NPD-Thesenpapiere, JN-Schulungsbriefe und Schulungsveranstaltungen, die stattgefunden hätten. Einmal zum Thema Ostgebiete. Ansonsten sei man schnell zum gemütlichen Teil übergegangen. Und die Musik habe ihn wesentlich geprägt. Bücher habe er keine gelesen. Er hat erwähnt, dass er als JN-Stützpunktleiter die JN-Schulungsveranstaltungen vorbereitet habe, zusammen mit Ronny Ar. Dazu habe er die JN-Schulungsbriefe ausgewertet und mit Ar. besprochen, was mit den Kiddys, so wurde das genannt, besprochen werden sollte. Er wurde dann von seinem Rechtsanwalt noch gefragt, ob er Weisungen bekommen habe, womit sie sich bei den JN-Schulungen inhaltlich befassen sollten. Er hat gesagt, nein, dass er autonom gearbeitet habe, André Kapke und Ralf Wohlleben hätten sich da nicht eingemischt, die seien mit anderen Dingen beschäftigt gewesen, André Kapke mit Black Metal und Ralf Wohlleben mit Internet. Die JN-Schulungsbriefe habe er an ein Postfach zugesandt bekommen.“

We. weiter: „Der Rechtsanwalt hat nach Positionen in der Partei gefragt. Im vierten Quartal 1999 sei er Stützpunktleiter der JN Jena geworden, ein halbes Jahr davor sei der Kreisverband der NPD gegründet worden, wo er stellvertretender Vorsitzender wurde. Am 05.02.2000 [phon.] sei er in den Bundesvorstand der JN als Bundesgeschäftsführer gekommen, das habe Tino Brandt organisiert. Da habe er nur an einer Sitzung teilgenommen. Später sei er stellvertretender JN-Landesvorsitzender in Thüringen geworden. Tino Brandt, Ralf Wohlleben und André Kapke und Sandro Tauber wollten eigentlich, dass er Landesvorsitzender werden sollte, aber er habe abgelehnt weil er seinen Ausstieg schon im Hinterkopf hatte. Dann hat er auf Frage auch noch gesagt, dass es für seine Tätigkeit keine Vergütung oder Spesen gegeben habe und er die Auslagen auch selber habe tragen müssen. Dann weiter zu seiner Tätigkeit im NPD-Kreisvorstand, da hat ihn sein Rechtsanwalt gefragt. Er hat gesagt, er sei stellvertretender Vorsitzender gewesen und Ronny Ar. Schatzmeister. Wohlleben habe Tagesordnungspunkte mitgebracht, das sei man durchgegangen, z. B. dass der Schatzmeister Geld eintreiben sollte [phon.], dass Infostände und Demos angemeldet werden sollten. Er habe auch einmal Demo angemeldet, eine Gegendemo zu einer linken Demo, die habe aber nicht stattgefunden. Das habe Tino Brandt im Hintergrund organisiert.“

We.: „Dann wurde er nach den Infoständen gefragt. Da hat er gesagt, dass er da 10 bis 15 Mal teilgenommen habe, da wären dann Handzettel verteilt worden. Dann ging es um seine zeitliche Beanspruchung, wurde er gefragt, im Vergleich zu seinem restlichen Leben. Da hat er gesagt, er habe fünf Tage die Woche acht Stunden bei einer Zeitarbeitsfirma gearbeitet und deshalb nicht jeden Tag in der Szene unterwegs gewesen wäre, sondern schwerpunktmäßig am Wochenende. Wie Nachwuchs gewonnen worden wäre: Es sei nicht so gewesen, dass sie aktiv vor Schulen gestanden hätten, sondern Leute, die szenetypische Kleidung gewesen seien oder auf Partys mitgebracht worden seien, habe man angesprochen. Auf die Frage, wie: Es sei ein Mittelding zwischen Reden über Freizeitaktivitäten und politisch-ideologischen Themen gewesen. [phon.] Am wichtigsten wäre der gemütliche Teil gewesen, zusammensitzen und dazuzugehören. Er hat gesagt, es gab ein verbindendes Gefühl in der rechten Szene, er habe das Gefühl gehabt, überall hingehen zu können, überall Leute zu kennen in den Städten. [phon.]“

We. erzählt weiter: „Dann ging es um seinen Ausstieg. Sein Rechtsanwalt hat dazu formuliert, dass der Ausstieg eine unterbewusste Entwicklung gewesen sei, die sich durch äußere Einflüsse verdichtet habe. Das hat Schultze bestätigt. Dass er gemobbt worden sei und sich noch weiter zurückgezogen habe. [phon.] Es sei kritisch hinterfragt worden, warum er keine Freundin hätte. Und als er aus dem Unterbindungsgewahrsam entlassen worden sei, seien seine Eltern da gewesen und hätten ihn abgeholt, dafür [phon.] sei er von Ralf Wohlleben ausgelacht worden. Dann hat er erzählte zur Aussage von Jürgen Helbig zum Pogromly-Spiel: Er habe das Spiel zwar mal gesehen, aber mehr nicht damit zu tun gehabt. Und auf die Frage, wer dabei gewesen sei, als der mobile Dönerstand am Columbus-Center umgeworfen worden sei, sagte er, das weiß er nicht mehr, nur Daniel Sch. der seinen Schlüssel auf der Flucht verloren habe, ’99 oder 2000. [phon.] Dann hat er gesagt zum Einwerfen der Fensterscheibe der Dönerbude, da seien sie betrunken auf dem Weg zu einer Haltestelle gewesen. Eine Mischung aus spontaner Suffaktion und gegen Ausländer gerichteten Aktion.“

We. spricht weiter: „Solche Aktionen seien nicht geplant gewesen. Dann wurde er noch auf ein Schreiben des MAD angesprochen, wonach dort bekannt sei, dass ihm 2001 ein Aussteigerprogramm angeboten worden sei, das er aber abgelehnt habe, weil er sich der nationalen Bewegung weiterhin verpflichtet fühle, und in dem Zusammenhang habe er sich bei Kö. vom Staatsschutz Jena beschwert. Er hat gesagt, ihm sei nie ein Aussteigerprogramm angeboten worden. Auf Nachfrage seines Rechtsanwalts hat er ebenfalls verneint, dass er gesagt habe, dass er sich der rechten Szene weiterhin verpflichtet fühlen würde. Zum Schluss ist er nochmal gefragt worden, ob es neben dem Einbruch noch einen weiteren Einbruch mit Sven Kl., Spitzname ‚Torte‘ ,gegeben habe. Das hat er verneint. Dann haben wir gefragt, ob er noch was ergänzen wolle. Das hat er verneint.“

Götzl: „Wie war das Verhalten von Herrn Schultze bei der Vernehmung?“ We.: „Ich würde sagen, ruhig und sachlich und bedächtig ist er aufgetreten. Er hat ja zuerst von Sachen erzählt, die er auch erzählen wollte. Dann die Fragen der Rechtsanwälte, das war, ja, hat für mich nicht den Eindruck gemacht, dass das alles vorher abgesprochen gewesen sei. Sondern er hat immer noch überlegt, bevor er geantwortet hat. Er hat insgesamt aber sehr bedächtig geantwortet.“ Götzl fragt, ob Schultze den Kontakt mit Tino Brandt eingeordnet habe. We.: „Er hat gesagt, ca. 2001.“ Vorhalt: Auf Frage von RA Hösl, wann Herr Schultze Funktionen übernommen hatte: JN muss im letzten Quartal 1999 losgegangen sein, wir haben den Stützpunkt gegründet und ich leitete ihn. Der NPD-Kreisverband wurde ein halbes Jahr früher gegründet. Für den Posten im JN-Bundesvorstand wurde ich auserkoren, genauso wie bestimmt worden war, dass ich JN-Landesvorsitzender werden sollte, wogegen ich mich aber zur Wehr gesetzt habe. Alle haben mich bequatscht, Tino Brandt und Sandro Tauber, der es letztlich wurde. Ich wurde für maximal drei Monate noch stellvertretender Landesvorsitzender. We. bestätigt die Vorhalte. Götzl: „Hat er was dazu gesagt, ob er noch Aktivitäten entfaltet hat?“: We.: „Nicht mehr als in der Vernehmung drin steht.“ [phon.]

Vorhalt: Nichts mehr gemacht in der Funktion, da hatte ich die Füße schon still gehalten, weil bei dem Posten den Ausstieg schon im Hinterkopf hatte. Stellvertretender Bundesvorsitzender der JN wurde ich 2000 einen Tag vor meinem Geburtstag. We. bestätigt das. Götzl: „Hat er dazu was gesagt, was er in dieser Funktion gemacht hat?“ We.: „Er hat gesagt, einmal an einer Vorstandssitzung teilgenommen, ansonsten nichts gemacht.“ Götzl: „Wie kam es zu dieser Funktion?“ We.: „Der Tino Brandt habe da wohl mit dem Bundesgeschäftsführer Alexander Delle ein Gespräch geführt und die hätten das so vereinbart und das sei auch so umgesetzt worden.“ Vorhalt: Dazu kam ich über Tino Brandt, der hat mit Alexander Delle gesprochen. Was ein Bundesgeschäftsführer macht oder nicht, davon hatte ich damals keine Ahnung, das wurde einfach festgelegt, wer den Posten bekommt und das wurde dann umgesetzt. Es ging darum, Leute zu positionieren, damit man als Landesverband jemanden hat, der den Kopf hinhält. Es haben sich eher Leute geprügelt, um den Posten nicht zu bekommen. Und der Sandro Tauber ist es dann geworden. We. bestätigt die Vorhalte. Götzl: „Zum Punkt Sachbeschädigungen: Da hatten Sie gesagt, er hätte angegeben, dass das meist aus der Situation heraus entstanden sei. Hier im Protokoll findet sich: ‚Ist immer aus der Situation heraus entstanden‘.“ We.: „Ja.

Wohlleben-Verteidiger RA Nahrath: „Hat Herr Schultze in der Vernehmung irgendwas von einem Postfach berichtet?“ We.: „Ja, stimmt, die JN-Schulungsbriefe wären an ein Postfach gegangen, das er eingerichtet habe.“ RAin Schneiders: „Der Posten des Bundesgeschäftsführers der JN. Hier fällt die Begrifflichkeit: stellvertretender Bundesvorsitzender. Ist das erläutert worden?“ We.: „Wie ich mich erinnere, war das Thema gewesen, weil er mal gesagt hat Bundesvorstand, mal Bundesgeschäftsführer. Ich hatte den Eindruck: Er war mit dem Posten des Bundesgeschäftsführers im Bundesvorstand. Ich glaube, er war aber stellvertretender Bundesgeschäftsführer.“ [phon.] Schneiders: „Woher wissen Sie das?“ We.: „Ich habe das mal im Internet recherchiert.“ Schneiders: „Wo?“ We.: „Weiß ich nicht mehr. Wikipedia oder JN.“ Schneiders: „Sind mal der Vorsitzende Roßmüller oder der Alexander Delle dazu befragt worden?“ We.: „Kann ich nicht sagen.“ Auf Frage, ob es noch Fragen gebe, teilt die Verteidigung Schultze mit, dass sie eine Pause benötige. Um 10:53 Uhr geht es weiter. Schultze-Verteidiger RA Pausch: „Nur eine kurze Nachfrage: Hatten Sie die Anzahl der möglichen Beteiligten bei der Dönerbudenaktion genannt?“ We.: „Acht bis neun Leute.“ Der Zeuge wird entlassen. RAin Schneiders behält sich eine Erklärung vor.

Hoffmann verliest eine Gegenvorstellung gegen den Senatsbeschluss vom 11. Mai 2016, mit dem die am 12. April 2016 beantragte Vernehmung des Zeugen Ralf Marschner sowie mit diesem Zeugen in Zusammenhang stehende Beweis- und Beweisermittlungsanträge abgelehnt wurden: Die rechtliche Begründung der Ablehnung zeigt, dass diese um jeden Preis gewollt ist. Die Begründung ist so formuliert, dass es quasi beliebig ist, welcher der Maßstäbe des § 244 StPO zur Anwendung kommen soll. Die weit gehenden Ausführungen zu den jeweiligen Maßstäben können nicht darüber hinweg täuschen, dass die Ablehnung der Anträge nach jedem dieser Maßstäbe gelingen soll. Dafür hätte es gar nicht die Spitzfindigkeit der Unterstellung gebraucht, die Antragsteller wollten allein die bislang fehlende Glaubwürdigkeit Marschners unter Beweis stellen. Der Senat nimmt in dem Beschluss vielmehr nunmehr den grundsätzlichen Standpunkt ein: Was der V-Mann Marschner – oder andere V-Männer – über die Drei wussten, ob Marschner Mundlos und Zschäpe beschäftigt hat, ob Marschner durch das Anmieten von Fahrzeugen Beihilfe zu einigen der angeklagten Taten geleistet hat, ist unerheblich. Kurz zusammengefasst: Der V-Mann Ralf Marschner ist ein unbedeutender Zeuge und Beweise zu Leben und Aktivitäten von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt während ihrer Zeit in Zwickau sind irrelevant.

Der Senat versteigt sich sogar zu der Behauptung, etwaige Beihilfehandlungen von Marschner zu Morden seien hier nicht aufzuklären, wenn sie nicht konkret in der Anklage erwähnt sind. Dabei ist die Frage, welche Erkenntnisse staatliche Stellen aufgrund der Mitteilungen des V-Manns Marschner zu Aufenthalt und Handlungen von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt hatten, nicht nur ein – den Nebenklägern natürlich sehr wichtiger – Aspekt. Diesem Aspekt begegnet der Senat mit der folgender Überlegung: Eine Kausalität eines ggf. sogar tendierten staatlichen Nichteingreifens sei auch dann nicht nachzuweisen, wenn die Behörden eine Wohnung von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt festgestellt hätten. Denn in diesem Fall hätte das Trio aus der so festgestellten Wohnung bei einem etwaigen Festnahmeversuch fliehen können. Diese Überlegung greift sehr kurz und ist mit dem Aufklärungsinteresse der Nebenklage, geschützt durch die bereits dargestellten menschenrechtliche Vorgaben, nicht vereinbar. Das Aufklärungsgebot, nach dem der Senat den Anträgen hätte nachgehen müssen, gebietet die Vernehmung des Zeugen Marschner bzw. die Umsetzung der weiteren Beweis- und Beweisermittlungsanträge zu seiner Person aber auch schon allein deswegen, weil zu den Lebensumständen von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt während der Zeit in Zwickau nach dem Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme noch keine ausreichenden Feststellungen getroffen sind. Aus welchem Grund sollte es insbesondere für die Feststellungen zu der terroristischen Vereinigung „NSU“ nicht von Bedeutung sein, wenn Mundlos für eine Baufirma gearbeitet hat?

Eine solche Beschäftigung bedeutet nicht nur eine weitere Geldquelle. Die Finanzierung der Lebenshaltungskosten der Untergetauchten, aber auch der Kosten, die für die Vorbereitung und Ausführung der Taten angefallen sind, spielen in diesem Verfahren eine gewichtige Rolle. Eine Beschäftigung bedeutet, dass die Vereinigung auf ein Größeres als das bisher ermittelte Geldvolumen zurückgreifen konnte. Zugleich bedeutet eine Beschäftigung, dass die Mitglieder der Vereinigung sich in unglaublicher Sicherheit vor den Ermittlungsbehörden gewogen haben müssen, um das Risiko einer regelmäßigen Tätigkeit in der legalen Wirtschaft einzugehen. Eine Beschäftigung bedeutet schließlich ferner, dass es weitere Personen gibt, die Mundlos in der Zeit in Zwickau gekannt haben und die deshalb über seinen Charakter und politische Äußerungen ggf. Angaben machen können. Dasselbe gilt für eine Beschäftigung oder jedenfalls einen häufigen Aufenthalt der Angeklagten Zschäpe in Läden Marschners. Diese Personen und potentielle Zeugen wird der Zeuge Marschner benennen können, so dass sie geladen werden können.

Es wird außerdem beantragt, die Strafakte aus dem Verfahren der Staatsanwaltschaft Zwickau, das gegen den Zeugen Marschner und die gesondert verfolgte Susann Eminger wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung vom 21. April 2001 in Zwickau geführt worden ist, beizuziehen und Akteneinsicht hierein zu gewähren. Die Akte ist relevant, um weitere potentielle Zeugen namhaft machen zu können und für die weitergehende Begründung der Gegenvorstellung zu dem abgelehnten Antrag auf Ladung des Zeugen Ralf Marschner. Nach einem Bericht der Zeitung „Die Welt“ vom 17. Mai 2016 gehörten u.a. Ralf Marschner und Susann Eminger zu einer Gruppe von Neonazis, die am 21. April 2001 gezielt eine Schlägerei in einer Zwickauer Kneipe anzettelt haben sollen. Susann Eminger soll die Wirtin der Kneipe geschlagen haben und später ihren damaligen Verlobten André Eminger als Alibizeugen für die Tatzeit angegeben haben. Aus der Akte wird sich ergeben, welch engen Kontakt der Zeuge Marschner mit Susann Eminger und auch André Eminger hatte. In seiner Vernehmung hat Marschner zwar angegeben, Susann Eminger zu kennen, aber nicht, dass sie sich so eng kennen, dass sie etwa ein gemeinsam geplantes Gewaltdelikt begangen hätten und dass sie regelmäßig ihre Freizeit miteinander verbrachten. Weiter wird sich aus der Akte ergeben, wer zu der Gruppe gehörte, die die Kneipe mit überfallen hat und mit welchen von diesen Personen Susann und André Eminger regelmäßig verkehrten. Diese übrigen Beteiligten an der Schlägerei sind potentielle Zeugen für politische Einstellung und Aktivitäten von André Emingers. Das enge Verhältnis von Marschner und den Eheleuten Eminger ist relevant, da es zeigt, dass das BfV deutlich mehr Informationen über den Angeklagten Eminger haben muss, als es bisher mitgeteilt hat.

Die Gegenvorstellung ist von mehreren NK-Vertreter_innen unterschrieben. Es folgt dann die Mittagspause bis 12:06 Uhr.

Dann verlesen nacheinander RAin Basay, RA Elberling und RA Kuhn eine Gegenvorstellung gegen den Beschluss vom 02.03.2016, mit dem die am 16.09.2015 beantragte Beziehung der acht Ordner umfassenden Akten, die den Zeugen Görlitz und Meyer-Plath zur Vorbereitung auf ihre Vernehmungen in den parlamentarischen UAen und in der Hauptverhandlung vorgelegen haben, sowie der Hilfsantrag, nur die sich in diesen Ordnern befindlichen Treffberichte von den Treffen des V-Mannes Szczepanski mit seinen V-Mann-Führern beizuziehen, abgelehnt wurden. Zusätzlich wird beantragt, das Protokoll der durch das BfV nach dem 04.11.2011 und vor dem 28.01.2013 durchgeführten „Anhörung“ von Szczepanski beizuziehen. Zur Begründung wird ausgeführt:

A) Die Ablehnung des Antrages auf Beiziehung der acht Ordner wurde seitens des Senats u.a. damit begründet, dass die Aufklärungspflicht nicht zu einer Beiziehung dränge, da es keine Hinweise darauf gäbe, dass nicht alle für die Schuld- und Straffrage relevanten Aktenteilen übermittelt worden seien und da es weiter keine Hinweise darauf gäbe, dass der Zeuge Görlitz nicht zutreffende oder unvollständige Angaben in der Hauptverhandlung gemacht habe. Diese Begründung ist für die Unterzeichner nicht nachvollziehbar. Nach allem bisher Bekannten enthalten die genannten Akten weitere für die Schuld- und Straffrage relevante Informationen. Hinzu kommt, dass insbesondere die letzte Vernehmung des Zeugen Görlitz gezeigt hat, dass seine Angaben unglaubhaft und ihm deshalb Vorhalte aus den Akten zu machen und seine Angaben anhand der Akten zu überprüfen sind.
I. Bestandteil der Gerichtsakte in Bezug auf den Zeugen Szczepanski sind bisher nur zwei polizeiliche Protokolle von Vernehmungen Szczepanskis, fünf Deckblattmeldungen zu Treffen zwischen Szczepanski und seinen V-Mann-Führern, den Zeugen Görlitz und Meyer-Plath, in denen er Informationen zu den gesuchten Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt weitergegeben hat, sowie die Handakte des Zeugen Görlitz, die nicht freiwillig von ihm vorgelegt wurde, sondern erst aufgrund des Gebrauchs dieser Handakte durch den Zeugen in der Hauptverhandlung zur Gerichtsakte gelangte. Aus diesen bisher vorliegenden Erkenntnissen ergibt sich jedoch zum einen das Fehlen von Schriftstücken des VS Brandenburg mit konkreten, verfahrensrelevanten Informationen. Zum anderen sind die beantragten Akten in ihrer Gesamtheit verfahrensrelevant, weil sich aus einer Gesamtschau der darin enthaltenen Schriftstücke eine staatliche Mitverantwortung in der Form ergeben wird, dass die VS-Ämter gezielter und weiter gehend als bisher bekannt, Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt und deren Unterstützerumfeld in Chemnitz mit dem Ziel überwacht haben, Informationen über Leben und Netzwerke von Neonazis im Untergrund zu erhalten und deshalb die Strafverfolgungsbehörden in einer Art und Weise gesteuert haben, die eine Festnahme der Drei verhindert hat.
Die unter 1. und 2. dargelegten Erkenntnisse sind für die Schuld- und Straffrage der Angeklagten sowie für den menschenrechtlich begründeten Aufklärungsanspruch der Nebenkläger relevant.
1. Folgende konkrete Informationen fehlen in der Gerichtsakte, müssen sich jedoch in den beantragten Akten des Verfassungsschutzes Brandenburg, insbesondere in den Treffberichten über die Treffen der V-Mann-Führer mit dem V-Mann Szczepanski, befinden. Im Einzelnen
a) Es fehlen in der Gerichtsakte Schriftstücke des VS Brandenburg aus der Zeit 3. Februar bis März 1998, aus denen sich ergibt, was aufgrund der an alle Nachrichtendienste am 3. Februar 1998 verschickten Anfrage des TLfV zu Erkenntnissen zu den drei Untergetauchten, veranlasst wurde. Weiter fehlen Dokumente dazu, auf welcher Erkenntnisgrundlage und aufgrund welcher internen Analysen der damalige Leiter des VS Brandenburg, Hans-Jürgen Förster, am 14. März 1998 gegenüber der Presse das untergetauchte Trio als ein Beispiel für eine Entwicklung der rechten Szene hin zum Terrorismus anführte. Diese Aktenbestandteile des brandenburgischen Innenministeriums sind relevant, da sich aus ihnen ergibt, dass – entgegen der Behauptungen der V-Mann-Führer in der Hauptverhandlung – ihnen und dem Amt von Anfang an die drei Untergetauchten „Bombenbastler“ aus Jena ein Begriff waren, dass der V-Mann Szczepanski gezielt auf diese angesetzt bzw. nach ihnen gefragt worden und die Bedeutsamkeit
diesbezüglicher Informationen bekannt war (vgl. dazu auch unten unter 2a).

b) In der Gerichtsakte fehlt der Treffbericht, aus dem sich die Meldung von Szczepanski ergibt, die Drei seien im „Raum Chemnitz“ untergetaucht. Wie in dem Verfahren bereits mehrfach angesprochen, hat der Zeuge und V-Mann-Führer des TLfV, Norbert Wießner, am 7. September 1998 von dem Zeugen Görlitz telefonisch die Information erhalten, dass die Drei sich laut dem brandenburgischen V-Mann – also laut Szczepanski – im „Raum Chemnitz“ aufhalten. Diese Information findet sich bisher aber so in keiner der vorgelegten Deckblattmeldungen; in diesen ist immer nur von dem Unterstützerumfeld aus Chemnitz bzw. Limbach-Oberfrohna die Rede, aber nicht davon, dass sie in Chemnitz unterkommen sind. Der Vermerk spricht dafür, dass entweder der Treffbericht über die Mitteilung Szczepanskis vom 19. August 1998 noch weitere Informationen enthält, die auf der Deckblattmeldung fehlen, nämlich die des Aufenthaltsortes, oder, dass es zwischen dem 19. August und dem 9. September 1998 noch eine weitere Meldung oder Meldungen von Szczepanski zu dem Trio gegeben hat, für die bisher kein Treffbericht oder Deckblattmeldung vorliegt. Hierfür spricht, dass das Telefonat am 7. September 1998, also vor der der zweiten Mitteilung von Szczepanski zum Trio, stattfand und es dort heißt: „[…] die Quelle [hat]keine neuen Erkenntnisse mitgeteilt. Sie hat nur mitgeteilt, dass die Sächsischen Skins sich im Raum Chemnitz aufhalten […]“. Die entsprechende verschriftlichte Mitteilung des Zeugen Szczepanski ist
verfahrensrelevant, da sie belegt, dass spätestens am 7. September 1998 die
Verfassungsschutzbehörden in Thüringen und Brandenburg wussten, dass die Drei
sich im „Raum Chemnitz“ aufhielten.

c) Es fehlt des Weiteren in der Gerichtsakte auch der Treffbericht, aus dem sich ergibt, dass Szczepanski mitgeteilt hat, dass die Drei in Südafrika bei Claus Nordbruch untertauchen wollen, dass Nordbruch sich im Zeitpunkt der Meldung in Deutschland aufhielt, und der gegebenenfalls noch weitere, bisher nicht bekannte Einzelheiten zu der geplanten Ausreise nach Südafrika beinhaltet. Auch fehlen die Aktenteile, aus denen sich ergibt, was aufgrund dieser Information veranlasst wurde. In einem Vermerk des Innenministeriums Brandenburg vom 17. September 1998 heißt es: „Sie [gemeint ist das Trio]beabsichtigen eine Ausreise nach Südafrika. Der dortige Unterkunftsgeber ist bekannt und war kürzlich in Deutschland“. Handschriftlich findet sich daneben der Vermerk „ist noch ca. 10 Tage in Deutschland. (17.09.1998)“ . Der Name des Unterkunftsgebers wird in dem Vermerk nicht genannt, muss aber aufgrund der Erkenntnisse zur Aufenthaltsdauer in Deutschland bekannt sein. In der sich in der Gerichtsakte befindlichen Deckblattmeldung vom 9. September 1998 heißt es lediglich, eine Ausreise der Drei nach Südafrika sei geplant, ein konkreter Unterkunftsgeber und dessen derzeitiger Aufenthalt in Deutschland werden nicht genannt.

Der in Südafrika lebende rechtsextreme Publizist Claus Nordbruch war am 12. September 1998 in Deutschland und hatte auch Kontakt zu Unterstützern der Drei wie z.B. zu André Kapke, der ihn erst im August 1998 zusammen mit Mario Brehme in Südafrika besucht hatte . Darauf, dass es einen direkten – mglw. von André Kapke hergestellten – Kontakt zwischen Nordbruch und den Drei im September 1998 gab, deuten ein Buch von ihm und zwei Visitenkarten hin, die in der Frühlingsstraße 26 gefunden wurden. Im Übrigen hat Nordbruch selbst von einem Aufenthalt in Sachsen im Jahr 1998 berichtet. Wenn schon der Name von Nordbruch und dessen Aufenthalt in Deutschland auf den bisher vorliegenden Deckblattmeldungen fehlen, ist davon auszugehen, dass auch noch weitere, in den Treffberichten zu findende Einzelheiten zu der geplanten Ausreise nach Südafrika fehlen. Die Informationen zu dem Unterkunftsgeber Nordbruch sind u.a. zu der Bewertung der Angaben der Zeugen Kapke und Brehme notwendig, da dadurch deren Behauptung, sie hätten mit Nordbruch nicht über die Unterbringung der Drei gesprochen, erheblich in Zweifel gezogen wird.

d) Es fehlt in der Gerichtsakte auch der Treffbericht, aus dem sich ergibt, was das Innenministerium Brandenburg in dem Vermerk vom 17. September 1998 zu Werners Rolle bei der Waffenbeschaffung festgehalten hat. Es heißt dort: „Werner hat nicht gesagt, dass er bereits Waffen beschafft oder geordert hat, sondern er hat mehr den Eindruck vermittelt, das er jemanden suche, der Waffen beschaffen kann.“ In der korrespondierenden Deckblattmeldung heißt es hingegen nur: „Jan Werner soll zur Zeit den Auftrag haben, ‚die drei Skinheads mit Waffen zu versorgen'“. Der Sinn beider Aussagen ist zwar der gleiche, jedoch fehlt in der Deckblattmeldung die offensichtlich von dem V-Mann Szczepanski stammende und mit Unsicherheiten belegte Einschätzung „Eindruck
vermittelt“. In der Deckblattmeldung wird diese vielmehr als feststehend dargestellt.
Daraus ergibt sich, dass der der Deckblattmeldung zugrunde liegende, sich nicht in der Gerichtsakte befindliche Treffbericht auch bezüglich der Frage der Waffenbeschaffung ausführlicher gehalten ist. Die Fragen, wie und woher die Vereinigung ihre Waffen erhalten hat, sind zweifellos verfahrensrelevant.

e) Es fehlen in der Gerichtsakte auch die Unterlagen, aus denen sich ergibt, dass Szczepanski die Informationen zu den Waffen und den Überfällen in einem Vier- Augengespräch erworben hat und dieses für einen möglichen Test seiner Person hielt. Diese Umstände ergeben sich jedoch aus einem handschriftlichen Vermerk über ein Telefongespräch vom 21. September zwischen dem Abteilungsleiter Tüshaus und einem unbekannten Beamten des VS Brandenburg. Sie sind relevant, da dieser Vermerk so gelesen werden kann, als ob Szczepanski mit der Beschaffung von Waffen beauftragt worden ist und dies ein Test sein soll („Weiterleitung der Meldung sei unmittelbar gefährlich für Quelle, da Vier-Augengespräch. Es handelt sich möglw. um Test, da andere Beschaffungsform leichter“).

f) Es fehlen in der Gerichtsakte darüber hinaus Schriftstücke zu einem oder zwei Treffen der drei Landesverfassungsschutzbehörden Brandenburg, Sachsen und Thüringen am 15. oder 17. September 1998. Aus der Akte bekannt ist bisher nur ein Vermerk des sächsischen LfV zu einem Treffen am 17. September 1998 sowie eine Erwähnung eines Treffens an diesem Tag in der Chronologie, die der Zeuge Görlitz in seiner Handakte hatte, bekannt. In Zusammenhang mit diesem oder diesen Treffen ist der bereits erwähnte Vermerk des brandenburgischen VS vom 17. September entstanden, der – ohne Erwähnung des Datums des Treffens – Erkenntnisse zum Aufenthaltsort Trio zusammenfasst. Dass es vor dem 17. September bereits ein Treffen gab bzw. dass das fragliche Treffen nicht am 17., sondern am 15. September stattgefunden haben könnte, ist erst aufgrund der öffentlichen Sitzung der brandenburgischen Parlamentarischen Kontrollkommission vom 12. April 2016 bekannt geworden; die dort gezeigte Powerpoint-Präsentation mit den entsprechenden Angaben zu einem Treffen der drei Landesverfassungsschutzbehörden am 15. September ist dieser Gegenvorstellung beigefügt.

Ob es am 15. und am 17. September 1998 Treffen gab, oder ob das Treffen vom 15. September von dem sächsischen VS lediglich in dem Vermerk unzutreffend auf den 17. September 1998 datiert wurde, ist offen. Die entsprechenden brandenburgischen Vermerke oder Ausarbeitungen zu dem oder den Treffen drei Verfassungsschutzbehörden sind relevant, um aufzuklären, ob es sich um ein oder zwei Treffen gehandelt hat und welche Absprachen und Maßnahmen dort auf die Meldungen von Szczepanski hin getroffen worden sind. Aus den im Folgenden dargelegten Umständen wird sich ergeben, dass aus sachfremden Erwägungen die Informationen nicht zur Festnahme der Drei verwandt bzw. weitergegeben worden sind. Dem stehen auch nicht die Gründe in der Ablehnung des entsprechenden Antrags der Nebenklage Yozgat auf Aufklärung der Umstände eines Treffens vom 17. September 1998 durch den Senat entgegen, da in dem Beschluss noch von einem Treffen am 17. September 1998 ausgegangen wurde. Nunmehr ist jedoch unklar, ob es eines oder zwei Treffen gab und was der Inhalt der Treffen war.

2. Es fehlen, wie oben dargelegt, nachweislich nicht nur einzelne Dokumente mit verfahrensrelevanten Informationen, vielmehr drängt die Aufklärungspflicht auch, die Akten in ihrer Gesamtheit beizuziehen, da sich aus der Gesamtschau der in ihr enthaltenen Schriftstücke nachfolgendes ergeben wird:
– dass der Aufenthaltsort der untergetauchten Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt nicht erst durch die Meldung von Szczepanski bekannt geworden ist, sondern dass dieser wie auch der Unterstützerkreis schon vorher bekannt war und Szczepanski gezielt nach Chemnitz und an die dortige B&H Sektion, insbesondere an Jan Werner, herangesteuert wurde, um Informationen zu den Dreien zu erlangen;
– dass es eine gemeinsame Entscheidung wenigstens der VS-Behörden von Thüringen und Brandenburg gab, die insbesondere bereits im TLfV vorliegenden konkreten Informationen über den Aufenthaltsort und die Unterstützer der Drei durch entsprechende Meldungen der V-Männer Degner und Szczepanski aktenkundig zu machen;
– dass dem Innenministerium Brandenburg und den V-Mann-Führern Görlitz und Meyer-Plath der Inhalt der am 25. August 1998 von Werner an Szczepanski versandten SMS mit dem Inhalt „Was ist mit dem Bums?“ schon vor dem 4. November 2011 bekannt war, dass mit dem V-Mann Szczepanski deren Inhalt erörtert worden war, dass Szczepanski angegeben hatte, von Werner mit der Beschaffung von Waffen für die Drei beauftragt worden zu sein, dass es in der Folge mindestens weitere Kommunikation zwischen Szczepanski und Werner in Bezug diese Frage gab und es aus dieser Kommunikation weitere, bisher nicht bekannte relevante Erkenntnisse gibt;
– dass es nach der Meldung von Szczepanski vom 9. September 1998, nach der die Drei durch Jan Werner und B&H mit Waffen versorgt werden sollen und einen Überfall begangen und einen weiteren begehen wollten, in der Zeit vom 14. bis zum 21. September 1998 zu umgehender und intensiver Kommunikation und auch Aktivitäten in den VS-Behörden Brandenburg, Thüringen und Sachsen und dem Bund gekommen ist, die belegen, für wie dringlich die Angelegenheit schon damals gehalten wurde;
– dass zu diesen Aktivitäten u.a. zwei Treffen der drei Landesbehörden vom 15. und 17. September 1998 gehören, wobei in dem Treffen vom 17. September 1998 entschieden wurde, Quellenschutzgründe gegenüber den Strafverfolgungsbehörden anzugeben, damit die bei den Nachrichtendiensten bekannten Informationen nicht durch die Polizei für eine Festnahme der Drei verwendet würden und dass somit deren Festnahme verhindert wurde;
– dass es auch nach dem letzten in der Handakte des Zeugen Görlitz dokumentierten Kontakt vom 21. September 1998 eine fortlaufende Zusammenarbeit zwischen den Verfassungsschutzbehörden von Thüringen, Sachsen, Brandenburg und dem Bund in Bezug auf das Trio gab, dass in dieser fortlaufenden Zusammenarbeit konkrete Operationen abgesprochen wurden mit dem Ziel, die drei Untergetauchten und ihre Unterstützer zu überwachen, um Information über die Organisation von Neonazis im Untergrund, die angewandte Art und Weise der Waffen- und Geldbeschaffung zu erhalten und dass durch diese Überwachung auch konkrete Informationen über die Gründung einer terroristischen Vereinigung durch mindestens die drei Untergetauchten bekannt wurden, dass eine Weitergabe des Wissens und Festnahme der Drei jedoch weiterhin nicht im Interesse der VS-Behörden lag und deshalb die notwendigen Schritte dazu unterblieben (dazu unter f).

Diese Schlussfolgerungen lassen sich im Einzelnen aus Folgendem ableiten:
a) Schon vor der Meldung von Szczepanski waren der Aufenthaltsort und das Unterstützerumfeld der drei Untergetauchten den VS-Behörden bekannt. Szczepanski wurde gezielt an diesen Kreis in Chemnitz herangesteuert, um Informationen über die drei Untergetauchten und deren Unterstützer zu erlangen. Die bekannten und bisher noch unbekannten Informationen, die auf Chemnitz als Unterbringungsort hinwiesen, hatten sich – unabhängig von den Chemnitzer Adressen auf der angeblich nicht ausgewerteten Adressliste von Mundlos – schon vor der ersten Meldung von Szczepanski vom 19. August 1998 so verdichtet, dass der Aufenthaltsort der Drei eindeutig zu bestimmen war. Deshalb spricht viel dafür, dass Szczepanski gezielt vom VS Brandenburg nach Chemnitz gesteuert und auf die dortige B&H-Szene und auch die drei Untergetauchten angesetzt worden war.
aa) Tino Brandt hatte dem TLfV bereits im Februar 1998 mitgeteilt, dass Rachhausen wahrscheinlich am 16.02.1998 nach Dresden gefahren war, um das verunglückte Fluchtauto der Drei abzuschleppen. Damit war bekannt, dass Sachsen zumindest ein mögliches Fluchtziel der Drei gewesen war.

bb) Spätestens im März/April 1998 sprachen alle Indizien für Chemnitz als Aufenthaltsort der Untergetauchten. Aus einer TKÜ des TLKA bei dem Zeugen Jürgen Helbig war bekannt geworden, dass dieser in Bezug auf die Drei am 17. März und am 16., 20. und 22. April 1998 aus Chemnitz angerufen worden war. Von Ralf Wohlleben sind zwei Anrufe, einer am 13. April 1998 und einer erneut am 31. August 1998, bei Thomas Starke registriert. Einer der Anrufer bei Jürgen Helbig aus Chemnitz war aufgrund seiner Stimme von einem noch unbekannten sächsischen V-Mann als Jan Werner identifiziert worden; wann die Identifizierung stattfand, ist nicht bekannt. Unmittelbar nach den festgestellten Anrufen aus Chemnitz fand vom 23. bis 24. April 1998 eine Observation von Jan Werner und Michael und Antje Probst durch das sächsische LfV statt.
cc) Laut der Quellenmeldung eines noch unbekannten sächsischen V-Mannes hat Antje Probst bei einem B&H-Treffen in Sachsen am 14. Juni 1998 angeregt, die politische Arbeit im Untergrund weiter und in Form von Anschlägen durchzuführen.

dd) Ab dem 4. August 1998, also bereits vor den Meldungen von Degner und Szczepanski, hörte das TKLA die heute bekannten Unterstützer des Trios aus Chemnitz Thomas Starke, Jan Werner und Hendrik Lasch ab. Woher der ursprüngliche Hinweis auf die sächsische B&H-Sektion als Unterstützerkreis des Trios kommt, ist bisher nicht bekannt und ergibt sich nicht aus den Akten. Die erste Erwähnung dieses Kreises ist eine Abfrage des TLfV bei der Personenzentraldatei, der Verbunddatei der VS-Ämter, am 31. Juli 1998 zu Hendrik Lasch, Jan Werner und Thomas Starke, für die kein Anlass aktenkundig ist. Aus diesen Umständen ergibt sich zwangsläufig, dass es spätestens ab Juli 1998 neben den genannten Informationen weitere, bisher noch nicht bekannte Erkenntnisse gegeben haben muss, die auf Starke, Werner und Lasch als Unterstützer hinweisen.
ee) Durch die TKÜ der Zielfahndung waren also nicht nur die Chemnitzer Unterstützer bereits ab Frühjahr 1998 bekannt, sondern es gab ausreichend Anhaltspunkte für das Aufspüren bzw. eine Festnahme der Drei, wie z.B. in Zusammenhang mit dem durch die TKÜ bekannt gewordenen Umzug der Drei von der Wohnung von Max-Florian [Bu.] in die Altchemnitzer Straße am 30. August 1998.

ff) Diese Informationen des TLKA aus den TKÜs, zu dem Aufenthaltsort – also Chemnitz, und den zutreffenden Unterstützern – also Starke, Werner, Lasch – standen auch dem TLfV zu Verfügung, während nicht alle Informationen des TLfV auch dem TLKA übermittelt wurden. Dies ergibt sich aus dem damaligen Schriftverkehr und aus den Zeugenaussagen von Beamten des TLKA, wie EKHK Dressler in der Hauptverhandlung vom 04.09.2014. Der Zeuge KHK Wunderlich von der Zielfahndung des TLKA legte bereits damals in einem Vermerk vom 14. Februar 2001 und erneut nach dem 4. November 2011 dar, dass die Zielfahndung einseitig vom TLfV abgeschöpft worden sei und dass das TLfV nie wirklich an einer Festnahme der Drei interessiert gewesen war.

gg) Der V-Mann Szczepanski war 1998 in der JVA Brandenburg inhaftiert, war Freigänger und machte ab April 1998 ein „Praktikum“ im Szeneladen „Sonnentanz“ von Antje und Michael Probst in Chemnitz. Szczepanskis V-Mann-Führer Görlitz und Meyer-Plath behaupteten in der Hauptverhandlung, das Praktikum habe Szczepanski selber organisiert und er sei nicht gezielt nach Chemnitz und auf die dortige B&H Sektion gesteuert worden. Diese Angabe ist völlig unglaubhaft, da nicht ersichtlich ist, warum Szczepanski, der aufgrund der Vielzahl seiner Szenekontakte und seinem hohen Szeneansehen in Brandenburg oder Berlin sofort ein Praktikum bekommen hätte, in das weit entfernte Chemnitz auswich. Das konnte weder sein eigenes noch im Interesse des VS Brandenburg sein, da Szczepanski laut den Angaben seiner V-Mann-Führer in der Hauptverhandlung die brandenburgische Szene aufklären sollte und die Fahrten nach Chemnitz für alle Seiten einen erheblichen Zeitverlust darstellten. Wie dargelegt, war jedoch schon im April 1998 bekannt, dass zumindest Jan Werner, ein enger Vertrauter der Eheleute Probst, die drei Untergetauchten in Chemnitz unterstützte, so dass dies den Grund für den gezielten Einsatz von Szczepanski in Chemnitz darstellt.

hh) Wie bereits unter 1.c) dargelegt, war dem Innenministerium Brandenburg nicht nur durch die allgemeine Mitteilung des TLfV vom 3. Februar 1998 das Untertauchen der Drei bekannt, sondern amtsintern spätestens Anfang März 1998 der Charakter der Aktivitäten und die Gefährlichkeit der Drei zutreffend analysiert worden, wie das genannte Interview mit dem damaligen Leiter Förster belegt. Schließlich muss dem Innenministerium auch durch Analysen des BfV und des sächsischen LfV, die sich mit ihrer eigenen Einschätzung deckten, die Gefährlichkeit der drei Untergetauchten bekannt gewesen sein. Dem wöchentlichen Rundschreiben „BfV aktuell 7/1998″ von 9. Februar 1998 ist zum Fall „Rohrbomben in Jena“ zu entnehmen, dass das BfV davon ausging, dass die Drei systematisch Gewalt geplant bzw. vorbereitet hätten. In dem Dossier des sächsischen LfV „Extremismus in Ostdeutschland“ werden die Taten der Drei als „rechtsterroristischer Ansatz“ bewertet. Nach der Einstufung der Handlungen der Drei als rechtsterroristisch gab es beim brandenburgischen VS und dessen Auswertungsabteilung also das Wissen und das Interesse, weitere Informationen – u.a. durch den V-Mann Szczepanski – zu den Drei zu erlangen.

ii) Die oben genannten Gründe belegen, dass Szczepanski den weit von der JVA Brandenburg entfernten „Praktikumsort“ auf Betreiben des VS angenommen hat, damit er u.a. über die Eheleute Probst und den engen Vertrauten von Antje Probst, Jan Werner, Informationen zu den Drei erhalten sollte. In den Gerichtsakten fehlen diese Dokumente zu der gezielten Steuerung von Szczepanski in Richtung des untergetauchten Trios. Es ist davon auszugehen, dass sich diese Unterlagen, also die schriftliche Anweisungen der Abteilung „Auswertung“ an die Abteilung „Beschaffung“ im VS Brandenburg in den beantragten Akten befinden. Diese Dokumente sind auch für sich genommen verfahrensrelevant, da sie zeigen werden, dass Szczepanski nicht beiläufig Informationen zu den Drei erlangt hat, sondern gezielt auf sie angesetzt war und dies bisher nicht offen gelegt worden ist.

b) Anfang September 1998 entschieden mindestens der thüringische und der brandenburgische VS, das bisher bei den beiden Diensten aufgelaufene – und bis heute nicht bekannte – Wissen zu den drei Untergetauchten aktenkundig zu machen. Am 2. September 1998 hatte das TLfV vom VS Brandenburg die erste Deckblattmeldung zu der Mitteilung von Szczepanski, Antje Probst hätte gemeldet, drei „sächsische Skinheads“ seien auf der Flucht und wollten nach Südafrika ausreisen, erhalten. Wie dargelegt, telefonierte daraufhin der Zeuge Wießner vom TLfV am 7. September 1998 mit dem Zeugen Görlitz, der Wießner zusätzlich mitteilte, dass ihr V-Mann – also Szczepanski – gemeldet habe, die Drei seien im Raum Chemnitz. Aufgrund dieser Mitteilung entfaltete der V-Mann-Führer Wießner – der zu der damaligen Zeit alle fünf V-Leute bzw. Gewährspersonen im TLfV führte, die etwas zu dem Trio gemeldet hatten – eine erhebliche Betriebsamkeit. Noch am selben Tag fand im TLfV eine Unterredung zwischen Wießner und seinen Vorgesetzten Schrader und Nocken statt, bei der beschlossen wurde, den V-Mann Marcel Degner – VM 2100 – über eine Sonderprämie von 3.000 DM für Informationen zu dem Trio zu informieren. Eine Prämie, die die Staatsanwaltschaft schon Ende Mai 1998 ausgelobt hatte. Nicht beteiligt an diesem Treffen wurde der eigentliche V-Mann-Führer von Degner, Jürgen Zweigert. Am folgenden Tag, den 8. September 1998, traf nicht Zweigert, sondern der nur vertretungsweise zuständige Zeuge Wießner den V-Mann Degner und dieser sprudelte nur so vor Informationen zu dem Trio und dessen möglichen Unterstützern.

Diese Informationen hatte der V-Mann offensichtlich nicht gezielt eingeholt, sondern verfügte schon längere Zeit über sie – ob oder ggf. warum er diese nicht früher mitgeteilt hat, ist nicht aktenkundig. U.a. gab Degner laut der vorliegenden Deckblattmeldung vom 9. September 1998 an, Zschäpe sei mit dem B&H-Mitglied Thomas Starke liiert gewesen, André Kapke wiederum habe ein enges Verhältnis zu Starke und als Unterstützer des Trios kämen die B&H-Mitglieder Jan Werner und Antje Probst in Chemnitz in Frage. Einen Tag später, am 9. September 1998, folgte die entscheidende Meldung von Szczepanski, die die Informationen von Degner bestätigte und ihnen weitere hinzufügte: nämlich dass mit Geldern der B&H-Sektion Sachsen durch Jan Werner Waffen für das Trio gekauft werden sollten, diese einen Überfall begangen hatten, einen weiteren Überfall planten und mit dem Geld nach Südafrika auswandern wollten. Degner und Szczepanski meldeten also in einer insbesondere beim TLfV auffälligen Abfolge von Ereignissen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen denselben Unterstützerkreis. Dieser Umstand deutet daraufhin, dass die beiden Ämter sich abgesprochen und entschieden hatten, dass die Information bzgl. der Unterstützung der Drei durch B&H Chemnitz aktenkundig werden sollte oder das das TLfV dem Innenministerium Brandenburg mit der offiziellen Niederschrift der bisher nicht verschriftlichten eigenen Informationen zuvorkommen wollte. Die möglichen Absprachen zwischen den Ämtern fehlen in der Gerichtsakte. Die Feststellung dieser Absprache ist im Hinblick auf die staatliche Mitverantwortung bezüglich der angeklagten Taten verfahrensrelevant.

c) Die Version des Zeugen Görlitz zu der SMS von Werner an Szczepanski mit dem Inhalt: „Was ist mit dem Bums?“ ist – entgegen der Ausführungen in dem Beschluss des Senats vom 10. Mai 2016 – nicht glaubhaft, vielmehr ist davon auszugehen, dass dem Amt und Szczepanski diese SMS schon damals bekannt war und es zu einem weiteren Kontakt zwischen Werner und Szczepanski in Bezug auf den Inhalt der SMS gekommen ist und es aus dieser Kommunikation weitere, bisher nicht bekannte, relevante Erkenntnisse gibt. Die bisher letzte Version des Zeugen Görlitz, wie sie sich aus dessen schriftlicher Ausarbeitung und den letzten Angaben in der Hauptverhandlung vom 2. März 2016 ergibt, ist folgende: Er habe am 25. August 1998 gegen 15.00 Uhr zusammen mit dem V-Mann zwei neue Handys jeweils mit einer neuen SIM-Karte gekauft. Das für Szczepanski bestimmte Gerät habe er nach dem Kauf gegen 16.00 Uhr – der letzte Anruf fand laut Akte um 16.25 Uhr statt – ausgetauscht und habe dieses, ohne dass es zu einer Übertragung der Daten gekommen wäre, „eingezogen“.

Obwohl das Treffen mit Szczepanski bis 20.00 Uhr gedauert habe, hätten weder er noch Szczepanski von der SMS Kenntnis gehabt, da das Handy unmittelbar nach seiner Übergabe an ihn ausgeschaltet worden wäre. Später sei das Handy von weiteren Mitarbeitern des Amtes, ohne inhaltlich ausgewertet worden zu sein, zerstört worden, was er aber erst nach dem 4. November 2011 erfahren hätte. Entgegen dieser Version sprechen alle Umstände dafür, dass das Handy und die SIM-Karte nicht sofort eingezogen wurden und Szczepanski bzgl. des Inhaltes der SMS auf Anweisung des Amtes weiter Kontakt mit Werner hatte. Dies ergibt sich aus folgenden, zu den bereits in dem abgelehnten Antrag der Nebenklage Yozgat genannten, zusätzlichen
Gründen:

aa) Schon die Angabe des Grundes für den Austausch des Handys durch den
Zeugen Görlitz in der Hauptverhandlung und in der Handakte des Zeugen ist nicht zutreffend. Nach diesen Angaben soll das Telefon in einer TKÜ-Maßnahme des TLKA gegen Werner aufgefallen und deshalb aus dem Verkehr gezogen worden sein. Aus den Gerichtsakten ist diese Behauptung nicht belegbar. Vielmehr ergibt sich aus den Gerichtsakten, dass erst im November 1998 durch die Übersendung eines Verbindungsnachweises vom 29. Oktober 1998 für die von Werner genutzte Nummer bekannt wurde, dass die von Szczepanski genutzte Nummer auf das Innenministerium Brandenburg zugelassen war.

bb) Auch nicht nachvollziehbar ist die Behauptung des Zeugen Görlitz, er habe das Handy gegen 16.00 Uhr eingezogen und von der SMS nichts mitbekommen. Auf welcher Grundlage der Zeuge, der sich ansonsten an nichts, auch an nichts schriftlich fixiertes erinnert, ausgerechnet diese beiden Umstände präsent haben will, ist nicht ersichtlich und auch von ihm nicht dargelegt worden. Dies ist umso weniger glaubhaft, als diese Umstände nicht in dem Treffbericht festgehalten sind und er somit auch sein Gedächtnis nicht auffrischen konnte.
cc) Weiterhin ist die Angabe des Zeugen, das Handy sei von ihm eingezogen worden, ohne dass Daten übertragen worden seien, nicht glaubhaft. Welchen Zweck es haben soll, dass ein V-Mann von heute auf morgen nicht mehr erreichbar ist, dass er keine einzige der sorgfältig gesammelten und im Telefon gespeicherten Telefonnummern hat, ist nicht ersichtlich. Allgemein übliche Praxis ist es, bei einem Wechsel von Telefon und der Telefonnummer die Kontakte auf das neue Gerät bzw. die neue SIM-Karte zu übertragen und allen Kontaktpersonen die neue Erreichbarkeit mitzuteilen. Nach dem von dem V-Mann-Führer behaupteten Ablauf hätte er aber, ohne dass es dafür einen nachvollziehbaren Anlass gab, seinen V-Mann in die Lage versetzt, alle Kontaktdaten neu ermitteln zu müssen und ihn damit für Wochen von der Szenekommunikation abgeschnitten.

dd) Dafür, dass das Handy und die SIM-Karte mit der alten Nummer noch nach der SMS vom dem 25. August 1998, 19.25 Uhr, von Szczepanski genutzt worden sind, spricht ferner: Unmittelbar auf die SMS von Werner hin wird Werner mehrfach kurz hintereinander mit einer unterdrückten Nummer – möglicherweise von Szczepanski – angerufen. Am 26.08.1998 um 12.25 Uhr wurde eine Werbe-SMS zwischen Werners und Szczepanskis alter Nummer verschickt, auch wenn den S-Records nicht zu entnehmen ist, wer Absender und Empfänger waren.

ee) Ein weiteres Indiz schließlich ist, dass derzeit nur aufgrund lückenhafter Akten die Behauptung des VS Brandenburg von der Nichtkenntnis der SMS und der unausgewerteten Vernichtung des Handys nicht widerlegbar ist. Diese Lücken und das Krisentreffen zwischen dem GBA, dem BfV, BKA und VS Brandenburg am 29. Januar 2013 sprechen vielmehr dafür, dass es zu weiterem Kontakt zwischen Szczepanski und Werner im Zusammenhang mit der SMS gekommen ist, dies jedoch nicht bekannt werden soll. Es fehlen nämlich die Protokolle der S-Records aus der TKÜ bei Jan Werner aus der Zeit vom 26. August 1998, 15:31:34 Uhr, bis zum 27. August 1998, 06:58:44 Uhr. Kurz bevor die Seite der S-Records fehlt, gab es jedoch den oben genannten Werbe-SMS-Austausch zwischen den Handys von Werner und Szczepanski. Ob die sich in der Akte des brandenburgischen VS befindliche Abrechnung für das Handy von Szczepanski vom 8. September 1998 über den 25. August 1998 hinausgeht, lässt sich der Zusammenfassung des Innenministeriums nicht entnehmen. Dort heißt es lediglich, dass der letzte auf der vorliegenden Abrechnung verzeichnete Anruf von dem Handy am 25. August 1998 um 16.25 Uhr erfolgt sei – ob jedoch die nachfolgenden Blätter der Abrechnung fehlen oder die Abrechnung dort regulär endet, kann mangels Beiziehung nicht überprüft werden und ergibt sich auch nicht aus der Zusammenfassung.
Schließlich ergibt sich auch nicht aus der Zusammenfassung, ob die Abrechnung für die neue Telefonnummer vorliegt, und ob sich aus dieser ein weiterer Kontakt mit Werner in Bezug auf die fraglichen SMS ergibt.

ff) Somit zeigt sich, dass nicht nur wesentliche Aktenbestandteile in Bezug auf die SMS fehlen – wie in dem Antrag auf Beiziehung des Treffberichts dargelegt -, sondern dass bereits die uns bekannten Akten und die Beweisaufnahme dafür sprechen, dass wesentliche Angaben des Zeugen Görlitz in Bezug auf die SMS nicht zutreffend sind und das Handy und die SIM-Karte nicht am 25. August 1998 eingezogen worden sind. Es ist damit davon auszugehen, dass die Version von der Einziehung gegen 16.00 Uhr und späteren Vernichtung der SIM-Karte so nicht stimmen, und dass somit der Zweck der Geschichte, nämlich begründen zu können, warum der VS Brandenburg von der SMS keine Kenntnis gehabt haben will, nicht erfüllt werden kann. Daraus folgt, dass die SMS Szczepanski und dem V- Mann-Führer bekannt war und dass versucht wurde, über das Ansinnen von Werner an Szczepanski, bei der Waffenbeschaffung für das Trio behilflich zu sein, weitere Informationen zu erlangen und dass Szczepanski und Werner in der Folge noch diesbezüglichen Kontakt hatten. Die Frage, was der VS und Szczepanski als Reaktion auf die SMS von Werner unternommen haben, ist verfahrensrelevant. Dem steht auch nicht der Beschluss des Senats vom 10. Mai 2016 entgegen, mit dem u.a. der Antrag der Nebenklage Yozgat auf Beiziehung des Treffberichts vom 25. August 1998 abgelehnt worden ist.

Denn dieser stützt sich maßgeblich darauf, dass die Angaben von Görlitz, er habe das Handy eingezogen, glaubhaft seien. Wie oben dargelegt, ist diese Annahme jedoch nicht zutreffend. Zu der Verfahrensrelevanz der Frage, was mit dem Handy/der SIM-Karte geschehen sei, schweigt der Beschluss. Die Dokumente mit Bezug zu der SMS sind zum einen deshalb verfahrensrelevant, um die Angaben des Zeugen Görlitz zu überprüfen und diese auf ihren Wahrheitsgehalt hin bewerten zu können. Zum anderen sind die Dokumente relevant, da die fragliche SMS von Jan Werner an Carsten Szczepanski so verstanden werden muss, dass Werner Szczepanski nach dem Verbleib von Waffen fragt und zwar zu derselben Zeit, als Szczepanski seinem V-Mann-Führer meldete, dass Werner auf der Suche nach Waffen für das Trio sei. Insofern sind weitere Informationen zu dem Hintergrund der SMS, deren Bedeutung und die Kenntnis des VS von der SMS und mögliche Äußerungen von Szczepanski zu ihr aufgrund der Bedeutung der staatlichen Mitverantwortung für die angeklagten Taten von Bedeutung.

d) Aus den genannten Aktenteilen wird sich weiter ergeben, dass es nach der Meldung von Szczepanski in der Zeit vom 14. bis zum 21. September 1998 zu schnellen und intensiven Aktivitäten der Verfassungsschutzbehörden gekommen ist.
aa) Wie dargelegt hatten die V-Männer Degner und Szczepanski am 8. bzw. 9. September 1998 ganz ähnliche Informationen zu den Unterstützern der Drei mitgeteilt. Die Information von Szczepanski, die in einer Deckblattmeldung vom 11. September 1998 festgehalten ist, wurde nach Auskunft des Innenministeriums Brandenburgs in der öffentlichen PKK [Parlamentarische Kontrollkommission] am 11. September an das BfV und die Landesverfassungsämter versandt, laut dem Telefaxbericht in der Thüringer Drillingsakte ging er dort erst am Mittag des 14. September 1998 ein.

bb) Wie bereits oben dargelegt, fand aufgrund der Meldung von Szczepanski vom 9. September 1998 ein erstes bzw. erste Treffen der VS-Ämter Brandenburg, Thüringen und Sachsen bereits am 15. bzw. 17. September 1998 statt, was für eine enorme Dringlichkeit seitens der Ämter spricht. Teilgenommen an dem bzw. den Treffen der Nachrichtendienste am 15. bzw. 17. September 1998 haben aus Brandenburg der verstorbene Referatsleiter sowie der Zeuge Görlitz, aus Thüringen die Zeugen Nocken und Schrader und aus Sachsen der damalige Referatsleiter Diemaier, der auch zugleich der Vermerksverfasser war, sowie ein Beschaffer – wahrscheinlich ein Herr König – und eine Auswerterin. Das BfV war angeblich durch eine kurzfristige Änderung des Tagungsortes faktisch von diesem Treffen ausgeladen worden. Aus Brandenburg ist bisher kein eigenes Protokoll, weder für das Treffen am 15. noch das am 17. September 1998, bekannt, dafür aber der bereits erwähnte, ebenfalls auf den 17. September 1998 datierte Vermerk, der anscheinend die Inhalte des Treffens in einer Analyse zu den Drei und ihren Unterstützern zusammenfasst. Diese Analyse zeigt, wie viel die Ämter damals schon wussten und die Nennung von André Kapke als weiterer Unterstützer neben Lasch, Starke, Werner zeigt, dass auch die Informationen von Degner in die Analysen eingeflossen sind, da nämlich Kapke ausdrücklich als möglicher Unterstützer genannt wird, während Szczepanski – nach den vorliegenden Akten – ihn nicht erwähnte.
cc) In diesem Zusammenhang gab es am 16. September 1998 eine Besprechung zwischen dem Präsidenten LKA Thüringen, Luthardt, und Beamten des TLfV zu dem Thema des Umgangs mit den Informationen von Szczepanski.

dd) Dokumentiert ist schließlich noch das bereits erwähnte Telefonat am 21. September 1998 zwischen dem Abteilungsleiter Tüshaus vom sächsischen LfV, und einer im hiesigen Verfahren aufgrund von Schwärzungen in der Akte unbekannten Person des brandenburgischen Innenministeriums. Aus dem hierzu gefertigten Vermerk ergibt sich, dass der VS Brandenburg an dem Quellenschutz für Szczepanski festhält und dass Thüringen bei den künftigen Maßnahmen die Federführung hat.
ee) Parallel zu diesen Aktivitäten der VS-Behörden fanden weitere Maßnahmen gegen den Unterstützerkreis statt: Die TKÜ-Maßnahmen des TLKA bei Werner dauerten beispielsweise bis zum 24. September 1998. Jan Werner, Thomas Starke und Antje Probst wurden vom 11. bis zum 12. September 1998 („Harmonium“) durch das sächsische LfV observiert. Am 16. September 1998 begann eine Observation von Antje Probst durch das TLfV, die am 17. September 1998 von dem sächsischen LfV übernommen und auf Jan Werner ausgeweitet wurde („Kuhglocke“). Vom 25. bis zum 28.09.1998 („Glockenspiel”) und erneut am 15./16.10.1998 („Pappmaschee“) wurde Jan Werner vom sächsischen LfV z.T. mit Unterstützung des BfV observiert. Außerdem war in dieser Zeit neben der TKÜ der Zielfahndung des TLKA eine G10- Maßnahme des BfV bei Werner geschaltet.

ff) Die Schnelligkeit und Intensität also, mit der die Verfassungsschutzbehörden auf die Meldungen von Szczepanski reagierten, und die Überwachungsdichte der von Degner und Szczepanski genannten Unterstützer Starke, Werner und Probst zeigen, wie ernst die Ämter schon damals diese Informationen genommen haben, und gleichzeitig, wie sehr die drei Landesbehörden und das BfV an den drei Untergetauchten interessiert waren. Entsprechende Schriftstücke zu dieser Bewertung und einer Begründung, warum in solch einer Eile reagiert worden ist, müssen sich in den beantragten Akten befinden. Die Frage, wann genau welche Treffen und welche Kommunikation mit welchem Inhalt im Anschluss auf die Meldung von Szczepanski stattfanden, ist aufgrund der widersprüchlichen Informationen ebenfalls nur auf Grundlage der beantragten Akten zu klären. Diese Frage ist aufgrund der Klärungsbedürftigkeit der staatlichen Mitverantwortung für die angeklagten Taten relevant, um zu analysieren, welche weiteren Maßnahmen von den Ämtern unternommen wurden und welche Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden verhindert wurden.

e) Der laut dem Vermerk des sächsischen LfV vom 17. September 1998 bei dem oder
den Treffen der drei Verfassungsschutzbehörden vereinbarte Quellenschutz für Szczepanski, die eine Weitergabe von Informationen an die Strafverfolgungsbehörden in einer für diese verwertbaren Form ausschließt, ist eine vorgeschobene Begründung, um eine Festnahme der Drei zu verhindern. Bei dem oder den Treffen am 15. oder 17. September 1998 wurde folgende Vereinbarung getroffen, die durch das Gespräch am 21. September 1998 bestätigt wurde: Aus vorgeblichen Quellenschutzgründen sollte die Information von Szczepanski zu der durch B&H-Gelder finanzierten Bewaffnung der Drei durch Werner und zu dem erfolgten und geplanten Raubüberfall, nicht in verwertbarer Form an die Strafverfolgungsbehörden gegeben werden. Deshalb kam es zu keiner Festnahme der Drei, obwohl sie durch eine entsprechend intensive Observation – vor dem Raubüberfall auf den Edeka-Markt am 18. Dezember 1998 – möglich gewesen wäre. Dass der Quellenschutz nicht der tatsächliche Grund war, warum die Informationen von der Polizei nicht verwandt werden sollten, zeigt sich daran, dass der Quellenschutz von Szczepanski in weit weniger gewichtigen Fällen kein Hindernis war, von ihm erlangte Informationen an die Polizei weiterzuleiten, so z.B. Informationen zu einer Lieferung illegaler CDs, die aufgrund eines Hinweises von Szczepanski am 16. Oktober 1998 beschlagnahmt wurden.

Schließlich hat auch das Innenministerium Brandenburg in einer Presserklärung aus dem Jahr 2013 zu Szczepanski geschrieben: „Das Fazit: Carsten S. hat der Verfassungsschutzbehörde zahlreiche wertvolle Informationen geliefert, von denen viele auch den Strafverfolgungsbehörden zugute kamen.“ Bis auf den Vermerk des sächsischen LfV vom 17. September 1998 finden sich in der Gerichtsakte keine weiteren Vermerke, insbesondere keine des Innenministeriums Brandenburg dazu, dass und warum dem Quellenschutz von Szczepanski angeblich ein so hoher Stellenwert eingeräumt worden ist. Um die entsprechende Behauptung in dem Vermerk und der Zeugen Görlitz und Meyer-Plath zu überprüfen, sind die entsprechenden internen Vermerke, die sich in der beantragten Akte befinden müssen, notwendig. Sie sind auch verfahrensrelevant, da sie bestätigen werden, dass der Quellenschutz nur vorgeschoben war, damit die Ämter ihre eigenen Maßnahmen bzgl. der Überwachung der Drei und ihres Umfeldes durchführen können. Dies wiederum ist für die Klärung der staatlichen Mitverantwortung an den Taten relevant.

f) Es fehlen bisher Informationen, welche Maßnahmen und Kommunikationen zwischen den drei Landesbehörden und dem BfV nach dem 21. September 1998 hinsichtlich der Meldungen von Szczepanski erfolgt sind.
aa) Aus der Drilling-Akte des TLfV ergibt sich nur, dass die drei an dem oder den Treffen am 15. oder 17. September 1998 beteiligten Landesverfassungsschutzbehörden und das BfV weiter miteinander in Bezug auf die Suche nach dem Trio kommunizierten. Von dieser Kommunikation sind nur zwei Blätter in der Drillingsakte erhalten, diese verweisen aber auf weiteren Austausch und Abstimmung der vier Behörden untereinander.
bb) Dafür, dass bei dieser Kommunikation wesentliche Informationen geflossen sind, sprechen auch die Übersendung von „G10-Unterlagen aus AO [Anordnung] 774“, die aus einer G10-Maßnahme des BfV gegen Werner stammen, mit dem Betreff „Fall ‚Drilling'“ vom 10. November 1998. Der Übersendung ging ein Telefongespräch zwischen dem BfV (Hr. Mehdorn) und dem TLfV (Hr. Schrader) voraus. Nach dem Akteninhalt ging es „nur“ um ein mögliches CD-Lager von Werner, da das BfV jedoch die Unterlagen mit dem Betreff „Drilling“ übersandt hat, muss es auch einen – nicht bekannten – Bezug zu den drei Untergetauchten gegeben haben, der wahrscheinlich mündlich kommuniziert wurde oder sich in anderen, nicht bekannten Aktenteilen befindet. Hierfür spricht auch, dass nach dem 4. November 2011 im BfV die Anlageordner zu insgesamt 26 G-10-Anträgen mit Bezug „rechts“ vernichtet wurden. Unter anderem wurden die Anlageordner zu den vom BfV bezeichneten Anordnungen 774 – also der G10 gegen Werner – am 5. Dezember 2011 vernichtet.

cc) Es ist nicht vorstellbar, dass die extrem schnelle und intensive Reaktion in unmittelbarem Anschluss an die Meldung von Szczepanski – so fand ein Treffen der drei Behörden nur einen Tag nach Eingang der brandenburgischen Deckblattmeldung statt – nach nur wenigen Tagen beendet worden sein soll. Wenn die Dienste aufgrund der Nachricht von Szczepanski oder weiterer Informationen einen Grund hatten, alarmiert zu sein und schnell zu handeln, dann ist dieser Grund nicht nach dem 21. September 1998 entfallen. Auch ist nicht vorstellbar, dass es bei dem intensiven anfänglichen Kontakt zu keinen konkreten Absprachen und gemeinsamen oder individuellen Operationen der beteiligten Behörden gekommen sein soll. Hiergegen spricht schon der Vermerk des Innenministeriums Brandenburg vom 17. September 1998, der offensichtlich von dem TLfV handschriftlich korrigiert worden ist. Dieser Vermerk nimmt eine Analyse des Erkenntnisstandes vor und schlägt ganz konkrete Maßnahmen, wie die Observation der Eheleute Probst vor. Dass es u.a. auf der Grundlage dieses Vermerks noch zu weiteren Aktivitäten gekommen ist, zeigen die wenigen, oben genannten rudimentären Reste einer Kommunikation der vier VS-Behörden.

Auch ist das gezielte Heraushalten der Strafverfolgungsbehörden mit dem vorgeschobenen Quellenschutzargument nur erklärlich, wenn die nachrichtendienstlichen Maßnahmen nicht sang- und klanglos eingeschlafen sind, sondern in einer Weise fortgeführt wurden, die nicht mit anderen Behörden geteilt werden sollte bzw. von diesen nicht durch eine Festnahme der Zielobjekte gestört werden sollte. Somit spricht alles dafür und wird sich aus den beantragten Akten ergeben, dass das Ziel der vier beteiligten VS-Behörden nicht die Festnahme der Drei war, sondern es ihnen darum ging, die drei Untergetauchten und ihre Unterstützer zu überwachen, um Informationen über die Organisation von Neonazis im Untergrund und die angewandte Art und Weise der Waffen- und Geldbeschaffung zu erhalten und dass durch diese Überwachung auch konkrete Informationen über die Gründung einer terroristischen Vereinigung durch mindestens die drei Untergetauchten bekannt wurden, dass eine Weitergabe des Wissens und Festnahme der Drei jedoch weiterhin nicht im Interesse der VS-Behörden lag und deshalb die notwendigen Schritte dazu unterblieben.

3. Die Beobachtung der „untergetauchten“ Angeklagten Zschäpe und der verstorbenen Uwe Böhnhardt und Mundlos sowie von deren Unterstützern durch Geheimdienste ist nicht nur für die Schuld- und Straffrage relevant, sondern insbesondere für das Aufklärungsinteresse der Nebenkläger. Zu der Frage der Relevanz für die Schuld- und Straffrage ist festzuhalten, dass auch
die Rechtsprechung, die vom Senat und dem GBA in diesem Zusammenhang zitiert wurde, davon ausgeht, dass eine Erleichterung der Straftatbegehung durch staatliche Stellen aus sachfremden Erwägungen zu berücksichtigen wäre. Aus dem Institut der Nebenklage und dem menschenrechtlichen Anspruch auf Schutz des Lebens folgt außerdem, dass in staatlichen Ermittlungen staatliche Mitverantwortlichkeit für Tötungsdelikte – auch unabhängig von der Frage der Strafmilderung – aufzuklären sind. Wie dargelegt, wussten die genannten VS-Behörden aufgrund der Meldung von Szczepanski vom 9. September 1998 und von Antje Probst vom Juli 1998 – wenn diese sich auch soweit bekannt nicht ausdrücklich auf die Drei bezog – von der Gefährlichkeit und der Planung von konkreten Straftaten bzw. mussten mit diesen rechnen. Dass die Ämter auf jeden Fall von einer erheblichen Gefährlichkeit ausgingen, wird durch das oben dargelegte sehr schnelle und intensive Handeln der Behörden nach der Meldung vom Szczepanski belegt. Schon aus der bisherigen Aktenlage und Beweisaufnahme ergibt sich, dass das „Nicht-Einschreiten“ bzw. das nicht ausreichende Weitergeben von Informationen vorwerfbar ist, weil die VS-Behörden das primäre Ziel hatten, das Leben der Drei im Untergrund und das Verhalten ihrer Unterstützer zu beobachten, um zu verstehen, wie Neonazis im Untergrund leben, und nicht die Festnahme der Drei und Straftaten zu verhindern. Diese Motivation der VS-Behörden ist in diesem Sinne eine sachfremde Erwägung, die die Strafverfolgung verzögert hat.

II. Die Ablehnung des Beiziehungsantrags wurde auch damit begründet, dass es entgegen der Antragsbegründung keine Anhaltspunkte dafür gäbe, dass der Zeuge Görlitz bei seinen Vernehmungen vor dem Senat insoweit die Unwahrheit gesagt habe, als er absichtlich nicht alles, was er gewusst habe, auch gesagt habe.

1. Entgegen dieser Einschätzung des Senats in dem Beschluss vom 2. März 2016 hat die sich an die Verkündung des Beschlusses anschließende Vernehmung des Zeugen Görlitz vom 2. März 2016 gezeigt, dass der Zeuge Erinnerungslücken und allgemeine Verwirrtheit nur vortäuscht, um seiner Zeugenpflicht nicht in vollem Umfang nachkommen zu müssen.
a) Der Zeuge widerlegte in seiner letzten Vernehmung die Annahme, er sei glaubwürdig und seine Angaben glaubhaft. Auf dieser – jedenfalls danach klar unzutreffenden – Annahme gründet aber der Beschluss. Die Vernehmung des Zeugen glitt ins Groteske ab, wenn er sich lieber als extrem langsam und verwirrt darstellte, als auf konkrete Fragen zu antworten. Ihm war förmlich die Angst anzumerken, auf eine nicht gut überlegte Antwort könnten für ihn nicht kalkulierbare Nachfragen folgen. Dieses Aussageverhalten konnte bei der letzten Vernehmung auch nicht mehr auf das lange Zurückliegen der Ereignisse, nach denen der Zeuge gefragt wurde, geschoben werden. Denn es ging in dieser Vernehmung fast ausschließlich um Ereignisse, die nach der Selbstenttarnung des NSU im Jahr 2011 stattgefunden haben oder sogar erst wenige Wochen und nicht 17 Jahre zurücklagen.

b) Plastisch wurde dieses Verhalten gleich zu Beginn der Vernehmung, als der Zeuge scheinbar mehrere Minuten benötigte, um eine Frage der Verteidigung zu verstehen. Der Zeuge hatte auf Fragen des Vorsitzenden angegeben, „erst hinterher“, gemeint war ein Zeitpunkt nach der Einziehung des Mobiltelefons von Szczepanski am 25. August 1998, von der Nichtauswertung des Telefons erfahren zu haben. An diese Antwort des Zeugen anknüpfend fragte die Verteidigung, was er mit „hinterher“ gemeint habe, „wann er erfahren habe, dass das Telefon nicht ausgewertet worden sei“. Nach einigem Hin und Her und Hilfe durch den Zeugenbeistand endete der Dialog mit dem Verteidiger wie folgt:
„Görlitz: Ich überlege gerade: hinterher, welcher Zeitpunkt mit hinterher gemeint ist.
Verteidiger: Sie haben gesagt hinterher, ich habe Sie gefragt, was hinterher bedeutet. Sie eiern hier rum.
Görlitz: Ich eiere nicht, ich überlege. Hinterher bedeutet, nach, nach, hinterher bedeutet nach nach, ich kann das jetzt nicht präzisieren. Hinterher, hinterher, nach nach nach dem Vorfall, nach Abgabe, nach…
Verteidiger: Wollen Sie mich veräppeln? Sie haben gesagt, hinterher haben Sie das erfahren, wann haben Sie das erfahren?
Görlitz: Entschuldigung, ich habe Sie nicht verstanden. Ich habe, ja wann war das, hier vor vor vor äh vor meiner Ladung habe ich davon erfahren, also letztes Jahr, 2015.“

c) Eine völlig lebensfremde Erinnerungslücke hinsichtlich eines erst sehr kurz zurückliegenden Umstandes behauptete der Zeuge auf die Frage, wann er die behördlichen Dokumente, die Teil seiner am 29. Juli 2015 in die Hauptverhandlung mitgebrachten Handakte waren, erhalten hat. Der Zeuge hatte angegeben, diese Unterlagen seien ihm kommentarlos in sein Fach gelegt worden, es habe dazu auch kein Anschreiben gegeben und keine mündliche Erläuterung, was er mit diesen Unterlagen tun solle. Obwohl diese Handakte mit den fraglichen Dokumenten bereits am 1. Juli 2015 von dem Zeugen an den Senat übergeben worden war, behauptete der Zeuge in der Verhandlung am 2. März 2016, nicht einmal mehr ganz ungefähr zu wissen, wann er die darin enthaltenen Dokumente erhalten hat, und nicht sagen zu können, ob es mehr als einen Monat – vom 2. März 2016 aus gerechnet – her sei, dass er die Dokumente erhalten habe. Diese angebliche vollständige „Erinnerungslosigkeit“ lässt nur darauf schließen, dass der Zeuge Sorge hatte, jede Zeitangabe könnte problematische Fragen nach sich ziehen, und er diese Erinnerungslosigkeit vorgetäuscht hat.

d) Hinsichtlich der fraglichen SMS von Werner vom 25. August 1998 präsentierte der Zeuge völlige Ahnungs- und Erinnerungslosigkeit. Auf Nachfrage gab der Zeuge mehrfach an, erst im Jahr 2015 „im Vorbeigehen“ von seiner Chefin, Frau Dr. Wagner, über diese SMS informiert worden zu sein und auf gar keinen Fall früher. Nach einem Vorhalt, er sei schon im Jahr 2013 im Bundestags-UA zu dieser SMS befragt worden, bestätigte er dies, behauptete aber, daran nur gerade nicht gedacht zu haben, als er versichert habe, erst 2015 davon erfahren zu haben. Dieses Nichterinnern/Nichtwissen des Zeugen ist umso weniger glaubwürdig, als diese SMS, seitdem sie im Mai 2012 das erste Mal im Schäfer-Gutachten erwähnt worden war, in den Medien, in den Untersuchungsausschüssen und dann auch im Ermittlungsverfahren gegen Zschäpe u.a. häufig Thema war. Spätestens nach der Erwähnung der SMS in dem Schäfer-Gutachten hatte sich für das Innenministerium Brandenburg die Frage der möglichen Einbindung des V- Manns Szczepanski in eine Waffenbeschaffung für das Trio oder andere Neonazis gestellt, der behördenintern nachgegangen worden sein muss.

Die widersprüchlichen Angaben des Zeugen Görlitz zu diesem Thema lassen nur den Schluss zu, dass er in der Hauptverhandlung nicht die Wahrheit gesagt hat: So widerspricht die ohnehin unglaubwürdige Angabe des Zeugen zu dem nur einmaligen Ansprechen auf die SMS im Amt seiner weiteren Angabe, von seiner Behördenleitung nicht systematisch von allen Informationen in Bezug auf Szczepanski abgeschnitten und aus Informationsflüssen des Amtes herausgehalten worden zu sein. Die Klärung der Bedeutung der SMS war und ist für das Innenministerium Brandenburg und weitere Behörden von erheblicher Relevanz, wie das Treffen am 28. Januar 2013 zwischen Vertretern des GBA, des BfV, des BKA und des Innenministeriums Brandenburg zu dem Thema der SMS und Szczepanski zeigt. Dass der Zeuge trotz dieser Relevanz des Themas als derjenige, der den V-Mann damals geführt hat und die Handys ausgetauscht haben will, auf diese SMS nicht weiter angesprochen worden sein will, ist deshalb realitätsfern und damit ein weiterer Beleg für die unzutreffenden Angaben des Zeugen.

e) Genauso wenig glaubhaft ist die Angabe des Zeugen, er könne sich nicht erinnern, an dem Treffen vom 17. September 1998 teilgenommen zu haben, obwohl auf dem Protokoll sein Name als Teilnehmer steht. Bei der Einvernahme am 1. Juli 2015 hatte der Zeuge sogar noch so getan, als wisse er überhaupt nicht, von welchem Treffen die Rede sei, als er danach gefragt wurde. Zwar liegt dieses Treffen tatsächlich schon eine erhebliche Zeit zurück, jedoch war es – wie unter A.I.1.f und A.I.2.d-f dargestellt – ein ungewöhnliches Treffen, bei dem es um den wichtigsten V-Mann des Amtes ging, den der Zeuge führte, und um den Umgang mit brisanten, von dem V-Mann gelieferten Informationen.

2. Dieses Aussageverhalten des Zeugen ist auch nicht auf gesundheitliche Beeinträchtigung zurückzuführen. Der Zeuge ist soweit bekannt nicht als dienstunfähig eingestuft und hat in seiner vorausgegangen Vernehmung am 1. Juli 2015 angegeben, an keiner seine Erinnerungsfähigkeit beeinträchtigenden Erkrankung zu leiden.

3. Auch ist die Beiziehung der Akte notwendig, um weiter zu belegen, dass das Aussageverhalten des Zeugen Görlitz durch das Innenministerium gesteuert wurde. Aus der Handakte des Zeugen und aus seinen Angaben in der Hauptverhandlung ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass er sich „etwa“ drei Mal mit seinem von seinem Arbeitgeber bezahlten Zeugenbeistand in Vorbereitung auf seine Vernehmung jeweils für ca. 4 bis 5 Stunden, also insgesamt 12-15 Stunden getroffen hat. In der Handakte des Zeugen befanden sich umfangreiche Fragelisten und Chroniken, die nach Angaben des Zeugen sein Zeugenbeistand für ihn vorbereitet hatte. Der Zeuge betonte immer wieder, dass er sich das Material in seiner Handakte – die ausgearbeiteten Fragen und die ihm ins Fach gelegten Dokumente – nicht richtig angeschaut und sie aus Zeitgründen nur „überflogen“ hätte. Diese Behauptung ist völlig unglaubwürdig. Dem Zeugen war die Relevanz seiner Aussage in hiesiger Hauptverhandlung bekannt und das Amt hat diese Relevanz ebenfalls gesehen, weshalb es ihm nach seiner ersten Vernehmung einen Zeugenbeistand zur Seite gestellt und erhebliche Gebühren dafür gezahlt hat, dass dieser für den Zeugen Fragenkataloge erarbeitet und sie mit ihm durchgeht. Ein bloßes Überfliegen des Materials des Zeugenbeistands und der in sein Fach gelegten Dokumente ist somit nicht denkbar, es sei denn der Zeuge wollte sich und dem Amt bewusst schaden. Für diese Absicht gibt es keine Hinweise.

4. Die Zusammenschau dieser Umstände und des Aussageverhaltens des Zeugen lassen nur den Schluss zu, dass der Zeuge trotz aller Vorbereitung Sorge hatte, kritische Informationen preiszugeben und deshalb die Entscheidung getroffen wurde, er solle sich lieber komplett erinnerungslos und verwirrt darstellen, als konkrete Angaben zu machen. Die Beiziehung der Unterlagen ist deshalb von Bedeutung, weil anhand der Unterlagen dem Zeugen weitere Vorhalte gemacht werden können, die es ihm schwieriger oder sogar unmöglich machen würden, derartig große Erinnerungslücken zu behaupten.

B)

Der Beweisantrag zielt auf die Beiziehung des Protokolls einer erst durch die Handakte des Zeugen Görlitz bekannt gewordenen Anhörung von Carsten Szczepanski wahrscheinlich im Jahr 2012 durch das BfV. Diese Anhörung wird in dem Treffen beim GBA am 29. Januar 2013 erwähnt und das BfV sagt zu, das Protokoll den anwesenden Behörden zukommen zu lassen. Die Beiziehung dieses Protokolls war bereits durch Antrag außerhalb der Hauptverhandlung beantragt und durch Verfügung des Vorsitzenden abgelehnt worden. Diese Verfügung des Vorsitzenden ist jedoch rechtsfehlerhaft, weshalb der Antrag in der Hauptverhandlung erneut gestellt wird. Die Ablehnung des Antrages wurde in der Verfügung darauf gestützt, dass es keine Hinweise auf einen für die Schuld- und Straffrage relevanten oder einen zusätzlichen Aufklärungsgewinn bringenden Inhalt des Protokolls gäbe. Dies sei auch deshalb unwahrscheinlich, weil es umfangreiche Zulieferungen von den mit den Strafverfolgungsbehörden in diesem Verfahren kooperierenden
VS-Ämtern gegeben habe und sowohl Szczepanski als auch seine V-Mann-Führer lange in hiesiger Hauptverhandlung vernommen worden seien.

Unter A) ist dargelegt worden, dass die in diesem Verfahren vorliegenden Akten aus dem Komplex Szczepanski unvollständig sind und nicht alle Informationen enthalten, die Szczepanski zum Trio mitgeteilt hat. Somit ist es zumindest möglich, dass Szczepanski in der Anhörung weitergehende Erkenntnisse zu dem Trio und dessen Unterstützern, wie z. B. André Eminger, mitgeteilt hat. Für die Relevanz des Inhalts des Protokolls spricht auch, dass laut dem Vermerk die Anhörung erster Tagesordnungspunkt des Treffens war: „Gegenstand des Gespräches waren 1. die Anhörung (BfV) und Vernehmung (BKA) des im o.g. Verfahren als Zeugen benannten Carsten Szczepanski und die gegenseitige Abstimmung und Unterrichtung.“ Diese Formulierung weist auf eine klare Absprache zwischen den Nachrichtendiensten und den Strafverfolgungsbehörden und damit auch einer Steuerung des Ermittlungsverfahrens durch diese hin. Schon die Frage des Umfangs dieser Verfahrenssteuerung ist relevant und aufzuklären. Weiterhin zeigt sich der verfahrensrelevante Inhalt der Anhörung durch das BfV dadurch, dass diese – nach dem im Vermerk festgehaltenen Gesprächsgegenstand – in unmittelbarem Zusammenhang mit der polizeilichen Vernehmung des Zeugen Szczepanski stand.

Danach verliest NK-Vertreteter RA Elberling eine weitere Gegenvorstellung:

In der Strafsache ./. Zschäpe u.a. 6 St 3/12 wird Gegenvorstellung gegen den Senatsbeschluss vom 30. September 2015 erhoben, mit dem die am 6. November 2014 beantragte Verlesung der so genannten S-Records zu den Verbindungen Nr. 154, 167, 172, 177, 185-187; 189-192, 539-542, 578, 722, 725, 729, 876 – 888 zum Beweis der Tatsache, dass durch die Überwachung des Telefonanschlusses von Thomas Starke (Nummer 0172/3735657) bekannt wurde, dass Thomas Starke, Mandy Struck und Max-Florian [Bu.] im August 1998 konspirativ formulierte SMS bzgl. der Suche nach einer Wohnung und der Organisation eines Umzuges austauschten, abgelehnt wurde.

Begründung: Die Ablehnung des Antrages auf Verlesung der SMS, die in den genannten S-Records wiedergegeben sind, wurde damit begründet, dass sie für die Entscheidung tatsächlich ohne Bedeutung seien. Dies ist aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen unzutreffend. Für die Aufklärung der Rolle staatlicher Stellen bei der Ermöglichung der Taten des NSU ist es relevant, dass das TLKA aus den genannten Meldungen das Datum des Umzuges der drei Untergetauchten Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt von der Wohnung von Max-Florian [Bu.] in die neue Wohnung in der Altchemnitzer Straße 12 in Chemnitz kannte. Eine Observation der Umzugshelfer Thomas [Mü.], geborener Starke, und Max-Florian [Bu.] an dem Umzugstag hätte die Ermittler zu der neuen Wohnung der drei Untergetauchten in der Altchemnitzer Straße geführt. Die Kenntnis dieser Adresse hätte die Möglichkeit der Festnahme eröffnet.

