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Channel: Mandy Struck – NSU Watch

Protokoll 295. Verhandlungstag – 06. Juli 2016

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An diesem Verhandlungstag sagt zunächst erneut die Polizeibeamtin Pf. aus. Dabei geht es um weitere Ermittlungen zu den im Bekennervideo gezeigten Fernseh- und Zeitungsausschnitten. In den Blick genommen wurde dabei u.a. die Empfangbarkeit von lokalen Fernsehsendern, um zu ermitteln, ob diese in Zwickau empfangen und mitgeschnitten werden konnten. Danach stellen Verfahrensbeteiligte Fragen an Beate Zschäpe, die sie nicht sofort beantwortet. Da es sich vor allem um Fragen von Nebenklage-Vertreter_innen handelt, kündigt die Verteidigung Zschäpe an, erst darüber zu entscheiden, ob sie beantwortet werden.

Redaktioneller Hinweis: In Anbetracht der Menge und der Details der Fragen durch die Nebenklage-Anwält_innen haben wir uns in diesem Fall entschlossen, so weit wie möglich die Fragen in direkter Rede wieder zu geben. So haben wir auch die Fundstellen im Text belassen, obwohl diese womöglich nur für wenige Lesende relevant sind.

Zeugin:

  • Jeanette Pf. (BKA, Empfangbarkeit des WDR in Zwickau im Jahr 2004, Verwendung von Zeitungsfotos im Bekennervideo)

Der Verhandlungstag beginnt um 09:47 Uhr. Heute ist ausnahmsweise Zschäpes Wahlverteidiger RA Borchert anwesend. Außerdem ist der psychiatrische SV Saß da.

Als erstes wird die Zeugin Jeanette Pf. vom BKA gehört [zuletzt 281. Verhandlungstag]. Götzl: „Es geht uns um, ja, um Themen, die wir teilweise schon besprochen haben, um die Verbreitung des WDR im Jahr 2004, TV-Beiträge und Auswertung von Zeitungsausschnitten im NSU-Bekennervideo, die Verwendung dafür, soweit von Ihrer Seite noch ergänzende Ermittlungen durchgeführt wurden.“ Pf.: „Ich war ja am 17.03. hier und habe zu meinen Nachermittlungen zur DVD-Ram mit TV-Berichterstattung zum Nagelbombenanschlag Keupstraße berichtet. Ich hatte vorgetragen: Aufzeichnungen vom 09.06.2004, dass die Aufzeichnung um 18 Uhr ungefähr beginnt, und es hatte sich die Frage gestellt, wer diese Aufzeichnung gemacht hatte. Ich habe gesagt, Mundlos und Böhnhardt waren da wahrscheinlich noch in Köln [phon.]. Ich bin der Frage nachgegangen: Wie wurde der WDR verbreitet? Denn es sind Sendungen dabei gewesen, die nur im Regionalprogramm Köln gelaufen sind. Ich habe nachgeschaut, ob man in der Polenzstraße Zwickau den WDR Köln empfangen hat. Ich habe rausgefunden, dass dort Kabelempfang war. Ich konnte aber nicht ganz zweifelsfrei belegen, dass dort WDR Köln empfangen werden konnte [phon.]. Das war aber nur eine Indizienkette.“

Am selben Tag sei dann, so Pf. ein Zeitungsartikel erschienen, in dem ihre Ermittlungsergebnisse in Frage gestellt worden seien. Der Tenor sei eher gewesen, dass Unterstützer aus Köln diese Aufzeichnungen getätigt haben könnten. Der Autor des Beitrages, Tobias A., sei dann zeugenschaftlich vernommen worden, habe keine konkreten Hinweise auf Unterstützer in Köln geben können, aber habe seine Recherchen zum NSU-Video dargestellt. Er habe zur Probsteigasse beim WDR Recherchen durchgeführt, auch zur Empfangbarkeit des WDR, und habe da andere Ergebnisse gehabt. Der Autor des Beitrags habe ihr seinen Ansprechpartner beim WDR genannt, Jürgen H., mit dem sie sich in Verbindung gesetzt habe. Pf.: „Und jetzt kommen die neuen Erkenntnisse.“

Damals sei ihr vom WDR mitgeteilt worden, dass man bei der Empfangbarkeit über Satellit unterscheiden müsse zwischen analogem und digitalem Satellit. Analog sei damals in der Woche die Lokalzeit Ruhr [phon.] gelaufen, aber digital WDR Köln. Der Empfang sei in der Polenzstraße jedoch über Kabel erfolgt. Sie habe sich bei den ersten Ermittlungen dazu mit dem Kabelanbieter Bosch in Verbindung gesetzt, der aber keine Auskunft mehr habe geben können. Jürgen H. habe ihr jetzt gesagt, dass es wichtig sei, wie die Programmzuführung erfolgt, ob also der Kabelbetreiber Bosch sein Programm analog oder digital empfängt. [phon.] Dazu habe es bei Bosch keine Information mehr gegeben. H. habe ihr aber einen Zeitungsartikel aus 2002 zugesendet, in dem stehe, dass Bosch bis Ende 2002 das digitale Kabelnetz soweit ausgebaut haben wolle, dass Zwickau digitales Kabel empfangen kann. H. habe ihr eine E-Mail geschrieben, dass er davon ausgehe, dass im Jahr 2004 sowohl digital WDR Köln eingespeist wurde, als auch analog. [phon.] Pf.: „Langer Rede kurzer Sinn: Es wäre theoretisch damals möglich gewesen, dass man über einen digitalen Kabelanschluss WDR Fernsehen Köln empfangen haben könnte. Neu für mich, war, dass der Satellitenempfang und der Kabelempfang, dass die sich bedingen.“