I. Ab dem 4. August 1998 hörte das TKLA als Maßnahme der Zielfahndung nach der Angeklagten Zschäpe und den verstorbenen Mundlos und Böhnhardt die heute bekannten Unterstützer des Trios aus Chemnitz Thomas Starke, Jan Werner und Hendrik Lasch ab. Während die Gesprächsaufzeichnungen nicht mehr vorhanden sind, sind die so genannten S-Records dieser Gespräche noch vorhanden und in diesen befinden sich die SMS, deren Verlesung beantragt worden ist. Durch diese TKÜ der Zielfahndung gab es ausreichend Anhaltspunkte für das Aufspüren bzw. ein Festnehmen der Drei: In den abgehörten Gesprächen und SMS im August 1998 wurde über das konspirative Anmieten einer neuen Wohnung für unbekannte Personen und die Organisation eines Umzugs für den 30. August 1998 gesprochen. Es ging um Wohnungsübernahme sowie benötigte Möbel, wobei auffällig ist, dass es um die gesamte Grundausstattung einer Wohnung ging (Nr. 186 [Bu.] an Starke: „Alles was mann für W. braucht. Z.B. Töpfe, Besteck, Kühlsch., Campingherd, meine Waschm, muss erst mal herhalten. Meine Matratzen gehen mit.“). Nach dem Inhalt der Anfrage war also klar, dass es nicht um eine Möblierung für Burkhardt selbst gehen konnte, der bereits eine Wohnung und – wie sich aus der Nachricht ergibt – auch eine Grundausstattung hatte. In der Kommunikation sollte der Ort der Wohnung explizit nicht genannt werden (Nr. 190 Starke an [Bu.]: „Wo bekommst Du eine Wohnung?“ Nr. 191 [Bu.] an Starke: „Nicht am Telefon“).

Schon damals musste aufgrund dieses konspirativen Verhaltens der Gesprächsteilnehmer klar sein, dass es sich hierbei um den Umzug der untergetauchten Personen handelt. Beide Punkte: sowohl die Suche nach einer vollständigen Ausstattung als auch die konspirative Vorgehensweise berücksichtigt der Senat in seiner ablehnenden Entscheidung nicht. Eine zutreffende Bewertung der Tatsachen führt zu der Feststellung, dass die Zielfahndung, die gezielt Starke abhörte, um Hinweise auf die Untergetauchten zu bekommen, aufgrund seines Kommunikationsverhaltens eine Observation für den Umzugstag 30. August 1998 hätte anordnen müssen, die zur neuen Adresse der Drei geführt hätte. Die Festnahme von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt hätte dann nur nicht erfolgen können, wenn sie aus dem einzigen Fenster der Wohnung in der 2. Etage gesprungen wären.

II. Die Aufklärung dieser Möglichkeit ist nicht nur für die Frage einer Strafmilderung wegen staatlicher Erleichterung der Taten wegen Zurückstellung von Strafverfolgungsmaßnahmen aus sachfremden Erwägungen heraus von Bedeutung. Die Nebenklägerinnen und Nebenkläger haben aus menschenrechtlichen Vorgaben heraus auch ein Anspruch auf Aufklärung der staatlichen Mitverantwortung.

Dann verliest RAin Basay folgende Gegenvorstellung:

In der Strafsache ./. Zschäpe u.a. 6 St 3/12 wird Gegenvorstellung gegen die Beschlüsse vom 18. Februar 2016 erhoben, mit denen die am 3. August 2015 beantragte Beiziehung der am 11. November 2011 beim BfV vernichteten und später wieder rekonstruierten Akten sowie die Ladung und Vernehmung des für die Vernichtung verantwortlichen Zeugen mit dem Tarnnamen „Lothar Lingen“ abgelehnt wurden.

Vorbemerkung : Der abgelehnte Antrag steht – wie der angegriffene Beschluss zum Zeugen „Lingen“ richtig festhält – in Zusammenhang mit dem Interesse der Nebenkläger, dem Verdacht (bzw. aus Sicht der Nebenkläger sogar: den Indizien) nachzugehen, staatliche Stellen hätten durch ihr Handeln Straftaten, die den Angeklagten oder deren Umfeld zur Last gelegt werden, trotz entsprechender Möglichkeiten nicht verhindert. Die Nebenkläger nehmen an, dass es das Motiv für die Aktenvernichtung war, Hinweise auf die Angeklagten und die angeklagten Taten und damit zugleich auch den Nachweis für dieses Wissen beim BfV zu vernichten. Für sie ist die Tatsache der Vernichtung ein gewichtiges Indiz für die Relevanz des Inhalts der Akten. Eine staatliche Mitverantwortlichkeit ist nicht nur für die Nebenkläger relevant, sondern auch für die Straf- und Schuldfrage hinsichtlich der hier Angeklagten.

Auch die Rechtsprechung, die vom Senat und dem GBA in diesem Zusammenhang zitiert wurde, geht davon aus, dass eine Erleichterung der Straftatbegehung durch staatliche Stellen aus sachfremden Erwägungen zu berücksichtigen wäre. Dass diese Bewertung der Bedeutung der Vernichtung zutreffend ist, zeigt sich daran, dass es – wie auch in dem Antrag dargelegt – im NSU-Komplex eine Vielzahl ähnlicher Abläufe gibt, bei denen potentiell verfahrensrelevante Akten in einem irregulären Verfahren vernichtet worden sind. Ausführlich wurde dies nicht nur im Antrag vom 3. August 2015, sondern zum Beispiel auch zum konkreten Fall des V-Manns des BfV, Ralf Marschner , ausgeführt, dessen Akten ebenfalls außer der Reihe vernichtet wurden. Aus dem Institut der Nebenklage und dem menschenrechtlichen Anspruch auf Schutz des Lebens folgt, dass in staatlichen Ermittlungen staatliche Mitverantwortlichkeit für Tötungsdelikte – auch unabhängig von der Frage der Strafmilderung aufzuklären sind.

Begründung: Die ablehnenden Beschlüsse beruhen auf einer unsachgemäßen Aufspaltung des Vortrags im Antrag und kommen (wohl auch deshalb) zu falschen Ergebnissen. So würdigt es der Senat bei seiner – auch an sich schon fragwürdigen – Bewertung der Unterbringungsanfrage für die drei Untergetauchten bei dem V-Mann „Tarif“ nicht, dass gerade in Bezug auf die Akten dieses V-Manns von staatlichen Stellen ganz offenbar von taktischen Interessen geleitet unrichtige Angaben zu Existenz und Inhalt dieser Akten gemacht wurden. Überhaupt setzt sich der Senat in den Beschlüssen mit dem Vortrag zu unrichtigen oder unvollständigen Angaben des BfV und anderer Stellen zu den hier fraglichen Akten nicht auseinander und beachtet auch den Vortrag zu den zeitlichen Abläufen nicht. Es ist daher ebenso folgerichtig wie inhaltlich falsch, dass der Senat in dem Beschluss zur Ablehnung der Aktenbeiziehung in einer formalen rechtlichen Argumentation die Annahme einer Ermessensreduktion ablehnt, ohne zu berücksichtigen, dass staatliches Handeln die Ursache dafür war, dass die Inhalte der Akten nicht von Vornherein Gegenstand des Verfahrens geworden sind und die Antragsteller nichts näheres zum Inhalt der Akten darlegen können. Ein weiteres Beispiel für die juristische und sachliche Unzulässigkeit der künstlichen Trennung des zusammenhängenden Vortrags im Antrag ist die Behandlung des Antrags auf Vernehmung des Zeugen, der unter dem Namen „Lingen“ auftritt, in einem gesonderten Beschluss.

I. Die Beschlüsse beschränken sich darauf, den Versuch der Wohnungsbeschaffung über den V-Mann Michael Doleisch von Dolsperg mit dem Decknamen „Tarif“ als eine von vielen Wohnungsanfragen aus dem Umfeld des Trios für nicht relevant zu erklären. Es fehlt hier schon an einer Bewertung der Tatsache, dass eine Wohnungsbeschaffung durch einen V- Mann den staatlichen Behörden eine Möglichkeit der Festnahme von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe eröffnet hätte. Schließlich führte eine Vielzahl von bekannten Anfragen zu tatsächlichen Unterbringungen des Trios (insbesondere in Chemnitz). Die Anfrage des Zeugen André Kapke bei dem V-Mann „Tarif“ war nur eine von drei – bisher bekannten – Anfragen nach Unterbringungsmöglichkeiten für das Trio, die nicht in einer Unterbringung mündeten. Die anderen beiden gingen an Frank Schwerdt und Thorsten Heise, wobei es dabei um Unterbringungsmöglichkeiten im Ausland ging, bei denen vermutlich andere Gründe dazu führten, dass es zu keiner Umsetzung kam. Ein weiteres Beispiel für eine nicht wahrgenommene Möglichkeit einer frühzeitigen Festnahme wird in der folgenden Gegenvorstellung zu dem Beschluss vom 30. September 2015 aufgeführt, mit dem die beantragte Verlesung von SMS bzgl. des Umzugs des Trios abgelehnt wurde.

II. Die angefochtenen Beschlüsse lassen jegliche Auseinandersetzung mit dem Vortrag zum Umgang mit den genannten Akten nach ihrer rechtswidrigen Vernichtung im November 2011 und mit der Darlegung, dass dieser Umgang die Verfahrensrelevanz indiziert, vermissen.

1. In dem Antrag war ausgeführt, dass es nach dem 11. November 2011 mindestens zwei Mal zu unrichtigen Angaben von staatlichen Stellen zu den vernichteten Akten gekommen ist. In dem Antrag war – zusammengefasst – Folgendes hierzu dargelegt worden:
– Ein nach damaligen Angaben frühzeitig rekonstruierter Teil der am 11. November 2011 vernichteten Akten konnte vom Sonderermittler Engelke und der StA Köln eingesehen werden. In diesem Zusammenhang wurde mitgeteilt, dass sich in den Akten gar keine Inhalte mit Verbindung zum NSU und dessen Umfeld befänden und keiner der V-Männer, die diese Akten beträfen, überhaupt eine wesentliche Rolle gespielt habe. Diese Angabe war nachweislich falsch, da erstens Michael Doleisch v. Dolsperg/ „Tarif“ ein hochrangiger und wichtiger V-Mann des BfV war und zweitens er und zwei weitere V-Männer, deren Akten ebenfalls am 11. November 1998 vernichtet worden waren, direkten Kontakt zum Trio oder dessen unmittelbaren Umfeld hatten. Dabei handelt es sich um die THS-Angehörigen Enrico Rosa und Kay Marquard.
– Im Oktober 2014 teilte die Bundesregierung mit, dass keine weitergehende Rekonstruktion der Akten betreffend den V-Mann Michael Doleisch v. Dolsperg/ „Tarif“ möglich sei. Ganze 11 Tage später ordnete der BfV-Präsident jedoch die weitere Rekonstruktion eben dieser Akten an. Das Ergebnis war, dass die Akten, auf die sich die Anträge beziehen, entgegen den früheren Behauptungen rekonstruiert werden konnten. Nicht nur das Schreddern der Unterlagen, sondern auch die – vom Beschluss gänzlich unbeachteten – späteren wahrheitswidrigen Angaben zu Inhalt und Rekonstruktionsmöglichkeiten durch staatliche Stellen sind für die Bewertung ihrer Verfahrensrelevanz von Bedeutung. Dass staatliche Behörden geheim halten wollen, was in diesen Akten steht, ist ein gewichtiges Indiz dafür, dass der Inhalt für die Aufklärung im hiesigen Verfahren von Bedeutung ist.

2. Wichtiger noch als die in den Beschlüssen fehlende Befassung mit diesen Falschangaben zur Akte „Tarif“ ist, dass in dem Beschluss zur Beiziehung der Akten des BfV vollständig unberücksichtigt bleibt, dass die gesamten Akten, deren Beiziehung beantragt wurde, erst nach Eröffnung des Verfahrens rekonstruiert und nach der Rekonstruktion nicht zum Gegenstand der Ermittlungen im hiesigen Verfahren gemacht wurden (auch – soweit bekannt – nicht in einem der Parallelverfahren gegen Unbekannt bzw. gegen neun weitere Beschuldigte). Weder der Senat noch der GBA haben die rekonstruierten Akten beim BfV angefordert. Der Beschluss erwähnt lediglich einen Hinweis des GBA vom 16. September 2015 auf die vom BKA beim BfV eingeholte Auskunft über den Inhalt von Akten der „Operation Rennsteig“. Diese Anfragen bzw. Auskünfte erfolgten allerdings bereits am 28. Juni und am 13. Juli 2012. Was das BfV im Jahr 2012, also über zwei Jahre vor der weitergehenden Rekonstruktion ab Oktober 2014 angegeben hat, kann für die Bewertung der Relevanz dieser Akten nicht von Bedeutung sein. Nach Angaben in der im Antrag zitierten Antwort auf die Kleine Anfrage wurde ab Oktober 2014 ein erneuter Rekonstruktionsversuch durchgeführt, bei dem eine sehr viel weiter gehende Rekonstruktion möglich war. Es ist nicht bekannt und vom GBA auch nicht dargelegt, dass das BKA oder der GBA diese Akten in dem Stand nach der zweiten Rekonstruktion (ab Oktober 2014) vom BfV erhalten und ausgewertet hätten. Der Verweis in dem Beschluss auf angebliche Sichtung der Akten im Jahr 2012 mit dem Ergebnis, dass sie keinen verfahrensrelevanten Inhalt hätten, geht damit ins Leere.

III. Aber auch eine nunmehr nachgeschobene Behauptung des GBA, auch die nach Oktober 2014 rekonstruierten Aktenteile gesichtet und für nicht verfahrensrelevant befunden zu haben, würde die Pflicht zur Beiziehung der Akten im Rahmen der Amtsaufklärungspflicht nicht entfallen lassen. Wie bereits in dem Antrag dargelegt, lässt das staatliche Fehlverhalten, also die Vernichtung der fraglichen Akten in einem irregulären Verfahren, das Ermessen in Bezug auf die Beiziehung entfallen und führt dazu, dass die Verfahrensrelevanz mit den im Antrag bereits dargelegten Hinweisen ausreichend belegt ist, da aufgrund der staatlichen Verantwortung für die Schwierigkeit der Darlegung die Anforderungen an die Darlegung verringert ist. Diese Ausführungen hat der Senat in den Beschlüssen sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht nicht ausreichend zur Kenntnis genommen.

1. Wie bereits oben ausgeführt, war in dem Antrag vom 3. August 2015 zu drei der acht V-Leute, deren Akten vernichtet worden waren, dargelegt, dass diese Kontakt zu Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt oder deren unmittelbaren Umfeld hatten. Insofern bestehen wenigstens Indizien für die Verfahrensrelevanz. Eine Auseinandersetzung mit diesen Indizien fehlt in den Beschlüssen; diese lesen sich so, als wären lediglich Akten vernichtet worden, deren Bezug zu den Angeklagten und den angeklagten Taten völlig unbekannt sei.

2. Über die Darlegungen dieser Indizien hinaus, entzieht sich der Inhalt der vernichteten Akten der Kenntnis der Antragsteller, da der Zeuge „Lingen“ die Akten im Jahr 2011 geschreddert und die in zwei Phasen vor und nach Oktober 2014 rekonstruierten Akten in keiner Version vom GBA vorgelegt oder vom Gericht beigezogen worden sind. Die Anforderungen an die Darlegung der Verfahrensrelevanz der beizuziehenden Akten durch die Nebenklage sind deshalb verringert. Die Ablehnung einer Aktenbeiziehung wegen mangelnden Vortrags zur Relevanz aufgrund von Unkenntnis wurde vom Bundesverfassungsgericht in einer Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 1983 damit gerechtfertigt, dass alternativ Einsicht bei der Staatsanwaltschaft hätte genommen werden können. Vor dem Hintergrund, dass die Nebenkläger beim GBA keine Einsicht in diese Akten bekommen können, weil dieser es unterlassen hat, sie in die Ermittlungen mit einzubeziehen und anzufordern, können die Antragsteller nicht auf diesen Weg verweisen werden. In der oben dargelegten Behinderung der Einbeziehung der vernichteten Akten in die Ermittlungen durch staatliche Stellen, also des GBA und des BKA, liegt eine Verletzung des Anspruchs auf eine effektive Aufklärung von Tötungsdelikten, die – wie in der Vorbemerkung dargelegt – von staatlicher Seite jedenfalls nicht verhindert wurden.

Nach der bereits im Antrag zitierten Entscheidung des EGMR ergibt sich aus dem Recht auf Leben eine Verpflichtung des Senats, zu prüfen, ob Sicherheitsbehörden Kenntnis von einem Mordfall hatten oder direkt oder mittelbar an diesem beteiligt waren. Diese müssen durch unabhängige Stellen – bei Vorliegen eines Verdachts gegen eine staatliche Stelle also auf jeden Fall unabhängig von dieser – durchgeführt werden. Es darf nach dieser Rechtsprechung nicht dem BfV oder einer dessen Aufsichtsbehörde angehöriger Person wie dem Sonderermittler Engelke beim BMI überlassen werden, den Inhalt der Akten zu prüfen.

IV. Die von den anderen Anträgen getrennte Behandlung des Beweisantrags bezüglich einer Vernehmung des Zeugen „Lingen“ in einem gesonderten Beschluss lässt besonders augenfällig werden, dass die Trennung verschiedener Gesichtspunkte künstlich ist und zu Unzulänglichkeiten bei der Würdigung führt. In dem angegriffenen Beschluss ist zwar eine Zusammenschau mit dem (nicht näher dargelegten) Umstand der Aktenvernichtung und mit den (kursorisch zusammen gefassten) Angaben der Antragsteller zum Inhalt der vernichteten Akten behauptet – der Senat kommt dann aber ohne weiteres zu dem Schluss, es gebe keine Anhaltspunkte, dass die Akten relevante Tatsachen enthalten haben und aus diesem Grunde vernichtet wurden.

Bei der Entscheidung über den Antrag auf Vernehmung der Person, die der Vernichtung am nächsten war, hätten aber – ebenso wie bei der Entscheidung über die Aktenbeiziehung – die Tatsache der Vernichtung in einem nicht ordnungsgemäßen Verfahren, die weiteren Unregelmäßigkeiten und der vermutete Inhalt der vernichteten Akten ausführlich gewürdigt werden müssen. Wenn festzustellen ist, dass es das Motiv des Zeugen „Lingen“ war, Hinweise auf die Angeklagten und die angeklagten Taten zu vernichten, ist dies ein gewichtiges Indiz für die Relevanz des Inhalts der Unterlagen. In diesem Sinne wird außerdem der ursprüngliche Antrag auf Vernehmung des Zeugen, der unter dem Namen „Lingen“ auftritt, insoweit in geänderter Form erneut gestellt, dass der Zeuge „Lingen“ auch dazu zu vernehmen ist, dass ihm bekannt war, dass eine oder mehrere VS-Behörden bereits vor dem 4. November 2011 Erkenntnisse zum Aufenthaltsort der Angeklagten Zschäpe sowie von Böhnhardt und Mundlos, zur Existenz des NSU bzw. den in der Anklage Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zugeschriebenen und den Angeklagten Beate Zschäpe, Ralf Wohlleben, Holger Gerlach, André Eminger, Carsten Schultze vorgeworfenen Taten hatte.
Der Verhandlungstag endet um 13:37 Uhr.

Das Blog „nsu-nebenklage“: „Gegenvorstellungen sind formlose Beschwerden gegen Beschlüsse des Gerichts, die eine Art strafprozessualen Protestcharakter haben. Mit den Gegenvorstellungen macht die Nebenklage deutlich, dass die umfassenden Ablehnungen von Beweisanträgen und der darin deutlich gewordene Kurs des Gerichts von den NebenklägerInnen als nicht akzeptable Aufkündigung des Aufklärungsversprechens empfunden wird. Die Nebenklage wirft dem Gericht unter anderem die Begründung in einem Beschluss vor, etwaige Beihilfehandlungen des damaligen V-Mannes Marschner zu Morden des NSU müssten in diesem Prozess nicht aufgeklärt werden, weil sie nicht konkret in der Anklage erwähnt sind. Scharfe Kritik erfuhr auch die Argumentation, eine Verantwortung des Staates für Verbrechen des NSU dadurch, dass wichtige Chancen, Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe festzunehmen, nicht genutzt wurden, sei auch dann nicht nachzuweisen, wenn die Behörden eine Wohnung der drei Personen festgestellt hätten – denn die hätten ja immer noch eine Chance zur Flucht nutzen können. Die Nebenklage kritisiert die rechtliche Begründung der Beschlüsse, die zeigt, dass eine Ablehnung um jeden Preis gewollt ist.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2016/06/02/02-06-2016/

Pressemitteilung mehrerer NK-Vertreter_innen („Die Aufklärung staatlicher Mitverantwortung kann nicht ausgeklammert werden.“ http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2016/06/02/02-06-2016-presseerklaerung/

Der Beitrag Protokoll 286. Verhandlungstag – 02. Juni 2016 erschien zuerst auf NSU Watch.

Protokoll 295. Verhandlungstag – 06. Juli 2016

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An diesem Verhandlungstag sagt zunächst erneut die Polizeibeamtin Pf. aus. Dabei geht es um weitere Ermittlungen zu den im Bekennervideo gezeigten Fernseh- und Zeitungsausschnitten. In den Blick genommen wurde dabei u.a. die Empfangbarkeit von lokalen Fernsehsendern, um zu ermitteln, ob diese in Zwickau empfangen und mitgeschnitten werden konnten. Danach stellen Verfahrensbeteiligte Fragen an Beate Zschäpe, die sie nicht sofort beantwortet. Da es sich vor allem um Fragen von Nebenklage-Vertreter_innen handelt, kündigt die Verteidigung Zschäpe an, erst darüber zu entscheiden, ob sie beantwortet werden.

Redaktioneller Hinweis: In Anbetracht der Menge und der Details der Fragen durch die Nebenklage-Anwält_innen haben wir uns in diesem Fall entschlossen, so weit wie möglich die Fragen in direkter Rede wieder zu geben. So haben wir auch die Fundstellen im Text belassen, obwohl diese womöglich nur für wenige Lesende relevant sind.

Zeugin:

  • Jeanette Pf. (BKA, Empfangbarkeit des WDR in Zwickau im Jahr 2004, Verwendung von Zeitungsfotos im Bekennervideo)

Der Verhandlungstag beginnt um 09:47 Uhr. Heute ist ausnahmsweise Zschäpes Wahlverteidiger RA Borchert anwesend. Außerdem ist der psychiatrische SV Saß da.

Als erstes wird die Zeugin Jeanette Pf. vom BKA gehört [zuletzt 281. Verhandlungstag]. Götzl: „Es geht uns um, ja, um Themen, die wir teilweise schon besprochen haben, um die Verbreitung des WDR im Jahr 2004, TV-Beiträge und Auswertung von Zeitungsausschnitten im NSU-Bekennervideo, die Verwendung dafür, soweit von Ihrer Seite noch ergänzende Ermittlungen durchgeführt wurden.“ Pf.: „Ich war ja am 17.03. hier und habe zu meinen Nachermittlungen zur DVD-Ram mit TV-Berichterstattung zum Nagelbombenanschlag Keupstraße berichtet. Ich hatte vorgetragen: Aufzeichnungen vom 09.06.2004, dass die Aufzeichnung um 18 Uhr ungefähr beginnt, und es hatte sich die Frage gestellt, wer diese Aufzeichnung gemacht hatte. Ich habe gesagt, Mundlos und Böhnhardt waren da wahrscheinlich noch in Köln [phon.]. Ich bin der Frage nachgegangen: Wie wurde der WDR verbreitet? Denn es sind Sendungen dabei gewesen, die nur im Regionalprogramm Köln gelaufen sind. Ich habe nachgeschaut, ob man in der Polenzstraße Zwickau den WDR Köln empfangen hat. Ich habe rausgefunden, dass dort Kabelempfang war. Ich konnte aber nicht ganz zweifelsfrei belegen, dass dort WDR Köln empfangen werden konnte [phon.]. Das war aber nur eine Indizienkette.“

Am selben Tag sei dann, so Pf. ein Zeitungsartikel erschienen, in dem ihre Ermittlungsergebnisse in Frage gestellt worden seien. Der Tenor sei eher gewesen, dass Unterstützer aus Köln diese Aufzeichnungen getätigt haben könnten. Der Autor des Beitrages, Tobias A., sei dann zeugenschaftlich vernommen worden, habe keine konkreten Hinweise auf Unterstützer in Köln geben können, aber habe seine Recherchen zum NSU-Video dargestellt. Er habe zur Probsteigasse beim WDR Recherchen durchgeführt, auch zur Empfangbarkeit des WDR, und habe da andere Ergebnisse gehabt. Der Autor des Beitrags habe ihr seinen Ansprechpartner beim WDR genannt, Jürgen H., mit dem sie sich in Verbindung gesetzt habe. Pf.: „Und jetzt kommen die neuen Erkenntnisse.“

Damals sei ihr vom WDR mitgeteilt worden, dass man bei der Empfangbarkeit über Satellit unterscheiden müsse zwischen analogem und digitalem Satellit. Analog sei damals in der Woche die Lokalzeit Ruhr [phon.] gelaufen, aber digital WDR Köln. Der Empfang sei in der Polenzstraße jedoch über Kabel erfolgt. Sie habe sich bei den ersten Ermittlungen dazu mit dem Kabelanbieter Bosch in Verbindung gesetzt, der aber keine Auskunft mehr habe geben können. Jürgen H. habe ihr jetzt gesagt, dass es wichtig sei, wie die Programmzuführung erfolgt, ob also der Kabelbetreiber Bosch sein Programm analog oder digital empfängt. [phon.] Dazu habe es bei Bosch keine Information mehr gegeben. H. habe ihr aber einen Zeitungsartikel aus 2002 zugesendet, in dem stehe, dass Bosch bis Ende 2002 das digitale Kabelnetz soweit ausgebaut haben wolle, dass Zwickau digitales Kabel empfangen kann. H. habe ihr eine E-Mail geschrieben, dass er davon ausgehe, dass im Jahr 2004 sowohl digital WDR Köln eingespeist wurde, als auch analog. [phon.] Pf.: „Langer Rede kurzer Sinn: Es wäre theoretisch damals möglich gewesen, dass man über einen digitalen Kabelanschluss WDR Fernsehen Köln empfangen haben könnte. Neu für mich, war, dass der Satellitenempfang und der Kabelempfang, dass die sich bedingen.“

A. habe ihr, so Pf. zu seinen Recherchen zur Berichterstattung Probsteigasse berichtet, dass die Beiträge im Bekennervideo zur Probsteigasse, am 19.01. nur in der ‚Aktuellen Stunde‘ [phon.] ausgestrahlt worden seien. Pf.: „Wir haben uns im Archiv des WDR sämtlich Beiträge angeschaut. In vier Sendungen wurde berichtet, und die Beiträge im Bekennervideo sind entweder aus der ‚Aktuellen Stunde‘, die begann um 18 Uhr [phon.], oder aus der Sendung ‚WDR am Abend‘ [phon.], die begann um 21:45 Uhr.“ A. habe ausgesagt, er gehe davon aus, dass das lokale Unterstützer aufgenommen haben, weil sehr spät bekannt geworden sei, dass es sich um einen Anschlag handele, zuerst sei von einer Explosion die Rede gewesen und es sei vor allem lokal berichtet worden. Pf.: „Ich habe das zum Anlass genommen, einer Hypothese nachzugehen: dass sich das ‚Trio‘ oder wie auch immer tagsüber per Videotext informiert hat, was abends ausgestrahlt wurde [phon.]. Beim WDR hat man mir mitgeteilt, dass das Videotextarchiv nur bis 2005 zurückgeht, deswegen konnte man nicht mehr sagen, was am 19.01.2001 berichtet wurde oder 2004. Es gab aber noch Meldungen aus 2006 und da hatten wir auf dem Asservat ja Berichterstattung vom 09.02.2006 festgestellt, dem zweiten Jahrestag des Anschlags Keupstraße. Und im Videotext-Archiv wurde damals auch darüber berichtet und im gleichen Jahr auch über den Mord an Mehmet Kubaşık. Die Taten wurden im Videotext aufgegriffen.“

Dann sagt Pf., parallel habe sie den zweiten Vermerk geschrieben, wo sie sich nochmal das Bekennervideo angeschaut habe: „Ich wollte dann nochmal im Bekennervideo gucken: Gibt es noch andere Knackpunkte, wo es Aufnahmen gibt, wo nicht klar ist, ob das Kerntrio, wenn man denn von einem Kerntrio ausgeht, da dran gekommen sein konnte? Ich habe das in Absprache mit der Staatsanwaltschaft etwas ausgedehnt, habe mir nicht nur die TV-Berichte, sondern auch Zeitungsartikel angeschaut. Letztendlich ist das jetzt keine neue Ermittlung gewesen, sondern eine Überprüfung der bisherigen Ermittlungen. Ich habe nur das Bekennervideo als Ausgangspunkt genommen, Szene für Szene, – nicht z. B. das Zeitungsarchiv -, und geschaut, woher die Beiträge da stammen. Insgesamt habe ich das für alle drei Bekennervideos gemacht, die zwei Versionen 2001 und die finale Version. Im Vermerk gibt es dazu drei Tabellen, ich kann das jetzt weißgott nicht auswendig. Nur soviel: Beim Abgleich ist mir nochmal aufgefallen, dass in den Bekennervideos Zeitungsartikel bzw. Bilder aus Zeitungsartikel eingeblendet werden, und das in der bisherigen Auswertung nicht explizit erwähnt wurde. Das habe ich kursiv in der Tabelle dargestellt. Hervorheben möchte ich in der zweiten Vorgängerversion insgesamt drei Szenen, Bilder aus dem Asservat 2.12.377.51, das Asservat, wo eine daktyloskopische Spur von Beate Zschäpe festgestellt wurde.“

Pf. weiter: „Dann zu den Fernsehmitschnitten, die in den Bekennervideos verwendet wurden: Die konnte ich alle zuordnen. Teilweise gibt es da ein Bezugsasservat, teilweise auch nicht. Aber die korrespondierenden Sendungen konnten allesamt ermittelt werden. Ich bin eben schon eingegangen auf die Sendungen zur Probsteigasse, dann auch zur Keupstraße. Und zur Ceska-Mordserie: Die Beiträge stammen aus einer Stern-TV-Sendung und andererseits aus Aktenzeichen XY, wo der allererste Mord thematisiert wurde. Das Abschlussbild, – ist bekannt, aber ich erwähne es an der Stelle, ist quasi eine Vorausschau auf ein nicht existentes oder nicht aufgefundenes zweites Video – das hat den Mord an Michèle Kiesewetter zum Thema. Und die dort verwendeten Bildausschnitte stammen aus zwei Fernsehbeiträgen: Aktenzeichen XY und einmal von SWR oder BR Aktuell. Also wir haben da nicht einen Kracher gefunden, aber es ist halt auch gemacht worden.“ Zu der von Pf. zuletzt genannten Sendung hält Götzl aus dem Vermerk vor, dass es sich um die Sendung „SWR BW Aktuell“ handele. Pf. bestätigt das. Pf:. „Die Videos dazu wurden auf dem Asservat 2.12.707. festgestellt. Es gab noch eine zweite DVD-Ram mit der Asservatennummer, da sind die beiden Dateien auch so benannt, also Aktenzeichen XY und SWR BW Aktuell [phon.], da können wir die Dateien aber nicht mehr öffnen.“ Um 10:10 Uhr wird die Zeugin entlassen.

Götzl: „Ja, dann kämen wir zu weiteren Fragen der Verfahrensbeteiligten, was ich angesprochen hatte, an Frau Zschäpe. Ich nehme an, dass wir das so handhaben können wie bisher. Ihre Rechte kennen Sie, Frau Zschäpe. Können wir es wieder so handhaben, dass Fragen gestellt werden und Sie mitschreiben? [phon.]“ RA Borchert: „Können wir natürlich so handhaben. Aber es ist vorauszusehen, dass die Fragen wohl nicht beantwortet werden.“ Götzl: „Sind Fragen von der Bundesanwaltschaft? Nicht. Von Seiten der Verteidiger?“

Schultzes Verteidiger RA Hösl: „Es geht um den Herrn Andreas Schultz, der im Madley gearbeitet hat. Herr Wohlleben hat angegeben, er hätte Böhnhardt auf einer Wiese getroffen und der hätte ihn bzgl. einer Waffe an Andreas Schultz verwiesen. Kennen Sie selber Andreas Schultz? Kennt Herr Böhnhardt Andreas Schultz ? Kennt Herr Mundlos Andreas Schultz? Und dass Sie dazu, differenziert zu den Personen, Ausführungen machen.“

Wohlleben-Verteidiger RA Klemke: „Und zwar beanstande ich den Vorhalt. Der Herr Wohlleben hat zu keinem Zeitpunkt angegeben, dass er Herrn Böhnhardt auf einer Wiese getroffen habe. Der Vorhalt ist falsch und deswegen beanstande ich auch die Frage mit.“ Hösl: „Ich entschuldige mich ausdrücklich. Es geht um ein Treffen von Herrn Wohlleben mit Herrn Böhnhardt, egal wo es stattgefunden hat, und da habe Böhnhardt ihn an Andreas Schultz im Madleys verwiesen.“ Klemke: „Falsch. Es hat kein Treffen von Herrn Wohlleben mit Herrn Böhnhardt gegeben.“ Wohlleben, so Klemke, habe angegeben, dass er die Drei besucht habe und dabei habe es ein Gespräch gegeben zwischen Wohlleben und Böhnhardt: „Ich erwarte eine weitere Entschuldigung, danke.“ Hösl zuckt mit den Schultern. Götzl reagiert ungehalten und weist Hösl zurecht: „Mit Achselzucken ist es nicht getan!“ Hösl: „Dann stelle ich diese Frage ohne Vorhalt.“

Schultzes Verteidiger RA Pausch stellt dann weitere Fragen an Zschäpe: „Ich hätte Fragen zur Auswertung eines Funktelefons, gefunden in der Frühlingsstraße 26. Dort sind SMS gesichert worden und es geht um die Frage, ob Frau Zschäpe weiß, von wem diese SMS stammen: ‚VON EBI IST NICHTS MEHR ZU HÖREN! SEIT WOCHEN HAT MAN NICHTS MEHR GEHÖRT!SONST GIBTS NICHTS NEUES!MELD MICH DIE WOCHE NOCH MAL!“ 25.08.2000, 14:48 Uhr. ‚Er hat mir gesagt, dass er 21 Uhr anruft, wenn er es schafft!‘ 03.09.2000, 2:00 Uhr. ‚Mir ist es ist zur Zeit nicht moeglich mit euch zu sprechen wegen NPD-, gestern B+H-, und Bald Ths-Verbot! Ich gehe davon aus das ich überwacht werde! Meld mich! Ralf‘ 15.09.2000, 14:56 Uhr.
Weiß Frau Zschäpe, von wem diese SMS stammen? Weitere Frage: Kennen Sie Nico Eb.“ Pausch nennt dessen Geburtsdatum und den Geburtsort. Pausch weiter: „Wissen Sie, ob Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt ihn kannten? Gab es nach dem Untertauchen Kontakte zu ihm, in welcher Art und in welcher Beteiligung? Wissen Sie, wer in der ersten SMS mit ‚Ebi‘ gemeint ist?
Bezugnehmend auf Ihre Aussage: Für welchen Zweck waren die Vertretungsvollmachten, die Sie bei dem Treffen mit Carsten Schultze im Kaufhaus in Chemnitz unterschrieben haben, da Sie nach eigenen Angaben ja mit Rechtsanwalt Eisenecker schon Anfang 1999 [phon.] Kontakt hatten, wie Sie in der Einlassung angegeben haben.“

Götzl: „Weitere Fragen von Seiten der Verteidiger? Von Seiten der Nebenklage?“

NK-Vertreter RA Scharmer: „Ich habe einige Fragen, die gibt es schriftlich. Die würde ich dem Senat dann auch übergeben, wenn jetzt keine Antworten kommen [phon.].“ RA Borchert: „Bekommen wir eine Kopie?“ Scharmer: „Ich gehe davon aus, wenn es Aktenbestandteil wird.“ Götzl: „Es wäre natürlich sinnvoll, dass der Senat, damit ich das auch vergleichen kann, auch eine entsprechende Kopie erhält. Ich habe zwar ein gutes Gedächtnis, aber kann mir auch nicht alle Punkte merken.“ Scharmer sagt, vorab gebe es die Fragen dann nicht. Götzl: „Dann werden wir mitschreiben.“ Scharmer: „Ach so, Sie. Dann drucke ich das kurz aus, ich biete es an.“ Götzl: „Ja, das wäre sehr effektiv.“ Zschäpe-Verteidiger RA Stahl: „Können es denn alle haben?“ Scharmer: „Die Fragen will ich natürlich an diejenigen, die damit beschäftigt sind, nicht vorab geben. Ich biete es an.“ RA Stahl: „Diese Art der selektiven Informationserteilung an Verfahrensbeteiligte empfinde ich nicht als korrekt.“ Götzl: „Dann schreiben wir mit.“ Scharmer sagt zu Stahl: „Ich erinnere an die schriftliche Einlassung von Frau Zschäpe, die auch der Senat hatte und wir anderen nicht.“ Götzl: „Es wurde die Frage aufgeworfen: Werden die Fragen sofort beantwortet?“ Borchert: „Mit Sicherheit nicht.“

Dann stellt RA Scharmer seine Fragen:
„Frau Zschäpe, wissen Sie, warum und wie Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat und Michèle Kiesewetter als Mordopfer ausgesucht wurden?“ Scharmer schweigt kurz, Es gibt keine Antwort von Zschäpe. So geht das bei jeder Frage.
Scharmer: „Waren Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt vor oder nach dem Untertauchen in den Städten, die Tatorte der Morde und Anschläge waren? Also in Nürnberg, Köln, München, Hamburg, Rostock, Dortmund oder Kassel? Wenn ja, an welchen Orten, zu welchen Gelegenheiten waren Sie dort und mit welchen Personen hatten Sie dort Kontakt?“ Götzl:“Sie müssen langsamer lesen. Ich weise nur auf das Prozedere hin.“ Scharmer: „Ich kann auch langsamer lesen.“

[Unterbrechungen wegen der Lesegeschwindigkeit gibt es mehrfach auch bei den anderen Nebenklagevertreter_innen, die Fragen stellen.]

Scharmer: „Haben Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt Ihnen gegenüber auch über andere Taten, insbesondere die in der Anklage benannten Morde und/oder Anschläge, so präzise Angaben gemacht, wie über den Anschlag in der Probsteigasse, bei Ihnen in der Einlassung vom 09. Dezember 2015, Seite 23? Also beispielsweise, wer die Bombe gelegt bzw. geschossen hat und wer aufgepasst hat? Wenn ja, was haben Ihnen die beiden dazu gesagt? Wenn nein, wissen Sie, warum Ihnen gerade in Bezug auf den Anschlag in der Probsteigasse diese Information mitgeteilt wurde?
Woher wissen Sie, Frau Zschäpe, wie Sie es in der Einlassung vom 09. Dezember 2015, Seite 46, angeben, dass Uwe Mundlos ‚die Morde‘ fotografiert hat? Welche der Morde hat er fotografiert? Wo wurden die Fotos ggf. gespeichert bzw. entwickelt? Haben Sie diese Fotos vor dem 04. November 2011 gesehen? Was war Ihnen ggf. über den Zweck der Aufnahmen bekannt?
Wo wurden die Karten und Adresslisten von Personen und Einrichtungen in verschiedenen Städten Deutschlands in den Wohnungen in der Polenzstraße und in der Frühlingsstraße aufbewahrt? Wozu dienten ggf. nach ihrer Kenntnis diese Karten und Adresslisten?
Ich würde gern einen Vorhalt machen aus SAO 387, Bl. 183 ff., da geht es mir um Fotos.“

Es werden Fotos von einer Ausspähaktion in Stuttgart an die Leinwände projiziert, die bereits im Prozess gezeigt wurden. Scharmer sagt, es handele sich um die so genannte „CD Stuttgart“.  Dann fragt Scharmer: „Dazu: Waren Sie dabei, als die laut Zeitstempel am 25.06.2003 gegen Mittag in Stuttgart aufgenommenen Fotos, auf denen u.a. türkische Imbisse zu sehen sind, aufgenommen wurden?“

Dann bittet Scharmer den Justizangestellten ein weiteres Foto zu zeigen, auf dem Zschäpe auf einem Sofa zu sehen ist, neben ihr vermutlich Böhnhardt. Scharmer: „Wo ist das Bild, das Sie in einer Wohnung zeigt und laut Zeitstempel am 26.06.2003 um 18:21 Uhr aufgenommen wurde, entstanden? Wer ist mit Ihnen zusammen auf dem Bild zu sehen?
Dann noch ein paar Fragen zu Ihrer Einlassung vom 09.12.2015:
Seite 19: Mit welchem Fahrzeug fuhren Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Anfang September 2000, also vor dem Mord an Enver Şimşek, fort? Woher stammte ggf. das Fahrzeug? Wie lange blieben sie insgesamt abwesend?
Dann zur gleichen Einlassung, Seite 21: Was meinen Sie damit, dass Sie nach den Schilderungen der beiden über den Mord an Enver Şimşek nun selbst ‚in einen Mord verwickelt‘ waren?
Zur ergänzenden Einlassung aus dem Hauptverhandlungstag vom 21.01.2016: Da geht es mir um Ihre Antwort zu Frage Nummer 18, Seite 10. Dazu die Fragen:
Haben Ihnen Uwe Böhnhardt und/oder Uwe Mundlos gesagt, warum Sie den ersten Mord in Nürnberg begangen haben? Haben Sie die beiden vor dem Mord an Enver Şimşek über Nürnberg oder Personen in bzw. aus Nürnberg sprechen hören und wenn ja, was?
Mit welchen Fahrzeugen, Typ, Farbe etc., waren nach ihrer Kenntnis Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt jeweils zu dem Mord an Abdurrahim Özüdoğru am 13. Juni 2001, an Süleyman Taşköprü am 27. Juni 2001 und an Habil Kılıç am 29. August 2001 aufgebrochen? Woher ggf. stammten jeweils diese Fahrzeuge?
Nach Aktenlage soll Uwe Böhnhardt unter dem Aliasnamen Holger Gerlach um die Tatzeit des Mordes an İsmail Yaşar herum einen Kleinwagen Skoda Oktavia angemietet haben. Woher stammte der schwarze Van mit Schiebetür, in den mutmaßlich Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt am 09. Juni 2005, also am Tattag des Mordes an İsmail Yaşar, laut des Zeugen Me. ihre Fahrräder verluden?
Dann noch ein letzter Vorhalt. Könnten wir bitte die Abbildung einblenden, Altakte Keupstraße, Beweismittelakte, Bl. 50, das ist eine Abbildung eines Fahrrades.“

Es wird ein Foto eines Damenrades mit der Aufschrift „Cyco“ auf die weiße Fläche am Richtertisch gelegt. Das Bild wird an die Leinwände übertragen.

Scharmer: „Meine Frage dazu: Haben Sie vor dem 09. Juni 2004 ein Fahrrad der Marke Cyco – ähnlich dieser Abbildung – bei Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt gesehen? Wenn ja, haben Sie die beiden nach dem Zweck des Damenfahrrades gefragt und ggf. was wurde Ihnen geantwortet?
Für wen war die Postkarte mit dem Foto eines Elefanten und der handschriftlichen Eintragung ‚Hallo 00‘ bestimmt, die an ‚M. Dienelt Polenz Str. 2 08060 Zwickau‘ adressiert ist und die am 21.09.2005 in Dortmund abgestempelt worden ist?
Waren Sie vom 19.09. bis zum 22.09.2005 oder um diese Zeit herum in Dortmund? Waren nach Ihrer Kenntnis Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in dieser oder um diese Zeit herum in Dortmund? Wenn ja, was haben Sie dort gemacht bzw. was wurde Ihnen ggf. berichtet, was die beiden dort gemacht haben? War Dortmund unter Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt zu irgendeiner Zeit nach dem Untertauchen Gesprächsthema, wenn ja, was wurde gesprochen?
Seit wann kennen Sie Robin Schmiemann? Wie ist er Ihnen bekannt geworden?
Ist Ihnen bekannt, und wenn ja, seit wann, dass Sebastian Seemann V-Mann war? Ggf., wie ist Ihnen dies bekannt geworden?

Dann geht es mir noch um einen Vorhalt aus dem bereits den Verfahrensbeteiligten übergebenen Artikel der taz vom 10. März 2016, da geht es mir um ein Zitat von Rechtsanwalt Grasel, da wird er über die Mitschnitte der Fernsehberichterstattung zum Bombenanschlag in der Keupstraße in direkter und indirekter Rede wie folgt zitiert: „Die Interpretation, dass seine Mandantin die Videomitschnitte machte, sei ’nicht zwingend‘, sagte er am Donnerstag der taz. ‚Es gibt eine Vielzahl anderer Möglichkeiten.‘ So hätten auch mögliche Unterstützer aus NRW oder der Zwickauer Mitangeklagte André E. die Aufzeichnungen gemacht und später Mundlos und Böhnhardt übergeben haben können.“ Frage: Welche Unterstützer in NRW hatten Sie oder Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt? Warum kann nach diesen Ausführungen auch André Eminger die Mitschnitte gemacht haben, wenn er laut Ihren Angaben nichts von dem Anschlag gewusst haben soll?
War nach dem Mord an Halit Yozgat zwischen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Ihnen ein Gesprächsthema, dass sich ein Angehöriger des Verfassungsschutzes im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zur Tat am Tatort aufgehalten hat? Wenn ja, was war Inhalt diesbezüglicher Gespräche?
Haben Sie Kenntnis von dem Grund, warum Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach dem Mord an Halit Yozgat jedenfalls soweit bekannt nicht mehr mit der Waffe Ceska 83 getötet haben sollen?
Die letzte Frage von mir: Haben Sie Kenntnis von weiteren Taten, insbesondere Tötungsdelikten, Sprengstoffanschlägen, Raubüberfällen und ähnlichem, die nicht in der Anklageschrift aufgeführt sind, an deren Begehung Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt beteiligt waren. Wenn ja, welche Taten waren dies, wer war daran beteiligt, was können Sie dazu im Einzelnen ausführen?
Götzl: „Das waren Ihre Fragen? Dann machen wir mal eine Pause bis 11 Uhr und setzen dann fort.“

Um 11:13 Uhr geht es weiter. Götzl: „Dann wird bekannt gegeben, dass Rechtsanwältin Catic-Redemann Fotos übergeben hat.“

Es geht dann weiter mit Fragen von RAin Lunnebach:
„Frau Zschäpe, ich stelle Fragen zu Ihrer Einlassung vom 09.12.2015.
Seite 3: Sie gaben an, dass Uwe Mundlos 1991 bei Ihnen in die Ernst-Zielinski-Straße 42 einzog. Wie lange wohnte Uwe Mundlos bei Ihnen unter dieser Adresse?
Seite 7: Sie sprechen in der Einlassung davon, einen politischen Gegenpol setzen, die Polizei und die Öffentlichkeit in Aufruhr versetzen zu wollen. Was meinen Sie inhaltlich damit?
Zu Seite 7: Ab wann begann das von Ihnen so genannte ‚Katz-und-Maus-Spiel‘ mit dem Verfassungsschutz und dem Staatsschutz? Wie regelmäßig kam es vor, dass Sie bzw. die Mitglieder der Kameradschaft Jena oder des THS durch Observationskräfte des Verfassungsschutzes oder Staatsschutzes verfolgt wurden? Gab es von Ihnen bzw. von der Kameradschaft Jena Gegenmaßnahmen und wenn ja, was waren diese? Sie sagen selbst, dass die Sache nach mehreren Hausdurchsuchungen ‚eine ernste Angelegenheit‘ wurde. Was hat sich dadurch für Sie bzw. die Kameradschaft Jena oder den THS geändert?
Zu Seite 8: Sie gaben an, dass sie die Aktion mit dem ‚Puppentorso‘ am 13. April 1996 damals als Erfolg gewertet haben. Was war aus damaliger Sicht der Erfolg des Aufhängens der Puppe mit der Bombenattrappe? Was sollte durch das Aufhängen der Puppe inhaltlich dargestellt werden?
Zu Seite 9: Sie gaben an, Sie hätten die Garage angemietet. Wie und ggf. durch wen sind Sie auf die Garage aufmerksam geworden? Wo fand die Mietvertragsunterzeichnung statt und wer war dort anwesend?
Ebenfalls zu Seite 9: Haben Sie, nachdem sich Uwe Böhnhardt von Ihnen trennte, später noch einmal eine Beziehung mit Uwe Böhnhardt oder mit Uwe Mundlos geführt? Wenn ja, von wann bis wann und mit wem?
Zu Seite 12: Gegen wie viel Uhr trafen Sie am 26. Januar 1998 in der Wohnung von Volker He. mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zusammen, um das weitere Vorgehen zu besprechen? Und wie lange blieben sie ungefähr gemeinsam in der Wohnung?
Zu Seite 13: Wo und wann haben Sie Thomas Mü., geb. Starke, kennengelernt? Hatten Sie mit ihm eine Beziehung und wenn ja, von wann bis wann? Wenn ja, wie verbreitet war die Information über Ihre Beziehung in der Szene und welche Personen haben Sie über Thomas Starke kennengelernt?
Zu Seite 13: Seit wann kannten Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt Thomas Rothe?
Zu Seite 13: Hat Uwe Mundlos später, nachdem Sie zu dritt bei Thomas Rothe ausgezogen waren, bei Thomas Rothe für mehrere Wochen alleine gewohnt? Hat Uwe Mundlos Thomas Rothe seinen alten Computer überlassen und ihm gezeigt, wie man am Computer layouten kann? Das war ein Vorhalt aus Verteidigerwissen in der Hauptverhandlung vom 07.10.2014 durch die Rechtsanwältin Sturm.
Zu Seite 16: Wie viele Telefongespräche haben Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt seit dem Untertauchen mit Tino Brandt geführt und wann waren diese Telefongespräche bzw. in welchen Zeiträumen fanden die Gespräche statt? Haben Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt Tino Brandt nach dem Untertauchen persönlich getroffen? Wenn ja, wann und wo?
Zu Seite 18: Was war der Anlass für den Umzug von Chemnitz nach Zwickau im Juli 2000, nachdem Sie bzw. Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach den Raubüberfällen nicht entdeckt worden waren?
Noch zu Seite 18: Wer wohnte in welchem Zimmer in der Wohnung in der Heisenbergstraße in Zwickau, wo war das Wohnzimmer, wenn es eines gab?
Zu Seite 21 und zu Frage/Antwort Nr. 52: Warum haben Sie, Uwe Mundlos und/oder Böhnhardt die Treffen mit den Eltern Böhnhardt nach dem letzten Treffen im Jahr 2002 abgebrochen?
Zu Seite 23, wieder die Einlassung vom 09.12.: Wie lange waren Sie im Jahr 2000 in der Regel joggen und wo haben Sie gejoggt, hatten Sie eine feste Joggingstrecke?
Selbe Seite: Über welche Zeitungen bzw. Zeitschriften haben Sie sich über den Anschlag in der Probsteigasse informiert? Was haben Sie in diesen Zeitungen/Zeitschriften gelesen? Wieso kamen Sie auf den Gedanken, dass die beiden hinter dem Anschlag stecken könnten?“

Zschäpe-Verteidiger RA Grasel beschwert sich ohne Mikrofonverstärkung: „Ich kann einiges, aber kein Steno!“ Lunnebach liest in der Folge noch etwas langsamer vor.

Lunnebach: „Was haben Sie darüber erfahren, wie Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die Bombe nach Köln verbracht haben? Haben Sie erfahren, wie die beiden nach Köln gekommen sind? Wie lange waren die beiden vor Weihnachten des Jahres 2000 abwesend?
Zu Seite 34 Ihrer Einlassung: Warum glaubten Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt, in der Frühlingsstraße 26 sicherer zu sein als in der Polenzstraße 2?
Selbe Seite: Warum wollten Uwe Böhnhardt bzw. Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos nicht, dass Rückschlüsse auf Ihre gemeinsame Lebensweise in den letzten Jahren möglich sein sollten?
Und zu Seite 51: Sie gaben an, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt seien nach den Taten nur zum Duschen nach Hause gekommen und aus Sicherheitsgründen auf Campingplätze gefahren. Auf welche Campingplätze bzw. an welche Orte fuhren Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt? Warum sind Sie nicht mit ihnen gefahren? Haben Sie sich in der Zeit zur Sicherheit an einem anderen Ort aufgehalten? Wenn nein, warum nicht?“

Dann fragt RAin Von der Behrens:
„Ich habe Fragen zu den Antworten der Angeklagten Zschäpe, die am 21.01.2016 gegeben wurden:
Zu Frage bzw. Antwort Nr. 15: Sie gaben an, es sei Anfang Dezember 1998 zwischen Ihnen, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt besprochen worden, dass Sie sich aktiv an dem Raubüberfall auf den Edeka Markt beteiligen sollten. Welche Rolle hatten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt für Sie für den Raubüberfall auf den Edeka Markt vorgesehen, was sollten Sie dort konkret machen?
Zu Frage bzw. Antwort Nr. 17: Sie gaben an, Sie hätten Dr. Eisenecker nicht in seinem Büro, sondern in einer Gaststätte getroffen, wüssten aber nicht mehr, wo genau das gewesen sei. Auch, wenn Sie es nicht mehr genau wissen: Welche Einzelheiten wissen Sie noch zu dem Ort des Treffens, z.B. die Region, und wie sind Sie dort hingekommen? War bei dem Gespräch außer Ihnen beiden noch jemand anwesend? Ist das Datum, das auf der Vollmacht für Dr. Eisenecker steht, auch das Datum, an dem Sie die Vollmacht unterschrieben haben?
Zu Frage/Antwort Nr. 20: Sie gaben an, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt seien nach Ihrer Ansicht wegen ihr fehlenden familiären und beruflichen Perspektivlosigkeit nach dem Untertauchen frustriert gewesen. Welche Zukunftspläne in Bezug auf Beruf und Familie hatten Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Sie vor dem 26. Januar 1998 gehabt? Was hatten Sie, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt vor dem Untertauchen unternommen, um diese Ziele erreichen?
Zu Frage bzw. Antwort Nr. 31: Sie gaben an, dass Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zwischen 1999 bis 2007 jährlich drei bis sechsmal für längere Zeit unterwegs gewesen waren. Wann war die letzte dieser Fahrten und wissen Sie, warum die beiden mit den Fahrten nach dem Jahr 2007 aufgehört haben?
Zu Frage bzw. Antwort Nr. 42: Haben Sie André Eminger am Tag des Wasserschadens in der Polenzstraße 2, also am 07. Januar 2007, getroffen? Und wenn ja, von wann bis wann? Haben Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt an dem Tag mit André Eminger oder seiner Frau telefoniert?
Zu Frage bzw. Antwort Nr. 42: Haben Sie André Eminger, als er Ihnen am 04. November 2011 saubere Wäsche von seiner Frau gab, Geld oder andere Gegenstände übergeben? Wenn ja, was und wofür?
Zu Frage/Antwort ebenfalls Nr. 42: Sie gaben an, dass Volker He. Ihnen bzw. Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt am 26. Januar 1998 seinen Ausweis gab. Musste sich Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt einmal mit dem Ausweis ausweisen, wenn ja, bei welcher Gelegenheit? Was ist mit diesem Ausweis nach seinem Gebrauch geschehen? Hat auch Ralf Wohlleben seinen Personalausweis zur Verfügung gestellt und wenn ja, wer hat ihn für welchen Zeitraum benutzt und was ist anschließend mit diesem geschehen?
Weiter zu Frage bzw. Antwort Nr. 42: Sie haben auf Nachfrage durch das Gericht einige Unterstützer namentlich aufgezählt. Ist diese Liste der Unterstützer vollzählig? Wenn nein, von welchen weiteren Personen aus Thüringen, Sachsen und anderen Bundesländern wurden Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt nach dem Untertauchen unterstützt?
Zu Frage bzw. Antwort Nr. 45: Sie sagten, dass eine weitere Pistole über Jan Werner geliefert worden sei. Sind Ihnen Tatsachen bekannt, die erklären, warum Jan Werner, durch das Magazin Der Spiegel mit Ihrer Aussage konfrontiert, sagte, Ihre Angaben seien ‚vollkommen verrückt‘, er habe nie eine Waffe besessen geschweige denn eine an Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt weitergegeben? Der entsprechende Vorhalt ist bereits ausgeteilt worden.
Zu Frage bzw. Antwort Nr. 45: Sie gaben an, dass Mundlos bei dem Hermann aus dem Spieleladen – also dem Laden PowerGames – eine Pumpgun gekauft hat. Haben Sie für den Laden PowerGames in Zwickau eine Kundenkarte auf den Namen Lisa Mohl besessen? Wenn ja, zu welchem Zweck haben Sie den Laden aufgesucht und wie häufig haben Sie das getan? Wenn ja, waren Sie mit Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt zusammen in dem Laden?
Zu Frage bzw. Antwort Nr. 46: Sie gaben an, Sie seien vom 04. bis zum 08. November 2011 ‚kopflos‘ von Bahnhof zu Bahnhof gefahren. Warum sind Sie durch die Gegend gefahren? Wollten Sie in den Orten, zu denen Sie zwischen dem 04. und 08. November 2011 gefahren sind, Personen treffen oder haben Sie Personen getroffen? Wenn ja, wen und mit welchem Zweck? Haben Sie an diesen Orten Geld oder andere Gegenstände hinterlegt oder versteckt?
Jetzt komme ich zu Ihren Antworten auf die Fragen des Vorsitzenden, die am 16. März 2016 gegeben wurden:
Zu Frage bzw. Antwort Nr. 2: Sie gaben an, dass Sie Internetcafés aufgesucht hätten, bis Sie selbst einen Internetanschluss gehabt hätten. Welche Internetcafés haben Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in Chemnitz und Zwickau und/oder an anderen Orten zum Surfen im Internet aufgesucht?
Zu Frage bzw. Antwort Nr. 2: Sie sagten, Sie seien dagegen gewesen, dass Holger Gerlach 10.000 DM zur Aufbewahrung erhielt, da er spielsüchtig gewesen sei. Aus welchem Grund wollte Uwe Böhnhardt ihm trotz dieses Umstandes das Geld geben?
Zu Frage bzw. Antwort Nr. 8: Sie gaben an Sie, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hätten zusammen im Jahr 2007 André Eminger von den zurückliegenden Raubüberfällen erzählt und Sie hätten ihm am 04. November 2011 von dem Selbstmord der beiden berichtet.
Wie war die Reaktion von André Eminger, als Sie ihm von den Raubstraftaten berichtet haben?
Wie war die Reaktion von André Eminger, als Sie ihm von dem Selbstmord von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt berichtet haben?
Wie häufig und wann haben Sie am 04. November 2011 mit André Eminger telefoniert und was haben Sie jeweils besprochen?
Waren Sie nach 15 Uhr am 04. November 2011 am oder um den Platz der Völkerfreundschaft in Zwickau? Wenn ja, waren Sie zusammen mit André Eminger dort?
Sie gaben in Ihrer Antwort auf Frage 8 an, jetzt kommt ein wörtliches Zitat von Ihnen: ‚Wir fuhren dann gemeinsam in seine Wohnung, wo er‘ – also André Eminger – ‚mir frische Kleidung seiner Frau gab. Susann war zu diesem Zeitpunkt nicht zuhause. Anschließend brachte mich Andre Eminger zum Bahnhof nach Chemnitz, nachdem in Glauchau kein Zug fuhr.‘ Um wie viel Uhr waren Sie ungefähr in der Wohnung von André Eminger? Warum wurden Sie zum Bahnhof nach Chemnitz gebracht, d.h. was hatte das mit dem Umstand zu tun, dass in Glauchau kein Zug fuhr? Wann und wie sind Sie von Chemnitz nach Glauchau gefahren? Wann und warum haben Sie aus Glauchau heraus mit André oder Susann Eminger am 04. bzw. 05. November 2011 telefonisch kommuniziert? Hatten Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt in Glauchau eine weitere Wohnung oder weitere Kontaktpersonen?

Haben Sie sich am 04. November 2011 gegen 18 Uhr in einem Radius von 500 Meter um die Trillerstraße 10 in Zwickau aufgehalten? Wenn ja, was wollten Sie dort, wollten Sie insbesondere jemanden dort treffen und wenn ja wen? Waren sie dort alleine oder mit jemandem zusammen? Wenn ja, wo sind Sie anschließend hingegangen und was haben Sie mit Ihrem Mobiltelefon gemacht?
Zu Frage/Antwort Nr. 18: Welche Spenden oder Verkaufserlöse aus dem sogenannten ‚Pogromly‘-Spiel, außer den von André Kapke überbrachten 500 DM, erreichten Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt aus der Szene und auf welchem Wege erhielten Sie das Geld?“

Dann fragt RAin Başay:
„Meine Fragen beziehen sich auf die Antworten auf die Fragen des Vorsitzenden vom 05. April 2016 am 12. Mai 2016.
Und zwar ist es da auf Seite 4: Sie gaben an, Sie seien ein paar Wochen nach dem Untertauchen zu Holger Gerlach nach Hannover gefahren. Mit welchem Auto – Typ, Fahrzeughalter – sind Sie, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach Hannover gefahren? Was haben Sie mit dem Auto nach der Rückkehr aus Hannover gemacht? Woher hatten Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt die falschen Kennzeichen für das Auto?
Zu Frage/Antwort auf Seite 6: Sie gaben an, dass es in der Frühlingsstraße 26 eine Geldkassette, die stets mit mehreren 1000 Euro gefüllt gewesen sei, gegeben hätte. Frage: Haben Sie Geld aus der Geldkassette genommen, als sie am 04. November 2011 das Haus verließen und wenn nein, warum nicht?
Und auf Seite 7 gaben Sie an, Uwe Mundlos hätte Geld hinter seinem Schrank verwahrt. Haben Sie von diesem Geld am 04. November 2011 genommen, als sie das Haus verließen und wenn nein, warum nicht?
Haben Sie von einem anderen Ort in der Wohnung Geld mitgenommen, als Sie die Wohnung am 04. November 2011 verließen?
Wenn Sie Geld mit aus dem Haus genommen haben, welche Summe war dies und welche Stückelung hatte das Geld?
Zu Antwort auf Seite 7 und 8: Sie sagen, dass Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt immer Geld bei sich hatten, wenn sie das Haus verließen. Wie groß war die Summe, die die beiden im Schnitt bei sich hatten und was war der Grund, dass sie solch eine Summe stets mit sich herumtrugen?
Zur Antwort auf Seite 9 zur Krankenkassenkarte, die Sie von Holger Gerlach erhalten haben, die von Silvia Ro. stammt: Haben Sie auch von Susann Eminger eine Krankenkassenkarte erhalten und mit dieser Ärzte aufgesucht und sich behandeln lassen? Wenn ja, wann und bei welchen Ärzten war das?

Zu der Einlassung des Angeklagten Wohlleben:
Herr Wohlleben hat in seiner Einlassung angegeben, dass er sich im Jahr 1998 mit Ihnen und Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt treffen wollte. In der Nähe einer Tankstelle sollte er auf eine Person warten. Das sei ein Glatzkopf gewesen. Frage: Wer war der ‚Glatzkopf‘, der nach der Einlassung des Angeklagten Wohlleben diesen im Jahr 1998 zu dem ersten Treffen mit Ihnen in Chemnitz gebracht hat? Und in welcher Wohnung in Chemnitz haben Sie gewohnt, als Ralf Wohlleben Sie das erste Mal besucht hat?
Weitere Frage zur Einlassung von Herrn Wohlleben:
Wohlleben hat angegeben, dass Spendengelder immer sofort weiter gegeben wurden, z. B. durch Überweisungen von Carsten Schultze. Hat der Angeklagte Schultze Ihnen Spendengelder auf ein Konto überwiesen und wenn ja, auf welches Konto? Wurde z.B. ein Konto auf den Namen von Carsten Ri. für Überweisungen von Spendengeldern genutzt?
Zu der Zeit vor dem Untertauchen:
Gehörte zu den politischen Aktivitäten, die Sie entfalteten – wie Sie erwähnt haben in Ihrer Einlassung vom 09. Dezember 2015, dort auf Seite 5 -, auch einmal ein Besuch auf der auf dem Gut von Jürgen Rieger in Hetendorf veranstalteten Schulung ‚Hetendorfer Tagungswoche‘? Wenn ja, wann und mit wem waren Sie dort? Haben Sie dort Personen kennengelernt, mit denen Sie noch nach dem Untertauchen Kontakt hatten? Wenn ja, welche?
Gehörte zu den Konzerten, die Sie besuchten (vgl. Einlassung vom 9. Dezember 2015, Seite 5), auch das Konzert am 8. November 1997 in Heilsberg, bei dem u.a. die Gruppen ‚Kampfzone‘ aus Coburg und die ‚Rabauken‘ aus Dortmund spielten? Oder das Konzert am 27. Dezember 1997 in Heilsberg auf dem ‚Oidoxie‘ und ‚Zensur‘ gespielt haben? Wenn ja, haben Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt dort Personen aus Dortmund oder dem sonstigen NRW kennengelernt, wenn ja welche?

Hat es weitere Bomben bzw. Bombenattrappen gegeben, an deren Herstellung und/oder deren Ablegen Sie, Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und/oder eine andere Person, die Sie kannten, beteiligt waren? Waren z.B. Sie oder eine Person, die Sie kannten, an dem Aufhängen bzw. Anzünden einer Puppe in Jena am 15. November 1995 beteiligt? Waren z.B. Sie oder eine Person, die Sie kannten, an dem Ablegen einer Bombenattrappe im Jahr ’94 in einem Hochhaus in Jena–Lobeda, in das Flüchtlinge einziehen sollten, beteiligt? Wenn ja, schildern Sie Einzelheiten.
Welche Personen aus der rechten Szene in Thüringen und Sachsen wussten, wer für die Bombenattrappen, auf die Sie in Ihrer Einlassung Bezug nehmen, verantwortlich gewesen ist?
Waren Sie, Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und/oder andere Angehörige der Kameradschaft Jena oder des Thüringer Heimatschutzes bei einem Vortrag von Ignatz Bubis in Jena?“

RAin Başay bittet darum, dass drei Fotos aus den Akten vorgehalten werden. An die Leinwände werden Bilder einer Saalveranstaltung mit Ignatz Bubis projiziert.
Başay: „Wer hat die Fotos von der Veranstaltung gemacht und für welchen Zweck wurden diese gemacht? Wenn ja, haben Sie oder andere der aufgezählten Personen Ignatz Bubis anschließend zu einer Diskussionsveranstaltung mit rechten Jugendlichen nach Jena eingeladen? Wenn ja, was war der Zweck der Einladung?“ Nachdem der Vorhalt beendet ist, fragt Başay weiter:
„Welche Kontakte hatten Sie, Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt oder andere Mitglieder der KSJ zu Angehörigen der rechten Szene aus den westlichen Bundesländern?
Haben Sie Erkenntnisse darüber, dass ‚Altnazis‘ aus dem Westen Ihnen bekannte Angehörige der rechten Szene aus Thüringen, insbesondere dem Umfeld des Thüringer Heimatschutzes, auch finanziell unterstützten? Gehörte die KS Jena bzw. deren Mitglieder auch zu denen, die unterstützt wurden?
Hatten Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt persönlichen Kontakt zu Personen aus der rechten Szene in Zwickau?
Ein letzter Vorhalt von mir, was wir reingegeben haben, noch ein Bild, Anlage 3.“

Es wird ein Bild von „nsu-watch.info“ an die Leinwände projiziert, auf dem Personen zu sehen sind, die eine Fahne tragen. Zu sehen sind (abgeschnitten) Beate Zschäpe und hinten Uwe Mundlos. Im Vordergrund des Bildes trägt eine Frau die Fahne. Die Aufnahme stammt vom Naziaufmarsch gegen die Wehrmachtsausstellung in Dresden am 24. Januar 1998.

Başay: „Meine Frage dazu: Wer ist die Frau, die – wohl – mit Ihnen zusammen die Fahne auf einer Demonstration am 24. Januar 1998 in Dresden hält?“

Dann fragt RA Stolle:
„Frau Zschäpe, seit wann wusste Uwe Böhnhardt, dass die gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten rechtskräftig war und vollstreckt werden würde? Was hatte Uwe Böhnhardt Ihres Wissens nach für den Fall seiner Ladung zum Strafantritt geplant?
Wer hat Uwe Mundlos von der Durchsuchung am 26. Januar 1998 verständigt? Wo war Uwe Mundlos zu dem Zeitpunkt der Durchsuchung und wie kam er nach Jena bzw. in die Wohnung von Volker He.?
Hat Uwe Böhnhardt sein Handy nach dem Untertauchen weiter benutzt? Wenn nein, was ist mit dem Handy geschehen?
Wissen Sie, was am 5. Februar 1998 geschehen sein soll, dem Tag, auf den sich das Lied von Christian Kapkes Band ‚Eichenlaub‘ mit dem Titel ‚5. Februar‘ bezieht?
Sind Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt zwischen dem 26. Januar 1998 und dem 4. November 2011 noch einmal nach Jena zurückgekehrt? Wenn ja, wann war dies und wer wurde dort besucht?
Was war der Zweck des Einbruchs in Ihre alte Wohnung in Jena, mit dem die Angeklagten Wohlleben und Schultze durch Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt beauftragt worden sein sollen? Was sollte mitgenommen werden und was sollte mit den mitgenommenen Sachen gemacht werden?
Haben Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt nach dem Untertauchen Rechtsanwalt Jauch getroffen und/oder eine Vollmacht für ihn unterschrieben? Wenn nein, haben Sie nach dem Untertauchen für einen anderen Rechtsanwalt, außer Dr. Eisenecker, oder für eine Rechtsanwältin eine Vollmacht unterschrieben? Wenn ja, für welchen bzw. welche?
Haben Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt gewusst, wann hinsichtlich der Straftaten, die sich aus dem in der Garage gefundenen Sprengstoff und den Rohrbomben ergeben haben, Verjährung eintritt? Haben Sie gewusst, wann Vollstreckungsverjährung hinsichtlich der gegen Uwe Böhnhardt verhängten Freiheitsstrafe eintritt? Wenn ja, wie haben Sie dies erfahren?

Wie viele Telefonzellen wurden von Ihnen, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt in Chemnitz für die Kommunikation mit Unterstützern benutzt und wo befanden sich diese Zellen?
Wie viele Treffpunkte gab es für Treffen mit Unterstützern während Ihrer Zeit nach dem Abtauchen, wo waren diese Treffpunkte, waren diese Treffpunkte kodiert und wenn ja wie?
Wurde Jürgen Helbig außer von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach ihrem Untertauchen wegen Erbringung von Unterstützungshandlungen kontaktiert und wenn ja von wem?
Die nächste Frage bezieht sich auf einen Vermerk des thüringischen LKA:
Waren Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt am 11. April 1998 in der Schweiz? Wenn ja, hat einer von Ihnen an dem Tag Jürgen Helbig angerufen und eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter für ‚Ralf‘ bzgl. eines Treffens hinterlassen? Wenn nein, wissen Sie, wer derjenige ist, der aus der Schweiz an dem Tag bei Jürgen Helbig angerufen hat?

Nächste Frage bezieht sich ebenfalls auf einen Vermerk des TLKA:
Wissen Sie, welche Person Jürgen Helbig in Zwickau getroffen hat und dort für Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt Gegenstände von Jürgen Helbig übernommen hat?
Haben Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt zu irgendeiner Zeit in der Cranachstraße 8 in Chemnitz gewohnt? Wenn nein, haben Sie Kenntnis über den Zweck dieser Wohnung?
Haben Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt Jan Werner Geld aus dem Überfall auf den Edeka Markt 1998 in Chemnitz gegeben und wenn ja wie viel und zu welchem Zweck?
Hatten Sie damals, also in der Zeit 2000/2001, Kenntnis davon, dass Jan Werner und Thomas Starke in dem Landser-Verfahren ausgesagt haben? Wenn ja, gab es darüber Gespräche zwischen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Ihnen und wenn ja, mit welchem Inhalt?
Die nächste Frage bezieht sich auf zwei Asservate, 2.12.350 und 2.12.349.“

Es werden Fotos zweier Zettel an die Leinwände projiziert. Zu lesen ist u.a. „Mandy aktuell“ und eine Telefonnummer und auf dem zweiten Zettel eine Adresse in Chemnitz.

Stolle: „Wie und von wem haben Sie die jeweils aktuellen Informationen zu Mandy Struck, wie Telefonnummer und Adresse, wie sie auf den zwei Notizzetteln notiert sind, erhalten?
Dazu keine weiteren Fragen. Dann hätte ich gerne noch das Bild aus N 26, Bl. 309 vorgehalten.“

Es wird ein Foto an die Leinwände projiziert, auf dem eine Person vor der Tür eines Wohnhauses zu sehen ist, es handelt sich vermutlich um Böhnhardt.

Stolle: „Erkennen Sie die Person auf dem Foto, das bei einer Observation des sächsischen LfV am 06.05.2000 in Chemnitz gemacht worden ist? Das war die einzige Frage zu diesem Bild.
Welche Namen benutzten Sie, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in Ihrer Zeit in Chemnitz nach außen hin? Seit wann benutzen Sie den Namen ‚Liese‘? Haben Sie weitere Aliaspersonalien genutzt als die, die in dem Vermerk vom 31.07.2012 (der befindet sich im SAO 87 auf Bl. 2) aufgeführt sind?“

Dann legt Götzl die Mittagspause ein. Um 13:08 Uhr geht es weiter.

Es folgen dann die Fragen von RA Hoffmann:
„Frau Zschäpe, ein paar Fragen zum Untertauchen in Zwickau:
Mit welchen Personen aus der rechten Szene hatten Sie nach Ihrem Umzug nach Zwickau Kontakt und wer hat Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt, außer André und Susann Eminger, in Ihren dortigen Wohnungen besucht?
Auf welche Art und Weise und ggf. mit wessen Hilfe haben Sie die Wohnungen in der Heisenbergstraße, in der Polenzstraße und in der Frühlingsstraße in Zwickau gefunden?
Hatte Matthias Dienelt eine Telefonnummer, unter der er Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt erreichen konnte und wenn ja welche?
Wie häufig, wann, wie und wo hatten Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt Kontakt mit Maik Eminger? Hat Maik Eminger Sie in der Wohnung in der Frühlingsstraße besucht und wenn ja zu welchem Zweck?
Hat Maik Eminger in der Wohnung in der Frühlingsstraße Matthias Dienelt oder andere Personen tätowiert? Dies bezieht sich auf eine Zeugenvernehmung Se., SAO 207, Bl. 146, hier Bl. 162.
In der Frühlingsstraße 26 wurde im Brandschutt ein Fahrplan der Deutschen Bahn für die Strecke Zwickau – Dresden, Asservat Nr. 2.2.66, gefunden. Sind Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt diese Strecke häufiger gefahren? Wenn ja wohin und zu wem sind Sie gefahren?
Kennen Sie bzw. kannten Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt den Marcel Ch. aus Zwickau und wenn ja woher? Können Sie sagen, wie gut Sie ihn ggf. kannten und wie häufig Sie sich getroffen haben? Das bezieht sich auf eine Zeugenvernehmung Jürgen Do., SAO 178, Bl. 58 und 59.
Hatten Nachbarn oder Personen aus der Nachbarschaft der Frühlingsstraße 26 Ihre Telefonnummer? Wenn ja, wer?

Gab es eine zweite oder dritte Wohnung, die Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt neben der Wohnung in der Frühlingsstraße 26 genutzt haben? Wenn ja, wo war die Wohnung; wo waren die Wohnungen?
Woher stammten bzw. von wem hatten Sie die in der Frühlingsstraße 26 gefundenen Bundespersonalausweise von Bärbel Bu., Michael Fr., Sascha Gr. und Ralph Ho.? Haben Sie, Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt diese genutzt? Wenn nein, wofür waren diese bestimmt? Die Bezugnahme hier ist ein Vermerk in SAO 87, Bl. 4, 41 und 43.
Mit Bezug Vermerk SAO 87, Bl. 60: Woher bzw. von wem stammte die in der Frühlingsstraße 26 gefundene Krankenkassenkarte von Maik Se.? Haben Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt diese genutzt?
Dann mit der Bezugnahme auf einen Vermerk SAO 98, Bl. 311 ff.: In der Frühlingsstraße 26 wurde ein Handy gefunden mit der SIM-Karte mit der Telefonnummer ‚01627000587‘. Dort konnten Verbindungen zu folgenden Nummern festgestellt werden, deren Inhaber nicht identifiziert worden sind.“ Hoffmann verliest die Nummern: „Können Sie sagen, welche Personen diese Telefonnummern benutzt haben?
Haben Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt mit Unterstützern außer über Telefone und das Telefonzellensystem über andere elektronische Kommunikationswege kommuniziert, wie z.B. über Skype, Instant Messenger oder TeamSpeak?
Wann und wie haben Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt nach der Währungsumstellung das erste Mal Euroscheine erhalten? Haben Sie Geld umgetauscht, wenn ja, wann, wo und welche Summen?

Dann fragt RAin Singer:
„Frau Zschäpe, ich habe auch noch einige wenige Fragen. Ich beziehe mich auf Ihre Stellungnahme vom 09.12., auf Bl. 29, es geht um den Bombenanschlag in der Keupstraße in Köln:
Wussten Sie, warum die Keupstraße ausgewählt wurde?
Wissen Sie, wer die Bombe gelegt und gezündet hat und ob es vor Ort Helfer gab, außer den beiden Uwes?
Haben Sie eine Erklärung dafür, warum zweimal in Köln Anschläge verübt wurden?
Wissen Sie, wann und wo der Fahrradkoffer gekauft wurde, in dem sich die Bombe befand?
Wissen Sie, wo die Bombe gebaut wurde, in der Wohnung, in der Nähe der Wohnung oder mglw. in Köln?
Wissen Sie, wann und wo durch die Uwes das dafür nötige Material gekauft wurde?
Sie hatten in Ihrer Stellungnahme mitgeteilt, dass die Uwes nach Köln fahren wollten. Haben Sie da mal nachgefragt oder beobachtet, mit welchem Fahrzeug sie gefahren sind? Und wann war das, unmittelbar vor dem 09. Juni oder in einem Zeitraum davor, welchen Kenntnisstand haben Sie darüber?

Weiter interessiert mich: Wann sind die Uwes zurückgekommen und mit welchem Fahrzeug – unmittelbar nach dem Anschlag oder später? Haben sie Ihnen mitgeteilt, wo sie, wenn sie später gekommen sind, evtl. übernachtet haben, ob sie bei Freunden übernachtet haben, Umwege gefahren sind oder unmittelbar zu Ihnen nach Hause in die Wohnung gefahren sind?
Abschließend möchte ich wissen, ob Sie alleine oder gemeinsam mit den Uwes oder die Uwes alleine vorher jemals in Köln waren oder in der Nähe, bspw. in Bonn oder bspw. in Bonn-Niederkassel-Ranzel [phon.] in einem Fahrradladen? Oder ob Ihnen die beiden Uwes berichtet haben, dass sie dort einmal waren, sich umgeschaut haben und mglw. etwas gekauft haben? [phon.]
Sie sagten, nach dem Anschlag hätten Sie sich in einer Zeitung informiert. In welcher?“

Dann fragt RA Behnke:
„Guten Tag, Frau Zschäpe! Waren Sie mal Mitglied in einer Jugendorganisation der DDR, der Jungen Pioniere, der FDJ oder der Gesellschaft für Sport und Technik? Zweite Frage: Wenn ja, ob Sie in der Zeit wo Sie in der GST waren, mit Waffen in Kontakt waren oder ob Sie an Waffen ausgebildet wurden? Danke schön.“

Es geht weiter mit Fragen von RAin Luczak:
„Waren Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt außer in Chemnitz und in Zwickau zeitweise auch in einer weiteren Stadt untergekommen? Hielten Sie sich insbesondere längere Zeit in Rostock oder in einer anderen Stadt in Norddeutschland auf? Falls nein, war ein Aufenthalt im Norden Deutschlands zu irgendeiner Zeit nach dem Untertauchen geplant gewesen und falls ja, welche Personen wussten davon?
Waren Sie im Sommer 1998 in Ungarn? Wenn ja, welche Ausweise bzw. Pässe haben Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt für die Reise benutzt? Haben Sie aus Ungarn Torsten Schau eine Postkarte geschrieben, in der es sinngemäß hieß: ‚Du wirst ja erfahren haben was mit uns derzeit los ist. Wir werden uns jetzt längere Zeit nicht mehr sehen. Grüße von Beate und den beiden Uwes‘? Die Fundstelle zur entsprechenden Vernehmung von Schau ist 220.2, 267, N5, Bl. 44.
Waren Sie Silvester 1998/1999 oder Anfang 1999 bei einem Kameradschaftstreffen auf einem Campingplatz in der Nähe von Görlitz? Haben Sie dort oder an einem anderen Ort in dieser Zeit u.a. Jürgen Kr., Michael He., Ronny Bö. und Anne Re. getroffen? Hier ist wiederum die Fundstelle eine Vernehmung, eines anonymen Zeugen: SAO 220.2, Bl. 324.

Waren Sie am 07. Mai 2000 in Berlin? Wenn ja, mit wem waren Sie zusammen dort und was war der Zweck des Besuches? Das findet sich in einem Observationsbericht, N 26, Bl. 313 f.
Wann waren Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt das letzte Mal zu Besuch in Ludwigsburg? War das der Besuch bei Michael Ellinger Ende 2000 oder Anfang 2001, bei dem auch Barbara Ei., genannt Uschi, anwesend war? Haben Sie bei dem Besuch Ende 2000 oder Anfang 2001 weitere Personen getroffen? Wenn ja, welche? Dazu hat Frau Ei. eine Aussage gemacht: SAO 178, Bl. 252.8.
Haben Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt die auf dem Asservat ‚USB HDD Seagate 320 GB‘, Asservat EDV 11, in dem Unterordner ‚Schweden‘ gespeicherten Videos des Gedenkmarschs für Rudolf Heß in Kolding/Dänemark mit dem Zeitstempel 20. August 2005, aufgenommen? Wenn nein, wissen Sie, von wem die Aufnahmen stammen? Und wissen Sie, wer die in demselben Ordner als ’salem2005.wmv‘ gespeicherten Videoaufnahmen des Gedenkmarschs in Salem/Schweden für Daniel Wretström gefertigt hat?

Wer ist der Besuch aus Dänemark oder Schweden, den Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt anlässlich eines Fehmarn-Urlaubs im Jahr 2009 der 2010 treffen wollten? Diesen Besuch wollten Sie zunächst aus Puttgarden abholen und haben ihn dann in Kiel getroffen. Nach der Aussage des Zeugen Sch., SAO 204, Bl. 62.
Welche Frau war in der Zeit zwischen 2009 und 2011 mit einem ca. 12 Jahre alten Jungen und einem ca. 7 Jahre alten Mädchen mit längeren/schulterlangen, dunkelblonden bis hellbraunen Haaren mit Ihnen in der ‚Taverne‘ in der Frühlingsstraße 26? Wer waren die Kinder? Das ist die Aussage der Zeugin Li., SAO 193, es finden sich Angaben dazu 174, 179, und Fotovorlagen 185.
Welches 6 bis 8 Jahre alte Kind hat Sie Anfang 2011 zur Tierarztpraxis begleitet?
Auch hier eine Fundstelle: SAO 17, Bl. 206.
Welches Mädchen oder welcher Junge war bei der Anmietung des Wohnmobils am 25. Oktober 2011 dabei?
Welchem Kind gehörten die rosa Kindersandalen Größe 33, die in dem Wohnmobil gefunden worden sind?
Waren Sie am 02. Mai 2006 in der Zahnarztpraxis Dr. D. Pa., Halle und am 8. Mai 2006 bei der Zahnärztin Erica Sch., Halle (Saale) in Behandlung? Wenn ja, haben Sie dafür die Krankenkassenkarte auf den Namen Silvia Ro. benutzt? Warum sind Sie zur zahnärztlichen Behandlung nach Halle gegangen? Hatten Sie Bekannte in Halle, die Ihnen die Ärzte empfohlen haben? Wenn ja, wer sind diese Bekannten? Hier gibt es eine Fundstelle, einen Vermerk SAO 43.19, Bl. 37 f.
Gab es Überlegungen zwischen Ihnen, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt sowie Ralf Wohlleben, im Juli 2011 zeitgleich Urlaub auf Fehmarn zu machen? Hierzu ein Vermerk SAO 533, Bl. 104.“

Luczak bittet den dafür zuständigen Justizangestellten, das Asservat 2.4.19 zu zeigen. Es werden zwei Seiten eines Kalenders an die Leinwände projiziert.

Luczak fragt: „Was bedeuten die folgenden handschriftlichen Eintragungen in dem in der Frühlingsstraße 26 gefundenen Kalender für das Jahr 2011:
– ’11 Uhr‘ in der Spalte für den 06. April 2011,
– ‚Anruf am Mo 14:00-15:00 Uhr‘ in der Spalte für die Tage 17. und 18.05.2011,
– drei Kreuze in der Spalte für den 19. Mai 2011,
– hier ein Scherensymbol versehen mit dem Zusatz ‚möglich‘ in der Spalte für den 19. Oktober 2011
– ‚bis min‘ in der Spalte für den 01. November 2011 und ‚bis max‘ in der Spalte am 4. November 2011?“

Dann fragt RA Narin:
„Zuerst ein paar allgemeine Fragen:
Haben Sie nach Ihrer Festnahme wörtlich oder sinngemäß angegeben, Sie hätten sich nicht gestellt, um nicht auszusagen?
Haben daraufhin unmittelbar durch Sie oder durch Ihre Anwälte Gespräche über eine mögliche Aussage stattgefunden?
Wurde hierbei auch die Frage einer Kronzeugenregelung besprochen?
Wie sind die Gespräche ggf. verlaufen? Hatten Sie damals konkrete Vorstellungen zu den Voraussetzungen, unter denen Sie umfassend aussagen würden? Haben Sie ggf. konkrete Forderungen gestellt?
Wären Sie bereit, ggf. auch erst nach Rechtskraft eines hier zu erwartenden Urteils, vor dem Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags auszusagen?“
Götzl beanstandet die Frage.

Narin fragt weiter:
„Mit welchen weiteren Personen haben Sie Beziehungen geführt, außer den hier bekannt gewordenen?
Haben Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt in der Zeit nach dem Untertauchen Beziehungen zu Frauen oder Männern geführt? Ggf. zu wem? Sind aus evtl. Beziehungen zu Frauen Kinder hervorgegangen?
Zu Ihrer Einlassung vom 09.12.2015, Seite 32, da heißt es, nachdem Sie von der Ermordung von Frau Kiesewetter erfahren hätten: ‚Ich war regelrecht ausgeflippt, hysterisch und ihnen gegenüber sogar handgreiflich geworden, wobei ich versucht hatte sie zu schlagen. Nachdem ich wieder einen vernünftigen Gedanken fassen konnte fragte ich nach dem Warum.‘
Haben Sie auch auf die Morde an Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil
Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat derart heftig reagiert? Falls nein, warum nicht? Haben Sie die Morde an den genannten Personen anders bewertet? Wenn ja, inwiefern?

Auf Seite 4 Ihrer Einlassung vom 09.12.2015 heißt es: ‚Wir hörten gemeinsam Lieder mit nationalistischem Inhalt und sangen – manchmal könnte es auch als grölen bezeichnet werden – diese Lieder auch nach.‘ Auf Seite 25 heißt es dann: ‚Damals hatte ich nicht für möglich gehalten, dass die beiden die Hetzlieder, wie sie einst an der ‚Schnecke‘ gegrölt wurden, in die Tat umsetzen würden.‘ Welche Lieder, Bands oder Liedtexte meinten Sie damit? [phon.]
Schildern Sie bitte Ihre, Uwe Mundlos‘ und Uwe Böhnhardts Einstellung zu Türken, und ob bzw. inwiefern sich diese seit den 1990er Jahren geändert hat.
Schildern Sie bitte Entsprechendes auch zu Griechen und zu Juden.

Frau Zschäpe, hatten Sie, Mundlos und Böhnhardt nach dem Untertauchen weitere Einnahmequellen als die bekannten Überfälle?
Sind Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt nach dem Untertauchen einer Beschäftigung nachgegangen? Wenn ja, um welche Tätigkeit handelte es sich und ggf. wann, wo, bei wem oder mit wem? Waren Sie, Mundlos und/oder Böhnhardt insbesondere auch für so genannte Security-Firmen tätig? Wenn ja, für welche?
Hatten Sie, Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt nach dem Untertauchen Kontakt zu so genannten Rockern oder anderen kriminellen Gruppierungen?
Waren Sie 2010 bei einem Strafprozess am Landgericht Erfurt gegen Mitglieder des ehemaligen Bandidos MC Jena als Zuschauerin anwesend? Wenn ja, warum? Wurden Sie dort von weiteren Personen begleitet? Wenn ja, wer waren die Personen? Haben Sie am Rande des Verfahrens Herrn Rechtsanwalt Zahner um dessen Visitenkarte gebeten?
Hatten Sie, Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt nach dem Untertauchen Kontakt zu Antje Probst, Michael Probst, Ronny We., Stefan Apel, Jana We, geb. Jana Kö., Rene W., Mirko Sz., genannt ‚Barny‘, Michael Lo., genannt ‚Wüste‘, Ralf Marschner, Thomas Gerlach, Achim Schmid, Kai Se., Thomas Richter oder A. Böhnhardt? Haben die genannten Personen Sie bzw. Mundlos oder Böhnhardt unterstützt und ggf. wann und in welcher Weise?
Hatten Sie nach dem Untertauchen Kontakt zu Polizeibeamten oder Mitarbeitern von Nachrichtendiensten?

Haben Sie sich nach dem Untertauchen Personen gegenüber auch mit dem Namen ‚Karin‘ vorgestellt? Wenn ja, wem gegenüber?
Haben Sie sich nach dem Untertauchen in Ungarn aufgehalten? Wenn ja, schildern Sie bitte Näheres. Haben Sie, Mundlos und/oder Böhnhardt sich nach dem Untertauchen sonst im Ausland aufgehalten? Wenn ja, wo? Zu wem hatten Sie dort Kontakt?
Kannten Sie, Mundlos oder Böhnhardt den Andreas Temme?
Wir haben hier im Verfahren u.a. Kartenmaterial gesichtet mit unterschiedlichen Markierungen:
Würden Sie uns erläutern, wofür diese Markierungen standen?
Haben Mundlos oder Böhnhardt Ihnen davon berichtet, dass sie aktiv politische, kirchliche, türkische, jüdische oder sonstige Einrichtungen bzw. Personen auskundschafteten?
Waren auf den sichergestellten Karten auch Objekte markiert, die Ihnen, Mundlos oder Böhnhardt als Anlaufpunkte, Wohnungen, Depots für Waffen oder Sprengstoff dienten?

Warum haben Sie im Jahr 2011 die Vorsichtsmaßnahmen an der Wohnung in der Frühlingsstraße etwa durch das Einrichten von Überwachungskameras erhöht? Hatten Sie, Mundlos oder Böhnhardt hier bestimmte Sorgen?
Am Ende des so genannten Paulchen-Panther-Videos heißt es auf dem letzten Bild: ‚Neu: DVD 2, Paulchens neue Streiche‘. Gibt es eine weitere DVD? Wenn ja, was beinhaltet diese? Ist diese noch irgendwo verwahrt, wenn ja wo?
Haben Sie, Mundlos und/oder Böhnhardt außer dem ‚Weissen Wolf‘ auch anderen rechten Personen oder Gruppierungen Geldmittel zukommen lassen? Wenn ja, wem, wann, welche Beträge und warum?
Hat sich Uwe Böhnhardt nach dem Untertauchen tätowieren lassen? Wenn ja, hat die Tätowierungen Maik Eminger vorgenommen?
Frau Zschäpe, wie war Ihr Verhältnis zu Thorsten Po.? Was wusste er über Sie, Böhnhardt und Mundlos, Ihre Lebensumstände [phon.]? Hat Herr Po. Post, Briefe oder Pakete, für Sie in Empfang genommen? Hat Herr Po. Ihnen erlaubt, seinen Namen zu verwenden oder haben Sie, Mundlos oder Böhnhardt seine Identität verwendet? Hatten Sie, Mundlos oder Böhnhardt Kontakt zu Jens Gü. aus der Polenzstraße? Wusste dieser, dass Sie konspirativ im so genannten ‚Untergrund‘ leben? Haben Sie, Mundlos oder Böhnhardt die Identität des Herrn Gü. verwendet?

Dann hätte ich einige Fragen zum 04. November 2011 und zur Zeit danach:
Haben Sie am 04. November 2011 um ca. 12:11 Uhr die Mailbox Ihres Mobiltelefons abgehört? Wenn ja, wer hat dort eine Nachricht hinterlassen, und mit welchem Inhalt? Hier verweise ich auf SAO 45.1, Bl. 32.
Haben Sie vor Ihrer Flucht den Tresor in Ihrer Wohnung in der Frühlingsstraße geöffnet? Wenn ja, warum haben Sie das getan? Haben Sie etwas entnommen, wenn ja, was, und was haben Sie damit gemacht?
Laut den Ermittlungen waren nur noch rund 1.800 Euro in der Wohnung in der Frühlingsstraße, siehe SAO 624, Bl. 10066. Haben Sie nach dem Verlassen der Wohnung in der Frühlingsstraße 26 Bargeld versteckt und/oder dritten Personen Bargeld gegeben? Gibt es noch ein Depot oder Depots mit Bargeld und/oder ggf. anderen Gegenständen?
Haben Sie sich von Ihrer ehemaligen Nachbarin Heike Ku. aus der Polenzstraße 2 wenige Tage vor dem 04. November 2011 intensiver als sonst verabschiedet, wie diese dies hier schilderte, und wenn ja, warum?
Haben Sie Ende Oktober 2011 oder am 02. oder 03. November 2011 bei einer Hundepension in Langenbernsdorf angerufen und gefragt, ob Sie dort Ihre zwei Katzen für längere Zeit unterbringen können? Hierzu vergleiche die Zeugenvernehmung der Frau S., Susanne, SAO 209, Bl. 53.
Waren Sie kurz vor dem Raubüberfall am 04. November 2011 in Eisenach? Haben Sie in Eisenach bei Patrick Wieschke oder in einer von ihm vermittelten Wohnung übernachtet? Vergleiche dazu den Vermerk in SAO 8, Bl. 184.
Frau Zschäpe, ist Ihnen bekannt, warum Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt einen Stapel der so genannten Bekenner-DVDs bei sich in dem Wohnmobil hatten?

Jetzt folgen Fragen zum Verfassungsschutz:
Frau Zschäpe, wurden Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt zu irgendeiner Zeit von einem Nachrichtendienst oder dem polizeilichen Staatsschutz oder einer sonstigen polizeilichen Stelle angesprochen? Und wenn ja, von wem, mit welchem Ziel, und wie haben Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt darauf reagiert?
Wurden nach Ihrem Wissen Ralf Wohlleben oder Holger Gerlach einmal von einem Nachrichtendienst oder dem polizeilichen Staatsschutz angesprochen? Und wenn ja, von wem, mit welchem Ziel und wie haben diese darauf reagiert?
Wurden nach Ihrem Wissen andere als die genannten Personen aus Ihrem Umfeld entsprechend von einem Nachrichtendienst oder dem polizeilichen Staatsschutz angesprochen? Mit der Frage: Mit welchem Ergebnis?
Wen vermutete Uwe Mundlos als V-Mann – Zitat: ‚Schwachstelle‘ – in der Szene in Jena bzw. in Thüringen, über den er in den Briefen an Starke, Schau und [Enrico] Ri. schreibt?
Haben Sie Kenntnis davon, ob Personen aus der rechten Szene in Chemnitz, Zwickau und Umgebung, mit denen Sie Kontakt hatten, von einem Nachrichtendienst oder dem polizeilichen Staatsschutz angesprochen worden waren? Wenn ja, um welche Personen handelt es sich?
Vermuteten Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt bei Personen aus Chemnitz, Zwickau und Umgebung, mit denen Sie Kontakt hatten, dass diese Informationen an einen Nachrichtendienst oder den polizeilichen Staatsschutz weitergeben? Wenn ja, von welchen Personen und auf welcher Basis?

Wie haben Sie von der Enttarnung des Tino Brandt erfahren? Was wurde ggf. diesbezüglich mit Ralf Wohlleben und/oder anderen Personen besprochen?
Haben Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt vor dem 04. November 2011 von der Enttarnung der V-Leute Carsten Szczepanski, Thomas Dienel, Marcel Degner und Mirko Hesse erfahren? Wenn ja, wann und wie? Haben Sie anschließend etwas unternommen, um weitere Informationen einzuholen oder sich zu schützen?
Wie und wann haben Sie, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt von dem Ausstieg Carsten Schultzes Ende 2000 bzw. Anfang 2001 aus der rechten Szene erfahren? Haben Sie Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt anschließend etwas zu Ihrem gemeinsamen Schutz unternommen? Wenn ja, was? Und wenn nein, warum nicht?
Wurden Sie zu irgendeinem Zeitpunkt nach Ihrer Inhaftierung im November 2011 von Mitarbeitern eines Nachrichtendienstes aufgesucht? Wenn ja, was wollten diese und was haben diese mit Ihnen besprochen?
Wurden Ihre Verteidiger von Mitarbeitern eines Nachrichtendienstes kontaktiert? Wenn ja, von wem, kennen Sie den Inhalt der entsprechenden Kommunikation?
Haben Sie die Rechte für eine Autobiographie, ein Exklusivinterview oder einen ähnlichen Text verkauft? Wenn ja, für welche Summe? Wenn nein, beabsichtigen Sie Entsprechendes?“

Dann sagt RA Langer: „Ich wollte nochmal den Versuch machen. Ich gebe meines wortwörtlich ab, es muss keiner mitschreiben. Ich könnte eins nach vorne geben. Aber ich möchte natürlich nicht, dass das jetzt schon vorher durchgewühlt wird. Wollte es nur noch mal anregen.“ Götzl: „Bestehen Einwände? Wenn Sie mir es übergeben, nehme ich es entgegen.“ Ein Exemplar der Fragen wird an den Senat gereicht. Langer sagt dann, dass „E1“ ist die erste Einlassung vom 009.12.15 sei und „E2“, „E3“ und „E4“ entsprechend die weiteren Einlassungen Zschäpes. Im Text, so Langer würden „UM“, „UB“ und „BZ“ für Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe stehen, „ggf.“ bedeute, dass es von der Beantwortung vorrangig gestellter Fragen abhänge. Langer nennt Fundstellen im Folgenden meist nicht vollständig, sondern sagt an den entsprechenden Stellen meist nur: „Fundstelle“. Dann verliest Langer seinen Fragenkatalog:

A. Fragen mit Bezug zur Einlassung BZ und zu den Nachfragen des Senats

1. zu E 1, S. 11 – 26.01.1998 „Fackel ab“:
Wie haben Sie an einer Tankstelle eine 0,7-Liter-Flasche betankt?
An welcher Tankstelle soll dies erfolgt sein?
Gab es dort keine Probleme wegen einer Mindestabnahmemenge?
Gab es dort keine Probleme wegen des untauglichen Gefahrgutbehälters?
Sie sagten, daß Sie die Flasche mit Benzin nicht gebraucht haben, wo ist diese verblieben?
Wie hat UB darauf reagiert, daß Sie sein „Fackel ab“ ignoriert haben?

2. zu E 1, S. 16 f. – Beauftragung Rechtsanwalt Dr. Hans Eisenecker / E 2, S. 9 (F 17):
Was war der konkrete Auftrag an RA Dr. Eisenecker?
Sie führen aus, es sei „die Akteneinsicht abgelehnt“ worden – zu welchem konkreten
Vorgang (Sachverhalt/Straftat) sollte RA Dr. Eisenecker eine Akteneinsicht erwirken?
Sie erwähnen eine Besprechung mit RA Dr. Eisenecker am 07.03.1999, dann eine weitere
im November 1999. Es heißt dabei, daß sie ihn „erneut in seiner Kanzlei aufgesucht“ hätten. An anderer Stelle sagen Sie, sie hätten ihn „zweimal angerufen und … einmal getroffen, nicht jedoch in seiner Kanzlei, sondern in einer Gaststätte“. Was ist nun zutreffend?
RA Dr. Eisenecker soll Ihnen im November 1999 mitgeteilt haben, daß es „wohl sehr heftig werden würde“, nachdem Sie ihm auch von den ersten 3 Banküberfällen berichtet haben. Hat er Ihnen gesagt, inwiefern zu diesem Zeitpunkt davon auszugehen war, daß diese Banküberfälle, die UM/UB begangen haben sollen, seitens der Strafverfolgungsorgane auch UM/UB zugeordnet werden konnten? Hat er erläutert, wieso dies dann für Sie „sehr heftig“ werden würde?

3. zu E 1, S. 16 f. – Erteilung der schriftlichen Vollmacht an Rechtsanwalt Dr. Hans Eisenecker / E 2, S. 9 (F17) / E 3, S. 7 (F 12) / E 3, S. 13 (F-CS 1) :
Zur zeitlichen Abfolge: Sie sagen, Sie hätten Dr. Eisenecker am 07.03.1999 erstmals gesprochen, dieser hätte für Sie eine Akteneinsicht versucht und Ihnen „einige Wochen später“ mitgeteilt, daß diese abgelehnt worden sei. Im November 1999 hätten Sie Ihn „erneut“ in seiner Kanzlei aufgesucht. An anderer Stelle sprechen Sie davon, daß Carsten Schultze Ihnen die Vollmacht des Rechtsanwaltes Dr. Eisenecker gegeben habe, die Sie unterschrieben hätten und die dann zu Dr. Eisenecker gebracht worden sei. Zur Einlassung des Mitangeklagten Carsten Schultze vom 5. Hauptverhandlungstag sagen Sie, daß diese zutreffend ist. Sie beschreiben das Treffen mit Carsten Schultze in einem Café eines Kaufhauses in Chemnitz als das einzige mit ihm nach dem Untertauchen. Carsten Schultze hat das Treffen in dem Café in dem Kaufhaus in Chemnitz – bei dem Vollmachtsunterzeichnung und anschließend die Waffenübergabe stattfanden – auf „Ende
März, Anfang April 2000″ eingeordnet. Für diese Einordnung hat er als objektiven Anhaltspunkt den Erwerb seines Führerscheines im Frühjahr 2000 benannt, da er erst anschließend die Waffe mit dem PKW seiner Mutter abgeholt habe. Der Führerschein soll ihm laut eines Vermerks des BKA vom 18.03.2014 am 03.04.2000 ausgehändigt worden sein. Eine Vollmacht für Dr. Eisenecker, die erst im oder nach Frühjahr 2000 unterzeichnet wurde, konnte dieser nicht im Verlaufe der ersten Jahreshälfte 1999 und wiederholend im November 1999 für eine Akteneinsicht nutzen. Bitte erklären Sie diesen Widerspruch bzw. stellen Sie den zeitlichen Ablauf richtig.

4. zu E 1, S. 19 f. – „Geschehnisse am 09.09.2000“ / E 2, S. 10 (F 18) und S. 11 (F 22) :
Haben UM/UB Ihnen gesagt, nach welchen Kriterien sie die ermordete Person ausgewählt
haben? Haben Sie UM/UB danach gefragt?
Sie führen aus: „Sie zeigten mir die Pistole, die sie am 09.09.2000 verwendet haben.“
Haben UM/UB ihnen in diesem Zusammenhang einen Schalldämpfer gezeigt?
Haben UM/UB nicht erwähnt, daß sie zwei verschiedene Waffen eingesetzt haben?
Sie sagten, sie können die Pistole anhand der Ermittlungsakten nicht näher beschreiben. Da die Waffen Asservat W04 (Ceska 83, ca. 20 cm breit) und Asservat 2.12.483.13 (Bruni, ca. 10 cm breit) bereits von der Größe deutlich voneinander abweichen, werden Sie nochmals gebeten mitzuteilen, ob Sie hinsichtlich der Größe einordnen können, ob eine dieser beiden Waffen ihnen damals gezeigt wurde oder ob Sie ggf. eine dieser beiden Waffen ausschließen können.
Hatten UM/UB in den Jahren 2000 und 2001 Fotoapparate in Besitz? Handelte es sich um analoge (mit Fotofilm) oder digitale (mit Speicherkarte) Kameras? Können Sie Angaben zu Firma/Typ des Gerätes / der Geräte machen? Ggf.: Wo verblieben diese Fotoapparate?

5. zu E 1, S. 24 f. – „Tatvorwürfe vom 13.06.2001 sowie 27.06.2001“ :
Sie schildern ein Gespräch zwischen Ihnen und UM/UB im Nachgang an den Raubüberfall vom 05.07.2001 und dabei abstrakt: „Im Rahmen dieses Gespräches berichteten Sie mir von Ihren Mordtaten vom 13.06. und 27.06.2001“. Was konkret sagten Ihnen UM/UB zum Ablauf der Geschehnisse vom 13.06. und vom 27.06.2001?
Wurde Ihnen mitgeteilt, wer am 13.06.2001 und wer am 27.06.2001 die Schüsse auf das jeweilige Opfer abgab?
Haben UM/UB Ihnen gesagt, nach welchen Kriterien sie die beiden ermordeten Personen jeweils ausgewählt haben?

6. zu E 1, S. 25 – „Mir wurde bewußt“ / E 2, S. 13 (F 29) :
Sie führten – zeitlich bezogen auf die Zeit nach dem zweiten und dritten Mord, von denen sie Anfang Juli nach dem 05.07.2001 erfuhren – aus: „Mir wurde bewußt, daß ich mit zwei Männern zusammen lebte, denen ein Menschenleben nichts wert war. … Diesmal äußerten sie sich auch in ausländerfeindlicher Richtung.“ und „Meine Gefühle änderten sich dahingehend, daß, wenn sich die beiden ohne Erklärung für unbestimmte Zeit, bzw. Tage verabschiedeten, ich große Angst bekam, sie würden nicht mehr zurückkehren.“ In E 2, S. 13 (F 29) präzisierten Sie, daß bei dem Bericht „nicht einfach von einem Türken gesprochen worden sei“, sondern abwertende Bezeichnungen wie „Kanake“ oder „Dreckstürke“ verwandt wurden.
Dachten Sie auch daran, daß UM/UB – jedenfalls Anfang Juli, nach dem 05.07.2001 – in solchen Abwesenheitszeiten weitere gleichartige Tötungen, insbesondere an Personen mit türkischer Herkunft, vornehmen würden?

7. zu E 1, S. 28 – „Mord vom 25.02.2004 … UM berichtete davon“ (E 1, S. 28) :
Wann hat UM Ihnen vom Mord vom 25.02.2004 in Rostock berichtet?
Hat UM Ihnen davon berichtet, ob er allein oder mit UB am Tatort war?
Hat Ihnen UM außer „in Rostock einen Türken erschossen zu haben“ und, daß „es wieder passiert sei“ noch etwas zu diesem Ereignis mitgeteilt? Ggf.: Was konkret?
Hat UB Ihnen zu diesem Ereignis etwas mitgeteilt? Ggf.: Was konkret?

8. zu E 1, S. 32 . „Sparkasse, … Kleine Parower Straße in Stralsund“:
Wo waren Sie zu dieser Zeit (im November 2006, Januar 2007)?
Waren Sie in Stralsund oder in Mecklenburg Vorpommern?
Haben UM/UB Ihnen mitgeteilt, wie sie auf diese Sparkasse als Überfallobjekt gekommen sind?
Sind Ihnen Bezüge von UM/UB nach Stralsund und Umgebung bekannt (z. B. Personenkennverhältnisse)?

9. zu E 1, S. 34 – „Beweis ihres Tuns“ / E 2, S. 16 (F 34) / E 3, S. 8 f. (F 13 + F 14) :
Sie erklärten: „UM wollte, daß alle Beweise im Zusammenhang mit ihren Taten vernichtet werden und der einzige Beweis ihres Tuns die DVD sei.“ Sind Sie nicht tatsächlich davon ausgegangen, daß die Morde und Anschläge als Bestandteil „des Tuns“ von UM/UB mit verarbeitet wurden bzw. würden?
Sie führten aus: „Es ging nicht darum, Beweise zu vernichten, die ihre Straftaten offenlegen würden – die DVDs, die ich verschicken sollte, belegen auch das Gegenteil.“
Das Verschicken der DVDs belegt nicht das Gegenteil, da in diesem „Bekennervideo“ kein Bekenntnis von den Personen UM/UB ersichtlich ist, sondern nur eines des (bis dahin unbekannten) NSU. Bitte nehmen Sie zu diesem Widerspruch Stellung.

An dieser Stelle beschweren sich RA Heer und Eminger-Verteidiger RA Kaiser ohne Mikrofonverstärkung. Was sie sagen, ist auf der Besucherempore nicht zu verstehen. Langer trägt weiter vor:

War vor dem Ende am 04.11.2011 in Gesprächen zwischen Ihnen und UM/UB einmal die Rede davon, die DVDs zu verschicken? Ggf.: Schildern Sie diese Gespräche.

10. zu E 1, S. 35 – Verschütten des Benzins:
In welcher Reihenfolge der Räume sind Sie beim Verschütten des Benzins vorgegangen?
Wie lange dauerte der Vorgang vom letzten Klingeln an der Wohnung [Charlotte] E. bis zum Anzünden der von Ihnen genutzten Wohnung (nach Rückkehr in Ihre Wohnung und dem dem zwischenzeitlichen Verschütten des Benzins)? Wo genau befanden Sie sich, als Sie den Brand mit Ihrem Feuerzeug in Gang setzten? Bitte zeichnen Sie diesen Standort in Ihre Skizze ein.

11. zu E 1, S. 36 – Objekt für Raubüberfall / Dienstag Geld besorgen / E 3, S. 18 (F 39) :
Kannten Sie das Objekt, das für den Raubüberfall ausgekundschaftet werden sollte?
Zur Sparkasse in Gotha, Humboldtstraße 86 gab es nach Aktenlage und Beweisaufnahme detaillierte Ausspähungen (SAO 250, 16; Ass. 1.4.197.0; Zeugin KOK Bu. am 239. HVT) und im Wohnmobil wurde eine Quittung vom 02.11.2011, 9:56 Uhr, für den Kaufland, Bürgeraue 2 in Gotha – ca. 800 m Fußweg von der Sparkasse entfernt – gefunden. Haben Sie von UM/UB Informationen, daß konkret geplant war, die Sparkasse in Gotha am 02.11. bzw. in der ersten Novemberwoche 2011 auszurauben?
Wissen Sie, warum UM/UB davon abgesehen haben, vor dem 04.11.2011 (an dem eigentlich ursprünglich das Wohnmobil beim Vermieter wieder abgegeben werden sollte) einen Raubüberfall durchzuführen?
Hatten Sie nach dem Aufbruch von UM/UB am Wochenende vor dem 04.11.2011 nochmals
Kontakt (ggf. telefonisch) und ggf. wann und was wurde dabei besprochen?
Haben Sie am 04.11.2011 anderen als telefonischen Kontakt zu UM/UB (z. B. SMS/E-
Mail)?
Bei der Abholung des Wohnmobils am 25.10.2011 waren Sie anwesend. Der ursprüngliche Rückgabezeitpunkt des Wohnmobils war laut Vertrag für den 04.11.2011, 12:00 Uhr, in Schreiersgrün vorgesehen. War Ihnen dies bekannt? Wußten sie, daß das Wohnmobil am 03.11.2011 bis zum 07.11.2011 oder auch um eine ganze Woche verlängert worden sein soll (gem. Protokoll Zeugin Bianca K., SAO 47, 327 und 54. HTV vom 11.12.2013)? Ggf.: Woher wußten Sie das? Wie sollten UM/UB nach der Rückgabe des Wohnmobils von Schreiersgrün wieder wegkommen?

12. zu E 1, S. 36 f. – Kanister mit Benzin aus dem Abstellraum :
Wann hatten UM/UB nach dem Untertauchen im Januar 1998 Zugriff auf ein Boot gehabt, insbesondere wann zuletzt vor dem 04.11.2011? Sie sprechen bei Kanister und Benzin davon, daß UM „und“ UB dieses deponiert hätten, beim Außenborder sprechen Sie in der Einzahl („Außenborder seines Bootes“) – wem gehörte(n) nun Boot und Außenborder? Wo lagerte dieses Boot? Wann war das Benzin, welches laut Ihrer Einlassung „für den Außenborder des Bootes gedacht“ war, in den Kanister gefüllt worden und wo befand sich der Kanister seit diesem Zeitpunkt? Ggf.: Wo lagerten der Außenbordmotor und Kanister mit dem Benzin in den jeweilig vorherigen Wohnungen (also vor der Wohnung Frühlingsstraße 26)?
Soweit Sie angeben, das Benzin sei „ursprünglich“ für das Befüllen des Außenborders gedacht gewesen: Wann ist dieser ursprüngliche Zweck weggefallen? Gab es darüber eine Absprache zwischen Ihnen, UM und/oder UB? Wurde darüber gesprochen, wozu das Benzin seither – (zumindest zuletzt auch) in der Wohnung – lagerte?
Ergänzend dazu: Aus dem Kontext Ihrer Einlassung ist zu entnehmen, daß der „letzte Wille“ von UM/UB gewesen sei, „die gemeinsame Wohnung ́abzufackeln ́“ und sie dieses „Versprechen den beiden gegenüber“ gegeben hätten. Wann genau haben Sie dieses Versprechen gegenüber UM/UB abgegeben? Was wurde im Detail für einen solchen Fall zwischen Ihnen und UM/UB abgestimmt? Ggf.: Wie sollte die Realisierung dieses Versprechens in der von Ihnen zuvor genutzten Wohnung in der Polenzstraße 2 durchgeführt werden?

13. zu E 1, S. 41 – Kein Telefonat mit Mitarbeiter IM/Behörde / Abruf Mailbox u. a. :
Haben Sie in der Zeit vom 04.11.2011 bis zur Festnahme am 08.11.2011 – außer den Anrufen bei den Eltern von UM/UB am 05.11.2011 – Telefonate geführt? Ggf.: Mit wem? Was war der jeweilige Inhalt?
Am 04.11.2011, 12:11 Uhr, soll mit der Mobilfunktelefonnummer 0162/7000587, die Sie genutzt haben sollen, eine 51-Sekunden-Verbindung zur Mailbox dieser Nummer bestanden haben. Die Nachricht/-en soll/-en auf der Mailbox gelöscht worden sein. Wer war/waren die Person/en, die Nachricht/en aufgesprochen hatten? Welchen Inhaltes war/waren diese Nachricht/-en? Haben Sie diese Nachricht/-en gelöscht?
Am 05.11.2011 soll das Mobiltelefon mit der Nummer 0162/7000587 angerufen worden sein und sich dort eine männliche Stimme gemeldet haben (SAO 160, 213). Wer war diese Person und wie kam diese in den Besitz des Mobilfunktelefons?
Als Sie sich der Polizei am 08.11.2011 stellten, sollen Sie kein Mobiltelefon bei sich gehabt
haben. Haben Sie zwischen dem 04.11.2011, 15:30 Uhr, und 08.11.2011, Ihrer Festnahme, ein Mobiltelefon genutzt? Ggf.: Woher hatten Sie dieses? Ggf.: Wo verblieb dieses Telefongerät nebst SIM-Karte? Ggf.: Was für ein Gerätetyp war dieses Mobiltelefon?
Wo verblieb das Telefongerät nebst SIM-Karte, welches mit der Telefonnummer 0162/7000587 betrieben wurde. Was für ein Gerätetyp war dieses Mobiltelefon?

14. zu E 1, S. 47 f. – „200 Videoclips auf unserem Festplattenrecorder schneiden“:
In der Wette ist davon die Rede, daß es um „200 x Videoclips schneiden“ ging. In Ihrer Einlassung wird ausgeführt, UM – der sich nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme mit Computern gut auskannte – habe den Wettschein „entworfen und erstellt“. Das von Ihnen geschilderte „Herausschneiden“ (genauer: Herauslöschen) von Einzelfilmteilen (Vorspann, Werbung, Abspann) aus einem einzelnen Gesamtspielfilm ist davon umgangssprachlich nicht als „Videoclips schneiden“ gedeckt. Wie können Sie diesen Widerspruch erklären? Was soll in Ihrer Schilderung der „Videoclip“ sein? Auf welche Tätigkeit bezog sich die Zahl 200, also was genau sollte 200 x getan werden? Sollten etwa 200 Filme komplett geschnitten/bereinigt oder sollten aus verschiedenen Filmen insgesamt 200 Stellen (Werbung, Vor-/Abspann) herausgelöscht werden? In welchem Zeitraum sollte dies geschehen? Wurde dies („Videoclips schneiden“) auch außerhalb der Wette gemacht? Konnten bzw. machten dies alle drei Personen (UM/UB/BZ)? Wurden die (geschnittenen/bereinigten) Filme dann nach dem Ansehen gelöscht oder aufbewahrt? Welches Gerät (Festplattenrecorder) wurde dazu verwendet? Können Sie die Firma, den Typ benennen?
In der Frühlingsstraße 26 wurde ein Festplattenrecorder Panasonic DMR-EH595 aufgefunden. Da für ein solches Gerät ein Kaufbeleg vom 06.02.2010 vorliegt, vermuten die Ermittler, daß ein Gerät dieses Typs für eine Verwendung gemäß der Wette aus dem Jahr 2005 nicht in Frage kam. Trifft dies zu?

Bei der vorhergehenden Frage beschwert sich Zschäpe-Verteidiger RA Stahl: „Diese ständig enthaltenen Zwischenplädoyers, die möge der Kollege einstellen.“ Langer: „Haben Sie schon mal von der Überdehnung des Satzrahmens gehört? Ich kann aber auch so fragen, wie Sie es möchten: Trifft es zu, dass …“ Langer setzt mit seinen Fragen fort:

Seitens der Ermittler wird dagegen vermutet, es sei ein DVD-Videorecorder des Typs Panasonic DMR-E55 (ohne Festplatte) genutzt worden.

Langer bittet darum, die als Anlage zu seinen Fragen eingereichten Fotos vergleichbarer Neugeräte eines solchen DVD-Videorekorders in Schwarz und Silber zu zeigen. Die Fotos werden aufgelegt und an die Leinwände projiziert. Langer:

Handelt es sich dabei um das in Ihrer Schilderung genannte Gerät?
Wurden in den Haushalten UM/UB/BZ von 1998 bis 2011 andere Festplatten- und/oder DVD-Video-Recorder genutzt, ggf. welche Firma / welcher Typ? Ggf.: Wurden diese anderen Festplattenrecorder auch von Ihnen genutzt/bedient?
Es wurden in der Frühlingsstraße mehrere bespielte VHS-Video-Kassetten gefunden. Waren in den Haushalten UM/UB/BZ in der Zeit von 1998 bis 2011 Videokassettenrecorder im VHS-Format in Nutzung? Welche Firma / welcher Typ? In welchem Zeitraum erfolgte die jeweilige Nutzung? Wo ist das Gerät bzw. sind die Geräte verblieben?

15. zu E 1, S. 48 – „DVDs … Anfang des Jahres 2011 in Tüten verpackt u. beschriftet“
Sind mit „Tüten“ Briefumschläge gemeint? Waren die „Tüten“ zu diesem Zeitpunkt frankiert? Ggf.: Wann wurden diese „Tüten“ frankiert? Ggf.: Wer hat diese „Tüten“ frankiert?

16. zu E 1, S. 48 – „2011 … Dutzend Waffen“:
Sie erklärten: „Im Jahr 2011 ging ich schätzungsweise von rund einem Dutzend Waffen aus“. Klarstellend: Sind damit Schußwaffen gemeint? Ggf.: Wie viele davon waren Schußwaffen? Wie viele (unterschiedliche) Schußwaffen haben Sie gemäß Ihrer Erinnerung im gesamten Zeitraum nach dem Untertauchen bis Anfang November 2011 gesehen.

17. zu E 2, S. 23 (F 45), E 3, S. 7 (F 12) – Treffen Carsten Schultze / Waffenübergabe Holger Gerlach E 3, S. 6 f. (F 10) / Pistole über Jan Werner E 3, S. 7 (F 11):
Wo genau befand sich der Kaufhauskomplex, in dem das Café war, in dem das Treffen mit Carsten Schultze stattfand? Können Sie diese Stelle genau in einem Stadtplan oder GoogleMaps-Ausschnitt angeben?
Können Sie die Ereignisse
1. Treffen Carsten Schultze („in einem Café, in einem Kaufhaus“)
2. Waffenübergabe Holger Gerlach („ich schätze, es war Sommer 2001“),
3. Mitteilung UB über Waffenlieferung Jan Werner („Details … sind mir nicht bekannt“) zeitlich einordnen, zumindest diese zueinander in eine Reihenfolge (davor/danach) setzen? Ggf. unter Berücksichtigung der weiteren Ereignisse als Anhaltspunkte
4. Treffen mit den Eltern von UB Frühjahr 1999,
5. Treffen mit den Eltern von UB 2000,
6. Treffen mit den Eltern von UB 2002.

18. zu E 2, S. 25 (F 49) – Auswahl der Polizeibeamten als Opfer:
Ist ihnen seitens UM/UB mitgeteilt worden, welchen Bezug diese zu der Stadt Heilbronn hatten und wieso diese dort Polizeibeamte als Opfer gesucht haben? Ist Ihnen bekannt, ob, ggf. wie oft und wann UM/UB sich vor dem 25.04.2007 in Heilbronn aufhielten und aus welchem Anlaß? Ggf.: Waren Sie bei einem dieser Besuche dabei?

19. zu E 4, S. 5 – Gewichtsangabe:
Sie haben angegeben, am 04.11.2011 „etwa zwischen 58 und 60 kg gewogen“ zu haben. Im Personenbericht über Ihre Person vom 31.12.2011 wurden Feststellungen zu Ihrer Person zum Zeitpunkt der Festnahme (08.11.2011) getroffen. Darin ist auf Bl. 21 vermerkt: „Gewicht 63 kg“. Können Sie sich erinnern, ob Sie an diesem Tag gewogen wurden und welcher Wert dabei festgestellt wurde? Ggf.: Betrug der Wert 63 kg?

B. Fragen ohne Bezug zur Einlassung BZ

1. Tankquittung vom 28.10.2011:
Ausweislich einer Quittung vom 02.11.2011, die im Wohnmobil gefunden wurde, wurden am 28.10.2011 an der Shell-Tankstelle Schubertstraße 1 in Zwickau (ca. 2,8 km von der Frühlingsstraße entfernt) 15,98 Liter Super-Benzin erworben. Wer hat dieses zu welchem Zweck erworben? In welchen/welche Behälter wurde es gefüllt? Was geschah mit diesem Benzin?

2. Weitere Wohnungen/Depots/Postfächer:
Sind ihnen andere – als die von Ihnen mitgenutzten – Wohnungen bekannt, die UM/UB nutzten oder Depots/Postfächer von UM/UB? Ggf.: Welche und in welchen jeweiligen Zeiträumen?

3. Bezüge zu Rostock:
3.1. Ist Ihnen bekannt, warum UM (bzw. UM/UB) ein Opfer in der Stadt Rostock auswählten und wie sie auf den dortigen Stadtbezirk Rostock-Toitenwinkel gekommen sind?
Sind Ihnen Bezüge von UM/UB zu diesem Rostocker Stadtbezirk bekannt?
Kannten UM/UB und/oder Sie den Dönerimbißcontainer im Neudierkower Weg 2 in Rostock – den Ort, an dem Mehmet Turgut ermordet wurde – vor dem 25.02.2004? Wurde darüber gesprochen Ggf.: Was?
3.2. Kennen Sie Frau Sylvia M., die Cousine von UB? Ggf.: Direkt oder aus Erzählungen von UB? Ggf.: Sprach UB über Besuche an ihrem Wohnort in Rostock? Ggf.: Was erfuhren Sie von UB über solche Besuche, können Sie diese Besuche zeitlich einordnen?
3.3. Kennen Sie eine Person, die damals den Namen Marcus Ho. (Nachlieferung N 05, 69 ff.) trug und auf der Telefonliste Garage Jena vermerkt war?
Herr Ho. soll laut einer Vernehmungsmitschrift ausgesagt haben, daß er und sein Freund Toralf St., Sie und UM im Sommer – den er 1992 einordnete -, wahrscheinlich im August, auf einem Campingplatz in Krakow am See getroffen habe. Erinnern Sie sich daran? Es soll neben Ihnen und UM noch eine dritte Person mit Ihnen zusammengewesen sein, die nicht UB war und die „Zwerg“ genannt worden sein soll. Erinnern Sie sich daran? Wer war die Person mit der Bezeichnung „Zwerg“? Es soll eine Fahrt mit dem PKW Wartburg von UM nach Rostock gegeben haben. Erinnern Sie sich daran? Wann war diese Fahrt? Wohin genau ging diese Fahrt? Waren Sie mit dabei? Welche Personen waren noch mit dabei?

Herr Ho. wohnte laut seiner protokollierten Aussage in der Pablo-Neruda-Straße (einem Neubauplattenviertel) von März/April 1994 bis 1997 (N 05, S. 72, 75). Er hat laut Vernehmungsprotokoll ausgesagt, daß es möglich ist, daß UM/UB und Sie ihn dort besucht haben bzw. dort übernachtet haben. Waren UM/UB und/oder Sie in der Wohnung des damaligen Herrn Ho. in der Pablo-Neruda-Straße? Ggf. Haben Sie dort übernachtet? Ggf. wann war das?
Nach der protokollierten Aussage sollen UM/UB und Sie an einer Geburtstagsfeier (September 1993) und an einer Silvesterfeier (1994/95) in Rostock teilgenommen haben. Trifft dies zu? Bei wem fanden diese Feiern jeweils statt? Welche Personen nahmen nach Ihrer Erinnerung daran jeweils teil? Gab es sonstige Aufenthalte von Ihnen und/oder UM/UB in Rostock vor dem 25.02.2004? Ggf.: Wo genau hielten Sie und/oder UM/UB sich anläßlich dieser Besuche in Rostock auf.

4. Bezüge zu Greifswald:
Gab es Aufenthalte von Ihnen und/oder UM/UB in Greifswald? Ggf.: Wo genau und wann? Ist Ihnen bekannt, warum in einem Greifswalder Stadtplan 2005/06 im Bereich Fleischervorstadt, Arndtstraße, auf Höhe der Nr. 25, 26, 27, 28 ein Kreuz vermerkt ist (Ass. 2.7.22 = Foto 2.7.22-BBB_8909.JPG)? Ist Ihnen ein Bezug zu den dortigen Adressen bzw. den von der Polizei ermittelten Namen der Bewohner bekannt. Ggf.: Welcher?
Ist Ihnen bekannt, ob UM/UB vorhatten, in Greifswald ein Geldinstitut zu überfallen? Ggf.: Welches und wann?
Ist Ihnen bekannt, warum in einem Greifswalder Stadtplan 2005/06 im Bereich Ostseeviertel, Talliner Straße, Eintragungen (Pfeil, Kreuze, Linie) vermerkt sind?

5. Auslandsaufenthalte:
Hielten Sie sich bzw. UM/UB – gemeinsam oder einzeln – im Zeitraum von Februar 1998 bis Oktober 2011 im Ausland auf. Ggf.: Wo genau und in welchem Zeitraum? Ggf.: Was war der Anlaß bzw. Grund des jeweiligen Aufenthaltes?

Es folgt dann eine Pause bis 14:55 Uhr. Danach erhält RAin Catic-Redemann das Wort: „Insgesamt sind es 35 Fragen und ich teile mir das Stellen der Fragen mit dem Kollegen Schön. Vorweg: die Seitenangaben ohne weitere Angaben beziehen sich auf den Ausdruck der Einlassung vom 09.12.2015.“ Catic-Redemann trägt ihre Fragen vor:

1. In Ihrer Einlassung, Seite 8, räumen Sie ein, an der Herstellung eines ‚Puppentorsos‘ für eine Aktion am 13. April 1996 beteiligt gewesen zu sein. Warum wurde an diesem Puppentorso ein Davidstern und ein Schild mit der Aufschrift ‚Jude‘ angebracht?
2. Am Wochenende vor Ihrem Untertauchen sollen Fotos Ihre Beteiligung an einer Demonstration in Dresden gegen die Wehrmachtsausstellung zeigen. Welche Fahne tragen Sie dort und warum? Mit wem sind Sie zusammen nach Dresden gefahren, wen erkennen Sie auf den Fotos wieder? Wer ist die weibliche Person, die neben Ihnen die Fahne trägt? An der Seite der Demonstration, neben Ihnen, wird eine Transparent mit der Aufschrift „Nationalismus – Eine Idee sucht Handelnde“ getragen. Wer hat sich dieses Transparent ausgedacht, wer hat es hergestellt und wer hat es getragen?

An dieser Stelle werden nach kurzer Debatte um die Form des Vorhalts drei Fotos aus einer Arte-TV-Dokumentation gezeigt. Zu sehen sind Demonstrationsfotos vom 24.01.1998 in Dresden. Eines zeigt einen größeren Ausschnitt des bereits gezeigten Fotos zu diesem Aufmarsch. Die beiden anderen zeigen Personen, die ein rotes Transparent mit der weiße Aufschrift „Nationalismus – Eine Idee sucht Handelnde“ tragen.

Catic-Redemann weiter:

3 . Nach Ihrer Darstellung haben Sie am 26.1.1998 die Aufforderung von Uwe Böhnhardt „Fackel ab“ im Endeffekt nicht befolgt (S.11). Gab es anschließend Diskussionen darüber mit den beiden Uwes, ggf. mit welchem Inhalt. Wurden Ihnen Vorwürfe gemacht?
4. Haben Sie und/oder Uwe Böhnhardt/Uwe Mundlos nach dem Untertauchen ihr Äußeres verändert und wenn ja, wie?
5. Nach Ihrer Behauptung wollten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Ende 1999 nach Südafrika, Sie wollten Deutschland aber auf keinen Fall verlassen (S.17). Sie behaupten weiter, Sie hätten Ende 2000, nachdem Sie von dem Mord an Enver Şimşek erfahren haben, überlegt, sich der Polizei zu stellen. Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos sollen mit einer Selbsttötung gedroht haben (S.21). Haben Sie in dieser Situation mit den beiden die Möglichkeit erörtert, dass diese nunmehr – wie bereits Ende 1999 geplant – nach Südafrika auswandern sollten und Sie sich sodann der Polizei stellen?
6. Wie sind Sie oder Böhnhardt oder Mundlos an den Ausweis des Herrn Ralph Ho. gekommen, welchen Kontakt hatten Sie zu ihm, wusste er, dass auf seinen Namen Bestellungen getätigt und eine Wohnung angemietet wurde?

7. Trifft es zu, dass Thomas Rothe sie sowohl in Wohnungen in Chemnitz, wie in Wohnungen in Zwickau besucht hat? Wenn ja in welchen der Wohnungen? Hatten Sie und Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt keine Angst, dass Herr Rothe Ihren Aufenthaltsort verraten könnte? Ggf.: Weshalb waren Sie sicher, dass Herr Rothe Ihren Aufenthaltsort nicht verraten würde?
8. Haben Sie sich regelmäßig über das politische Geschehen informiert und wenn, aus welchen Quellen, haben Sie regelmäßig eine Zeitung (welche) gelesen und/oder regelmäßig Nachrichtensendungen im Radio gehört oder im Fernsehen gesehen (welche)?
9. Haben Sie mit Uwe Böhnhardt und/oder Uwe Mundlos regelmäßig (wie oft pro Woche oder Monat) Fernsehabende veranstaltet, welche Sendungen/Serien haben Sie dabei gesehen? Gab es hier Unterschiede während der Zeit in der Polenzstraße und der Zeit in der Frühlingsstraße?
10. Haben Ihnen Uwe Böhnhardt und/oder Uwe Mundlos häufiger Zeitungsartikel gezeigt, in denen von deren Taten berichtet wurde?
11. Sie erklären, dass Mundlos und Böhnhardt nach der Rückkehr vom Bombenanschlag in der
Keupstraße keine Details berichteten. Sie hätten sich deshalb über die Zeitung informiert. Hatten
sie zuvor versucht von Mundlos und Böhnhardt Details zu erfahren? Welche? Was erfuhren Sie aus der Zeitung, was Sie nicht schon vorher von Mundlos und Böhnhardt erfahren hatten. Woher hatten Sie Zeitungen? Haben Sie diese täglich gekauft? Was geschah mit den Zeitungen, nachdem Sie diese gelesen hatten? Haben Sie die Zeitungen Böhnhardt und Mundlos gezeigt/gegeben. Haben Sie ab dem 9.6.2004 Fernsehsendungen zum Anschlag gesehen?

12. Als Ihnen – nach Ihrer Darstellung – am 5. oder 6.10.2006, nach dem gescheiterten Überfall auf die Bank in der Kosmonautenstraße in Zwickau, Böhnhardt davon und Mundlos und Böhnhardt von weiteren vier Morden erzählten, haben Sie sich mit den Erklärungen zufrieden gegeben, oder haben sie sich dann selbstständig zu dem Banküberfall Zeitungen besorgt und zu den Morden im Internet recherchiert? Mit welchem Ergebnis?
13. Haben Uwe Böhnhardt und/oder Uwe Mundlos als Grund für die von ihnen verübten Morde
(auch) erklärt, dass sie dies zur Erhaltung der deutschen Nation getan hätten, dass es notwendig sei Ausländer zu töten um die deutsche Nation zu erhalten?
14. Zu den in der Frühlingsstraße aufgefundenen Videoaufzeichnungen zum Bombenanschlag in der Keupstraße soll sich Ihr Verteidiger, Herr Grasel nicht nur gegenüber der taz sondern auch gegenüber dem Berliner Tagesspiegel geäußert haben. Er soll dabei ausweislich des beigefügten Artikels erklärt haben:

An dieser Stelle gibt es von Seiten Richter Götzls erneut eine Beanstandung zur Art des Vorhalts und zur Verwendung des Begriffs „beigefügt“. Nach mehrfachen Unterbrechungen durch Götzl liest Catic-Redemann die Passage schließlich vor:

„Denkbar sei auch, Mundlos und Böhnhardt hätten in Köln nach der Tat bei einem Freund die Sendungen aufgenommen.“ Wissen Sie ob Uwe Böhnhardt und/oder Uwe Mundlos in Köln einen Freund/Freundin hatten und wie heißt der/die?
15. Wissen Sie etwas dazu, warum André Eminger am 8.6.2004 (einen Tag vor dem Anschlag in der Keupstraße) in Euskirchen war und was er dort gemacht hat?
16. Nach Ihrer Behauptung hatten Ihnen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt immer wieder – erstmals Ende 2000 – erklärt (S.21), dass diese sich selbst töten würden, falls sie durch die Polizei festgenommen werden sollten. Welche Verhaltensregeln hatten Sie für den Fall besprochen, dass es auf einer gemeinsamen Fahrt von ihnen allen dreien (z. B. im Urlaub) zu einer polizeilichen Überprüfung oder gar zu einer Festnahme käme? Hatten Sie immer Waffen dabei?

17. Auf Seite 34 Ihrer Einlassung behaupten Sie: „Bei diesen Gesprächen über den Tod musste ich beiden mehrfach das ‚absolute Versprechen‘ geben: Sollten beide erschossen werden oder sollten sie sich selbst erschießen, um einer Verhaftung zuvor zu kommen, so sollte ich die von Uwe Mundlos erstellten und versandfertig vorbereiteten DVDs in den Briefkasten stecken und versenden. Ich sollte die Wohnung in Brand setzen und ich sollte die Eltern des Uwe Mundlos und des Uwe Böhnhardt benachrichtigen.“ Zeitlich ordnen Sie diese Gespräche in den Zeitraum nach Umzug in die Frühlingsstraße, also Mitte 2008, ein. Die erstmalige Selbstmorddrohung behaupten Sie hingegen bereits für das Ende 2000. Welche Verabredung bestand im Zeitraum zwischen 2000 und 2008 für den Fall, dass Böhnhardt und Mundlos erschossen wurden und/oder Selbstmord begangen hätten? Sollten Sie dort auch eine Wohnung anzünden und/oder irgendwas verschicken?
18. In Ihrer Einlassung vom 9.12.2015 haben Sie erklärt, Sie hätten das Haus nicht angezündet, wenn Sie gewusst hätten, dass Frau E. zu Hause war und diese nicht mit Ihnen das Haus verlassen hätte (S.37). Als Sie Böhnhardt und Mundlos das „absolute Versprechen“ gaben, die Wohnung in Brand zu setzen, haben Sie da Böhnhardt und Mundlos erklärt, dass das für sie nicht in Betracht käme, wenn dadurch anderen Menschen gefährdet würden? Falls ja, wie haben Mundlos und Böhnhardt darauf reagiert? Wurde in diesem Zusammenhang auch die Frage besprochen, ob man Ihrem Versprechen trauen könne, wo Sie doch gegen die Anweisung Böhnhardts 1998 die Garage nicht „abgefackelt“ hatten, weil dort Menschen in der Nähe waren?

Dann fährt RA Schön fort, die Fragen vorzutragen:

19. Am 21.1.2016 (S. 26) erklären Sie: „Wenn wir uns in der Wohnung befanden und es an der Tür klingelte, so war es stets ich, die zur Tür gehen und nachschauen musste, wer geklingelt hatte. Für den Extremfall, dass nämlich die Polizei vor der Tür steht, hätten die beiden sich auf der Stelle erschossen.“ Warum mussten Sie an die Tür, obwohl Überwachungskameras existierten? Gab es irgendeine Verabredung, was Sie rufen sollten, damit sich Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt erschießen? Hatten diese jeweils eine einsatzbereite Waffe in ihrem Zimmer herumliegen? Was war für den Fall verabredet, dass Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt zum Zeitpunkt des Auftauchens der Polizei nicht zuhause waren?
20. Nach Ihrer Antwort vom 16.3.2016 auf die Frage 19 des Vorsitzenden hatten Sie das neben der Küche liegende Zimmer benutzt, das in der Skizze des BKA als „Wohnzimmer – Brandbereich E“ bezeichnet wird. In diesem von Ihnen bewohnten Zimmer war die einzige Überwachungskamera installiert, die den Bereich der Frühlingsstraße erfassen soll. Auf dem PC-Arbeitsplatz unter Ihrem Hochbett befand sich neben dem PC auch eine Festplatte mit Mitschnitten der Überwachungskamera. Welche Rolle hatten Sie bei der Benutzung und Speicherung der
Bilder der Überwachungskamera?

21. Ein Teil des von Ihnen gegebenen Versprechens sollte sein, die „versandfertig vorbereiteten DVDs in den Briefkasten zu stecken“ (S. 34). Dies Versprechen gaben Sie nach Ihrer Darstellung etwa 2008. Später erklären Sie: „Abschließend kann ich zu den DVDs noch erklären, dass Uwe Mundlos diese Anfang des Jahres 2011 in Tüten verpackt und diese beschriftet hatte. Ich hatte ihn darauf angesprochen, nachdem ich die Tüten im Abstellraum gesehen hatte. Er erklärte, dass dies die DVDs seien, die ich im Fall der Fälle verschicken sollte“ (S. 48) . Welche DVDs sollten Sie vor 2011 verschicken, wenn Sie dieses „absolute Versprechen“ (S. 34) schon 2008 gegeben hatten, oder worauf bezog sich dieser Teil des „absoluten Versprechens“ vor 2011?
22. Zur DVD erklären Sie weiter: „Uwe Mundlos wollte, dass alle Beweise im Zusammenhang mit ihren Taten vernichtet werden und der einzige Beweis Ihres Tuns die DVD sei“ (S. 34) Ich halte Ihnen vor, dass es für den Einsatz der DVD als Beweismittel ausreichend gewesen wäre, ein Exemplar an eine Polizeidienststelle oder Staatsanwaltschaft zu senden. Warum sollten Sie, wollten Sie und haben Sie eine Vielzahl von DVDs an eine Vielzahl von Anschriften – allerdings weder an eine Polizeidienststelle noch an eine Staatsanwaltschaft – versandt? Wie sollte nach Meinung von Mundlos aus dem Inhalt der CD auf konkrete Täter geschlossen werden?

23. Nach Ihrer Darstellung vom 16.3.2016 zu Frage 19 wurde der in Skizzen des BKA als „Katzenzimmer“ bezeichnete Raum von Ihnen dreien gemeinsam als Wohnraum benutzt. In diesem Raum, den Sie alle gemeinsam benutzten, befanden sich eine Vielzahl von Ausdrucken von Adressen, und handschriftlichen Aufzeichnungen zu Adressen. Zu welchem Zweck wurden diese Adresslisten angelegt?
24. In Ihrem Zimmer wurde unter einem Hochbett ein PC-Arbeitsplatz gefunden, von dem ein ASUS-PC-Tower sichergestellt wurde. Auf diesem Tower wurden unter dem 21.08.2011 Google-Suchanfragen „Bungalow Eisenach“ und „Bungalow Arnstadt“ ausgeführt. Welchen Hintergrund hatten diese auf Ihrem PC durchgeführten Suchanfragen?
25. Nachdem sie vom 9.7. bis 15.8.2011 mit dem Fahrzeug VW T5 Caravelle Urlaub gemacht haben, wurde dasselbe Fahrzeug noch einmal für den Zeitraum vom 21.8. bis 26.8.2011 angemietet. Zu welchem Zweck?
26 . Wie viel Geld haben Sie durchschnittlich im Monat verbraucht ohne Berücksichtigung besonderer Ausgaben wie Urlaub, Anmietung von Fahrzeugen und größere Anschaffungen?
27. Sie berichten davon, dass Ihnen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach dem Banküberfall vom 2.7.2001 die Beute gezeigt haben. Nach den bisherigen Feststellungen soll es sich dabei um 74.700,00 DM gehandelt haben. Wieviel DM hatten Sie davon noch am 31.12.2001, wie haben Sie die (Rest-) Beute in Euro umgewechselt, wer hat Ihnen dabei geholfen?

28. In ihren Antworten vom 16.3.2015 auf Fragen des Vorsitzenden haben Sie zu Frage 8 mitgeteilt, dass Sie nach dem 11.1.2007 André Eminger von den Raubüberfällen erzählt hätten. Was hatten Sie vor diesem Datum André und Susann Eminger erzählt, wovon Sie Ihren Lebensunterhalt bestreiten?
29. Sie behaupten, anlässlich der Diskussion um den späteren Banküberfall in Arnstadt im September 2011 hätten sie den anderen beiden erklärt, sie hätten „noch genug Geld“ (S. 35). Wieviel Geld hatten Sie zu diesem Zeitpunkt noch? Wieviel Geld hatten Sie mit, als Sie am 4.11.2011 die Wohnung verlassen haben und was haben Sie mit diesem Geld gemacht?
30. Nach Angaben verschiedener Zeugen sollte das Wohnmobil im Oktober 2011 von der Firma K. ursprünglich vor dem 25.10. angemietet werden. Was wissen Sie über die Gründe, warum das Fahrzeug ursprünglich früher angemietet werden sollte? Warum erfolgte dann die Anmietung erst zum 25.10.2011 ?

31. Nach der Auswertung des BKA fand auf Ihrem Rechner im Zeitraum zwischen dem 25.10. und 28.10.2011 sowie zwischen dem 31.10. und 3.11.2011 keinerlei Aktivität statt . Wo haben Sie sich zu diesem Zeitpunkt aufgehalten und/oder warum wurde für diese Zeiträume keine Benutzung des in Ihrem Zimmer stehenden Rechners registriert?
32. In Ihrer Erklärung vom 09.12.2015 teilen Sie zum Morgen des 4.11.2011 mit, dass Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos „überfällig“ gewesen seien (S. 36). Warum waren sie „überfällig“, obwohl Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos am 3.11. die Anmietung des Wohnmobils zunächst bis zum 7.11. verlängert hatten?
33. Der vom BKA rekonstruierte Internetverlauf auf Ihrem Computer ist Ihnen bekannt. Wie ordnen Sie zeitlich die Radiomitteilung, der Sie den Tod von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos entnommen haben wollen, in diesen Internetverlauf ein, das heißt welche Suchanfragen haben Sie vor und welche Suchanfragen nach der genannten Radiomeldung vorgenommen?
34. Auf Ihrem PC wurde nach Feststellungen des BKA das erste Benutzerkonto am 14.04.2011 angelegt. Es befanden sich Auszüge von Google-Maps und Google-Earth betreffend das Jüdische Krankenhaus in Berlin auf Ihrem PC. Wann und zu welchem Zweck wurden entsprechende Suchanfragen gestartet und entsprechende Kartenausschnitte heruntergeladen?
35. In Ihrer Erklärung vom 9.12.2015 teilten Sie mit, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hätten Ihnen als Grund für den Mord an Enver Şimşek erklärt, sie wollten die Sache zu einem „knallenden Abschluss“ bringen (S. 20). In Ihrer Mitteilung vom 21.1.2016 (dort S. 10) haben Sie den „knallenden Abschluss“ auf die Selbstmordabsichten von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos bezogen. Suchten diese den Selbstmord und „wollten“ ihn? Haben Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt häufiger von einem „knallenden Abschluss“ gesprochen? Haben Sie und/oder Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt nach dem Anschlag von Anders Breivik im Juli 2011 über einen „knallenden Abschluss“ gesprochen?

Dann fragt RAin Busmann:
„Falls Sie Kenntnis von einer oder von mehreren Fahrten von Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt nach Hamburg im Jahr 2001 oder davor hatten: Von wie vielen Fahrten nach Hamburg wissen Sie? Was war der Grund für diese Fahrten oder für diese Fahrt, den Mundlos und Böhnhardt Ihnen gegenüber angegeben haben? Wie lange waren Mundlos und Böhnhardt weg? Wissen Sie, wie Böhnhardt und Mundlos im Sommer 2001 nach Hamburg gefahren sind? Haben die beiden von weiteren Personen im Zusammenhang mit dieser Fahrt nach Hamburg berichtet? Wenn ja, von welchen Personen und in welchem Zusammenhang?
Ergänzend zu der Frage des Kollegen Langer, was genau Mundlos und Böhnhardt gesagt haben, als Sie ihnen von den Morden in Hamburg und Nürnberg erzählt haben: Wie genau haben Sie, Frau Zschäpe, auf diese Informationen reagiert? Was genau haben Sie dazu gesagt? Wann haben Sie das erste Mal den Namen Süleyman Taşköprü bzw. Teile dieses Namens im Zusammenhang mit dem Mord in Hamburg gehört? Von wem bzw. wie?
Ergänzend zur Frage des Kollegen Scharmer: Falls Sie schon mal in Hamburg waren, waren Sie auch schon mal in Hamburg-Altona oder Hamburg-Bahrenfeld?
Auf Ihren Reisen nach Fehmarn, sind Sie da über Hamburg gefahren? Wurden Sie während Ihrer Aufenthalte auf Fehmarn von Personen besucht, die aus Hamburg oder jedenfalls aus Norddeutschland stammten oder in Hamburg bzw. Norddeutschland lebten zu der Zeit? Oder die nach Ihrem Wissen Kontakte dahin hatten?
Falls Sie die vorangegangene Frage nach Kontakten zu Personen aus Hamburg bejahen:
Sind Sie auf einem der Rudolf-Heß-Gedenkmärsche, an denen Sie teilgenommen haben, mit Personen aus Hamburg oder Norddeutschland in Kontakt gekommen? Falls ja, mit wem und wann Sind Sie über Gefangenenhilfsorganisationen mit Personen aus Hamburg bzw. Norddeutschland in Kontakt gekommen?
Haben Sie an einer oder mehreren Rechtsschulungen teilgenommen? Falls ja, von wem waren diese organisiert? Wo fanden diese statt? Wer war Ihnen dort bekannt?
Kennen Sie die folgenden Personen persönlich: Thekla Kosche, Rechtsanwältin Gisa Pahl, Christiane Dolscheid, Christian Worch, Torben Klebe, Michael See, Stefan Silar, Thomas Wulff?
Falls ja, wo und wann haben Sie sie jeweils kennengelernt? Wurden Sie einander vorgestellt? Falls ja, wo und von wem?
Falls Sie die jeweilige Person nicht kennen, haben Sie den jeweiligen Namen schon mal gehört Falls ja, von wem, in welchem Zusammenhang und zu welcher Gelegenheit?
Haben Sie Kenntnis, ob Mundlos und Böhnhardt diese Personen kennengelernt haben oder Kenntnis dieser Namen hatten? Wenn ja, wo und wann haben sie diese kennengelernt?

Auf Seite 14 der Einlassung vom 09.12.2015 schreiben Sie von einer gemeinsamen Besprechung unter Ihnen Dreien hinsichtlich eines Überfalls, woraufhin der Edeka-Markt im Dezember 1998 überfallen wurde. Waren Sie mit der Durchführung eines Überfalls einverstanden? Wer war noch an der Durchführung des Überfalls beteiligt?
Auf Seite 15 der Einlassung vom 09.12.2015 zur Waffe, die Böhnhardt und Mundlos benutzt haben: War das die einzige Waffe in Ihrem Haushalt bis zu diesem Zeitpunkt? Wie sah diese aus? Woher stammte diese Waffe?
Hatten Sie Kenntnis von der Planung der beiden Überfälle im Oktober 1999? Und wenn ja, was genau wussten Sie?
Als Böhnhardt und Mundlos nach dem Überfall auf die Post in der Johannes-Dick-Straße in Chemnitz nach Hause kamen, waren Sie da zu Hause? Haben sie Ihnen die Beute gezeigt? Was ist gesprochen worden? Wie haben Sie reagiert?
Als Sie das erste Mal vom Mord an Enver Şimşek erfuhren, sagen Sie in Ihrer Einlassung, Uwe Mundlos habe Ihnen von diesem Mord erzählt. War Uwe Böhnhardt bei dem Gespräch dabei?
Sie schrieben in Ihrer Einlassung vom 09.12.2015 auf Seite 22, dass die beiden Ihnen zwar vertrauten, aber eben nicht zu 100 Prozent und es daher nicht möglich gewesen sei, dass Sie sich stellen und die beiden im Untergrund bleiben. Da sei Ihnen klar geworden, dass es für ein Aussteigen definitiv zu spät sei. War das auch noch im Jahr 2000, dass Ihnen das klar geworden ist? Welche Fragen haben Sie den beiden genau zum Anschlag in der Probsteigasse gestellt, nachdem Sie davon erfahren haben, dass die beiden dafür verantwortlich sind?

Wie war die Stimmung zwischen Ihnen Dreien, als Sie von dem Überfall auf die Post in der Max-Planck-Straße am 05.07.2001 erfuhren?
Wenn Sie, wie auf Seite 27 der Einlassung vom 09.12.2015 schildern, dass es immer wieder Schweigen zwischen Ihnen Dreien gegeben habe, nachdem Sie von Mordtaten erfahren haben, haben sich diese Situationen wieder aufgelöst oder entspannt? Falls ja, erinnern Sie sich an Details, wie man wieder begann, miteinander zu sprechen nach andauerndem Schweigen? Schildern Sie bitte Details der Annäherung, sofern eine solche wieder stattgefunden hat.
Hatten Sie Angst vor Uwe Böhnhardt und/oder Uwe Mundlos?
Wenn Sie von Böhnhardt und Mundlos hörten, dass sie aufbrachen, um ‚Geld zu besorgen‘, glaubten Sie daran, dass es einen Überfall auf ein Geldinstitut geben würde, nachdem Ihnen offenbart wurde, dass bereits im August 2001 Habil Kılıç ermordet wurde, nachdem die beiden Ihnen gesagt hatten, sie würden wegfahren, um einen Überfall zu begehen?

Warum vertrauten Sie den beiden gerade nicht mehr nach dem Anschlag in der Keupstraße? Sie haben geschildert, bereits vorher mehrfach über Vorhaben nicht informiert worden zu sein. Woran machen Sie fest, dass dies der Zeitpunkt des Vertrauensbruches zwischen Ihnen war?
Haben Sie an den Verpackungen der DVDs, welche Ihnen von Mundlos überreicht worden waren, vor dem Versenden dieser DVDs am 04.11.2011 noch Veränderungen irgendeiner Art vorgenommen?
Sie schreiben auf Seite 34 der Einlassung vom 09.12.2015: ‚Uwe Mundlos wollte, dass alle Beweise im Zusammenhang mit ihren Taten vernichtet werden und der einzige Beweis ihres Tuns die DVD sei. Uwe Böhnhardt wollte, dass alle Beweise vernichtet werden, die Rückschlüsse auf unsere Lebensweise in den vergangenen Jahren zulassen würden.‘ Haben die beiden Ihnen das so gesagt Wie genau war die Wortwahl? Haben Sie darauf etwas erwidert? Falls ja, was haben Sie gesagt?
Als Sie am 25.10.2011 gemeinsam mit Mundlos und Böhnhardt das Wohnmobil abholten und dann mit Ihnen nach Leipzig fuhren, taten Sie das im Glauben, die beiden würden einen weiteren Überfall mit diesem Wohnmobil begehen? Kam Ihnen der Gedanke, dass ein weiterer Mord begangen werden könnte? Falls nein, warum nicht?

Hatten Böhnhardt und Mundlos als sie aufbrachen zu ihrer letzten Abwesenheit, also vor dem 04.11.2011, Gepäck dabei? Falls ja: Was haben sie eingepackt? Wie viele Gepäckstücke hatten sie dabei? Was haben Sie als Grund für diese Reise Ihnen gegenüber genannt?
Haben Sie es am 04.11.2011 als Risiko für sich selbst empfunden, den letzten Wünschen der beiden, also Anzünden der Wohnung und Versenden der DVDs, nachzukommen?
Wie erfuhr Uwe Mundlos davon, dass Sie mit Uwe Böhnhardt liiert waren? Wie reagierte er darauf?
Und schließlich: Wie waren jeweils die Reaktionen des Uwe Mundlos auf die körperlichen Misshandlungen, die von Uwe Böhnhardt gegen Sie gerichtet wurden?“

Dann fragt RA Martinek:
„Gab es beispielsweise während Ihrer Urlaubsaufenthalte im Wohnmobil oder Campingwagen irgendwann ein Gespräch, und sei es nur theoretisch und scherzhaft, wie man einen solchen Campingwagen in Brand setzen oder sprengen könnte?
Wie ist Ihre persönliche Einstellung gegenüber Polizeibeamten? Haben Sie darüber auch einmal mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gesprochen und falls ja, wie war deren Einstellung?“

RA Erdal fragt: „Nur eine einzige Frage, über drei Personen. Herr Kollege, wollen Sie das aufschreiben?“ Götzl reagiert ungehalten: „Was soll das? Wie Herr Rechtsanwalt Grasel das handhabt, ist seine Sache!“ Erdal: „Was wissen Sie über Andreas Temme, in Klammer: Verfassungsschutz Kassel, zweitens Ralf Marschner, in Klammer: bei dem Sie gearbeitet haben sollen, drittens Thomas Richter, in Klammer: V-Mann Corelli?“

Dann fragt der psychiatrische SV Prof. Saß:
„Frau Zschäpe, ich habe Fragen zu sieben Bereichen, aber es ist überschaubar.
Es beginnt mit dem Gesundheitsbereich: Sie haben gesagt in den Antworten vom 21.01.2016, dass Sie keinen schweren Erkrankungen durchgemacht haben. Ich wollte fragen, ob sich das auch auf den psychischen Bereich bezieht oder ob Sie irgendwann mal schwere psychische Einschränkungen hatten, die Sie subjektiv als Krankheiten empfunden haben [phon.].
Das Zweite ist zum Alkoholkonsum ergänzend: Gab es längere Zeiten der Karenz, wo Sie nicht getrunken haben – nicht nur Tage, sondern Wochen [phon.]? Gab es in diesen Zeiten Beschwerden im Sinne von Entzugserscheinungen? Wie war der Alkoholkonsum in den Urlauben? Und gab es Besonderheiten nach der Verhaftung? Sind Sie da medikamentös behandelt worden?
Zu psychisch wirksamen Medikamenten: Wurden von Ihnen Schmerz-, Schlaf- und Beruhigungsmittel genommen? Wenn ja, wegen welcher Beschwerden, welche Medikamente waren das, welche Dosierung und woher wurden die Medikamente bezogen?

Die sozialen Beziehungen zu Mundlos und Böhnhardt: Welches waren wichtige Inhalte der Beziehung – Gesprächsthemen, gemeinsame Interessen, Konfliktfelder? Jeweils zum einen und zum anderen. Und welche Änderungen haben sich in den Beziehungen im Laufe der Zeit ergeben?
Dann zur geistigen Betätigung, Lektüre, Film, Fernsehen: Was haben Sie gern gelesen? Welche Art von Filmen haben Sie gern gesehen? [phon.] Haben sich diese Interessen auf geistigem Gebiet im Laufe der Jahre geändert und wenn ja, wie?
Wichtige Bezugspersonen in der Zeit, wo sie im Verborgenen gelebt haben: Gab es Ihnen wichtige Kontaktpersonen und was waren wichtige Themen des Austauschs?
Und als Siebtes: In der Erklärung vom 09.12.2015 auf S. 26 findet sich die Angabe: ‚Aus diesem emotionalen Dilemma fand ich keinen Ausweg.‘ Haben Sie sich mit irgendjemandem über dieses Thema und Dilemma ausgetauscht und was waren Ihre Überlegungen zu diesem Dilemma?“

Nachdem es keine weiteren Fragen gibt, sagt Götzl in Richtung Zschäpes und ihrer Verteidiger: „Dann wären wir am Ende. Jetzt die Nachfrage an Sie: Wie wollen Sie es handhaben?“ RA Borchert: „Wir werden uns besprechen, ob wir die Fragen beantworten, ob wir darauf eingehen. Mir ist nur durch den Kopf gegangen: Wenn wir die hunderten Fragen beantworten sollen, sollten wir zu diesem Ergebnis kommen, wird das Monate dauern. Denn ich kann nicht jeden Tag mit ihr sprechen und nicht jeden Tag mehrere Stunden. Sie haben ja gehört, wie viele Fragen es gibt, die kann man ja auch nicht mit Ja und Nein beantworten. Das braucht viel Zeit – wenn wir zu dem Ergebnis kommen.“

Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders: „Wir hätten noch zwei kurze Anträge.“ Dann beantragt Schneiders, die Zeugen Tu. und Kö. zu laden. Die Zeugen seien Mitte der 90er bis in die 2000er Beamte des Dezernats Staatsschutz der KPI Jena gewesen und hätten dabei umfangreiche Erkenntnisse zu Wohlleben, zu dessen politischen Aktivitäten und Äußerungen erlangt. Dabei werde sich herausstellen, dass Ausländer- und Asylpolitik [phon.] in der politischen Arbeit Wohllebens eine untergeordnete Rolle gespielt hätten. Wohlleben habe dem medialen Totschweigen nationaler Positionen entgegenwirken wollen. Keine der durchgeführten Demonstrationen habe sich mit dem Thema Ausländer- und Asylpolitik beschäftigt. Die einzige Aktion zu diesem Thema sei eine Unterschriftensammlung gegen die doppelte Staatsbürgerschaft gewesen. Dasselbe gelte auch für Plakate und Aufkleber. Einzige Ausnahme sei Tino Brandts Aufkleber „Bratwust statt Döner“ gewesen. Auch habe Wohlleben an keinen Delikten gegen Ausländer, die von Angehörigen der KS Jena oder des THS begangen worden seien, teilgenommen. [phon.] Die Beamten hätten mehrfach persönlichen Kontakt mit Wohlleben gehabt und würden bekunden, dass Wohlleben nicht im Sinne einer ausländerfeindlichen Gesinnung aufgefallen sei. Die Beweiserhebung werde die Behauptung der Anklage widerlegen, Wohlleben habe aufgrund seiner eigenen Gesinnung ideologisch motivierte Tötungsdelikte an Mitbürgern ausländischer Herkunft in Kauf genommen.

Wohlleben-Verteidiger RA Klemke beantragt dann die erneute Ladung Christian Kapkes zum Beweis der Tatsache, dass der Zeuge nicht bei der von Carsten Schultze geschilderten Schlägerei an der Haltestelle in Winzerla anwesend gewesen sei. Die Vernehmung des Christian Kapke werde Schultze der Lüge überführen. Weiter beantragt Klemke, Niederschriften von Vernehmungen vom Mirko Sz. und Frank W. („Schmaler“) bzgl. der Schlägerei beizuziehen, aus denen Schultze vom BKA vorgehalten worden sei. Die Verteidigung benötige Akteneinsicht, um die Angaben Schultzes überprüfen zu können.

Schultzes Verteidiger RA Pausch behält sich eine Stellungnahme dazu vor. Dann ordnet Götzl das Selbstleseverfahren für mehrere Schriftstücke au den Akten an, u.a. eine „Gesamtasservatenliste“, einen Führerschein, ein Handyvertrag, ein Protokoll zur kriminaltechnischer Tatortarbeit, ein Protokoll zur Übergabe Reisemobile, ein Mietvertrag für ein Wohnmobil vom 05.09. bis zum 10.09.2011 [phon.] und ein paar Vermerke. Danach sagt Götzl: „Der morgige Termin entfällt.“ Der Verhandlungstag endet um 15:57 Uhr.

Das Blog „nsu-nebenklage“: „Heute sagte zunächst eine BKA-Beamtin erneut zu den in der Frühlingsstraße gefundenen Fernsehaufnahmen aus, die noch am Tag des Anschlags in der Keupstraße in Köln gemacht worden waren. Das Fazit ihrer Ermittlungen ist nach wie vor: es ist technisch möglich, dass diese Aufnahmen in der Wohnung in Zwickau gemacht wurden – dann aber durch Beate Zschäpe, denn Böhnhardt und Mundlos waren bei Ausstrahlung noch nicht aus Köln zurück. Es kann aber natürlich auch sein, dass ein Unterstützer in Köln oder Umgebung die Aufnahmen machte. Weiter hatte die Zeugin sich erneut mit dem Bekennervideo des NSU beschäftigt und festgestellt, dass darin auch ein Zeitungsartikel verwertet wurde, an dem sich ein Fingerabdruck von Zschäpe fand. Sodann gab der Vorsitzende den Prozessbeteiligten Gelegenheit, Fragen an die Angeklagte Zschäpe zu stellen – und diese Gelegenheit wurde umfassend wahrgenommen. […] Die Fragen zeigten zweierlei eindrücklich: zum einen, dass im Verfahren in München noch sehr sehr viele zentrale Fragen offen und aufklärungsbedürftig sind, zum anderen, dass die bisherigen Einlassungen Zschäpes offensichtlich konstruiert, lückenhaft und widersprüchlich sind. Die Angeklagte und ihre Verteidiger nahmen die Fragen zunächst entgegen und äußerten sich nicht endgültig dazu, ob diese beantwortet werden sollen – bei Abgabe der Einlassung hatten die Verteidiger ja noch angekündigt, Fragen der Nebenklage würden nicht beantwortet. Wahlverteidiger Borchert versuchte die Situation zu seinem Nutzen zu verwenden, indem er darauf verwies, dass eine eventuelle Beantwortung der Fragen viele Besprechungen erfordern und sicher Monate dauern würde. Wahrscheinlich hofft er, auf diese Weise dann doch noch die von Zschäpe immer wieder beantragte Pflichtverteidigerbeiordnung durchzusetzen. Heute wurde erneut deutlich, dass die von Zschäpes Verteidigern für sie abgegebenen Erklärungen ausschließlich ihrem eigenen Bedürfnis nach Selbstdarstellung und Inszenierung eines positiven Selbstbildes gedient haben, aber überhaupt nicht geeignet sind, ein Bild des tatsächlichen Geschehens während ihres dreizehnjährigen Zusammenlebens mit Böhnhardt und Mundlos und ihrer dreizehnjährigen Mitgliedschaft im NSU zu zeichnen.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2016/07/06/06-07-2016/

Der Beitrag Protokoll 295. Verhandlungstag – 06. Juli 2016 erschien zuerst auf NSU Watch.


Protokoll 289. Verhandlungstag – 15. Juni 2016

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An diesem Prozesstag ist zunächst ein Beamter des LKA Berlin geladen, der im Verfahren gegen die Band Landser tätig war. Im Zuge dieses Verfahrens wurde auch gegen Jan Werner ermittelt, sein Telefon wurde überwacht. Der Beamte antwortet auf einen Großteil der Fragen, diese Aspekte seien ihm „nicht mehr erinnerlich“. Im Anschluss daran verliest die Verteidigung von Ralf Wohlleben ein Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen Prof. Dr. Leygraf. Danach begründet Götzl erneut zwei Ablehnungsbeschlüsse gegen zwei Anträge der Nebenklage.