A. habe ihr, so Pf. zu seinen Recherchen zur Berichterstattung Probsteigasse berichtet, dass die Beiträge im Bekennervideo zur Probsteigasse, am 19.01. nur in der ‚Aktuellen Stunde‘ [phon.] ausgestrahlt worden seien. Pf.: „Wir haben uns im Archiv des WDR sämtlich Beiträge angeschaut. In vier Sendungen wurde berichtet, und die Beiträge im Bekennervideo sind entweder aus der ‚Aktuellen Stunde‘, die begann um 18 Uhr [phon.], oder aus der Sendung ‚WDR am Abend‘ [phon.], die begann um 21:45 Uhr.“ A. habe ausgesagt, er gehe davon aus, dass das lokale Unterstützer aufgenommen haben, weil sehr spät bekannt geworden sei, dass es sich um einen Anschlag handele, zuerst sei von einer Explosion die Rede gewesen und es sei vor allem lokal berichtet worden. Pf.: „Ich habe das zum Anlass genommen, einer Hypothese nachzugehen: dass sich das ‚Trio‘ oder wie auch immer tagsüber per Videotext informiert hat, was abends ausgestrahlt wurde [phon.]. Beim WDR hat man mir mitgeteilt, dass das Videotextarchiv nur bis 2005 zurückgeht, deswegen konnte man nicht mehr sagen, was am 19.01.2001 berichtet wurde oder 2004. Es gab aber noch Meldungen aus 2006 und da hatten wir auf dem Asservat ja Berichterstattung vom 09.02.2006 festgestellt, dem zweiten Jahrestag des Anschlags Keupstraße. Und im Videotext-Archiv wurde damals auch darüber berichtet und im gleichen Jahr auch über den Mord an Mehmet Kubaşık. Die Taten wurden im Videotext aufgegriffen.“

Dann sagt Pf., parallel habe sie den zweiten Vermerk geschrieben, wo sie sich nochmal das Bekennervideo angeschaut habe: „Ich wollte dann nochmal im Bekennervideo gucken: Gibt es noch andere Knackpunkte, wo es Aufnahmen gibt, wo nicht klar ist, ob das Kerntrio, wenn man denn von einem Kerntrio ausgeht, da dran gekommen sein konnte? Ich habe das in Absprache mit der Staatsanwaltschaft etwas ausgedehnt, habe mir nicht nur die TV-Berichte, sondern auch Zeitungsartikel angeschaut. Letztendlich ist das jetzt keine neue Ermittlung gewesen, sondern eine Überprüfung der bisherigen Ermittlungen. Ich habe nur das Bekennervideo als Ausgangspunkt genommen, Szene für Szene, – nicht z. B. das Zeitungsarchiv -, und geschaut, woher die Beiträge da stammen. Insgesamt habe ich das für alle drei Bekennervideos gemacht, die zwei Versionen 2001 und die finale Version. Im Vermerk gibt es dazu drei Tabellen, ich kann das jetzt weißgott nicht auswendig. Nur soviel: Beim Abgleich ist mir nochmal aufgefallen, dass in den Bekennervideos Zeitungsartikel bzw. Bilder aus Zeitungsartikel eingeblendet werden, und das in der bisherigen Auswertung nicht explizit erwähnt wurde. Das habe ich kursiv in der Tabelle dargestellt. Hervorheben möchte ich in der zweiten Vorgängerversion insgesamt drei Szenen, Bilder aus dem Asservat 2.12.377.51, das Asservat, wo eine daktyloskopische Spur von Beate Zschäpe festgestellt wurde.“

Pf. weiter: „Dann zu den Fernsehmitschnitten, die in den Bekennervideos verwendet wurden: Die konnte ich alle zuordnen. Teilweise gibt es da ein Bezugsasservat, teilweise auch nicht. Aber die korrespondierenden Sendungen konnten allesamt ermittelt werden. Ich bin eben schon eingegangen auf die Sendungen zur Probsteigasse, dann auch zur Keupstraße. Und zur Ceska-Mordserie: Die Beiträge stammen aus einer Stern-TV-Sendung und andererseits aus Aktenzeichen XY, wo der allererste Mord thematisiert wurde. Das Abschlussbild, – ist bekannt, aber ich erwähne es an der Stelle, ist quasi eine Vorausschau auf ein nicht existentes oder nicht aufgefundenes zweites Video – das hat den Mord an Michèle Kiesewetter zum Thema. Und die dort verwendeten Bildausschnitte stammen aus zwei Fernsehbeiträgen: Aktenzeichen XY und einmal von SWR oder BR Aktuell. Also wir haben da nicht einen Kracher gefunden, aber es ist halt auch gemacht worden.“ Zu der von Pf. zuletzt genannten Sendung hält Götzl aus dem Vermerk vor, dass es sich um die Sendung „SWR BW Aktuell“ handele. Pf. bestätigt das. Pf:. „Die Videos dazu wurden auf dem Asservat 2.12.707. festgestellt. Es gab noch eine zweite DVD-Ram mit der Asservatennummer, da sind die beiden Dateien auch so benannt, also Aktenzeichen XY und SWR BW Aktuell [phon.], da können wir die Dateien aber nicht mehr öffnen.“ Um 10:10 Uhr wird die Zeugin entlassen.

Götzl: „Ja, dann kämen wir zu weiteren Fragen der Verfahrensbeteiligten, was ich angesprochen hatte, an Frau Zschäpe. Ich nehme an, dass wir das so handhaben können wie bisher. Ihre Rechte kennen Sie, Frau Zschäpe. Können wir es wieder so handhaben, dass Fragen gestellt werden und Sie mitschreiben? [phon.]“ RA Borchert: „Können wir natürlich so handhaben. Aber es ist vorauszusehen, dass die Fragen wohl nicht beantwortet werden.“ Götzl: „Sind Fragen von der Bundesanwaltschaft? Nicht. Von Seiten der Verteidiger?“

Schultzes Verteidiger RA Hösl: „Es geht um den Herrn Andreas Schultz, der im Madley gearbeitet hat. Herr Wohlleben hat angegeben, er hätte Böhnhardt auf einer Wiese getroffen und der hätte ihn bzgl. einer Waffe an Andreas Schultz verwiesen. Kennen Sie selber Andreas Schultz? Kennt Herr Böhnhardt Andreas Schultz ? Kennt Herr Mundlos Andreas Schultz? Und dass Sie dazu, differenziert zu den Personen, Ausführungen machen.“

Wohlleben-Verteidiger RA Klemke: „Und zwar beanstande ich den Vorhalt. Der Herr Wohlleben hat zu keinem Zeitpunkt angegeben, dass er Herrn Böhnhardt auf einer Wiese getroffen habe. Der Vorhalt ist falsch und deswegen beanstande ich auch die Frage mit.“ Hösl: „Ich entschuldige mich ausdrücklich. Es geht um ein Treffen von Herrn Wohlleben mit Herrn Böhnhardt, egal wo es stattgefunden hat, und da habe Böhnhardt ihn an Andreas Schultz im Madleys verwiesen.“ Klemke: „Falsch. Es hat kein Treffen von Herrn Wohlleben mit Herrn Böhnhardt gegeben.“ Wohlleben, so Klemke, habe angegeben, dass er die Drei besucht habe und dabei habe es ein Gespräch gegeben zwischen Wohlleben und Böhnhardt: „Ich erwarte eine weitere Entschuldigung, danke.“ Hösl zuckt mit den Schultern. Götzl reagiert ungehalten und weist Hösl zurecht: „Mit Achselzucken ist es nicht getan!“ Hösl: „Dann stelle ich diese Frage ohne Vorhalt.“

Schultzes Verteidiger RA Pausch stellt dann weitere Fragen an Zschäpe: „Ich hätte Fragen zur Auswertung eines Funktelefons, gefunden in der Frühlingsstraße 26. Dort sind SMS gesichert worden und es geht um die Frage, ob Frau Zschäpe weiß, von wem diese SMS stammen: ‚VON EBI IST NICHTS MEHR ZU HÖREN! SEIT WOCHEN HAT MAN NICHTS MEHR GEHÖRT!SONST GIBTS NICHTS NEUES!MELD MICH DIE WOCHE NOCH MAL!“ 25.08.2000, 14:48 Uhr. ‚Er hat mir gesagt, dass er 21 Uhr anruft, wenn er es schafft!‘ 03.09.2000, 2:00 Uhr. ‚Mir ist es ist zur Zeit nicht moeglich mit euch zu sprechen wegen NPD-, gestern B+H-, und Bald Ths-Verbot! Ich gehe davon aus das ich überwacht werde! Meld mich! Ralf‘ 15.09.2000, 14:56 Uhr.
Weiß Frau Zschäpe, von wem diese SMS stammen? Weitere Frage: Kennen Sie Nico Eb.“ Pausch nennt dessen Geburtsdatum und den Geburtsort. Pausch weiter: „Wissen Sie, ob Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt ihn kannten? Gab es nach dem Untertauchen Kontakte zu ihm, in welcher Art und in welcher Beteiligung? Wissen Sie, wer in der ersten SMS mit ‚Ebi‘ gemeint ist?
Bezugnehmend auf Ihre Aussage: Für welchen Zweck waren die Vertretungsvollmachten, die Sie bei dem Treffen mit Carsten Schultze im Kaufhaus in Chemnitz unterschrieben haben, da Sie nach eigenen Angaben ja mit Rechtsanwalt Eisenecker schon Anfang 1999 [phon.] Kontakt hatten, wie Sie in der Einlassung angegeben haben.“

Götzl: „Weitere Fragen von Seiten der Verteidiger? Von Seiten der Nebenklage?“

NK-Vertreter RA Scharmer: „Ich habe einige Fragen, die gibt es schriftlich. Die würde ich dem Senat dann auch übergeben, wenn jetzt keine Antworten kommen [phon.].“ RA Borchert: „Bekommen wir eine Kopie?“ Scharmer: „Ich gehe davon aus, wenn es Aktenbestandteil wird.“ Götzl: „Es wäre natürlich sinnvoll, dass der Senat, damit ich das auch vergleichen kann, auch eine entsprechende Kopie erhält. Ich habe zwar ein gutes Gedächtnis, aber kann mir auch nicht alle Punkte merken.“ Scharmer sagt, vorab gebe es die Fragen dann nicht. Götzl: „Dann werden wir mitschreiben.“ Scharmer: „Ach so, Sie. Dann drucke ich das kurz aus, ich biete es an.“ Götzl: „Ja, das wäre sehr effektiv.“ Zschäpe-Verteidiger RA Stahl: „Können es denn alle haben?“ Scharmer: „Die Fragen will ich natürlich an diejenigen, die damit beschäftigt sind, nicht vorab geben. Ich biete es an.“ RA Stahl: „Diese Art der selektiven Informationserteilung an Verfahrensbeteiligte empfinde ich nicht als korrekt.“ Götzl: „Dann schreiben wir mit.“ Scharmer sagt zu Stahl: „Ich erinnere an die schriftliche Einlassung von Frau Zschäpe, die auch der Senat hatte und wir anderen nicht.“ Götzl: „Es wurde die Frage aufgeworfen: Werden die Fragen sofort beantwortet?“ Borchert: „Mit Sicherheit nicht.“