Zeuge:

  • Michael Th. (Polizeibeamter aus Berlin zur Überwachung von Jan Werner durch das LKA Berlin)

Der Prozesstag beginnt um 09:46 Uhr mit der Befragung von Michael Th. Götzl: „Es geht um die Überwachung von Jan Werner durch das LKA Berlin, 1998-2001, zu den Themen Waffen, Waffenbeschaffung, Kontakte zu Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos. Was Sie dazu sagen können, wie Sie damit befasst waren und was Sie inhaltlich berichten können? Th.: „Gerne. Ich war Leiter der EG Rechts, die hatte das Komplexverfahren gegen die Band Landser im Auftrag der BAW zu führen. Wir sind dem Auftrag nachgekommen und haben auch die dementsprechenden Personen, die uns benannt worden sind oder wir selber benennen konnten, dementsprechend telefonüberwacht. Über die gewonnenen Erkenntnisse sind natürlich weitere Kontaktpersonen dazugekommen, die als Unterstützer der Band bei uns eingestuft worden sind und dementsprechenden TÜ-Anträgen wurde vom BGH nachgekommen und wir haben die Telefonüberwachung dementsprechend gehört. Wir waren 20-25 Kollegen, die immer für drei Monate abgeordnet waren. Ein Teil waren Stammkräfte bei uns. Die TÜ wurden nach den Personen bestimmten Beamten übertragen: Prinzip ein Beamter hört eine oder zwei Personen. Die Auswertungen erfolgten immer tagesaktuell, um auch hinsichtlich der Aktivitäten der Band tagesaktuell reagieren zu können.“

Götzl fragt nach Jan Werner. Th.: „Den haben wir in die TÜ aufgenommen, ich kann mich nicht mehr erinnern wann. Nur noch, dass meine Kollegen ganz schön Arbeit mit ihm hatten, da er pausenlos SMS geschrieben hat. Da war er wahrer Künstler drin. Er war Kurierfahrer und muss blind SMSen während der Fahrt geschrieben haben.“ Götzl: „Inwieweit waren Sie selbst mit Protokollen befasst?“ Th.: „Zu keiner Zeit. Vielleicht mal als der Ermittlungsführer das ein oder andere gelesen hat. Aber es war viel zu organisieren, Operativmaßnahmen, wir haben die Fahrzeuge mit kleiner Lauschtechnik ausgestattet, jedenfalls die unsere Herrschaften benutzt haben. Wir hatten Operativmaßnahmen zu laufen, die wir bei Personen auch durchgeführt haben. Da war viel zu tun auch unabhängig von dem großen Lauschangriff.“ Götzl: „Was können Sie aus Informationen von Kollegen sagen?“ T.: „Werner war der, der den Auftrag bekommen hatte, die neue CD, die in England damals eingespielt wurde, ‚Ran an den Feind‘, komplett zu vermarkten. Und da hat er mit zu tun gehabt. Das heißt also, das Masterband zum Presswerk, die CDs wurden hergestellt und nach Deutschland geliefert, von Dänemark, da befand sich das Presswerk. Und dann haben wir zugesehen, dass wir bei der Verteilung möglichst viele Abnehmer identifizieren können und CDs beschlagnahmen. War schwierig, weil es quer durchs Bundesgebiet ging. Da waren insbesondere Personen aus Sachsen handlungsaktiv, die den Jan Werner da unterstützt haben. Das war der Kernpunkt. Das wurde uns auch später von Jan Werner bestätigt, dass er auch derjenige war, der die Band entlohnt hatte für die Aufnahme und über Unterstützer die CD hat herstellen lassen, verbreiten lassen, die Booklets hat herstellen lassen und dementsprechend auch kassiert hat.“

Götzl: Hat im Rahmen der Überwachung das Thema Waffenerwerb mal eine Rolle gespielt?“ Th.: „Ich sag Ihnen ganz ehrlich, wir haben uns um die rechtsextremistische Musik gekümmert. Ich kann mich nicht erinnern, dass das Thema Waffen fiel. Wenn wir andere Hinweise bekommen haben aus den Überwachungsmaßnahmen, haben wir die generell in den Bereich gegeben, der für solche Sachen gerade zuständig ist. Das war so das Prozedere mit den, ich sag mal so, Erkenntnissen, die wir in dem Verfahren nicht verwerten konnten, in dieses Verfahren mit einbringen konnten. Da wurden immer separate Verfahren eröffnet, so wie auch gegen die Unterstützer in Sachsen separate Verfahren gelaufen sind. Die Weitergabe wurde dementsprechend veranlasst. Ich kann nicht für jeden Tag gerade stehen, da bitte ich um Verständnis, es gibt auch Urlaub und dienstfrei. Aus der Erinnerung kann ich da nichts mehr beitragen.“ Götzl fragt, welche Aspekte zu neuen Verfahren geführt haben. Th.: „In Bezug auf Jan Werner gar nicht.“ Andere wurden in einem Verfahren in Sachsen als Unterstützer oder wegen Volksverhetzung gesondert verfolgt, so Th. weiter. Th.: „Die BAW wollte das Verfahren auch ziemlich schlank halten, es sollte sich Richtung Band und unmittelbare Unterstützer richten, deswegen wurden die Komplexe immer weggegeben in die jeweiligen Bundesländer.“

Götzl: „Hat bei der Überwachung mal Carsten Szczepanski eine Rolle gespielt?“ Th.: „Ja, ich kann mich an den Namen zumindest erinnern, ob der aus der TÜ gekommen ist oder anderweitig, das kann ich jetzt nicht mehr sagen.“ Götzl: „Haben denn im Rahmen der Auswertung der Informationen die Namen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos eine Rolle gespielt?“ Th.: „Kann ich mich nicht mehr daran erinnern. Wir haben tagesaktuell ausgewertet und einer war verdonnert, das Tagesprotokoll zu schreiben und hat die Punkte niedergelegt. Ich kann mich da an Einzelheiten nicht mehr erinnern. Es ging im wesentlichen um die Band: André Möhricke, Christian Wenndorff, Jean René Bauer hat vielleicht noch mal eine Rolle gespielt.“ Götzl fragt nach den Themen Schusswaffen, Waffen, Waffenbesitz oder -veräußerung. Th.: „Aus meiner Erinnerung schöpfend kann ich Ihnen da leider nicht weiterhelfen.“ Götzl: „Liegen Ihnen noch irgendwelche Protokolle vor bzgl. Jan Werner?“ Th.: „Mir persönlich nicht, ich habe bei der Dienststelle, bei der ich damals tätig war angefragt, weil ich mich vorbereiten wollte. Dort liegen keine TÜ-Protokolle mehr vor, also wurde mir nicht signalisiert, dass sie vorliegen würden.“

Götzl: „Hat bei der Überwachung das Thema „Erlöse aus Konzerten“ eine Rolle gespielt?“ Th.: Ich kann Vernehmungswissen später wirklich nicht mehr trennen von den Erkenntnis während des Ermittlungsverfahrens. Ist möglich, es waren immer verklausuliert Summen im Spiel. Die Bestellung der CDs, also die CDs waren ‚T-Shirts‘, daran kann ich mich erinnern.“ Götzl: „War Thema, wofür Erlöse verwendet werden?“ Th.: „Das kann ich aus meiner Erinnerung nicht mehr berichten. Da ist damals schon viel Interpretation gewesen, weil wie gesagt keine offenen Gespräche liefen, man musste sich das aus Gesamtzusammenhängen zusammenreimen, ich kann es nicht mehr sagen weil ich da nichts durcheinanderbringen will, ist schon lange her, 15 Jahre.“

Wohlleben Verteidigerin RAin Schneiders: „Können Sie mir was zu Jan Werner und Landser-Bandmitglieder und Zugehörigkeit zu Blood & Honour sagen? Th: „Die Band Landser: Regener, Bendorff, Möhricke und ich meine mich dran zu erinnern, dass wir in Zuge von Observierungs-Maßnahmen den Proberaum damals lokalisieren konnten und ich glaube mich erinnern zu können, dass der Jan Werner im Zuge der Observation dort auch mal persönlich aufgetaucht ist. Das bring ich aber möglicherweise mit seiner eigenen Aussage durcheinander.“ Schneiders: „Waren die Mitglieder von Landser auch bei B&H?“ Th.: „Also insbesondere Regener war Mitglied der Vandalen, ein rechtsextremistischer Rockerclub in Anführungszeichen, die vielleicht Fahrrad fahren.“ Schneiders: „Ich hatte nicht nach Vandalen sondern nach B&H gefragt.“ Th.: „Das kann ich nicht sagen, ob da jemand Mitglied bei B&H war.“ Schneiders fragt nach einer B&H-Mitgliedschaft Jan Werners. Th.: „Das kann ich nicht beurteilen, tut mir leid.“

Schneiders fragt nach den Vertriebswegen Jan Werners: „Waren das B&H-Strukturen? Um welche Personen handelte es sich da?“ Th.: „Es war hilfreich ihm zur Seite ein gewisser Otto: ‚Es ruft dich ein Otto an und dann kannst Du T-Shirts bestellen‘. Ansonsten kann ich zu den Personen aus meiner Erinnerung so nichts mehr sagen.“ Schneiders: „Im Jahr 2000 ist B&H verboten worden, spielte das bei der TÜ auch eine Rolle?“ Th.: „Ich weiß, dass es ein Verbot von B&H gab, ich weiß auch, dass wir die Verbotsverfügung in Berlin umgesetzt haben, kann aber nicht mal genau das Datum sagen. Und inwieweit das in unseren Maßnahmen thematisiert wurde, kann ich nicht mehr sagen, tut mir leid.“ Schneiders: „Sagt Ihnen Combat 18 was?“ Th.: Ich habe darüber gelesen. Schneiders: „Im Rahmen der Ermittlungstätigkeit oder allgemein?“ Th.: „Kann ich nicht mehr sagen.“ Schneiders: „Hat C18 und das Landserverfahren etwas miteinander zu tun?“ Th.: „Da kann ich auch nichts mehr sagen. Wir haben uns auf die Band Landser fokussiert. Das war gegenständlich für das Verfahren, das die BAW geführt hat.“ Schneiders: „Können Sie was zu Bernd Peruch, oder Spitzname Pernod, sagen?“ Th.: „Pernod sagt mir was, das ist ein Getränk, oder? Aber bei dem Namen klingelt was. Ich kriege das aber nicht in einen Zusammenhang.“

Schneiders: „Wir haben hier einzelne Protokolle, die wohl versehentlich nicht gelöscht worden sind. Ordner TÜ Landser, 24.09.2001, Sachbearbeiter KK Enderle, TN: Jan Werner, Anita Seiferth, Pernod, da gehts um T-Shirts.“ Vorhalt: Pernod hat die Liste rausgeschickt, Werner will die Shirts nur in M und L. Schneiders: „Im Folgenden geht es um Anklageschriften.“ Vorhalt: Der Pernod wird den Schneider zerstören, er wird den Bullen alles erzählen was er weiß. Schneiders: „Kommt eine Erinnerung, dass Einzelne gesagt haben, sie wollen Angaben machen?“ Th.: „Sagt mir nichts. Die EG rechts wurde von mir sicher nicht bis zur Anklagereife geführt. Aber das war eine Zeit des Umbruchs, ich bin dann in die Bekämpfung Linksextremismus gewechselt, ich hab da mein Aufgabengebiet gewechselt ein Jahr lang um anderthalb Jahre später als A12 in den rechten Bereich zurückzukehren. Ich will da nichts durcheinanderbringen und dieses Gespräch sagt mir erstmal nichts.“

Schneiders: „Um wieviel Geld ging es bei Jan Werner: das Presswerk, Booklets, Vertrieb? Wieviel hat er da eingenommen?“ Th.: “Das ist mir nicht mehr so richtig erinnerlich. Ich weiß bloß, dass der Band versprochen wurde, jeweils 10.000 DM, ich glaub damals noch DM. Aber ob die das jemals erhalten haben, weiß ich nicht mehr.“ Schneiders: „Gab es Bezüge von Jan Werner in die Schweiz?“ Th.: „Das ist mir nicht erinnerlich.“ Schneiders: „Sagt Ihnen Katja Pröseler was?“ Th.: „Nein.“ Schneiders: „Die Lebensgefährtin des Pinocchio alias Stefan Lange.“ Th.: „Nein.“ Schneiders: „Sagt Ihnen Stefan Lange oder Pinocchio was? Ich meine nicht diese Figur aus Holz.“ Th.: Tut mir leid, ich bin da lange raus aus dem Geschäft.“ Schneiders: „Sagt Ihnen Pinocchio in Zusammenhang mit B&H und Berlin was?“ Th.: „Nein, löst bei mir keinen Erinnerung aus. Bitte mir Schriftstücke vorhalten, dann kann ich mich einlesen, aber so aus meiner Erinnerung schöpfend kann ich Ihnen nicht weiterhelfen.“

Schneiders: „26.11.2000 TÜ Landser. Da gibts ein Telefonat Teilnehmer Jan Werner mit der 0951-Nummer.“ Vorhalt: Werner hat schon geschlafen, Pernod hat Verhandlungstermin wegen B&H-Heft. Werner hat Termin am Dienstag und meint, Vergleich machen. Konzert von gestern, niemand weiß, was dort gespielt wurde. Pernod bestellt 25 Hefte von ihm. Werner sagt, dass ein neues Heft „White Supremacy 3″ kommt, Pernod bestellt 25 Hefte. [phon.] Schneiders: „Kommt da eine Erinnerung?“ Th.: „Nein. Nein.“ Schneiders: „Und das Heft White Supremacy?“ Th.: „Ich bitte Sie, da klingelt bei mir nichts. Weiß nicht, ob ich sowas jemals in der Hand gehalten hab.“ Schneiders fragt zu „Pinocchio“ und „einen Vergleich machen“. Th.: „Da kommt bei mir keine Erinnerung.“
Schneiders fragt nach Sachbearbeiter KHK Sch. Th.: „Der war damals bei uns zugeordnet. Ja.“ Schneiders: „Wer war denn für Jan Werner zuständig, was die TKÜ anbelangte? Th.: Aus meiner Erinnerung nicht mehr so genau. Aber wenn der Sch. da was abgehört hat, dann hatte der möglicherweise den Auftrag. Wir haben alle drei Monate neue Kollegen bekommen, die kamen u. a. vom Personenschutz. Und da musste halt auch immer ein Wechsel vorgenommen werden. Und wer insbesondere jetzt Jan Werner gehört hat, das kann ich aus meiner Erinnerung nicht sagen. Aber wenn da Sch. steht, Sch. war Mitglied der EG Rechts.“

Schneiders fragt nach einem Telefonat vom 15.09.2001 zwischen Jan Werner und einem Partner. Th. gibt an, das sage ihm nichts. Schneiders: „Das Gespräch ist aber mit einer weiblichen Person. Vorhalt: die weibliche Person Wahrscheinlich Katja Pröseler. Vorhalt: Sie fragt nach, ob sie Turner-Tagebücher verteilt haben. Schneiders: „Können Sie was sagen zu Turner-Tagebüchern?“ Th.: „Nein, das sagt mir nichts. Amerika war ein Thema in Bezug auf rechte Musik, ja. Und da ist mir noch ein Anthony Pierpont in Erinnerung. Mehr kann ich dazu nicht sagen.“ Schneiders: „Spielte der Name „Browning“, eine Person aus England, eine Rolle?“ Th.: „Sagt mir nichts, tut mir leid.“ Schneiders: „Ian Stuart Donaldson?“ Th. schweigt, sagt dann: „Ian Stuart, ja, aber ich will da auch nichts verwechseln. Ich denke, muss mal was mit rechter Musik oder Hatemusic oder Hassmusik zu tun haben. Oder vielleicht wars auch bloß ein Skinhead? Ich weiß es nicht, tut mir leid.“ Vorhalt: Zu Ian Stuart Donaldson: Die Rechte an den B&H-CDs hatte Ian Stuart Donaldson bzw C18 England, Inhaber, Browning. (…) ich hatte die Rechte bekommen (…). Schneiders: „Ist Ihnen C18 und Ian Stuart Donaldson bekannt geworden?“ Th.: Die Frage hab ich schon beantwortet, ich kann mich da an keine Bezüge erinnern.“ Schneiders: „Kommt da eine Erinnerung?“ Th.: „Nein, ich kann mich nicht mal an die Passage erinnern, nein, tut mir leid, wüsste auch nicht jetzt, wo die Quelle dieser Passage liegt.“

Schneiders: „Dieser ‚Anthony‘, den Sie gerade erwähnt haben, der soll aus den USA stammen?“ Th.: „Ja.“ Schneiders: „Können Sie etwas sagen, zu den Bezügen Anthony und Jan Werner?“ Th.: „Da hab ich keine Erinnerung.“ Vorhalt: An Anthony verkaufte Jan Werner im Mai 2002 die Rechte von Landser „Ran an den Feind“. Es soll sich dabei um 20.000 Dollar gehandelt haben (…) Inhaber sind Anthony und William Pierce. Th.: „Ich kann mich dran erinnern, dass wir im Zuge von Postbeschlagnahmungen Sendungen aus Amerika abgefangen haben, geöffnet haben, d. h. geöffnet hats die Staatsanwaltschaft. Da war Geld drin, teilweise, wie viel kann ich nicht mehr sagen. Und Adresssat war, ich mag nichts falsches sagen, ich glaube Regener. Ich weiß es nicht mehr genau. Aber ich weiß nicht mehr, wieviel Post da kam, ein Brief oder zwei. Die waren ziemlich zugeklebte, das hat ganz viel Mühe gemacht die aufzumachen und wieder zuzumachen, dass sie wieder gut aussehen.“

Schneiders: „Ist bekannt geworden aus der Überwachung, ob Jan Werner drei Personen, die untergetaucht sein sollen, unterstützt hat?“ Th.: „Da ist mir nichts bekannt.“ Schneiders: „Ob Gelder aus CD-Verkäufen oder Konzerten in Sachsen für Personen, die auf der Flucht sind, verwendet wurden?“ Th.: „Da kann ich nichts zu sagen. Aus meiner Erinnerung ist nichts bekannt. Ich war bei der Vernehmung Werner dabei, da sollte das Papier bemüht werden, vielleicht sind da Punkte.“ Schneiders: „Ist Ihnen bekannt geworden, ob Jan Werner auf der Suche nach Waffen war?“ Th.: „Da ist mir nichts erinnerlich.“ Schneiders: „Ist an Sachsen Informationen weitergeleitet worden zu Jan Werner, ob da was geprüft werden soll, ist Ihnen da was bekannt?“ Th.: „Nein.“

RA Klemke: „Sie erwähnten vorher, das einzelne Mitarbeiter der EG rechts einzelnen Personen zugeordnet wurden. Erfolgte das auf Zuruf oder gab es einen schriftlichen Ermittlungsplan?“ Th.: „Gute Frage. Kann ich Ihnen nicht mehr genau sagen. Einen Ermittlungsplan direkt hat es nicht gegeben, nein ich denke eher auf Zuruf, auch abhängig dessen, wer gerade da war, dauerhaft, Urlaubsvertretung, Abwesenheitsvertretung, da kann ich nichts mehr Konkreteres sagen.“ Klemke: „Wissen Sie ob eine Auftragsvergabe aktenkundig gemacht wurde?“ Th.: „Nein, weiß ich nichts mehr.“

NKRA Narin: „Haben Sie sich auf die heutige Vernehmung vorbereitet und wenn ja wie?“ Th.: „Ich habe beim LKA 53 in Berlin nachgefragt und nochmal den mir zugelieferten Schlussbericht Landser vom Kollegen Bu. durchgelesen. Und ich habe Fragmente aus einem Personenordner Jan Werner gelesen und habe festgestellt, dass ich bei der Vernehmung von Jan Werner dabei war, was mir so auch nicht mehr erinnerlich war.“ Narin: „Bei der Vernehmung von Jan Werner, ist die Vernehmung dort noch protokolliert?“ Th.: „Also ich hab da Bestandteile bekommen auf einer, da war eine Vernehmung mit bei. So ist es mir erinnerlich, ja.“ Narin: „Auf Frage des Vorsitzenden, ob noch TÜ-Protokolle vorliegen, sagten Sie ‚Ihnen sei nicht signalisiert worden, dass sie vorliegen würden‘. Haben Sie nachgefragt?“ Th: „Ich kann das auch nicht mehr so sagen. Ich hab angefragt, ob noch irgendwas vorhanden ist und habe diese Sachen zugeliefert bekommen. Ob da noch weitere TÜ-Protokolle vorhanden sind, hab ich nicht nachgefragt.“ Narin: Wer wäre denn zuständig?“ Th.: „LKA 53.“

NKRAin von der Behrens: „“Wie oft sind Sie in den Untersuchungsausschüssen vernommen worden?“ Th.: „Einmal, nein zweimal.“ V. d. Behrens: „In welchen?“ Th.: „In Sachsen.“ V. d. Behrens: „Wie haben Sie sich da vorbereitet?“ Th.: „Da war nicht viel Vorbereitung möglich, kann ich Ihnen jetzt auch nicht mehr sagen, das ist auch schon eine Weile her.“ V. d. Behrens: „Wann war das?“ Th. antwortet, da sei er überfragt. V. d. Behrens: „Haben Sie da auch Akten eingesehen?“ Th.: „Ist mir nicht mehr erinnerlich.“ V. d. Behrens: „Sie wissen nicht mehr, ob Sie dort waren um Akten zu lesen?“ Th.: „Das ist eine Weile her, der Untersuchungsausschuss.“ V. d. Behrens: „Vorher fiel der Name Sch. War der dauerhaft in der EG, oder nur drei Monate?“ Th.: „Das kann ich nicht sagen. Das war ein Personenschützer, der kann drei Monate dagewesen sein oder verlängert haben, das entzieht sich meiner Kenntnis, weiß ich so nicht mehr.“ V. d. Behrens: „Wurden Sie im Jahr 2002 mal vom LKA Thüringen gefragt, mit der Bitte, die Namen Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe durch Ihre TKÜ-Datenbank zu schicken?“ Th.: „Ist mir nicht erinnerlich.“

V. d. Behrens: „Da möchte ich Ihnen mal dazu vorhalten und zwar Aktenvermerk, der wird von Herrn Binninger im Bundestags-UA zitiert, 22.04.2013, eine Frage von Herrn Binninger.“ Vorhalt: Die Thüringer erfahren von einer TÜ des LKA Berlin gegen Jan Werner. Daraufhin teilt Thüringen Herrn Th. zwei Monate nach dem Hinweis ‚es geht um drei Personen aus Thüringen‘ noch einmal die Namen der drei Gesuchten mit, damit diese mit den erlangten TÜ-Inhalten abgeprüft werden. Eine Rückmeldung des LKA ist nicht ersichtlich. V. d. Behrens: „Also zweimal ist bei Ihnen angefragt worden, dass Sie nach den Namen suchen sollen.“ Th.: „Kommt keine Erinnerung zurück, tut mir leid.“ V. d. Behrens: „Fertigen Sie Aktenvermerke an, die solche Anfragen betreffen?“ Th: „Entweder kommt so eine Anfrage per Fax, per Mail oder telefonisch.“ V. d. Behrens: „Werden dann Aktenvermerke angefertigt, haben Sie das damals so gehandhabt?“ Th. schweigt und sagt dann: „Sicherlich schon. Ich kann ich nicht mehr dran erinnern, ich kann ich insbesondere an eine derartige Anfrage nicht erinnern. Es kommen Anfragen, aber welche im einzelnen kamen und wie die protokolliert wurden und wer die beantwortet hat, das kann ich nicht sagen.“

V. d. Behrens: „Waren Sie bei der Vernehmung Thomas Starke am 14.11.2001 anwesend? Th.: „Da kann ich mich dran erinnern, die Frage wurde mir in Dresden gestellt. Und das wusste ich nicht mehr genau, bat mir den Sachverhalt vorzuhalten und tatsächlich war ich wohl da, wurde mir zumindest vorgehalten. Konnte mich aber daran nicht mehr erinnern.“ V. d. Behrens: „Konnten Sie sich nach den Vorhalt erinnern?“ Th.: „Nachdem mir gesagt wurde, steht meine Unterschrift drunter, muss das wohl so gewesen sein. Ich weiß es jetzt nicht mehr, ob ich dran erinnern konnte oder nicht. V. d. Behrens: „Haben Sie in der Vernehmung Thomas Starke als Informant für das LKA Berlin angeworben?“ Th.: „Ich kann mich über die Inhalte der Vernehmung beim besten Willen mehr was sagen. Und Sie müssen wissen, dass ich kein VP-Führer bin, ich bin Ermittlungsführer.“ V. d. Behrens: „Ist Ihnen im Landserverfahren bekannt geworden, dass Starke Informant war für das LKA?“ Th.: „Im Nachhinein ist es mir bekannt geworden.“ V. d. Behrens: „In der damaligen Zeit, nicht, was in den Medien steht.“ Th.: „Ich krieg das nicht getrennt, ich kann dazu nichts sagen.“

V. d. Behrens macht einen Vorhalt aus dem Bericht des Bundestagsuntersuchungsausschuss, der V-Mannführer von Starke, P.S., wird zitiert, Vorhalt: Zu den Umständen der Anwerbung hat P.S. angegeben, dass es im Vorfeld der Anwerbung Gespräche zwischen dem BAW und der EG Rechts des LKA Berlin gegeben habe, die die Ermittlung gegen Landser geführt habe. V. d. Behrens: „Erinnern Sie sich an Gespräche zur Anwerbung?“ Götzl sagt, das unterstelle, dass Th. da gewesen sei. V. d. Behrens: „Er sagte, er war der Leiter der EG Rechts.“ Götzl: „Keine Suggestivfragen.“ V. d. Behrens: „Dann halte ich weiter vor.“

Vorhalt: Die Anwerbung sei dann im Anschluss an die Vernehmung im LKA Sachsen gewesen, anwesend sei ein Beamter des LKA Berlin gewesen, seiner Erinnerung nach KHK T. V. d. Behrens: „Sind Sie KHK T., der hier abgekürzt worden ist?“ Th.: „Diese Vernehmung wurde mir in Sachsen vorgehalten, deswegen weiß ich, dass ich wohl derjenige bin, der die Vernehmung gemacht hat, richtig. An weitere Sachen kann ich mich erstens nicht erinnern und zweitens bin ich nicht für die Anwerbung von V-Personen zuständig. Meine Aufgabe ist es, Vertrauenspersonen nicht mal zu kennen, sonst müsste ich sie vor Gericht benennen.“ V. d. Behrens: Ist Ihnen erinnerlich, ob es zwischen der BAW und der EG Rechts Gespräche hinsichtlich der Anwerbung Thomas Starke gegeben hat?“ Th.: „Ist mir nicht erinnerlich, tut mir leid. Bezogen auf Einzelpersonen nicht und auf mehrere Personen. Das ist mir nicht mehr erinnerlich. Nun ist die EG Rechts auch 25 Mann stark.“ V. d. Behrens: „Wer hat denn den Kontakt zur BAW gehalten in der EG rechts?“ Th.: „Der Kollege Buchholz war da in der Kommunikation. Ich hatte auch mal einen Stellvertreter La. für diese Zeit, vielleicht hat La. mich auch beerbt um meinen Posten, das kann ich nicht mehr sagen.“

V. d. Behrens: „Haben Sie sie auch mit übernommen?“ Th.: „Ich hab sicherlich auch mal mit Herrn Si. gesprochen, das ist richtig.“ V. d. Behrens: „Ein anderer Vorhalt, sächsischer Untersuchungsausschuss, Zeugenvernehmung Carsten Ke., LKA Sachsen, 23.10.2013, sagt Ihnen der Name Ke. etwas?“ Th: „Aus meiner Erinnerung nicht, nein.“ Vorhalt: Überrascht war ich, als mir ein Kollege, der für die TÜ des Starke zuständig war, mitteilte, dass es einen Anruf mit Rufnummer der Berliner Polizei gegeben hat. Der Inhalt deutete auf eine Anwerbung als V-Mann hin. Kurz darauf war der Ermittlungsgruppenleiter Th. im LKA Sachsen. Ich habe ihn darauf angesprochen und er gab zu, dass es einen Anwerbeversuch des Starke geben sollte.Th. sagte noch, dass nur er in seiner Ermittlungsgruppe Bescheid wisse, jedoch sei ein Beamter des LKA Berlin mit der Anwerbung beauftragt. Th. „Das ist mir so auch schon mal so vorgehalten worden in Dresden.“

V. d. Behrens: „Kommt eine Erinnerung zurück?“ Th.: „Ich weiß nicht, was ich in Dresden gesagt habe.“ V. d. Behrens: „Ob Sie eine Erinnerung haben?“ T.: „Ich weiß nicht, ob ich mich in Dresden erinnert habe. Aber da die Vernehmung schonmal gelaufen ist, versteh ich die Frage nicht.“ Götzl tobt: „Beantworten Sie die Frage und zwar wahrheitsgemäß! Diese Sachen können Sie lassen. Hier haben Sie die Frage nicht beantwortet.“ Th.: „Ich wollte nicht anzweifeln, dass ich nichts sagen soll als Zeuge, nur dass ich mich an die Antwort nicht mehr erinnern kann. Das ist ein Missverständnis, bitte um Entschuldigung.“ V. d. Behrens: „Ist Ihnen bekannt, ob bei der Durchsuchung Thomas Starke ein Telefonbuch beschlagnahmt wurde und es ausgewertet worden ist?“ Th.: „Kann ich mich nicht mehr dran erinnern.“ Vorhalt eines Vermerk des BKAs: Das LKA Sachsen teilt Ermittlungsergebnisse des Landser-Komplexes mit: Im Rahmen der Durchsuchung Thomas Starke sei ein Notizblock sichergestellt worden. V. d. Behrens: Kommt da eine Erinnerung zurück?“ Th.: „Tut mir leid, nein.“ V. d. Behrens: „Ist Ihnen bekannt geworden, ob mit Thomas Starke zusammen irgendein Adressverzeichnis von ihm ausgewertet worden ist?“ Th.: „Aus meiner Erinnerung kann ich dazu nichts sagen.“

V. d. Behrens: „Dann zu einem anderen Komplex. Ist Ihnen im Rahmen der Telefonüberwachung im Landserverfahren der Name Ralf Marschner untergekommen und ob die Band Landser Kontakte nach Zwickau hatte?“ Th.: „Ist mir nicht erinnerlich, tut mir leid.“ V. d. Behrens fragt nach dem Spitznamen Manole. Th.: „Sagt mir was, als ich mich vorbereitet habe, ist mir der Spitzname, ich denke im Schlussbericht von Herrn Bu. gelesen zu haben. Bin mir aber nicht sicher.“ V. d. Behrens: „Was haben Sie gelesen im Schlussbericht?“ RA Stahl: „Möchte ich beanstanden, ich glaube nicht, dass die Ladung des Zeugen Th. die Möglichkeit eröffnet, sämtliche Erkenntnisse aus dem Landserverfahren abzufragen, ich sehe den Zusammenhang zum Verfahren hier nicht.“ V. d. Behrens: „Es geht um mögliche Erkenntnisse aus dieser TÜ zu Ralf Marschner. Wir gehen von einem Kontakt zwischen Ralf Marschner und dem Trio aus, es ist denkbar, dass im Rahmen der Überwachung Erkenntnisse zu den Dreien ergeben haben.“ Nach kurzer Diskussion sagt V. d. Behrens: „Ich würde es gern vom Zeugen wissen, was er sich erinnert im Bezug auf Manole.“ Th.: „Dass ich Manole vielleicht gelesen habe im Zwischenbericht. Mehr ist mir dazu nicht erinnerlich.“ V. d. Behrens: Dann hab ich keinen weiteren Fragen, wenn der Zeuge keine Erinnerung haben will.

NKRA Reinecke: „Sie sagten, Ihre Vernehmungen im sächsischen Landtag sind schon etwas her: Sie sind einmal am 24.10.2013 und 21.03.2014 vernommen worden. Meinen Sie das mit ‚lange her‘? Th.: „Wenn das die Daten sind, haben Sie recht. Für mich ist das lange her. Ich bin Mordermittler und habe im Jahr ca .15 gewaltsame Todesfälle in Berlin zu bearbeiten. Und da liegt mein Arbeitsschwerpunkt und das schon seit mehreren Jahren, ich bitte da um Verständnis.“ Reinecke: „Haben Sie als Zeuge im Untersuchungsausschuss Ihre Aussage zugesandt bekommen mit der Bitte um Billigung?“ Th.: Das weiß ich nicht mehr.“ Reinecke: „Haben Sie denn die Zeit seit 2014 genutzt, um die Erinnerungslücken aufzufrischen, haben Sie in der Zwischenzeit überlegt, ob Sie weitere Möglichkeiten haben, Ihr Gedächtnis aufzufrischen?“ OSTA Weingarten: „Ich beanstande die Frage, der Zeuge hat schon erschöpfend Antwort gegeben, von daher handelt es sich um Wiederholungsfragen.“ Reinecke: „Dann hab ich nur noch eine Frage. Im Rahmen der EG-Rechts-Tätigkeit, ist Ihnen da mal einen Rohrbombe untergekommen? Th.: „Ich habe mit diversen Rohrbomben zu tun gehabt, zwei oder drei. Ob die während der Zeit der EG Rechts Ermittlungsgegenstand waren oder ob die in einer Zeit lagen, wo ich im Prinzip stellvertretender Leiter Rechtsextremismus/Terrorismus in Berlin war, das kann ich nicht mehr genau sagen.“

NKRA Narin: „Eine Nachfrage: Sie sagten zu ‚Manole‘, Sie hätten den Namen in einem Schlussbericht gelesen, später in einem ‚Zwischenbericht‘. Können Sie das klarstellen?“ Th.: Ich weiß es nicht mehr genau, ich denke der Schlussbericht.“ Narin: „Wofür?“ Th.: „Ermittlungskomplex Landser. Könnte aber auch die Vernehmung Jan Werner gewesen sein.“ Narin: „Dazu sagten Sie, da hätten Ihnen Fragmente vorgelegen. Können Sie präzisieren, was da vorgelegen hat?“ Th.: Also Vernehmungsniederschrift, war ja wohl aus dem Polizeigewahrsam. Ob das eine abschießende Vernehmung war oder nur ein Teil, kann ich nicht mehr sagen. Ich konnte mich gar nicht mehr erinnern, aber tatsächlich habe ich meine Unterschrift gelesen.“ Narin: „Spielten in diesem Komplex auch Banküberfälle eine Rolle?“ Th.: „Aus meiner Erinnerung nicht.“

RAin Schneiders hält aus dem Protokoll des Untersuchungsausschuss sächsischer Landtag vor, da ginge es um die Haftstrafen, zu dem die Mitglieder von Landser verurteilt wurden: Als weiterer Beschuldigter wurde Mirko Hesse, Führungsmitglied Hammerskins, ermittelt. Schneiders: Sagt Ihnen Mirko Hesse was?“ Th: „Durchaus möglich, dass der da aufgetaucht ist. Ich wills nicht ausschließen, tut mir leid.“ Vorhalt: Er hatte das Cover gestaltet und die IPF Nummern des Presswerks rausgefräst. Th.: „In der Tat, das ist der Schlussbericht von Herrn Bu. glaube ich. Schneiders: „Wie lang ist denn das her, dass Sie den Schlussbericht gelesen haben?“ Th.: „Das ist eine Woche her.“ Vorhalt: Hesse wurde zu vier Jahren wegen Volksverhetzung und Verstoß gegen das Waffengesetz verurteilt. Schneiders: „Das Waffengesetz, ergab sich das aus Ihren Ermittlungen?“ Th.: „Ich weiß nicht wo und von welchem Gericht Hesse verurteilt wurde.“ Vorhalt: Als weiterer Beschuldigter in Sachsen. Th.: „Kann ich nicht sagen, was die Sachsen da in der Anklageschrift hatten. Woher die die Erkenntnisse hatten, ist mir nicht erinnerlich.“

Schneiders: „Ich frage, obwohl ich wenig Hoffnung auf zielführende Antwort habe: Haben Sie Erkenntnisse, ob es da um Schusswaffen ging?“ Th.: „Habe ich keinen Erinnerung.“ Schneiders: „Im Verfahren, sind überhaupt mal Schusswaffen gefunden worden, haben Sie da eine Erinnerung?“ Th. schweigt und sagt dann: „Die Ermittlungen in Sachsen habe ich nicht mit betrieben, aber ich weiß: wir haben in Sachsen mit durchsucht. Aber die Ergebnisse sind mir nicht mehr präsent, tut mir leid, möchte ich auch nichts Falsches sagen.“ Schneiders: „Können Sie sich erinnern, ob Jan Werner auch nach England geflogen ist, Konzerte besucht hat?“ Th.: Ist mir nichts erinnerlich aus den TÜ-Protokollen. Schneiders: „Und aus der Vernehmung?“ Th.: „Vernehmung, ich weiß es nicht genau, ich will da auch nichts durcheinanderbringen. Ich kann mich dran erinnern, dass diese ‚Ran an den Feind‘-Geschichte in England eingespielt wurde. Aber wer mit wem, keine Erinnerung.“ Der Zeuge wird entlassen. Es folgt eine Pause bis 11:35 Uhr.

Um 11:41 Uhr geht es weiter. RA Klemke: „Ich hätte einen prozessualen Antrag. Der Angeklagte Wohlleben lehnt den Sachverständigen Prof. Dr. Leygraf wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Der Sachverständige erstattete 2012 ein vorläufiges psychiatrisches Gutachten zur Frage, ob der Angeklagte Schultze in seinem Entwicklungsstand einem Jugendlichen gleichstand oder es sich bei der Tat um eine Jugendverfehlung handelte. Der Gutachter gibt sinngemäß und wörtlich große Teile des Explorationsgespräch weiter. Die Verteidigung Wohlleben befragte, auf welcher Grundlage er dem Angeklagten Carsten Schultze vorgehalten habe, dass es doch ‚ausgeprägte ausländerfeindliche Parolen gegeben habe‘. Der Sachverständige vermochte es weder, konkrete Parolen zu benennen, noch wann und wo diese verwendet wurden.

Bisher hat kein Zeuge Angaben getätigt, dass die jungen Jenaer, die sich dem THS, dem NW Jena zurechneten, ausländerfeindliche Parolen verwendet hätten. Als einzige mögliche Ausnahme wurde bisher bekundet, dass der V-Mann Tino Brandt ohne Absprache mit seinen Kameraden einen Aufkleber ‚Bratwurst statt Döner‘ verteilte. Abgesehen davon hat der Angeklagte Carsten Schultze zu keiner Zeit ausgesagt, dass er ‚ausländerfeindliche Parolen‘ ‚übernommen‘ habe. Dennoch hat genau dies der Sachverständige ihm unterstellt. Dadurch hat der Sachverständige überdeutlich zu Erkennen gegeben, dass er den Angeklagten nicht mit der ausreichenden Objektivität gegenübersteht. Er hat negative Zuschreibungen dahingehend vorgenommen, dass die dem THS zuzurechnende jungen Jenaer, und damit die Angeklagten, durchweg Rechtsextremisten waren und automatisch Ausländerfeinde. Damit hat der Sachverständige Vorurteile bzw. Klischees übernommen. Das berechtigt den Angeklagten Wohlleben, den Sachverständigen abzulehnen. Es folgt die Mittagspause bis 13:00.

Um 13:08 geht es weiter. Götzl verkündet Beschlüsse zu Gegenvorstellungen von Vertreter_innen der Nebenklage [siehe 286. Verhandlungstag]: „Es ergeht nach geheimer Beratung folgender Beschluss: Bei dem Beschluss des Senats vom 30.09.2015 mit dem die Anträge, die Akten des Thüringer Landeskriminalamts „Zielfahndung 1″ beizuziehen und auszugsweise, soweit es die unter Beweis gestellten Tatsachen betrifft, zu verlesen, zu dem Beweis der Tatsachen, dass durch die Überwachung des Telefonanschlusses von Thomas Starke bekannt wurde, dass Thomas Starke, Mandy Struck und Max-Florian Burkhardt im August 1998 konspirativ formulierte SMS bezüglich der Suche nach einer Wohnung und der Organisation eines Umzuges austauschten, abgelehnt wurden, hat es sein Bewenden.

Zu den Gründen führt Götzl aus:

1. Die Gegenvorstellung führt aus, für die Aufklärung der Rolle staatlicher Stellen bei der Ermöglichung der Taten des NSU sei es relevant, dass das Thüringer LKA aus den S-Records das Datum des Umzuges der drei Untergetauchten Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt kannte. Eine Observation der Umzugshelfer hätte die Ermittler zur neuen Wohnung der Untergetauchten in der Altchemnitzer Straße geführt. Die Kenntnis dieser Adresse hätte die Möglichkeit der Festnahme eröffnet. In den abgehörten Gesprächen und SMS wurde konspirativ über das Anmieten einer Wohnung und über die Suche nach einer vollständigen Grundausstattung einer Wohnung gesprochen. Aufgrund dieser beiden Umstände habe „klar sein“ müssen, dass es sich hierbei um den Umzug der untergetauchten Personen handelte. Beide Umstände habe der Senat in dem angegriffenen Beschluss nicht berücksichtigt. Die Aufklärung der Festnahmemöglichkeit sei nicht nur für die Frage einer Strafmilderung wegen staatlicher Erleichterung der Taten wegen Zurückstellung von Strafverfolgungsmaßnahmen aus sachfremden Erwägungen heraus von Bedeutung. Die Nebenkläger hätten zusätzlich aus menschenrechtlichen Vorgaben heraus einen Anspruch auf Aufklärung der staatlichen Mitverantwortung.

2. Der Umstand, dass die Zeugen Starke, Struck und Burkhardt im August 1998 formulierte SMS bezüglich der Suche nach einer Wohnung und der Organisation eines Umzuges austauschten, ist auch unter Berücksichtigung der weiteren in der Beweisaufnahme inzwischen gewonnenen Erkenntnisse und dem Vortrag der Gegenvorstellung weiterhin für die Entscheidung ohne Bedeutung:
a. Den Umstand, dass die SMS-Inhalte „konspirativ“ formuliert waren, sieht der Senat nicht als Hinweis dafür, dass sich die Inhalte auf die untergetauchten Personen bezogen. Es wird beispielsweise in den SMS-Mitteilungen nicht erwähnt, für welche Person oder Personen die Wohnung gedacht war. Die Personen, die sich um die Beschaffung einer Wohnung für eine oder mehrere Personen bemühen sind, was naheliegend ist, darüber informiert, für wen die Wohnung bestimmt ist. Dann ist es auch nicht nötig, dessen oder deren Namen in einer SMS zu erwähnen. Ein
Hinweis auf die drei untergetauchten Personen liegt darin jedenfalls nicht. Der Umstand, dass Burkhardt mit seinem Gesprächspartner Starke am Telefon nicht über die Lage der Wohnung kommunizieren will, kann verschiedene Gründe haben. Die Gegenvorstellung trägt vor, der SMS-Verkehr Weise auf den Umzug der drei untergetauchten Personen am 30.08.1998 in die Altchemnitzer Straße in Chemnitz hin. Allerdings wird in Verbindung Nr. 167 von einer Wohnung in Zittau und nicht in Chemnitz gesprochen. In Verbindung Nr. 172 wird die Frage aufgeworfen, ob der „Kunde“ sie nimmt und ob er „zuverlässig“ ist. Vor diesem Hintergrund zieht der Senat den von der Gegenvorstellung formulierten Schluss nicht. Der Umstand, dass eine Grundausstattung für eine Wohnung (Geschirr, Matratzen, Herd, Waschmaschine) gesucht wurde, weist ebenso weder allein noch in der Gesamtschau der Umstände auf die untergetauchten drei Personen hin. Die Notwendigkeit einer Beschaffung einer Grundausstattung ist in vielerlei Umzugskonstellationen gegeben und weist daher nicht spezifisch auf die drei untergetauchten Personen hin.

b. Eine tatsächliche Bedeutung könnte diesem Themenkreis aber ohnehin nur dann zukommen, wenn er zu einer „staatlichen Mitverantwortung“ bei den angeklagten Taten führen könnte. Im August 1998 lagen den Behörden aber noch keine konkreten Hinweise auf weitere Straftaten der unter getauchten Personen vor, so dass eine staatliche Mitverantwortung für die angeklagten Taten und damit die tatsächliche Bedeutung der unter Beweis gestellten Tatsachen auch aus diesem Grund ausscheidet.

3. Ein von der Straffrage isolierter Anspruch auf Aufklärung staatlicher Mitverantwortung aus menschenrechtlichen Vorgaben existiert für die Nebenkläger nicht. In diesem Zusammenhang wird Bezug genommen auf den Senatsbeschluss, der auf die Gegenvorstellung zur abgelehnten Beiziehung von acht Ordnern Akten des Innenministeriums Brandenburg ergangen ist. Zudem lag, wie oben dargelegt, im August 1998 noch keine Kenntnislage bei staatlichen Behörden vor, dass eine staatliche Mitverantwortung für die angeklagten Taten überhaupt in Erwägung gezogen werden könnte.

Götzl verkündet einen weiteren Beschluss:
Bei dem Beschluss des Senats vom 02.03.2016, mit dem der Senat den Anträgen,
• die acht Ordner umfassenden Akten, die dem Zeugen Rainer Görlitz zur Vorbereitung auf seine Vernehmung im parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Bundestages am 28. Februar 2013 und in den Hauptverhandlungen am 1. Juli 2015/29. Juli 2015 bzw. dem Zeugen Meyer-Plath zur Vorbereitung seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung am 22. April 2015 im Innenministerium Brandenburg zur Verfügung ständen, beizuziehen und den Unterzeichnern Akteneinsicht zu gewähren,
• hilfsweise dazu die vier Aktenordner, die – nach Angaben des Zeugen Görlitz – ausschließlich Treffberichte und Deckblattmeldungen des V-Mannes Szczepanski beinhalten, die zum hiesigen Verfahrenskomplex gehören, beizuziehen,
• hilfsweise dazu aus diesen vier Aktenordner sämtliche Treffberichte und Deckblattmeldungen aus der Zeit vom 26. Januar 1998 bis zur Enttarnung des Zeugen Szczepanski im Juli 2001 beizuziehen, nicht nachgekommen ist, hat es sein Bewenden.

Zu den Gründen führt Götzl aus:
(I) Unter dem 16.09.2015 beantragten verschiedene Prozessbeteiligte die Beiziehung der im Tenor genannten Akten bzw. hilfsweise die näher bezeichneten Treffberichte bzw. Deckblattmeldungen.
Mit Beschluss vom 02.03.2016 lehnte der Senat die Beweisermittlungsanträge sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag ab, weil es die Aufklärungspflicht nicht erfordere, die von den Antragstellern benannten Akten bzw. die hilfsweise beantragten Aktenteile beizuziehen und den Verfahrensbeteiligten hierin Einsicht zu gewähren. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Ausführungen im Senatsbeschluss vom 02.03.2016. Am 02.06.2016 wurde von den Antragstellern Gegenvorstellung gegen den genannten Senatsbeschluss erhoben. Zur Begründung wurde zusammengefasst vorgetragen: Die Akten, deren Beiziehung beantragt wurde, enthielten nach „allem bisher Bekannten“ weitere für die Schuld- und Straffrage relevante Informationen. Aus der Gesamtschau der in den beizuziehenden Akten enthaltenen Schriftstücke
ergebe sich eine „staatliche Mitverantwortung“ in der Form, dass die Verfassungsschutzämter durch Steuerung der Strafverfolgungsbehörden eine Festnahme von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe verhindert haben.


Aus dem Institut der Nebenklage und dem menschenrechtlichen Anspruch auf Schutz des Lebens folge zudem, dass in staatlichen Ermittlungen staatliche Mitverantwortlichkeit für Tötungsdelikte – auch unabhängig von der Frage der Strafmilderung – aufzuklären seien.
Zudem habe die Fortsetzung der Vernehmung des Zeugen Görlitz, die nach der Verkündung des angegriffenen Beschlusses erfolgt sei gezeigt, dass dessen Angaben unglaubhaft seien und dass ihm deshalb Vorhalte aus den beizuziehenden Akten zu machen und seine Angaben anhand dieser Akten zu überprüfen seien.

(II) Nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage unter besonderer Berücksichtigung des Vortrags der Gegenvorstellung kann der Senat keine Umstände erkennen, die eine Abänderung des Beschlusses vom 02.03.2016 rechtfertigen würden. Es hat demnach bei dem Beschluss sein Bewenden.
Zur Begründung wird in vollem Umfang Bezug genommen auf den angegriffenen Beschluss vom 02.03.2016, in dem dargelegt wurde, aus welchen Gründen die Aufklärungspflicht nicht zur Beiziehung der bezeichneten Akten bzw. hilfsweise Aktenteile drängt. Auch die von der Gegenvorstellung vorgebrachten Umstände führen nicht dazu, dass aus Gründen der Aufklärung eine Beiziehung der Akten nunmehr geboten wäre:
1. Die Aufklärungspflicht drängt auch unter zusätzlicher Berücksichtigung des Vortrags der Gegenvorstellung nicht zur Beiziehung der genannten Akten- bzw. Aktenteile, weil keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass sich darin Erkenntnisse befinden, die für die Beurteilung einer möglichen Schuld- und/oder Straffrage von Relevanz sind:

a. Die Gegenvorstellung führt sinngemäß aus, die Amtsaufklärungspflicht erfordere die Beiziehung der genannten Akten u.a. deshalb, da bislang keine Schriftstücke zu den Verfahrensakten gelangt seien, aus denen sich ergebe, was aufgrund einer am 03.02.1998 vom Thüringer Landesamt für
Verfassungsschutz an alle Nachrichtendienste versandten Anfrage zu Erkenntnissen zu den drei Untergetauchten veranlasst worden sei. Weiter würden Dokumente fehlen, aus denen sich ergebe aufgrund welcher internen Analysen der damalige Leiter des Verfassungsschutzes Brandenburg am 14.03.1998 das „untergetauchte Trio als ein Beispiel für eine Entwicklung der rechten Szene hin zum Terrorismus“ angeführt habe,

i. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen sich die von der Gegenvorstellung vermissten Dokumente in den Akten befinden sollten, deren Beiziehung beantragt wurde. Weder die Dokumentation der veranlassten Maßnahmen auf die Anfrage an alle Nachrichtendienste
vom Februar 1998 noch die „internen Analysen“ für den damaligen Leiter des Verfassungsschutzes haben einen direkten Zusammenhang mit der „Führung des V-Mannes Carsten Szczepanski“, zu der der Zeuge Görlitz vernommen wird,
ii. Die von der Gegenvorstellung angeführte Bedeutung dieser Schriftstücke zum Nachweis der Umstände, dass die drei Untergetauchten den V-Mann-Führern und dem Amt „ein Begriff“ waren, dass der V-Mann Szczepanski „gezielt auf diese angesetzt bzw. nach ihnen gefragt worden“ und dass „die Bedeutsamkeit diesbezüglicher Informationen bekannt“ gewesen sei, lässt keine Relevanz für eine mögliche Schuld- und/oder Straffrage erkennen. Vielmehr würden diese Schriftstücke lediglich subjektive Kenntnisse von Mitarbeitern des Verfassungsschutzes und die Art und Weise der Führung von Szczepanski durch sie belegen.

b. Die Gegenvorstellung führt sinngemäß aus, die Amtsaufklärungspflicht erfordere die Beiziehung der genannten Akten u.a. deshalb, da bislang kein Schriftstück zu den Verfahrensakten gelangt sei, aus dem sich die Meldung des Zeugen Szczepanski ergebe, die Drei seien im „Raum Chemnitz“ untergetaucht.
i. Der Umstand, dass der Zeuge Szczepanski andeutete, die Drei seien im Raum Chemnitz untergetaucht, ist, wie auch die Gegenvorstellung vorträgt, aus dem Vermerk des V-Mann-Führers Wießner ersichtlich. Die Aufklärungspflicht drängt nicht dazu, hierfür noch ein weiteres Schriftstück beizuziehen, dessen Existenz nicht einmal feststeht. Es ist nicht zwingend, dass neben dem handschriftlichen Vermerk Wießners noch ein weiteres Schriftstück des Zeugen Görlitz existiert, in dem dieser Hinweis nochmals verschriftet ist.
ii. Die Verfahrensrelevanz eines derartigen Schriftstücks sieht die Gegenvorstellung darin, dass dadurch belegt werde, dass spätestens am 07.09.1998 die Verfassungsschutzbehörden in Thüringen und Brandenburg wussten, dass die „Drei sich im Raum Chemnitz“ aufhielten. Dass der Zeuge Görlitz (=Verfassungsschutz Brandenburg) und der Zeuge Wießner (=Verfassungsschutz Thüringen) diese Mitteilung am 07.09.1998 kannten, ergibt sich jedoch bereits aus dem handschriftlichen Vermerk des Zeugen Wießner, der Aktenbestand teil ist. Die Beiziehung eines weiteren schriftlichen Belegs mit identischem Inhalt erfordert die Aufklärungspflicht ebenso nicht,

c. Die Gegenvorstellung führt sinngemäß aus, die Amtsaufklärungspflicht erfordere die Beiziehung der genannten Akten u.a. deshalb, da bislang keine Schriftstücke zu den Verfahrensakten gelangt seien, aus denen sich ergebe, dass der Zeuge Szczepanski seinem V-Mann-Führer mitgeteilt
habe, dass die „Drei“ in Südafrika bei Claus Nordbruch untertauchen wollten und dass sich Nordbruch zum Zeitpunkt der Mitteilung in Deutschland aufgehalten habe. Weiter würden Aktenteile fehlen, aus denen sich ergebe, was aufgrund dieser Informationen veranlasst worden sei.
i. Es ist nicht erkennbar, welche Relevanz für eine mögliche Schuld- und/oder Rechtsfolgenfrage der Klärung des Umstands zukommen könnte, ob der Zeuge Szczepanski dem Verfassungsschutz die oben dargestellten Umstände mitgeteilt hat. Gleiches gilt für eventuelle an diese Mitteilung anschließenden weiteren Veranlassungen des Amtes.

ii. Nicht nachvollziehbar ist die Auffassung der Gegenvorstellung „sämtliche Erkenntnisse“ zur Flucht nach Südafrika seien im Rahmen der „notwendigen Feststellungen zu der Vereinigung NSU“ aufzuklären. In diesem Zusammenhang ist zudem hervorzuheben, dass sich keiner der untergetauchten Personen jemals nach Südafrika absetzte.
iii. Für die Bewertung der Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugen André Kapke und Brehme sind die oben genannten Informationen ebenso wenig von Bedeutung. Aus ihnen ergibt sich nicht, dass
Kapke und Brehme, was diese nach dem Vortrag der Gegenvorstellung abgestritten hätten, mit dem Zeugen Nordbruch über die Unterbringung der „Drei“ gesprochen hätten.

d. Die Gegenvorstellung führt sinngemäß aus, die Amtsaufklärungspflicht erfordere die Beiziehung der genannten Akten u.a. deshalb, da bislang der Treffbericht zur Waffenbeschaffung durch Jan Werner nicht zu den Akten gelangt sei. Zwar seien die diesbezügliche Deckblattmeldung und ein
Vermerk vom 17.09.98 zu diesem Sachverhalt bei den Akten. Der fehlende Treffbericht sei allerdings ausführlicher gehalten. Zudem fehlten in der Verfahrensakte die Unterlagen, aus denen sich ergebe, dass Szczepanski die Informationen zu den Waffen und Überfällen in einem Vieraugengespräch erlangt habe und dieses für einen möglichen Test seiner Person hielt.
i. Die Gegenvorstellung trägt selbst vor, der Sinn der Deckblattmeldung und des Vermerks vom 17.09.98 seien „zwar derselbe“. Jedoch fehle in der Deckblattmeldung die im Vermerk befindliche Feststellung, Werner habe nur den „Eindruck vermittelt, dass er jemanden suche, der Waffen beschaffen“ könne. Im Deckblatt hingegen werde schlicht festgestellt, Werner solle den Auftrag haben die drei Skinheads mit Waffen zu versorgen. Die Einschätzung Szczepanskis, Werner habe nur den oben beschriebenen Eindruck vermittelt, müsse daher aus dem ausführlicheren Treffbericht stammen.

ii. Dem Senat ist nicht ersichtlich, welchen Aufklärungsgewinn im Hinblick auf eine mögliche Schuld- und/oder Straffrage die Beiziehung des Treffberichts erbringen würde. Für diesen Fragenkreis ist es ohne Bedeutung, ob nun Jan Werner den Auftrag gehabt haben soll, Waffen zu beschaffen oder ob er nur den Eindruck vermittelte, er suche jemanden, der Waffen beschaffen könne. Gleiches gilt für den Umstand eines Vieraugengesprächs und eines möglichen Tests der
Person Szczepanskis.


e. Die Gegenvorstellung führt sinngemäß aus, die Amtsaufklärungspflicht erfordere die Beiziehung der genannten Akten u.a. deshalb, da sich aus den zu den Akten gebrachten Schriftstücken Hinweise auf je ein Treffen von Vertretern von drei Landesämtern für Verfassungsschutz sowohl am 15.09.1998 als auch am 17.09.1998 ergäben. Der Inhalt eines möglichen zweiten Treffens sei jedoch nicht bekannt.
i. Als Beleg für die mögliche Durchführung von zwei Treffen der Verfassungsschutzämter führt die Gegenvorstellung aus, in der öffentlichen Sitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission des Landtages Brandenburg am 12.04.2016 sei auf einer Power-Point-Folie ein „Treffen der VS-Behörden am 15.09.1998 in Potsdam“ erwähnt worden. Hingegen sei im Vermerk des sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz vom 17.09.1998 von einem Treffen von Vertretern der drei Verfassungsschutzämter am 17.09.1998 die Rede.

ii. Es kam jedoch lediglich zu einem Treffen, so dass die Amtsaufklärungspflicht nicht zur Ermittlung des Inhalts der Gespräche bei einem zweiten Treffen drängen kann, weil ein solches Treffen nicht stattfand. Sowohl auf der Power-Point-Folie als auch im Vermerk des sächsischen Landesamtes werden die als Ergebnis des Treffens beschlossenen „Festlegungen“ aufgeführt. Diese Festlegungen sind inhaltlich identisch und wörtlich gleich formuliert. Es kann als fernliegend ausgeschlossen werden, dass sich die Vertreter von drei Verfassungsschutzämtern an zwei kurz hintereinander liegenden Terminen treffen und bei dem ersten Treffen fünf Beschlüsse fassen und
genau diese fünf Beschlüsse zwei Tage später mit identischem Inhalt nochmals ergehen. Zudem wurde beschlossen, dass die Observation der Antje Probst am 16.09.1998 am Nachmittag durch das LfV Thüringen begonnen werde und die Observation durch das LfV Sachsen am 17.09.1998 ab 07.00 Uhr fortgesetzt werde. Diese Beschlussfassung hätte bei einem Treffen erst am 17.09.1998, dessen Durchführung von der Gegenvorstellung zumindest für möglich erachtet wird, wegen zeitlicher Überholung keinen Sinn. Es ist daher von nur einem einzigen Treffen, und zwar am 15.09.1998, auszugehen. Es handelt sich demnach in dem Vermerk vom 17.09.1998 um einen Schreibfehler, wenn dort von einem Treffen am 17.09.1998 berichtet wird,

iii. Eine weitere Aufklärung des Inhalts dieses einen Treffens erfordert die Amtsaufklärungspflicht ebenfalls nicht. In diesem Zusammenhang wird Bezug genommen auf die Ausführungen des Senats im Beschluss vom 10.05.2016, wobei dort allerdings beruhend auf dem Schreibfehler im Vermerk vom 17.09.1998 auch fälschlich angenommen wurde, das Treffen hätte am 17.09.2016 stattgefunden.

2. Die Aufklärungspflicht drängt auch unter zusätzlicher Berücksichtigung des Vortrags der Gegenvorstellung nicht zur Beiziehung der genannten Akten- bzw. Aktenteile, weil keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass sich aus der Gesamtschau der in den Akten enthaltenen Schriftstücke Umstände ergäben, die zu einem Aufklärungserfolg führen, weil sie für die Beurteilung einer möglichen Schuld- und/oder Straffrage von Relevanz sein können. Insbesondere sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass die Verfassungsschutzämter durch Steuerung der Strafverfolgungsbehörden eine Festnahme von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe verhindert haben.
a. Die Gegenvorstellung führt sinngemäß aus, der Aufenthaltsort der unter getauchten Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt sei nicht erst durch die Meldung von Szczepanski bekannt geworden. Dieser sei wie auch der Unterstützerkreis schon vorher bekannt gewesen und Szczepanski sei gezielt nach Chemnitz und an die dortige B&H Sektion, insbesondere an Jan Werner, herangesteuert worden, um Informationen zu den Dreien zu er langen.

i. Die Bedeutung dieser Umstände sieht die Gegenvorstellung darin, dass damit festgestellt werden könnte, dass Szczepanski nicht beiläufig Informationen zu den Drei erlangt hat, sondern gezielt auf sie angesetzt war und dies bisher nicht offen gelegt worden ist.
ii. Die Umstände, aus denen die Gegenvorstellung schließt, der Aufenthaltsort „Chemnitz“ der drei untergetauchten Personen und der Unterstützerkreis seien bereits vor der Meldung des V-Manns
Szczepanski bekannt gewesen, sind bereits Bestandteil der Akten. Ein Beiziehen weiterer Unterlagen zum Beleg bereits bekannter Informationen erfordert die Aufklärungspflicht jedoch nicht.

iii. Die Gegenvorstellung führt aus, das Thüringische Landeskriminalamt habe bereits ab dem 04.08.1998 die Telefone von Thomas Starke, Jan Werner und Hendrik Lasch abgehört. Der Beginn der Überwachungsmaßnahme sei damit zeitlich vor den Meldungen von Szczepanski und Degner in diesem Zusammenhang. Hieraus schließt die Gegenvorstellung, dass Hinweise auf die Unterstützer
rolle der abgehörten Personen zur Beantragung der Überwachungsmaßnahmen „zwangsläufig“ in den Akten sein müssen. Daher gebiete die Aufklärungspflicht die Beiziehung der gesamten Akten. Aus dem Umstand, dass beim Thüringischen Landeskriminalamt Kenntnisse oder Hinweise über die abgehörten Personen vorhanden waren, folgt nicht, dass diese Erkenntnisse auch dem Innenministerium des Landes Brandenburg zur Verfügung gestellt wurden. Es sind auch keinerlei Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass diese Kenntnisse dem brandenburgischen Verfassungsschutz zugeleitet wurden und sich nun auch in den Akten des Landes Brandenburg befinden, deren Beiziehung beantragt wurde. Ein Aufklärungserfolg durch Beiziehung dieser Akten ist demnach nicht zu erwarten.


iv. Entsprechendes gilt für die Ausführungen der Gegenvorstellung zur Kenntnislage des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz und der Thüringer Zielfahndung im Zusammenhang mit einem Wohnungsumzug. Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass die diesbezüglichen Informationen an den brandenburgischen Verfassungsschutz weitergeleitet wurden.
v. Der Zusammenhang des Vortrags der Gegenvorstellung über eine angeblich nur einseitige Informationsübermittlung vom Thüringischen Landeskriminalamt an den Thüringer Verfassungsschutz mit dem Inhalt der Akten aus Brandenburg ist nicht ersichtlich.

vi. Die Ausführungen der Gegenvorstellung zur „gezielten Steuerung“ des V-Manns Szczepanski in Richtung der „untergetauchten Drei“ sind rein spekulativ. Die V-Mann-Führer Görlitz und Meyer-Plath gaben in der Hauptverhandlung übereinstimmend an, Szczepanski sei nicht vom Verfassungsschutz gezielt nach Chemnitz geschickt worden, sondern habe sieh das Praktikum im Laden der Eheleute Probst selbst gesucht. Der Zeuge Michael Probst – vgl. HVT vom 02.12.14 – und der Zeuge Szczepanski – vgl. HVT vom 03.12.14 – führten insoweit glaubhaft und übereinstimmend aus, Michael Probst habe zu Szczepanski bereits in der Haft Kontakt gehabt und ihn dort auch besucht. Die Zeugin Bö. – vormals Probst – gab insoweit in der Hauptverhandlung am 20.11.2014 glaubhaft an, ihr Kontakt zu Szczepanski sei bereits während der Haft durch Briefe entstanden. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass Szczepanski sein Praktikum bei seinen Bekannten, dem Ehepaar Probst, absolvierte und diese Stelle einer anderen vorzog, auch wenn er nach Chemnitz einen weiteren Anfahrtsweg hatte. Das Praktikum ist daher kein Indiz für eine Steuerung des V-Manns Szczepanski nach Chemnitz. Gleiches gilt für die amtsinterne Analyse der Gefährlichkeit der drei untergetauchten Personen und die Einstufung der Handlungen der Drei als „rechtsterroristisch“. Hieraus entwickelt die Gegenvorstellung ein „Wissen und das Interesse“, weitere Informationen durch den V-Mann Szczepanski zu erhalten.

Deshalb sei er vom Verfassungsschutz nach Chemnitz gesteuert worden. Auch dies ist aber nur eine Vermutung der Gegenvorstellung. Die Gegenvorstellung konzidiert selbst, dass nicht belegt werden könne, dass dem Verfassungsschutz in Brandenburg bekannt gewesen sei, dass die Unterstützer der Drei aus Chemnitz gekommen seien. Die Gegenvorstellung führt vielmehr aus, dass der Verfassungsschutz dies nur „sehr wahrscheinlich“ wusste. Da keine Hinweise auf eine „Steuerung“ des V-Manns Szczepanski nach Chemnitz vorliegen, bestehen auch keine Anhaltspunkte für die Existenz von Schriftstücken in der beizuziehenden Akte, die eine solche Steuerung belegen würden. Für die Annahme einer staatliche Mitverantwortung an den angeklagten Taten besteht vor diesem Hintergrund ebenfalls keine Grundlage.

b. Die Gegenvorstellung führt sinngemäß aus, es habe eine gemeinsame Entscheidung wenigstens der Verfassungsschutzbehörden von Thüringen und Brandenburg gegeben, die vorliegenden Informationen über den Aufenthaltsort und die Unterstützer der Drei durch V-Mann-Meldungen aktenkundig zu machen. Die Bedeutung einer derartigen Absprache sieht die Gegenvorstellung darin, dass eine derartige Absprache im „Hinblick auf die staatliche Mitverantwortung bezüglich der angeklagten Taten vefahrensrelevant“ sei.

i. Dass es zu einer derartigen Absprache gekommen sei, schließt die Gegenvorstellung u.a. daraus, dass die beteiligten V-Mann-Führer der Länder Thüringen und Brandenburg miteinander telefoniert hätten, dass im Thüringer Amt beschlossen worden sei, den dortigen V- Mann Degner über eine Sonderprämie für Informationen über die „Drei“ in Kenntnis zu setzen, dass der V-Mann Degner bei seiner ersten Befragung zu den untergetauchten Personen bereits Informationen über diese gehabt habe und dass der V-Mann Degner am 08.09.1998 und der V-Mann Szczepanski am 09.09.1998 über den selben Unterstützerkreis berichtet hätten. Hieraus zieht die Gegenvorstellung den o.g. Schluss von der Entscheidung der beteiligten Behörden, die erlangten Informationen aktenkundig zu machen,

ii. Inwiefern eine derartige Absprache eine Bedeutung für eine behauptete staatliche Mitverantwortung haben soll, erschließt sich dem Senat nicht. Zudem handelt es sich bei diesem Schluss um eine reine Vermutung. Die aufgeführten Umstände legen eine Absprache nicht
nahe. Vielmehr hat jedes der beteiligten Verfassungsschutzämter die in seinem Geschäftsbereich gewonnenen Erkenntnisse aktenkundig gemacht. Eine gesonderte Verabredung bedurfte es für diese
Selbstverständlichkeit nicht. Auch die Gegenvorstellung relativiert ihre eigene Behauptung von der Absprache, indem sie ausführt, ein bestimmter Umstand „deutet darauf hin“, dass es eine Absprache gegeben habe oder, dass Aktenteile über „mögliche Absprachen“ in der Gerichtsakte fehlen. Mangels Hinweise auf eine Absprache und mangels Bedeutung einer derartigen Absprache drängt die Aufklärungspflicht unter diesen Gesichtspunkten nicht zur Beiziehung der
Akten.

Die Gegenvorstellung führt sinngemäß aus, die Angaben des Zeugen Görlitz zur Einziehung des Handys von Szczepanski am 25.08.1998 seien nicht glaubhaft. Es sei davon auszugehen, dass das Handy und die SIM- Karte nicht sofort eingezogen worden seien und sowohl dem Amt als auch
Szczepanski eine SMS von Jan Werner mit dem Inhalt „Was ist mit den Bums?“ bekannt gewesen sei. Weitere Informationen hierzu seien im Hinblick auf die „staatliche Mitverantwortung für die angeklagten Taten von Bedeutung“.

i. Die Gegenvorstellung sieht in dem vom Zeugen angegebenen Grund für den Austausch des Handys bereits eine unzutreffende Detailangabe des Zeugen Görlitz. Der Zeuge habe nämlich, so die Gegenvorstellung, ausgeführt, das Handy sei in einer TKÜ-Maßnahme des Thüringer Landeskriminalamts gegen Werner aufgefallen und sei deshalb aus dem Verkehr gezogen worden. Aus den dem Gericht vorliegenden Akten ergebe sich erst aus einem Verbindungsnachweis vom 29.10.1998, dass die von Szczepanski genutzte Telefonnummer auf das Innenministerium Brandenburg ausgegeben worden sei. Der Zeuge Görlitz gab in seiner Vernehmung am 02.03.2016 lediglich an, es seien auch sogenannte G-10 Maßnahmen gegen Jan Werner durchgeführt worden und er könne sich nicht mehr erinnern, ob das Handy in einer StPO-Maßnahme oder in einer
G-10 Maßnahme aufgefallen sei. Durch den Verbindungsnachweis vom 29.10.1998 hinsichtlich der StPO-Maßnahme gegen Jan Werner wird somit nicht belegt, dass dem Verfassungsschutz Brandenburg das Auffallen der auf ihn ausgegebenen Telefonnummer nicht im Rahmen anderer Überwachungsmaßnahmen früher bekannt geworden war.

ii. Die Gegenvorstellung führt aus, die Feststellung des Zeugen Görlitz in seinem Vermerk, er habe das Handy Szczepanskis gegen 16.00 Uhr eingezogen und von der SMS nichts mitbekommen, sei nicht nachvollziehbar, weil sich der Zeuge „ansonsten an nichts“ erinnern habe können. Nicht erklärbar sei dann die Erinnerung an diese beiden Umstände. Aus dem vom Zeugen verfassten Vermerk ergibt sich jedoch plausibel, dass der Zeuge den Vorgang anhand eines von ihm erstellten Treffberichts rekonstruiert hat. Aufgrund des im Treffbericht aufgeführten Beginns des Treffens mit Szczepanski und unter Einrechnung von Fahrzeiten und des Aufenthalts in einem Telefonladen hat er die Übergabezeit „gegen 16.00 Uhr“ erschlossen. Ebenso nachvollziehbar ist, dass der Zeuge sich daran erinnert, von der SMS mit dem ungewöhnlichen Inhalt in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Handytausch nichts erfahren zu haben,

iii. Die Gegenvorstellung führt aus, die Behauptung des Zeugen Görlitz, das Handy sei eingezogen worden, ohne dass die Kontaktdaten auf das Neugerät übertragen worden seien, sei unglaubhaft. Es habe keinen nachvollziehbaren Anlass gegeben, den Wechsel des Handys durchzuführen, ohne diese Datenübertragung durchzuführen. Diese Argumentation übersieht, dass nicht gesichert ist, dass eine Datenübertragung im Jahr 1998 auf das Neugerät technisch bei den gegebenen Begleitumständen überhaupt möglich war.
iv. Die Gegenvorstellung führt aus, gegen die Einziehung des Handys am Nachmittag des 25.08.1998 und für eine Weiternutzung des Geräts spreche der Umstand, dass unmittelbar auf die SMS von Jan Werner am 25.08.1998 um 19.21 Uhr dieser mehrfach hintereinander mit einer unterdrückten Nummer – möglicherweise von Szczepanski – angerufen worden sei. Noch am 26.08.1998 um 12.25 Uhr wurde eine Werbe-SMS zwischen Werners und Szczepanskis alter Nummer verschickt. Aus den vorliegenden Unterlagen könne aber nicht entnommen werden, wer Absender und wer Empfänger gewesen sei. Diese Ausführungen der Gegenvorstellung
sind lediglich Vermutungen und werden durch keine Tatsachen gestützt. Der Anrufer bei Jan Werner telefonierte mit einer unterdrückten Nummer. Dass es sich dabei um den Zeugen Szczepanski handelte, ist reine Spekulation. Entsprechendes gilt im Zusammenhang mit der Werbe-SMS. Es ist nicht bekannt, wer der Versender der Werbe-SMS war. Wurde, was offen ist, die SMS nicht von
Szczepanskis Handy versandt, kann dieser Umstand auch nicht als Indiz für eine Weiterbenutzung des alten Handys nach dem Nachmittag des 25.08.1998 durch Szczepanski dienen,

v. Die Gegenvorstellung führt weiter aus, aufgrund lückenhafter Akten lasse sich die Behauptung des Verfassungsschutzes Brandenburg von der Nichtkenntnis der SMS und die unausgewertete Vernichtung des Handys nicht widerlegen. Diese Lücken und ein „Krisentreffen“ zwischen dem Generalbundesanwalt, dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem Bundeskriminalamt und dem Verfassungsschutz Brandenburg würden dafür sprechen, dass es zu „weiterem Kontakt
zwischen Szczepanski und Werner im Zusammenhang mit der SMS gekommen“ sei, dies jedoch nicht bekannt werden solle. Diese Schlüsse der Gegenvorstellung stellen erneut eine Vermutung dar,
die nicht durch tatsächliche Umstände belegt ist und für die auch sonst keine Anhaltspunkte ersichtlich sind,

vi. Bei einer Gesamtbetrachtung der hier vorgebrachten Umstände besteht kein Anlass, an der Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen Görlitz in diesem Zusammenhang zu zweifeln. Es gibt weiter keine Hinweise darauf, dass Szczepanski, dem V-Mann-Führer Görlitz und anderen Mitarbeitern des Verfassungsschutzes Brandenburg die SMS „Was ist mit den Bums“ im zeitlichen Zusammenhang mit deren Versendung im Jahr 1998 bekanntgeworden wäre. Vielmehr ergibt sich aus von der Gegenvorstellung zitierten Zusammenfassung des Innenministeriums Brandenburg, dass der Behörde erstmals durch das sogenannte Schäfer-Gutachten im Jahr 2012 bekannt wurde, dass das von Szczepanski genutzte Handy im Rahmen der Telefonüberwachung Werner im Zusammenhang mit dem hier in Rede stehenden Sachverhalt aufgefallen sei. Unter Berücksichtigung aller dargestellten Umstände zum „Vorgang Handy“ in Zusammenschau mit den Ausführungen im Beschluss vom 10.05.2016 (Ablehnung Beiziehung Treffbericht Handyeinziehung) drängt die Aufklärungspflicht nicht zur Beiziehung der beantragten Akten,

d. Die Gegenvorstellung führt sinngemäß aus, aus den beizuziehenden Akten würde sich ergeben, dass es nach der Meldung von Szczepanski in der Zeit vom 14. bis zum 21. September 1998 zu „schnellen und intensiven Aktivitäten der Verfassungsschutzbehörden gekommen“ sei. Die Klärung der Frage, wann genau welche Treffen und welche Kommunikation mit welchem Inhalt stattgefunden hätten, sei zur Klärung der staatlichen Mitverantwortung für die angeklagten Taten relevant. Es könne dadurch festgestellt werden, welche Maßnahmen von den Ämtern unternommen
und welche Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden verhindert wurden,


i. Die Gegenvorstellung stellt ausführlich dar, mit welcher „Schnelligkeit und Intensität“ die Verfassungsschutzämter auf die Meldungen von Szczepanski im Zusammenhang mit den untergetauchten Personen reagierten. Es habe zeitnah ein Treffen von Vertretern der beteiligten Verfassungsschutzämter stattgefunden. Es kam zu einer Besprechung zwischen dem Präsidenten des LKA Thüringen und Beamten des Verfassungsschutzes. Es seien zahlreiche operative Maßnahmen gegen „den Unterstützerkreis“ durchgeführt worden. Dies zeige, wie „ernst die Ämter schon damals diese Informationen genommen“ hätten. Schriftstücke zu dieser Bewertung und eine Begründung, warum in solch einer Eile reagiert worden sei, müssten sich in den bezeichneten Akten befinden. Diese Schriftstücke seien erforderlich, um „die staatliche Mitverantwortung für die angeklagten
Taten“ zu klären und zu analysieren, „welche weiteren Maßnahmen von den Ämtern unternommen und welche Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden verhindert“ worden seien.


ii. Es erschließt sich dem Senat nicht, auf welche Weise die Unterlagen zum „schnellen und intensiven“ Handeln der beteiligten Dienste Relevanz für den Nachweis einer staatlichen Mitverantwortung für die angeklagten Taten haben sollen. Dass sich in den Unterlagen, deren Existenz ohnehin nur vermutet wird, Ausführungen in dem von der Gegenvorstellung behaupteten Sinn befinden, ist erneut eine Spekulation, die im Tatsächlichen keine Stütze findet,
e. Die Gegenvorstellung führt sinngemäß aus, aus den beizuziehenden Akten würde sich ergeben, dass der Quellenschutz für Szczepanski lediglich eine vorgeschobene Begründung gegenüber den Strafverfolgungsbehörden war, um eine Festnahme der Drei zu verhindern,
i. Die Gegenvorstellung schließt aus dem Umstand, dass Meldungen von Szczepanski in anderen Fällen an die Ermittlungsbehörden weitergeleitet wurden, dass im vorliegenden Fall Gründe des Quellenschutzes nur vorgeschoben worden seien, damit die Ämter ihre eigenen Maßnahmen bezüglich der Überwachung der Drei und ihres Umfeldes durchführen konnten. Dass der Quellenschutz nur vorgeschoben war, sei zur Klärung der „staatlichen Mitverantwortung an
den Taten“ erforderlich.

ii. Anhaltspunkte dafür, dass der Quellenschutz für den V-Mann Szczepanski nur vorgeschoben war und sich deshalb Schriftstücke zu diesem Thema in den Akten befinden, ergeben sich aus dem Vortrag der Gegenvorstellung und auch ansonsten nicht. Die Gegenvorstellung vermutet lediglich eine derartige Motivation und damit die Existenz von Schriftstücken dazu. Der Umstand, dass in anderen Fällen Meldungen des V-Manns an die Ermittlungsbehörden weitergegeben wurden, besagt in diesem Zusammenhang nichts. Die Gegenvorstellung berücksichtigt nicht, dass es Fallkonstellationen gibt, in denen eine Identifizierung der Quelle Szczepanski trotz Weitergabe seiner Meldung an die Ermittlungsbehörden nicht möglich war. Zu einer Weitergabe kann es auch dann gekommen sein, wenn nach der Beurteilung der Ämter eine Gefährdung oder Enttarnung der
Quelle, aus welchen Gründen auch immer, nicht zu befürchten war. In den dargelegten Sachverhalten ist dann ein Quellenschutz nicht veranlasst. Bei dieser Sachlage drängt daher die Aufklärungspflicht unter dem Aspekt des „vorgeschobenen Quellenschutzes“ nicht zur Beiziehung der Akten,

iii. Der Quellenschutz ist ungeachtet seiner Motivation zusätzlich nicht geeignet, eine „staatliche Mitverantwortung“ an den angeklagten Taten zu begründen. In diesem Zusammenhang wird Bezug genommen auf die umfangreichen Ausführungen des Senats im Beschluss vom 10.05.2016. Die Gegenvorstellung führt sinngemäß aus, aus den beizuziehenden Akten würde sich ergeben, dass die beteiligten Ämter für Verfassungsschutz nach dem 21.09.1998 weiter miteinander kommunizierten. Aus diesen bislang nicht vorliegenden Aktenteilen werde sich ergeben, dass die Ämter nicht das Ziel hatten, die „Drei“ festzunehmen. Es sei ihnen vielmehr darum gegangen, Informationen über die „Organisation von Neonazis im Untergrund“ sowie zur Geld- und Waffenbeschaffung zu erlangen. Weiter ergebe sich aus den Akten, dass den Ämtern durch die Überwachung „konkrete Informationen über die Gründung einer terroristischen Vereinigung durch mindestens die drei Untergetauchten bekannt wurden“. Eine Weitergabe dieser Informationen und eine Festnahme der „Drei“ seien aber nicht im Interesse der Verfassungsschutzämter gewesen und deshalb unterblieben.

i. Die Gegenvorstellung erläutert zusammengefasst, es seien von dem weiteren Kontakt der beteiligten Behörden nur noch zwei Blätter in der sogenannten Drillingsakte erhalten. Diese würden auf den weiteren Austausch und Abstimmung der vier Behörden untereinander verweisen. Unter dem 10.11.1998 habe das Bundesamt für Verfassungsschutz Erkenntnisse aus einer G10-Maßnahme gegen Jan Werner mit dem Betreff „Fall Drilling“ zugeleitet. Aufgrund dieser Hinweise in den Akten auf fortbestehende Kommunikation und des kurz nach Eingang der Meldung von Szczepanski abgehaltenen Treffens von Vertretern der beteiligten Verfassungsschutzämter und unter Berücksichtigung des vorgeschobenen Quellenschutzarguments spreche alles dafür, dass sich die oben aufgeführten Umstände aus den beizuziehenden Akten ergäben,

ii. Diese Schlussfolgerungen der Gegenvorstellung stellen lediglich Vermutungen ohne Tatsachenhintergrund dar. Weder Akteninhalt noch bisherige Beweisaufnahme erbrachten Anhaltspunkte für diese Annahmen. Dass es weiterhin zu einem Kontakt der beteiligten Ämter gekommen ist, mag zwar sein. Hieraus können vernünftigerweise aber nicht die von der Gegenvorstellung dargestellten Schlüsse gezogen werden. Das Fortbestehen des Kontakts der Ämter bedeutet nicht, dass überhaupt relevante Erkenntnisse gewonnen wurden. Hinsichtlich des Inhalts etwaiger Erkenntnisse lassen sich auf dieser Basis ohnehin keine Aussagen treffen. Gleiches gilt im Hinblick auf das durchgeführte Treffen der beteiligten Ämter. Dass es bereits kurz nach der Meldung durch den V-Mann Szczepanski stattfand, kann als Beleg für die Bedeutung der Meldung gesehen werden. Hinweise darauf, ob und welche weiteren Erkenntnisse zu Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe gewonnen werden konnten, ergeben sich daraus jedoch nicht. Dass es keine Umstände gibt, die für einen nur vorgeschobenen Quellenschutz“ sprechen, wurde bereits oben dargelegt. Für die von der Gegenvorstellung gezogenen Schlüsse fehlen damit jegliche Anhaltspunkte. Unter dem Aspekt der „Fortsetzung des Kontakts der Ämter“ drängt die Aufklärungspflicht deshalb nicht zu Beiziehung der Akten. Aus dem Institut der Nebenklage und dem menschenrechtlichen Anspruch auf Schutz des Lebens folgt nicht, das die beantragten Akten bzw. Aktenteile auch unabhängig von der Frage einer Strafmilderung beizuziehen sind.

a. Die Gegenvorstellung führt sinngemäß aus, die Beiziehung sei auch unabhängig von der Schuld- und Straffrage hinsichtlich der Angeklagten geboten. Aus dem Institut der Nebenklage und dem menschenrechtlichen Anspruch auf Schutz des Lebens folge, dass in staatlichen Ermittlungen
staatliche Mitverantwortlichkeit für Tötungsdelikte auch unabhängig von der Frage einer Strafmilderung für die Angeklagten aufzuklären sei.
b. Das Institut der Nebenklage sieht für den Nebenkläger eine umfassende Beteiligungsbefugnis ab der Erhebung der öffentlichen Klage vor. Dem Nebenkläger wird Gelegenheit gegeben, im Verfahren seine persönlichen Interessen auf Genugtuung zu verfolgen und durch aktive Beteiligung das Verfahrensergebnis zu beeinflussen. Aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt sich die Pflicht des Staates, notwendige Maßnahmen zum Schutz des Lebens von Personen zu treffen. Dazu gehören auch effektive Ermittlungen bei Todesfällen. Die Beteiligungsrechte der Nebenklage im Verfahren und die Schutzpflicht des Staates für das Leben begründen aber auch bei einer Gesamtbetrachtung keinen Anspruch der am Verfahren beteiligten Nebenkläger, dass im Strafprozess unabhängig von der Frage einer Strafmilderung für den Angeklagten die Frage einer staatlichen Mitverantwortlichkeit für Tötungsdelikte untersucht würde. Die Nebenklage ist als Beteiligung im Strafprozess konzipiert. Sie hat sich demnach im Rahmen des durch die Strafprozessordnung geregelten Strafprozesses zu bewegen. Gemäß § 155 StPO hat sich die gerichtliche Untersuchung und Entscheidung nach Maßgabe der Amtsaufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO nur auf die in der Klage bezeichnete Tat und auf die durch die Klage beschuldigten Personen zu erstrecken. Die Aufklärung von staatlicher Mitverantwortung bei Tötungsdelikten, ohne dass dieser eine Bedeutung für persönliche Schuld der Angeklagten zukommen würde, wäre dem Strafprozess systemfremd und ist von der Amtsaufklärungspflicht auch nicht geboten. Ein derartiger Anspruch steht daher den Nebenklägern nicht zu.


c. Ergänzend ist nochmals klarzustellen, dass mit der Meldung des Zeugen Szczepanski vom 09.09.1998 keinerlei Hinweise auf geplante Tötungsdelikte vorgelegen haben. Vielmehr soll nach dieser Meldung das „Trio einen weiteren Überfall“ planen. Wie oben unter 2f dargelegt, ergibt die Aktenlage und die Beweisaufnahme gerade nicht, dass die Verfassungsschutzbehörden u.a. die Festnahme der „Drei“ verhindern wollten und sich daher von sachfremden Erwägungen leiten ließen.

4. Die Beiziehung der beantragten Akten bzw. Aktenteile ist auch nicht deshalb erforderlich, um aus den Akten weitere Vorhalte machen zu können und es dadurch dem Zeugen „schwieriger oder sogar unmöglich“ zu machen Erinnerungslücken zu behaupten. Die Beiziehung ist auch nicht unter dem Aspekt erforderlich, das Aussageverhalten des Zeugen Görlitz würde durch das Innenministerium des Landes Brandenburg gesteuert.
a. Die Gegenvorstellung führt sinngemäß aus, die Beiziehung der bezeichneten Akten sei erforderlich, weil anhand der Unterlagen dem Zeugen weitere Vorhalte gemacht werden könnten. Diese Vorhalte würden es ihm schwieriger oder sogar unmöglich machen, derartig große Erinnerungslücken zu behaupten, wie er es in der Vernehmung vom 02.03.16 getan hatte. In dieser Vernehmung habe sich der Zeuge als „extrem langsam und verwirrt“ dargestellt. Er habe sich auf Erinnerungslücken berufen, die völlig lebensfremd seien.

b. Eine weitere Sachaufklärung ist durch die Beiziehung der Akten unter diesem Aspekt nicht zu erwarten. Der Zeuge wurde bereits mehrere Stunden vernommen, wobei er sich zu den Umständen, die für eine mögliche Schuld- und/oder Straffrage bei den Angeklagten von Relevanz sein können, bereits ausführlich geäußert und die Geschehnisse, an die er sich noch erinnern konnte, dargestellt hat. Es sind keine Hinweise dafür vorhanden, dass sich in den beantragten Akten Schriftstücke befinden, welche eine wiederholt vermutete rechtlich relevante Mitverantwortung staatlicher Stellen hinsichtlich der angeklagten Taten belegen würden. Insoweit wird Bezug genommen auf die obigen Ausführungen sowie die Darlegungen im angegriffenen Beschluss.

c. Anhaltspunkte für eine „Steuerung“ der Aussage des Zeugen durch seinen Dienstherren ergeben sich nicht aus dem bloßen Umstand, dass vom Amt ein Zeugenbeistand bezahlt wird und sich der Zeuge zusammen mit dem Beistand auf die Vernehmung vorbereitet. Sonstige Umstände, die für eine „Steuerung“ sprechen, sind nicht ersichtlich. Es verbleibt daher bei dem angegriffenen Senatsbeschluss vom 02.03.2016. Der Prozesstag endet um 14:08 Uhr.

Kommentar des Blogs NSU-Nebenklage: „Der Zeuge gab allerdings an, er habe zum gesamten Thema Waffen gar keine Erinnerungen mehr, ebenso wenig zu Blood and Honour-Mitgliedschaften beteiligter Personen, zu seinen Vernehmungen in Untersuchungsausschüssen oder zu irgendeinem anderen Thema, das relevant sein könnte – zur Erklärung gab er an, er sei während des Verfahrens anlässlich einer Beförderung „in den Bereich Bekämpfung des Linksextremismus gewechselt“. Machte er am Anfang noch den Eindruck, seine Erinnerungslücken könnten tatsächlich bestehen und schlicht auf Desinteresse beruhen, so änderte sich dieser Eindruck bei der Befragung durch die Nebenklage: als ihm aus den Befragungen in Untersuchungsausschüssen vorgehalten wurde, dass er an der Anwerbung des Blood and Monour-Aktivisten Thomas Starke als Informant für das LKA Berlin beteiligt gewesen sein soll, wurde der Zeuge regelrecht dreist in der Abwehr sämtlicher Fragen.In der Sache ergab seine Aussage damit für das Münchener Verfahren gar nichts.
Wohlleben-Verteidiger Klemke führte seine Verteidigung der Neonazi-Szene allgemein fort – er lehnte im Namen seines Mandanten den Sachverständigen Leygraf ab, weil dieser Carsten Schultze zu den „ausgeprägten ausländerfeindlichen Parolen“ in der Szene befragt hatte. Klemke betätigt sich damit weiter im Sinne der albernen These der Verteidigung, Wohlleben und der THS seien ja gar keine „Ausländerfeinde“ gewesen – Wohlleben selbst hatte sich ja schon auf „ethnopluralistische“ Videos und Texte von seinem Rechner bezogen.“

http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2016/06/15/15-06-2016/

Der Beitrag Protokoll 289. Verhandlungstag – 15. Juni 2016 erschien zuerst auf NSU Watch.

Protokoll 305. Verhandlungstag – 02. August 2016

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An diesem Verhandlungstag sagt zunächst der ehemalige Staatsschützer Kö. zu seinen Erkenntnissen zu Ralf Wohlleben und der rechten Szene in Thüringen aus. Danach geht es erneut um Fragen von Nebenklage-Vertreter_innen an Beate Zschäpe.

Zeuge:

  • Ernst Kö. (KHK i.R., ehem. Staatsschutz KPI Jena, Erkenntnisse zu Ralf Wohlleben)

Der Verhandlungstag beginnt um 09:47 Uhr. Zeuge ist Ernst Kö., ehemals KPI Jena. Götzl: „Es geht uns um Herrn Wohlleben und Erkenntnisse zu Herrn Wohlleben in der Vergangenheit, als Sie noch aktiv tätig waren im Polizeidienst und hier geht es uns einfach um die Frage, inwiefern Sie überhaupt mit Herrn Wohlleben befasst waren, insbesondere Ausländer- und Asylpolitik, was Sie von seinen Ansichten, Äußerungen und Aktivitäten mitbekommen haben. Ich würde darum bitten, dass Sie auch die Kameradschaft Jena, den THS noch einbeziehen, dass Sie dazu auch noch Stellung nehmen. Ich würde Sie bitten, damit zu beginnen, inwiefern Sie überhaupt mit Herrn Wohlleben befasst waren, wie Ihre Tätigkeit ausgesehen hat.“ Kö.: „Ich bin ja seit 1990 zuständiger Leiter des Kommissariats Staatsschutz im Bereich Jena gewesen bis zum Ausscheiden 2012 und insofern hatte ich dienstliche Kontakte zu Herrn Wohlleben und allen anderen Beschuldigten, die hier Raum stehen, bekommen. Wobei die Kontakte mehr auf der dienstlichen Ebene waren, meine Mitarbeiter hatten direkteren Kontakt bei einzelnen Vernehmungen. Wobei es mal vorgekommen sein kann, dass ich mal Herrn Wohlleben persönlich vernommen habe, als Zeuge oder Beschuldigter.“

Götzl: „Was können Sie denn zu den Kontakten im Einzelnen sagen, inwiefern Ihre Dienststelle, auch Ihre Kollegen, Kontakt zu Herrn Wohlleben hatte, welche Sachverhalte, welche Ermittlungen?“ Kö.: „Nach meiner Erinnerung ist zumindest der Herr Wohlleben 1996 mir bekannt geworden in dem Sinne, dass er in diese Szene hineingehört. Von 1991 an waren es mehr Skinheadszenen, Hooliganszenen, die Probleme bereitet haben, und ’93, ’94, ’95 gab es dann die ersten Erscheinungen von Leuten wie André Kapke und dem Umfeld von ihm, das waren dann Zschäpe, Mundlos, die als Gruppe verbunden waren. Und so ’96 tauchte dann auch der Wohlleben auf. Es gab auch ein Foto von dieser Zeit, wo sie eine Feier hatten, wo sie abgebildet waren. Das entwickelte sich fortführend dann weiter, wo Herr Wohlleben sich mehr engagiert hat im Sinne von in der Kameradschaft Jena, dass er Infostände mitbetrieben hat bzw. anwesend war und solche Geschichten. Straftaten waren 1996 noch nicht bei ihm, zumindest kann ich mich nicht erinnern. Im Vorfeld war André Kapke einer der ersten in dieser Szene, der mit Straftaten, Propagandamittel, Sachbeschädigungen aufgefallen war. Herr Wohlleben war da noch nicht sonderlich mit Straftaten, staatsschutzmäßig, aufgefallen. Später entwickelten sich Kontakte mit Herrn Schwerdt, Bundesvorstand NPD, der zuständig war nach meiner Erinnerung für Thüringen, der später dann auch Landesvorsitzender wurde. Und da war Herr Schwerdt öfters zu sehen gewesen, u. a. auch mit Herrn Wohlleben. Und Wohlleben hat dann begonnen, den KV der NPD aufzubauen und zu führen als stellvertretender und dann als Vorsitzender [phon.]. Und so richtig aktiv ist er, glaube ich, 1999 geworden in der NPD.“

Götzl: „Inwiefern?“ Kö.: „Dass er jetzt Funktionsträger war. Bis dahin war es mehr und weniger, also zumindest keine echte Mitgliedschaft, jedenfalls habe ich da keine Erkenntnisse.“ Götzl: „1999 wäre er richtig aktiv geworden im Sinne eines Funktionsträgers, können Sie das noch näher ausführen?“ Kö.: „Ich hatte den Eindruck, es gab Bestrebungen, – nicht nur der NPD, sondern die Jahre zuvor auch der Partei Die Republikaner, dann der DVU, der NPD – Einfluss zu gewinnen in Thüringen, aber auch insbesondere im Umfeld Jena. Und mehr oder weniger hat sich die NPD als solche durchgesetzt und mit der KV-Gründung durch Herrn Wohlleben war er aktiv, hat versucht, weitere Mitglieder zu werben und in den KV mehr Struktur rein zu bringen, im Sinne von Mitgliederschulungen, Mitgliedsbeiträge einzutreiben, dass es eine geordnete Partei in dem Sinne wird. Später hat er versucht, weitere KV-Gründungen im Umland von Jena, Saale-Holzland-Kreis, anzuregen, da gab es einen Herrn Ja., der enge Kontakte zu Wohlleben hatte, ist mir in Erinnerung, dort einen KV zu installieren [phon.]. Das ist aber eine relativ kurzfristige Erscheinung geblieben.

Später ist er aktiver geworden im Rahmen der NPD, hat sich engagiert im Landesvorstand [phon.], war dort dann Pressesprecher meines Wissens nach, war dort stellvertretender Landesvorsitzender, hat sich in den Ortschaftsrat wählen lassen in seinem Wohngebiet, einmal in Jena-Winzerla und später nochmal Ortschaftsrat Jena-Altlobeda. Soweit meine Erkenntnisse vorliegen, hat er sich dort relativ engagiert eingebracht im Sinne von Bürgerproblemen. Negativ im Sinne von NPD-Parteipolitik oder rechtsradikale Tendenzen gab es nie Hinweise, die zu uns gelangt sind. Später kam es ja dann zu möglicherweise Zerwürfnissen. Es wird kolportiert, dass es da um Führungsansprüche in der NPD ging. Es gab diesen Patrick Wieschke, wo es dann wahrscheinlich persönliche Animositäten gab, und Herr Wohlleben ist dann mehr oder weniger aus der NPD ausgeschieden, ich glaube 2009, zumindest als aktives Funktionsmitglied. In seiner Zeit im KV Jena hat dann auch seine Ehefrau mitgearbeitet, sie war nach meinem Wissensstand als Schatzmeisterin eingesetzt oder Kassenwart. Zu dem letzten Stand, was ich an Zahlen hatte, waren so ca. 20 Mitglieder eingeschrieben bei diesem Kreisverband in Jena. Es war immer das Bestreben, denke ich mir, beim Herrn Wohlleben gewesen, viele Mitglieder in die NPD zu werben, im Jugendbereich bzw. bei jungen Erwachsenen, man versuchte über die Schiene Konzertveranstaltungen Kontakt zu bekommen, so Rechtskonzerte [phon.] mit Bands, die z. T. konspirativ vorbereitet worden sind, durch Mund-zu-Mundpropaganda, der eine bringt den anderen mit, so sinngemäß.“

Götzl: „Was können Sie denn noch einerseits zur Kameradschaft Jena, andererseits zu THS und ggf. Aktivitäten von Herrn Wohlleben in Zusammenhang damit sagen?“ Kö.: „Hebt sich nicht ab. [phon.] Hinsichtlich Aktivitäten der Kameradschaft Jena bin ich der Auffassung, das war mehr eine Entstehungsgeschichte um André Kapke, der die Kameradschaft Jena ins Leben gerufen hat. Irgendwann ist dann sicherlich der Herr Wohlleben dazu gestoßen und andere aus dieser Szene. Ich hatte bis dahin keinen Eindruck, dass sich der Herr Wohlleben im Sinne von militanten Äußerungen, Taten, Straftaten hervortun würde. Ich habe keine Kenntnisse, dass von ihm Straftaten ausgegangen sind oder er beteiligt war. Er hat sich immer, für meine Auffassung, im Hintergrund gehalten und war clever genug bzw. intelligent genug, sich auf diese Dinge nicht einzulassen [phon.]. Anfangsweise. Es gab dann eine Umgruppierung, da führte Tino Brandt den Thüringer Heimatschutz ein, wo man versuchte, alle Kameradschaften in Thüringen zu integrieren. Es bildete sich noch eine Untergruppierung [phon.] aus, die nannte sich Anti-Antifa Jena bzw. – Thüringen [phon.], wo man gegen die militanten Kräfte der linken Szene vorgehen wollte bzw. sich [phon.] verteidigen wollte. Es gab ja immer Auseinandersetzungen rechts-links. Und später wurde dann federführend der THS mit Tino Brandt an der Spitze, bis er dann zerfiel und sich wieder eine Kameradschaft Jena etablierte oder das Freie Netz Jena mit Ablegern in Kahla, wo auch bekannte Persönlichkeiten – in Anführungszeichen – integriert waren. [phon.]“

Götzl: „Was jetzt einzelne politische Aktivitäten der Kameradschaft Jena einerseits angeht und andererseits die Frage danach, ob Herr Wohlleben in dem Zusammenhang eine Rolle gespielt hat und ggf. welche?“ Kö.: „Nach meiner Auffassung hat Herr Wohlleben alles, was parteipolitisch mit der NPD zu tun hatte, Infostände, Mahnstände, Demoveranstaltungen, Kundgebungen, da hat er versucht, Personen vorzuschicken als Anmelder und im Hintergrund blieben immer oder oftmals der Herr Wohlleben und der Herr Kapke. Und insbesondere aktiv wurde Wohlleben dann beim Thüringentag der Nationalen Jugend. Eine Veranstaltung, die jährlich stattfinden sollte in verschiedenen Orten. [phon.] Die erste Veranstaltung fand in Jena statt und dort reisten dann überregional Leute der rechten Szene an.“ Innerhalb des Thüringentags sei dann der Jugendverband der NPD, JN, aktiv gewesen, dem lange ein gewisser Christian Kaiser vorgestanden habe [phon.].

Götzl: „Welche politischen Aktivitäten hat denn jetzt die Kameradschaft entfaltet und in welcher Form?“ Kö.: „Es gab verschiedene Demonstrationsanmeldungen. Schwerpunkt bildete später das Fest der Völker, was auch erstmals in Jena stattgefunden hat 2005. Wo Personen der Parteienszene, auch der rechtskonservativen, NPD, Republikaner [phon.], und natürlich auch diese Kameradschaften aktiv an diesen Veranstaltungen teilgenommen haben. Es wurde thüringenweit zu Demonstrationen aufgerufen. Markant ist der Rudolf-Heß-Gedenktag, der am 17.08. stattfand, da versuchte man auch in Jena mehrere Veranstaltungen durchzuführen, wo es dann auch immer heftige Auseinandersetzungen gab mit der linken Szene und teilweise Protestaktionen der Zivilbevölkerung [phon.]. Hintergrund war immer NPD oder aber Kameradschaft.“ Götzl: „Gab es denn jetzt in Zusammenhang mit den von Ihnen aufgezählten Veranstaltungen und Demonstrationen, gab es denn da irgendwelche politische Parolen, Äußerungen? Wobei ich da bitte, immer zu unterscheiden: von der Kameradschaft Jena, vom THS und dann auch von Wohlleben.“ Kö.: „Zumindestens der Herr Wohlleben ist beim Thüringentag der Nationalen Jugend oftmals mit Schwerdt und aber auch anderen als Redner aufgetreten. Schwerpunktmäßig ging es immer darum, dass die Regierung, die etablierten Parteien versagt haben. Das Problem Ausländer im Sinne Überfremdung spielte immer eine Rolle. Man war der Meinung, zu viele Ausländer gäben zu viele Probleme in der Bundesrepublik. Man solle sich zusammenschließen, die freien Kräfte, die nationalen Kräfte sollten sich verbinden, um einen Gegenentwurf zu den etablierten Parteien zu bilden. Die Reden sind oft ausgewertet worden, ob sie strafbar sind. Sie waren mal grenzwertig, aber ich kann mich nicht erinnern, dass Herr Wohlleben mal eine Straftat im Sinne einer Volksverhetzung von sich gegeben hätte.“

Götzl fragt, ob es Äußerungen Wohllebens zu „Überfremdung“ gegeben habe, oder dass es zu viele Ausländer gebe. Kö.: „Ja, das war immer der Tenor dieser Redner, die meistens aus rechtsradikalen Kreisen waren. Egal ob das aus Thüringen, Deutschland war oder Bürger aus Europa , z. B. Slowakei, Russland. [phon.] Insbesondere beim Fest der Völker, wo dann relativ rechtsradikale Reden gehalten wurden. Bestimmte Äußerungen von Herrn Wohlleben habe ich jetzt nicht mehr in Erinnerung, immer nur der allgemeine Tenor.“ Götzl: „Gab es sonstige Veranstaltungen, Versammlungen, neben dem Fest der Völker 2005 und den Demonstrationen, die Sie noch in Erinnerung hätten?“ Kö. „Ja, dieses Fest der Völker sollte wiederholt werden, 2006, wenn ich mich richtig erinnere. Da musste es aber abgesagt werden, denn zu dem Zeitpunkt fand die Fußball-WM statt und da war so genannter polizeilicher Notstand zu verzeichnen in Jena. Es fand dann aber noch weitere Male statt, teilweise in Pößneck, Altenburg, wo es Auseinandersetzungen gab mit der linken Szene, autonome Szene, wo es zu heftigen Straftaten, Landfriedensbrüchen kam.“ [phon.]

Götzl: „Welche Rolle spielte Herr Wohlleben beim Fest der Völker 2005?“ Kö: „Er war zumindest Mitorganisator, zusammen mit André Kapke. Die haben die organisatorischen Dinge gemanagt, sich teilweise um die Musikbands gekümmert. Es wurde Eintritt erhoben, Solidaritätsspenden sinngemäß. Die Unterkünfte wurden, denke ich, mit von denen gemanagt. Das haben die alles gemanagt, Kapke, Wohlleben und sicherlich noch andere. [phon.] Wobei, am Anfang hat man immer einen No-Name vorgeschickt, jemanden, wo sie vielleicht dachten, der ist bei der Stadt Jena oder der Polizei weniger bekannt. Aber nachdem wir den Namen hatten, wussten wir, der gehört in die rechte Szene und ist ein vorgeschobener Anmelder. Weil man hatte ja immer die Befürchtung bei Herrn Wohlleben, Herrn Kapke und anderen, dass wenn sie Dinge anmelden, dass man mit ziemlichen Gegenmaßnahmen der Stadt rechnen musste. Auflagen usw. Man hat immer versucht, derartige Rechtsveranstaltungen zu unterbinden bzw. zu verkleinern.“ Götzl: „Gab es mal irgendwelche Unterschriftsaktionen im Zusammenhang mit Herrn Wohlleben?“ Kö.: „Später, nach seiner Inhaftierung, gab es beim Thüringentag eine so genannte Solidaritätsaktion für ‚Wolle‘, Spitzname für Herrn Wohlleben, wo man Geld gesammelt hat für die Ehefrau und die Kinder. Das kenne ich noch.“

Götzl: „Und in den 90er Jahren?“ Kö.: „Sicherlich haben die Leute wie Wohlleben, Kapke, das Umfeld, die keinen festen Tätigkeiten nachgegangen sind, finanzielle Probleme gehabt, man hat sicherlich immer versucht, dort Geld zu sammeln. Aber direkt, Wohlleben hat eine Geldsammlung angeschoben, das entzieht sich meiner Kenntnis.“ Götzl: „Waren Sie selbst auch vor Ort gewesen bei Veranstaltungen?“ Kö.: „Teils, teils, das kam auf die Aufgabenstellungen an. Wenn ich im Zuge der Aufklärung eingebunden gewesen war, war ich dort im Umfeld der rechten Szene unterwegs, ‚Fest der Völker‘ z. B., Seidelplatz, [phon.] um zu gucken, was läuft da ab, welche Leute kennt man. Aber überwiegend war ich in der Strafverfolgung tätig. Da gibt es Straftaten sowohl rechts als auch links an solchen Tagen, die bearbeitet werden mussten.“ Götzl: „Haben Sie sich auf heute nochmal vorbereitet anhand von Unterlagen oder ist das aus der Erinnerung?“ Kö.: „Teilweise meine eigenen Erkenntnisse, teilweise habe ich nochmal im Internet nachgeschlagen bzw. nachgelesen, vom Thüringer Untersuchungsausschuss steht ja viel im Internet im Zusammenhang mit NSU als solchem.“ Götzl: „Und die Informationen hier, sind das die, die Sie als Dienstleiter [phon.] selbst gewonnen haben oder sind auch andere Informationen eingeflossen?“ Kö.: „Das sind die Erkenntnisse, die nach meiner Erinnerung so gewesen sind, wie ich es berichtet habe.“ [phon.]

Götzl: „Plakatierungen, Aufkleber, können Sie dazu noch etwas sagen in Zusammenhang mit Kameradschaft Jena, THS und Herrn Wohlleben, auch im Hinblick auf Frau Zschäpe, Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und die anderen Angeklagten?“ Kö.: „Sicherlich muss man da nochmal trennen zwischen der Kameradschaft, sprich denen ihren Aktivitäten, dass sie insbesondere über Kapke und weitere Flyer verteilt haben oder angeschlagen an Laternenmasten und alles, wo Freiflächen waren, teilweise gegen die Ausländerproblematik Parolen verfasst. Ich kann mich erinnern an ein Bild, da sieht man einen typisch türkischen oder arabischen Bürger auf einem Teppich, der fliegt zurück in die Türkei oder den Orient. Also solche Dinge wurden verteilt. Es gab auch Flyer mit antisemitischem Hintergrund, das Profil, wo man Juden so dargestellt hat, wie man im Nationalsozialismus einen Juden dargestellt hat, mit der typischen Physiognomie. Solche Geschichten gab es. Und dann die der NPD mehr Wahlwerbung. Da gab es schon eine Trennung. Während die einen strafrechtlich verfolgt wurden, waren die anderen außer Sachbeschädigung meist strafrechtlich nicht weiter relevant.“

Götzl: „Inwiefern waren sie mit Frau Zschäpe befasst?“ Kö.: „Ich kannte sie dienstlich. Ich wusste, wer Frau Zschäpe ist. Sie war ja auch mehrmals zu Vernehmungen auf der Dienststelle und wurde von meinen Kollegen vernommen als Beschuldigte oder Zeugin wegen verschiedener Delikte, ohne das konkretisieren zu können, was das im Detail war.“ Götzl: „Und Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt?“ Kö.: „Die waren natürlich hinlänglich bekannt, im Vorfeld schon. Die waren immer schon, wenn Straftaten irgendwo im Raum waren, waren sie in der Nähe gewesen oder mit dabei.“ Kö. spricht von Hinweisen auf Straftaten, die man der Gruppierung um Kapke, Wohlleben oder mehr Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe zugeordnet habe: „Schmierereien, Hakenkreuzschmierereien am Nordfriedhof, ’96 das Aufhängen einer Puppe an einer Heizungstrasse mit Judenstern [phon.], später dann die Puppe bei der Autobahnbrücke in Bucha-Pösen [phon.], in Verbindung mit einer USBV [= Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung]. Das ist [phon.] der harte Kern, die sich doch zu solch massiven Straftaten hinreißen lassen oder sie durchführen. Da kam es dann aufgrund dieser Häufung von Straftaten dazu, dass das LKA im Form der Soko Rex diesen Komplex übernommen hat.“

Götzl: „Hinweise auf diese Personen Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe, Wohlleben, harter Kern. Da muss ich hinterfragen, damit ich weiß, was Sie meinen. Welche konkreten Hinweise sind gemeint?“ Kö.: „Ja, konkrete Hinweise. Dass sich dann später rausgestellt hat durch Ermittlungen der Soko Rex, dass es von diesen Leuten kam. Der Verdacht bei uns war: Wir haben hier einen harten Kern, nicht Mitläufer, sondern abgeschottete Gruppe schon, die doch relativ sehr konspirativ vorgegangen sind. Es gibt Beispiele bei versuchten Observationen, wo das erkannt wurde, wo die dann flüchten. Dem Herrn Wohlleben ist mal hinterher gefahren worden durch ein Zivilfahrzeug und kurz vor der Ampel [phon.] fährt er dann doch noch los, um den Verfolger abzuschütteln. Man hat sich immer verfolgt gefühlt. Irgendwann waren die in Befragungen waren schon so abgeschottet, dass sie grundsätzlich keine Angaben mehr gemacht haben. [phon.] Aus diesem Kreis selber wurde nichts mehr zur Sache ausgesagt.“ Götzl fragt, welche Personen zu diesem harten Kern gehört hätten. Kö.: „Diese Gruppierung Mundlos, Böhnhardt, Gerlach zählte noch dazu, Kapke, Frau Zschäpe. Das war der früher enge Freundeskreis, wo Wohlleben später dazu kam. Die waren eng verbunden und das war für uns die gefährliche Gruppe.“

Götzl: „Gefährlich, in welcher Hinsicht?“ Kö.: „Dass die Straftatenintensität zugenommen hat, gerade ’96 und ’97, mit der Ablage der Kofferbombe am Theatervorplatz. Das sind Zeichen gewesen für uns: Diese Militanz nimmt zu. Wobei man bei der Kofferbombe wohl nur zeigen wollte: Wir haben die Fähigkeiten so ein Ding zu bauen oder zu basteln, aber wir wollen es noch nicht zünden, weil es ja keinen Zünder gab. Das sind so die Erkenntnisse, auch aus der Soko Rex, die ich so weiß. Aber wer sich mit sowas beschäftigt, da kann man eine größere kriminelle Intensität unterstellen, denke ich mir.“ Götzl: „Ab wann übernahm das LKA Thüringen die Ermittlungen?“ Kö.: „Wenn ich mich recht erinnere, Mitte ’96, wenn nicht im Frühjahr ’96. Diesen Komplex von besonderen Straftaten, inklusive das Aufhängen der Puppe an der Autobahn, USBV-Attrappen, diese Briefbombenattrappen, die an die Stadt Jena, die Polizei [phon.] und die TLZ gingen, diese ganze Verfahren wurden dann zentral beim TLKA bearbeitet.“

Götzl fragt, ob Kö. auch mal Wohlleben vernommen habe oder persönlichen Kontakt zu ihm gehabt habe. Kö.: „Es gab auch verschiedene Verfahren, wo z. B. Frank Schwerdt in seiner Funktion entweder als Kreisvorsitzender oder schon Landesvorsitzender Anzeigen erstattet hatte gegen Vertreter der Stadt Jena, beim OB angefangen, oder gegen die Versammlungsbehörde. Und in dem Zusammenhang ist es, glaube, vorgekommen, dass ich Herrn Wohlleben als Zeugen vernommen habe. Ich habe nicht in Erinnerung, dass ich Herrn Wohlleben als Beschuldigten vernommen habe, ich persönlich, das ist mir nicht in Erinnerung.“ Götzl fragt, wie Wohllebens Verhalten dabei gewesen sei. Kö.: „Der Herr Wohlleben, das muss man aus meiner Sicht sagen, war in den Anfangsjahren im Umgang mit Polizeibehörden und Beamten noch kooperativ, er hat sich normal verhalten, nicht versucht bestimmte Dinge durchzusetzen, nicht aggressiv verhandelt und ähnliches. Das kenne ich auch aus Gesprächen mit der Versammlungsbehörde. Er wollte immer einen gepflegten Umgang mit den Behörden, egal ob Sicherheitsbehörden oder mit der Verwaltung. Das hat sich dann möglicherweise später geändert.

Ich kann mich erinnern, das erste Fest der Völker war durch die Behörde genehmigt worden auf dem Markt der Stadt Jena. Von dort gab es Widerspruch. Dann kam es aber zur Verlegung an den so genannten Gries in Jena. Und noch in den Abendstunden zuvor wurde dann durch die linke Szene und Kräfte des zivilen Ungehorsams dieser Platz besetzt und so konnte die Veranstaltung dort auch nicht stattfinden. Kapke und Wohlleben haben sich ziemlich echauffiert, auch im Umgang mit dem Einsatzführer. Als Alternative hat man dann vorgeschlagen, das zu verlegen, an den Ortsrand Lobeda, Parkplatz vom Hornbach. Aber dieser Umgang war dann doch sehr enttäuschend für Herrn Wohlleben. Es gab noch einen Anruf in der Nacht an die Polizeiführung, wo er mitgeteilt hat, dass Personen der linken Szene den ursprünglichen [phon.] Platz besetzen wollen und er hatte wohl gehofft, dass die Polizei Maßnahmen ergreifen würde. In der Folgezeit anderer Umgang. [phon.]“ Götzl: „Haben Sie in Erinnerung, ob es irgendwann mal Vorwürfe, Ermittlungen Im Hinblick auf Herrn Wohlleben gab: Gewaltdelikte, Körperverletzungsdelikte?“ Kö.: „Mir ist nur ein KV-Delikt an einer jungen Frau in Erinnerung, wo er mit einem zweiten Täter, es gab auch ein Urteil, ich weiß nicht, ob es der Herr Kapke war, es wurden Ohrfeigen ausgeteilt angeblich. Die Beschuldigten hatten von anderen Tätlichkeiten gesprochen. Ich glaube, es gab auch eine rechtskräftige Verurteilung in der Sache, ich weiß nicht, ob einen Strafbefehl.“ [phon.] Götzl fragt, wann das gewesen sei. Kö.: „2002, 2003, da will ich mich jetzt nicht festlegen.“

Götzl: „Wissen Sie, ob Herr Wohlleben irgendwelche Internetseiten betrieben hat, haben Sie da Erkenntnisse gewonnen?“ Kö.: „Wohlleben hatte eine Ausbildung als Fachinformatiker genossen und da war er sicherlich sehr gut in der Handhabung von Computerproblemen und Internet etc. Und soviel ich weiß, hat er alles was das anging für die NPD und den KV Jena bewerkstelligt.“ Götzl: „Inhalte, haben Sie da eine konkrete Erinnerung?“ Kö.: „Nee, kann ich jetzt nicht sagen.“ Götzl: „Können Sie was zu Ausländer- und Asylpolitik, zu Inhalten von Internetseiten sagen?“ Kö.: „Nee, das tut mir leid, dazu nicht. Aber, wie gesagt, allgemeine Tenor bei Wohlleben und anderen war immer: Wir haben zu viele Ausländer hier, in Jena, in Thüringen, der Staat versagt hier, dagegen ist die NPD, dagegen bin ich als persönlich als Ralf Wohlleben. Das war sicherlich seine ideologische Überzeugung. Es gab mal eine Umfrage in Jena, wo man zu Gewalt gegen Ausländer Schüler befragt hat. Das war ein erschreckendes Ergebnis. 23, 24 Prozent der männlichen Schüler war bereit, Gewalt gegen Ausländer zu begehen oder zu tolerieren, und es gab eine Minderheit, die dagegen waren und eine Neutralität von Leuten, die ‚alles egal‘ dazu gesagt haben. Aber es war schon erschreckend, Schüler, der 8., 9., 10. Klasse, wie viele dazu bereit waren in der Zeit. Und die Stimmungslage war auch allgemein relativ ausländerfeindlich motiviert und das haben NPD und Co. versucht auszunützen. Man muss sagen, Jena hatte minimalen Anteil an Ausländern, vielleicht 1 oder 2 Prozent, und da waren nicht Migranten aus arabischen oder afrikanischen Ländern Schwerpunkt, sondern mehr die ausländischen Studenten. Das war eher kein Vergleich mit den Schwerpunkten in den Altbundesländern, Städte, wo in Größenordnungen ein Ausländeranteil vorhanden war und ist. [phon.]“ Götzl legt eine Pause ein.

Um 11 Uhr geht es weiter. Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders: „Sie sagten vorhin, dass Reden aufgezeichnet und später ausgewertet worden sind. Wer war dafür zuständig?“ Kö.: „Ich hatte gesagt, die Versammlungsreden wurden teilweise aufgezeichnet und unmittelbar ausgewertet und wenn keine strafrechtliche Relevanz bestand, unmittelbar vernichtet.“ Schneiders: „Wer hat das gemacht?“ Kö.: „Unterschiedlich.“ Schneiders: „Wer war der Kollege im Auswertebereich?“ Kö.: „Es gab in dem Sinne keinen Auswertebereich, weil wir so viele Kollegen ja nicht hatten. Wie gerade die Situation war, wurde jemand beauftragt, die Reden zu prüfen.“ Schneiders: „Wer kam denn dafür in Betracht?“ Kö.: „Eigentlich die Mitarbeiter meines Kommissariats.“ Schneiders: „Wer war das?“ Kö.: „Na gut, ich habe eine Aussagegenehmigung, zu Struktur und Personen, da geht meine Aussagegenehmigung nicht soweit, dass ich zu den Personen meines Kommissariats Aussagen machen sollte.“ Auf Bitten Götzls übergibt Kö. dem Vorsitzenden die Aussagegenehmigung. Götzl liest die Aussagegenehmigung auszugsweise vor, u.a. dass Kö. nicht zu Strategie, Taktik usw. und zu organisatorischen, personellen Fragen aussagen dürfe, davon gebe es aber die Ausnahme der Zeugenbenennung eingesetzter oder anderer Mitarbeiter der eigenen Dienststelle oder anderer Behörden.

Götzl: „Welchen Punkt haben Sie im Auge?“ Kö.: „Diesen letzten hier. Zumindest als Zeuge war ja der Herr Tu. noch vorgeladen, das wäre die einzige Ausnahme.“ Schneiders sagt, sie sehe das anders, es sei gerade von der Aussagegenehmigung gedeckt, dass Kö. die Sachbearbeiter benennen darf. Götzl sagt, letztlich müsse es Kö. entscheiden, aber er verstehe es auch so, dass das von der Aussagegenehmigung umfasst ist: „Aber wenn Sie meinen, dass es nicht gedeckt ist, müssten Sie halt Rückfrage halten.“ Kö.: „Dann müsste ich rückfragen.“ Götzl: „Dann stellen wir das zurück.“ Schneiders: „Können Sie noch eine Differenzierung zwischen Organisationen vornehmen, zwischen NW Jena, zwischen THS, zwischen KS Jena, zwischen NPD und Freies Netz? Wann welche Organisationsform es gab, wer da zugehörte, ob es unterschiedliche Kreise waren?“ Kö.: „Die erste Erscheinungsform war ja die KS Jena und später kam dann NW Jena hinzu. Das FN Jena war, als ich zuletzt noch im Dienst war, vorrangig. Und das Personal oder die Mitglieder wechselten in unterschiedlichen Formen. Einmal war es Kameradschaft, später zählte es zum Freien Netz. Man konnte nicht sagen, enge strukturierte Form, dass man sagen könnte immer die selben Leute. [phon.]“

Schneiders: „Und eine zeitliche Einordnung?“ Kö.: „So ’95,‘ 96 die ersten Formen schon Kameradschaft Jena, die dann eingebunden wurde in den THS. Fortlaufend gab es dann diese Anti-Antifa, später die Erscheinungsformen [phon.] der ‚Braunen Aktionsfront‘. Das spielte auch mal eine Rolle. Wobei ich nicht weiß, wer da dabei war, es gab ja keine Mitgliederlisten und Schriftstücke, aus denen das so konkret hervorgeht.“ Schneiders fragt, ob es einen Erkenntnisaustausch zwischen dem VS und Kö.s Ermittlungsbehörde in Bezug auf Mitglieder und Erscheinungsformen gegeben habe. Kö:. „Den gab es dahingehend, dass unsere Erkenntnisse dem LfV Thüringen zur Verfügung gestellt worden sind.“ Schneiders fragt, ob das auch andersherum gelaufen sei. Kö.: „Wenn bestimmte Personen, die in unser Blickfeld geraten waren, wenn da mehr Hintergrundwissen beim LfV lag, wurde versucht anzufragen, ob es da mehr Kenntnisse gibt.“ Schneiders: „In welchen Strukturen war Herr Wohlleben aktiv und was wissen Sie dazu“? Kö.: „Zumindest aus unserer Sicht in der losen Form in der KS Jena und insbesondere später dann bei der NPD Jena in der Funktionsebene und auch in Form des Freien Netzes, da war Wohlleben dazu gerechnet. Aber auch THS allgemein, die Personen von Tino Brandt, Thorsten Heise und andere Rechtsradikale Thüringens waren untereinander eng vernetzt und bekannt.“

Schneiders: „Gab es auch Streitigkeiten zwischen Personen, Sie erwähnten vorher Wieschke, gab es auch in Bezug auf Tino Brandt oder Thorsten Heise Differenzen?“ Kö.: „Auch mit Brandt muss es möglicherweise Probleme geben haben, später als da durchsickerte, er wäre eventuell Quelle des Verfassungsschutzes. Es gab auch Probleme mit Herrn Thomas Dienel früher, ’94, ’95, ein bekannter Rechtsradikaler aus Weimar. Da gab es unterschiedliche Animositäten [phon.], wahrscheinlich mit dem Hintergrund: Wer hat das Sagen in Jena, wer hat das Sagen in Thüringen?“

Wohlleben-Verteidiger RA Klemke: „Der Herr Vorsitzende hatte Sie vorhin nach Unterschriftensammlungen gefragt und Sie hatten geantwortet im Bezug auf Geldsammlungen, und sagten, es seien Ihnen keine großen Geldsammlungen bekannt. Die Frage nach Unterschriftensammlungen haben Sie nicht beantwortet.“ Kö.: „Die sind mir als solche auch nicht bekannt.“ Klemke: „Thema Doppelte Staatsbürgerschaft, sagt Ihnen das was?“ Kö.: „Das sagt mir schon was vom Thema her, dass es Umfragen gab oder Unterschriftensammlungen, das kann durchaus möglich sein, aber es entzieht sich in Bezug auf Wohlleben und andere Leute meiner Kenntnis.“ Klemke: „Und in Bezug auf Organisationen, Kameradschaften oder Parteien?“ Kö. sagt, da sei ihm nichts bekannt. [phon.] Klemke: „Sie erwähnten, dass der Herr Wohlleben erst stellvertretender Vorsitzender des KV gewesen sei, später dann Vorsitzender. Wer war denn Vorsitzender des KV der NPD Jena, als Herr Wohlleben Stellvertreter war?“ Kö.: „Wenn meine Erinnerungen richtig sind, müsste das der Herr Schwerdt gewesen sein. Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, aber ich meine, dass er diese Funktion mal hatte. Kann aber auch eine Verwechslung sein. Ich stelle das mal in den Raum.“ Klemke: „Sie sind sich nicht sicher?“ Kö.: „Nicht absolut.“

Klemke: „Sie erwähnten einen Flyer oder ein Plakat mit dem Motiv eines fliegenden Teppichs. Wissen Sie, was das konkret war: Ein Flyer? Ein Aufkleber? Ein Plakat?“ Kö.: „Mehr ein Flyer bzw. Aufkleber, die gab es in unterschiedlichen Größen, die wurden teilweise in der Szene gehandelt oder weitergegeben, um sie bei verschiedenen Aktionen anzubringen.“ Klemke: „Wann ist Ihnen dieses Motiv untergekommen?“ Kö.: „Kann ich nicht konkret sagen, weil es immer wieder solche Erscheinungen gab, dass bestimmte Flyer und Flugblätter mit rechtsradikalem Hintergrund in Erscheinung getreten sind.“ Klemke: „Wer zeichnete da verantwortlich?“ Kö.: „Oftmals war kein Impressum erkennbar, schon gar nicht bei denen, die strafrechtlich relevant waren.“ Klemke: „Und bei diesem konkreten Flyer mit dem fliegenden Teppich?“ Kö.: „Da war mir eigentlich kein Impressum bekannt.“ Klemke: „Ist der strafrechtlich gewürdigt worden?“ Kö.: „Durch die Polizei, durch uns, wir haben das als Volksverhetzung gewertet und versucht zu ermitteln.“ Klemke: „Ist Ihnen eine Einschätzung der Justiz bekannt, der Staatsanwaltschaft?“ Kö.: „Bei grenzwertigen Flyern wurde meist eine Beurteilung der Staatsanwaltschaft beigezogen, um nicht unnötige Ermittlungen zu führen. Wo für uns das zweifelsfrei war, wurden Ermittlungen aufgenommen und später der Staatsanwaltschaft vorgelegt.“

Klemke: „Hier konkret: Haben Sie da nachgefragt?“ Kö.: „Meistens war ein Täter nicht bekannt und oftmals wurden die Verfahren eingestellt durch die Staatsanwaltschaft.“ Klemke: „Mich interessiert, ob dieser konkrete Flyer einer rechtlichen Würdigung z. B. durch die Staatsanwaltschaft zugeführt worden ist.“ Kö.: „Ja, in Zusammenhang mit der Ermittlungsakte dann.“ Klemke: „Haben Sie da ein Ergebnis?“ Kö.: „Nein, für uns war klar, hier ist mindestens ein Straftatbestand verwirklicht.“ Klemke: „Wie oft ist dieser Flyer angefallen bei Ihnen?“ Kö.: „Es kamen ähnlich geartete Flyer, waren in Umlauf zu anderen Daten, ich kann mich nicht konkret erinnern.“ Klemke: „Was heißt ähnlich, statt Teppich ein Fußabtreter oder was?“ Kö.: „Solche Flyer sind immer mal wieder aufgefallen.“ Klemke: „Was heißt jetzt ’solche Flyer‘?“ Kö.: „Mit antisemitischen oder teilweise ausländerfeindlichen Inhalten.“ Klemke: „Welche Inhalte waren denn das, die ausländerfeindlichen?“ Kö.: „Sinngemäß Parolen wie ‚Ausländer raus‘, ‚Deutschland den Deutschen‘.“ Klemke: „Und solche gab es?“ Kö.: „Solche gab es.“ Klemke: „Von wem rausgegeben?“ Kö.: „Unbekannt.“ Klemke: „Unbekannt, aha. Wann haben Sie diesen Flyer mit der Parole ‚Deutschland den Deutschen, Ausländer raus‘ – so habe ich Sie verstanden – festgestellt?“ Kö.: „Ich kann das jetzt nicht mehr beziffern, ob das 1996 oder 2004 war.“

Klemke fragt, ob Kö. auch den mit dem „so genannten Fliegenden Teppich“ zeitlich nicht einordnen könne. Kö.: „Ich möchte mich nicht festlegen.“ Klemke: „Nicht mal eine Eingrenzung?“ Kö.: „Es tut mir leid, ich kann da keine zeitliche Eingrenzung vornehmen.“ Klemke: „Gab es denn z. B. hinsichtlich dieses Flyers mit dem fliegenden Teppich einen konkreten Tatverdacht gegen eine Person?“ Kö.: „Nein.“ Klemke: „Und hinsichtlich des Aufklebers ‚Deutschland den Deutschen, Ausländer raus‘?“ Kö.: „Hätte es einen konkreten Tatverdacht gegeben, hätten wir Ermittlungen aufgenommen mit den entsprechenden Vernehmungen. Aber, wie gesagt, bei dieser wörtlich [phon.] äußerst ausländerfeindlichen und antisemitischen Form, da gab es keine Tatverdächtigen.“

Klemke: „Vorher erwähnten Sie Redebeiträge des Herrn Wohlleben. Von wann stammt denn der erste Redebeitrag von Herrn Wohlleben, der Ihnen bekannt geworden ist?“ Kö.: „Herr Wohlleben hat verschiedene und viele Reden gehalten, an verschiedenen Orten und verschiedenen Anlässen. Was mir in Erinnerung geblieben ist, war der Thüringentag der Nationalen Jugend 2005, wenn ich mich jetzt nicht irre. Es gab ja immer verschiedene Personen, auch die Versammlungsbehörde der Stadt Jena, die auch vor Ort war und geprüft hat, ob es relevante Aussagen gibt, um möglicherweise die Versammlungen abzubrechen. Teilweise mussten wohl auch Redemanuskripte und Reden mal vorgelegt werden bei der Versammlungsbehörde, bin mir aber nicht sicher.“ Klemke fragt nach konkreten Erkenntnissen. Kö.: „Ich bin mir nicht sicher, ob es beim Fest der Völker solche Varianten gab, dass in den Vorgesprächen zwischen der Versammlungsbehörde und dem Veranstalter solche Dinge besprochen wurden oder zumindest gewisse Auflagen gemacht wurden.“

Klemke: „Sie erwähnten eine Rede von Herrn Wohlleben beim Thüringentag der Nationalen Jugend 2005. Ist das der erste Redebeitrag, der Ihnen in Erinnerung ist?“ Kö.: „Zumindest, wo vor einer größeren Öffentlichkeit Reden gehalten worden sind. Wohlleben, Wieschke, Schwerdt und, glaube ich, der Herr Kaiser hat da auch noch gesprochen.“ Klemke: „Wann fand der erste Thüringentag der Nationalen Jugend statt?“ Kö.: „Ich glaube 2005.“ Klemke: „Können Sie sich noch an ein Motto erinnern, unter dem eine bestimmte Veranstaltung, sei es ein Aufzug oder eine Versammlung, stand, bei der Herr Wohlleben gesprochen hat?“ Kö.: „Beim Fest der Völker war es immer das gleiche Motto und beim Thüringentag auch, als Überschrift.“ Klemke: „Welches Motto?“ Kö.: „Der ‚Vierte‘ oder ‚Fünfte‘ Thüringentag der Nationalen Jugend‘.“ Klemke: „Nein, das Motto, gab es Schwerpunkte der Thematik?“ Kö.: „Es war sicherlich immer Ziel, an solchen Tagen einmal im Jahr die Szene zusammenzubringen. Es wurde im gesamten Land Thüringen geworben: Kommt zum Thüringentag der Nationalen Jugend!“ Klemke: „Abgesehen vom Thüringentag und dem Fest der Völker, gab es zuvor Veranstaltungen, bei denen Ihnen noch das Motto in Erinnerung ist?“ Kö.: „Nein .“

Klemke: „Sie sagten, es habe in Ihrem Bereich, ich nehme an Dienststellenbereich, immer Auseinandersetzungen zwischen rechts und links gegeben. Was ist Ihnen dazu bekannt?“ Kö.: „Seit Mitte 1989, 1990, 1991 gab es insbesondere Auseinandersetzungen durch so genannte Skinheads und Hooligans. Man sah den politischen Gegner, der oftmals aus der Jungen Gemeinde Jena kam und schon durch das Outfit erkennbar war, hat versucht, Auseinandersetzungen zu führen, Körperverletzungen. [phon.] Umgekehrt war es aber genauso, dass man sich hochgeschaukelt hat. Immer wenn der ideologische Gegner in der Unterzahl war, wurden Attacken geritten, Körperverletzungen, bis zum Landfriedensbruch. Das wurde aber aufgrund polizeilicher Maßnahmen immer weniger.“ Klemke: „Ab wann ließen diese Auseinandersetzungen nach?“ Klemke: „In der Form, dass nicht mehr die so genannten Skinheads oder Glatzen bloß weil da jetzt ein Andersdenkender, ein Ausländer stand, irgendwelche Provokationen oder Körperverletzungen gestartet haben, wurde das dann immer geringer, ’94, ’95. Weil gerade diese Leute, die mit etlichen Ermittlungsverfahren belegt worden sind, zur Verantwortung gezogen worden sind, ich sage mal, ruhiggestellt worden sind. Solche Erscheinungen, wie wir 1991 hatten, da gab es einen Vorfall, da war eine Jugendfußballmanschaft aus Fürth in Jena, die wurde auch durch eine Skinheadgruppierung angegriffen. Hintergrund: In der Fußballmannschaft waren mehrere türkische Migranten. Für den Skinhead waren es eben Türken, da gab es Angriffe mit Treten, Schlagen usw. [phon.]“

Klemke: „1991?“ Kö.: „Das war 1991, wo ein typischer ausländerfeindlicher Landfriedensbruch stattgefunden hatte.“ Klemke: „Gab es ähnliche Vorfälle 1996, 1997 bis 2000?“ Kö.: „1995 habe ich einen Landfriedensbruch in Erinnerung, aber nicht ausländerfeindlich, wo Tino Brandt [phon.] schon im Hintergrund die Fäden gezogen hat, da gab es einen Angriff von ca. 30 Personen auf das Planetarium Jena, da gab es eine Veranstaltung und man versuchte dort gewaltsam einzudringen. Und das konnte aufgrund der schnellen polizeiliche Maßnahmen verhindert werden. Es wurden 19 [phon.] Tatverdächtige ermittelt, u. a. Tino Brandt, im Umfeld. Das war ’95, ein markanter Überfall.“ Klemke sagt, es gehe ihm um die Zeit 1997-2000, 2001, 2002. Kö.: „In der Form von Landfriedensbrüchen im Sinne von Überfällen auf ausländische Mitbürger etc. sind mir jetzt keine in Erinnerung.“

Klemke: „Zurück zum Fest der Völker: Da haben Sie ja ausgeführt, dass dieses Fest der Völker, was geplant war auf dem Markt durchzuführen, dass das nach Gries verlegt worden ist und Herr Wohlleben in der Nacht angerufen habe bei der Polizei, nehme ich an, dass da so genannte Linke diesen Platz besetzen würden. Gab es denn seitens der Polizei irgendwelche Maßnahmen auf den Anruf hin, um die Durchführung der angemeldeten Veranstaltung durchzusetzen?“ Kö.: „Der Ort Am Gries war noch in der Nacht durch Anhänger der linken Szene, durch Personen des zivilen Ungehorsams, demokratische Kräfte besetzt worden und so wie mir bekannt war, war das eine blitzartige Aktion und die dortige Polizei wurde überrumpelt. Plötzlich tauchen so viele Personen auf und es war nicht möglich mit polizeilicher Gewalt vorzugehen, man wollte auch nicht mit polizeilicher Gewalt den Platz freiräumen.“ Klemke: „Man wollte, aber konnte nicht aufgrund der Masse?“ [phon.] Kö.: „Die Gegendemonstranten wurden ja immer mehr, man wollte nicht mit Gewalt diesen Platz freimachen für die Kundgebung Fest der Völker. [phon.] Deshalb wurde als Alternative dieser Ausweichplatz in Jena-Lobeda am Stadtrand bereitgestellt.“

Klemke: „Wer hat das denn entschieden, dass die demokratischen Kräfte nicht von diesem Platz entfernt werden?“ OStA Weingarten: „Das muss ich jetzt beanstanden. Die Antwort auf die Frage, wer im Jahr 2005 entschieden hat, nicht gegen Kräfte des zivilen Ungehorsams im Vorfeld des Fests der Völker vorzugehen, kann im Hinblick auf die vom Senat zu treffende Entscheidung keinen Einfluss haben.“ Klemke: „Ich nehme die Frage zurück. Wieso bezeichnen Sie Leute, die eine angemeldete Kundgebung verhindern wollen, als demokratisch? Das leuchtet mir nicht ein.“ NK-Vertreter RA Kolloge beanstandet die Frage als nicht zur Sache gehörig. Klemke: „Die Wortwahl ‚demokratisch‘ kam vom Zeugen, ich wollte wissen, was er damit meint. Ich bin etwas beunruhigt aufgrund der Wortwahl.“ OStA Weingarten: „Ohne nähere Erläuterungen von Rechtsanwalt Klemke, dass das die dienstliche Integrität [phon.] und damit die Aussage betreffen solle, halte ich in der Tat die Frage für nicht zur Sache gehörig.“ Götzl: „Wollen Sie es erläutern?“ Klemke: „Nicht in Gegenwart des Zeugen.“ Der Zeuge muss den Saal verlassen.

Klemke sagt, man müsse ja unbeschadet der konkreten Erinnerungen des Zeugen auch die Glaubwürdigkeit des Zeugen überprüfen und die politische Einstellung des Zeugen, insbesondere gegenüber der rechten Szene, deren Gegnerschaft etc. habe natürlich Einfluss auf die Würdigung der Glaubwürdigkeit des Zeugen: „Das haben wir schon zigmal gehabt und das ist immer durchgewunken worden.“ NK-Vertreter RA Narin: „Zum einen denke ich, ist es allgemein bekannt, dass die rechte Szene mit Parolen wie ‚Die Demokraten bringen uns den Volkstod‘ die Demokratie ablehnt. Und bei Gegenveranstaltungen ist ‚demokratische Kräfte‘ die Selbstbezeichnung der Parteien [phon.].“ Klemke: „Das spricht umso mehr dafür, die Frage zuzulassen. Das interessiert mich dann noch mehr, ob SPD und CDU auf dem Platz standen, ob staatstragende Parteien mit auf dem Platz standen. [phon.]“ NK-Vertreter RA Kolloge, sagt, das würde darauf hinaus laufen, dass man für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen ihn immer nach seiner politischen Einstellung fragt, er halte das nicht für zulässig. [phon.] Der Zeuge betritt wieder den Saal. Götzl: „Wir werden Ihre Einvernahme unterbrechen und die Mittagspause einlegen. Und ich bitte Sie, bei Ihrer Dienststelle nachzufragen im Hinblick auf die Frage von Rechtsanwältin Schneiders.“ NK-Vertreter RA Scharmer: „Ich hätte eine ähnliche Frage, mir würde es nachher drum gehen, wer nachher federführend beim LKA die Ermittlungen übernommen hat, ob das Ihr Kollege Mario Melzer möglicherweise war.“ Götzl sagt, er wolle auch gern noch auf die Beanstandungen der Verteidigung Zschäpe eingehen, dann unterbricht er.

Um 12:47 Uhr geht es weiter. Der Zeuge gibt ein Papier nach vorn. Götzl: „Sie hatten Rücksprache gehalten?“ Kö.: „Mit der Landespolizeidirektion, dort wurde verwiesen auf Punkt 2, dass eine Entscheidung vom Innenministerium herbeigeholt werden muss.“ Dann verkündet Götzl den Beschluss, dass die Frage von RA Klemke zulässig ist. RA Klemke: „Würden Sie jetzt bitte die Frage beantworten.“ Kö.: „Ich habe die Frage nicht verstanden.“ Klemke: „Warum Sie die Personen, die die Veranstaltung stören wollten, verhindern wollten, als demokratische Kräfte bezeichnen.“ Kö.: „Im Sprachgebrauch hört man immer wieder ‚ziviler Ungehorsam‘, unter dem Überbegriff vereinigen sich Linke, autonome Linke und auch normale Bürger aus Jena, die sich vereinigen, um bestimmte Dinge zu verhindern.“ Klemke: „Ich hatte Sie nach den ‚demokratischen Kräften‘ gefragt, Sie haben mit ‚ziviler Ungehorsam‘ eingeleitet. Verwenden Sei die Begriffe synonym?“ Kö.: „‚Ziviler Ungehorsam‘ kann auch Leute aus dem demokratischen Spektrum [phon.] betreffen.“ Klemke: „Ich hatte nach ‚demokratische Kräfte‘, nach diesem Begriff gefragt.“ Kö.: „Es war hinlänglich so, dass bei Demonstrationen, Versammlungen, Kundgebungen von rechter Szene, rechtsradikalen Parteien es zu Aufrufen kommt, sich zu Gegenkundgebungen zu treffen, die durch die Verwaltungsbehörden in der Regel auch genehmigt werden, und dort können sich unterschiedliche zivile Personen anschließen. Und das sind dann demokratische Kräfte für mich. [phon.]“

Klemke: „Auch wenn die eine angemeldete Versammlung verhindern wollen?“ Kö.: „Sicherlich, wenn eine Veranstaltung durch ein Gericht genehmigt wurde, wie beim Fest der Völker, ist es grenzwertig, aber man muss die Verhältnismäßigkeit beachten, inwieweit das Versammlungsrecht durchgesetzt werden muss oder nicht.“ Klemke: „Müssen denn Versammlungen genehmigt werden?“ Kö.: „Das Fest der Völker war von der Versammlungsbehörde mit einem Verbot belegt worden. Und in einer richterlichen Entscheidung wurde festgelegt, dass die Veranstaltung eben auf dem Gries stattfindet. [phon.]“ Klemke: „Die ‚Kräfte des zivilen Ungehorsams‘, was waren das für Leute?“ Kö.: „Das können Bürger sein wie Sie und ich.“ Klemke: „Hat sich der zivile Ungehorsam gegen den Staat zur Wehr gesetzt, gegen eine übermächtige Militärmacht oder wie muss ich mir das vorstellen?“ [phon.] Kö.: „Nicht mit Gewalt, sondern man versucht mit passiven Mitteln, z. B. Sitzblockaden, das Versammlungsrecht einzuschränken.“ Klemke: „Ach, sind das auch die demokratischen Kräfte, die versuchen, das Versammlungsrecht einzuschränken? Das waren Ihre Worte.“ Kö.: „Es wird [phon.] immer Versuche geben von Bürgern des demokratischen Spektrums, Veranstaltungen des rechten Spektrums zu verhindern, sowohl mit legalen Mitteln als auch weniger [phon.].“ Klemke: „Sie meinen mit illegalen Mitteln?“ Kö.: „Sitzblockaden zum Beispiel.“

NK-Vertreter RA Behnke: „Ich möchte das beanstanden. Auch wenn Sie die Eingangsfrage zugelassen haben, ist das nicht zulässig, Das was sich jetzt hier als Frage- und Antwortspiel abspielt, das hat mit der Sache nichts zu tun.“ Götzl: „Der Punkt ist, dass der Zeuge bestimmte Begriffe verwendet, und es wird gerade an Äußerungen des Zeugen angeknüpft.“ Behnke: „Ich werde die Beanstandung nicht aufrecht halten, aber weiter sorgfältig beobachten, was sich entwickelt.“ Klemke: „Da bin ich beruhigt. Ich hatte gefragt, ob sich diese ‚Kräfte des zivilen Ungehorsams‘ gegen den Staat, gegen das Militär zur Wehr setzen, und Sie hatten es als Frage nach der Gewalt verstanden. Die Frage war aber, war das gegen den Staat, eine übermächtige Militärhierarchie [phon.] oder was auch immer?“ Kö.: „Sie hatten das ja auf das Fest der Völker bezogen. Es war ja nicht unüblich, dass im Umfeld des Platzes Gegendemonstrationen stattgefunden haben, genehmigte Gegenveranstaltungen, wo sich Honoratioren der Stadt Jena, Wissenschaftler, der Oberbürgermeister mit eingebunden haben, um gegen das Fest der Völker zu protestieren. Mit friedlichen Mitteln. Dass es aber die ein oder andere Szene gibt, aus der es zu Sitzblockaden kommt, insbesondere aus der autonomen Szene, ist nicht unüblich.“

Klemke: „Ich hatte Sie gefragt, ob es gegen den Staat, gegen das Militär ging und Sie haben gesagt: der Oberbürgermeister hat mit demonstriert. Ist es das, was Sie sagen wollen?“ Kö.: „Unter dem Überbegriff, wenn man das so sagen will, ja. Der Oberbürgermeister hat ja friedlich demonstriert, der hat ja keine Gewalt angewendet. Das richtet sich auch nicht gegen den Staat oder ähnliches.“ Klemke: „Was?“ Kö.: „Dieser zivile Ungehorsam.“ Klemke: „Wie sah der denn konkret aus im vorliegenden Fall?“ Kö.: „Dass man Sitzblockaden gemacht hat, versucht hat, den Demonstrationsweg, der genehmigt war, aufzuhalten, umzuleiten oder die Kundgebung zu verkürzen.“ Klemke: „Was meinen Sie damit?“ Kö.: „Dass eine Veranstaltung, die möglicherweise fünf, sechs, sieben Stunden gehen könnte oder angemeldet war, dann vorzeitig abgebrochen wird.“ Klemke: „Wie ist denn diese Verkürzung vonstatten gegangen?“ OStA Weingarten beanstandet: „Abgesehen davon, dass es sich um unerträgliches feuilletonistisches Räsonnieren der Beteiligten handelt, ist unklar, von welcher Veranstaltung gesprochen wird. Vorher ging es um das Niederlassen auf einem Platz. Jetzt geht es um eine Verkürzung, also um eine andere Veranstaltung.“

Klemke sagt, er sei immer noch beim Fest der Völker und der Zeuge habe den Begriff „Verkürzung“ gebraucht. Kö.: „Ich hatte allgemein das darauf bezogen. Beim ersten Fest der Völker spielte das nicht die Rolle, wie Sie das jetzt interpretieren.“ Klemke: „Und bei diesem Fest der Völker, gab es da Bestrebungen, die Veranstaltung zu verkürzen?“ Kö.: „Nein, die hat ja stattgefunden, bloß am anderen Ort.“ Klemke: „Keine Verkürzung, auch nicht durch den Oberbürgermeister, okay. Andere Frage: Sie haben von einer Umfrage 2005 gesprochen, Gewalt gegen Ausländer, wer hat die Studie durchgeführt?“ Kö.: „Nach meinen Erkenntnissen die Friedrich-Schiller-Universität in Verbindung mit der Jugendbehörde der Stadt Jena. Und die wurde in der Presse veröffentlicht, zumindest in gekürzter Form.“ Kö. sagt auf Frage, er habe keine Kenntnis, welcher Lehrstuhl das gewesen sei. Klemke: „Sie haben das aus Veröffentlichungen?“ Kö.:“ Aus der Presse, ja.“ Klemke: „Ist Ihnen etwas von einer Körperverletzung zum Nachteil des Herrn Wohlleben vor dem Rathaus Jena bekannt?“ Kö.: „Ja.“ Klemke: „Was ist da passiert?“ Kö.: „Ich kann das Datum nicht benennen. Es fand eine Stadtratssitzung im Rathaus statt, da war anwesend Herr Kapke und Herr Wohlleben. Und beim Verlassen des Gebäudes wurden diese beiden Personen körperlich attackiert.“ Klemke: „Körperlich?“ Kö.: „Tätlich angegriffen, mit Stöcken geschlagen oder ähnliches, Fußtritte, glaube ich. Da gab es eine Anzeige von Herrn Wohlleben.“ Klemke: „Mehrere Personen?“ Kö.: „Mehrere, fünf oder sechs.“ Klemke: „Stöcke?“ Kö.: „Ich glaube auch mit Pfefferspray oder ähnliches.“ Klemke: „Also demokratische Kräfte, danke.“

RAin Schneiders: „Haben Sie Erkenntnisse zu einer Schlägerei an der Endhaltestelle Jena-Winzerla?“ Kö.: „Können Sie das ein bisschen konkretisieren? Es gab immer wieder mal Auseinandersetzungen, auch im Rahmen des Wahlkampfgeschehens gab es Attacken, wenn durch NPD oder andere rechtskonservative Parteien Plakate aufgehangen wurden, da gab es Sachbeschädigungen [phon.] und es wurde teilweise versucht diese Leute anzugreifen. Das war teilweise wechselseitig.“ Schneiders: „Ich meine eine Schlägerei, die 1999 gewesen sein soll.“ Kö.: „Da kann ich nichts konkret dazu sagen.“ Schneiders: „Dem Opfer soll auf dem Kopf rumgesprungen worden sein.“ Kö.: „Keine Erinnerung.“ Schneiders: „Gab es Blood & Honour-Strukturen in Jena zu der Zeit, hatte Herr Wohlleben mit Blood & Honour etwas zu tun?“ Kö.: „Strukturen direkt in Jena haben meines Wissens nach nicht unmittelbar bestanden, nach meinem Kenntnisstand, es gab aber die Verbindungsschiene André Kapke zu Blood & Honour in Gera, ich habe Gordon Richter in Erinnerung. Da gab es Verbindungen, weil insbesondere Kapke immer versucht hat, Konzerte zu organisieren.“

Schneiders: „Und direkt Herr Wohlleben?“ Kö.: „Nichts konkret dazu bekannt.“ Schneiders: „Und können Sie was zur Person Carsten Schultze sagen?“ Kö.: „Der gehörte zum erweiterten Umfeld der Gruppierung.“ Schneiders: „Welcher?“ Kö.: „Kapke, Mundlos, Zschäpe usw. Da gehörte er auf alle Fälle dazu, später. Aber er gehörte auch mit zu diesem engeren Zirkel dazu, und, ja. er war auch einige Male bei uns auf der Dienststelle zu Vernehmungszwecken.“ Schneiders: „Hat er Ämter übernommen, Funktionen?“ Kö.: „Ist mir nichts bekannt.“ Schneiders: „JN-Stützpunktleiter?“ Kö.: „Das könnte ich mir durchaus vorstellen, das würde ich bejahen.“ Schneiders: „NPD-Kreisvorsitzender?“ Kö.: „Das ist mir nicht bekannt.“

Carsten Schultzes Verteidiger RA Hösl: „Haben Sie eine Erinnerung daran, ob Herr Schultze in der Zeit vor dem Untertauchen von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe mal gemeinsam mit diesen Personen festgestellt worden ist von der Polizei?“ Kö.: „Ohne das konkret beziffern zu können, es gab Veranstaltungen wie das Heldengedenken, wie man sie bezeichnete, zu Ehren der Gefallenen fanden kleinere Veranstaltungen statt, wo unter anderem Carsten Schultze festgestellt worden sein müsste, zumindest nach meiner Erinnerung. Jena-Nordfriedhof, da wurden so 15, 20 Personen festgestellt.“ Hösl: „Mit welchen Personen?“ Kö.: „Ich bin nicht hundertprozentig sicher, aber meistens war es das Umfeld Kapke, Wohlleben, Mundlos, Böhnhardt. Oder es waren jüngere Mitglieder aus der JN. Das ist aber jetzt nur reine Interpretation.“ Hösl: „Können Sie allgemein die rechte Szene beschreiben unter dem Blickwinkel oder Differenzierung zwischen Personen, die längere Zeit in der Szene verweilen, kürzer in der Szene verweilen, und wer wann zu welcher Gruppe gehörte?“ Kö.: „Für uns war immer relativ augenscheinlich, dass junge Leute, das ging teilweise schon mit 14, 15 Jahren los, die kamen in diese Szene rein, die wurden dort mit rein geworben. Und drei, vier, fünf Jahre maximal war die Zugehörigkeit. Dann fanden sich soziale Kontakte in Form von Freundin, Frau, Verlobte etc. Dann brachen diese Kontakte in die Szene ab, das war bei der Mehrzahl so erkennbar, Männer mehr als junge Frauen. Wir hatten dann einen ideologisch verfestigten Kern um Wohlleben, Kapke etc., da war das nicht zu erwarten und von diesen Leuten auch sicherlich nicht gewollt.“

Hösl: „Zu welchen Zeitpunkt ordnen Sie den Einstieg von Herrn Schultze ein und den späteren Ausstieg?“ Kö.: „Ich meine 1997.“ Klemke: „Ich habe nichts vernommen, dass der Zeuge was von einem Ausstieg berichtet hat, von daher beanstande ich es.“ Hösl: „Dann formuliere ich um: Ist Ihnen etwas über einen Ausstieg von Herrn Schultze bekannt und wenn ja, wann würden Sie den einordnen?“ Kö.: „In dieser konkreten Form nicht, nur vom Hörensagen. Ob das 2009/2010/2011 lief? Weil mir dann keinen weiteren Kontakte bekannt geworden sind. Möglicherweise hatte er dann noch konspirativere Kontakte. [phon.]“ Hösl: „Ich meine den Angeklagten Carsten Schultze, der neben mir sitzt. Und der 2009, 2010, 2011?“ Kö.: „Ich kann das nicht konkret beziffern.“ Hösl: „Und der Einstieg?“ Kö.: „1996/1997.“ Hösl: „Wenn ich Ihnen vorhalte, dass ab dem Jahr 2001 keinen Aktivitäten mehr in der rechten Szene, nicht mal Geburtstagsfeiern oder ähnliches des Herrn Schultze zu verzeichnen sind?“ Kö.: „Es ist richtig, dass ab 2001 ein merklicher Rückgang an Aktivitäten zu verzeichnen war. Ob da konkret Carsten Schultze an Treffen teilnahm, das entzieht sich meiner Kenntnis.“ [phon.]

Hösl: „Erinnern Sie sich, dass Carsten Schultze bei Ihnen einen Vorgang anzeigen wollte, wo er von verschiedenen Fahrzeugen verfolgt wurde und er Ihnen die Kennzeichen gegeben hat?“ Kö.: „An wen will er die Kennzeichen gegeben haben? Also mir persönlich ist es nicht bekannt. Ich weiß auch nicht, wo diese Anzeige aufgelaufen ist.“ Hösl: „Erinnern Sie sich an einen Vorgang Einbruch in die Wohnung Zschäpe nach dem Untertauchen?“ Kö.: „Ich kenne das, in Anführungszeichen, vom Hörensagen, ohne Details näher zu kennen.“ Hösl: „Nach unserer Kenntnis sind Sie selbst vor Ort gewesen zwischen 13:30 Uhr und 14:15 Uhr?“ Kö.: „Ich persönlich?“ Hösl: „Ja, Sie sollen dort gewesen sein, 1998.“ Kö.: „Tut mir leid, in der Wohnung von Frau Zschäpe bin ich nie gewesen. Also ich persönlich nicht.“

NK-Vertreterin RAin Von der Behrens: „Sie erwähnten heute Vormittag eine großflächige Hakenkreuzsprüherei am Nordfriedhof. Wann ist das gewesen?“ Kö.: „Ich würde sagen, ’95/’96, Anfang Februar ’96, gab es dort so eine Hakenkreuzschmiererei. Am Nordfriedhof gibt es das so genannte Magnus-Poser-Denkmal, ein früherer Widerstandskämpfer gegen den NS, als Antifaschist eine bekannte Persönlichkeit in Jena. Dieses Denkmal wurde mit einem Hakenkreuz beschmiert, relativ groß. Man hatte den Eindruck, es wurde eine kleine Leiter benutzt.“ V. d. Behrens: „Gab es Tatverdächtige oder Verurteilungen?“ Kö.: „Keine Urteile.“ V. d. Behrens: „Verdächtige?“ Kö.: „Ermittelt wurde allgemein um die Kameradschaft Jena rum.“ V. d. Behrens: „Dann die Puppe mit einem Davidstern in der Stadt Jena aufgehangen, wann war das?“ Kö.: „Das war auch im Frühjahr, glaube auch ’96, diese erste Puppe an der Heizungstrasse, in der Kahlaischen Straße in Jena. So ähnlich wie bei der späteren Puppe an der Autobahnbrücke Pösen.“ V. d. Behrens: „Was war die Ähnlichkeit?“ Kö.: „Von der Aufmachung, auch mit einem Judenstern [phon.].“ V. d. Behrens: „Wie viel vor der zweiten Puppe war das?“ Kö.: „Drei, vier Monate.“

V. d. Behrens: „Haben Sie dort Tatverdächtige ermitteln können?“ Kö.: „Nein.“ V. d. Behrens: „Ist ein Ermittlungsverfahren eröffnet worden?“ Kö.: „Später durch die Soko Rex wurden Ermittlungsverfahren nicht nur eingeleitet, sondern auch zum Abschluss gebracht, mit bekannten Tätern.“ V. d. Behrens: „Ich meine nur auf diese Puppe bezogen.“ Kö.: „Ist mir nicht bekannt. Der Komplex Briefbomben, Bombenattrappen [phon.] wurde dann zentral beim LKA bearbeitet.“ V. d. Behrens: „Haben Sie sich die beiden Puppen selber angeschaut?“ Kö.: „Nein.“ V. d. Behrens: „Wissen Sie, ob noch Aktenrückhalte oder Fotos existieren?“ Kö.: „Nicht bekannt.“ V. d. Behrens: „Ist Ihnen bekannt, ob bei einer Durchsuchung bei Ralf Wohlleben am 18.12.1996 ein Handscanner und eine Liste mit Funkfrequenzen sichergestellt worden ist?“ Kö.: „Es ist mir bekannt, dass es solche Dinge gab. Gezielt auf Herrn Wohlleben befragt kann ich es nicht zuordnen. Aber es gab Hinweise, die haben sich dann auch verfestigt, dass innerhalb der Kameradschaft Jena Zivilbeamte [phon.] ausgeforscht worden sind: Wer hat mit wem Vernehmungen gehabt? Man hat Zivilfahrzeuge registriert und es endete damit, dass es zu einem Hausfriedensbruch kam, wo Böhnhardt und Mundlos sich auf den Hinterhof der PI Jena begeben haben und versucht haben, Zivilfahrzeuge aufzuklären. Außerhalb wurden André Kapke und ein gewisser He. festgestellt. Diese Umstände waren uns allgemein also bekannt und hinsichtlich Scanner wäre das nicht ungewöhnlich gewesen. Wenn das so festgestellt wurde, hat das seine Richtigkeit.“

V. d. Behrens: „Wie war die Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz ab Mitte der 1990er?“ Kö.: „Allgemein gesagt: Es kamen auch Beamte des Bundesamtes zu bestimmten Anlässen bzw. hatten bestimmte operative Probleme [phon.] im Rahmen ihres Aufgabengebietes. Und die traten auf uns als Staatsschutz in Jena zu.“ V. d. Behrens: „Wie oft, regelmäßig, unregelmäßig?“ Kö.: „Unregelmäßig. Sicherlich abhängig von den Wünschen, die das Bundesamt hatte.“ V. d. Behrens: „Und betrafen die Wünsche des Bundesamtes auch die rechte Szene Jena?“ Kö.: „Unter anderem auch.“ V. d. Behrens: „Wissen Sie noch, welche Informationen Sie über die Kameradschaft Jena weitergegeben haben an das Bundesamt?“ Kö.: „Allgemein gesagt: Erkenntnisse zu Personen, die uns vorlagen. Insbesondere um diesen harten Kern der Gruppierung, Kapke, Wohlleben, Böhnhardt und Mundlos und andere.“ V. d. Behrens: „Auch schon vor 1998?“ Kö.: „Wann das erste Mal dort jemand erschien vom Bundesamt, weiß ich nicht. Das ging schon vorher los. Zuerst ging es um Regierungskriminalität, dann kamen Verfahren MfS dazu, wo ich Ermittlungen geführt habe, das war auch ein Teilgebiet, was das Bundesamt interessiert hat.“

V. d. Behrens: „Mir geht es um die rechte Szene. Haben Sie vor dem Untertauchen Informationen zum harten Kern an das Bundesamt weitergegeben?“ Kö.: „Ja, die Erkenntnisse die wir hatten: Wer ist wer und wen schätzen wir als besondere Persönlichkeiten ein?“ V. d. Behrens: „Dazu gehörten die Personen, die Sie als harten Kern bezeichnet haben?“ Kö.: „Richtig.“ V. d. Behrens: „Nach dem Untertauchen, ist das Bundesamt da erneut auf Sie zugegangen?“ Kö.: „Nicht dass ich jetzt so wüsste.“ V. d. Behrens: „Hatten Sie mit dem BND Kontakt?“ Kö.: „Zeitweilig auch mal.“ V. d. Behrens: „Ich frage nur in Bezug auf die rechte Szene.“ Kö.: „Meines Wissens nach hat sich der BND nicht für die rechte Szene Jena interessiert.“ V. d. Behrens: „Ihre Kontakte hatten dann ein anderes Themenspektrum?“ Kö.: „Richtig.“

NKRA Narin sagt, Kö. habe ja erklärt, dass wohl eine Verurteilung von Wohlleben wegen einer Gewalttat, einer Körperverletzung gegeben habe: „Sind Ihnen weitere Verurteilungen von Herrn Wohlleben wegen Gewaltdelikten bekannt?“ Kö.: „Wegen Gewaltdelikten nein.“ Narin: „Ist Ihnen eine Verurteilung wegen Verwendens von Kennzeichen von NS-Organisationen gegen Herrn Wohlleben bekannt?“ Kö.: „Nicht konkret, aber ich kann es mir vorstellen. Es gab mal eine Zeit, wo die Gauwinkel, die in Thüringen als verboten erachtet wurden, da gab es eine Flut von Anzeigen und Ermittlungsverfahren. Aber eine konkrete Straftat 86a gegen Herrn Wohlleben entzieht sich meiner Erinnerung.“ Narin: „Und eine Verurteilung wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Körperverletzung [phon.]?“ Kö.: „Wann soll das gewesen sein?“ Narin: „09.09.1997 durch das Amtsgericht Jena.“ Kö.: „Dann wird es so gewesen sein.“

Götzl möchte den Zeugen entlassen, doch Wohlleben-Verteidigerin Schneiders bittet nochmal um das Wort. Schneiders: „Wer hat die Reden von Herrn Wohlleben ausgewertet? Wer ist Ihnen da namentlich bekannt?“ Kö. sagt, da müsse er sich auf seine Aussagegenehmigung berufen und auf die Abteilung 4 des Innenministeriums Thüringen verweisen. Schneiders: „Dann widersprechen wir der Entlassung und möchten eine erweiterte Aussagegenehmigung.“ Klemke: „Sinn und Zweck ist nicht abzuwarten auf die Aussage des Innenministeriums Abteilung 4. Wir wollen dann, wenn eine erweiterte Aussagegenehmigung erteilt wird, wollen wir dem Zeugen die Frage stellen und deswegen widersprechen wir der Entlassung.“ [phon.] Schneiders sagt, es sei genau zu der Thematik, zu der Kö. geladen sei, nämlich Äußerungen zum Thema Asylproblematik, natürlich relevant, ob da Äußerungen zu gefallen sind, das seien Fragen, die sich aufdrängten.“

Götzl fragt Kö.: „Mit wem haben Sie denn jetzt Rücksprache gehalten?“ Kö. sagt, er habe mit dem Direktionsbüro der LPD gesprochen und die hätten ihn auf den Punkt 2 der Aussagegenehmigung verwiesen und dass er sich ggf. an die Abteilung 4 im Innenministerium wenden müsse. Götzl: „Es wäre jetzt schon darum gegangen, dass mit den zuständigen Personen zu besprechen, wenn Sie weiter verwiesen werden.“ Kö: „Tut mir leid.“ Götzl sagt, er werde dann die Einvernahme unterbrechen, damit Kö. Kontakt aufnehmen kann mit der zuständigen Stelle: „Haben Sie die zweite Frage von Rechtsanwalt Scharmer auch mit geklärt?“ Kö.: „Nein.“ Scharmer: „Mir ging es um die Frage, das LKA hat Ermittlungen übernommen, wer war federführend und war das Kollege Mario Melzer.“ Kö.: „Melzer mir bekannt, war auch vor Ort bei uns in Jena bei diesem Sachverhalt, ob der federführend in der Soko Rex war, ist mir nicht bekannt. Ich habe kein Organigramm.“ Götzl: „Dann dürfte die Frage ja beantwortet sein.“ Scharmer bejaht das. Kö.s Einvernahme wird unterbrochen.

RAin Schneiders verliest dann einen Beweisantrag. Sie beantragt, KOK Schn. vom BKA zu vernehmen. Der Zeuge sei 2014 aufgrund eines Ermittlungsersuchen des GBA damit befasst gewesen, Erkenntnisse über ungeklärte Straftaten mit Schusswaffengebrauch dahingehend zu überprüfen, ob als deren mögliche Täter Mundlos und Böhnhardt in Betracht kommen. Hierfür habe Schn. die verschiedenen LKA um Erkenntnismitteilungen hinsichtlich ungeklärter Straftaten mit Schusswaffengebrauch für den Zeitraum vom 26.01.1998 bis zum 11.08.2000 gebeten. Im Ergebnis habe er feststellen müssen, dass keine der in diesem Zusammenhang zugeleiteten Straftaten auf eine „Täterschaft des NSU“ hindeuteten. Zur Begründung des Antrags sagt Schneiders, dass Carsten Schultze sowohl in der Hauptverhandlung am 11.06.2013 als auch in seiner polizeilichen
Vernehmung vom 02.07.2013 behauptet habe, dass ihm Wohlleben von einem Schusswaffengebrauch durch Mundlos und Böhnhardt berichtet habe. Wohlleben solle laut Schultze ein Telefonat mit den sinngemäß wiedergegebenen Worten beendet haben: „Die Idioten haben jemanden angeschossen.“ Schn. sei wegen dieser erstmals in der Hauptverhandlung getätigten Aussage Schultzes mit Ermittlungen betraut worden, die diesen „angeblichen Schusswaffengebrauch“ einer möglichen Straftat zuordnen sollten. In seinem Bericht habe der Zeuge aber festgestellt, dass die „mutmaßlich durch Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt begangene Straftat“ im Rahmen dieser Erhebungen nicht habe ermittelt werden können. Die beantragte Beweiserhebung diene der Entlastung Wohllebens, so Schneiders, sie belege, dass die diesbezüglichen Angaben Schultzes nicht glaubhaft seien.

Götzl: „Dann zu den Beanstandungen eine Nachfrage: Sind denn jetzt bei den Beanstandungen Fragen enthalten, die sowieso nicht beantwortet werden sollen?“ Zschäpe-Verteidiger RA Grasel: „Dazu kann ich jetzt keine Angaben machen. Würde erst die Entscheidung des Senats abwarten.“ Götzl sagt zu den Fragen von RA Scharmer, dort gebe es zwei Fragen zu Robin Schmiemann, die Scharmer vielleicht erläutern wolle, weil für sich gesehen tatsächlich nicht erschließe, dass sie zur Sache gehören. Scharmer sagt, er habe eine Stellungnahme verfasst, wo drin stehe, worum es geht, soweit es die „rudimentär vorgetragene“ Beanstandung betrifft.

Scharmer verliest die Stellungnahme: Es wird davon ausgegangen, dass sich die Beanstandung tatsächlich nicht gegen die gestellten Fragen richtet, sondern gegen die Sachleitung des Vorsitzenden, der diese Fragen – im Vergleich beispielsweise zu einer anderen am gleichen Tag an die Angeklagte Zschäpe gerichtete Frage eines Nebenklagevertreters – unbeanstandet gelassen hat. Zwar verlangen die Beanstandenden ausdrücklich zunächst eine prozessleitende Verfügung des Vorsitzenden. Diese liegt allerdings aus dem Rückschluss des prozessualen Werdegangs am 295. Hauptverhandlungstag bereits vor. Denn nach § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO erfolgt die Vernehmung der Angeklagten zur Sache nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 StPO, also grundsätzlich durch mündliche Befragung und mündliche Antworten. Am 295. Hauptverhandlungstag stellte ich eine ganze Reihe von Fragen. Nach jeder Frage verblieb eine Pause, in der eine mögliche Antwort der Angeklagten abgewartet wurde und ebenfalls – falls die Frage von einem Verfahrensbeteiligten für unzulässig erachtet worden wäre – hätten Beanstandungen erfolgen können. Weder wurden die Fragen beantwortet, noch beanstandet.

Demnach liegt bislang zu diesen Fragen ein Teilschweigen der Angeklagten vor, welches im Nachhinein – nunmehr über drei Wochen später – nicht mehr durch nachträgliche Beanstandungen von einzelnen Fragen relativiert werden kann. Daran ändert auch die Ankündigung der weiteren Verteidiger der Angeklagten Zschäpe nichts, zu erwägen ggf., in einer schriftlich vom Verteidiger vorbereiteten Erklärung auf einzelne Fragen im Nachhinein eventuell einzugehen. Bei einer solchen verlesenen Erklärung wird Gegenstand der Beweisaufnahme lediglich der mündliche Vortrag des Verteidigers und die ggf. zustimmende Erklärung der Angeklagten. Dabei kann der Senat durchaus würdigen, dass die Fragen nicht, wie von der Strafprozessordnung vorgesehen, mündlich und direkt beantwortet werden. Eine später sich ggf. mit dem Inhalt einzelner aufgeworfener Fragen der Prozessbeteiligten befassende Erklärung einzelner Verteidiger kann demnach eine unmittelbare Antwort der Angeklagten nicht ersetzen. Sie ist vielmehr eine – grundsätzlich zulässige – selbstständige Art der Angeklagten, von ihrem Erklärungsrecht Gebrauch zu machen. Die Befragung am 295. Hauptverhandlungstag ist demnach eine abgeschlossene Verfahrenshandlung, deren Beanstandung drei Wochen später, obsolet sein dürfte.

Selbst wenn man die Befragung hinsichtlich der nunmehr beanstandeten Fragen als noch nicht abgeschlossen ansehen würde, so ist die – im Einzelnen nur rudimentär begründete – Beanstandung zurück zu weisen. Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass im Rahmen der Erwiderung nicht sämtliche Aspekte der Hintergründe der Fragen dargestellt werden sollen oder gar müssen. Denn auch einem Themenkomplex vorgeschaltete Fragen sind zulässig, wenn zumindest nicht fernliegend ist, dass bei entsprechender Antwort der Angeklagten, weitere Fragen folgen, die für die Erforschung der Umstände der prozessualen Tat erheblich sind.

1. Zu der beanstandeten Frage: „Seit wann kennen Sie Robin Schmiemann? Wie ist er ihnen bekannt geworden?“
Die Frage ist zulässig; Die Angeklagte stand nach Aktenlage zumindest nach ihrer Inhaftierung in Briefverkehr mit dem Zeugen Schmiemann unter anderem auch zu der Frage, ob und inwieweit sie die Einlassungen von Mitangeklagten für glaubhaft erachtet. Der Senat beschlagnahmte daraufhin Teile des Briefverkehrs mit der Begründung, dass diese Unterlagen als Beweismittel in Betracht kommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Angeklagte noch mitgeteilt, dass Sie uneingeschränkt von ihrem Schweigerecht Gebrauch machen wird. Nunmehr hat sie sich partiell eingelassen. Daher kommt nicht nur dem Inhalt des Briefes eine potentielle Beweisbedeutung zu, sondern auch der Frage, seit wann die Angeklagte den Zeugen Schmiemann kennt und wie sie ihn kennengelernt hat. Die aktenkundigen Inhalte des brieflichen Austausches zwischen Zschäpe und Schmiemann lassen auf ein vertrautes – stellenweise fast intimes – Verhältnis schließen. Kannte Zschäpe Schmiemann bereits vor dem 4.11.2011, wäre er ggf. Zeuge auch hinsichtlich des Verhältnisses von Zschäpe zu Mundlos und Böhnhardt sowie ggf. ihrer persönlichen Verhältnisse zum Zeitpunkts des Lebens im
Untergrund.

2. Soweit die Frage nach Sebastian Seemann beanstandet wurde, stellt sich diese wiederum als Einstiegsfrage als eindeutig zulässig dar. Die Angeklagte hat sich mit Schmiemann über Seemann postalisch ausgetauscht, wobei Sie Vorkenntnisse über Seemann beschrieb, die nicht in dem hier vorliegenden Briefverkehr ausgetauscht worden sind. Dazu gehört auch dessen V-Mann Tätigkeit. Der Senat hat dazu im Beschluss vom 3.9.2013 zur Frage der Notwendigkeit der Beschlagnahme des Briefes zutreffend ausgeführt: „Der Briefteil befasst sich ferner mit einer als Zeuge in Betracht kommenden Person (Seemann) und seiner möglichen Befragung durch die Angeklagte, der der Briefempfänger Schmiemann einen Fragenkatalog zukommen lassen könnte.“

3. Soweit es um Fragen nach dem Vorhalt der Inhalte des Artikels aus der „taz“ vom 10.03.2016 geht, werden diese mit gleichem Vorhalt wie folgt neu gefasst: Haben Sie diese Äußerung ihres Verteidigers Grasel gegenüber der „taz“ autorisiert? Wenn ja, welche Unterstützer in NRW hatten Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt? Wenn ja, aus welchen Tatsachen schlussfolgern Sie die Möglichkeit, dass André Eminger die Mitschnitte gemacht hat, wenn er nach ihren Angaben nichts von dem Anschlag gewusst haben soll?
Soweit die Zulässigkeit der Frage nach Unterstützern in NRW von den Beanstandenden angezweifelt wurde, ist letztlich anzumerken, dass die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung voraussetzt, dass man deren Ziele und Organisation kennt. Dieses Wissen wäre im Rahmen einer Zeugenvernehmung selbstverständlich verfahrensrelevant.

Zschäpe-Verteidiger RA Heer: „Wir behalten uns eine Erwiderung vor. Jetzt wird es heute nicht mehr möglich sein. Ich meine, es gibt noch einen zweiten Zeugen für heute.“ Götzl: „Nein, Herr Tu. ist erkrankt.“ Heer sagt, es kämen ja noch weitere Erläuterungen von weiteren NK-Vertretern. Klemke: „Ich wollte nicht zur konkreten Beanstandung der Fragen Stellung nehmen, sondern zu grundsätzlichen Sachen: Hier wird ja angezweifelt von Herrn Scharmer, dass die Verteidigung der Angeklagten Zschäpe jetzt noch Fragen beanstanden könnte. Es kann so lange beanstandet werden, bis die Frage beantwortet wird. Die Nebenklage geht davon aus, dass die schriftliche Beantwortung von Fragen durch Verlesung und danach durch das Zu-Eigen-Machen unzulässig sei. Da habe ich von vornherein erhebliche Bedenken. Im Schrifttum werden die auch geteilt. Wenn es denn Sache des Angeklagten ist, wann und ob und in welchem Umfang er sich einlässt, dann kann er auch entscheiden, in welcher Form er das tut. Die Vernehmung ist zwar grundsätzlich mündlich, in den letzten Jahren sind jedoch einzelne Senate des BGH hiervon abgerückt, indem sie es zugelassen haben, dass eine schriftliche Einlassung verlesen wird vom Verteidiger und sich der Angeklagte das zu eigen macht. Danach läge eine Einlassung vor. [phon.] So ist auch dieser Senat vorgegangen. Herr Grasel hat vorgelesen und Frau Zschäpe hat sich das zu eigen gemacht und dagegen hat die Nebenklage nicht opponiert und ich denke, das ist jetzt schon widersprüchliches Verhalten. [phon.] Ich denke, das ist zulässig, und dass so lange die Frage nicht beantwortet ist, diese Frage oder einzelne Fragen auch beanstandet werden können.“

Scharmer: „Das geht am Thema meiner Stellungnahme vorbei. Ich habe ich nicht in Frage gestellt, dass ein Angeklagter sich über seinen Verteidiger äußert. Die Frage ist, ob es da um prozessual unterschiedliche Verfahrensweisen geht. Ich meine, dass man das nach der Entscheidung, die ich zitiert habe, in zwei verschiedene prozessuale Handlungen, einmal die Verlesung der Erklärung durch den Verteidiger und dann die Erklärung des Angeklagten [phon.], aufteilen kann. Ich meine auch, dass man das so oder so sehen kann. Ich gehe mit dem 3. Strafsenat und sehe es so wie vorgetragen. Die Frage ist, ob die Beanstandung drei Wochen und sieben Hauptverhandlungstage später noch möglich ist, und das sehe ich nicht.“

Dann beginnt RAin von der Behrens eine gemeinsame Stellungnahme mehrerer NK-Vertreter_innen zu den Beanstandungen zu verlesen:
Allgemein ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei einer Vielzahl der beanstandeten wie auch der nicht beanstandeten Fragen auch um Aufbaufragen handelt, denen – je nach Antwort – ggf. weitere Fragen folgen sollen bzw. werden. Diese Fragetechnik ist dem Vorgehen der Angeklagten Zschäpe geschuldet, die Fragen nicht spontan beantwortet. Die Fragen, die gegebenenfalls auf die Fragen folgen sollen, im Einzelfall bereits wiederzugeben, würde daher das Fragekonzept der Fragesteller offen legen, wozu allein schon aufgrund der rudimentären Begründung der Beanstandung keine Notwendigkeit gesehen wird. Aus diesem Grund wird in den Erläuterungen stets nur die und so viel Information mitgeteilt, wie für die Beurteilung durch den Senat notwendig erscheint.
Fragen Rechtsanwältin von der Behrens

V. d. Behrens sagt zur Beanstandung der Frage bzgl. des Besuchs von Internetcafés als nicht zur Sache gehörend:
Die Frage ist zulässig. Bei dieser Frage handelt es sich um eine Aufbaufrage, die zugleich dazu dienen soll ggf. weitere Zeugen, wie die Betreiber der Internetcafés, namhaft zu machen, die ggf. über das Innenverhältnis des Trios, deren Kommunikationsverhalten nach außen und/oder die von ihnen genutzten Onlinekommunikationsmittel Auskunft geben können.
Zur Beanstandung der Frage nach dem 10.000 DM, die Holger Gerlach zur Aufbewahrung bekommen habe, als ungeeignet, sagt v. d. Behrens:
Diese Frage wird wie folgt umformuliert und neu gestellt: „Sie sagten, Sie seien dagegen gewesen, dass Holger Gerlach 10.000 DM zur Aufbewahrung erhielt, da er spielsüchtig gewesen sei. Welches Motiv ist Ihnen ggf. von Uwe Böhnhardt persönlich oder von Uwe Mundlos oder von einer anderen Person dafür mitgeteilt worden, dass Uwe Böhnhardt trotz Ihrer Einwände Holger Gerlach eine Summe von 10.000 DM zur Aufbewahrung übergeben hat?“

Fragen Rechtsanwältin Başay
Zur Beanstandung der Frage nach der „Hetendorfer Tagungswoche“ sagt v. d. Behrens:
Die Frage ist zulässig. Die „Hetendorfer Tagungswochen“, die maßgeblich von Jürgen Rieger organisiert wurden, fanden von 1991 bis 1997 jährlich auf dem Gelände des 1998 verbotenen Vereins „Heide-Heim e.V.“ in Hetendorf statt, einem Schulungs- und Tagungszentrum rechtsextremistischer Organisationen. Bei den „Hetendorfer Tagungswochen“ handelt es sich um eine mehrtägige Schulung, deren ideologische Konstante Rassismus, Revisionismus sowie ein völkischer Kollektivismus mit positivem Bezug auf den Nationalsozialismus war. Die Frage nach der Anwesenheit der Angeklagten Zschäpe bei dieser Schulungsveranstaltung ist somit unter anderem für die Frage der Ideologie der Angeklagten Zschäpe in der Zeit unmittelbar vor dem Untertauchen relevant.

Zur Beanstandung der Frage nach Konzerten am 08.11.1997 in Heilsberg und am 27.12.1997 in Heilsberg und dazu, ob Mundlos und/oder Böhnhardt dort ggf. Personen aus Dortmund oder dem sonstigen NRW kennengelernt hätten, als nicht zur Sache gehörend:
Die Frage ist zulässig. Die Frage betrifft Kontakte des Trios nach Dortmund zu dem dortigen B&H und C18-Umfeld, insofern wird auch auf die Beweisanträge zu Sebastian Seemann und Marco Gottschalk Bezug genommen. Zugleich soll die Frage – in diesem Sinne als Aufbaufrage – dazu dienen, ggf. weitere Zeugen namhaft zu machen, die etwas zu den Kontakten des Trios nach NRW und insbesondere nach Dortmund sagen können.
Zur Beanstandung der Frage danach, ob Zschäpe oder eine Person, die sie gekannt habe, an dem Aufhängen bzw. Anzünden einer Puppe in Jena am 15.11.1995 oder an dem Ablegen einer Bombenattrappe im Jahr 1994 in einem Hochhaus in Jena-Lobeda, in das Flüchtlinge einziehen sollten, beteiligt gewesen seien, als nicht zur Sache gehörend, soweit nach möglicherweise strafbaren Handlungen anderer, nicht in diesem Verfahren angeklagter Personen gefragt wird:
Die Frage ist auch in Bezug auf andere, nicht in diesem Verfahren angeklagte Personen zulässig. Die Begehung oder Unterstützung der genannten Taten durch weitere Mitglieder oder Anhänger der KSJ bzw. des THS, in denen die Angeklagten Zschäpe, Wohlleben, Gerlach und Schultze organisiert waren, lässt auch Rückschlüsse auf den Charakter und die Zielrichtung dieser Organisationen und ihrer Mitglieder zu.

Zur Beanstandung der Frage, welche Personen aus der rechten Szene in Thüringen und Sachsen wussten, wer für die Bombenattrappen, auf die Zschäpe in ihrer Einlassung Bezug nehme, verantwortlich gewesen ist, als ungeeignet und nicht zur Sache gehörend:
Die Frage wird insofern umformuliert und neu gestellt, dass sie nunmehr heißt: „Welche Personen aus der rechten Szene in Thüringen und Sachsen wussten nach Ihrer Kenntnis, wer für die Bombenattrappen, auf die Sie in Ihrer Einlassung Bezug nehmen, verantwortlich gewesen sind?“
Diese Frage ist in der umgestellten Form zulässig. Sie betrifft unter anderem die Verbreitung des Wissens um die in und um Jena platzierten Bombenattrappen in der Szene und lässt damit unter anderem Rückschlüsse auf den Vorsatz der Angeklagten Wohlleben, Gerlach und Schultze zu. Gleichzeitig dient die Frage ggf. der Namhaftmachung weiterer Zeugen, die möglicherweise konkrete Angaben dazu machen können, seit wann das Wissen über die Urheber in der Szene verbreitet war und auch wissen, welche Kenntnisse die Angeklagten Zschäpe, Wohlleben und Gerlach hatten und welche Rolle sie dabei gespielt haben.

Zur Beanstandung der Frage nach einer möglichen Teilnahme an einer Vortrag von Ignatz Bubis als nicht zur Sache gehörend:
Diese Frage ist zulässig. Sollte sie bejaht werden, werden sich weitere Fragen anschließen, die auf den in der KSJ vertretenen Antisemitismus abzielen und auf ggf. weiteren „Aktionen“ der KSJ in Bezug auf Bubis.
Zur Beanstandung der Fragen nach Kontakten von Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt oder anderen Mitgliedern der KSJ zu Angehörigen der rechten Szene aus den westlichen Bundesländern etc. als nicht zur Sache gehörend:
Diese Fragen sind zulässig. Sie dienen unter anderem dazu, ggf. Zeugen und Unterstützer an den Tatorten namhaft zu machen, über die Informationen über die Tatorte oder sogar die konkreten Opfer an das Trio geflossen sind. Die Frage zu der Finanzierung ist relevant, um ggf. Unterstützer, die nicht nur die KSJ finanziert, sondern auch das Trio nach dem Untertauchen finanziell unterstützt haben, namhaft zu machen.

Zur Beanstandung der Frage, ob Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt persönlichen Kontakt zu Personen aus der rechten Szene in Zwickau hatten, als nicht zur Sache gehörend:
Die Frage ist zulässig. Sie dient dazu, ggf. weitere Zeugen zu dem Innenverhältnis des Trios und deren politischer Überzeugung namhaft zu machen bzw. die Aussagen bereits bekannter Zeugen, dass die Angeklagte Zschäpe mit Ralf Marschner bekannt war und Uwe Mundlos für ihn gearbeitet hat, zu bestätigen, und zugleich der Feststellung der Größe des Unterstützernetzwerkes.
Zur Beanstandung der Frage nach der Frau neben Zschäpe auf einem Bild von einer Demonstration am 24.01.1998 als nicht zur Sache gehörend:
Die Frage ist zulässig. Sie zielt darauf ab, dass an dem fraglichen Tag ein auch für andere der Angeklagten relevantes Ereignis, wie z.B. ein letztes Treffen des Trios mit den Unterstützern aus Jena, stattgefunden haben muss. Dafür spricht, dass das Datum zugleich auch der Titel des Liedes ist, das von dem Trio und dem Abschied handelt. Hinsichtlich eines derartigen Treffens sind Folgefragen zu den dort unter den Angeklagten und anderen geführten Gesprächen über die weiteren Planungen der Untertauchenden, zum Beispiel der Begehung von Straftaten zur Finanzierung naheliegend.
Zur Beanstandung der Frage, ob Zschäpe damals Kenntnis davon gehabt habe, dass Jan Werner und Thomas Starke in dem „Landser“-Verfahren ausgesagt haben, als nicht zur Sache gehörend, sagt Luczak:
Diese Frage ist zulässig. Sie ist eine Aufbaufrage, auf die zum einen weitere Fragen dazu folgen sollen, wie sich das Trio sich vor Entdeckung geschützt hat und zum anderen weitere Fragen, durch welche die Angaben des Zeugen Starke zu der Bedrohung von Jan Werner überprüft werden sollen.
Zur Beanstandung der Frage nach der Person auf einem Foto, das bei einer Observation des sächsischen LfV gemacht worden ist als nicht zur Sache gehörend:
Diese Frage ist zulässig. Sie dient zum einen der Überprüfung der Angaben der Zeugin Mandy Struck und zum anderen, sollte es sich bei der Person um Uwe Böhnhardt handeln, der Vorbereitung weiterer Beweisanträge im Hinblick auf das damals bei den Verfassungsschutzämtern vorhandene Wissen um den Aufenthaltsort des Trios und deren bewusstes Nichteinschreiten.