Dann stellt RA Scharmer seine Fragen:
„Frau Zschäpe, wissen Sie, warum und wie Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat und Michèle Kiesewetter als Mordopfer ausgesucht wurden?“ Scharmer schweigt kurz, Es gibt keine Antwort von Zschäpe. So geht das bei jeder Frage.
Scharmer: „Waren Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt vor oder nach dem Untertauchen in den Städten, die Tatorte der Morde und Anschläge waren? Also in Nürnberg, Köln, München, Hamburg, Rostock, Dortmund oder Kassel? Wenn ja, an welchen Orten, zu welchen Gelegenheiten waren Sie dort und mit welchen Personen hatten Sie dort Kontakt?“ Götzl:“Sie müssen langsamer lesen. Ich weise nur auf das Prozedere hin.“ Scharmer: „Ich kann auch langsamer lesen.“

[Unterbrechungen wegen der Lesegeschwindigkeit gibt es mehrfach auch bei den anderen Nebenklagevertreter_innen, die Fragen stellen.]

Scharmer: „Haben Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt Ihnen gegenüber auch über andere Taten, insbesondere die in der Anklage benannten Morde und/oder Anschläge, so präzise Angaben gemacht, wie über den Anschlag in der Probsteigasse, bei Ihnen in der Einlassung vom 09. Dezember 2015, Seite 23? Also beispielsweise, wer die Bombe gelegt bzw. geschossen hat und wer aufgepasst hat? Wenn ja, was haben Ihnen die beiden dazu gesagt? Wenn nein, wissen Sie, warum Ihnen gerade in Bezug auf den Anschlag in der Probsteigasse diese Information mitgeteilt wurde?
Woher wissen Sie, Frau Zschäpe, wie Sie es in der Einlassung vom 09. Dezember 2015, Seite 46, angeben, dass Uwe Mundlos ‚die Morde‘ fotografiert hat? Welche der Morde hat er fotografiert? Wo wurden die Fotos ggf. gespeichert bzw. entwickelt? Haben Sie diese Fotos vor dem 04. November 2011 gesehen? Was war Ihnen ggf. über den Zweck der Aufnahmen bekannt?
Wo wurden die Karten und Adresslisten von Personen und Einrichtungen in verschiedenen Städten Deutschlands in den Wohnungen in der Polenzstraße und in der Frühlingsstraße aufbewahrt? Wozu dienten ggf. nach ihrer Kenntnis diese Karten und Adresslisten?
Ich würde gern einen Vorhalt machen aus SAO 387, Bl. 183 ff., da geht es mir um Fotos.“

Es werden Fotos von einer Ausspähaktion in Stuttgart an die Leinwände projiziert, die bereits im Prozess gezeigt wurden. Scharmer sagt, es handele sich um die so genannte „CD Stuttgart“.  Dann fragt Scharmer: „Dazu: Waren Sie dabei, als die laut Zeitstempel am 25.06.2003 gegen Mittag in Stuttgart aufgenommenen Fotos, auf denen u.a. türkische Imbisse zu sehen sind, aufgenommen wurden?“

Dann bittet Scharmer den Justizangestellten ein weiteres Foto zu zeigen, auf dem Zschäpe auf einem Sofa zu sehen ist, neben ihr vermutlich Böhnhardt. Scharmer: „Wo ist das Bild, das Sie in einer Wohnung zeigt und laut Zeitstempel am 26.06.2003 um 18:21 Uhr aufgenommen wurde, entstanden? Wer ist mit Ihnen zusammen auf dem Bild zu sehen?
Dann noch ein paar Fragen zu Ihrer Einlassung vom 09.12.2015:
Seite 19: Mit welchem Fahrzeug fuhren Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Anfang September 2000, also vor dem Mord an Enver Şimşek, fort? Woher stammte ggf. das Fahrzeug? Wie lange blieben sie insgesamt abwesend?
Dann zur gleichen Einlassung, Seite 21: Was meinen Sie damit, dass Sie nach den Schilderungen der beiden über den Mord an Enver Şimşek nun selbst ‚in einen Mord verwickelt‘ waren?
Zur ergänzenden Einlassung aus dem Hauptverhandlungstag vom 21.01.2016: Da geht es mir um Ihre Antwort zu Frage Nummer 18, Seite 10. Dazu die Fragen:
Haben Ihnen Uwe Böhnhardt und/oder Uwe Mundlos gesagt, warum Sie den ersten Mord in Nürnberg begangen haben? Haben Sie die beiden vor dem Mord an Enver Şimşek über Nürnberg oder Personen in bzw. aus Nürnberg sprechen hören und wenn ja, was?
Mit welchen Fahrzeugen, Typ, Farbe etc., waren nach ihrer Kenntnis Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt jeweils zu dem Mord an Abdurrahim Özüdoğru am 13. Juni 2001, an Süleyman Taşköprü am 27. Juni 2001 und an Habil Kılıç am 29. August 2001 aufgebrochen? Woher ggf. stammten jeweils diese Fahrzeuge?
Nach Aktenlage soll Uwe Böhnhardt unter dem Aliasnamen Holger Gerlach um die Tatzeit des Mordes an İsmail Yaşar herum einen Kleinwagen Skoda Oktavia angemietet haben. Woher stammte der schwarze Van mit Schiebetür, in den mutmaßlich Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt am 09. Juni 2005, also am Tattag des Mordes an İsmail Yaşar, laut des Zeugen Me. ihre Fahrräder verluden?
Dann noch ein letzter Vorhalt. Könnten wir bitte die Abbildung einblenden, Altakte Keupstraße, Beweismittelakte, Bl. 50, das ist eine Abbildung eines Fahrrades.“