Fragen von Rechtsanwalt Hoffmann
Zur Beanstandung der Frage nach Marcel Ch. als nicht zur Sache gehörend:
Die Frage ist zulässig. Sie dient unter anderem zur Verifizierung der Angaben des Zeugen Jürgen Do., die er untere anderem zu dem Leben von Zschäpe in Zwickau und deren Kontakt zu dem bekannten Rechtsextremisten Marcel Ch. (Skinheads Sächsische Schweiz) gemacht hat.
Fragen Rechtsanwältin Dr. Luczak in Vertretung für RA Ilius

Zur Beanstandung der Frage nach der möglichen Teilnahme an einem Kameradschaftstreffen auf einem Campingplatz in der Nähe von Görlitz nicht zur Sache gehörend:
Die Frage ist zulässig. Wie sich jemanden, der die genannte Vernehmung nachliest, unschwer erschließt, knüpfen die beiden Fragen zur Teilnahme an einem „Kameradschaftstreffen“ in der Nähe von Görlitz an die Aussage des anonymen Zeugen dazu an. Sofern der Verteidiger der Angeklagten die Frage beantwortet, kommen Anschlussfragen zu Äußerungen der Angeklagten Zschäpe in solchen Zusammenhängen und den genannten Personen gegenüber, die nach der Aussage des Zeugen zum Teil ebenfalls den Skinheads Sächsische Schweiz angehörten, in Betracht.
Sollte die Angeklagte Zschäpe die erste Frage bejahen, wäre anschließend zu fragen, ob sie auf diesem Treffen – wie vom Zeugen berichtet – in Gesprächen gesagt hat, „dass ein radikaler Kurs eingeschlagen werden muss und demokratische Wege über die Republikaner oder die Nationalen nichts bringen; dass man sich radikalisieren, in den Untergrund gehen und bewaffnen müsste.“ Die zweite Frage zielt für diesen Fall auf die Feststellung, ob diesem Treffen weitere Treffen voran gingen oder auf dieses Treffen weitere folgten. Hieraus würden sich ggf. Anschlussfragen zu den von Frau Zschäpe dort verbreiteten Inhalten ergeben. Sollte Frau Zschäpe die erste Frage verneinen, dient die zweite Frage dazu festzustellen, ob solche Gespräche mit den genannten Äußerungen der Angeklagten Zschäpe mit den vom Zeugen als Teilnehmer an diesem Treffen genannten Personen an einem anderen Ort geführt worden sind, falls sich der Zeuge hinsichtlich zeitlicher oder örtlicher Zuordnung geirrt haben sollte. Es schlössen sich je nach dem, wie die Antwort lauten würde, die genannten Folgefragen an.

Zur Beanstandung der Frage, ob Zschäpe am 07.05.2000 in Berlin gewesen sei, als nicht zur Sache gehörend:
Die Frage ist zulässig. Wie sich jemanden, der die genannte Fundstelle nachliest, unschwer erschließt, zielt die Frage darauf, festzustellen, ob sich die Angeklagte Zschäpe und die verstorbenen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt am 7. Mai 2000 mit dem gesondert verfolgten Jan Werner in Berlin aufhielten. Ein Kontakt zum gesondert verfolgten Jan Werner im Mai 2000 außerhalb von Chemnitz lässt zum einen Rückschlüsse auf die Natur des Verhältnisses des Trios mit Jan Werner zu – dem die Angeklagte Zschäpe die Lieferung einer Schalldämpfer-Waffe zuzuschieben versucht. Zum anderen ist die Frage hinsichtlich des Unterstützernetzwerks der Untergetauchten relevant. Die Größe des Unterstützernetzwerks ist relevant für die Bewertung der terroristischen Vereinigung, in der Mitglied gewesen zu sein der Angeklagten Zschäpe vorgeworfen wird, und sie unterstützt zu haben den Angeklagten Eminger und Gerlach.

Zur Beanstandung der Frage nach dem Besuch aus Dänemark oder Schweden, den Zschäpe, Mundlos und/oder Böhnhardt anlässlich eines Fehmarn-Urlaubs laut dem Zeugen Wolfgang Sch. treffen wollten als nicht zur Sache gehörend:
Die Frage ist zulässig. Da die Glaubwürdigkeit des Zeugen Sch., einer Urlaubsbekanntschaft der Angeklagten Zschäpe und der verstorbenen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, nicht in Zweifel steht, zielt die Frage zum einen darauf ab, die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Angeklagten Zschäpe zu überprüfen. Zum anderen geht es um die Feststellung, ob es Unterstützer oder Mitwisser in Dänemark oder Schweden gab, also ein internationales Netzwerk der Angeklagten Zschäpe und der verstorbenen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, woran sich u.a. auch Nachfragen bei den skandinavischen Ermittlungsbehörden ergeben würden sowie der Namhaftmachung weiterer Zeugen zu deren Verhältnis untereinander und politischen Äußerungen.

RA Heer: „Hier gilt das gleiche, was ich eben schon erklärt habe, auch im Namen meiner beiden Kollegen zu meiner Linken und Rechten.“ Bundesanwalt Diemer: „Wenn alle Fragensteller ihre Stellungnahmen abgegeben haben, dann würden wir am Ende unsere auch abgeben.“

NK-Vertreter RA Behnke: „Meine Fragen sind auch Eingangsfragen, die zu einer Beurteilung der Entwicklungsbedingungen einer Persönlichkeit erforderlich sind. Die wären sicher auch noch vom Gericht gestellt worden. Denn der Lebenslauf und Werdegang gerade in einem solchen Verfahren spielt schon eine wichtige Rolle. Dazu zählen auch Freizeitaktivitäten.“ Die Kinderorganisationen der DDR, die Jungen Pioniere, hätten ganz besondere Ziele gehabt, so Behnke. Die GST [= Gesellschaft für Sport und Technik] habe eine vormilitärische Ausbildung durchgeführt und da sei auch an Waffen ausgebildet worden. Behnke: „Und die Frage ist, ob die Angeklagte Zschäpe schon als Kind oder als Jugendliche Kontakt mit Waffen hatte. Die gleiche Frage werde ich noch an die anderen Prozessbeteiligten stellen wollen, insbesondere an Herrn Wohlleben. Auch an Herrn Gerlach und Herrn Eminger. Bei Herrn Schultze bin ich mir noch nicht so sicher.“ Im Saal kommt Gelächter auf wegen der Verwendung des Wortes „Prozessbeteiligte“ in diesem Zusammenhang. Götzl: „‚Angeklagte‘ meinen Sie.“ Behnke bestätigt das.

Dann gibt RA Narin seine Stellungnahme ab: „Ich möchte mich zunächst den Ausführungen von Rechtsanwalt Scharmer anschließen, soweit er sich auf Grundsätzliches bezieht. Zur ersten Frage zum Untersuchungsausschuss möchte ich mitteilen, dass ich die Frage sofort zurückgezogen hatte auf Beanstandung des Vorsitzenden. Das bestätige ich nochmal. Zur Frage, ob Kontakt zu Rockern oder anderen kriminellen Gruppierungen bestand: Das ist eine Einstiegsfrage, woraus sich Anschlussfragen ergeben können, wie die Einstellung zu Gewalt war und die Möglichkeiten zur Waffenbeschaffung bzw. Kenntnisse der Angeklagten Zschäpe dazu. Außerdem kann insofern von Bedeutung sein, ob und inwiefern die Angeklagte Zschäpe an anderen Straftaten beteiligt war oder davon wusste. [phon.] Die Frage nach dem Verhältnis zu Thorsten Po. ist von Bedeutung, weil die Angeklagte die Aliaspersonalie ‚Lisa Po.‘ benutzte. Das Verhältnis der Angeklagten zu Thorsten Po. ist insofern von Bedeutung, dass sich Hinweise auf die eigene politische Gesinnung der Angeklagten ergeben können. Thorsten Po. wurde hier von Patrick Ku. als ‚richtiger Rechtsradikaler‘ [phon.] bezeichnet. Auch dessen Ehefrau Sindy Po., die zum engsten Freundeskreis der Angeklagten zählte, bestätigte das auf Vorhalt, nachdem sie es als ’normal‘ bezeichnet hat.“ Narin verweist auf Thorsten Po.s Facebook-Seite mit u.a. Bezügen zu ‚Paulchen Panther‘. [phon.]

Narin: „Thorsten Po. veröffentlichte auch nach seiner Vernehmung kurze Zeit nach der Festnahme der Angeklagten Erklärungen auf Facebook, die auf ein enges Verhältnis schließen lassen und auf die politische Gesinnung der Angeklagten. Soweit dies beanstandet wurde, stelle ich klar: Es sind nur solche Kenntnisse gemeint, soweit sie der Angeklagten aus Gesprächen mit Thorsten Po. selbst, mit Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt oder etwa Sindy Po. bekannt geworden sind. Dass Thorsten Po. Briefe oder Pakete in Empfang genommen haben könnte, scheint naheliegend, da die Angeklagte Zschäpe die Aliasanschrift Lisa Po. in der Polenzstraße 2 verwendete.“ Narin sagt, es gehe dabei auch um Anteile der Angeklagten bei der Abtarnung im so genannten Untergrund und insbesondere auch um Kommunikation mit Außenstehenden. [phon.]

Narin: „Zu Jens Gü.: Dieser wohnte im gesamten Zeitraum, während dem sich das so genannte Trio in der Polenzstraße aufhielt, ca. 20 m von der Wohnung des so genannten Trios entfernt und er war mindestens an der Anmietung eines Fahrzeugs beteiligt, welches bei der Begehung eines Überfalls [phon.] eingesetzt worden sein könnte. Auch Kenntnisstand von Gü. zum Leben der Angeklagten und von Mundlos und Böhnhardt frage ich nur insoweit ab, soweit der Angeklagten eigene Erkenntnisse vorliegen. Zu den anschließenden Fragen nach dem Verdacht einer V-Mann-Tätigkeit oder Schwachstelle stelle ich klar, dass es nur um eigene Erkenntnisse der Angeklagten etwa aus Gesprächen mit Mundlos oder Böhnhardt geht. Das ist relevant insoweit, als sich Fragen anschließen würden, ob und welche Maßnahmen die Untergetauchten aufgrund von Verdachtsmomenten oder Erkenntnissen ergriffen haben. Das betrifft auch die nächste Frage, die nur auf andere Städte zielt. Zur Frage nach möglicher Kommunikation der Verteidiger mit Vertretern von Nachrichtendiensten: Es steht ihr frei, ob Sie die beantworten möchte, weil das mglw. den Kernbereich des Mandatsverhältnisses betrifft.“

Götzl: „Es steht ihr immer frei, ob sie sich äußert.“ RA Heer sagt, es sei ihm nicht möglich, das so schnell mitzuschreiben. Narin setzt fort: „Letzter Punkt, ob sie die Rechte an ihrer Autobiographie veräußert hat: Es können sich Hinweise auf die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten ergeben, Wenn etwa erhebliche Zahlungsansprüche gegen Vertragspartner bestehen sollten, und auch Rückschlüsse auf ihr bisheriges Aussageverhalten, falls bestimmte Erkenntnisse exklusiv zugesichert worden sein sollten [phon.].“

RA Langer sagt, er fasse nur kurz zusammen, was er auch schon gestern gesagt habe. Zu Punkt 3.3 sagt er, da gehe es um Bezüge zum Tatort in Rostock; ob und ggf. wann und ggf. mit wem die Angeklagte oder Böhnhardt oder Mundlos sich vor dem Tattag der Ermordung von Mehmet Turgut am späteren Tatort oder in der Nähe aufgehalten haben. Die Einleitungsfrage, ob Herr Ho. bekannt ist, sei zulässig, weil diese Person anschließend viel über Zschäpe berichtet haben solle und auch auf der Garagenliste auftauche. Zu Absatz 2 ergebe sich das aus dem Text. Konkret gehe es um Bezüge zu Rostock. Bei Absatz 3 [phon.] gehe es um eine Reise ein Jahr später, das seien vorbereitende Fragen, ggf. sei zu dann zu fragen, ob es während dieses Aufenthaltes Fahrten nach Rostock gab, wer dabei war, ggf. wo genau Aufenthalte waren. Bei Absatz 4 [phon.] ergebe sich das von selber [phon.], zu ergänzen sei, dass es sich bei der Pablo-Neruda-Straße um ein Neubauviertel in Rostock handele.

Dann gibt RAin Busmann ihre Stellungnahme zu den Beanstandungen ab. Zunächst sagt sie, dass sie sich zum Allgemeinen, das was RAin v. d. Behrens gesagt hat, zu eigen mache. Dann verliest sie die Stellungnahme zu ihren Fragen:
1. Was war der Grund, den Böhnhardt und Mundlos für Fahrten nach Hamburg angegeben haben? Die Frage ist zulässig. Sie zielt nicht nur ab auf die etwaigen Kenntnisse der Angeklagten zu dem Grund der Fahrt, sondern ist auch geeignet, Aufschluss über das Innenverhältnis der Untergetauchten und dessen Zusammenleben zu geben. Eine darüber hinausgehende Erklärung der Frage würde diese hinfällig machen.

2. Wurden Sie von Personen aus Norddeutschland auf Fehmarn besucht?
Die Frage ist zulässig. Sie ist nicht, wie die Beanstandenden meinen, neben der Sache. Das wäre sie nur, wenn sie sich nicht einmal mittelbar auf die zur Aburteilung stehende Tat und ihre Rechtsfolgen bezieht. Dann, wenn sie offensichtlich gänzlich neben der Sache liegt oder wenn erkennbar ausschließlich verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden. Das ist hier gerade nicht der Fall. Sollte die Angeklagte die Frage mit Ja beantworten, so ist zu erwarten, dass die Person oder Personen Angaben zum Innenleben der Untergetauchten und der Stellung der Angeklagten Zschäpe machen kann. So sind bereits zahlreiche Zeugen vernommen worden, die lediglich Urlaubsbekanntschaften waren. Darüber hinaus ist auch denkbar, dass die Person oder Personen Auskunft darüber geben kann, wie und warum ein Mordopfer gerade in Hamburg ausgewählt wurde. Es ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Frage gleichgültig, ob das Gericht die Frage als unerheblich erachtet. Gestellt werden darf sie, damit das Gericht sich selbst ein Urteil über die Relevanz der Frage bilden kann, wenn es die Antwort gehört hat. Die Frage wird erweitert um die für den Fall einer Bejahung folgende Frage: „Falls ja, wer waren diese Personen oder diese Person?“

3. Zu Kontakten aus Hamburg: Sind Sie bei Heß-Gedenkmärschen in Kontakt gekommen? Mit wem? Wann?
Auch diese Frage ist zulässig. Sollte die Angeklagte Zschäpe die Frage nach Kontakten zu Hamburg mit Ja beantworten, dann würde sich daran die Frage anschließen, woher sie diese kannte. Wenn sie eine von ihnen bei einem Heß-Gedenkmarsch kennengelernt haben sollte, so wäre der Bezug zur rechten Szene gegeben und es ist nicht auszuschließen, dass Unterstützungsleistungen an den Tatorten offenbar werden. Seit drei Jahren beschäftigt die Nebenkläger und Nebenklägerinnen die Frage, warum gerade diese Menschen Opfer wurden. Sollten Kontakte zur rechten Szene an dem Tatort Hamburg offenbar werden, so ist nicht auszuschließen, dass diese etwas dazu sagen können. Nochmal: der Maßstab ist nicht derjenige des § 244 Absatz 3 Satz 2 StPO, sondern es geht darum, ob ich eine Frage stellen darf, deren Antwort wir noch nicht kennen.

4. Sind Sie über Gefangenenhilfsorganisationen in Kontakt gekommen?
Hierzu wird verwiesen auf die vorangegangenen Ausführungen.
5. Haben Sie an Rechtsschulungen teilgenommen, von wem organisiert? Wer war Ihnen dort
bekannt?
Hierzu erfolgt ebenfalls ein Verweis auf eben diese Ausführungen. Darüber hinaus kann die Beantwortung dieser Frage ggf. Aufschluss geben über Einbindung und Stellung der Angeklagten in der rechten Szene.

6. Kennen Sie die nachfolgenden Personen: Thekla Prosche, Gisa Pahl, Christian Dolbscheidt, Christian Worch, Thorben Kolbe, Michael See, Stefan Sieler, Thomas Wulff? Vorgestellt? Von wem? Haben Sie die Namen schon einmal gehört, wenn ja, von wem bei welcher Gelegenheit?
Zunächst eine Richtigstellung: Es war die Frage nach einer Frau Thekla Kosche. Und einer Frau Christiane Dolscheid, sowie nach einem Herrn Torben Klebe sowie einem Stefan Silar. Das war in der Beanstandung falsch wiedergegeben worden. Wenn die Angeklagte die Frage nach einem Kennverhältnis mit diesen Personen mit Ja beantwortet, dann wäre daran anknüpfend von Bedeutung, woher sie die Personen kennt. Falls sie die Frage darauf, ob sie diesen Personen vorgestellt wurde, mit Ja beantwortet und auf die daran anknüpfende Frage danach, wer sie vorgestellt hat, einen Namen nennt, dann wären diese anschließenden Fragen ganz übliche Fragen, um mehr zu dem jeweiligen Kennverhältnis zu erfahren. Die Frage, ob die Angeklagte von den genannten Personen im Vorfeld gehört hat, falls sie die Frage nach einer persönlichen Bekanntschaft verneint, wäre relevant, um dann zu erfahren, durch wen sie von diesen Personen gehört hat und in welchem Zusammenhang. Bei sämtlichen Personen handelt es sich um solche aus dem Raum Hamburg und Umgebung, welche im Jahre 2001 und davor hochrangige Angehörige der rechten Szene sind oder waren. Wenn sich aus den Antworten der Angeklagten ergeben sollte, dass es aus dem Raum Hamburg Bekanntschaften gegeben hat zu Personen aus der rechten Szene, so wäre aufzuklären, ob es sich bei ihnen um Mitwisser und/oder Unterstützer gehandelt hat. Diese Personen wären als Zeugen zu laden und zu vernehmen, da sie eventuell Angaben machen könnten zur Organisation des so genannten NSU und ggf. auch zur Opferauswahl in Hamburg, in jedem Falle aber zum Innenleben der Untergetauchten bzw. des Lebens im Untergrund und zur Einstellung der Angeklagten Zschäpe.

7. Kennen Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt diese Personen?
Es mag sein, dass diese Frage unzulässig ist, ich habe sie auch nicht gestellt. Die Frage ist falsch wiedergegeben worden. Sie lautete wie folgt: „Haben Sie (also die Angeklagte) Kenntnis davon, ob Mundlos und Böhnhardt diese Personen kennengelernt oder Kenntnis dieser Namen hatten.“

Götzl: „Nur grundsätzlich, Frau Busmann: Sie haben mehrfach gesagt, was wir zu beachten haben. Wir haben noch nicht entschieden und auch nicht zu erkennen gegeben, wie wir uns entscheiden. Sie müssen uns nicht auf unsere rechtlichen Pflichten hinweisen. Sie haben uns angesprochen und nicht die Beanstandenden.“

Dann gibt Bundesanwalt Diemer die Stellungnahme des GBA zu den Beanstandungen ab: „Hoher Senat, unbeschadet der Frage, ob die Beanstandungen zulässig sind, halten wir nach reiflicher Überlegung die Beanstandungen jedenfalls für unbegründet. Gemäß § 241 Absatz 2 StPO kann der Vorsitzende ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen zurückweisen.“ Diemer macht kurz allgemeine Ausführungen dazu, wann Fragen ungeeignet bzw. nicht zur Sache gehörend seien. Dann sagt er, dass das Gesetz bei dieser Regelung vom Regelfall ausgehe, dass Fragen nacheinander in der Hauptverhandlung mündlich gestellt werden und jede für sich in der Hauptverhandlung mündlich beantwortet wird. Dabei bestehe bei der Beanstandung einer Frage in allen Fällen die Gelegenheit, ihre Zulässigkeit zu erörtern und die Frage ggf. zur optimalen Aufklärung der Sache in einer rechtlich einwandfreien Form zu stellen. Im vorliegenden Fall sei eine solche Situation nicht gegeben, weil Zschäpe eine unmittelbare Frage-Antwort-Situation in der Hauptverhandlung verweigere und nur bereit sei, auf einen „schriftlich verfassten Katalog von Fragen nach geraumer Überlegungsfrist einen schriftlich verfassten Antwortkatalog vorzulegen“.

Das bringe es zwangsläufig mit sich, dass über die Zulässigkeit einer einzelnen Frage eben nicht zeitgerecht in einer Weise entschieden werden könne, die es ggf. auch unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgrundsatzes möglich macht, die Frage in einer anderen und zulässigen Weise zu stellen. Diemer: „Wenn also der Angeklagten diese Verfahrensweise zugestanden werden muss, weil anders eine optimale Aufklärung nicht möglich ist, muss es auch zulässig sein, Fragen bis in den Grenzbereich dessen zu stellen, was eine Aufklärung als möglich erscheinen lässt. Und selbst wenn eine einzelne Frage für sich gesehen zunächst vielleicht ungeeignet erscheint oder keinen erkennbar direkten Bezug zum Untersuchungsgegenstand aufweist, kann sie in Abhängigkeit von den Antworten auf die übrigen Fragen durchaus relevant werden, so dass sie, wenn sie heute zurückgewiesen würde, später erneut gestellt werden müsste. Dies würde zu einer Endlosschleife der Befragung und damit zu einer nicht mehr vertretbaren Verzögerung der Hauptverhandlung führen. Deren Abschluss wäre zeitlich nicht mehr absehbar.“

Diesen Umstand dürfe der Senat in dieser „speziellen, allein von der Angeklagten herbeigeführten Ausnahmesituation“ berücksichtigen. Diemer: „Es dürfen daher nicht nur großzügige Maßstäbe angelegt sondern auch im Zweifel Fragen eher zugelassen werden. Hinzu kommt, dass es der anwaltschaftlich ausgiebig beratenen Angeklagten anders als einem Zeugen unbenommen bleibt, bei der Bearbeitung des Fragenkatalogs im Einzelfall eine von ihr als ungeeignet oder sachfremd eingeschätzte Frage ggf. mit entsprechender Begründung unbeantwortet zu lassen.“ Die von Heer, Stahl, Sturm beanstandeten Fragen wirkten nicht willkürlich, seien nicht entehrend, zielten nicht auf rechtlich unzulässige Beweiserhebungen ab, würden jedenfalls nicht völlig beziehungslos im Raum stehen und ließen jedenfalls in der Gesamtschau der gesamten Fragenkataloge nicht jede Geeignetheit zur Sachaufklärung vermissen: „Sie sollten, soweit nicht umformuliert, unter Berücksichtigung der gesamten besonderen Umstände daher zugelassen werden.“

Es folgt eine Pause bis 15:37 Uhr. Der Zeuge betritt wieder den Saal. Götzl: „Dann setzen wir Ihre Einvernahme fort. Konnten Sie die Frage der Aussagegenehmigung klären?“ Kö.: „Ja.“ Götzl: „Was ist das Ergebnis?“ Kö.: „Mitarbeiter waren Herr Tu., Herr Pr., Herr Gö., Herr Ke., zeitweilig waren andere dabei, aber das waren die, die über mehrere Jahre da waren.“ RAin Schneiders fragt nach einem Herrn Ku. Kö. sagt, der sei auch mal Mitarbeiter gewesen, aber auch mehr zeitweilig. Schneiders: „Ist Ihnen aus der Auswertung der Redebeiträge oder ähnliches eine Äußerung bekannt, dass Herr Wohlleben Gewalt in irgendeiner Weise befürwortet hat?“ Kö.: „Nein, ist mir nicht bekannt.“ Der Zeuge wird entlassen. RAin v. d. Behrens und RA Hösl behalten sich Erklärungen vor.

Bundesanwalt Diemer sagt, der GBA wolle zu den Beweisanträgen von gestern Stellung nehmen. OStAin Greger beginnt mit dem Antrag auf Vernehmung eines instruierten Mitarbeiters des TLfV. Dabei handele es sich um einen Beweisermittlungsantrag, weil weder Zeuge noch Dokument konkret bezeichnet würden. Wohlleben habe eingeräumt, gemeinsam mit André Kapke Organisator des Fests der Völker 2005 bis 2009 gewesen zu sein. [phon.] § 244 Absatz 2 StPO gebiete es nicht, den beantragten Beweiserhebungen zu den Jahren 2005 bis 2009 nachzukommen. Die bisherige Beweisaufnahme habe hinreichende und solide Kenntnisse zu der Einstellung Wohllebens und auch zur KS Jena und zum Nationalen Widerstand Jena erbracht. Greger nennt mehrere Beispiele. Dann sagt sie, dass der weitere Antrag auf Inaugenscheinnahme einer Bilddatei abzulehnen sei, weil dies aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung sei. Es könne aus der Abbildung von Männern mit SS-Uniform nichts hergeleitet werden zur Einstellung Wohllebens zur Tatzeit.

Dann nimmt OStA Weingarten Stellung zum Beweisantrag zur Verlesung eines Beitrags aus der NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“. Dieser sei wegen Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen Gründen abzulehnen, so Weingarten. Es gebe keinen entscheidungsrelevanten Erkenntnisgewinn zur Einstellung Wohllebens zum Zeitpunkt der ihm zur Last gelegten Beihilfehandlung. Das bedeute zwar nicht, dass die in Rede stehenden Beweistatsachen inhaltsleer wären oder keine Rückschlüsse erlaubten, die möglichen Rückschlüsse seien aber weder zwingend noch könnten sie wegen geringer Aussagekraft zur Frage des handlungsleitenden Motivs zugrunde gelegt werden. Aus dem Umstand, dass André Kapke Mitunterzeichner eines offenbar aus fremder Hand stammenden Textes gewesen sei, könne trotz dessen Nähe zu Wohlleben nicht geschlossen werden, dass das auch dem handlungsleitenden Motiv Wohllebens bei der Beschaffung der Tatwaffe Ceska entsprochen hat. Auch die Verlesung und Inaugenscheinnahme des Aufdrucks auf dem Feuerzeug sei ohne Bedeutung, dies sei mehr als zehn Jahre nach der Tatzeit sichergestellt worden. Schließlich sei auch die Beweistatsache 4 ohne Bedeutung. Der Senat werde seine Schlüsse nicht darauf gründen wollen, dass Wohlleben mehr als zehn Jahre nach der Tat von seiner Frau rassistische Musik zugesandt bekommen hat. [phon.]

Zum Antrag auf erneute Ladung von Thomas Gerlach sagt Weingarten, dieser sei abzulehnen, weil die Aufklärungspflicht weder nahelege noch dazu dränge, ihm nachzukommen. Es handele sich nur um einen Beweisermittlungsantrag. Der Antrag mache den erforderlichen Zusammenhang zwischen Beweistatsache und Beweismittel nicht deutlich, die Antragsteller würden nicht wissen lassen, warum Thomas Gerlach dazu Angaben im Sinne der Beweisbehauptung machen können soll. Es sei nicht Aufgabe des Gerichts spekulativen Online-Veröffentlichungen nachzugehen. Es werde darüber hinaus mitgeteilt, dass Ermittlungen nahelegen, dass die Mailadresse von einer anderen Person genutzt worden ist, die sich auch zur Inhaberschaft bekannt habe [phon.] und deren Namen den Spitznamen „Wolle“ plausibel erscheinen lasse. Aus den genannten Gründen sei eine Beiziehung dieser Akten aber nicht geboten. [phon.]

Zu den Beweisanträgen der Verteidigung Wohlleben von gestern sagt Weingarten, dass diese wegen Bedeutungslosigkeit abzulehnen seien. Die behaupteten Äußerungen von Sven Kl. würden auch im Falle ihres Erwiesenseins die Entscheidung des Gerichts nicht beeinflussen können. Dass die Angaben Carsten Schultzes zu der Schlägerei nicht belastbar seien und damit Rückschlüsse auf die Glaubwürdigkeit des Angeklagten Schultze zu ziehen seien, diese Schlüsse werde der Senat nicht ziehen wollen [phon.]. Denn selbst wenn Kl. bei der Schlägerei nicht dabei gewesen wäre, führe das nur zu dem Schluss, dass Schultze sich hinsichtlich eines 20 Jahre zurückliegenden Turbulenzgeschehens an einen einzigen Beteiligten nicht erinnern kann. Schultze habe auch keine Fremdbelastungstendenzen gezeigt. Er habe sich dagegen in erster Linie erheblich selbst belastet, als er angegeben hat, dass er seinem Gegner mehrfach in den Rücken getreten habe, so dass er sogar von jemand anderem aus seiner Gruppe zur Räson habe gebracht werden müssen.

RAin Schneiders: „Empörung trifft es nicht ansatzweise, wenn ich die Schilderungen zur Mailadresse höre.“ Es habe offenbar Ermittlungen gegeben, die zur Entlastung ihres Mandanten beigetragen hätten und diese Akten würden den Verfahrensbeteiligten vorenthalten; das sei rechtswidrig und sie sehe die Verfahrensfairness aufs Gröbste gefährdet. [phon.] Zu den Ausführungen zu Carsten Schultze sagt Schneiders, dass die BAW beiseite lasse, dass Schultze gesagt habe, Wohlleben sei jemandem auf dem Kopf herumgesprungen: „Und dann wird gesagt, keine Fremdbelastungstendenzen.“ Weingarten: „Starke Worte sollten auch starke Argumente beinhalten. Wir haben, wie die Nebenklägervertreter auch, einer Zeitung entnommen, dass es eine problembeladene Mailadresse gibt, die in der Zeitung Herrn Wohlleben zugerechnet wird.“ Dies spiele in den Ermittlungsverfahren gegen etwaige Unterstützer auch eine Rolle. [phon.] OStA Weingarten: „Wie das entlasten soll, wo niemand Herrn Wohlleben vorgeworfen hat von Amts wegen, er hätte diese Mail benutzt, entzieht sich meinem Verständnis [phon.]. Wenn ihm das jemand vorgeworfen hätte oder das ansonsten einen NSU-Bezug gehabt hätte, dann hätte der Senat seit zwei Jahren die Akten. [phon.] Aber Ergebnisloses und Sinnloses, damit belasten wir nicht die Akten. [phon.]“ RA Klemke: „Das ist eine Show, die hier von der BAW abgezogen wird.“ Klemke verweist auf Vernehmungsprotokolle von Mirko Sz. und Sven Kl. und sagt, das setze sich so fort. [phon.]

Götzl: „Frau Rechtsanwältin von der Behrens, Sie hatten sich zu Wort gemeldet?“ V. d. Behrens sagt zum Beweisantrag zum „Fest der Völker“: „Es geht nicht nur um den Tatzeitpunkt und die dann bestehende Motivlage, sondern es geht um die Angaben von Wohlleben in seiner Einlassung, er sei überhaupt nicht ausländerfeindlich. Da bezieht er sich auf das Fest der Völker als Beispiel für seine menschenfreundliche Einstellung und darum geht es.“ Das „Fest der Völker“ sei kein Fest zur Völkerverständigung, sondern habe ganz klar Bezug zum NS, so v. d. Behrens.

Dann gibt Götzl noch einen Hinweis zum Antrag auf Vernehmung eines instruierten TLfV-Mitarbeiters. Dort sei keine bestimmte Beweistatsache [phon.] benannt, so dass die Anträge in ihrer bisherigen Form Beweisermittlungsanträge wären. Götzl zitiert Stellen aus dem Antrag und sagt, es handele sich um Wertungen, die nicht Gegenstand des Zeugenbeweises seien. Er rege an, sich auf Tatsachenbehauptungen zu beschränken. [phon.] RA Hoffmann sagt, er werde dieser Anregung nachkommen. Götzl wendet sich an Heer, Stahl, Sturm und sagt, dass man dann am 31.08. deren Erwiderungen auf die Stellungnahmen entgegennehmen werde. RA Scharmer sagt, er sei auch überrascht, dass es zu der Mailadresse Ermittlungen gebe, die sie nicht kennen würden, das hätte ggf. den Antrag entbehrlich gemacht. Er rege an, so Scharmer, dass diese zu den Akten gereicht werden und dann werde ggf. der Antrag zurückgenommen. OStA Weingarten: „Wenn wir alles, was wir in der Zeitung lesen, was sich als Humbug [phon.] erweist, zu den Akten reichen würden, dann wäre das nicht sinnvoll.“ Wenn der Senat aus freibeweislicher Sicht [phon.] diese Akten haben wolle, dann stehe man nicht dagegen, aber er sehe nach wie vor keinen Anlass diesen „unergiebigen Hinweis mit unergiebigen Ergebnissen“ [phon.] zur Akte zu reichen. RA Langer sagt, die Akte enthalte ja auch den Ordner „Sonstige Zuschriften“, vielleicht könne man es in dem Umfang einreichen. Götzl: „Beschluss: Die Hauptverhandlung wird unterbrochen und fortgesetzt am Mittwoch, 31.08., um 09:30 Uhr.“ Der Verhandlungstag endet um 16:08 Uhr.

Das Blog „nsu-nebenklage„: „Zwei ehemalige Staatsschutzbeamte aus Jena, die jahrelang gegen die Mitglieder der Kameradschaft Jena bzw. des Thüringer Heimatschutzes ermittelt hatten, waren heute auf Antrag der Verteidigung Wohlleben geladen. Allerdings konnte nur einer von beiden vernommen werden, der andere war erkrankt. Die Vernehmung geriet mal wieder zu einer zähen, ermüdenden Selbstdarstellung des Verteidigers Klemke, denn der Zeuge sagte keineswegs das aus, was sich die Verteidigung erhofft hatte. Er schilderte nicht, dass Wohlleben keine ausländerfeindliche Politik gemacht habe, sondern teilte mit, dass Wohlleben ab 1996 alle Aktivitäten der NPD und von Kameradschaften so organisierte, dass er selbst ‚clever‘ im Hintergrund blieb, und nannte eine ganze Reihe von Beispielen für rassistische und ausländerfeindliche Aktionen. So musste Klemke mal wieder versuchen, den Zeugen als unglaubwürdig darzustellen. Und obwohl der sich zuvor mit Feststellungen wie der, ‚mit 2% Ausländeranteil in Thüringen‘ sei die Situation nicht zu vergleichen gewesen ‚mit den Problemen in den alten Bundesländern‘, als wenig links dargestellt hatte und von der NPD und anderen rechtskonservative Parteien geredet hatte, versuchte Klemke ihm dennoch zu unterstellen, er habe Gewalt gegen die NPD gutgeheißen. […] Letztlich erläuterte die Nebenklage ihre von den Rechtsanwälten HeerStahlSturm beanstandeten Fragen. Bundesanwalt Diemer erklärte, wenn die Angeklagte Zschäpe die Stellung von Fragen erheblich erschwere, da nur en bloc Fragen gestellt werden könnten, dann müssten in einem solchen Fragenkatalog auch sehr weitreichende Fragen zulässig sein. Anschließend beantragte die BAW, die Beweisanträge der Nebenklage zur nationalsozialistischen Ideologie, zum Rassismus und zum militanten Ausländerhass des Angeklagten Wohlleben abzulehnen . die politische Einstellung Wohllebens und damit auch sein Motiv für das Besorgen der Mordwaffe sei hinreichend belegt, für solche Beweisanträge daher kein Platz mehr. Damit lädt die Bundesanwaltschaft das Gericht ein, erneut einen Teil der Beweiswürdigung aus dem Urteil vorab in Beschlussform zu bringen. Sollte das Gericht die Anträge mit dieser Begründung ablehnen, bestünde kein Anlass mehr, mit weiteren Anträgen hinsichtlich Wohlleben nachzulegen.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2016/08/02/02-08-2016/

Der Beitrag Protokoll 305. Verhandlungstag – 02. August 2016 erschien zuerst auf NSU Watch.

Protokoll 336. Verhandlungstag – 17. Januar 2017

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An diesem Prozesstag wird zunächst geklärt, dass der Antrag der Verteidigung von Beate Zschäpe, die Gutachtenerstattung durch Prof. Dr. Saß mitzuschneiden, abgelehnt wird. Danach beginnt dieser sein psychiatrisches Gutachten über die Beate Zschäpe vorzutragen.

Sachverständiger:

  • Prof. Dr. Henning Saß (Psychiatrisches Gutachten über die Angeklagte Beate Zschäpe)

Der Verhandlungstag beginnt um 09:45 Uhr. Zschäpes Verteidiger RA Borchert und RA Stahl sind nicht anwesend. Der psychiatrische Sachverständige Prof. Dr. Saß ist anwesend.

Nach der Präsenzfeststellung verkündet Götzl den Beschluss, dass sämtliche Anträge der Zschäpe-Verteidiger_innen Sturm, Stahl, Heer bzgl. des Themas, die Gutachtenerstattung von Prof. Dr. Saß vollständig akustisch bzw. durch einen „berufsmäßigen Tastschreiber“ oder Stenografen aufzeichnen zu lassen, sowie der Antrag auf eine dienstliche Erklärung des SV dazu, ob er im Fall der Aufzeichnung seine Unbefangenheit tangiert sieht oder ob aus seiner Sicht als erfahrener SV sonstige Bedenken gegen eine Aufzeichnung bestehen, abgelehnt sind. Zur Begründung führt er aus, dass der Antrag zur dienstlichen Stellungnahme abzulehnen gewesen sei, weil es im Hinblick auf die Zulässigkeit der akustischen Aufnahme der gutachterlichen Äußerungen und deren mögliche Auswirkungen auf die Wahrheitsfindung nicht auf die subjektive Sicht des SV oder dessen Bewertung ankomme, sondern ausschließlich auf die Beurteilung durch den Senat.

Zu den weiteren Anträgen sagt Götzl, dass Ton- und Filmaufnahmen in der Hauptverhandlung zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts unzulässig seien. Andere Tonaufzeichnungen, die nicht den genannten Zwecken dienen, seien von diesem Verbot nicht umfasst. Ob solche Tonaufzeichnungen zugelassen werden, liege im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters. Bei der Ermessensausübung sei den Grundsätzen über die Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Verfahrensbeteiligten und der Wahrheitserforschungspflicht besonderes Gewicht beizumessen. Die in diesem Zusammenhang bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigenden Gesichtspunkte hätten zur Ablehnung des Hauptantrags geführt, weil eine Tonaufnahme die Wahrheitsfindung beeinträchtigen könne. Zeugen und andere Auskunftspersonen, zu denen auch SV zählten, dürften keinen verfahrensfremden Einwirkungen ausgesetzt werden, die deren Angaben beeinflussen und beeinträchtigen können. Das Besprechen eines Tonbandes löse bei vielen Betroffenen eine Hemmung aus, frei und unbefangen zu reden. Die Aufzeichnung einer mündlichen Erklärung auf einen Tonträger eröffne zudem die Möglichkeit, das gesprochene Wort immer wieder abzuhören, zu analysieren und zu überprüfen.

Eine derartige Analyse am Wortlaut des Gutachtens sei nach den Ausführungen der Antragsteller geplant. Zudem sei beabsichtigt, Prof. Dr. Faustmann mit der Erstattung eines Gutachtens zu beauftragen, das sich in methodischer Hinsicht mit dem in der Hauptverhandlung noch zu erstattenden Gutachten von Prof. Dr. Saß auseinandersetzen soll. Nachdem Faustmann derzeit an der Hauptverhandlung jedoch nicht teilnehmen könne, seien ihm laut den Antragstellern die Anknüpfungstatsachen valide zu vermitteln, was bestmöglich durch ein aus einer Aufzeichnung seiner mündlichen Gutachtenerstattung gewonnenes Wortprotokoll erfolgen könne. Es bestehe jedoch bei dieser Sachlage die Gefahr, dass Aussagen und Erklärungen in Kenntnis ihrer Aufzeichnung, auch bei einer möglichen Einwilligung des SV und seiner subjektiven Einschätzung keine Einwände gegen die Aufnahme zu haben und durch die Aufnahme auch nicht beeinträchtigt zu sein, nicht frei und unbelastet erfolgen, so dass ihr sachlicher Inhalt falsch gewichtet wird.

Diese Einschätzung des Senats beruhe auf den in dem vorliegenden Verfahren bestehenden Besonderheiten. Die ohnehin auf Grund der Vielzahl der Verfahrensbeteiligten und des nicht unerheblichen Interesses der Öffentlichkeit und der Medien an dem vorliegenden Verfahren bestehende besondere psychische Belastung aller Verfahrensbeteiligten und damit auch des SV werde durch die Aufzeichnung seines mündlich zu erstattenden Gutachtens in verfahrensfremder Art und Weise verstärkt. Dass eine derartige Folge bei dem „forensisch außerordentlich erfahrenen Sachverständigen“ nicht zu befürchten wäre, sei für das vorliegende Verfahren eine reine Spekulation der Antragsteller. Gerade auch das angekündigte privat in Auftrag gegebene methodenkritische Gutachten zur Überprüfung des Gutachtens von Saß hebe neben den ohnehin bestehenden Besonderheiten diese Situation aus der Vielzahl der vom SV bereits erstatteten Gutachten und seiner forensischen Erfahrung heraus. Der SV sei sicherlich forensisch außerordentlich erfahren. Hinweise darauf, dass er aber auch erfahren darin ist, dass in einem Verfahren wie dem vorliegenden, sein mündlich erstattetes Gutachten auf einen Tonträger fixiert wird, so dass ihn diese Vorgehensweise vor dem gesamten bereits dargestellten Hintergrund nicht beeinträchtigen würde, seien aber nicht vorhanden.

Auch eine mögliche Zustimmung des SV zu den Tonaufnahmen könne auch vor dem Hintergrund der Persönlichkeit des SV von der Befürchtung getragen sein, er setze sich bei Verweigerung der Einwilligung dem Verdacht aus, seine Ausführungen seien nicht hieb- und stichfest. Diese Folge sehe der Senat wegen der Besonderheiten des vorliegenden Verfahrens als naheliegend an und nicht, wie die Antragsteller meinten, als realitätsfern. Die Wahrheitsfindung, die der Sachverständige durch Vermittlung der notwendigen Sachkunde an das Gericht befördern solle, sei somit bei einer Tonaufnahme gefährdet. Bei dieser Sachlage könne es auch dahinstehen, ob sich andere Verfahrensbeteiligte dadurch beeinträchtigt fühlen würden. Ein Bedürfnis der Verteidigung für eine wörtliche Mitschrift, die anhand der Tonaufnahme angefertigt werden soll, sei nicht erkennbar. Götzl fasst kurz die Argumentation der Antragsteller zusammen, dann sagt er, dass die Antragsteller ausgeführt hätten, es komme bei der Bewertung des methodischen Vorgehens des SV Saß auch auf Nuancen an. Götzl: „Dieser Vortrag überzeugt nicht.“

Für eine sachgerechte Vorbereitung der effektiven Ausübung des eigenen Fragerechtes der Antragsteller und die qualitativ hochwertige Information des hinzugezogenen Prof. Dr. Faustmann würden, wie auch sonst während der über 330 Tage dauernden Hauptverhandlung, die Mitschriften, die jeder Prozessbeteiligte und auch das Gericht anfertigten, ausreichen: „Es kommt in diesem Zusammenhang auch bei der geplanten Fertigung eines methodenkritischen Gutachtens auf den Inhalt und nicht auf den exakten Wortlaut der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Saß an.“ Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Verteidigung Zschäpe aus mehreren RAen besteht und diese ihre Mitschriften vergleichen und ggf. ergänzen könnten, was zu einer ausreichend hohen „Richtigkeitsgewähr“ der Mitschrift führe. Dem von der Verteidigung vorgetragenen Interesse an einer exakten Dokumentation des Gutachtens werde dadurch entsprochen, dass der SV vom Vorsitzenden dazu angehalten werde, seine mündlichen Ausführungen langsam und deutlich vorzutragen, so dass den Antragstellern sowie den übrigen Prozessbeteiligten die eigene Protokollierung, wie im gesamten bisherigen Verlauf der Hauptverhandlung, möglich sein werde.

Der Hinweis der Verteidigung, die Tonaufzeichnung sei im Ergebnis nichts anderes als eine stenographische Mitschrift, die aber zulässig sei, verfange nicht, weil in einem Stenogramm lediglich festgehalten werde, was die Schreibkraft subjektiv von den Äußerungen des SV verstanden hat und weil es bei einem Stenogramm nicht zu den möglichen Auswirkungen einer Tonaufnahme auf den SV komme. Unter Berücksichtigung dieser Umstände überwiege dann bei der Abwägung das Interesse an der unbeeinträchtigten Wahrheitsfindung gemäß § 244 Abs. 2 StPO. Auch die gestellten Hilfsanträge hätten nach Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens abgelehnt werden können, denn sie setzten eine Tonaufzeichnung voraus. Eine gerichtliche Anordnung der Mitschrift durch einen „berufsmäßigen Tastschreiber“ oder Stenografen erfolge nicht, weil eine wörtliche Fixierung des Inhalts der Ausführungen des SV, wie oben dargelegt, nicht erforderlich sei.

Gegen die Hinzuziehung eines Tastschreibers oder Stenografen zur Anhörung des SV würden aber weiterhin keine Bedenken bestehen. Von dieser Möglichkeit hätten die Antragsteller in der Vergangenheit auch bereits Gebrauch gemacht. Eine gleichzeitige Feststellung, dass die für die Zuziehung einer derartigen Hilfsperson zu tätigenden Aufwendungen notwendig sind [= Kostenübernahme], sei nicht zu treffen gewesen, weil die Notwendigkeit einer wörtlichen Protokollierung nicht bestehe. Die hohe Qualität der Mitschrift durch die Verteidiger werde dadurch sichergestellt, dass der Angeklagten mehrere RAe zu Seite stehen. Durch die Mehrzahl der Verteidiger sei die Validität der Mitschrift auch dann gewährleistet, wenn einer der Verteidiger den SV befragt und sich deshalb nicht voll auf die Mitschrift konzentrieren kann.

RA Heer: „Angesichts des Umfangs und der Bedeutung des soeben verkündeten Beschlusses würden Frau Kollegin Sturm und ich uns diese Zwischenentscheidung erst einmal anschauen. Wir beantragen daher die Erteilung einer Abschrift und die Unterbrechung der Hauptverhandlung für 30 Minuten ab Erhalt der Kopien.“ Götzl: „Wie lange benötigen Sie für die Ablichtung? Ich denke, wenn wir um 45 fortsetzen, haben wir ausreichend Zeit. Dann wird die Hauptverhandlung bis 10:45 Uhr unterbrochen.“ Um 10:43 Uhr kommt die Durchsage, dass die Verhandlung erst um 11:45 fortgesetzt werden soll. Um 11:47 Uhr folgt die Mitteilung, dass es um 12 Uhr weiter gehen soll. Um 12:07 Uhr geht es dann tatsächlich weiter.

Götzl: „Wer möchte das Wort?“ Heer verliest eine Gegenvorstellung gegen den heute morgen verkündeten Beschluss. Die Gegenvorstellung argumentiert, dass eine umfassende, und damit ordnungsgemäße Ermessensausübung bei dem Beschluss nicht vorliege, wodurch eine Behinderung der Verteidigung eintreten würde. Der Senat verkenne, dass gerade angesichts der Besonderheiten dieses Verfahrens entweder bereits eine Beeinflussung der Unbefangenheit von Auskunftspersonen bestehe oder aber eine solche aufgrund der akustischen Aufzeichnung nicht mehr verstärkt werden könne. Der Senat werfe den Antragstellern vor, es handele sich bei der Annahme, solche Auswirkungen würden bei einem derart erfahrenen SV wie Saß nicht eintreten, sei reine Spekulation. Wenn aber der Senat es als naheliegend ansehe, dass bei einer Tonbandaufnahme die Wahrheitsfindung gefährdet sei, dann sei diese ebenso oder noch mehr eine Spekulation, weil der Senat insoweit keine einzige tatsächliche Erwägung anstelle. Der Senat ziehe nicht ausreichend in Betracht, dass Saß kein Zeuge sei, der ein einmaliges Erlebnis aus der Erinnerung reproduzieren soll, sondern ein SV, der aufgrund einer über viele Jahre hinweg praktizierten Methodik Ausführungen vornehmen soll.

Der Antrag auf Einholung einer dienstlichen Erklärung habe nicht lediglich darauf gezielt, dass Saß angeben sollte, ob er für sich die Gefahr einer Beeinflussung sehe, sondern auch darauf, dass Saß sich als SV mit langjähriger Erfahrung zu dem Thema äußert. Nur dadurch könne rein spekulativen Erwägungen Einhalt geboten werden. Zudem sei der SV anzuhalten, sich dienstlich dazu zu äußern, ob er selbst Erfahrungen mit solchen Aufzeichnungen hat, also ob von ihm in einer Hauptverhandlung erstattete Gutachten bereits aufgezeichnet wurden. Es bestehe aufgrund der jahrzehntelangen Tätigkeit des SV Grund zu der Annahme, dass er auch bereits vor einem Strafsenat des OLG Düsseldorf ein solches Gutachten erstattet hat: „Soweit uns bekannt ist, ist die Aufzeichnung der Hauptverhandlung vor dem OLG Düsseldorf zu senatsinternen Zwecken der Regelfall.“

Der Senat nehme an, so Heer weiter, dass Saß bereits deshalb unter einer besonderen Belastung stehe, weil bereits ein methodenkritisches Gutachten zur Überprüfung seines Gutachtens in Auftrag gegeben worden sei. Dies verfange deshalb nicht, so Heer, weil es dann auf die beantragte Aufzeichnung bzw. Verschriftung nicht mehr ankomme; der Senat hätte hierzu im konkreten Fall zumindest durch eine entsprechende Befragung von Saß ergründen müssen, ob eines seiner früher erstatteten Gutachten bereits Gegenstand eines methodenkritischen Gutachtens war. Denn eine hierbei bestehende Erfahrung würde, so Heer, die potenzielle Gefahr einer Beeinflussung reduzieren. Heer: „Angenommen, schon durch die Erwähnung des methodenkritischen Gutachtens würde eine Belastung für den Sachverständigen eintreten, die die Wahrheitsfindung gefährden würde, wäre im Falle des Zeugenbeweises stets der Beweiswert schon durch das Inaussichtstellen eines Glaubhaftigkeitsgutachtens potenziell gefährdet.“ Der Senat nehme es offenbar als unumstößliche Gesetzmäßigkeit hin, dass durch die Aufzeichnung eine die Wahrheitsfindung gefährdende Beeinflussung stattfindet. Der Umstand, dass der Gesetzgeber eine Aufzeichnung nicht verbietet, verdeutliche aber das Gegenteil. Die „fehlerhafte Ermessensausübung“ des Senats sei auch an weiteren „reinen Spekulationen“ zu erkennen.

Der Senat erwäge, dass auch eine mögliche Zustimmung des SV zu den Tonaufnahmen vor dem Hintergrund der Persönlichkeit des SV von der Befürchtung getragen sein könne, er setze sich bei Verweigerung der Einwilligung dem Verdacht aus, seine Ausführungen seien nicht hieb- und stichfest, ohne auch nur einen diesbezüglichen konkreten Anhaltspunkt zu der Persönlichkeit des SV, von der der Senat auszugehen scheine, zu benennen. Außerdem stelle der Senat auf die Verteidigung Zschäpes durch mehrere RAe ab, lasse aber die ihm anhand zahlreicher Anträge auf Aufhebung der Verteidigerbestellungen und entsprechende Stellungnahmen bekannten Problematiken vollständig außer Acht. Auch müsse sich eine qualitative Bewertung der Mitschriften der Verteidiger dem Senat mangels Kenntnis zwangsläufig entziehen. Eine Vergleichbarkeit der Bedeutung des Gutachtens des SV Saß mit vorangegangenen Beweiserhebungen sei von vornherein verfehlt. Der Senat weise zwar darauf hin, dass bei einem Stenogramm die in dem Beschluss aufgeführten Risiken nicht bestünden, gehe aber nicht näher darauf ein.

Heer: „Er ersetzt dadurch die aufgrund ihrer eigene Expertise als Verteidiger vorgenommene Bewertung der Notwendigkeit einer solchen Aufzeichnung der Antragsteller durch die von ihm aufgestellte Behauptung, dass dies nicht erforderlich sei. Da es für das methodenkritische Gutachten darauf ankommt, was und wie der Senat die gutachterlichen Ausführungen versteht, dient eine wortgetreue Aufzeichnung diesem Zweck am ehesten.“ Abschließend sei, so Heer, anzumerken, dass der Senat verkenne bzw. es jedenfalls nicht berücksichtige, dass bereits seine ablehnende Entscheidung jedenfalls potenziell geeignet sein könne, den SV zu beeinflussen, was ja gerade vermieden werden solle.

Götzl: „Zum Prozedere hinsichtlich Stellungnahmen. Wir werden es natürlich kopieren lassen. Soll sogleich dazu Stellung genommen werden?“ OStA Weingarten: „Herr Vorsitzender, wir sind der Auffassung, dass die tragenden Argumente hinlänglich ausgetauscht worden sind. Wir halten den Beschluss des Senats für richtig und ausgewogen. Die Gegenvorstellung gibt nur zu einer Richtigstellung in einem Punkt Anlass: Am OLG Düsseldorf wurde für justizinterne Zwecke aufgezeichnet. Dort unterscheidet sich der Sachverhalt ganz erheblich insofern, als die Aufzeichnung weder an Verfahrensbeteiligte geht und schon gar nicht an externe Sachverständige.“ Götzl: „Wir werden es kopieren in der Pause, die wir einlegen, auch um die Gegenvorstellung zu beraten. Dann wird die Hauptverhandlung unterbrochen. Wir setzen fort um 13:15 Uhr.“ In der Pause findet sich nun auch Zschäpe-Verteidiger RA Borchert ein. Um 13:17 Uhr wird verkündet, dass die Verhandlung um 14 Uhr fortgesetzt werden soll. Um 14:07 Uhr geht es weiter.

Götzl: „Dann setzen wir fort. Herr Borchert, ich darf Sie begrüßen.“ Dann verkündet Götzl den Beschluss, dass der Antrag, den SV Saß dazu anzuhalten, sich dienstlich darüber zu äußern, ob er Erfahrungen mit solchen Aufzeichnungen hat, abgelehnt wird, und dass es ansonsten bei dem heute morgen verkündeten Beschluss „sein Bewenden“ hat. Der Umstand, ob der SV Erfahrungen mit Aufzeichnungen habe, sei für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung. Es sei nicht sachgerecht, eine dienstliche Erklärung zu Umständen einzuholen, die keine Bedeutung haben. Ansonsten könne der Senat kann keine Gründe erkennen, seinen Beschluss abzuändern. Dazu führt Götzl u.a. aus, es habe eine umfassende Ermessensentscheidung stattgefunden; der Vortrag der Gegenvorstellung, eine mögliche externe Beeinflussung von Auskunftspersonen könnte durch eine Aufzeichnung nicht mehr verstärkt werden, sei nicht nachvollziehbar.

Götzl: „Dann würden wir zu Ihrem Gutachten kommen, Herr Prof. Dr. Saß. Ich würde Sie bitten, dass Sie hier vorne Platz nehmen.“ Saß setzt sich zur Gutachtenerstattung an den Zeugentisch. Götzl belehrt Saß. Dann gibt Saß seine Personalien an: „Dr. med. Henning Saß, 72, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Professor für forensische Psychiatrie, Uniklinikum Aachen, nicht verwandt und nicht verschwägert.“ Götzl: „Nochmal der Hinweis: Ich würde Sie bitten, im Hinblick auf die Mitschriften sehr langsam zu sprechen und es langsam zu erläutern. Gegebenenfalls werde ich nochmal darauf hinweisen, aber dass Sie es von vornherein in Rechnung stellen.“ Götzl sagt, es gehe bei der Gutachtenerstattung letztlich um drei Aspekte: Um die Voraussetzungen aus sachverständiger Sicht hinsichtlich § 66 StGB [Unterbringung in der Sicherungsverwahrung], „Bereich Hang/Gefährlichkeitsprognose“. Dann gehe es um die Frage einer verminderten oder aufgehobenen Steuerungsfähigkeit/Schuldfähigkeit unter dem Aspekt der Alkoholisierung und um die Frage der Voraussetzungen einer möglichen Unterbringung nach § 64 [Unterbringung in einer Entziehungsanstalt]. Götzl: „Den Aufbau überlasse ich Ihnen.“

Saß sagt, er werde ein Gutachten erstatten zu den psychopathologischen Voraussetzungen für die Fragen der Schuldfähigkeit, einer evtl. Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und einer evtl. Unterbringung in der Sicherungsverwahrung. Er habe zur Vorbereitung einen Schriftsatz eingereicht, datiert auf den 19.10.2016. Allerdings seien inzwischen angesichts der Entwicklung seither erhebliche Erweiterungen und Änderungen erfolgt, etwa hinsichtlich des zwischenzeitlich eingeführten Briefs von Zschäpe an „Robin S.“ [Schmiemann] und hinsichtlich der Ausführungen des Zeugen Gr. [317. Verhandlungstag] sowie des Zeugen Se. [324. Verhandlungstag] sowie der Aussage des Zeugen Br. [333. Verhandlungstag]. Saß: „Die im Senatsbeschluss vom 12.01.2017 genannten Mindestanforderungen der Arbeitsgruppen beim BGH aus den Jahren 2005 und 2006, an deren Entwicklung und Publikation ich mitgewirkt habe, sind im Gutachten berücksichtigt.“ Diese Mindestanforderungen, so Saß weiter, seien Empfehlungen und nicht Leitlinien oder gar Vorschriften.

Dort heiße es, sie seien keine verbindlichen Mindeststandards: „Im Übrigen läuft gerade eine Arbeitsgruppe zur Revision dieser Standards, an der ich beteiligt bin, so dass mir diese Thematik gut geläufig ist.“ Die Mindestanforderungen würden, so Saß, also einen allgemeinen Rahmen für die Gutachtenerstellung beschreiben, der je nach den Bedingungen und Möglichkeiten des Einzelfalles auszugestalten sei. Die Ausführungen der Verteidiger Zschäpes vom 331. und 332. Verhandlungstag zu seiner vorläufigen Stellungnahme gäben ihm die Gelegenheit, einige Verdeutlichungen vorzunehmen, um möglichen Missverständnissen entgegenzuwirken. Hauptaspekte dabei seien die „Explorationsfrage“, zweitens das „Problem der Subjektivität“ und die geäußerte Sorge einer „Psychopathologisierung und Psychiatrisierung“.

Er stütze sich an Material auf die Beobachtungen und Informationen aus der Teilnahme an der „weit überwiegenden Zahl der Hauptverhandlungstage“. Dabei beschränke er sich im Gutachten auf Anknüpfungstatsachen aus der Hauptverhandlung: „Wegen des Austausches, den es hierzu gegeben hat, werde ich mich, was eigene Beobachtungen der Angeklagten angeht, beschränken auf Wahrnehmungen innerhalb der Hauptverhandlung und damit alternativ umgehen, d.h. sie zum einen zugrunde legen und zum anderen außer Acht lassen.“ Saß sagt, er werde, was die im Senatsbeschluss vom 12.01.2017 angesprochenen Beweisverwertungswidersprüche bzw. -verbote angeht, versuchen, dies zu berücksichtigen. Sofern er Verhandlungstermine versäumt habe, an denen für ihn relevante Inhalte behandelt wurden, stütze er sich auf die Unterrichtungen durch den Vorsitzenden und die Ergänzungen durch Verfahrensbeteiligte. Außerdem habe er in elektronischer Form die Akten zur Verfügung gehabt bis hin zu letzten Nachlieferung, die er heute bekommen habe.

Er wolle dann noch sagen, dass auch für den psychiatrischen Gutachter eine Besonderheit dieses Verfahrens in der langen Dauer und in der Fülle der vorhandenen Materialien liege. Daher könne es am Ende ggf. noch Ergänzungen und Korrekturen hinsichtlich dessen geben, was schließlich der Beurteilung zugrundezulegen ist. Außerdem werde er seine Ausführungen am Ende in alternativer Form fassen. Auf die Frage, ob in der vorliegenden Sache ein Gutachten auch erstattet werden kann, wenn keine Möglichkeit zu einer persönlichen Exploration der Angeklagten bestand, wolle er wegen der Einwände der Verteidigung näher eingehen. Von der Angeklagten bzw. ihrer damaligen Verteidigung sei vor Beginn der Hauptverhandlung die Mitwirkung an einer Exploration schriftlich abgelehnt worden. Daran habe sich auch später und nachdem weitere Verteidiger hinzu gekommen seien, nichts geändert. Saß: „Ein psychiatrisches Untersuchungsgespräch mit einem Wechselspiel von gezielten Explorationsfragen und unmittelbar darauf gegebenen Antworten stellt selbstverständlich die beste Basis für eine Begutachtung dar.“

Allerdings komme es im forensischen Kontext immer wieder vor, dass eine Mitwirkung nicht möglich ist, insbesondere wenn es um die Frage einer Sicherungsverwahrung gehe. Insofern sei es nicht ungewöhnlich, dass ein Gutachten auf Grundlage der Informationen aus der Hauptverhandlung erstattet wird. Natürlich müsse sich der Gutachter die Frage stellen, ob diese Informationen ausreichen, um eine Stellungnahme zu den im Gutachtensauftrag formulierten Fragen möglich zu machen. Seines Erachtens, so Saß, sei dies im vorliegenden Fall gegeben. Es liege sogar, gemessen an anderen Gutachtenskonstellationen, sehr viel Material vor, das aus der Hauptverhandlung zu gewinnen gewesen sei. Deshalb erscheine es ihm „tendenziös und irreführend“, von einem „ferndiagnostischen Eindruck“ zu sprechen, wie es in einem Schriftsatz der Verteidigung heiße. Saß: „Darüber hinaus werden dort viele Äußerungen von Experten angeführt, die, wie ich auch, die Exploration für sehr wichtig halten.“ Das ändere aber nichts daran, dass auch diese Autoren in entsprechenden Situationen Gutachten ebenfalls ohne persönliche Exploration erstattet haben. Das gelte auch für die „als Kronzeugen dieser Auffassung“ zitierten Handbuchautoren. [phon.] Saß: „Erinnert sei an die seinerzeitige Begutachtung von Frau Ulrike Meinhof durch Prof. Witter.“

Es sei ihm, so Saß, unter den herausragenden Fachvertretern der Gegenwart keiner bekannt, der grundsätzlich eine Begutachtung ablehnt [phon.], wenn eine Exploration fehlt, weil der Proband die Mitwirkung verweigert hat. Saß: „Ähnlich abwegig erscheint die Ansicht, beim Fehlen einer psychiatrischen Diagnose gehe die Zuständigkeit auf Sachverständige aus Psychologie oder Kriminologie über. In der forensischen Psychiatrie gehören Kenntnisse in Psychologie, Kriminologie, Rechtsmedizin und anderen Disziplinen zur Ausbildung wie zum Praxisfeld.“ Saß nennt die „Zeitschrift für Forensische Psychiatrie, Psychologie und Kriminologie“. Saß: „Auch wenn es, wie hier, um die Einschätzung von Verhaltensweisen und Persönlichkeitsmerkmalen geht, die weitgehend im gesunden Bereich liegen, so verfügt der Psychiater über einen breiten empirischen Hintergrund zur Beurteilung.“ Dies werde auch in der psychiatrischen Psychotherapie deutlich, bei der es ja nicht nur um pathologische Störungen gehe, sondern um das Erleben und Verhalten von gesunden Menschen in schwierigen, belastenden Lebensumständen oder Konflikten.

Saß zitiert dann aus den Mindestanforderungen für Schuldfähigkeitsgutachten: „Es gehört zu einer sorgfältigen forensischen Begutachtung im psychiatrisch/psychotherapeutischen und psychologischen Bereich, dass diagnostisch auch auf die Persönlichkeit und eine eventuelle Persönlichkeitsstörung eingegangen wird.“ Ferner werde dort, so Saß, auch der Begriff der „akzentuierten Persönlichkeit“ verwendet, der bedeute, dass man sich unterhalb der Schwelle der Persönlichkeitsstörung im Sinne der psychiatrischen Diagnostik befindet. [phon.] Saß: „Natürlich besitzen im vorliegenden Fall wegen der fehlenden Mitwirkung an einer Untersuchung die Informationen und Wahrnehmungen aus der Hauptverhandlung eine besondere Bedeutung. Dazu gehören auch die äußeren Aspekte des individuellen Verhaltens und der beobachtbaren Interaktion mit anderen Personen. Von besonderem Interesse ist dabei die Psychomotorik, wobei dieser Begriff das Gesamt der durch psychische Vorgänge geprägten Bewegungen umfasst. Es wird also davon ausgegangen, dass die Psychomotorik das Resultat einer Integration von psychischen und motorischen Funktionen darstellt, weshalb sich psychische Sachverhalte mehr oder weniger auch im Bewegungsspiel widerspiegeln. Im Alltagsverständnis wird dies mit dem Begriff der Körpersprache umschrieben.“

Für den „geschulten Psychiater“ ließen sich, so Saß weiter, aus der Beobachtung von Motorik, Körperhaltung, Mimik und Gestik, also dem so genannten Ausdrucksverhalten, Rückschlüsse „auf die psychische Verfassung, auf die Gestimmtheit und auf die emotional-affektive Reagibilität“ ziehen. Dies fließe in die Beurteilung der Persönlichkeit ein und ergänze sonst vorliegende Informationen etwa aus Biographie mit familiärem, schulischem und beruflichem Werdegang, und aus Zeugenschilderungen von Bezugspersonen und Beobachtern, die die Betroffene in früherer Zeit erlebt haben. Die Beobachtungen des Ausdrucksverhaltens im eben beschriebenen Sinne und die von außen wahrzunehmenden Interaktionen von Zschäpe während des Verfahrens werde er hier zunächst nicht im Einzelnen wiederholen, so Saß: „Sie geben die Eindrücke des Untersuchers und damit verbundene Rückschlüsse auf die psychische Verfassung der Angeklagten wieder.“ Soweit es um die Interaktion mit anderen Personen gehe, stehe diese Einschätzung unter dem Vorbehalt, dass es keinerlei Kenntnis über den Inhalt der Interaktionen gab. Saß: „Von daher ist der subjektive Charakter der Einschätzungen durch den Gutachter zu betonen, die allerdings auf dem empirischen Erfahrungshintergrund jahrzehntelanger Untersuchungen und Beobachtungen im forensischen Bereich beruhen.“

Gerade der Begriff der „subjektiven Einschätzung von Verhaltensbeobachtungen“ habe bei den Verteidigern von Zschäpe Anstoß erregt. Deshalb wolle er darauf näher eingehen. Bei der Beschreibung und Interpretation „seelischer Phänomene“ könne die Subjektivität nicht eliminiert werden: „Zur Erfassung der gesunden wie der abnormen oder gestörten Psyche stehen nur in ganz geringem Umfang messbare Daten im naturwissenschaftlichen Sinne zur Verfügung. Seelisches Leben spielt sich im Subjektiven ab, und dies gilt auch für dessen Beurteilung. Im psychischen Befund und seiner Interpretation entscheidet am Ende, ob das Beschriebene mitsamt seiner Bewertung nachvollziehbar erscheint. Insofern werden bei der Beschreibung und Bewertung seelischer Phänomene in weiten Bereichen keine unumstößlichen Fakten behauptet, sondern es wird ein Verstehenshintergrund vorgestellt, bei dem dann der Empfänger des Gutachtens entscheidet, ob das Vorgetragene einleuchtend und überzeugend ist.“

Wichtig sei vor allem, dass nicht fälschlich der Eindruck objektiv feststehender Tatsachen erweckt wird. Die Verteidiger hätten bei der Erwähnung von Verhaltensweisen Formulierungen wie „wirkt so“, „erweckt den Eindruck von“ oder „augenscheinliches Interesse“ kritisiert. Saß: „Damit sollte von mir gerade ausgedrückt werden, dass es sich um subjektive Bewertungen handelt.“ Es handele sich um eine Differenzierung zwischen Beobachtung und Interpretation und sei ein Gebot der Transparenz. Saß: „Prüfstein für die vorgetragenen Bewertungen bleibt, ob sie im Kontext aller Informationen – und nicht als kurzes herausgerissenes Zitat – Plausibilität aufweisen.“ Dies als methodischen Fehler hinzustellen, gehe an der Realität der Befunderhebung und Befundbeschreibung im psychischen und psychopathologischen Bereich vorbei. Man möge vielleicht bedauern, dass in der Forensischen Psychiatrie experimentelle, naturwissenschaftlich objektivierende Verfahren kaum zur Verfügung stehen, aber es gehe nicht anders [phon.].

Saß: „Unbeschadet dessen unterliegen die Erhebung eines psychischen Befundes, seine Interpretation und die diagnostische Bewertung den Regeln eines wissenschaftlichen Vorgehens. Bei der forensisch-psychiatrischen Begutachtung geht es in methodischer Hinsicht um die erfahrungswissenschaftliche Untersuchung eines Einzelfalls. Diese beruht darauf, dass der Sachverständige über den jeweiligen empirisch gewonnenen Erkenntnisstand des Fachgebietes verfügt und aufgrund dessen in der Lage ist, begründete Aussagen über den Einzelfall zu treffen, indem er die individuell gewonnenen Daten und Informationen in Bezug zum generellen Wissensstand des Fachs setzt.“ Zusätzlich könne man, so Saß weiter, in geeigneten Fällen standardisierte Untersuchungsinstrumente zur Einschätzung von Gefährlichkeit und Rückfallrisiken als mögliche Erkenntnisquellen bei der forensisch-psychiatrischen Beurteilung der Kriminalprognose einsetzen. Saß nennt „Violence Risk Appraisal Guide“ und „Psychopathy Checklist Revised“. Diese Instrumente beruhten allerdings auf statistisch an bestimmten Gruppen gewonnenen Wahrscheinlichkeitsaussagen und erlaubten deshalb nur begrenzt Aussagen über einzelne Individuen; außerdem gebe es bedeutsame Fehlerquellen.

Im Falle von Zschäpe kämen weitere Gesichtspunkte hinzu, die gegen die Verwendung dieser Verfahren sprechen [phon.]. Saß nennt das „Problem der Repräsentativität“. Dabei gehe es um die Frage, ob der individuelle Einzelfall durch die Gesamtpopulation, die der Instrumentenentwicklung zugrunde lag, repräsentiert wird. Die üblichen Prognoseinstrumente stützten sich ganz überwiegend auf Untersuchungen an männlichen Straftätern mit aktiver Gewalt- und/oder Sexualdelinquenz. Diese Studien stammten zumeist aus dem angloamerikanischen Sprach- und Kulturraum, wo es um andere soziokulturelle und kriminologische Situationen [phon.] gehe. Empirische Untersuchungen darüber, ob solche Instrumente auch bei Frauen künftige Delinquenz vorhersagen können, hätten bislang heterogene Ergebnisse erbracht. Insbesondere fehle es bei diesen Verfahren an geeigneten Normwerten für weibliche Personen aus unserem soziokulturellen Umfeld. Saß: „Schließlich, und das ist mir im vorliegenden Fall besonders wichtig, mangelt es an Untersuchungen über die Tauglichkeit standardisierter Untersuchungsinstrumente für den speziellen Problemkreis politisch-ideologisch motivierter Straftaten.“ Daher würden in diesem Gutachten zwar einzelne Gesichtspunkte, die in den genannten Verfahren zur Risikoerfassung dienen, als Anhalt für
die Diskussion und die eigene Beurteilung berücksichtigt, so Saß.

Bevor er weitersprechen kann, sagt RAin Sturm: „Es tut mir leid, dass ich da kurz stören muss. Ich kann nur sagen, es ist mir tatsächlich schlicht unmöglich.“ Götzl: „Herr Prof. Saß soll etwas langsamer sprechen? Okay.“ Sturm: „Und eine Pause machen, da es höchst anstrengend ist.“ Saß: „Darf ich dazu sagen: In ungefähr zwei, drei Minuten ist der methodologische Vorspann zu Ende.“ Dann könne man vielleicht eine Pause machen und er bemühe sich langsam zu sprechen, so Saß.

Saß setzt damit fort, dass er wegen der Besonderheiten des Falles auf den Einsatz von standardisierten Prognoseinstrumenten und eine gewichtete Aufsummierung oder gar Angabe numerischer Rückfallwahrscheinlichkeiten verzichte: „Anstelle dessen werde ich also meine Ausführungen auf ein klinisch-idiographisches Beurteilungskonzept stützen, das die Gegebenheiten des Einzelfalles in den Fokus nimmt und deshalb, soweit ich das sehe, mehr als die statistischen Verfahren den rechtlichen Vorgaben bei uns entspricht.“ Dabei gehe es um eine erklärende Rekonstruktion der biographischen Vorgeschichte, die Beschreibung der Persönlichkeit mit ihren Besonderheiten, Stärken und Schwächen und um die Entwicklung der sozialen Orientierungen. Ferner gehe es um die Rekonstruktion der delinquenten Vorgeschichte, eingebettet in die jeweiligen biographischen Zusammenhänge, um die Entwicklung von Handlungsbereitschaften, Werthaltungen und kriminogenen Bedürfnisse. Schließlich sei, so Saß, auch eine Tatanalyse angestrebt, aber wenn dazu keine Informationen vorliegen würden, sei das schwer. Am Ende sei dann auch die seitherige Entwicklung seit den Taten und das gegenwärtige Persönlichkeitsbild zu berücksichtigen. Ganz ähnlich werde das auch in den Mindestanforderungen für Prognosegutachten formuliert. Saß: „Damit wäre ich zunächst mit den methodischen Vorbemerkungen am Ende.“ Es folgt eine Pause von 14:45 Uhr bis 15:03 Uhr.

Götzl: „Herr Prof. Saß, ich würde Sie bitten, noch etwas langsamer den Vortrag zu gestalten. Ich denke, dass wir jetzt eine halbe Stunde den Vortrag fortsetzen und dann eine weitere Pause einlegen.“ Saß: „Ich war mit den Vorbemerkungen zur Methodik durch. Ich werde aber an zwei Stellen nochmal kurz auf das Methodische zurückkommen wegen der erhobenen Einwände. Jetzt möchte ich auf die gesundheitliche Vorgeschichte eingehen.“ Was die medizinische Anamnese angehe, so hätten sich weder aus den Akten noch aus den Informationen in der Hauptverhandlung mit zahlreichen Zeugen, die Zschäpe früher gekannt haben, irgendwelche Hinweise für wesentliche, in diesem Verfahren relevante Gesundheitsstörungen ergeben. Auch nach eigener Einschätzung habe Zschäpe früher keine erheblichen körperlichen oder psychischen Erkrankungen durchgemacht. Es gebe keine Hinweise darauf, dass Zschäpe je an einer relevanten psychischen Störung gelitten hätte, etwa im Sinne einer schizophrenen bzw. bipolaren Psychose, einer Neigung zu depressiven Verstimmungen oder zu Angst- und Zwangsstörungen [phon.]. Saß: „Dass es gelegentlich unter lebenssituativen Belastungen sowie insbesondere als Reaktion auf den Tod der beiden Lebenspartner und den Verlust der bisher gewohnten Existenz mit den Ereignissen vom 04.11.2011 zu passageren suizidalen Gedanken gekommen sei, erscheint zwanglos einfühlbar und spricht nicht
für eine erhöhte Disposition zu psychischen Erkrankungen.“ Das gleiche gelte für eine Periode mit vermehrten Beschwerden, am ehesten psychovegetativer Art, im Frühjahr 2014, die wohl als Reaktion auf prozessbedingte Belastungen anzusehen seien.

Schließlich solle es keinerlei Drogenkonsum und keinen Missbrauch von Medikamenten gegeben haben. Auch für eine klinisch bedeutsame Störung der Impulskontrolle hätten sich keine belastbaren Anhaltspunkte ergeben. Saß: „Zwar soll es in der zweiten Hälfte der 90er Jahre einige Vorfälle gegeben haben, bei denen es zu Tätlichkeiten bzw. Gewaltanwendung gekommen sei, etwa bei einer Auseinandersetzung in einer Diskothek oder bei dem Vorfall mit der Zeugin H. [132. Verhandlungstag]. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Angaben von Zeugen dürfte es sich eher um szenetypische Rohheiten gehandelt haben, zumal seinerzeit körperliche Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Gruppen rechts und links orientierter Jugendlicher häufig vorgekommen seien.“ Ähnliches habe ja auch Wohlleben geschildert. Insofern sei dieses Verhalten von Zschäpe nicht als Ausdruck einer psychischen Störung anzusehen: „Eher wird man darin Hinweise auf Temperament und Energie sehen, wie sie auch in dem noch zu erörternden Brief an Herrn Robin S. [Schmiemann] deutlich werden, einschließlich der dort beschriebenen Wutanfälle.“

Es sei jedoch auf die Frage eines problematischen Alkoholkonsums einzugehen, so Saß: „Dieser wurde allerdings in diesem langen Verfahren erstmals in der Erklärung von Frau Zschäpe am 09.12.2015 thematisiert. Vor Prozessbeginn und bis dahin gab es, wie ich das sehe, weder aus Zeugenschilderungen noch im sonstigen Inhalt des Verfahrens Hinweise auf Alkoholprobleme.“ Auch in der Hauptverhandlung hätten Zeugen aus der Zeit vor dem Untertauchen weder einen kontinuierlichen Alkoholkonsum noch auffällige Zustände von Trunkenheit berichtet. Auch Zeugen zu dem Zeitraum nach dem Untertauchen hätten keine Verdachtsmomente für ein Suchtgeschehen erkennen lassen. Diesbezügliche Angaben der verschiedenen Urlaubsbekanntschaften seien gänzlich unauffällig gewesen, auch Zschäpe selbst habe berichtet, während der Urlaube keinen größeren Konsum betrieben zu haben. Saß: „Hausnachbarn aus den letzten Jahren in der Frühlingsstraße schilderten ein übliches Mittrinken beim geselligen Zusammensein im Keller oder beim Grillen. Zuweilen habe sie, so der Zeuge [Olaf] B. [27. Verhandlungstag], auch mal mehr getrunken, wobei es einmal eineinhalb Flaschen Wein gewesen seien und sie danach betrunken nach oben gegangen sei.“

Aber auch das sei in dieser Umgebung offenbar nicht als auffällig bewertet worden. Zschäpe selbst habe in ihren Erklärungen zum Alkohol ausgeführt, dass sie bis zum Untertauchen 1998 etwa jeden zweiten Tag eine Flasche Wein getrunken habe, danach habe sie das eingestellt; später habe sie nach dem Umzug in die Polenzstraße, also ab etwa 2001, wieder angefangen, Wein und Sekt zu trinken, dies im Durchschnitt jeden zweiten Tag und heimlich, weil die beiden Partner grundsätzlich gegen Alkohol eingestellt gewesen seien. Saß referiert weiter Zschäpes Angaben zu ihrem Alkoholkonsum: Ab Ende 2006 regelmäßig Sekt, über die Jahre gesteigert, zum Schluss zwei bis drei Flaschen über den Tag verteilt; für frühere Jahre habe Zschäpe auch mal drei bis vier Flaschen pro Tag genannt; auch Tage, an denen sie weniger oder gar keinen Alkohol konsumiert habe; bevorzugt habe sie getrunken, wenn die beiden Männer nicht zu Hause gewesen seien, bei deren Anwesenheit nur in ihrem Zimmer und nur so viel, dass es nicht bemerkt worden sei; während der Zeit in der Polenzstraße sei sie regelmäßig etwa zweimal pro Woche angetrunken gewesen, später habe sie in der Frühlingsstraße ihre Trinkgewohnheiten fortgesetzt; allein zu Hause habe sie mehr getrunken, ebenso, wenn sie wieder von Straftaten der beiden erfahren habe; sie habe bei keiner Gelegenheit Entzugserscheinungen gehabt, sei bei Einlieferung in die Haft nicht medikamentös behandelt worden.

Saß: „Soviel zur Alkoholfrage zunächst. Jetzt würde ich auf die Biographie und die frühe Entwicklung eingehen. Ich selber hatte schon in der vorbereitenden Stellungnahme vom März 2013 einen kurzen Abriss der biographischen Entwicklung von Frau Zschäpe gegeben.“ Außerdem stehe dazu etwas in der Anklageschrift und es gebe die Angaben in der Hauptverhandlung. Wobei insbesondere Stefan Apel [61. und 62. Verhandlungstag] von Bedeutung gewesen sei und die Eltern von Böhnhardt und Mundlos [Brigitte Böhnhardt: 57. und 58. Verhandlungstag; Jürgen Böhnhardt: 78. Verhandlungstag; Siegfried Mundlos: 69. und 70. Verhandlungstag; Ilona Mundlos: 102. Verhandlungstag]. Außerdem habe Zschäpe selbst in ihrer Erklärung vom 09.12.2015 Angaben zu ihrem Werdegang gemacht. Er wolle solche Aspekte hervorheben, die aus psychopathologischer und entwicklungspsychologischer Sicht von Interesse seien, so Saß.

Saß: „Ich mache hier einen kleinen Einschub, weil im Schriftsatz der Verteidigung die Formulierung ‚aus psychopathologischer und entwicklungspsychologischer Sicht‘ angegriffen wurde, weil es sich dabei um eine ‚Psychopathologisierung und Psychiatrisierung des Normalen‘ handele. Auch wurde – in allerdings etwas unklarer Argumentation – nahegelegt, dass bei fehlender Feststellung einer ‚Psychopathologie‘ das Gebiet der Psychiatrie ende. Hier handelt es sich offenbar um ein grundlegendes Fehlverständnis eines zentralen Begriffes der Psychiatrie. Psychopathologie ist nicht die Bezeichnung für eine Erkrankung oder psychische Störung, so dass eine ‚Psychopathologie‘ auch nicht fehlen kann, wie im Schriftsatz formuliert wird. Psychopathologie stellt vielmehr die Lehre von der Erkennung, Beschreibung und Ordnung abnormer seelischer Phänomene dar. Dies geschieht vor dem Hintergrund der Kenntnis des gesamten Seelenlebens in seinen gesunden wie in seinen gestörten Formen. Es ist Aufgabe des psychiatrischen Sachverständigen, bei der Untersuchung auf Abnormes auch die Überlappungsbereiche in das nicht krankhaft veränderte Seelenleben zu prüfen. Dies geschieht auch unter Berücksichtigung entwicklungspsychologischer Aspekte der normalen wie auch der gestörten Entwicklung der Persönlichkeit.“

Saß geht wieder zurück zum Thema Biographie. Zschäpe habe, so Saß, in ihrer Erklärung vom 09.12.2015 ihren „komplizierten Lebensgang“ nachgezeichnet. Saß gibt kurz die Darstellung Zschäpes zu ihrem Werdegang wieder bis zur Angabe, dass zur Wendezeit 1989/90 die Schwierigkeiten der Mutter größer geworden seien, sie, Beate Zschäpe, habe von ihr keinerlei Geldmittel mehr bekommen und zu dieser Zeit den Respekt vor ihr verloren. Saß: „Eingeflochten in diese Darstellung hat Frau Zschäpe die kleine Bemerkung, dass sie wegen der Geldknappheit damals begonnen habe, sich innerhalb des Freundeskreises an kleineren Diebstählen zu beteiligen. Hier sieht es für den psychiatrischen Beobachter so aus, als zeige sich zum ersten Mal eine gewisse Tendenz von Frau Zschäpe, die Verantwortlichkeit für auftretende Probleme und eigenes Verhalten wie auch Fehlverhalten anderen Personen oder äußeren Umständen zuzuordnen. Im Übrigen gibt es hinsichtlich der Formulierung ‚kleinere Diebstähle‘ offenbar auch eine Tendenz zum Bagatellisieren, also zum Herabspielen der damaligen Handlungen, durch Frau Zschäpe, falls davon auszugehen ist, dass die Schilderungen des Zeugen Rei. [192. Verhandlungstag] im großen und ganzen zutreffend waren.“

Auch die Formulierung in seiner vorbereitenden Stellungnahme, „sieht für den psychiatrischen Beobachter so aus, als zeige sich eine Tendenz zu“, sei von der Verteidigung angegriffen worden. Er habe sie allerdings, so Saß, mit Bedacht gewählt, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass es sich beim Externalisieren und Bagatellisieren nicht um objektiv messbare Befunde handelt, sondern um eine Einschätzung durch den Untersucher. Ob die Einschätzung plausibel ist, werde damit ausdrücklich der Beurteilung des Lesers oder Adressaten des Gutachtens überlassen.

Saß geht wieder zurück zur Biographie Zschäpes. Bei allen Belastungen durch das Verhalten der Mutter und ihre unstete Lebensführung habe die Beziehung zur Großmutter Apel offenbar einen deutlich positiveren Aspekt dargestellt. Dies gehe nicht nur aus den Schilderungen von Stefan Apel hervor, sondern auch Zschäpe selbst habe ihre enge emotionale Bindung an die Großmutter deutlich gemacht: habe sich nach den vorliegenden Informationen als Omakind bezeichnet, ihre Liebe zur Oma betont und ihre Sorgen um deren Gesundheit, solle auch gesagt haben, sie wolle sich für das, was alles geschehen sei, bei ihr entschuldigen und habe anklingen lassen, wie viel ein Verlust der Großmutter für sie bedeuten würde. Im Brief an Robin S. [Schmiemann] drücke sich dies in der Äußerung aus, der Tod der Großmutter könnte Anlass dazu sein, doch eine Medikation zu akzeptieren, die ansonsten von ihr strikt abgelehnt worden sei.

Saß weist darauf hin, dass hier die Frage sei, ob diese Information verwertbar ist: „Deswegen sage ich: Wenn der Brief verwertet werden kann, unterstützt er das, was ich zur Großmutter gesagt habe, wenn man den Brief weglässt, wird das nicht fraglich. Er ergänzt also. Ein ähnliches Gewicht hat für Frau Zschäpe nach ihrer Darstellung nur die Beziehung zu den beiden Uwes besessen, die sie als ihre Familie bezeichnete und deren möglicher Verlust für sie in der Zeit des Untertauchens ebenfalls mit großen Befürchtungen verbunden gewesen sei. Sie hat ja in diesem Zusammenhang den Begriff ‚emotionales Dilemma‘ gebraucht. Dagegen scheint die Beziehung zur Mutter weitgehend durch Enttäuschung, Ablehnung und Desinteresse gekennzeichnet zu sein, wobei es wohl zumindest in der Vergangenheit auch Züge einer gewissen Rigorosität und Unversöhnlichkeit gegeben hat. Die genannten Bedingungen des Aufwachsens dürften für die Entwicklung von Selbstbewusstsein und Ich-Identität zweifellos eine gewisse Belastung bedeutet haben. Ähnliches wird auch in der Aussage der Mutter Böhnhardt deutlich, wonach die Freundin ihres Sohnes nie über ihren Vater habe sprechen wollen und auch in Bezug auf die Mutter Sorgen wegen ihrer finanziellen Rückstände und des drohenden Verlustes ihrer Wohnung gehabt habe. Beate Zschäpe habe sich dessen geschämt und nicht gern darüber geredet, auch habe sie zur Großmutter nicht gewollt, weil diese Sorgen um den kranken Großvater gehabt habe. Auf Bitten des Sohnes habe sie dann für eine Zeit lang bei Familie Böhnhardt einziehen dürfen. Also durchaus eine schwierige Lebenssituation damals.