Es wird ein Foto eines Damenrades mit der Aufschrift „Cyco“ auf die weiße Fläche am Richtertisch gelegt. Das Bild wird an die Leinwände übertragen.

Scharmer: „Meine Frage dazu: Haben Sie vor dem 09. Juni 2004 ein Fahrrad der Marke Cyco – ähnlich dieser Abbildung – bei Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt gesehen? Wenn ja, haben Sie die beiden nach dem Zweck des Damenfahrrades gefragt und ggf. was wurde Ihnen geantwortet?
Für wen war die Postkarte mit dem Foto eines Elefanten und der handschriftlichen Eintragung ‚Hallo 00‘ bestimmt, die an ‚M. Dienelt Polenz Str. 2 08060 Zwickau‘ adressiert ist und die am 21.09.2005 in Dortmund abgestempelt worden ist?
Waren Sie vom 19.09. bis zum 22.09.2005 oder um diese Zeit herum in Dortmund? Waren nach Ihrer Kenntnis Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in dieser oder um diese Zeit herum in Dortmund? Wenn ja, was haben Sie dort gemacht bzw. was wurde Ihnen ggf. berichtet, was die beiden dort gemacht haben? War Dortmund unter Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt zu irgendeiner Zeit nach dem Untertauchen Gesprächsthema, wenn ja, was wurde gesprochen?
Seit wann kennen Sie Robin Schmiemann? Wie ist er Ihnen bekannt geworden?
Ist Ihnen bekannt, und wenn ja, seit wann, dass Sebastian Seemann V-Mann war? Ggf., wie ist Ihnen dies bekannt geworden?

Dann geht es mir noch um einen Vorhalt aus dem bereits den Verfahrensbeteiligten übergebenen Artikel der taz vom 10. März 2016, da geht es mir um ein Zitat von Rechtsanwalt Grasel, da wird er über die Mitschnitte der Fernsehberichterstattung zum Bombenanschlag in der Keupstraße in direkter und indirekter Rede wie folgt zitiert: „Die Interpretation, dass seine Mandantin die Videomitschnitte machte, sei ’nicht zwingend‘, sagte er am Donnerstag der taz. ‚Es gibt eine Vielzahl anderer Möglichkeiten.‘ So hätten auch mögliche Unterstützer aus NRW oder der Zwickauer Mitangeklagte André E. die Aufzeichnungen gemacht und später Mundlos und Böhnhardt übergeben haben können.“ Frage: Welche Unterstützer in NRW hatten Sie oder Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt? Warum kann nach diesen Ausführungen auch André Eminger die Mitschnitte gemacht haben, wenn er laut Ihren Angaben nichts von dem Anschlag gewusst haben soll?
War nach dem Mord an Halit Yozgat zwischen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Ihnen ein Gesprächsthema, dass sich ein Angehöriger des Verfassungsschutzes im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zur Tat am Tatort aufgehalten hat? Wenn ja, was war Inhalt diesbezüglicher Gespräche?
Haben Sie Kenntnis von dem Grund, warum Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach dem Mord an Halit Yozgat jedenfalls soweit bekannt nicht mehr mit der Waffe Ceska 83 getötet haben sollen?
Die letzte Frage von mir: Haben Sie Kenntnis von weiteren Taten, insbesondere Tötungsdelikten, Sprengstoffanschlägen, Raubüberfällen und ähnlichem, die nicht in der Anklageschrift aufgeführt sind, an deren Begehung Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt beteiligt waren. Wenn ja, welche Taten waren dies, wer war daran beteiligt, was können Sie dazu im Einzelnen ausführen?
Götzl: „Das waren Ihre Fragen? Dann machen wir mal eine Pause bis 11 Uhr und setzen dann fort.“

Um 11:13 Uhr geht es weiter. Götzl: „Dann wird bekannt gegeben, dass Rechtsanwältin Catic-Redemann Fotos übergeben hat.“

Es geht dann weiter mit Fragen von RAin Lunnebach:
„Frau Zschäpe, ich stelle Fragen zu Ihrer Einlassung vom 09.12.2015.
Seite 3: Sie gaben an, dass Uwe Mundlos 1991 bei Ihnen in die Ernst-Zielinski-Straße 42 einzog. Wie lange wohnte Uwe Mundlos bei Ihnen unter dieser Adresse?
Seite 7: Sie sprechen in der Einlassung davon, einen politischen Gegenpol setzen, die Polizei und die Öffentlichkeit in Aufruhr versetzen zu wollen. Was meinen Sie inhaltlich damit?
Zu Seite 7: Ab wann begann das von Ihnen so genannte ‚Katz-und-Maus-Spiel‘ mit dem Verfassungsschutz und dem Staatsschutz? Wie regelmäßig kam es vor, dass Sie bzw. die Mitglieder der Kameradschaft Jena oder des THS durch Observationskräfte des Verfassungsschutzes oder Staatsschutzes verfolgt wurden? Gab es von Ihnen bzw. von der Kameradschaft Jena Gegenmaßnahmen und wenn ja, was waren diese? Sie sagen selbst, dass die Sache nach mehreren Hausdurchsuchungen ‚eine ernste Angelegenheit‘ wurde. Was hat sich dadurch für Sie bzw. die Kameradschaft Jena oder den THS geändert?
Zu Seite 8: Sie gaben an, dass sie die Aktion mit dem ‚Puppentorso‘ am 13. April 1996 damals als Erfolg gewertet haben. Was war aus damaliger Sicht der Erfolg des Aufhängens der Puppe mit der Bombenattrappe? Was sollte durch das Aufhängen der Puppe inhaltlich dargestellt werden?
Zu Seite 9: Sie gaben an, Sie hätten die Garage angemietet. Wie und ggf. durch wen sind Sie auf die Garage aufmerksam geworden? Wo fand die Mietvertragsunterzeichnung statt und wer war dort anwesend?
Ebenfalls zu Seite 9: Haben Sie, nachdem sich Uwe Böhnhardt von Ihnen trennte, später noch einmal eine Beziehung mit Uwe Böhnhardt oder mit Uwe Mundlos geführt? Wenn ja, von wann bis wann und mit wem?
Zu Seite 12: Gegen wie viel Uhr trafen Sie am 26. Januar 1998 in der Wohnung von Volker He. mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zusammen, um das weitere Vorgehen zu besprechen? Und wie lange blieben sie ungefähr gemeinsam in der Wohnung?
Zu Seite 13: Wo und wann haben Sie Thomas Mü., geb. Starke, kennengelernt? Hatten Sie mit ihm eine Beziehung und wenn ja, von wann bis wann? Wenn ja, wie verbreitet war die Information über Ihre Beziehung in der Szene und welche Personen haben Sie über Thomas Starke kennengelernt?
Zu Seite 13: Seit wann kannten Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt Thomas Rothe?
Zu Seite 13: Hat Uwe Mundlos später, nachdem Sie zu dritt bei Thomas Rothe ausgezogen waren, bei Thomas Rothe für mehrere Wochen alleine gewohnt? Hat Uwe Mundlos Thomas Rothe seinen alten Computer überlassen und ihm gezeigt, wie man am Computer layouten kann? Das war ein Vorhalt aus Verteidigerwissen in der Hauptverhandlung vom 07.10.2014 durch die Rechtsanwältin Sturm.
Zu Seite 16: Wie viele Telefongespräche haben Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt seit dem Untertauchen mit Tino Brandt geführt und wann waren diese Telefongespräche bzw. in welchen Zeiträumen fanden die Gespräche statt? Haben Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt Tino Brandt nach dem Untertauchen persönlich getroffen? Wenn ja, wann und wo?
Zu Seite 18: Was war der Anlass für den Umzug von Chemnitz nach Zwickau im Juli 2000, nachdem Sie bzw. Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach den Raubüberfällen nicht entdeckt worden waren?
Noch zu Seite 18: Wer wohnte in welchem Zimmer in der Wohnung in der Heisenbergstraße in Zwickau, wo war das Wohnzimmer, wenn es eines gab?
Zu Seite 21 und zu Frage/Antwort Nr. 52: Warum haben Sie, Uwe Mundlos und/oder Böhnhardt die Treffen mit den Eltern Böhnhardt nach dem letzten Treffen im Jahr 2002 abgebrochen?
Zu Seite 23, wieder die Einlassung vom 09.12.: Wie lange waren Sie im Jahr 2000 in der Regel joggen und wo haben Sie gejoggt, hatten Sie eine feste Joggingstrecke?
Selbe Seite: Über welche Zeitungen bzw. Zeitschriften haben Sie sich über den Anschlag in der Probsteigasse informiert? Was haben Sie in diesen Zeitungen/Zeitschriften gelesen? Wieso kamen Sie auf den Gedanken, dass die beiden hinter dem Anschlag stecken könnten?“

Zschäpe-Verteidiger RA Grasel beschwert sich ohne Mikrofonverstärkung: „Ich kann einiges, aber kein Steno!“ Lunnebach liest in der Folge noch etwas langsamer vor.

Lunnebach: „Was haben Sie darüber erfahren, wie Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die Bombe nach Köln verbracht haben? Haben Sie erfahren, wie die beiden nach Köln gekommen sind? Wie lange waren die beiden vor Weihnachten des Jahres 2000 abwesend?
Zu Seite 34 Ihrer Einlassung: Warum glaubten Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt, in der Frühlingsstraße 26 sicherer zu sein als in der Polenzstraße 2?
Selbe Seite: Warum wollten Uwe Böhnhardt bzw. Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos nicht, dass Rückschlüsse auf Ihre gemeinsame Lebensweise in den letzten Jahren möglich sein sollten?
Und zu Seite 51: Sie gaben an, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt seien nach den Taten nur zum Duschen nach Hause gekommen und aus Sicherheitsgründen auf Campingplätze gefahren. Auf welche Campingplätze bzw. an welche Orte fuhren Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt? Warum sind Sie nicht mit ihnen gefahren? Haben Sie sich in der Zeit zur Sicherheit an einem anderen Ort aufgehalten? Wenn nein, warum nicht?“