Zu den weiteren wunden Punkten in der eigenen Herkunftsfamilie gehörte wohl auch, dass es wegen der Alkoholprobleme bei ihrem Cousin Stefan Apel sowie bei ihrer Mutter durchaus Kritik aus ihrem Freundeskreis gegeben habe. So soll laut Herrn Apel Uwe Mundlos ihn als ‚Assi‘ beleidigt haben. Und auch der Zeuge St. [zuletzt 225. Verhandlungstag]berichtete von Schwierigkeiten zwischen Beate Zschäpe und den beiden Uwes in Zusammenhang mit ihrer Familie. Böhnhardt und Mundlos hätten diese ebenfalls als ‚Assis‘ bezeichnet, worüber Frau Zschäpe traurig gewesen sei. Ferner soll es laut den Angaben des Zeugen Ha. [zuletzt 214. Verhandlungstag]negative Äußerungen von Uwe Böhnhardt. über so genannte ‚Mischkinder‘ mit jugoslawischen oder bulgarischen Elternteilen gegeben haben, was für Beate Zschäpe mit ihrem rumänischen Vater vermutlich nicht einfach war.“

Dann gibt Saß kurz den schulischen Werdegang Zschäpes wieder, wie er aus ihren Zeugnissen bekannt ist. Ein Abschlusszeugnis vom Juni 1991 enthalte befriedigende Noten in Deutsch und Literatur, Technik und Kunst, während die anderen Fächer mit „genügend“ bewertet worden seien und lediglich in Sport die Note „gut“ erreicht worden sei. Saß: „Insgesamt lässt sich daraus wie aus den sonstigen Informationen die Einschätzung ableiten, dass die Intelligenz der Probandin wohl im Durchschnittsbereich liegt. Hierauf deuten auch die befriedigenden Noten bei der Abschlussprüfung in der Schule sowie später in der Gärtnerinnenausbildung hin.“ Der abgebrochene berufliche Werdegang Zschäpes zur damaligen Zeit könne, so Saß weiter, als ein Indiz für Unsicherheit, Identitätsprobleme und Fehlen langfristiger Ziele angesehen werden. Es müsse allerdings berücksichtigt werden, dass viele junge Leute in Zschäpes damaligen Umfeld unter den Bedingungen der Wendezeit und der damit verbundenen Umbrüche sich in einer ähnlichen Lage befunden haben.

Saß gibt die Aussage Brigitte Böhnhardts wieder, dass Zschäpe traurig gewesen sei, weil es mit dem Wunsch, Kindergärtnerin zu werden, nicht geklappt habe, dass Zschäpe die Lehre als Gärtnerin mit einer gewissen Zufriedenheit absolviert und erfolgreich abgeschlossen habe, dass Zschäpe aber anschließend leider keine Arbeit gefunden habe und sich evtl. später als Floristin habe weiterbilden wollen. Es habe sich aber, so Saß, abgesehen von ABM-Zeiten, offenbar keine geregelte Arbeitstätigkeit Zschäpes mehr angeschlossen. Saß: „In ihrer Selbstdarstellung hat Frau Zschäpe sich ähnlich geäußert, wobei allerdings aus psychiatrischer Sicht auffällt, dass ihre Schilderung recht nüchtern, sachlich, emotionsarm und unpersönlich wirkt. Über Ziele, Wünsche, Hoffnungen und Träume, über tiefergehende Gemütsbewegungen, langfristige Ziele und Wertvorstellungen war weder aus ihren eigenen Erklärungen noch, wenn man versucht hat Zeugen dazu zu befragen, etwas zu erfahren. Die wenigen Anhaltspunkte, etwa was in den persönlichen Erklärungen von Frau Zschäpe gesagt wurde, ergeben ein eher karges, intellektuell anspruchsloses Bild von Bildung und Ausbildung, vom geistigen Leben, den Interessen und Freizeitbeschäftigungen. Dies trifft offenbar auch zu bei dem, was bekannt geworden ist – das ist ja nicht viel – über die spätere Phase des Lebens im Untergrund. Insgesamt aber sind die genannten Umstände m.E. nicht als Hinweis auf gravierende soziale Belastungen und Defizite oder gar eine psychische Gestörtheit zu werten. Es dürften damals viele junge Leute dort sich in einer ähnlichen sozialen Situation befunden haben. Auch Frau Böhnhardt hat keine psychischen Auffälligkeiten berichtet, sondern nannte Beate Zschäpe, die sie als Freundin ihres Sohnes geschätzt habe, trotz der familiären Probleme eine normale, selbstständige junge Frau mit gesundem Selbstbewusstsein.“

Zu den Sozialkontakten Zschäpes habe, so Saß, Stefan Apel angegeben, er und Beate seien in der Kindheit wie Geschwister gewesen, habe von gelegentlichen Familienurlauben gesprochen, sie sei zwar immer bei der Großmutter gewesen, habe aber auch den Kontakt zu ihnen [phon.] gesucht: „Später sei sie, so hat er sich ausgedrückt, eine hübsche Frau gewesen, ‚gut bestückt‘ und beliebt in der ganzen Szene.“ Apel habe Zschäpe als gesellig geschildert, sie sei gern weggegangen und immer lustig gewesen, habe viel gelacht, sei auch auf die Leute zugegangen und sei ein offener und selbstbewusster Mensch gewesen. Gern sei Zschäpe laut Apel auf Partys gegangen, zum Beispiel im Jugendtreff ‚Winzerclub‘, an Dingen wie Kochen und Backen sei sie weniger interessiert gewesen, sie habe stets mehr Männerfreundschaften gehabt und sei im Umgang robuster gewesen als normale Frauen. Hiermit korrespondiere, so Saß, die spätere Angabe von Zschäpe gegenüber der Zeugin Mo. [60. Verhandlungstag], dass sie schon immer besser mit Männern als mit Frauen ausgekommen sei.

Mit deutlich negativeren Zügen sei Zschäpe vom Zeugen Ha. geschildert worden, der allerdings keinen Hehl daraus gemacht habe, dass man sich gegenseitig nicht gemocht habe. Ha. habe Zschäpe auf der einen Seite als freundlich und selbstbewusst im direkten Kontakt bezeichnet, sie sei ein anerkanntes Mitglied der Gruppe gewesen, dabei auch lustig und amüsant. Auf der anderen Seite habe Ha. sie auch als „ordinär“ charakterisiert, womit gemeint sei, sie sei laut und gewöhnlich gewesen, habe Kraftausdrücke gebraucht. Weiter habe Ha. sie als nicht dumm, nicht gutgläubig und als ein vernunftbegabtes Wesen beschrieben. Ha. habe auch davon gesprochen, dass sie einen unterschwellig aggressiven Eindruck gemacht habe. Auch der Zeuge Rei. habe recht kritische Angaben gemacht und offenbar die Beziehung von Mundlos mit Zschäpe sehr skeptisch beurteilt. Rei. habe sich negativ zum Bildungsstand Zschäpes, dem sprachlichen Ausdruck und dem in seinen Worten „vulgären Auftreten“ geäußert und gemeint, es sei ihm unklar, wie Mundlos es später mit ihr gemeinsam im Untergrund habe aushalten können. Rei. habe Zschäpe als sehr selbstbewusst in der Gruppe beschrieben, sie habe nicht den Eindruck gemacht, dass sie sich etwas gefallen lasse, habe sich schon ordentlich durchgesetzt.

Außerdem habe dieser Zeuge berichtet, dass Herr Ri., der damalige Freund Zschäpes, und Zschäpe selbst damals „extrem geklaut“ hätten, u.a. Dinge, die sie gar nicht gebraucht hätten, etwa „Klamotten von den Vietnamesen“. Die Rede sei auch gewesen von Kellereinbrüchen mit Diebstahl von Alkohol, um damit Partys zu veranstalten. Saß: „Die Art, wie Herr Rei. etwa die gemeinsam von Beate Zschäpe und ihrem Freund Ri. begangenen Einbrüche oder Zigarettendiebstähle bei Vietnamesen schildert, deutet, wenn von Zutreffen auszugehen ist, auf beginnende dissoziale Tendenzen bei der Heranwachsenden zur damaligen Zeit.“ Christian Kapke [zuletzt 301. Verhandlungstag]habe Zschäpe als relativ heiter beschrieben, in seinen Augen nicht besonders intelligent, aber mit einer gewissen „Bauernschläue“. Saß: „Auf diesen Begriff soll Frau Zschäpe übrigens, als er später von einer Beamtin in der JVA Köln verwandt worden sei, laut Angaben des Zeugen [Rainer] B. [18. Verhandlungstag] erbost und verärgert reagiert haben.“ Der Zeuge Christian Kapke habe angegeben, der ideologische Kopf sei damals Mundlos gewesen, Zschäpe habe er wahrgenommen als eine selbstbewusste Frau, aber in ideologischer Hinsicht eine Mitläuferin. Saß weiter zur Aussage von Christian Kapke: „Das Trio sei rechtsradikal, nationalistisch und antisemitisch gewesen mit einer Verherrlichung des ‚Dritten Reiches‘, der Waffen-SS und der SA.“

Götzl: „Wenn Sie an einem Einschnitt angelangt sind, dann machen wir vielleicht eine Pause. Bezüglich der erwähnten Aussage des Zeugen B. wurde ein Widerspruch erhoben.“ Saß: „Ja, wobei ich dann gleich dazu sage, dass das erboste Reagieren auf den Begriff ‚Bauernschläue‘ kein zentrales Thema ist. Das Übrige wird dadurch nicht erschüttert.“

Saß setzt fort, dass André Kapke [zuletzt 96. Verhandlungstag]angegeben habe, Zschäpe als netten Menschen kennengelernt und geschätzt zu haben, Politik sei damals auch bei ihr ein tragendes Thema gewesen. Zu den Hauptthemen habe Zschäpe laut Kapke ihre Meinung gehabt, habe diese kundtun und gut artikulieren können, welchen Standpunkt sie habe. Saß: „Als wesentliche Grundstimmung unter den Jugendlichen damals schilderte er, man sei gegen die Ausländer gewesen und nicht einverstanden mit deren Zuzug. Frau J. [zuletzt 107. Verhandlungstag]beschrieb ein exklusives Verhältnis unter den drei Personen; sie seien damals als ‚die Drei‘ bezeichnet worden, man habe sie als verschworene Gemeinschaft wahrgenommen. Aus Sicht dieser Zeugin war Frau Zschäpe in Kontakt und Verhalten aufgeschlossen, eine sehr selbstbewusste Person, freundlich und auch witzig, mit imponierendem Selbstvertrauen. Sie sei auch an politischen Aktionen interessiert gewesen, es sei ihr nicht nur um Musik und Spaß gegangen. Sie habe ein Selbstverständnis gehabt, wie man es sich als junges Mädchen wünschte, habe Dinge klären, selbstverständlich auf Leute zugehen und sich ausdrücken können, sagen, was sie gewollt habe, mit einer aufrechten Art. Was Partnerschaften angeht, scheint Frau Zschäpe nach den Aussagen ihres Cousins, aber auch mehrerer anderer Zeugen …“

Heer beschwert sich ohne Mikrofonverstärkung, dass eine Pause vonnöten sei. Saß: „Soll ich das noch vortragen?“ Götzl sagt, man mache noch den Teil zu den Partnerschaften. Saß sagt, dass dieser Teil fünf Minuten dauere. Heer beschwert sich erneut. Götzl erwidert, das bekomme Heer schon noch hin und dann mache man um 15:45 Uhr eine Pause.

Saß: „In Bezug auf Partnerschaften scheint Frau Zschäpe nach den Aussagen ihres Cousins, aber auch mehrerer anderer Zeugen eine recht kontaktfreudige junge Frau gewesen zu sein.“ Im Brief an „S.“ [Schmiemann] finde sich dazu ihr eigener Hinweis, sie sei eine Frau mit unrühmlichen Erfahrungswerten. Saß: „Wenn der Brief nicht verwertet werden dürfte, ist er in dieser Beziehung auch nur eine Ergänzung gewesen.“ Saß setzt fort, dass über den ersten Freund, Matthias Ri., der Cousin geäußert habe, dieser sei eine Jugendliebe von Zschäpe gewesen, danach habe es dann die Beziehung zu Mundlos und Böhnhardt gegeben, wobei der Cousin vermutet habe, wahrscheinlich habe ihre Art die Männer zusammengehalten, sie habe die Jungen „im Griff“ gehabt: „Auch dies würde, wenn die Beobachtung zutraf, für Stärke und Selbstbewusstsein der jungen Frau im Kontakt nach außen und gegenüber männlichen Partnern sprechen.“ Saß sagt, aus den Schilderungen der Zeugen Rei., Ha. und Starke [101. Verhandlungstag] und den eigenen Erklärungen Zschäpes ließen sich vier Beziehungen rekonstruieren, wobei allerdings die Beziehung zu Ri., mit dem es zu vielfältigen Eigentums- und ansatzweise wohl auch Raubdelikten gekommen sein solle, von Zschäpe selbst nicht erwähnt worden sei, soweit er das sehe.

Saß: „Von April 1996 bis April 1997 habe es, was von Frau Zschäpe ebenfalls nicht thematisiert wurde, eine Beziehung zu Herrn Starke in Chemnitz gegeben. Wobei in dieser Zeit die freundschaftlichen Beziehungen zu Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt angedauert hätten, auch hätten diese sie sogar zuweilen bei ihren Besuchen bei Herrn Starke begleitet. Er schätzte das so ein, dass Frau Zschäpe nur die beiden Uwes im Kopf gehabt, die ihrerseits nicht eifersüchtig gewesen seien. Er bezeichnete sie als ‚rechts‘, aber kein szenetypisches Mädchen und nach seiner Einschätzung nicht gewalttätig. Gern habe sie politische Gespräche geführt.“ Etwa zur Wendezeit 1989/90, so Saß weiter, habe Zschäpe nach ihrer Darstellung Uwe Mundlos kennengelernt und sei mit ihm in die Wohnung gezogen, in der sie damals zusammen mit ihrer Mutter gelebt habe, wenn er, Saß, das richtig übersehe. Ilona Mundlos habe Zschäpe als kumpelhaft und hilfsbereit geschildert, aber auch als egoistisch; der Sohn habe sie vergöttert, etwa 1995, während der Bundeswehrzeit von Uwe Mundlos, sei die Beziehung zu Ende gegangen.

Saß: „Interessanterweise hat Frau Zschäpe in ihrer Erklärung betont, dass Uwe Mundlos aus einem guten Elternhaus gestammt und eine Lehre als Informatiker bzw. Datenverarbeitungskaufmann abgeschlossen hat. Dies korrespondiert mit einer Bemerkung, die sie gegenüber dem Kriminalbeamten P. [zuletzt 142. Verhandlungstag]am Abend ihrer Festnahme bei der Kripo in Zwickau gemacht haben soll, dass nämlich die beiden Uwes im Gegensatz zu ihr ein behütetes Elternhaus gehabt hätten und ihr unklar sei, warum die beiden sich so entwickelt hätten.“ Götzl sagt, dass es zu den Angaben von P. einen Verwertungswiderspruch gebe.

Saß: „Ja, ich sagte ja: ‚korrespondiert mit‘. [phon.] Hier klingen noch einmal ähnliche Themen sozialen Ansehens und eigener Defizite an, wie es Frau Böhnhardt berichtet hat, wenn sie von Schamgefühlen bezüglich der Familie gesprochen hat oder wenn Herr Apel und Herr St. von Herabsetzungen ihrer Familie berichteten, wie ausgeführt, als ‚Assis‘ oder bei den Bemerkungen über ‚Mischkinder‘.“ Im Übrigen werde, so Saß, in der Erklärung Zschäpes vom 09.12.2015 die Beziehung zu Uwe Mundlos seines Erachtens „recht kühl und unpersönlich abgehandelt“. Saß weiter: „Auch ihr Verhältnis zu Uwe Böhnhardt, das sie an einigen Stellen als Liebe bezeichnet hat, wurde von ihr ansonsten nicht in tieferer, differenzierter oder gefühlsbezogener Weise geschildert. Sie sprach von ‚blinder Liebe‘, ein Ausdruck, der mir recht floskelhaft und pauschal erscheint. Zumal es ja so ist nach allgemeiner Lebenserfahrung, dass ‚blinde Liebe‘ in der Regel nicht über Jahrzehnte besteht, kann sicherlich nicht ganze Jahrzehnte betreffen [phon.]. Man muss auch sagen, dass dieser Ausdruck, ‚blinde Liebe‘, in einem gewissen Gegensatz zu Schilderungen von Zeugen aus den Urlauben steht.“ Nur einmal sei dort von einem engeren Verhältnis zu ‚Gerry‘ gesprochen worden, so Saß.

Insgesamt bleibe aus seiner Sicht hinsichtlich der Intensität und Kontinuität der Beziehung zwischen Zschäpe und Böhnhardt über die Jahre vieles offen: „Kennengelernt hat sie ihn nach ihren Angaben am 02.01.1994, ihrem 19. Geburtstag.“ Ansonsten würden die Schilderungen Böhnhardts durch Zschäpe recht ambivalent erscheinen: „Wobei sie zum einen ihre feste Bindung an ihn betont, andererseits charakterisierte sie ihn aber auch als aggressiv, jähzornig und zu Tätlichkeiten neigend. Sein Freundeskreis habe eine intensivere nationalistische Einstellung gehabt, so ihre Diktion, auch seien dort die politischen Aktivitäten intensiver gewesen. Bemerkenswert erscheinen mir die Ausführungen von Frau Zschäpe in der Erklärung vom Dezember 2015 über ihre Absicht bei der Anmietung der Garage an der Kläranlage in Jena im August 1996. Dies sei, als Uwe Böhnhardt sich damals wegen ihres ‚Klammerns‘ getrennt habe, ein Versuch gewesen, um den verlorenen Kontakt zu den beiden Uwes und insbesondere zu Uwe Böhnhardt wieder herzustellen. Ein solches Verhalten könnte für ihre starke Bindung an Uwe Böhnhardt sprechen. Möglich erscheint aber auch, dass es sich um eine Kaschierung anderer Beweggründe durch die Konstruktion einer mehr oder weniger plausiblen Version gehandelt hat.“ Götzl: „Unterbrechen wir und setzen um 16:05 Uhr fort.“

Um 16:08 Uhr geht es weiter. Götzl: „Ich würde Sie nochmal bitten, noch etwas langsamer den Vortrag zu gestalten.“ Saß: „Jawoll“ Götzl: „Ich denke, wir werden heute nicht länger als 17 Uhr machen, vielleicht, wo Sie einen Einschnitt machen können, und dass wir dann morgen fortsetzen.“ Saß: „Vielleicht, wenn ich zur Beurteilung übergehe. Ich würde jetzt auf die politisch-ideologische Entwicklung von Frau Zschäpe eingehen und da ist zu sagen, dass offenbar die Beziehungen zu Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt mit ihren jeweiligen Freundeskreisen die entscheidende Bedeutung besaßen. Damit war der Kontakt zu einer Szene verbunden, deren vorherrschende Haltungen und Überzeugungen von der Angeklagten mit dem Ausdruck ’nationalistisches Gedankengut‘ wohl etwas euphemistisch umschrieben worden ist. Da kann man einwenden, das sei subjektiv. Das ist richtig. Deswegen nenne ich die Gesichtspunkte, worauf das beruht.“ Saß sagt, es gebe dazu Darstellungen anderer Zeugen, Berichte, Vermerke, Urteilsfeststellungen und Abbildungen. Saß: „So dass es insgesamt doch in meinen Augen deutlich rechtsradikal ausgerichtete Kreise gewesen sind, in denen es nicht nur um Musikkonzerte und Demonstrationen ging, sondern auch um politische Agitation, militante Auseinandersetzungen und ideologisch motivierte Aktionen.“

Saß weist auf die „in der Hauptverhandlung reichhaltig thematisierten Vorgänge“ hin: z.B. Puppentorso, Bombenattrappen, Rudolf-Heß-Märsche, ausfälliges Benehmen beim Besuch im Konzentrationslager Buchenwald, Propagandaschriften, nationalsozialistische Symbole, das Mitführen von Schlag- und Stichwaffen und anderen Waffen. Saß: „Frau Zschäpe hat für die damalige Zeit in wohl erneut etwas verharmlosender Weise erklärt, man habe ein ‚Katz-und-Maus-Spiel‘ mit der Polizei und dem Verfassungsschutz betrieben, um die Öffentlichkeit in Aufruhr zu versetzen. Auch habe man Aufmerksamkeit dafür herstellen wollen, dass es einen politischen Gegenpol zu den Linken gibt. Wenn es dann in diesen Kreisen zu einer zunehmenden Handlungsbereitschaft und zum Aufbau potenter Organisationen kam, so hat Frau Zschäpe dies ganz wesentlich mit dem Einfluss von Tino Brandt ab Mitte der 90er Jahre begründet. Nach ihr ist die Kameradschaft Jena erst aktiv geworden, nachdem Tino Brandt zur Gruppe gestoßen ist, ihr Zusammenleben habe sich grundlegend geändert, er sei der Mittelpunkt aller Aktionen gewesen, habe Geld zur Verfügung gestellt, organisiert, Initiativen ergriffen und Propagandamaterial mit nationalistischem Inhalt beschafft. Wenn Frau Zschäpe formuliert, man könne sagen, ohne Tino Brandt wären diese ganzen Unternehmungen nicht möglich gewesen, so sieht das für mich wieder so aus, als finde sich hier eine Tendenz, auf eine Außenverursachung hinzuweisen.“

Persönliche Anteile an den potenziell gefährlicheren Aktionen, die nach und nach geplant und durchgeführt wurden, habe Zschäpe weitgehend im Dunklen gelassen, sie habe lediglich eingeräumt, im Dezember 1996 verschiedene von Böhnhardt mit Schwarzpulver versehene [phon.], jedoch nicht zündfähige Briefe an einige Adressaten in Jena geschickt zu haben; bei anderen von Mundlos und Böhnhardt initiierten Aktionen zwischen April 1996 und Dezember 1997 habe sie angegeben, zwar teilweise beteiligt gewesen zu sein, aber man habe dabei lediglich die Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erhöhen wollen, ohne dass eine tatsächliche Gefahr für Leib und Leben gegeben haben solle. Beim Puppentorso, der auf eine Idee von Böhnhardt und Mundlos zurückgegangen sei, habe sie sich zwar an der Herstellung der Puppe beteiligt, nicht jedoch der Bombenattrappe. Saß: „Insgesamt klangen m.E. auch bei diesen Angaben von Frau Zschäpe Neigungen zur Verharmlosung und zur Verlegung der Verantwortlichkeit nach außen an. Im Einzelnen ist hierzu hinzuweisen etwa auf die Darstellung der frühen Diebstähle und der verschiedenen Aktionen ab Mitte der 90er Jahre, auf die Waffen in der Wohnung, die auf Böhnhardt zurückgegangen seien, auf das Anmieten der Garage und das Wissen um deren Inhalte und auf die Rolle Tino Brandts.“

Saß sagt dann, er werde im nächsten Abschnitt eingehen auf die Entwicklung von Zschäpe während der Zeit im Untergrund. Informationen aus dieser Zeit seien naturgemäß deutlich spärlicher, so Saß. Als Beweggründe zum Untertauchen seien von Zschäpe in ihrer Erklärung vom 09.12.2015 Ängste vor einer mehrjährigen Gefängnisstrafe benannt worden, was bei Böhnhardt mit seinen traumatisierenden Erfahrungen bei einer früheren Haft und bei ihr selbst darin begründet gewesen sei, dass sie in der Vergangenheit nur negative Erfahrungen mit der Polizei gemacht habe. Im Übrigen sei sie der Aufforderung Böhnhardts, die Garage „abzufackeln“, nach ihrer Angabe nicht nachgekommen, weil sie in der Nähe befindliche Personen nicht habe gefährden wollen.

Saß sagt, es gebe an Zeugen zu diesem Thema 1. die Gruppe der Personen, die freundschaftlich, kameradschaftlich oder durch Szenezugehörigkeit mit den drei Untergetauchten verbunden und mehr oder weniger auch zu Unterstützungshandlungen bereit gewesen seien. Wobei es hier im Gutachten nicht um solche Aspekte gehen solle, die sich mit möglichen Tatkomplexen und strafrechtlichen Vorwürfen befassen, sondern es gehe ihm um Informationen, die zur Einschätzung von Persönlichkeit, Befinden und Verhalten von Zschäpe sowie des Zusammenlebens in der Gruppe der Drei beitragen können: „Allerdings muss man sagen, dass bei der Mehrzahl der so genannten Szenezeugen, die möglicherweise über Kontakte in dieser Zeit hätten reden können, das Auskunftsverhalten ungemein zurückhaltend war. Zum Verhältnis der drei untergetauchten Personen untereinander hieß es in den in die Hauptverhandlung eingebrachten Vernehmungen des Herrn Gerlach, dass die beiden Uwes oben gewesen seien und gleichberechtigt, wobei er allerdings Frau Zschäpe ebenfalls als gleichberechtigt bezeichnete, ferner als durchsetzungsstark, kein Typ, der sich unterordnen würde. Sie habe genauso viel zu sagen gehabt wie jeder andere in der Gruppe.

Auch schilderte er eine Episode, bei der Frau Zschäpe im Bus eine Punkerin, die ‚blöd geguckt‘ habe, geschlagen haben soll. Sie habe sich den beiden Uwes gegenüber wie eine Ehefrau benommen, nur für zwei Männer eben. Nach seinem Eindruck handelte es sich um ein sehr harmonisches Verhältnis, obwohl aus der Anfangszeit in Chemnitz auch eine Episode mit Spannungen zwischen den Männern berichtet wurde, die so groß gewesen seien, dass Herr Mundlos schon zu einem Messer gegriffen habe und sie aufeinander hätten losgehen wollen. Daraufhin sei Herr Mundlos vorübergehend in eine eigene Wohnung gezogen, doch hätten sie aufgrund der Fluchtsituation beschlossen, wieder zusammenzuleben. Dieser Vorfall mit dem Messer, der geschildert wurde, bietet einen der ganz wenigen Anhaltspunkte dafür, dass es bei den drei Personen in der Zeit des Lebens im Untergrund auch mal Streit und Auseinandersetzungen gegeben hat.

Ansonsten haben eigentlich alle Zeugen, soweit ich das sehe, Harmonie, Freundlichkeit und kameradschaftlichem Umgang geschildert. Allerdings hat es im Unterschied dazu auch Ausführungen von Frau Zschäpe gegeben, dass es etwa zwischen Frühjahr 1998 und Sommer 2001 wiederholt zu Tätlichkeiten durch Uwe Böhnhardt gekommen sei, der sie geschlagen habe, wenn ihm bei einer verbalen Auseinandersetzung die Argumente ausgegangen seien. Konkret benannt wurden Streitigkeiten wegen des Herumliegens einer Pistole, wegen des gewünschten Internetzuganges sowie wegen der Überlassung von 10.000 DM an Herrn Gerlach, was sie wegen dessen damaliger Spielsucht missbilligt habe. Später hat Frau Zschäpe auf Fragen des Senates schriftlich ausgeführt, dass bei zwei der Handgreiflichkeiten Uwe Mundlos dabei gewesen und auf Uwe Böhnhardt losgegangen sei, um sie zu verteidigen, was zu einer heftigen Prügelei der beiden Männer geführt habe. Sie hat es aber vermieden, näher darauf einzugehen. Über Tätlichkeiten, die in Zusammenhang mit den verfahrensgegenständlichen Ereignissen stehen, berichtete Frau Zschäpe nicht. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch die Angabe des Kriminalbeamten P., wonach sie bei ihrer Verhaftung am Abend des 08.11.2011 in Hinblick auf die beiden Uwes erklärt haben soll, dass sie zu nichts gezwungen worden sei. Ich habe das lediglich erwähnt und sage, dass das nicht zentral für meine Beurteilung ist, ggf. kann man später noch alternativ darauf eingehen.“

Es gebe dann noch die Zeugin Mandy Struck [zuletzt 105. Verhandlungstag], so Saß, die seinerzeit Freundin des Unterschlupf gewährenden Bu. gewesen sei im Frühjahr 1998 in Chemnitz. Struck habe berichtet, dass „das Mädchen“, das dabei gewesen sei, also wohl Zschäpe, sehr sympathisch gewesen sei, mit sehr lockerer Art, auf einen zuzugehen, sehr freundlich und sehr aufgeschlossen. Im Grunde habe Struck keine Auffälligkeiten geschildert. Es habe die Episode gegeben, als Zschäpe Bauchkrämpfe gehabt habe und von ihr mit einer AOK-Karte versorgt worden sei, das sei hier aber nicht wichtig, denke er, so Saß. Saß weiter: „Einen intensiveren zwischenmenschlichen Kontakt hat Frau Zschäpe offenbar vermieden, vielmehr habe sie sich auf den Versuch der Zeugin, mit ihr über eine Beziehungskrise mit Max Bu. zu reden, nicht einlassen wollen.“

Saß nennt dann den 2. Bereich von Informationen über die Dreiergruppe: die Urlaubsbekanntschaften bei den Campingreisen nach Norddeutschland 2007 bis 2011. Saß: „Die Zeugenaussagen liefen darauf hinaus, dass die drei Personen bei den jeweils mehrwöchigen Urlauben sehr nett, freundlich und harmonisch miteinander umgegangen seien. Gegenüber den jeweiligen Nachbarn auf den Campingplätzen verhielten sie sich offenbar kontaktfreudig, hilfsbereit, gesellig, unterhaltsam und insgesamt ohne irgendwelche Auffälligkeiten. Auch hinsichtlich des Konsums von psychotropen Drogen oder Alkohol wurden keine Besonderheiten geschildert. Die drei Personen erschienen als ein Team, bei dem keinerlei größere Streitigkeiten erkennbar gewesen seien, abgesehen vielleicht von kleinen Plänkeleien, etwa ob man noch mehr Surfausrüstung anschaffen soll. Darüber hinaus wurde für das Jahr 2010 angegeben, dass Liese und Gerry, also wohl Frau Zschäpe und Uwe Böhnhardt, etwas enger zusammen gewesen seien und sich vielleicht etwas genervt durch Max, also wohl Uwe Mundlos, gefühlt hätten. Aber bis auf dieses überwogen die Schilderungen eines spannungsfreien, heiteren, animierten Urlaubslebens.

Über ihre Existenz außerhalb der Urlaubszeit ließen die drei Personen offenbar wenig verlauten, ebenso wie ernsthafte Gespräche über Wünsche und Ziele oder auch über politische Fragen nicht vorgekommen seien. Lediglich mit zwei jüngeren Mädchen aus den Familien der Campingplatzmitbewohner sei es zu engerem, vertrauensvollerem Austausch mit Frau Zschäpe gekommen, wobei es aber offensichtlich eher um die Jungmädchenprobleme der Zeuginnen ging, während Frau Zschäpe selbst sich hinsichtlich persönlicher Informationen bedeckt gehalten habe.“

Ein 3. Bereich seien dann, so Saß, die Schilderungen der Hausmitbewohner. In der Polenzstraße seien dies S. [56. Verhandlungstag], F. [56. Verhandlungstag], Po. [82. Verhandlungstag], Ku. [67. Verhandlungstag], So. [186. Verhandlungstag] und Hö. [194. Verhandlungstag]. Auch dort sei übereinstimmend ein insgesamt unauffälliges Verhalten der drei Personen geschildert worden. Saß: „Dabei erschien Frau Zschäpe ihren Nachbarn nicht nur als kontaktfreudig, unkompliziert und unbefangen, darüber hinaus sei sie auch gegenüber sozial oder finanziell schwächeren Personen hilfsbereit und unterstützend gewesen, etwa mit diesen Einkäufen von Lebensmitteln und Süßigkeiten für die Kinder bei der Familie Ku. Frau Zschäpe sei eigentlich immer fröhlich gewesen, auch habe sie damals gesünder ausgesehen als jetzt. Über Privates habe sie wenig gesprochen. In der Wohnung sei nur sie gewesen und gelegentlich sei ein Wohnmobil vor der Tür gestanden. Ärger,
Reibereien und Verstimmungen habe es nicht gegeben, erwähnt wurde nur diese eine Episode mit Kritik an Frau Ku. Auffällige Alkoholisierungen wurden nicht geschildert.“

Dann geht Saß zu den Hausmitbewohnern in der Frühlingsstraße über. Er nennt die Zeugenschilderungen von [Olaf] B., Kr. [60. Verhandlungstag] und H. [29. Verhandlungstag]. Saß: „Nach dem Eindruck der Mitbewohner hat es wohl so ausgesehen, dass eine Frau mit zwei Männern in die Wohnung eingezogen ist. Die Frau, die als Susann Dienelt aufgetreten sei, habe über die beiden Männer gesagt, der eine sei ihr Freund, während der andere als Bruder bezeichnet wurde, was mal auf sie selbst und mal auf ihren Freund bezogen worden sei. Also insgesamt waren die Verhältnisse für die Beteiligten nicht ganz durchsichtig. Die Männer, die viel Fahrrad gefahren seien, hätten beruflich angeblich Fahrzeugüberführungen gemacht oder mit Computern gearbeitet. Das Verhalten von Frau Zschäpe wurde als nett, freundlich und unauffällig geschildert. Auch wurden Züge menschlicher Anteilnahme genannt, etwa wenn sie hinsichtlich der betagten Nachbarin E. immer mal nachgefragt habe, wie es denn der Oma gehe. Wenn Besuch in der Wohnung gewesen sei, habe man gehört, dass die viel Spaß gehabt hätten. Die drei Personen hätten in ihrer Etage in der Frühlingsstraße nicht nur zwei Wohnungen zusammengelegt und umgestaltet, sondern sich auch den Keller ausgebaut. Neue Eingangstüren hätten sie auf eigene Kosten beschafft.

Frau Zschäpe habe dazu gesagt, sie habe ein wenig Angst, wenn sie allein sei. Über die beiden Männer haben die Zeugen gesagt, sie seien sehr zurückhaltend gewesen. Frau Zschäpe habe stets freundlich gegrüßt, sich manchmal auch unterhalten, etwa über die Katzen. Die Männer hätten dagegen kaum gesprochen. Eine engere, freundschaftliche Beziehung soll es, abgesehen von den beiden Uwes, nur zu Susann Eminger gegeben haben, wobei Frau Zschäpe sagt, dass sie beginnend ab 2006 regelmäßigen Kontakt gehabt habe und froh gewesen sei, auch einmal ‚über Frauensachen‘ sprechen zu können. Ferner schätzte sie offenbar sehr den Umgang mit den Kindern der Emingers. Eigene Kinderwünsche seien, wie sie z.B. gegenüber Nachbarinnen wiederholt angegeben habe, aus gesundheitlichen Gründen nicht erfüllbar gewesen. Stattdessen habe sie auf die Katzen verwiesen, von denen es auch einmal hieß, sie seien wie ihre Kinder gewesen.“

Resümierend, so Saß, ergebe sich dazu, dass „aus forensisch-psychiatrischer und psychopathologischer Sicht keine gravierenden Auffälligkeiten bekannt geworden sind“. Offenbar sei in all den Jahren ein „Muster des wohl freundlichen, aber doch vorsichtig zurückhaltenden und persönliche Verwicklungen meidenden Verhaltens“ beibehalten worden. Saß: „Dabei konnten sich die drei Personen und insbesondere die zumeist den Kontakt pflegende Frau Zschäpe offenbar mit großer Konsequenz und ohne größere Patzer an die Regeln eines Lebens unter falschen Namen halten. Hinsichtlich der wahren Interessen und Aktivitäten wurden, soweit erkennbar, erfolgreich die Gebote der Heimlichkeit, des Verbergens, des Verschleierns und des Täuschens eingehalten. So entstand in ähnlicher Weise, wie es bei den verschiedenen Campingurlauben geschildert worden war, gemäß einer Formulierung des Zeugen [Olaf] B. über Frau Zschäpe, der Eindruck einer lieben, guten Nachbarin, die allerdings von ihrer Gesinnung nichts preisgegeben habe.“

Saß sagt, dass das die Angaben zur Zeit des Lebens im Untergrund gewesen seien und jetzt noch wenige Bemerkungen zu den verfahrensgegenständlichen Vorfällen kämen. Zum Komplex der Tatvorwürfe in der Anklageschrift gebe es hierzu Ausführungen von Zschäpe selbst „nach langem Schweigen“: die Erklärung vom 09.12.2015 und „Antwortserien“ auf vom Gericht gestellte Frage sowie die persönlichen Erklärungen vom 29.09.2016 und zuletzt vom 10.01.2017. Saß: „Bei all dem muss zunächst für den Gutachter offen bleiben, wie diese Angaben über sich selbst und deren Wahrheitsgehalt einzuschätzen sind. In ihren schriftlichen Erklärungen bzw. Antworten hat Frau Zschäpe durchgängig die zentrale Rolle der Verstorbenen sowohl für das Untertauchen in das 13-jährige Leben im Verborgenen wie auch für sämtliche Straftaten betont. Ferner hat sie auf ihre emotionale und finanzielle Abhängigkeit von den Partnern verwiesen. Wiederholten Überlegungen von ihr, dieses Leben durch Sich-Stellen zu beenden, hätten die beiden Uwes ab Ende des Jahres 2000 Suiziddrohungen entgegengehalten.

Vor allem hob Frau Zschäpe in ihren Erklärungen hervor, an der Vorbereitung, Planung und Durchführung der verschiedenen Aktionen nicht beteiligt gewesen zu sein. Sie räumte lediglich schriftlich ein Wissen auch um vorgesehene Raubüberfälle und eine Teilhabe an ihrem finanziellen Nutzen ein. Ferner hat sie eingehend die schließliche Brandlegung am Ende dieser Periode geschildert, wobei sie auch in diesem Zusammenhang darauf abhob, dass dies der Erfüllung von Wünschen bzw. einem Auftrag der Verstorbenen entsprochen habe. Nach der Darstellung in der Erklärung der Angeklagten vom 09.12.2015 habe sie auf die Mitteilung insbesondere des ersten Tötungsdelikts im Jahr 2000 und später dann auch der weiteren Fälle mit Erschrecken, Entsetzen, Unverständnis und Ablehnung reagiert. Die damit verbundene Verstimmung im Verhältnis zu den beiden Uwes habe sowohl das Weihnachts- und das Silvesterfest 2000 wie auch ihren Geburtstag am 02.01.2001 überschattet, auch sei es nicht zu Geschenken und Gratulationen gekommen. Ihrer Absicht, sich nun, da sie in einen Mord verwickelt sei, der Polizei zu stellen, hätten die beiden Partner entgegengehalten, sich dann zu erschießen.“ Ergänzend gebe es damit korrespondierende Mitteilungen in der Hauptverhandlung, wonach die drei untergetauchten Personen sich eher erschießen würden, als aufzugeben und ins Gefängnis zu gehen. Dieses „sich eher erschießen“ könne als Hinweis für die Entschlossenheit der drei Personen gesehen werden. Man könne aber aus psychiatrischer Sicht darauf hinweisen, dass Aggression und Autoaggression eng miteinander zusammenhängen können, etwa erkennbar an den Beispielen des Selbstmordattentäters oder des so genannten „suicide by cop“.

Saß weiter: „Im Laufe der Zeit, als die Partner ihre Handlungen fortgesetzt und das gegebene Versprechen auf Beendigung des Tötens nicht eingehalten hätten, ist es nach ihren Angaben bei ihr immer mehr zu einem resignierten Rückzug gekommen. Frau Zschäpe meinte dazu, sie sei einfach nur sprachlos und fassungslos gewesen, habe nicht reagieren können und sich wie betäubt gefühlt. Wenn sie weiterhin formuliert: ‚Ich wollte es nicht hören‘, so könnte dies, ein Zutreffen unterstellt, auf – im Alltagsverständnis – Verdrängungsversuche und den Wunsch hindeuten, sich den von ihr angegebenen Belastungen durch Nichtwissen zu entziehen. Ähnlich soll sie zum Zeugen [Rainer] B. gesagt haben, sie sei ein Meister im Verdrängen. Dem stünde allerdings entgegen, dass sie sich laut dem Zeugen Le. [siehe 17. und 18. Verhandlungstag]auch als einen Faktenmenschen bezeichnet haben soll.“

Saß: „Resümierend ist zu sagen, dass die Beurteilung in vielem davon abhängt, wie die Äußerungen von Frau Zschäpe hinsichtlich der Tatbeiträge der einzelnen Personen in der Dreiergruppe einzuschätzen sind. Sie selbst hat zwar erklärt, dass sie mit heftiger Ablehnung reagiert habe, wenn sie, stets nachträglich, von den Tötungen erfahren habe. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese Erklärungen, mit einer kleinen Ausnahme, nur schriftlich abgegeben wurden. Allerdings wirken ihre Formulierungen hierzu für den psychiatrischen Leser recht formal und unpersönlich. Ganz im Vordergrund stehen ihre eigene Situation, die Kritik am Verhalten der Partner, die Verantwortungszuschiebung nach außen und die sorgfältige Beschreibung von Umständen, die entlastend wären, wenn man sie zugrundelegt. Weniger entstand in der Lektüre dagegen der Eindruck einer authentischen Auseinandersetzung mit den abgelaufenen Geschehnissen, mit den Empfindungen der von den Taten betroffenen Personen und ihrer Angehörigen oder den Konsequenzen für deren Leben. Aus psychopathologischer Sicht würde das bedeuten: Es ergeben sich Hinweise für egozentrische, wenig empathische und externalisierende, also Verantwortung nach außen schiebende Züge. Jetzt kämen noch etwa 15 Minuten zur Entwicklung der Angeklagten seit der Verhaftung, soweit das psychiatrisch zu beschreiben ist.“

Götzl: „Ja, dann machen wir das noch.“ Saß: „Danach käme die Beurteilung. Dann wären für heute die Materialien, die der Beurteilung zugrunde liegen, genannt.“ Götzl: „Ist die Geschwindigkeit in Ordnung?“ Heer: „Wir hatten die Problematik ja beschrieben und es geht nicht um die Geschwindigkeit.“ Götzl: „Frau Sturm hat genickt auf meine Frage.“ Sturm: „An der Geschwindigkeit des Sachverständigen liegt es nicht.“ Götzl: „Also, dann können Sie mitschreiben?“ Heer: „Nein, es ist geplant, dass wir beide unsere Notizen uns anschauen und morgen früh eine Erklärung abgeben. Das funktioniert nicht, das kann ich Ihnen jetzt schon sagen.“ Götzl: „Was funktioniert nicht?“ Heer: „Wenn Sie etwas Substantiiertes wollen, bitte ich die Hauptverhandlung für 20 Minuten zu unterbrechen.“ Götzl: „Dann machen wir das doch. Unterbrechen wir für 20 Minuten und setzen mit der Erklärung fort.“

Es folgt eine Unterbrechung, um 17:10 Uhr geht es weiter. Götzl: „Herr Rechtsanwalt Heer, wie lang ist die Stellungnahme?“ Heer: „Eine knappe Seite.“ Götzl: „Herr Klemke, Herr Wohlleben, können wir das noch machen? Ja.“ RA Heer verliest die Stellungnahme. Die im Antrag der Verteidigung auf Aufzeichnung und in der Erwiderung mehrfach erwähnten Umstände, die die Verteidigung „besorgen“ ließen, dass ihr ein Mitschreiben und die gedankliche Verarbeitung und somit eine effektive Verteidigung nicht möglich sein werden, seien zu Tage getreten, so Heer. Die Problematik bestehe weniger in der Geschwindigkeit, ginge es nur darum, sich vorzubereiten [phon.]. Im Gegensatz zu den erkennenden Richtern und den Vertretern des Generalbundesanwalts, die während der gesamten Ausführungen anwesend sein können, befinde man sich aber in der Situation, einem nicht anwesenden Sachverständigen die Anknüpfungstatsachen vollständig und valide vermitteln zu müssen. In der Konsequenz bedeute dies, dass jeder Satz mitzuschreiben sei.

Heer: „Obwohl wir uns bemühen, die Ausführungen des Sachverständigen möglichst wörtlich mitzuschreiben, zeigt eine erste Durchsicht zahlreiche Auslassungen und Unsicherheiten in der Verwendung psychiatrischer Fachbegriffe.“ Einem nicht anwesenden SV ließen sich die Anknüpfungstatsachen so nicht ordentlich mitteilen. Aufgrund der Komplexität des Vortrags würden Unvollständigkeiten in der Mitschrift entstehen, die nicht hinterfragt werden könnten. [phon.] Es würden sich auch nicht alle Unklarheiten anhand der Erfahrung klären lassen. Man verkenne nicht, dass die mündliche Gutachtenerstattung einen Verteidiger in der Regel vor besondere Herausforderungen stelle. Die Besonderheiten in diesem Verfahren, auf die der Senat in seinem Beschluss heute ausdrücklich hingewiesen habe, würden es aber gebieten, das mündliche Gutachten von einem anderen Sachverständigen kritisch begutachten zu lassen. Götzl: „Herr Klemke, Sie hatten darauf verwiesen, dass Herr Wohlleben Kopfschmerzen habe.“ Wohlleben-Verteidiger RA Klemke: „In erster Linie ist er sehr abgespannt und nicht mehr konzentrationsfähig, er kriegt nicht mehr allzu viel mit.“ Götzl bittet Heer, die Stellungnahme auszudrucken, dann sagt er: „Wir würden dann die Anhörung heute unterbrechen. Dann wird unterbrochen und wir setzen morgen um 09:30 Uhr fort.“ Der Verhandlungstag endet um 17:14 Uhr.

Das Blog „NSU-Nebenklage„: „Heute stellte [Saß] zunächst nur die für ihn relevanten Erkenntnisse aus dem Prozessverlauf dar. […] Anschließend erläuterte Prof. Saß, der als eine der Leitfiguren der forensischen Psychiatrie in Deutschland gilt, seine Herangehensweise und die besondere Problematik einer Gutachtenerstellung ohne die Mitwirkung der zu untersuchenden Person. Dabei betonte er, dass im Falle Zschäpes sogar sehr viel Material vorliege, das in der umfangreichen Hauptverhandlung zu gewinnen war. Deshalb sei es tendenziös und irreführend, wenn die Zschäpe von einem ‚Ferndiagnosegutachten‘ spreche. Zu der von Zschäpe vorgebrachten angeblichen Alkoholproblematik stellte Saß fest, es sei auffällig, dass diese zum ersten Mal in deren Erklärung im Gericht aufgetaucht sei – kein Zeuge, kein Nachbar, keine Urlaubsbekanntschaft habe hiervon berichtet, berichtet worden sei lediglich ein normales Mittrinken bei entsprechenden Gelegenheiten. Zschäpe habe auch keinerlei Entzugserscheinungen nach ihrer Festnahme in der Untersuchungshaft geschildert. […] Auffallend sei, dass die Schilderungen Zschäpes zu ihrer Vorentwicklung sehr sachlich, emotionsarm und unpersönlich wirkten. […] Bei ihrer eigenen Darstellung der Beteiligung an kleineren Diebstählen im Jugendalter habe sich zum ersten Mal eine Tendenz Zschäpes gezeigt, die Verantwortung für das eigene Verhalten anderen Personen zuzuschreiben und das eigene Verhalten zu bagatellisieren. Diese Tendenz habe sich erneut bei ihrer eigenen Darstellung ihrer politischen Entwicklung gezeigt. Zschäpe umschreibe sich selbst euphemistisch mit ’nationalistisch‘. Die von anderen Zeugen eingebrachten Berichte, Vermerke, Urteile, Abbildungen hätten allerdings ergeben, dass es sich bei dem Freundeskreis von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt um deutlich rechtsradikal ausgerichtete Kreise gehandelt habe, in denen es nicht nur um Musik und Konzerte ging, sondern um konkrete Auseinandersetzungen und Politik. […] Zschäpe verharmlose all dies, wenn sie beispielsweise die Auseinandersetzungen als ‚Katz- und Mausspiel mit Polizei und Verfassungsschutz‘ bezeichne. […] Zschäpes Aussage, „ohne Tino Brandt wären die ganzen Unternehmungen so nicht möglich gewesen“, zeigte erneut, dass Zschäpe ihre eigene Verantwortlichkeit leugne und auf Dritte Personen verschiebe. Auch bei Zschäpes Darstellung ihrer Beteiligung an Aktionen der Kameradschaft Jena sei ihre Neigungen zur Verharmlosung und zur Verlegung der Verantwortlichkeit nach außen angeklungen. Dagegen habe ihr Cousin ihre Beziehung zu Mundlos und Böhnhardt damit beschrieben, dass wahrscheinlich ihre Art die Männer zusammengehalten habe, sie habe „die Jungs im Griff gehabt“. Wenn dies zuträfe, spräche es für ein deutliches Maß an persönlicher Stärke und Selbstbewusstsein. Zu einem Kriminalbeamten habe sie noch am Abend ihrer Festnahme gesagt, ‚ich wurde zu nichts gezwungen.‘ Was Zschäpes Erklärungen zu den Taten angehe, sei der Wahrheitsgehalt für ihn als Psychiater nicht einzuschätzen. Sie habe wiederum die zentrale Rolle der Verstorbenen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt für alle Taten betont sowie ihre eigene finanzielle und emotionale Abhängigkeit von den beiden sowie ihre Beeinflussung durch die Suiziddrohungen der beiden. An Vorbereitung, Planung und Durchführung der Verbrechen wolle sie nicht beteiligt gewesen sein – mit Ausnahme der Brandlegung in der Frühlingsstraße, diese sei aber im Auftrag der beiden Verstorbenen erfolgt. Es sei aber einerseits festzuhalten, dass sie auch gegenüber einem Kriminalbeamten angegeben hatte, sie sei ein Meister im Verdrängen. Zudem stellten Zschäpes Erklärungen keine authentische Auseinandersetzung mit den Geschehnissen dar. Insgesamt sei zu Zschäpes Erklärungen festzustellen dass diese psychopathologisch gesehen egozentrisch, ganz auf sich selbst bezogen, wenig emphatisch, externalisierend seien.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2017/01/17/17-01-2017/

Der Beitrag Protokoll 336. Verhandlungstag – 17. Januar 2017 erschien zuerst auf NSU Watch.

»Wir arbeiten weiter« – Der »Nationalsozialistische Untergrund« in Sachsen

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von Dirk Laabs

Vorbemerkung
Wenn man die streng juristische Sichtweise der Bundesanwaltschaft zu Grunde legt, gelten bislang ausschließlich Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe als Kern- und Gründungsmitglieder des »Nationalsozialisten Untergrund« (NSU). Dieser sehr enge Maßstab wird jedoch der rechtsextremistischen Terrorgruppe bei weitem nicht gerecht. Mindestens 15 Personen waren Mitglieder und zentrale Unterstützer und Unterstützerinnen des NSU. Sie alle haben den rechten Terror erst möglich gemacht. Sie besorgten Waffen, Wohnungen, Geld – und schwiegen jahrelang. Ob alle die späteren konkreten Anschlagspläne kannten, ist dabei unerheblich – die Stoßrichtung der Gruppe war ihnen klar. Gemeinsam hatte man sich über Jahre zunächst offen politisch und später klandestin radikalisiert, militarisiert und auf die späteren Taten hingearbeitet. Am Ende hatte sich das Netzwerk einer rassistischen Internationale verschrieben. Viele der Unterstützungstaten mögen mittlerweile strafrechtlich verjährt sein, die historische Rolle der Unterstützer und Unterstützerinnen sowie der Kernmitglieder ist unbestritten. Nicht zufällig beginnt auch der Bekennerfilm des NSU mit dem Satz: »Der Na­tionalsozialistische Untergrund ist ein Netzwerk von Kameraden.«
Der NSU war also eine große Gruppe, zu keinem Zeitpunkt ein abgeschottetes Trio. Dabei fällt auf, dass die Mehrzahl seiner Akteure und Akteurinnen aus Sachsen stammt. Sachsen war für den »Nationalsozia­listen Untergrund« zugleich Geburtsort, Lebensraum und Tatort. In Sachsen raubten die Kernmitglieder der Terrorgruppe Banken und Postämter aus, von Zwickau aus planten sie ihre Morde und arbeiteten an dem NSU-Propagandafilm. Und in Sachsen konnten sie auf ein großes Reservoir von Unterstützern und Unterstützerinnen zurückgreifen. Vor allem aber fand das sogenannte Kerntrio des NSU – Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt – in Sachsen ein entscheidendes Element: den ideologischen Unterbau für ihre Taten.

Organischer Anfang: Jenaer und Chemnitzer Neonazis lernen sich kennen
1992, im Jahr der Angriffe auf das Vertragsarbeiterwohnheim in den Plattenbauten von Rostock-Lichtenhagen, lernten die zwei jungen Neonazis Uwe Mundlos und Beate Zschäpe aus Jena einen wesentlich älteren Rechtsradikalen kennen: Thomas Starke aus Chemnitz. Der Beginn einer mindestens acht Jahre währenden engen, verhängnisvollen Freundschaft. Den Kontakt hatte Zschäpes älterer Cousin Stefan A. hergestellt. Thomas Starke (Jahrgang 1967), ein ehemaliger DDR-Fußballhooligan und Spitzel der DDR-Kriminalpolizei, wurde zehn Jahre vor Uwe Böhnhardt geboren und war immerhin noch knapp sechs Jahre älter als Uwe Mundlos. Erfahrung, Alter und »Kampfjahre« sind Faktoren, die in der rechten Szene nicht zu unterschätzen sind. Von den Beteiligten wird das inzwischen umgedeutet: Starke, Beschuldigter im NSU-Komplex und jahrelang Informant des LKA Berlin, beschreibt sich seit der Selbstenttarnung des NSU im November 2011 wenig überraschend als interessierter Zuschauer, nicht als treibende Kraft. Dabei war Starke in der Szene wesentlich besser vernetzt als etwa Mundlos oder Böhnhardt. Und vor allem war er während der 1990er Jahre der engste Weggefährte des ebenfalls in Chemnitz lebenden einflussreichen Neonazis Jan Werner. Werner und Starke galten zeitweise als die radikalsten Neonazis in Sachsen.
Zusammen mit anderen sächsischen Neonazis hatte Starke Anfang der 1990er Jahre eine Veranstaltung von Bundeswehrsoldaten überfallen und wurde dafür zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Während Starke in der Justizvollzugsanstalt Waldheim einsaß, schrieb ihm der »Kamerad« Uwe Mundlos aus Jena regelmäßig Briefe. Er wollte etwa über das Gefängnis wissen: »Und wie sieht es dort mit Ausländern aus?« Es sei überraschend ruhig, antwortete Starke, er sei nur mit Deutschen auf der Zelle, fast alle »Skins«, die Anstaltsleitung mische die Häftlinge kaum. Die Briefe offenbaren eine klare Hierarchie: Mundlos war ein Lehrling, der den Veteran Starke im Gefängnis oft um Rat fragte: Welche Preise sollte er für Nazi-Rock-CDs nehmen, die er verkaufte? Welche anderen »Nationalisten« kontaktieren? Welche Anwälte anrufen, wenn es mal Ärger gab? Starke und andere Neonazis im Knast antworteten geduldig. Mundlos beschrieb im Gegenzug sein Leben voller eskalierender Konflikte.
Die Briefe und die Schilderungen Mundlos’ bestätigen, was Jahre später durch diverse Untersuchungsausschüsse ans Licht kam: Die Behörden hatten Mundlos und seine »Kameraden« aus Jena frühzeitig auf dem Schirm. Für die Chemnitzer Szene galt genau das Gleiche. Während Starke im Gefängnis saß, professionalisierten sich seine Freunde um Jan Werner – und das blieb der Polizei nicht verborgen. Einige rechtsradikale Chemnitzer Skinheads gaben sich den Namen »88er« – die 8 steht dabei für den achten Buchstaben im Alphabet; 88 ist mithin der Code für »Heil Hitler«. Die »88er« waren nicht mehr bloß betrunkene Skinheads, die Ärger suchten. Sie bedruckten schwarze Bomberjacken mit roten Achten, sie organisierten Konzerte, verlegten Fanzines, verkauften CDs, fotografierten sich vermummt mit Waffen in der Hand. Starke stieg in die Gruppe nach seiner Haftentlassung Mitte der 1990er Jahre ein und wurde neben Jan Werner zur treibenden Kraft. Schon bald ermittelte das sächsische Landeskriminalamt gegen die »88er« wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Ob diese Ermittlungsakten noch vorhanden sind, konnte bislang noch kein parlamentarischer Untersuchungsausschuss klären.

Auf dem Radar
Als Thomas Starke 1996 aus dem Gefängnis entlassen wurde, besuchte er sofort wieder die »Kameraden« in Jena. So fiel Starke gemeinsam mit Mundlos, Böhnhardt und anderen der Polizei auf, als sie in der Gedenkstätte Buchenwald israelische Journalisten provozierten. Böhnhardt und Mundlos trugen dabei braune Hosen und Hemden im Stil von SA-Uniformen. In dieser Zeit wurden die Jenaer Neonazis bereits vom Verfassungsschutz überwacht, was auch Mundlos und anderen Neonazis nicht verborgen blieb. Tatsächlich beeinflussten verschiedene Verfassungsschutzbehörden die rechte Szene durch ihre V-Männer bereits damals. Nirgendwo war das so augenscheinlich wie in Thüringen, wo die beiden wichtigsten rechtsradikalen Strippenzieher Informanten waren: Tino Brandt, der Chef des »Thüringer Heimatschutzes«, arbeitete für den Thüringer Verfassungsschutz. Michael See, ein gut vernetzter militanter Rechtsextremist aus Nordthüringen, arbeitete für das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV).
Unter den Augen der Sicherheitsbehörden und zum Teil mit Hilfe ihrer Informanten hatten die Jenaer Neonazis – parallel zu den Chemnitzer »Kameraden« – ab 1995 ihre Aktionen immer mehr strukturiert. Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe und weitere Weggefährten hatten sich als Kameradschaft Jena dem »Thüringer Heimatschutz« angeschlossen. In dieser Phase steckten die Jenaer Neonazis zunächst viel Energie in Flugblattaktionen, Demonstrationen und Versammlungen. Man wollte den öffentlichen Raum erobern und gab sich dabei als eine Art rechte außerparlamentarische Opposition.
Vielen Mitgliedern der rechten Szene war in dieser Phase durchaus bewusst, dass man unterwandert wurde. Uwe Mundlos thematisierte das in mehreren Briefen an inhaftierte Neonazis. Einer von ihnen antwortete Mundlos: »Die überparteiliche Vernetzung hat unzweifelhaft ihre Vorteile, aber man sollte auch ihre Nachteile nicht außer Acht lassen. Gerade dadurch wird der Polizei und dem VS der Anhaltspunkt geliefert, um die Sache mit aller Macht anzugehen. Bedenke, je schwerer es den Spitzelorganisationen ist, in die Vernetzung einzudringen, desto leichter ist es für sie, zu behaupten, dass diese Vernetzung der Illegalität und der Deckung, Planung und Ausführung von Straftaten dienen würde.«
Man dachte in der Szene also nüchtern und taktisch über die Rolle der V-Männer nach: Erst wenn kein V-Mann aus einer Organisation oder einer Bewegung berichtete, werden die Behörden misstrauisch, so die Analyse. V-Männer zu kontrollieren, könnte also auch eine nützliche Ablenkung der staatlichen Verfolger sein. Nach außen – in Fanzines, Interviews – prangerte die rechte Szene die Einmischung an und nutzte die Gratwanderung des Staates propagandistisch aus. Diese Sichtweise brachte der langjährige Chef des »Thüringer Heimatschutzes« Tino Brandt in einem Interview mit dem Autor Anfang 2016 auf den Punkt. Brandt, selber V-Mann, sagte:
»Die vielen V-Leute … sollte es nicht geben in der rechten Szene. […] Aus heutiger Sicht würde ich das nicht wieder machen. Ich empfinde es als unmöglich, dass dieser Staat sich so einmischt in eine politische Oppositionsbewegung.« Brandt behauptete, dass der Staat die »Drei« – Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe – durch diverse Repressionsmaßnahmen quasi in den Untergrund getrieben hätte. Dieser Märtyrer-Moment ist in der Entwicklung fast jeder terroristischen Bewegung entscheidend: Ob man sich dabei einbildet, verfolgt zu werden oder wirklich verfolgt wird, spielt bei der Radikalisierung keine entscheidende Rolle.
Inspiration und Vorbild für diese Doppelstrategie bezogen deutsche Neonazis in den 1990er Jahren vor allem aus den USA. Dennis Mahon, ehemaliger Grand Dragon im Ku-Klux-Klan und dann Mitglied der radikaleren Gruppe »White Aryan Resistance« (W.A.R.), erklärte diese Strategie bei einem seiner zahlreichen Besuche in Deutschland in einem Interview mit dem Magazin Tempo – die Bundesanwaltschaft fasste ­diesen Ansatz in einem Vermerk zusammen:
»Auf die Frage, warum er nach Deutschland gekommen sei, erwiderte MAHON, dass er seit zwei Jahren in Kontakt mit rechtsradikalen Gruppen in Ost- und Westdeutschland stehe. Es wäre Zeit für ihn, ihren Widerstand gegen die Ausländer mitzuerleben. Seine Leute in Deutschland operierten eigenständig. […] Seine Ziele wolle er erreichen, indem er wie die PLO und die IRA eine Doppelstrategie anwende. Auf der einen Seite eine zivile Front, die sich in dem politischen Prozess eingliedere, auf der anderen Seite eine Terrorfront im Untergrund.«
Und wer diese Terrorfront bilden sollte, stand für die Vordenker von W. A. R. ebenfalls schon fest. Der W.A.R.-Chef Tom Metzger sagte Anfang der 1990er, es ginge nun darum, dass man das Gewaltpotenzial der rechten Skinheads nutze. Sie sollten an vorderster Front die »weiße Rasse« verteidigen. Eine rassistische Internationale müsse initiiert werden, damit sich die »weiße Rasse« verteidigen könne. Die US-amerikanischen Rassisten inspirierten anfangs insbesondere die britische Szene, die bald dem Konzept des »Rassenkriegs« folgte. Die einflussreichste Gruppe wurde dabei »Blood & Honour«, zunächst ein Zusammenschluss von Rechtsrock-Bands.
Dennis Mahon erklärte auch, warum die Rassisten aus den USA sich so intensiv mit Europa beschäftigten: Die weißen Amerikaner bräuchten »einen Rückzugsort, wenn der Rassenkrieg« im Heimatland verloren« ginge.

Vorbereitung für den Untergrund
In Chemnitz war die Umsetzung dieser Ideologie ab Mitte der 1990er Jahre zu beobachten. Der gewaltbereiten Skinheadbewegung wurde eine Struktur gegeben. Die Schlüsselrolle spielte dabei Jan Werner. Die »88er« hatten sich inzwischen unbenannt und einer größerer Bewegung angeschlossen: Sie waren die sächsische Sektion von »Blood & Honour« geworden. Werner und Starke übernahmen dabei die Propaganda- und Untergrundkonzepte aus Großbritannien und den USA. Jan Werner baute nicht nur internationale Kontakte auf, sondern übersetzte die Ideologie von »Blood & Honour«, übertrug sie nach Deutschland und verbreitete sie durch die Musik und sogenannte Fanzines.
Im Mittelpunkt der Hetze standen zwar man immer noch der Staat und die politischen Gegner – »die Rotfront«, »die Zecken« – aber gleichzeitig fokussierte man den Hass zunehmend auf alles Fremde. Zur Ideologie gehörte auch die Realität der Alltagsgewalt. So schoss 1997 der Berliner Neonazi Kay Diesner erst auf einen PDS-Buchhändler in Berlin, zwei Tage später ermordete er einen Polizisten und verletzte dessen Kollegen schwer. Diesner erklärte bei seiner Festnahme, er sei ein Soldat des »Weißen Arischen Widerstands«. Die Chemnitzer Szene reagierte auf ihre Weise. Das Fanzine Foier Frei, das auch Jan Werner zu verantworten hatte, zeigte nach Diesners Taten das berühmte Gemälde eines US-amerikanischen Farmer-Ehepaars von Grant Woods auf der Titelseite. Anstelle von Mistgabeln hielten die beiden jedoch Maschinenpistolen in den Händen, und darunter prangte die Zeile:
»›Wir arbeiten weiter‹.
Kurz: W.A.W.
Für: ›Weißer Arischer Widerstand‹.«
Bewaffnete Anschläge wie die von Diesner setzten die Szene weiter unter Druck. Worte oder Solidaritätsbekundungen alleine reichten nicht. So griffen auch die Anführer der Chemnitzer Szene zu Gewalt, um die Anhänger zu mobilisieren und den eigenen Machtanspruch zu legitimieren. Jan Werner beispielsweise soll laut unter Verschluss gehaltenen Unterlagen einen Überfall auf einen linken Jugendtreff 1997 angeführt haben. Die Organisation von Gewalttaten wiederum legitimierte ihn als Anführer von »Blood & Honour«. Die Neonazis um Thomas Starke und Jan Werner machten also nicht nur Musik für und Geld mit der rechten Szene, wie später von den meisten Zeugen im NSU-Prozess behauptet wurde. Sie stießen auch nicht nur leere Drohungen aus. Sie waren vielmehr verantwortlich für konkrete Gewalttaten und fachten das Feuer weiter an.
Mitte der 1990er Jahre – bevor durch das Internet für jeden alles jederzeit nutzbar war – war es viel schwerer für die extremistische Szene, an illegales Propagandamaterial zu kommen. Jan Werner schaffte Abhilfe. Er nutzte die »Blood & Honour«-Kontakte, um Terrorpropaganda zu beschaffen und zu verteilen, beispielsweise die begehrten »Kriegsberichter«-Videos, hergestellt von skandinavischen »Blood & Honour«-Aktivisten. In den Filmen wird die gezielte Erschießung von politischen Gegnern, von Juden und Schwarzen gezeigt. Der Zwickauer Neonazi Ralf Marschner, ein enger Freund von Jan Werner, brachte diese Videos persönlich in seinem Auto nach Thüringen und verkaufte sie dort. Marschner war zu der Zeit bereits V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Auch in der Kameradschaft Jena schaute man die »Kriegsberichter«-Videos. Die Kameradschaft beschäftigte sich auch konkret mit dem »Weißen Arischen Widerstand«. So fand sich die – korrekte – Adresse von Tom Metzger, dem US-amerikanischen Anführer des W.A.R., in einer Garage, die die Kameradschaft Jena als Lager und Bombenwerkstatt benutzte.
Allerdings hatten in Thüringen größtenteils noch Neonazis das Sagen, die der SA und der SS nacheiferten, denen die Anglizismen der »Blood & Honour«-Bewegung fremd blieben. Thüringer »Heimatschüt­zer« besuchten lieber den letzten Chef der Hitler-Jugend, Artur Axmann, in Berlin, träumten weiter von der Rückkehr der NS-Zeit, schmiedeten grandiose Pläne zur Machtergreifung. In Chemnitz machte dagegen der britische Chef von »Blood & Honour«, Wilf Browning, bei einem Besuch großen Eindruck auf die deutschen Neonazis. Browning und andere hatten sich dabei bereits klar als die Underdogs und Unterdrückten positioniert, die die Speerspitze des »Weißen Arischen Widerstands« im globalen Rassenkrieg bilden, weil sie »die Gefahr« als Erste erkannt hätten und als einzige »Weiße« mutig genug für entschlossenen Widerstand seien. Ihr Schlachtruf: »Race before Nation«.
Gedanklich mussten sich die Thüringer Neonazis wie Böhnhardt, Mundlos und andere auf diesen Ansatz erst einstellen. Aber es gibt Belege, dass sich die beiden unterschiedlichen neonazistischen strategischen Ansätze und Strukturen aus Thüringen und Sachsen bereits ab 1996 beeinflussten. In dem Datenwust der Sicherheitsbehörden, der seit Ende 2011 in Sachen NSU-Komplex aufgearbeitet werden muss, findet sich ein interessantes Detail: Schon 1996 wurden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gemeinsam mit André Eminger aus Johanngeorgenstadt, einer Kleinstadt im sächsischen Erzgebirge, und Max-Florian Burkhardt aus Chemnitz im Auto eines führenden Kaders des »Thüringer Heimatschutzes« festgestellt. Sowohl Eminger als auch Burkhardt wurden wenige Jahre später zentrale Unterstützer des NSU in ­Sachsen: Eminger muss sich mit Beate Zschäpe vor dem Oberlandesgericht München verantworten. Max-Florian Burkhardt hat zugegeben, im Januar 1998 das von der Polizei gesuchte Jenaer Trio in seiner Wohnung in Chemnitz untergebracht zu haben. Man kannte sich also schon sehr früh – und unterstützte sich.
Der »Thüringer Heimatschutz« hatte es bereits ab 1996 nicht bei ­öffentlichen Aktionen belassen. Die Kameradschaft Jena – Mundlos, Böhnhardt und ihre engen Freunde – verschickten etwa anonyme Bombenattrappen per Brief an die Stadtverwaltung und Polizei in Jena. Drei Jahre lang wurden an vielen Orten Thüringens aus dem »Thüringer Heimatschutz« heraus immer wieder Bombenattrappen und Sprengsätze abgelegt. Böhnhardt hatte da auch schon begonnen, in seinem Kinderzimmer Schwarzpulver aus Feuerwerksraketen zu kratzen und Bomben zu präparieren. Es gibt Anhaltspunkte, dass er diese erste Bombe bei einem Angriff auf ein Flüchtlingsheim bei Rudolstadt eingesetzt hat, ausermittelt wurde dieser Anschlag jedoch bis heute nicht.
Ideologisch – und auch technisch – war die Kameradschaft Jena im Herbst des Jahres 1997 offenbar noch nicht so weit, den Sprengstoff in einem gemeinsamen großen Anschlag einzusetzen. Die erste zündfähige Bombe, wenn auch mit einer geringen Menge an Sprengstoff, wurde im Herbst 1997 in Jena abgelegt. Wieder war es allerdings ein symbolischer Akt, bei dem es vor allem darum ging, auf die lokale Bevölkerung in Jena Eindruck zu machen. Die Bombe wurde in einem Koffer vor dem städtischen Theater abgestellt. Der Koffer war mit einem Hakenkreuz bemalt, in dem Sprengsatz befanden sich wenige Gramm des Sprengstoffs TNT.
Ein Detail belegt in diesem Zusammenhang die frühe enge Verbindung zwischen den Gruppen in Chemnitz und Jena sehr anschaulich: In dieser Phase waren es die Chemnitzer Neonazis, die der Jenaer Kameradschaft professionellen Sprengstoff besorgten. Thomas Starke hatte seinem Freund Uwe Mundlos den Sprengstoff über einen weiteren sächsischen Neonazi besorgt, das gab Starke nach 2011 zu. Er behauptete aber, Mundlos sei die treibende Kraft gewesen. Ob das wirklich so war, ist nicht mehr nachzuprüfen. Eines steht fest: An dieser Schnittstelle zwischen Propagandataten und Terroranschlägen ergänzten sich die Thüringer und sächsische Neonazis.
Ideologisch gab es zudem mittlerweile eine große Schnittmenge: Die Kameradschaft Jena und die ehemaligen »88er« in Chemnitz waren zeitgleich zu dem Schluss gekommen, dass der politische Kampf auch aus dem Untergrund heraus beziehungsweise klandestin geführt werden musste. Das war die Ausgangslage Anfang 1998, als die Thüringer Polizei die Bombenwerkstatt der Jenaer Kameradschaft in der Garage Nr. 5 an der Saale fand und Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe trotzdem flüchten konnten. Einen Tag vor ihrer Flucht waren sie noch in Dresden gewesen, bei einer Demonstration gegen die Wehrmachtsausstellung. Der erste Stopp auf ihrer Flucht führte sie knapp 24 Stunden später erneut nach Dresden zu Thomas Starke.
Dieser Schritt war konsequent: Die durch äußere Umstände not­wendig gewordene Flucht schuf dazu am Ende eine willkommene Gelegenheit.

Abgetaucht, aber nicht im Untergrund
In Sachsen kamen Mundlos, Zschäpe und Böhnhardt bei Freunden von Thomas Starke in Chemnitz unter, dem Zentrum der Bewegung des deutschen »Weißen Arischen Widerstands« (WAW). Dort übernahm vor allem Jan Werner die Organisation der Hilfe für das Trio und ging dabei auch ein hohes Risiko ein. Die Stimmung in der rechten Szene war zu diesem Zeitpunkt bereits aufgeheizt, doch sie sollte noch weiter eskalieren. Die rechten Aktivisten wussten längst, dass ständig Polizei- und Verfassungsschutzoperationen gegen sie stattfanden. Wohnungen von »Blood & Honour«-Mitgliedern in Chemnitz wurden regelmäßig durchsucht. Zudem waren Behörden aus Thüringen – Polizei und Verfassungsschutz – in Sachsen auf der Suche nach den sogenannten Drillingen – Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt. Unterstützt wurden sie dabei vom Bundesamt für Verfassungsschutz. Die Telefone von Starke, Werner und anderen Kernmitgliedern von »Blood & Honour« wurden zudem zeitweise von mehreren Behörden gleichzeitig abgehört. Diesen Fahndungsdruck registrierten die Chemnitzer Neonazi-Aktivisten und -Aktivistinnen – und er bestätigte sie in ihren radikalen Plänen.
Bei einem Szene-Treffen im Juni 1998 forderte eines der Mitglieder von »Blood & Honour« – Antje Probst –, »die Politik« nun in Form von Anschlägen aus dem Untergrund heraus weiterzuführen. Ein V-Mann des Landesamtes für Verfassungsschutz Sachsen berichtete seinem Dienst von diesem Treffen, die brisante Information erreichte auch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Dort, wie ein Mitarbeiter des BfV später vor dem ersten NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages aussagte, hätte man die Information jedoch relativiert: Der Frau sei ein Anschlag nicht zuzutrauen, sie habe sich nur über eine erneute Durchsuchung geärgert. Auch Werner sei im Prinzip harmlos. Ob das BfV im Jahr 1998 tatsächlich die »Blood & Honour«-Szene derart falsch einschätzte, ist jedoch mehr als fraglich. Das LfV Sachsen zum Beispiel führte Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe schon 1998 als Rechtster­roristen.
In dieser Phase erfuhr auch das BfV, dass der Kopf von »Blood & Honour« Sachsen, Jan Werner, weiter große Risiken auf sich nahm, um das sogenannte Trio trotz des enormen Fahndungsdrucks weiterhin zu unterstützen: Die abgetauchten Drei aus Thüringen brauchten Unterkunft, Waffen, Geld. Die interne Kommunikation der Szene von damals zeigt, dass mehrere Chemnitzer Kader eng in die Wohnungssuche für das Trio eingebunden waren. Zudem ging man arbeitsteilig vor. Nicht jedes »Blood & Honour«-Mitglied musste den gleichen Wissensstand haben.
In dieser Zeit zeigte sich auch, dass »Blood & Honour« Sachsen keine Mittel im Überfluss hatte. Selbst wenn es Werner gewollt hätte, konnte Blood & Honour Sachsen die Kosten für die flüchtigen Drei aus Thüringen nicht aus der Portokasse bezahlen. Geld musste her.
Die erste kriminelle Handlung in Sachsen, die Böhnhardt und Mundlos zugerechnet wird, ist daher wenig überraschend ein Raubüberfall. Im Dezember 1998, kurz vor Weihnachten, hatte man sich einen Edeka-Supermarkt in Chemnitz als Ziel ausgesucht. Gerade als die Einnahmen aus den vollen Kassen von einer Mitarbeiterin in einer Tasche gesammelt worden waren, schlugen zwei Täter zu, erbeuteten umgerechnet 15 000 Euro. Im Weglaufen schossen sie auf einen jungen Mann, der sie verfolgte. Zwei der engsten Gefolgsleute von Jan Werner arbeiteten damals in einer Chemnitzer Edeka-Filiale und dürften mit den Abläufen – etwa: wann werden die Kassen geleert – vertraut ­gewesen sein. Durch einen V-Mann aus Brandenburg, Deckname Piatto, wusste man bei verschiedenen Verfassungsschutzbehörden zudem, dass das flüchtige Thüringer Trio auf der Suche nach Waffen war, um »weitere Überfälle« zu begehen. Für die Waffensuche war Jan Werner zuständig, auch das meldete der V-Mann.
Konsequenzen hatten diese Meldungen jedoch angeblich nicht, erklärten nach 2011 Vertreter der Verfassungsschutzämter von Brandenburg, Thüringen und Sachsen. Auch den Edeka-Überfall prüfte man nie hinsichtlich einer Tatbeteiligung der bekanntermaßen flüchtigen Neonazis – obwohl die Ermittler damals sicher waren, dass die Täter mit dem Bus oder einem kleinen Motorrad mit geringer Reichweite geflohen waren und wahrscheinlich aus der Umgebung stammten. Der Überfall wurde auch ausführlich im lokalen Fernsehsender MDR thematisiert, doch brachte das weder Polizei noch Verfassungsschutz auf die Spur von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe. Dass man bei Jan Werner bei einer Durchsuchung Überweisungsträger fand, die belegten, dass im Dezember 1998 wenige Tage nach dem Überfall hohe Bargeldbeträge auf dem Konto seiner damaligen Freundin eingingen, fiel angeblich ebenfalls niemandem auf.

1999 – der erste Anschlag
Eine Befehlskette – Zentrale befiehlt, Filiale handelt – lässt sich bei der rassistischen Internationalen, dem »Weißen Arischen Widerstand«, nicht feststellen. Wohl aber inspirierte man sich gegenseitig, setzte sich durch konkrete Handlungen unter Druck. Als im April 1999 der Brite David Copeland innerhalb von wenigen Wochen drei Nagelbomben in London zündete, dabei drei Menschen tötete und Dutzende schwer verletzte, wurde das sowohl in deutschen Medien als auch von der rechtsradikalen Szene wahrgenommen. Copeland hatte gezielt Migranten und Homosexuelle angegriffen. In seinem Geständnis bezog er sich explizit auf das Konzept des »Rassenkrieges«, das unter anderem in dem Buch »The Turner Diaries« des US-amerikanischen Neonazi-Anführers William Pierce und auf der Homepage des britischen »National Socialist Movement« (NSM) detailliert erklärt wurde: Es gehe darum, »Terror und Angst bei ethnischen Minderheiten zu erzeugen, Brand- und Sprengstoffanschläge auf ihre Häuser zu verüben und Einzelpersonen zu töten«.
Im Juni 1999 – wenige Wochen nach den Anschlägen von London – begingen auch Mundlos und Böhnhardt ihren ersten Anschlag. Unweit des Nürnberger Bahnhofs legten sie in der kleinen Kneipe namens »Sonnenschein« eine Bombe ab. Die Bar wurde von einem Türken geführt. Der Sprengkörper sah aus wie eine Taschenlampe, knipste man sie an, sollte sie explodieren. Ein junger Kellner türkischer Herkunft fand die Sprengfalle: Sie zündete mit Verzögerung und verletzte den 18-Jährigen daher nur leicht. In den frühen 1990er Jahren waren vor allem im Raum Köln Migranten mit ähnlichen Bomben verletzt worden. Immer handelte es sich dabei um ein Haushaltsgerät oder andere Gegenstände, die man erst anschalten musste, um die Bombe zu zünden. Diese Gemeinsamkeiten wurden aber damals von den zuständigen Ermittlern nicht herausgearbeitet.

Kein abgeschottetes Trio
Laut der Anklageschrift der Bundesanwaltschaft sollen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe völlig abgeschottet agiert haben. Über Jahre hätten sie die Hilfe von Unterstützern und Unterstützerinnen in Anspruch genommen, ohne Informationen über ihre mörderischen Aktionen zu teilen. Das allerdings ist nicht mehr haltbar. Ein Mitangeklagter sagte vor dem Oberlandesgericht in München im NSU-Prozess aus, dass er von einem Unterstützer der Drei von dem Nürnberger Anschlag in der Gaststätte »Sonnenschein« erfahren hatte. Auf diesem Wege erfuhren auch die Ermittlungsbehörden erst im laufenden Prozess, dass der NSU auch hinter dieser Bombe steckte. Die Aussage des Mitangeklagten von Beate Zschäpe bedeutet im Klartext: Böhnhardt und Mundlos haben sich mitgeteilt, sie haben gegenüber Unterstützern mit ihren Taten geprahlt.
Naheliegend wäre es, dass auch die Chemnitzer Helfer Bescheid wussten, zumal insbesondere Jan Werner ohnehin schon in die Waffensuche eingebunden war und auch sonst Interesse an militanten Aktionen gezeigt hatte. Zudem mussten Böhnhardt und Mundlos irgendwo die Bombe zusammenbauen, darüber hinaus brauchten sie Material für den Sprengsatz – bis heute ist auch die Frage, wo und mit wessen Hilfe diese erste Bombe gebaut wurde, nicht geklärt.
Ende 1999 verschärften Mundlos und Böhnhardt das Tempo, über die alten »Heimatschutz«-Kontakte besorgten sie sich eine Waffe mit Schalldämpfer: Eine Česka 83, Kaliber 7,65. Zudem gingen die Überfälle weiter. Ende 1999 schlugen Mundlos und Böhnhardt erneut in ­Chemnitz zu. Sie überfielen dabei auch eine Postfiliale, untergebracht neben einem Friseursalon. Darin arbeitete eine der wichtigsten Unterstützerinnen des Trios zu der Zeit – Mandy Struck. Aber auch diese ­Verbindung soll damals auf Seiten der Behörden niemand aufgefallen sein.

2000 – der erste Mord und der angebliche Bruch
Bis in den April 2000 hinein gingen etwa beim Thüringer Verfassungsschutz Informationen ein, dass Jan Werner dem Trio half. Als im Juli 2000 in Düsseldorf eine Bombe explodierte und vor allem jüdische Migranten verletzt wurden, überschlugen sich die Ereignisse. Plötzlich gab es in Deutschland Sondersendungen im Fernsehen über den rechten Terror. Die Opposition – damals unter anderem die CSU und CDU – forderte das Verbot der NPD. Die Bundesregierung zog nach und ließ »Blood & Honour« verbieten. Zwar hatte sich die sächsische Sektion schon zuvor offiziell von der deutschen Gesamtorganisation getrennt, die Verbindungen waren dennoch weiter eng. Ebenfalls im Sommer 2000 wurde der V-Mann Piatto in der Presse enttarnt – jener Informant also, der der rechten Terrorgruppe in Chemnitz am nächsten gekommen war. Der Druck auf die flüchtigen Neonazis und ihre Helfer war enorm, schreckte die Mitglieder des NSU aber offenbar nicht ab, im Gegenteil.
Am 9. September 2000 wurde Enver Şimşek am Rande von Nürnberg mit zwei Waffen von Mitgliedern des NSU erschossen. Der erste von zehn Morden der Gruppe. Die Mörder machten ein Foto von ihrem sterbenden Opfer, das später für den NSU-Bekennerfilm verwandt wurde. Wie die Täter auf ihr Opfer stießen, ob sie Hilfe hatten, ist weitestgehend unklar. Sie hielten sich offenbar aber an die ideologischen Vorgaben aus England: »Angst und Terror« zu erzeugen und »Einzelpersonen zu töten«.
Angeblich, so ist auch fünf Jahre nach der Selbstenttarnung des NSU unverändert der Stand der Beweisaufnahme, hatte sich das Kerntrio unmittelbar vor dem ersten Mord von den Helfern und Helferinnen der ersten Jahre abgeschottet, obwohl man sich ideologisch so nahe stand und vor allem die Chemnitzer über Jahre fanatisch das Konzept eines »Rassenkriegs« propagiert hatten. Das gilt vor allem für Thomas Starke und Jan Werner. Mit Starke etwa hätten sich Mundlos, Zschäpe und Böhnhardt verkracht, sagte ein Zeuge dem BKA. Für Werner gibt es einen solchen Zeugen nicht – ob und wann der Kontakt abriss, warum und ob Werner den Dreien nicht mehr half, ist völlig offen. Zwar waren Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe schon im Mai 2000 von Chemnitz weg und nach Zwickau gezogen, aber sie benutzten dabei wieder die Hilfe eines Chemnitzer Kaders. Zudem hielten sie bis zum Schluss regelmäßigen Kontakt zu dem Ehepaar Susann und André Eminger und zu Matthias Dienelt, in der Szene vernetzte Neonazis. Sie brachen also keineswegs mit ihrem alten Umfeld. Vor allem soll Uwe Mundlos in dieser Zeit bei dem V-Mann Ralf Marschner in dessen Baufirma in Zwickau gearbeitet haben. So berichtete es ein glaubhafter Zeuge dem 2. NSU-Untersuchungsausschuss in Berlin. Ein weiterer Zeuge hatte Beate Zschäpe des Öfteren im Laden bei Marschner gesehen. Ein dritter Zeuge will Böhnhardt und Mundlos schon 1998 mit dem V-Mann zusammen beobachtet haben, als dieser sich am Rande eines Fußball­turniers nach Waffen erkundigte.
Marschner wiederum war seit Jahren eng mit Jan Werner bekannt – gemeinsam hatten sie »Blood & Honour«-Propaganda vertrieben, Konzerte organisiert. Dass das sogenannte Trio nach Zwickau zog, ohne dass Werner dies mitbekommen haben soll, ist äußerst fraglich. Schließlich wurde Werners engster Mitstreiter Thomas Starke ausgerechnet im November 2000 nach dem ersten NSU-Mord vom LKA Berlin als Informant geworben. Er berichtete dann auch mit Verzögerung über Werner, dessen Hilfe für die Drei und seine Verstrickung in den Waffenhandel. Das LKA Berlin will die Informationen aber nie in konkrete Hand­lungen umgesetzt haben.
Wichtig ist auch, dass sich Mundlos, Zschäpe und Böhnhardt in Chemnitz und Zwickau nie so unsicher fühlten, dass sie ganz aus Sachsen weggezogen wären oder den Kontakt zu sächsischen Neonazis komplett abgebrochen hätten. Bis zum Ende blieben sie in Zwickau. Wann und ob überhaupt der Kontakt zu den über lange Jahre wichtigsten Unterstützern – Werner und Starke – wirklich abbrach, ist auch nach fünf Jahren Ermittlungen und Recherchen völlig offen. Erst wenn in dieser Sache alle Akten – etwa die des LfV Sachsen über dessen diverse V-Leute in der Umgebung des NSU – offengelegt werden, ist ein abschließendes Urteil möglich. Die These jedenfalls, dass Mundlos, Zschäpe und Böhnhardt am Ende »abgeschottet« in Sachsen gelebt hätten, hat schon die Beweisaufnahme diverser Untersuchungsausschüsse schlüssig widerlegt.
Zudem herrschen auch bei Mitarbeitern sächsischer Institutionen ernste Zweifel daran, dass das untergetauchte Trio in Chemnitz dem lokalen Verfassungsschutz nicht aufgefallen sein soll, obwohl Mundlos, Zschäpe und Böhnhardt über Jahre mit den notorischsten Neonazis Sachsens engen Kontakt hatten.
Die Aufklärung steht hier erst am Anfang. Viele Antworten dürften sich in Sachsen und seinen Behörden finden.

Zuerst veröffentlicht in:
Heike Kleffner Matthias Meisner (Hg.):
Unter Sachsen – Zwischen Wut und Willkommen
ISBN: 978-3-86153-937-7
Ch. Links Verlag

Der Beitrag »Wir arbeiten weiter« – Der »Nationalsozialistische Untergrund« in Sachsen erschien zuerst auf NSU Watch.

Protokoll 341. Verhandlungstag – 26. Januar 2017

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Zu Beginn des Verhandlungstag sagt Jens Ku. aus, der früher beim Staatsschutz in Jena tätig war. Er soll Angaben zur Kameradschaft Jena machen, insbesondere zu Ralf Wohlleben. Da dieser aber früher „Chefsache“ gewesen sei, kann Ku. dazu kaum Aussagen treffen. Anschließend daran spricht der Psychiatrische Sachverständige Prof. Dr. Henning Saß zu seinen Beobachtungen, die er während des Prozesses bzgl. Beate Zschäpe gemacht hat.