Dann fragt RAin Von der Behrens:
„Ich habe Fragen zu den Antworten der Angeklagten Zschäpe, die am 21.01.2016 gegeben wurden:
Zu Frage bzw. Antwort Nr. 15: Sie gaben an, es sei Anfang Dezember 1998 zwischen Ihnen, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt besprochen worden, dass Sie sich aktiv an dem Raubüberfall auf den Edeka Markt beteiligen sollten. Welche Rolle hatten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt für Sie für den Raubüberfall auf den Edeka Markt vorgesehen, was sollten Sie dort konkret machen?
Zu Frage bzw. Antwort Nr. 17: Sie gaben an, Sie hätten Dr. Eisenecker nicht in seinem Büro, sondern in einer Gaststätte getroffen, wüssten aber nicht mehr, wo genau das gewesen sei. Auch, wenn Sie es nicht mehr genau wissen: Welche Einzelheiten wissen Sie noch zu dem Ort des Treffens, z.B. die Region, und wie sind Sie dort hingekommen? War bei dem Gespräch außer Ihnen beiden noch jemand anwesend? Ist das Datum, das auf der Vollmacht für Dr. Eisenecker steht, auch das Datum, an dem Sie die Vollmacht unterschrieben haben?
Zu Frage/Antwort Nr. 20: Sie gaben an, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt seien nach Ihrer Ansicht wegen ihr fehlenden familiären und beruflichen Perspektivlosigkeit nach dem Untertauchen frustriert gewesen. Welche Zukunftspläne in Bezug auf Beruf und Familie hatten Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Sie vor dem 26. Januar 1998 gehabt? Was hatten Sie, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt vor dem Untertauchen unternommen, um diese Ziele erreichen?
Zu Frage bzw. Antwort Nr. 31: Sie gaben an, dass Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zwischen 1999 bis 2007 jährlich drei bis sechsmal für längere Zeit unterwegs gewesen waren. Wann war die letzte dieser Fahrten und wissen Sie, warum die beiden mit den Fahrten nach dem Jahr 2007 aufgehört haben?
Zu Frage bzw. Antwort Nr. 42: Haben Sie André Eminger am Tag des Wasserschadens in der Polenzstraße 2, also am 07. Januar 2007, getroffen? Und wenn ja, von wann bis wann? Haben Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt an dem Tag mit André Eminger oder seiner Frau telefoniert?
Zu Frage bzw. Antwort Nr. 42: Haben Sie André Eminger, als er Ihnen am 04. November 2011 saubere Wäsche von seiner Frau gab, Geld oder andere Gegenstände übergeben? Wenn ja, was und wofür?
Zu Frage/Antwort ebenfalls Nr. 42: Sie gaben an, dass Volker He. Ihnen bzw. Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt am 26. Januar 1998 seinen Ausweis gab. Musste sich Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt einmal mit dem Ausweis ausweisen, wenn ja, bei welcher Gelegenheit? Was ist mit diesem Ausweis nach seinem Gebrauch geschehen? Hat auch Ralf Wohlleben seinen Personalausweis zur Verfügung gestellt und wenn ja, wer hat ihn für welchen Zeitraum benutzt und was ist anschließend mit diesem geschehen?
Weiter zu Frage bzw. Antwort Nr. 42: Sie haben auf Nachfrage durch das Gericht einige Unterstützer namentlich aufgezählt. Ist diese Liste der Unterstützer vollzählig? Wenn nein, von welchen weiteren Personen aus Thüringen, Sachsen und anderen Bundesländern wurden Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt nach dem Untertauchen unterstützt?
Zu Frage bzw. Antwort Nr. 45: Sie sagten, dass eine weitere Pistole über Jan Werner geliefert worden sei. Sind Ihnen Tatsachen bekannt, die erklären, warum Jan Werner, durch das Magazin Der Spiegel mit Ihrer Aussage konfrontiert, sagte, Ihre Angaben seien ‚vollkommen verrückt‘, er habe nie eine Waffe besessen geschweige denn eine an Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt weitergegeben? Der entsprechende Vorhalt ist bereits ausgeteilt worden.
Zu Frage bzw. Antwort Nr. 45: Sie gaben an, dass Mundlos bei dem Hermann aus dem Spieleladen – also dem Laden PowerGames – eine Pumpgun gekauft hat. Haben Sie für den Laden PowerGames in Zwickau eine Kundenkarte auf den Namen Lisa Mohl besessen? Wenn ja, zu welchem Zweck haben Sie den Laden aufgesucht und wie häufig haben Sie das getan? Wenn ja, waren Sie mit Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt zusammen in dem Laden?
Zu Frage bzw. Antwort Nr. 46: Sie gaben an, Sie seien vom 04. bis zum 08. November 2011 ‚kopflos‘ von Bahnhof zu Bahnhof gefahren. Warum sind Sie durch die Gegend gefahren? Wollten Sie in den Orten, zu denen Sie zwischen dem 04. und 08. November 2011 gefahren sind, Personen treffen oder haben Sie Personen getroffen? Wenn ja, wen und mit welchem Zweck? Haben Sie an diesen Orten Geld oder andere Gegenstände hinterlegt oder versteckt?
Jetzt komme ich zu Ihren Antworten auf die Fragen des Vorsitzenden, die am 16. März 2016 gegeben wurden:
Zu Frage bzw. Antwort Nr. 2: Sie gaben an, dass Sie Internetcafés aufgesucht hätten, bis Sie selbst einen Internetanschluss gehabt hätten. Welche Internetcafés haben Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in Chemnitz und Zwickau und/oder an anderen Orten zum Surfen im Internet aufgesucht?
Zu Frage bzw. Antwort Nr. 2: Sie sagten, Sie seien dagegen gewesen, dass Holger Gerlach 10.000 DM zur Aufbewahrung erhielt, da er spielsüchtig gewesen sei. Aus welchem Grund wollte Uwe Böhnhardt ihm trotz dieses Umstandes das Geld geben?
Zu Frage bzw. Antwort Nr. 8: Sie gaben an Sie, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hätten zusammen im Jahr 2007 André Eminger von den zurückliegenden Raubüberfällen erzählt und Sie hätten ihm am 04. November 2011 von dem Selbstmord der beiden berichtet.
Wie war die Reaktion von André Eminger, als Sie ihm von den Raubstraftaten berichtet haben?
Wie war die Reaktion von André Eminger, als Sie ihm von dem Selbstmord von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt berichtet haben?
Wie häufig und wann haben Sie am 04. November 2011 mit André Eminger telefoniert und was haben Sie jeweils besprochen?
Waren Sie nach 15 Uhr am 04. November 2011 am oder um den Platz der Völkerfreundschaft in Zwickau? Wenn ja, waren Sie zusammen mit André Eminger dort?
Sie gaben in Ihrer Antwort auf Frage 8 an, jetzt kommt ein wörtliches Zitat von Ihnen: ‚Wir fuhren dann gemeinsam in seine Wohnung, wo er‘ – also André Eminger – ‚mir frische Kleidung seiner Frau gab. Susann war zu diesem Zeitpunkt nicht zuhause. Anschließend brachte mich Andre Eminger zum Bahnhof nach Chemnitz, nachdem in Glauchau kein Zug fuhr.‘ Um wie viel Uhr waren Sie ungefähr in der Wohnung von André Eminger? Warum wurden Sie zum Bahnhof nach Chemnitz gebracht, d.h. was hatte das mit dem Umstand zu tun, dass in Glauchau kein Zug fuhr? Wann und wie sind Sie von Chemnitz nach Glauchau gefahren? Wann und warum haben Sie aus Glauchau heraus mit André oder Susann Eminger am 04. bzw. 05. November 2011 telefonisch kommuniziert? Hatten Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt in Glauchau eine weitere Wohnung oder weitere Kontaktpersonen?