Zeuge und Sachverständiger:

  • Jens Ku. (Kriminalbeamter, ehem. Staatsschutz Jena, Angaben zu Ralf Wohlleben)
  • Prof. Dr. Henning Saß (Psychiatrischer SV, Begutachtung von Beate Zschäpe)

Der Verhandlungstag beginnt um 09:48 Uhr. Nach der Präsenzfeststellung sagt Götzl: “Wir haben zunächst den Zeugen Ku. geladen.” Jens Ku. wird belehrt und seine Personalien werden festgestellt. Dann sagt Götzl: “Herr Ku., es geht uns um Informationen, die Sie gegebenenfalls haben im Hinblick auf Aktivitäten und Äußerungen des Ralf Wohlleben in Bezug auf Ausländer-/ Asylpolitik, des weiteren im Hinblick auf Straftaten von Angehörigen der rechten Szene, hier geht es uns insbesondere um die Kameradschaft Jena, THS und um Straftaten gegen Ausländer. Wenn Sie mal schildern, wie weit Sie in Ermittlungen eingebunden waren.” Ku.: “Seit April 1994 war ich im Staatsschutz der KPI Jena tätig, mehrere Jahre bis Oktober 1997. Während dieser Zeit war ich u.a. für sechs Monate im LKA in der Soko Rex tätig. Außerdem war ich in dieser Zeit gelegentlich abgeordnet zu anderen Sokos, also die Staatsschutzzeit war nicht vollumfänglich, die Sokos bearbeiteten andere Fälle. In den 90ern, so ab ’94 bildete sich im Raum Jena die Kameradschaft Jena. In Bezug auf die Kameradschaft war Kameradschaftsführer André Kapke. Die mir bekannten Mitglieder waren Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe, ein Herr Apel und viele andere. Ab ’94 fiel die Kameradschaft Jena damit auf, in dem sie vorwiegend Propagandastraftaten beging, also es wurden wilde Plakatierungen zu Rudolf Heß getätigt, es wurden Spruchbänder aufgehangen, was später dazu führte, dass aus der Kameradschaft Jena heraus über die Autobahn eine Puppe mit der ersten Bombenattrappe gehangen wurde. Straftaten gegen ausländische Mitbürger sind mir aus diesem Zeitpunkt [phon.] nicht bekannt, weder von der Gruppe noch von Herrn Wohlleben.”

Götzl: “Hatten Sie mal Kontakt zu Herrn Wohlleben in der Zeit?” Ku.: “Ich hatte keinen Kontakt zu Wohlleben. Herr Wohlleben war bei uns im Staatsschutz Chefsache und wurde vom Leiter bearbeitet.” Götzl: “Waren Sie mal in Ermittlungen eingebunden, die Herrn Wohlleben betroffen hätten, als Beschuldigter oder Zeuge?” Ku.: “Da sind mir keine erinnerlich.” Götzl: “Haben Sie ansonsten von Kollegen dienstlich Informationen in Bezug auf Herrn Wohlleben gewonnen hinsichtlich seiner politischen Ansichten, im Hinblick auf das genannte Thema Ausländer-/ Asylpolitik?” Ku.: “Da habe ich keinerlei Kenntnis. Ich kenne Herrn Wohlleben als Papierlage sozusagen, als Anmelder von Veranstaltungen, z.B. Fest der Völker.” Offenbar gibt es Unklarheit über den Begriff “Papierlage”. Ku.: “Papiere von anderen Behörden.” [phon.] Götzl: “Welche Veranstaltungen?” [phon.] Ku.: “Wie gesagt, Fest der Völker. Dort trafen sich praktisch Gleichgesinnte zu dieser Veranstaltung.” Götzl: “Demonstrationen, können Sie dazu was sagen, der damaligen rechten Szene?” Ku.: “Inhalte sind mir heute nicht mehr erinnerlich, müsste auf Vermerke zurückgreifen, aber ich habe da definitiv keine geschrieben. Da müsste man auf Vermerke anderer Beamten zurückgreifen.” Götzl: “Nein, mir geht’s um Ihre Informationen.” Ku.: “Ich habe keine Informationen dazu.” Götzl: “Sind Fragen von Seiten des Senats an den Zeugen, von Seiten der Bundesanwaltschaft, von Seiten der Verteidiger?”

Wohlleben-Verteidiger RA Klemke: “Sie führten aus, dass die Kameradschaft Jena vorwiegend mit Propagandastraftaten aufgefallen sei, erwähnten wilde Plakatierungen zu Rudolf Heß und den Puppentorso an der Autobahnbrücke. Abgesehen vom Puppentorso: Was für Propagandastraftaten?” Ku.: “Es wurden Flugblätter verteilt über das Thema Rudolf Heß. Das waren die Anfänge der Kameradschaft, man befasste sich damit, das Gedenken an Rudolf Heß hochzuhalten.” Klemke: “Inwieweit handelte es sich um Straftaten?” Ku.: “Wir haben die Flugblätter vorerst als Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen [phon.] aufgefasst, denn Rudolf Heß war, glaube ich, in Uniform und mit einer Hakenkreuzbinde abgebildet. Zu prüfen war das sowieso durch den Staatsanwalt.” Klemke: “Also 86a?” Ku.: “86a .” Klemke: “Okay. Waren das Flugblätter oder Plakate?” Ku.: “Unterschiedlich. Ich weiß nicht wo die Abtrennung da liegt. Das Flugblatt kann ich genauso an eine Hauswand kleben oder an einen Lichtmast.” Klemke: “Soll ich jetzt eine Frage beantworten? Bin ich hier Zeuge, Herr Ku.?”

Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders: “Sie erwähnten Transparente an Brücken, inwieweit waren da Straftaten Ermittlungsgegenstand?” Ku.: “1995 wurde erstmals ein Transparent [phon.] an einer Autobahnbrücke aufgehangen, wo ‘Hess’ mit Doppel-Sig-Rune geschrieben wurde.” Schneiders: “Danke.” Klemke: “Ist bezüglich des Transparentes mit Doppel-Sig-Rune ein Tatverdächtiger ermittelt worden?” Ku.: “Kann ich Ihnen nicht sagen, wer dort konkret ermittelt wurde.” Klemke: “Sie können nicht sagen, ob dieser Vorgang irgendwas mit der Kameradschaft Jena zu tun hat?” Ku.: “Das kann ich nicht sagen, aber ein Jahr später wurde an derselben Brücke dieser Torso mit Davidstern aufgehangen, wo die Ermittlungen zur Kameradschaft führten.” Klemke: “Bei den Flugblättern und Plakaten, ist denn da ein Tatverdächtiger ermittelt worden?” Ku.: “Ist mir nicht geläufig.” Klemke: “Ist Ihnen nicht geläufig.” Ku. “Es gab einen Verdacht: Herr Kapke. Es gab auch eine Beschuldigtenvernehmung. Kapke gab zu, über solche Wurfzettel zu verfügen und sie auch verteilt zu haben.” Klemke: “Ist ein Strafverfahren gegen Herrn Kapke eingeleitet worden?” Ku.: “Ja.” Klemke: “Haben Sie Kenntnis, wie das ausgegangen ist?” Ku.: “Nein, ich habe von keinem Verfahren, was damals geführt wurde, Kenntnis, wie das ausgegangen ist.”

Schneiders: “Ihre Informationen über Mitglieder der Kameradschaft Jena, worauf gründen sich Ihre Informationen?” Ku.: “Dass man sich gemeinsam getroffen hat, diese Personen haben gemeinsam Orte aufgesucht, und dass man sich später als Kameradschaft zu erkennen gab. Man führte in Thüringen den sogenannten Gauwinkel oder Gaudreieck ein. Ein schwarzes Dreieck mit der Aufschrift ‘Thüringen’.” Schneiders: “Wie stellen Sie da den Bezug her zur Kameradschaft Jena?” Ku.: “Die Kameradschaft Jena war ein Bestandteil der Kameradschaft Thüringen, oder nein, des Heimatschutzes Thüringen. Das waren Sektionen damals, die Kameradschaften. So gab es das Gaudreieck auch mit der Aufschrift ‘Jena’. Im Detail kann ich Ihnen aber nicht sagen, wer die getragen hat.”

Carsten Schultzes Verteidiger RA Pausch: “Können Sie was mit dem Begriff Winzerclub anfangen?” Ku.: “Ja. Winzerclub war Anfang der 90er Jahre Treffpunkt von Jugendlichen, hier hielten sich gelegentlich auch Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe auf. In einem Fall konnte ich selbst wahrnehmen, dass Frau Zschäpe und Herr Böhnhardt im Außenbereich dort waren. Wann genau das war, kann ich nicht mehr sagen.” Pausch fragt, ob Ku. auch Wohlleben im Winzerclub wahrgenommen habe. Ku.. “Nein.” Pausch: “Ist Ihnen was über Geburtstagspartys bekannt, die dort gefeiert wurden?” Ku.: “Ja, es wurden da Geburtstagspartys gefeiert.” Pausch fragt nach Personen. Ku.: “Ich kann dazu keine Ausführungen machen, ich war in die Ermittlungen nicht eingebunden. Die Geburtstagsfeiern wurden auch immer [phon.] erst im Nachhinein bekannt, wir hatten keine Erkenntnisse im Vorfeld, dass überhaupt gefeiert wird.” Pausch: “Wer hat da gefeiert?” Ku.: “Darüber habe ich auch keine Kenntnisse.”

Zschäpe-Verteidiger RA Stahl sagt, RAin Schneiders habe eben schon nach der Mitgliedschaft in der KS Jena gefragt: “Welche Erkenntnisse haben Sie zum Mitgliedschaftsstatus der Personen, insbesondere Frau Zschäpe?” Ku.: “Erkenntnisse gibt’s dahingehend nur, dass Frau Zschäpe in den Kreisen der Kameradschaft Jena, im Umfeld des Herrn Böhnhardt und Herrn Mundlos, die sich als Mitglieder der Kameradschaft vorstellten [phon.], dass sie in Begleitung dieser Herrschaften oftmals war. Sie sind oft auch öffentlich bei Demos aufgetreten. Und daraus schlussfolgerten wir die Zugehörigkeit zur Kameradschaft Jena.” Stahl: “Wer ist denn wir?” Ku.: “Die Abteilung Staatsschutz.” Stahl: “Und daraus schlussfolgerten Sie eine Mitgliedschaft?” Ku.: “Ja, wir wussten damals nicht, ob es da Mitgliedsbücher gab oder ein Statut. Thüringen gestaltete sich damals so, dass es eine Kameradschaft Saalfeld gab und eine Kameradschaft Jena, die dann verschmolzen sind im THS. Das waren Erkenntnisse, die wir aus Ermittlungen hatten und aus Treffpunkten, andere Beweise hatten wir nicht.” Stahl: “Jetzt hatten sie aber relativ forsch die Mitglieder der Kameradschaft Jena aufgezählt, u.a. Frau Zschäpe. Und jetzt haben sie aber auf Nachfrage gesagt, weil sie mit den Menschen unterwegs war. [phon.]” Ku.: “Sie hat gemeinsam auch eine Menge politische Veranstaltungen besucht.” Stahl: “Waren das alles Mitglieder der Kameradschaft Jena?” Ku.: “Nein, aber das waren politisch Gleichgesinnte.” Stahl: “Warum sind das nicht alles Mitglieder?” Ku.: “Das waren die mir bekannten Mitglieder.”

NK-Vertreter RA Behnke: “Ich habe Sie so verstanden, als hätten Sie gesagt, Angelegenheiten des Herrn Wohlleben seien Chefsache gewesen.” Ku.: “Ja, die hat der Leiter Staatsschutz bearbeitet.” Behnke: “Und wie haben Sie das verstanden?” Ku.: “Dass nur mein Referatsleiter das bearbeitet hat.” Behnke: “Die Leitung hat Angelegenheiten des Herrn Wohlleben selbst bearbeitet?” Ku.: “Ja.” Behnke fragt nach dem Namen. Ku.: “Der Herr Kö.” Behnke: “Haben Sie auch einen Vornamen?” Götzl: “Den haben wir hier schon als Zeugen vernommen.” Behnke: “Ja, Kö. gibt’s viele.” Götzl: “Der hat sich hier als ehemaliger Leiter Staatsschutz vorgestellt.”

RAin von der Behrens hält aus Akten der StA Gera aus einer Zeugenvernehmung von René Scha. vom 18.12.1996 vor. Vorhalt: Des weiteren möchte ich erwähnen, dass mir der André Kapke, den ich in der Jugendwerkstatt kennenlernte, erzählte, dass der Böhnhardt in eine Sache verwickelt ist mit einer Bombenattrappe. Böhnhardt ist ein Bastlertyp. Er soll 1994, in Jena-Lobeda, in einem Hochhaus eine Bombenattrappe gelegt haben. In dieses Hochhaus sollten Ausländer ziehen, die Bombenattrappe richtete sich gegen sie. [phon.] V. d. Behrens: “Sagt Ihnen das etwas?” Ku.: “Diese Sache ist mir überhaupt nicht bekannt oder erinnerlich. Mir ist auch nicht erinnerlich, dass in diesem Zeitpunkt ein derartiger Untergrund vorbereitet wurde.” V. d. Behrens: “Und dann entsprechend eine zweite Aussage, Tibor Re., der hier im Verfahren polizeilich vernommen wurde.” Vorhalt aus einer Vernehmung von Tibor Re.: Ich weiß nicht mehr genau, wann das war. Das war das Asylantenheim ‘Auf dem Forst’. Das war auf jeden Fall vor 1996. Mundlos hatte einen Fotoapparat dabei und hat Fotos gemacht. Den Fotoapparat hat Mundlos dann auch wieder mitgenommen. Was aus den Aufnahmen geworden ist, kann ich nicht sagen. Wir sind damals mit dem gelben PKW Wartburg von Mundlos hochgefahren. Es wurde darüber gesprochen, die Wachabläufe auszuspionieren. Es kam dann aber nicht dazu. Aus welchen Gründen weiß ich nicht. Ob Böhnhardt dabei war, weiß ich nicht mehr, die Zschäpe war nicht dabei. Wer noch dabei war, kann ich nicht sagen. Das Asylantenheim wurde damals nur ausspioniert. Es wurde nicht gesagt, dass es zu einem Anschlag kommen soll. Ku.: “Auch dazu ist mir nichts erinnerlich.”

RA Scharmer: “Sie sagten vorhin, nur der Leiter, Herr Kö., habe Wohllebens Sachen bearbeitet und nur er habe dann Kenntnis gehabt [phon.]. Gab es dafür einen Grund?” Ku. sagt, der sei ihm nicht bekannt: “Der war mein Leiter, der war nicht verpflichtet, mir einen Grund zu nennen.” Scharmer: “Gab es andere Personen aus der rechten Szene in Jena, die auch nur vom Leiter bearbeitet wurden?” Ku.: “Das ist mir nicht erinnerlich.” Scharmer: “Gab es da eine Zusammenarbeit mit dem LfV?” Ku.: “Dazu habe ich keine Kenntnisse, die Gespräche wurden auf Leiterebene geführt.” Um 10:14 Uhr wird der Zeuge entlassen.

Klemke gibt eine Erklärung zur Einvernahme des Zeugen ab: “Auch dieser Zeuge konnte keinerlei Angaben machen bezüglich irgendwelcher Straftaten gegenüber Asylbewerbern oder anderen Ausländern seitens des Herrn Wohlleben oder Mitgliedern der Kameradschaft Jena. Diese Aussage reiht sich ein in die anderen Aussagen der Zeugen des Staatsschutzes Jena. Kein einziger konnte derartiges berichten. Danke.”

Götzl wendet sich an Prof. Saß: “Dann würden wir mit Ihrer Anhörung fortfahren.”

Zunächst meldet sich aber Zschäpe-Verteidiger RA Heer zu Wort: “Gibt es eine Entscheidung über unseren Widerspruch oder ist das eine konkludente Entscheidung?” Götzl sagt, es sei sachgerecht hier mit der Befragung fortzusetzen, im Sinne der Beschleunigung und da ein zusätzlicher Erkenntnisgewinn durch die Befragung möglich sei. Heer: “Frau Sturm, Herr Stahl und ich beanstanden die Verfügung und beziehen uns zur Begründung auf die vorgetragenen Gründe [phon.].” OStA Weingarten: “Unter Bezugnahme auf unsere gestrige Stellungnahme halten wir die Beanstandung für ausgesprochen unbegründet.” Götzl: “Dann unterbrechen wir bis 10:45 Uhr.”

Um 10:47 Uhr geht es weiter. Götzl verkündet den Beschluss, dass seine Verfügung, Saß zu vernehmen, solange die Befragung durch RAe Heer, Stahl und Sturm noch nicht abgeschlossen ist, bestätigt wird. Götzl gibt aus Sicht des Senats den prozessualen Verlauf wieder. Dann sagt er, dass die Verfügung rechtmäßig und sachgerecht sei. Götzl geht u.a. auf eine BGH-Entscheidung ein sowie darauf, dass in Teilen der Rechtsprechung und in der Literatur der Standpunkt vertreten werde, der Vorsitzende dürfe einem Beteiligten das Fragerecht nicht ohne sachlichen Grund entziehen. Diese Streitfrage könne im vorliegenden Fall jedoch offen bleiben, da ein sachlicher Grund dafür vorliege, dass der Vorsitzende die Befragung selbst fortsetzt. Die Rechtsanwälte hätten vorgebracht, sie würden zunächst keine weiteren Fragen stellen. Ein Rechtsverlust bei den Verteidigern trete nicht ein, da ihnen das Fragerecht zu einem späteren Zeitpunkt wieder übertragen werde.

Götzl: “Ja, dann setzen wir fort mit Ihrer Befragung, Herr Prof. Dr. Saß.” Götzl: “Zur Übersichtlichkeit möchte ich mich an der Verschriftung des mündlichen Gutachtens orientieren. Mir geht’s auch um das Thema Beobachtungen von Ihnen im Hinblick auf Ausdrucksverhalten, Interaktion.” Saß habe sich, so Götzl, zu dieser Thematik geäußert bei den Vorbemerkungen zur Methodik und beim Unterpunkt “Zusammenstellung der relevanten Informationen”. Außerdem wolle er, Götzl, zur Entwicklung seit der Verhaftung nachfragen und auch zu weiteren Aspekten, die im Rahmen der Beurteilung genannt würden. Zunächst macht Götzl aber einen Vorhalt aus dem Punkt “Zur Entwicklung der Angeklagten seit der Verhaftung” aus der Verschriftlichung: Insgesamt haben die Wahrnehmungen keine besonderen Auffälligkeiten oder gar Hinweise für Störungen ergeben. Vorherrschend war der Eindruck, wie sehr die Angeklagte um Selbstkontrolle und sachlich-kühles Verhalten bemüht war, während über Gefühlsregungen, tiefere Empfindungen und inneres Erleben nahezu nichts offenbar wurde. Es gab allerdings auch immer wieder Passagen mit einer gewissen Lockerheit und Erheiterung bei entsprechenden Gelegenheiten. Eine durchgängige Bedrücktheit durch die Gesamtsituation ließ sich hingegen nicht beobachten.

Götzl: “Mich würde interessieren, welche einzelnen Beobachtungen hier gemacht wurden und bei welchen Gelegenheiten.” Saß: “Es ist hier eine zusammenfassende Bewertung der Beobachtungen. Ich hatte sie ja in der Stellungnahme vom 19.10. sehr ausführlich wiedergegeben auf diesen 23 Seiten. Das leitende Kriterium war: Was ist von Bedeutung der Beantwortung der Gutachtensfragen? Um es anders zu sagen: Wenn man hypothesengeleitet vorgeht, was könnte die Hypothese ‘es lag eine psychische Krankheit vor’ unterstützen oder was spricht gegen eine solche Hypothese.” Entsprechend sei bei der Hangfrage vorgegangen worden, so Saß. Saß spricht sehr schnell, u.a. von “Nullhypothese” und “Alternativhypothese”.

Götzl bittet Saß etwas langsamer zu sprechen. Zschäpe-Verteidigerin RAin Sturm: “Ich würde darum bitten. Ich habe Ihre letzte Ausführungen zum hypothesengeleiteten Vorgehen nicht verstanden.” Saß: “Ich habe gesagt, dass die Auswahl der Beobachtungen sich danach gerichtet hat, ob es von Bedeutung für die mir gestellte Frage ist bzw. ob es von Bedeutung für die Nullhypothese oder Alternativhypothese ist.” [phon.] Götzl: “Wäre es möglich, dass Sie uns die Beobachtungen, die Sie zu Grunde gelegt haben, konkreter fassen und darstellen?” Saß: “Ist es möglich, dass ich mich auf die Ausführungen der vorläufigen Stellungnahme stütze?” Götzl: “Ja, ist sicher sinnvoll.”

Saß: “Ich habe also dort auf Seite 77f. Verhaltensbeobachtungen niedergelegt. Auf der einen Seite waren recht konstante Beobachtungen da, andererseits auch manchmal deutliche Veränderungen. Generell waren Hinweise auf ernste psychische Störungen nicht vorhanden, also fehlende Orientierung, unkontrollierte Situationen, auch keine Hinweise für eine depressive Stimmung mit Verlangsamung der Motorik. Allerdings hat es durchaus Schwankungen gegeben. Ich habe dann …”

RA Heer unterbricht: “Vom Schreiben, der Geschwindigkeit, her ist es gerade okay, es ist nur verwunderlich, dass die Frage nicht beantwortet wird.” Saß: “Herr Rechtsanwalt, das tue ich, vielleicht nicht in der von Ihnen gewünschten Form. Aber als Sachverständiger versuche ich das eben zu entwickeln. Und ich habe gefragt, ob ich mich drauf stützen kann …” RA Stahl unterbricht: “Wir versuchen ja also alles mitzuschreiben und parallel habe ich versucht, in das Gutachten zu schauen. Es ist ein bisschen schwierig, deswegen hat der Kollege Heer nicht ganz unrecht.” Saß: “Also ich stelle das dar mit dem, was hier steht.” Götzl wendet sich an Stahl: “Prof. Dr. Saß hat angekündigt dass sich die Beobachtungen auf Blatt 77f. befinden. Und soweit ich das sehe, befinden sich tatsächlich ab Blatt 78 Beobachtungen. Grundsätzlich verstehe ich jetzt den Einwand nicht.” Die Auseinandersetzung setzt sich kurz fort. Dann sagt Saß: “Ich werde mich zur Präzision auf das stützen und sage, dass ich alle Dinge, die sich nicht auf die Hauptverhandlung beziehen, weglasse. Am ersten Tag wirkte Frau Zschäpe auf mich sehr wach, aufmerksam und konzentriert, später war sie dann mit dem Laptop beschäftigt.”

Saß gibt dann ausführlich aus seiner vorläufigen Stellungnahme Beobachtungen von Zschäpe während der Hauptverhandlung wieder. In den Folgetagen habe Zschäpe, so Saß, die Aussagen von Carsten Schultze sachlich und aufmerksam verfolgt, ohne weitere erkennbare Regungen. Häufig sei zu beobachten gewesen, dass initial ein etwas stärkeres Interesse da war, während dann nach vielleicht 10 oder 20 Minuten die Angeklagte häufig gelangweilt oder abschweifend gewirkt habe. Oft habe sie sich dann dem Laptop zugewandt und sich damit mehr oder weniger konzentriert beschäftigt. Gelegentlich habe er, so Saß, den Eindruck gehabt, dass die Hinwendung zum Laptop mit einem gewissen Rückzug aus der Hauptverhandlung einherging, z. B. bei Zeugenaussagen mit mglw. emotional belastendem Inhalt. Gelegentlich sei ein Abknicken des Kopfes [phon.] dazu gekommen, “bei dem die langen Haare das Gesicht verbargen und quasi die Funktion eines abschirmenden Vorhangs erhielten”. Auch der Bildschirm habe die Funktion eines Blickschutzes gehabt. [phon.] In der Anfangszeit habe es bei Zschäpe einen Wechsel zwischen teils aufmerksam interessierter Teilnahme und einem mehr oder weniger intensiven Rückzug gegeben. Im weiteren Verlauf des Prozesses sei es dann immer häufiger auch zu einem Abgleiten in eine eher teilnahmslos und etwas gelangweilt wirkende Haltung gekommen.

Er habe dann Ausführungen gemacht zum Verhalten gegenüber der Gruppe der Verteidiger, so Saß. In der Anfangszeit habe es hier den Eindruck eines recht entspannten, lockeren, vertrauensvollen Verhaltens gegeben, das sich habe steigern können zu lebhaftem, manchmal geradezu heiterem und scherzend wirkendem Umgang. Es habe eine lebendige Psychomotorik gegeben. Allerdings habe es in dieser Beziehung auch deutliche Veränderungen gegeben. Als Beispiel, wie wechselhaft das Verhalten Zschäpes im Laufe eines Verhandlungstages habe sein können, geht Saß auf den 24.06.2013 [14. Verhandlungstag] ein: “Zunächst erschien Frau Zschäpe locker, mit ihren Anwälten in fast charmant erscheinender Weise scherzend.” Es seien dann Beweisanträge durch die Nebenklage gestellt worden, was Zschäpe laut Saß interessiert zu verfolgen schien. Bei einer Vernehmung von Polizeibeamten sei der Eindruck entstanden, dass Zschäpe diese kaum noch beachtete, sie habe sich mit ihrem Laptop beschäftigt und nur selten aufgeschaut. Später seien Bilder der Leiche eines Tatopfers projiziert worden. Am Beginn dieser Passage habe Zschäpe etwas angespannt, dysphorisch gewirkt. Die Bilder habe sie sich nicht angeschaut: “Sie schien sich abzulenken mit dem Bildschirm ihres Laptops.”

Bei der späteren Betrachtung von Vorläuferversionen des Paulchen-Panther-Videos sei sie zunächst gleichmütig, dann ernst und betroffen, dann etwas resigniert, bedrückt, unsicher, in Gedanken versunken erschienen. Saß: “In einer weiteren Situation am Nachmittag habe ich mir notiert: ‘Als in einer späteren Passage eine Nachbarin des Getöteten von einem Nebenkläger gefragt wurde, ob die von ihr damals beobachtete Frau Ähnlichkeit mit der Angeklagten habe, kam es im Saal zu allgemeiner Bewegung und leichter Heiterkeit. Frau Zschäpe hob in dieser Passage munter wirkend den Kopf, lachte, blickte umher, erschien aufgeräumt und keineswegs betroffen oder erschrocken. Im weiteren Verlauf des Tages schaute sie dann oft etwas angestrengt und verbissen, wirkte missgestimmt auf mich, ging dann aber auch rasch wieder in einen vertraut und freundlich wirkenden Umgang mit den Verteidigern über.’ Das wäre ein Beispiel, wie ich diese breite Variabilität von Verhaltensweisen registriert habe.”

Ähnlich sei es am 26.06.2013 [16. Verhandlungstag] gewesen, so Saß. Es sei ein Hausverwalter aus der Frühlingsstraße als Zeuge gehört worden. Saß: “Mir erschien die Angeklagte aufmerksam, innerlich beteiligt, zuweilen etwas versonnen, dann wieder im Austausch mit dem Verteidiger. Auch die Schilderungen aus der Wohnung schien sie mit Interesse, gelegentlich mit einem zustimmenden Lächeln anzuhören. Als über den Keller gesprochen wurde, machte sie Kommentare zu den Verteidigern, wobei sie durchaus heiter wirkte, erschien dann aber beherrscht.” Später sei es zu einer Episode mit Unruhe im Saal durch den Kurzschluss eines Ladegeräts gekommen, dabei habe Zschäpe lebhaft reagiert, mit einem Mitangeklagten gesprochen, sich mit einem Polizisten und einer Polizistin ausgetauscht [phon.]. Er habe davon den Eindruck gewonnen, so Saß, dass sie lebhaft erschien, kontaktfreudig, agil, guter Dinge, geradezu scherzend. Ein Zeuge habe in Bezug auf Zschäpe den Ausdruck “hübsche Frau“ benutzt. Darauf habe Zschäpe sichtlich erheitert reagiert. Saß: “Das zeigt, worauf ich diese Beobachtungen der Reagibilität [phon.] stütze. Dann habe ich mir notiert, dass sie im Umgang mit den beiden männlichen Verteidigern vertraut erschien, selbstbewusst und freundlich. Als im weiteren Verlauf ein Zeuge mit den Namen der beiden Uwes nicht zurecht kam, zeigte sie lebhafte Heiterkeit. Danach gab es aber eine Wendung, als durch einen Verteidiger mitgeteilt wurde, dass sie nicht mehr in der Lage sei, der Verhandlung konzentriert zu folgen. Also das als Beispiele, um zu zeigen, worauf die summarische Zusammenfassung dieser Beobachtungen vom 17. und 18.01.2017 [phon.] beruht. Ähnliche Beispiele ließen sich für andere Tage finden. Ich habe das bisher unterlassen, alles einzeln aufzuführen, weil sich daraus keine neuen Erkenntnisse ergeben für die an mich gestellten Fragen oder die Prüfung von Hypothesen.”

RA Heer beschwert sich zunächst ohne Mikrofonverstärkung. Dann: “Mich stören die Reaktionen der Bundesanwaltschaft. Wir verteidigen hier! Wir machen unseren Job, machen Sie Ihren!” OStA Weingarten: “Herr Vorsitzender, Sie kommen den Verteidigern bis an die Grenze des Erträglichen entgegen. Der Sachverständige muss sein Gutachten fast wie ein Grundschuldiktat abgeben.” Weingarten spricht von ständigen Störungen; der Gesetzgeber habe, so Weingarten, ein mündliches Verfahren verankert; der Gesetzgeber wisse, dass ein Mitschrieb nur schwerlich möglich ist. Gleichwohl obliege es den Verfahrensbeteiligten, damit umzugehen. Weingarten: “Wir sind nicht in der Grundschule!” Der SV müsse sein Gutachten ungestört entwickeln und vortragen können, so Weingarten. Heer: “Sie haben offensichtlich den Senatsbeschluss und unsere Anträge vergessen. Sehen Sie ihn sich an!” Götzl: “Es geht halt drum, dass, wenn Sie Schwierigkeiten haben, dass Sie nachfragen.” Stahl: “Es ist so, dass es offenkundig Sie stört, wenn wir genau das machen, was Grundlage der Entscheidung des Senats war, dass wir auf Langsamkeit dringen und bitten Dinge zu wiederholen. Da sagen Sie, es sei ‘unerträglich’. Wir haben Anträge gestellt und der Senat hat das abgelehnt, das ist auch in Ordnung so. Und da regen Sie sich weiter auf und das ist unangemessen.”

Saß: “Also wenn ich recht erinnere, habe ich gesagt, man könne für viele Tage jetzt Beobachtungen referieren. Ich habe gesagt, im Gutachten ging es drum, das zusammenzufassen. Kriterium waren für mich die Gutachtensfragen bzw. die Beobachtungen, die bedeutend waren für die Überprüfung von Hypothesen.”

Saß fährt dann fort mit der Wiedergabe von Beobachtungen. Stärkere Zeichen von Bedrücktheit, Leiden oder Betroffenheit durch das Verfahren und die darin behandelten Themen seien nicht zu verzeichnen gewesen, so Saß: “Zeugenaussagen wurden teils mit Interesse, teils auch mit Nachdenklichkeit verfolgt, häufiger aber kam es nach 20 [phon.] Minuten zu einem relativ raschen Schwinden des initialen Interesses und zu einem Rückzug auf die Beschäftigung mit dem Laptop. Zu einer nachhaltigen Trübung der psychischen Verfassung kam es auch bei emotional bewegenden Zeugenaussagen nicht, jedenfalls nicht in einer Weise, die von außen zu erkennen war. Als etwa am 11.07.2013 [22. Verhandlungstag] Zeugen im Falle eines Mordopfers gehört wurden, erschien sie zwar zeitweise ernst, dann aber um Distanz bemüht, ihr Blick auf den Bildschirm gerichtet. Die Ehefrau des Getöteten wurde von Frau Zschäpe mit einer gewissen Nachdenklichkeit betrachtet, allerdings wurde die insgesamt offensichtlich gute Stimmung an diesem Tag meines Eindrucks nach davon nicht getrübt. Beim Eintritt einer Zwischenpause gab es eine angeregte Unterhaltung mit ihren Anwälten. [phon.] Am 17.07.2013 …”

RAin Sturm unterbricht: “Entschuldigung, ich bitte, den Sachverständigen zu leiten, Beobachtungen aus Pausen außen vor zu lassen.” Saß: “Ist in Ordnung. Ich habe aber nicht vorgetragen, was in der Pause zu beobachten war. Am 17.07.2013 [24. Verhandlungstag] war zu beobachten, dass Frau Zschäpe eine Bilderschau aus der letzten Wohnung in der Frühlingsstraße in Zwickau mit Interesse betrachtete, ohne dass eine Belastung oder Niedergedrücktheit zu beobachten war. Auch am 30.07.2013 [29. Verhandlungstag] bei einem weiteren Zeugenbericht über die Frühlingsstraße schienen angenehme Erinnerungen aufzutauchen, etwa als von der älteren Mitbewohnerin und ‘Oma’ gesprochen wurde, die immer aus dem Fenster rausgucke. Ebenfalls emotional-affektiv locker und schwingungsfähig zeigte sie sich, als ein Nebenklägervertreter über ihr Prozessverhalten äußerte, sie befinde sich auf dem Holzweg; das wurde von ihr mit einem etwas ironisch-amüsiert wirkenden Lächeln quittiert.”

Es seien wiederholt, so Saß, auch bei emotional gewichtigen Themen äußerlich keine Reaktionen der Angeklagten, etwa Betroffenheit oder Bedrücktheit, erkennbar gewesen. Das habe sich auch am 31.07.2013 [30. Verhandlungstag] gezeigt, als es um das rechtsmedizinische Gutachten zur Obduktion eines Tatopfers sowie weitere Zeugenaussagen in diesem Fall ging: “Die Aussagen wurden augenscheinlich mit kühl-sachlichem Interesse und ohne von außen zu beobachtende Bewegtheit verfolgt. Zuweilen erfolgte der Rückzug in die Beschäftigung mit dem Laptop. In der Folge gab es dann eine lebhafte Konversation mit den Verteidigern. Am 01.08.2013 [31. Verhandlungstag] ging es um ein weiteres Tatopfer und nach meinem Eindruck hat Frau Zschäpe die Verhandlung teils aufmerksam, teils versonnen verfolgt. Es gab einen eher scherzend wirkenden Austausch mit den Verteidigern Es gab eine energische Befragung eines Zeugen durch die Nebenklage, was mit Interesse verfolgt wurde. Dagegen erschien Frau Zschäpe am 06.08.2013 [32. Verhandlungstag], als es um ein weiteres Tatopfer aus Nürnberg ging, eher abwesend und desinteressiert, dabei emotional unberührt wirkend. Später wirkte sie von der Mimik her eher abweisend, dysphorisch, schaute so vor sich hin, damit meine ich, in den Saal. Im September waren die Eindrücke im Wesentlichen unverändert. Frau Zschäpe erschien insgesamt recht flott und agil, dabei routiniert-sicher, was die prozessualen Abläufe anging.

Am 05.09.2013 [33. Verhandlungstag] wurde ein Überwachungsvideo aus der Keupstraße mit jungen Männern gezeigt, die Fahrräder durch die Straße schieben. Dabei war der Eindruck, dass sie interessiert, ernst und konzentriert wirkend das anschaute. Am Ende habe ich ein etwas spöttisch-distanzierend wirkendes Lächeln registriert.” Im weiteren Verlauf der Verhandlungstage habe der Eindruck von Sicherheit, recht guter Gestimmtheit und eines sachlichen, zuweilen lebhaften und gelegentlich scherzenden Austausches mit den Verteidigern überwogen. An Verhandlungstagen, wo es um Tatopfer bzw. Aussagen von Angehörigen ging, sei Zschäpe teilweise ernst erschienen, aber in der Regel sei sie nach wenigen Minuten wieder angeregt oder auch heiter erschienen. Als sich am 02.10.2013 [42. Verhandlungstag] die Mutter eines Getöteten mit großer Bewegung ‘von Frau zu Frau’ an Frau Zschäpe wendete und appellierte, sie möge sprechen, schaute Frau Zschäpe ernst und aufmerksam zuhörend zu dieser Zeugin, wirkte aber auch etwas unangenehm berührt und abwehrend. Später wandte sie sich wieder dem Laptop zu.

Im Dezember 2013 ging es um Zeugenvernehmungen von Urlaubsbekanntschaften. Dabei schienen gelegentlich angenehme Erinnerungen aufzutauchen: schmunzelnde Reaktionen [phon.], gelegentlich gab es scherzenden Austausch mit den Verteidigern. Beim kurzen Auftritt der Mutter von Frau Zschäpe am 27.11.2013 [61. Verhandlungstag] entstand der Eindruck, dass Frau Zschäpe innerlich hoch angespannt war, während ich keine weiteren von außen wahrnehmbaren Reaktionen registrieren konnte. Als das Gutachten über den Brand in der Frühlingsstraße und auch über die getötete Polizistin vorgetragen wurde, hatte ich den Eindruck, dass sie sich das interessiert anhörte, wobei sie sachlich distanziert, für mich aber nicht betroffen wirkte. Der Bericht eines Zeugen über die Bergung der Leichen von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos aus dem Wohnwagen nach den Ereignissen am 04.11.2011 wurde ohne für mich erkennbare Regung verfolgt. Kurz danach konnte Frau Zschäpe in eine allgemeine, lebhafte Heiterkeit einstimmen, die sich im Saal ausbreitete.

Die Vernehmung des Vaters des verstorbenen Uwe Böhnhardt am 23.01.2014 [78. Verhandlungstag] verfolgte die Angeklagte äußerlich ruhig wirkend, dabei mit einer sachlich-gelassenen Attitüde am Laptop arbeitend. Zeitweise schaute sie aufmerksam hoch, wobei ich den Eindruck hatte, dass sich ein etwas ablehnender Zug um den Mund einstellte. Bei einer anrührenden Passage an diesem Tag, als der Zeuge über den Tod des Sohnes Peter im Jahr 1988 berichtete, schien eine leichte emotionale Bewegung aufzukommen, verbunden mit einer etwas düster-missgestimmten Mimik. Es gab dann in der Folgezeit die Vernehmungen von Bekannten aus der Vorzeit des Untertauchens: Mandy Struck, Ha., Rei., Juliane Walther, wobei ich den Eindruck hatte, dass die Angeklagte zuweilen aufmerksam und ernst folgte, zuweilen kritisch oder abweisend wirkte, insbesondere, wenn negative Äußerungen über sie gemacht wurden, wobei es auch zu etwas abfällig wirkenden Kommentaren zu ihren Verteidigern kam. Am 26. und 27.02.2014 [89. und 90. Verhandlungstag] wurde die Aussage Mandy Strucks ernst und interessiert verfolgt [phon.]. Die Zeugin war dann informiert worden, dass auch die Möglichkeit einer Verweigerung besteht und als sie sagte, dass sie aussagen wolle, hatte ich den Eindruck, dass in der Mimik ärgerliche Gesichtszüge auftauchten. Die nachfolgenden Schilderungen von 1998 wurden, so schien es, nachdenklich und sinnend verfolgt. Der Eindruck eines Ärgers über das Aussageverhalten der Zeugin hat sich auch bei der Vernehmung am Folgetag fortgesetzt.

Im Frühjahr 2014 traten dann, was auch hier in der Hauptverhandlung zu registrieren war, Befindlichkeitsstörungen auf. So wurde auch am 02.04. [101. Verhandlungstag], als Herr Starke befragt wurde, über Kopfschmerzen geklagt, die schon am Vortag begonnen hätten. Ich habe hier erwähnt, dass er auch schon am Vortag befragt wurde. Er ist aber wohl nur erwähnt worden. Damit da keine falsche Aussage drinsteht. Also Befindlichkeitsstörungen im Frühjahr 2014. Aber am 03.04., bei der Zeugenaussage der Mutter Mundlos, wirkte Frau Zschäpe aufmerksam und gefasst. Sie schien die Rekapitulierung dieser biographisch bedeutsamen Epoche recht gleichmütig aufzunehmen. Ohne erkennbare Betroffenheit unterhielt sie sich mit ihrem Anwalt. Auch bei der Schilderung des Anrufes mit der Todesnachricht verhielt sich Frau Zschäpe beherrscht, sie wirkte jedoch auch angespannt auf mich. Am Jahrestag des Prozessbeginns erschien Frau Zschäpe auf mich äußerlich gefasst, doch wurde nach 10 Minuten von ihrer Verteidigung die Unterbrechung der Hauptverhandlung aus gesundheitlichen Gründen gewünscht. Die Rede war von Übelkeit, so dass sie nicht in der Lage sei, der Hauptverhandlung zu folgen. An Beobachtungen habe ich dann am 08.05.2014 [111. Verhandlungstag] notiert, dass von einem der Verteidiger angegeben wurde, es bestünden bei ihr Übelkeit, Magenschmerzen und Kopfschmerzen, so dass sie sich nicht in der Lage sehe, der Hauptverhandlung zu folgen [phon.].

Meine Beobachtungen gehen dann weiter am 19.05.2014 [112. Verhandlungstag], da wirkte die Angeklagte auf mich besser aussehend und erschien lebhafter, mit mehr Energie. Es gab eine zähe Zeugenvernehmung, wobei sie sich intensiv dem Laptop zuwandte und auf mich kühl und unbeteiligt wirkte. Später machte der Zeuge Angaben über Uwe Böhnhardt, da wirkte sie müde und verstimmt. Etwas wacher und interessierter zeigte sie sich, als der Zeuge von einem Verteidiger des Herrn Wohlleben intensiv befragt wurde. Dabei zeigte sich ein etwas abschätzig wirkendes Lächeln. Am 21.05.2014 [114. Verhandlungstag] wurde das Gutachten über die Obduktion von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos vorgetragen, dabei erschien sie blass und ernst. Sie hörte zunächst aufmerksam zu, wandte sich aber nach etwa 15 Minuten dem Laptop zu. In den Stunden danach erschien sie recht unbefangen, so dass äußerlich keine nachhaltigen Erschütterungen durch das rechtsmedizinische Gutachten zu erkennen waren. In den Folgetagen erschien Frau Zschäpe zumeist bei Beginn der Verhandlung stimmungsmäßig ausgeglichen, dabei aufmerksam und interessiert, aber wiederholt wandte sie sich nach etwa einer halben Stunde wieder dem Laptop zu und machte den Eindruck, als ziehe sie sich aus der Verhandlung zurück. Der Kontakt zu den Verteidigern erschien sachlich-interessiert, zuweilen auch mit lebhaften oder amüsierten Passagen. Anhaltspunkte für eine depressive Verstimmung waren aus dem Ausdrucksverhalten in dieser Zeit nicht zu gewinnen.

Bei den Vernehmungen von Tino Brandt am 15. und 16.07.2014 [127. und 128. Verhandlungstag] erschien sie interessiert und aufmerksam. [phon.] Am 16.07.2014 wurde der Zeuge durch die Pflichtverteidiger befragt, wobei Frau Zschäpe auf mich gelegentlich etwas ungehalten wirkte. Nach der Mittagspause wurde der Neubeginn zweimal verschoben, sodann gab der Vorsitzende bekannt, in der Mittagspause habe ein Justizbeamter mitgeteilt, Frau Zschäpe habe ihn gebeten zu sagen, dass sie kein Vertrauen mehr in die Verteidigung habe. Auf Nachfrage nickte Frau Zschäpe zustimmend. Dabei wirkte sie ernst, gefasst, aber offenbar auch bewegt, leicht erschüttert, so dass man den Eindruck haben konnte, sie sei dem Weinen nahe. Am Ende verabschiedete sie sich …, nein, da war die Verhandlung schon geschlossen, so dass ich das jetzt nicht ausführe. Bei Fortsetzung der Hauptverhandlung am 22.07.2014 erschien sie mir blass, angespannt und dysphorisch verstimmt, den Blick recht starr geradeaus gerichtet. Dann wurde ein Zeugin vernommen zu den Fehmarn-Urlauben. Die Zeugin weinte und ich habe mir notiert, es gab gelegentliche Versuche der Zeugin, einen Blickkontakt mit Frau Zschäpe aufzunehmen und dieser zuzulächeln, wobei es eine verhaltene lächelnde Rückreaktion gab. Zu den Anwälten wurde nur ein knapper Kontakt aufgenommen, der sich weitgehend auf Herrn Stahl konzentrierte. [phon.] Wobei jedoch insgesamt der Eindruck eines deutlich distanzierten, förmlichen, kühlen Verhältnisses bestand, ganz ohne die früher häufig zu beobachtende Lebhaftigkeit in der Zuwendung und zuweilen auch Herzlichkeit.

Dann habe ich mir notiert, dass es in den folgenden Verhandlungstagen wieder eine leichte Annäherung an frühere Umgangsformen gab, doch blieb das Verhalten von Frau Zschäpe deutlich distanzierter als früher. Aber es gab verbalen Austausch mit den drei Verteidigern. Ihre emotionale Schwingungsfähigkeit erschien mir auch besser. Wenn im Saal Heiterkeit auftrat, hat sie sich dieser mit eigenen Regungen angeschlossen, also als ein Zeuge einen abwertenden Begriff für einen Polizisten benutzte. Bei der Verabschiedung der Verhandlungsteilnehmer in die Sommerpause gab es ein für mich verbindlich-freundlich wirkendes Lächeln in Richtung des Senats. Bei Fortsetzung der Termine im September 2014 erschien der Kontakt zwischen der Angeklagten und ihren Verteidigern wieder lebhafter, ungezwungener und freundlicher. [phon.] Bei gelegentlichen amüsanten Vorkommnissen wie etwa einem überraschenden Piepton im Laptop eines Vertreters des GBA konnte sie in unbeschwerte Heiterkeit einstimmen. Das wird vorgetragen, da es ja auch um Verstimmung, Depressivität und so was geht. In der Folgezeit verhielt sie sich im Kontakt zu den Verteidigern sachlich, aber doch im Vergleich zur Anfangsphase des Prozesses deutlich kühler, auch wirkte sie zuweilen dysphorisch, etwas müde und weniger konzentriert, dies mehr am Nachmittag als am Vormittag.

Im Oktober kehrte zuweilen der ironisch-scherzende Kommunikationsstil im Umgang mit den zwei männlichen Verteidigern zurück, während mir das Verhältnis zur Verteidigerin förmlicher und distanzierter erschien. Im Dezember 2014 erschien der Umgang mit der Verteidigergruppe wieder überwiegend freundlich und sachlich. Befragungen von Zeugen folgte sie aufmerksam und zeigte nonverbal ein Minenspiel mit diskretem, aber nuanciertem Reagieren. Im Januar 2015 habe ich, wie schon früher, registriert, dass zunächst eine sachlich-interessiert wirkende Zuwendung bestand, aber das hat oft abgeflaut nach 10, 15, 30 Minuten und es erfolgte dann eine Beschäftigung mit dem Laptop. Manchmal wurden die Ausführungen aber auch sehr aufmerksam verfolgt, z. B. die technischen Details der Bombe am Tatort Keupstraße. In den folgenden Tagen blieb es bei einem souveränen, aufgeräumt wirkenden Verhalten einerseits und einem Wechsel zu Tagen mit blasser, missliebiger [phon.] Mimik andererseits. Am 04.03.2015 [189. Verhandlungstag] war die Vernehmung Kapke, da hatte ich den Eindruck, dass sie aufmerksam und zeitweise mit einem skeptischen Lächeln folgte, als sollte das eine Distanzierung andeuten. Jedenfalls Skepsis. [phon.]

Deutlich unwillig und zeitweise ärgerlich waren die Reaktionen auf einige Passagen in der Vernehmung des Zeugen Rei. am 12.03.2015 [192. Verhandlungstag], z. B. als dieser negative Charakterisierungen über ihr Verhalten in früherer Zeit abgab, sie als vulgär bezeichnete und vom Klauen sprach. Sie erschien im Ausdrucksverhalten wach, kritisch, ironisch, manchmal auch aufgebracht, zeigte gelegentlich ihre Ablehnung durch Kopfschütteln. [phon.] Es gab dann im Frühjahr 2015 mehrere Monate, wo das Verfahren nur an zwei statt drei Tagen in der Woche stattfand. Wesentliche Veränderungen habe ich in den dann folgenden Monaten nicht beobachtet. Gelegentlich kam es zu lebendigen, schwingenden, wohlgelaunten Reaktionen. Der Kontakt zur Gruppe der Verteidiger wirkte wieder etwas unbeschwerter, war allerdings eher geschäftsmäßig als freundlich-zugewandt wie in der Anfangszeit, wobei es offenbar Unterschiede in der Behandlung der drei Personen gab. Immer mal wieder entstand auch der Eindruck von Verstimmungen, bis dann Ende Mai 2015 die Umgangsformen deutlich kühler wurden. Es gab dann die Änderungen in der Sitzordnung.

Am 10.06.2015 [209. Verhandlungstag] erschien Frau Zschäpe dann blass und angespannt und es kam als Folge eines Entbindungsantrags der Angeklagten im Hinblick auf Rechtsanwältin Sturm zu mehreren Unterbrechungen. Dabei verhielt sich Frau Zschäpe gegenüber der Verteidigerin im nonverbalen Ausdruck kühl und nahezu feindselig. Sie wirkte keineswegs eingeschüchtert, bedrückt und leidend, sondern sicher und entschlossen in dieser Situation. Allerdings war am 17.06.2015 [211. Verhandlungstag] auch zu registrieren, dass das Ganze belastend ist. Sie wirkte auf mich blass, angespannt und belastet. Im weiteren Verlauf der Tage hat Frau Zschäpe während Zeugenvernehmungen dann ein eisig-ablehnend wirkendes Verhalten gezeigt mit deutlicher Abkehr von den Verteidigern.” Das habe auf ihn den Eindruck einer massiven Verstimmung zwischen den Personen gemacht, Zschäpe habe eine gewisse Mitgenommenheit durch den Konflikt gezeigt, auf ihn erschöpft und angestrengt gewirkt. Am 23.06.2015 [212. Verhandlungstag] habe diese atmosphärische Verstimmung weiterhin bestanden. Saß weiter: “Es wurden dann auch verschiedene Schriftsätze thematisiert, in denen es um Vertrauensverlust und Schweigen ging und Ausüben von Druck und andere Vorwürfe, die Frau Zschäpe äußerte. Dabei ließen diese Ausführungen Frau Zschäpe als stark, durchsetzungsfähig, -willig und kämpferisch, auch manipulativ erscheinen. Wobei ich das Stark-Kämpferische auch im Ausdruck glaubte …”

An dieser Stelle unterbricht RA Stahl. Erneut geht es darum, dass Saß differenzieren solle. Saß: “Ich habe mich auf das bezogen, was ich in der Verhandlung gehört und wahrgenommen habe.” RA Heer: “Das hat aber nichts mit Beobachtungen zu tun. Und das war die Frage des Vorsitzenden.” Götzl: “Vom Zusammenhang ist das etwas, was an dieser Stelle dazu gehört.” Saß: “Ich sehe das anders als Sie, Herr Verteidiger, ich habe mich vorhin bezogen auf das, was Zeugen gesagt haben und wie dann die Ausdrucksweisen [phon.] waren. Ich habe auch eben meine Ausführungen damit beendet, dass das in ihrem Ausdrucksverhalten zum Ausdruck kam. Aber ich kann das auch weglassen, es ist nicht entscheidend in meinem Gutachten.” Stahl sagt, Saß habe davon gesprochen, dass die Ausführungen von Zschäpe sie erscheinen ließen: “Frau Zschäpe hat aber keine Ausführungen gemacht, außer in den Briefen. Sie zitieren aus den Briefen, das ist nicht korrekt.” Götzl zu Saß: “Ich würde Sie bitten, das was Sie als Interaktion oder Verhalten beobachtet haben, dass Sie das schildern. Aber natürlich soll die Situation erkennbar sein.”

Saß weiter: “Ich habe dann noch wahrgenommen, dass es eine unterschiedliche Behandlung der einzelnen Mitglieder der Verteidigergruppe gab und eine Art ostentativen Kontaktabbruch während der Hauptverhandlung. Ansonsten wirkte sie auf mich kühl, sie erschien blass, zeigte einen etwas mürrisch-feindseligen, aber auch entschlossenen Gesichtsausdruck. Überwiegend versenkte sie sich in ihren Laptop. [phon.] Am 24.06.2015 blieb es bei einem weitgehenden Ignorieren der Verteidigergruppe, ansonsten erschien Frau Zschäpe im Allgemeinzustand etwas wohler. Auch im Fortgang blieb es allerdings bei einer eisig wirkenden Ablehnung eines Kontaktes. Ich habe mir noch notiert: Ganz im Unterschied zu früher wurden bereitgestellte Süßigkeiten übersehen. Dies dauerte auch am 30.06. noch fort. Auf Kontaktversuche reagierte sie nicht oder abweisend. Auch am 01.07.2015 gab es lediglich einmal einen kurzen, betont kühl und sachlich ohne Blickkontakt gehaltenen Austausch mit einem Verteidiger. Ansonsten schaute Frau Zschäpe in die Ferne, ins Leere. [phon.] Später an diesem Tag gab es auch ein stimmungsmäßiges Mitschwingen bei angedeutet heiteren Situationen im Saal und auch bei einer Kontroverse eines Nebenklägervertreters mit dem Vorsitzenden.

Am 20.07.2015 [219. Verhandlungstag] gab es einen Antrag der drei Pflichtverteidiger auf Entbindung und Frau Zschäpe zeigte ein leichtes Lächeln, das ironisch wirken könnte. Auch hatte ich den Eindruck, dass sie einen zufriedenen und in sich ruhenden Eindruck machte und nicht betroffen oder beunruhigt wirkte. Ohne mimische Reaktionen wurde die Mitteilung entgegengenommen, dass erwogen wird einen vierten Pflichtverteidiger zu bestellen.” Im Zuge weiterer Anträge in der Entpflichtungsfrage habe es dann am 21.07.2015 erneut Auseinandersetzungen um die Sitzordnung gegeben, wobei Zschäpe sich mit ihren Vorstellungen durchgesetzt und anschließend eine gewisse Genugtuung erkennen lassen habe. Saß: “Jedenfalls war das mein Eindruck, den ich da gewonnen habe. Ein anderer Rechtsanwalt wurde von ihr betont freundlich verabschiedet, so dass ich den Eindruck hatte, dass sie auch in dieser Situation auf freundlichen Kontakt ausgerichtet ist und dabei gesellige und freundliche Züge zeigen kann. Demgegenüber blieb es bei der demonstrativen Kontaktverweigerung mit den ursprünglichen Verteidigern. Am 28.07.2015 entstand bei der gut gelaunt wirkenden Angeklagten der Eindruck, dass sie die Auseinandersetzungen durchaus belebt und bestärkt hätten. In der Folgezeit blieb es bei der zumeist strikten Nichtbeachtung der ursprünglichen Pflichtverteidiger, während zu dem weiteren Verteidiger ein ausgesprochen freundlicher, lebhafter Gesprächskontakt gehalten wurde, der manchmal geradezu animiert und mit Sympathiegefühlen verbunden erschien. Nach der Sommerpause 2015 wirkte Frau Zschäpe insgesamt erholt, im Verhalten wurde keine Notiz genommen von den Verteidigern der Anfangszeit, während das Verhalten gegenüber Rechtsanwalt Grasel weiterhin lebhaft und vertraut erschien [phon.]. Es wurde dann im weiteren Verlauf der Tage über weite Strecken ein unbestimmter und nichtssagender Gesichtsausdruck eingehalten, bei aufgelockerten Situationen im Saal konnte sie aber mit guter Schwingungsfähigkeit reagieren. Insgesamt: Stabile Situation und gute Laune, Überwindung der Verstimmung des Frühjahrs 2015.

Zu diesem Eindruck trug auch bei, dass Frau Zschäpe recht differenziert, feinfühlig und nuanciert auf Zeugen und ihre Aussagen reagieren konnte, etwa beim Bericht über das Hinterherhinken eines Zeugen mit seinen Beiträgen für die KS Jena, wo sie ein verständnisvoll erscheinendes Lächeln zeigte. Ganz anders am gleichen Tag: Eine brüske Abwendung bei einer Kontaktaufnahme eines bisherigen Verteidigers. Ansonsten wurde überwiegend ein freundlich-interessiertes, recht entspanntes Verhalten gezeigt. Gelegentlich entstand auch der Eindruck, dass eine lebhafte Reaktion in der Mimik vorhanden war [phon.]. Wenn es zu Anträgen und Verlesungen im Rahmen der Konflikte mit den ursprünglichen Verteidigern kam, so hatte ich den Eindruck, dass sich in Mimik und Gestik eine gewisse Solidarisierung mit dem neugewählten Verteidiger ausdrückte. Aufmerksam wurden teilweise langanhaltende Debatten der Juristen um prozessuale Fragen verfolgt. Es gab dann am 14.10. [237. Verhandlungstag] in Zusammenhang mit einer Äußerung eines der drei ursprünglichen Verteidiger eine nur mühsam unterdrückte empörte Reaktion. Ansonsten war in dieser Zeit, im auslaufenden 2015 das Verhalten ruhig, sachlich, geschäftsmäßig, nach außen unberührt. Das auch bei potenziell heiklen Themen, etwa der Leichenbergung am 04.11.2011. Zeitweise tauchte Frau Zschäpe wieder überwiegend ab in Aktivitäten am Laptop, so auch als ein Video vorgeführt wurde.

Manchmal gab es ein heftiges Argumentieren mit dem Anwalt, so am 22.10.2015 [240. Verhandlungstag], als es thematisch um Kartenmaterial ging. Sie schien insistierend, unzufrieden und um Durchsetzung bemüht, mit hartnäckigem Nachlegen. Später kam es im Saal zu Heiterkeit, da konnte sie aber auch gelöst mitlachen und umherschauen. Es kam dann zu einer Zunahme der Dynamik, als die Aussage von Frau Zschäpe angekündigt wurde. Am 10.11.2015 [243. Verhandlungstag] ging es noch einmal um die Frage der Aufhebung der Bestellung der ursprünglichen Verteidiger und im Ausdrucksverhalten zeigte sie wieder diese feindselig wirkende Ablehnung und ein abfällig anmutendes Lächeln. Auf ein Ansprechen durch einen ursprünglichen Verteidiger wurde mehrfach mit Abwendung reagiert. Wobei sie gegenüber dem neuen Verteidiger insgesamt lebhaft, freundlich und animiert wirkte. Ansonsten wirkte Frau Zschäpe locker, sicher, selbstbewusst, keineswegs befangen, niedergedrückt oder belastet. Zwischendurch gab es auch kurzen scherzhaften Austausch mit dem Anwalt oder sichtlich Freude an Formulierungen, etwa wenn der Vertreter der Bundesanwaltschaft von ‘Dritteinschätzung einer Dritteinschätzung’ sprach und sie in die allgemeine Heiterkeit einstimmen konnte. Als es dann zu einem Wortwechsel zwischen einem ursprünglichen Verteidiger und dem Vorsitzenden kam, war der Gesichtsausdruck wieder ablehnend.

Am 09.12.2015 [249. Verhandlungstag, erste Einlassung Zschäpes] hatte ich den Eindruck, dass eine gewisse Hochstimmung bei Frau Zschäpe vorhanden war, die sich mit der Steigerung der allgemeinen Aufmerksamkeit eingestellt zu haben schien. Das hat dann wieder nachgelassen, aber es blieb bei der positiven Zuwendung zu den beiden dann hinzugetretenen Verteidigern. Im Jahr 2016 haben sich die freundlichen und offensichtlich von Sympathien getragenen Haltungen gegenüber den beiden neuen Verteidigern fortgesetzt. Den Zeugenaussagen folgte sie überwiegend sachlich und wirkte dabei freundlich und aufgeräumt. Sie konnte aber auch sich amüsieren. [phon.] Bei anderen Gelegenheiten, wenn etwa Tatzeugen von den Sparkassen-Überfällen gehört wurden, die emotional sehr bewegt waren, da schaute Frau Zschäpe zumeist in eine andere Richtung oder zog sich zum Laptop zurück und wirkte manchmal etwas müde und abwesend. Eigentümlich erschien ihr Verhalten etwa am 03.03.2016 [267. Verhandlungstag] bei einer Zeugin, die offensichtlich noch immer erheblich unter den Ereignissen litt und emotional bewegend über Kinder und die Angst sprach, dass man sie nicht mehr sehe. Das Verhalten von Frau Zschäpe wirkte dabei unberührt und kurz drauf hat sie sich mit einem Scherz dem neben ihr sitzenden Verteidiger zugewandt. Am 09.03.2016 ging es um die Sicherstellung von Waffen im Wohnmobil. Ich hatte den Eindruck, dass sie sachlich-interessiert war, ohne eine Regung zu zeigen im Sinne von Bedrückung [phon.]. Auch als das NSU-Archiv Thema war, zeigte sie kurzzeitig Interesse, um sich sodann über das Laptop zu beugen, wobei ich den Eindruck hatte, dass die Haare da wie ein Vorhang wirkten.

Dann am 16.03.2016 [271. Verhandlungstag], dem Termin der Verlesung von Antworten auf Fragen, da wirkte Frau Zschäpe in Bezug auf Rechtsanwalt Grasel [phon.] ruhig, sicher, gelöst und entspannt. Ähnlich gegenüber dem zweiten hinzugetretenen Anwalt, wenn auch etwas förmlicher. Als dieser die Antworten vortrug, las sie interessiert und konzentriert den Text mit. Als es am 21.04.2016 [278. Verhandlungstag] um das Thema einer Wette und um den Antrag auf Urlaubsfotos von 2004 ging, folgte Frau Zschäpe dem Geschehen kühl, sachlich, aufmerksam und professionell wirkend. Wenn es dabei amüsante Situationen gab, erschien sie durchaus schwingungsfähig und reagibel.” Bei der Verlesung von Erkenntnismitteilungen zu Brandt habe es einen Blickwechsel mit Wohlleben gegeben, so Saß. An den folgenden Tagen habe der Eindruck eines entspannten, ruhigen, selbstsicheren Verhaltens überwogen. Es habe aber teilweise eine Erlahmung von Aufmerksamkeit und eine Hinwendung auf das Laptop gegeben. Es sei in der Folge bei einer ruhigen, sachlich-interessierten [phon.] Haltung geblieben. Bei Verlesungen sei die Aufmerksamkeit aber auch mal erloschen, gelegentlich habe es ein leichtes Dösen gegeben.

Manchmal, so Saß weiter, habe eine Vernehmung auch zu Ärger geführt, so am 10.05.2016 [281. Verhandlungstag] beim Antrag eines Nebenklägervertreters, den Zschäpe mit einer abschätzig wirkenden Mimik quittiert habe. Saß: “Ähnlich war es am 02.08.2016 [305. Verhandlungstag], als ein Zeuge vom Staatsschutz in Jena Angaben machte. Bei der Befragung durch Nebenklägervertreter erschien sie gelangweilt, lustlos und etwas übellaunig. Nach Beendigung der Sommerpause erschien Frau Zschäpe äußerlich recht wohlaussehend. Es wurde ein Schriftsatz verteilt mit ungeklärten Tötungsdelikten. Das schien sie mit Interesse, aber ohne eine nach außen erkennbare Bewegung zu studieren. Es gab im Saal Unruhe wegen der Ankündigung eines Probealarms im Gebäude. Sie stimmte in die allgemeine Belustigung ein und lächelte in Richtung des Senats. Später verhielt sie sich wieder recht distanziert und beschäftigte sich mit ihrem Laptop. [phon.] Auch am 13.09.2016 [308. Verhandlungstag] erschien sie in guter Verfassung, dabei sicher, routiniert und mit sachlich-freundlichem Kontakt zu Rechtsanwalt Grasel. Als dann der Antrag eines Nebenklägervertreters zu einem Außenbordmotor kam, erschien sie etwas missgestimmt, das Gesicht wurde hinter der Hand verdeckt. Als es um die Zulässigkeit von Fragen der Nebenklage an die Angeklagte ging, hielt sie ihren Blick recht starr auf den Laptop gerichtet.” Der Verlesung der vom Senat übernommenen Fragen zu früheren Erkrankungen, Alkoholkonsum und Lebensgewohnheiten sei sie äußerlich unbewegt gefolgt.

Saß: “Am 22.09.2016 trug der Rechtsmediziner ein Gutachten zur Frage der Alkoholisierung am 04.11. vor, da hörte sie mit Interesse zu, ohne dass ansonsten Gemütsregungen zum Ausdruck kamen [phon.]. Am 29.09.2016 [313. Verhandlungstag], die Erklärung des zuletzt hinzugetretenen Anwaltes mit Antworten auf Fragen des Vorsitzenden, verfolgte sie mit aufmerksamem Mitlesen, sie erschien dabei sachlich-interessiert, zeigte aber keine persönliche Regung. Es kam dann eine nicht angekündigte persönliche Stellungnahme, die Frau Zschäpe selbst vorlas. Sie verhielt sich dabei äußerlich beherrscht, doch entstand der Eindruck einer gewissen inneren Anspannung und Nervosität. Die Stimme wirkte etwas gepresst, der Text wurde auch ohne eine Akzentsetzung in Mimik, Gestik und Modulation der Stimme vorgelesen. Gemütsbewegungen und eine emotionale Beteiligung kamen nicht zum Ausdruck, so dass der Vortrag für mich recht glatt und unpersönlich wirkte. Hinterher schien eine gewisse Entspannung einzutreten, als sie ein Lächeln mit den Verteidigern links und rechts von ihr austauschte. Den weiteren Gang der Verhandlung verfolgte sie aufmerksam und interessiert. Gelegentlich wurde durch Gesichtsausdruck eine gewisse Kritik angedeutet, etwa als es um die mögliche Verlesung einiger ihrer Briefe ging. Damit enden die Aufzeichnungen damals. Ich kann summarisch sagen, dass auch die seitherigen Verhandlungstage in meinen Augen keine ganz anderen Eindrücke [phon.] ergeben haben, als ich sie in den dreieinhalb Jahren davor geschildert habe. Also keine Dinge, die für die Beantwortung der Gutachtensfragen [phon.] von Bedeutung sind. Was das Ausdrucksverhalten angeht, habe ich nichts mehr an Neuigkeiten zu registrieren gehabt, auch nichts, was für die Prüfung von Hypothesen von Bedeutung ist. [phon.]” Götzl legt die Mittagspause ein.

Um 13:34 Uhr geht es weiter. Götzl: “Mir geht es jetzt noch um einen Hinweis, Seite 43, erster Absatz: ‘Dem steht nicht entgegen, dass Frau Zschäpe durchaus auch als freundlich, sozial gewandt, fürsorglich und angenehm im Kontakt geschildert wurde, wie sich auch im Prozessverlauf manche Züge mit charmantem Umgang und einer gut angepassten Fassade beobachten ließen.’ Worauf beruht die Schilderung der gut angepassten Fassade?” Saß: “Im Wesentlichen, wenn man davon ausgeht, dass die Verteidigerproblematik über lange Zeit bestanden hat, so ist das doch lange nicht in Erscheinung getreten und hat sich hinter business as usual und gut angepasstem Verhalten verborgen gehalten.” Götzl: “Haben Sie jetzt alle relevanten Beobachtungen geschildert oder haben Sie noch mehr?” Saß: “Aus meiner Sicht ja, wenn man mehr macht, gäbe es Wiederholungen. Ich habe mich nach Kräften bemüht, das, was zur Beurteilung beitragen kann, zu referieren.” Götzl: “Die abgebildete Ente im Brief an Robin Schmiemann, hat die für Sie irgendeine Relevanz?” Saß: “Die Ente eigentlich nicht. Wenn dann wäre die Frage relevant, wieviel von dem Brief denn aus dem Internet käme. Nach bisherigem Verständnis waren das wenige Zeilen oder einige Ausdrücke, das wäre dann nicht relevant. Die Zeichnung habe ich nicht kommentiert, die ist für meine Beurteilung nicht entscheidend.” Götzl: “Wir würden Ihre Anhörung unterbrechen und Sie bitten, am 07. Februar wieder zu erscheinen. Dann bedanke ich mich.” Saß verlässt den Saal.

Götzl fragt dann, ob zum Beweisantrag der Verteidigung Wohlleben von gestern Stellung genommen werden soll. Bundesanwalt Diemer sagt, der Antrag auf Einvernahme eines SV für Demografie dürfe abgelehnt werden, weil keinerlei Sachzusammenhang zum Verfahren gegeben sei, und die unter Beweis gestellten Tatsachen, selbst wenn sie erwiesen wären, allenfalls mögliche Schlüsse zuließen. So die Wörter “Volkstod stoppen” auf einem bei Wohlleben gefundenen Feuerzeug aufgedruckt seien, sei das schon allein deshalb ohne Bedeutung, weil das Feuerzeug erst 2011 beschlagnahmt worden sei und daher keine Rückschlüsse auf die Einstellung des Angeklagten Wohlleben im Jahr 2000 möglich seien. Abgesehen davon liefere die beantragte Beweisaufnahme auch keine Anhaltspunkte dass beim Angeklagten eine extremistische Motivation vorgelegen hat, dass die Tötungsabsicht eine Rolle bei der Ceska-Lieferung gespielt hat. [phon.] Darauf komme es an, unabhängig von der Bewertung, ob die Wörter “Volkstod” oder “stoppen” legitim seien oder nicht.

Scharmer: “Die Stellungnahme der Bundesanwaltschaft führt dazu, dass ich trotz der zutreffenden Äußerungen des Kollegen Daimagüler von gestern noch etwas anfüge. Das Beweisziel lässt sich nämlich nicht erreichen. Das Beweisziel ist die Verharmlosung und Relativierung des Begriffs des ‘Volkstods’. Dafür wird die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Kontext gerissen. Genau so hat die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht argumentiert. Dazu gibt es jetzt das Urteil und es hat sich gerade mit dem Begriff des sogenannten ‘Volkstodes’ auseinandergesetzt.” Scharmer zitiert dann aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17.01.2017, Randnummer 693, die NPD könne sich zur Begründung der Behauptung, einen verfassungsgemäßen Volksbegriff zu vertreten, auch nicht auf Art. 116 GG und den dazu ergangenen “Teso”-Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts berufen. Zwar erweitere Art. 116 als Ausdruck der Pflicht, die Einheit des deutschen Volkes als Träger des Selbstbestimmungsrechts nach Möglichkeit zu bewahren die Eigenschaft als Deutscher auf die sogenannten “Statusdeutschen”. Dies führe aber nicht dazu, dass sich der Volksbegriff des Grundgesetzes vor allem oder auch nur überwiegend nach ethnischen Zuordnungen bestimmt. Vielmehr erhalte Art. 116 GG als Kriegsfolgenrecht erst dadurch Sinn, dass der Träger der deutschen Staatsgewalt im Ausgangspunkt durch die Gesamtheit der deutschen Staatsangehörigen zu definieren ist. Im “Teso”-Beschluss habe das Bundesverfassungsgericht darüber zu befinden gehabt, ob der Erwerb der DDR-Staatsangehörigkeit durch eine Person mit italienischem Vater zugleich den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit im Sinne des Grundgesetzes einschließt. Dass das Bundesverfassungsgericht dies, unabhängig von der ethnischen Zuordnung, bejahte, dokumentiere die fehlende Ausschließlichkeit der ethnischen Herkunft für die Bestimmung der Zugehörigkeit zum deutschen Volk. Scharmer: “Das hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, frühere Entscheidungen damit klargestellt. Dem gibt es nichts hinzuzufügen.”

Götzl weist darauf hin, dass beabsichtigt sei, Teile aus den Behandlungsunterlagen zu Carsten Schultze, die im Gutachten von Prof. Leygraf zitiert sind, zu verlesen. Außerdem sei beabsichtigt zwei Vermerke zu verlesen. Er nennt jeweils die Fundstellen. Götzl: “Sind denn für heute weitere Anträge oder Erklärungen?” Schneiders: “Ja, und ich möchte drauf hinweisen, dass Herr Wohlleben die letztgenannte Fundstelle noch nicht in seinen Akten hat. “Götzl: “Dann müssen wir dafür sorgen.”

Dann verliest Schneiders ein Ablehnungsgesuch Wohllebens gegen den psychiatrischen SV Prof. Dr. Leygraf, der Carsten Schultze begutachtet hatte. Schneiders weist darauf hin, dass Wohlleben bereits am 15.06.2016 Leygraf wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt habe. Dieser Antrag sei seitens des Senats als unbegründet zurückgewiesen worden. Anlass des damaligen Antrags sei gewesen, dass die Verteidigung Wohlleben den SV befragt habe, auf welcher Grundlage er Schultze im Explorationsgespräch vorgehalten habe, dass es in der rechten Szene in Jena doch ausgeprägte ausländerfeindliche Parolen gegeben habe. Der abgelehnte SV habe weder konkrete ausländerfeindliche Parolen benennen können, noch, “wann und durch wen diese wo verwendet worden sein sollen”. Schneiders gibt kurz die Darstellung aus dem damaligen Ablehnungsgesuch zu diesem Punkt wieder. Zur Begründung des Ablehnungsgesuchs sei damals angeführt worden, dass kein Zeuge Angaben dahingehend getätigt habe, dass die jungen Jenaer, die sich der KS Jena, dem THS bzw. dem “Nationalen Widerstand Jena” zurechneten, öffentlich ausländerfeindliche Parolen, sei es auf Plakaten, Aufklebern, Spuckis, Transparenten oder durch deren Skandieren verwendet hätten. Einzige Ausnahme sei der Aufkleber “Bratwurst statt Döner”, den Tino Brandt habe herstellen lassen.

Abgesehen davon habe Carsten Schultze zu keinem Zeitpunkt ausgesagt, dass er selbst “ausgeprägt ausländerfeindliche Parolen” verwendet, also “übernommen” habe. Dennoch habe ihm der abgelehnte SV ausweislich seines schriftlichen Gutachtens genau dies unterstellt. Damit habe, so Schneiders, der SV überdeutlich zu erkennen gegeben, dass er Schultze und damit auch den übrigen Angeklagten nicht mit der vom Gesetz geforderten Objektivität gegenüberstehe. Leygraf habe ohne eine hinreichende Grundlage negative Zuschreibungen dahingehend vorgenommen, dass die der KS Jena bzw. dem THS in Jena zuzurechnenden jungen Jenaer und damit auch die Angeklagten durchweg Rechtsextremisten und deshalb ausländerfeindlich waren und deshalb ausländerfeindliche Parolen verwendeten. Damit habe der SV “bestehende Vorurteile kritiklos übernommen und einfach auf die Angeklagten projiziert”. Nunmehr habe Leygraf in seiner erneuten Anhörung am 11.01.2017 auf Frage der Verteidigung Zschäpe erklärt, dass er generell bei der Gutachtenerstattung von der Täterschaft des Probanden ausgehe. Ein SV könne, so Schneiders, aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund liege vor, wenn die Besorgnis der Befangenheit bestehe, wenn also ein Grund vorliege, der verständigerweise ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des SV rechtfertigt. Dabei komme es auf den Standpunkt des verständigen Ablehnenden an, nicht auf den des Gerichts. Es müssten vernünftige Gründe vorgebracht werden, die jedem unbefangenen Dritten einleuchten, das Gericht müsse dabei die Ablehnungsgründe in ihrer Gesamtheit würdigen.

Leygraf habe “überdeutlich zu erkennen gegeben”, dass er dem Angeklagten Schultze und damit auch den übrigen Angeklagten nicht mit der vom Gesetz geforderten Objektivität gegenüberstehe. Der abgelehnte SV hat zunächst ohne eine hinreichende Grundlage, insbesondere ohne, dass dies durch Anknüpfungstatsachen belegt gewesen wäre oder er hierzu Befundtatsachen erhoben hätte, negative Zuschreibungen dahin vorgenommen, dass die der KS Jena bzw. dem THS in Jena zuzurechnenden jungen Jenaer und damit auch die Angeklagten durchweg Rechtsextremisten, deshalb ausländerfeindlich gewesen seien und aus diesem Grunde ausländerfeindliche Parolen verwendet hätten. Schneiders: “Die hierauf fußende Besorgnis der Befangenheit und Voreingenommenheit durch den Angeklagten Wohlleben wird durch die von dem abgelehnten Sachverständigen nunmehr am 11.01.2017 gemachte Äußerung erneuert und verstärkt. Diese erhellt nämlich, dass der Sachverständige nicht unvoreingenommen an die Gutachtenaufträge herangeht, sondern bei der Exploration des Probanden und bei der folgenden Erarbeitung und Erstattung seiner Gutachten prinzipiell die Täterschaft des Probanden voraussetzt. Dies gilt dann auch für den vorliegenden Fall.

Grundlage eines fairen, rechtsstaatlichen Strafverfahrens sei die Unschuldsvermutung, die bis zur Rechtskraft eines verurteilenden Erkenntnisses uneingeschränkt gilt.” Die Unschuldsvermutung binde nicht nur das erkennende Gericht, sondern auch dessen Gehilfen, hier des SV. Dieser Grundsatz werde von Leygraf “auf den Kopf gestellt”, ohne dass dies aus zwingenden Gründen, die aus der Methodik der vom Sachverständigen vertretenden Wissenschaft wurzelten, erforderlich sei. Damit stehe er den Angeklagten nicht mehr unvoreingenommen und mit der erforderlichen Unparteilichkeit gegenüber. Dies berechtige alle Angeklagten und damit auch Wohlleben, den
SV wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.

Wohlleben-Verteidiger RA Nahrath beantragt, den ehemaligen Leiter des Staatsschutzes der KPI Jena, Kö., erneut zu vernehmen. Kö. werde bekunden, dass Wohlleben zu keinem Zeitpunkt Chefsache beim Leiter des Dezernats Staatsschutz gewesen sei, und dass er dies auch zu keinem Zeitpunkt gegenüber anderen Angehörigen des Dezernats Staatsschutz geäußert habe.

NK-Vertreter RA Elberling nimmt kurz Stellung zum Ablehnungsgesuch gegen Leygraf: “Für den Fall, dass es überhaupt zulässig ist, ist es jedenfalls unbegründet.” Der Gutachter müsse Stellung nehmen zur Frage, ob Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht angewendet wird, so Elberling; dies könne er denklogisch nur unter der Prämisse tun, dass überhaupt Strafrecht angewendet wird.

Dann verliest Elberling einen Beweisantrag. Er beantragt, 1. EKHK Neusüß vom TLKA zu hören zum Beweis der Tatsachen, dass die Durchsuchung der Garagen Nr. 6 und 7 in dem Garagenkomplex Richard-Zimmermann-Straße am 26. Januar 1998 um 07:25 Uhr begonnen habe und Uwe Böhnhardt zu Beginn der Maßnahme anwesend gewesen sei, sich aber zwischen 8 Uhr und 08:30 Uhr mit seinem Auto von der Maßnahme entfernt habe; und 2. KHK Fa. vom TLKA zu hören zum Beweis der Tatsachen, dass zum Zweck der Durchsuchung der Garage Nr. 5 des Blocks H im Garagenkomplex des Garagenvereins an der Kläranlage e.V. am 26. Januar 1998 diese Garage in der Zeit von 06:45 bis 12 Uhr von außen durch zwei Polizeibeamte der PI Jena gesichert worden sei und dass die Durchsuchung der Garage in der Zeit von 08:15 bis 13 Uhr stattgefunden habe, dass an der Durchsuchung von 08:15 bis 11 Uhr zu den zwei Sicherungsbeamten sieben weitere Beamte des TLKA und der KPI Jena sowie ein weiterer Zeuge teilgenommen hätten, dass von 11 bis 13 Uhr zu diesen Personen drei zusätzliche Beamte des TLKA hinzu gekommen seien, dass gegen 08:15 Uhr der Garagenvermieter Klaus A. zu der Garage gekommen sei und versucht habe, das Schloss zu öffnen, dass um 9 Uhr Kräfte der Feuerwehr vor Ort gewesen seien, um das zweite von Klaus A. nicht geöffnete Schloss der Garage zu öffnen, und dass außerdem in der Zeit von 08:15 bis 13 Uhr zwei oder mehr Polizeifahrzeuge auf dem Gelände des Garagenvereins gewesen seien.

Zur Begründung führt Elberling aus:
Die Angeklagte Zschäpe gab in ihrer Einlassung am 9. Dezember 2015 zu dem Ablauf am 26. Januar 1998 an: “An diesem Tag fand eine Hausdurchsuchung in der Wohnung des Uwe Böhnhardt
statt. Ihm wurde der Durchsuchungsbeschluss vorgelegt. Uwe Böhnhardt erkannte, dass sich der Durchsuchungsbeschluss auch auf die von mir angemietete Garage bezog. Während der Hausdurchsuchung ließen ihn die anwesenden Polizeibeamten gehen und Uwe Böhnhardt fuhr mit seinem Auto davon. Er rief mich an und teilte mir mit, dass die Garage aufgeflogen sei. Er forderte mich wörtlich auf ‘Fackel ab’.” Sie habe sich daraufhin zu einer Tankstelle begeben, Benzin in eine 0,7-Liter-Flasche abgefüllt und sei damit zur Garage gelaufen, um das dort gelagerte “Propagandamaterial” zu verbrennen. Weiter heißt es in der Einlassung: “Ganz in der Nähe der Garage sah ich mehrere Personen, die anscheinend ihr Auto reparierten. Dieser Umstand hielt mich davon ab, das Benzin in der Garage auszuschütten und anzuzünden. Denn ich ging aus Erzählungen der beiden davon aus, dass sich eine Menge (wie viel genau wusste ich nicht) Schwarzpulver dort befindet und ich nicht abschätzen konnte, was wohl mit den in der Nähe befindlichen Personen passiert, wenn das Benzin brennt und mit dem Schwarzpulver in Berührung kommt.” Die bisherige Beweisaufnahme hat ergeben, dass die Angeklagte Zschäpe am 26. Januar 1998 in der Schomerusstraße 5 in Jena wohnte.

Die Bekundungen der Zeugen werden ergeben, dass die Garage Nr. 5 im Garagenkomplex Kläranlage und die Garagen 6 und 7 im Garagenkomplex in der Richard-Zimmermann-Straße am 26. Januar 1998 durchsucht wurden. Die zwei Garagen in der Richard-Zimmermann-Straße gehörten zu der elterlichen Wohnung des Uwe Böhnhardt bzw. ging der Durchsuchungsbeschluss davon aus. Die Bekundungen werden weiter ergeben, dass die Garage Nr. 5 im Garagenkomplex Kläranlage bereits ab 06:45 Uhr durch zwei Beamten abgesichert war und dass ab 08:15 Uhr auch die übrigen sieben bzw. ab 11 Uhr elf Durchsuchungsbeamten bis 13 Uhr mit mehreren Dienstfahrzeugen vor Ort waren und weitere Personen, wie der Durchsuchungszeuge, der Zeuge A. und die Feuerwehrkräfte zeitweise ebenfalls beim Durchsuchungsobjekt anwesend waren. Weiter werden die Bekundungen ergeben, dass sich Uwe Böhnhardt zwischen 8 Uhr und 08:30 Uhr von der Durchsuchungsmaßnahme der zwei Garagen Nr. 6 und 7 in der Richard-Zimmermann-Straße mit dem Auto entfernte. Nach der Einlassung der Angeklagten Zschäpe soll Böhnhardt sie nach dem Entfernen von den Durchsuchungsobjekten angerufen haben, woraufhin sie das Benzin gekauft und sich zu dem Garagenkomplex begeben habe, der ca. 30 Gehminuten von der Wohnung der Angeklagten Zschäpe entfernt lag.

Aus den Bekundungen der Zeugen wird sich ergeben, dass der von der Angeklagten Zschäpe behauptete Geschehensablauf nicht zutreffend sein kann. Denn selbst wenn die Angeklagte Zschäpe nach einem Anruf von Böhnhardt, der den Bekundungen der Beamten zufolge frühestens um 8 Uhr erfolgt sein kann, sehr schnell agiert hätte, war – wie die Bekundungen der Beamten weiter ergeben werden – um 8.30 Uhr, zu dem Zeitpunkt, zu dem die Angeklagte Zschäpe frühestens beim Garagenkomplex Kläranlage hätte erscheinen können, die Durchsuchungsmaßnahme bei der Garage Nr. 5 bereits im Gang. Die Bekundungen der Zeugen werden diesbezüglich zeigen, dass sich zu dem frühestmöglichen Zeitpunkt ihres angeblichen Eintreffens bereits eine Zahl von mindestens zehn Polizeibeamten und eine unbekannte Zahl von Feuerwehrleuten sowie mehrerer Dienstfahrzeuge von Polizei und Feuerwehr in unmittelbarer Nähe bei dem Durchsuchungsobjekt und auf dem Gelände des Garagenkomplexes befanden. In der Beschreibung der Angeklagten Zschäpe von den Abläufen kommen aber Polizei und Feuerwehr gar nicht vor. Ihre Einlassung, sie sei vor Ort gewesen und habe nur wegen der Sorge um Zivilpersonen von einer Brandlegung in der Garage abgesehen, kann vor diesem Hintergrund nicht zutreffen. Wäre sie tatsächlich vor Ort gewesen, wäre für sie, die nach ihren Angaben von Böhnhardt über die Durchsuchung der Garagen Nr. 6 und 7 im Komplex Richard-Zimmermann-Straße informiert war, die Anwesenheit von Polizeibeamten auch im Garagenkomplex Kläranlage von großer Bedeutung gewesen. Die schon in sich nicht plausiblen und lebensfernen Schilderungen des von der Angeklagten Zschäpe geschilderten Vorganges zu Böhnhardts Aufforderung: “Fackel ab”, werden durch die äußeren Umstände widerlegt, die die Zeugen bekunden werden. Der Antrag ist von mehreren NK-Vertreter_innen unterschrieben, weitere schließen sich an.

Götzl: “Sollen Stellungnahmen abgegeben werden? Sind weitere Anträge für heute? Zu nächster Woche: Wir werden am Dienstag, 31.01., fortsetzen, allerdings werden wir den Mittwoch und Donnerstag absetzen, so dass wir nur den Dienstag, 31., haben. Dann wird die Hauptverhandlung unterbrochen und wir setzen am kommenden Dienstag, 31.01., 9:30 Uhr fort.” Der Verhandlungstag endet um 14:03 Uhr.

Das Blog “NSU-Nebenklage“: “Heute wurde zunächst ein weiterer Polizeibeamter aus Jena vernommen. Dieser wirkte etwas wacher als seine Kollegen von den Vortagen, war dafür aber auch nur kurz im Staatsschutz gewesen und konnte daher ebenfalls wenig zu Ideologie und Tätigkeiten Ralf Wohllebens sagen. Interessant war seine Aussage, Wohlleben sei beim Staatsschutz ‘Chefsache’ gewesen und nur vom Leiter des Staatsschutzes bearbeitet worden. Sodann ging es weiter mit dem Sachverständigen Prof. Dr. Saß: da die Verteidigung Zschäpe aktuell keine Fragen hatte, befragte der Vorsitzende ihn erneut. Insbesondere bat er Saß, noch einmal die Wahrnehmungen zu schildern, die seinem Gutachten zu Grunde liegen – was Saß dann über etwa zwei Stunden tat und damit nebenbei auch noch einmal den bisherigen Verfahrensablauf Revue passieren ließ. […} Von Seiten der Nebenklage gab es einen weiteren Beweisantrag zu den Ereignissen um die Durchsuchungen der Garage am 26.1.1998, dem Tag des Untertauchens von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt: Zschäpe hatte behauptet, Böhnhardt habe ihr aufgetragen, die Garage ‘abzufackeln’, das habe sie aber nicht getan, weil sie Privatpersonen auf dem Garagengelände nicht gefährden wollte. Tatsächlich standen zu dem Zeitpunkt, zu dem Zschäpe an der Garage hätte ankommen können, schon eine Reihe von Polizeibeamten vor der Garage, die Zschäpe indes nicht erwähnt hatte – ein weiterer Hinweis auf die Unglaubhaftigkeit ihrer Einlassung.”
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2017/01/26/26-01-2017/

Der Beitrag Protokoll 341. Verhandlungstag – 26. Januar 2017 erschien zuerst auf NSU Watch.

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