Haben Sie sich am 04. November 2011 gegen 18 Uhr in einem Radius von 500 Meter um die Trillerstraße 10 in Zwickau aufgehalten? Wenn ja, was wollten Sie dort, wollten Sie insbesondere jemanden dort treffen und wenn ja wen? Waren sie dort alleine oder mit jemandem zusammen? Wenn ja, wo sind Sie anschließend hingegangen und was haben Sie mit Ihrem Mobiltelefon gemacht?
Zu Frage/Antwort Nr. 18: Welche Spenden oder Verkaufserlöse aus dem sogenannten ‚Pogromly‘-Spiel, außer den von André Kapke überbrachten 500 DM, erreichten Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt aus der Szene und auf welchem Wege erhielten Sie das Geld?“

Dann fragt RAin Başay:
„Meine Fragen beziehen sich auf die Antworten auf die Fragen des Vorsitzenden vom 05. April 2016 am 12. Mai 2016.
Und zwar ist es da auf Seite 4: Sie gaben an, Sie seien ein paar Wochen nach dem Untertauchen zu Holger Gerlach nach Hannover gefahren. Mit welchem Auto – Typ, Fahrzeughalter – sind Sie, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach Hannover gefahren? Was haben Sie mit dem Auto nach der Rückkehr aus Hannover gemacht? Woher hatten Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt die falschen Kennzeichen für das Auto?
Zu Frage/Antwort auf Seite 6: Sie gaben an, dass es in der Frühlingsstraße 26 eine Geldkassette, die stets mit mehreren 1000 Euro gefüllt gewesen sei, gegeben hätte. Frage: Haben Sie Geld aus der Geldkassette genommen, als sie am 04. November 2011 das Haus verließen und wenn nein, warum nicht?
Und auf Seite 7 gaben Sie an, Uwe Mundlos hätte Geld hinter seinem Schrank verwahrt. Haben Sie von diesem Geld am 04. November 2011 genommen, als sie das Haus verließen und wenn nein, warum nicht?
Haben Sie von einem anderen Ort in der Wohnung Geld mitgenommen, als Sie die Wohnung am 04. November 2011 verließen?
Wenn Sie Geld mit aus dem Haus genommen haben, welche Summe war dies und welche Stückelung hatte das Geld?
Zu Antwort auf Seite 7 und 8: Sie sagen, dass Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt immer Geld bei sich hatten, wenn sie das Haus verließen. Wie groß war die Summe, die die beiden im Schnitt bei sich hatten und was war der Grund, dass sie solch eine Summe stets mit sich herumtrugen?
Zur Antwort auf Seite 9 zur Krankenkassenkarte, die Sie von Holger Gerlach erhalten haben, die von Silvia Ro. stammt: Haben Sie auch von Susann Eminger eine Krankenkassenkarte erhalten und mit dieser Ärzte aufgesucht und sich behandeln lassen? Wenn ja, wann und bei welchen Ärzten war das?

Zu der Einlassung des Angeklagten Wohlleben:
Herr Wohlleben hat in seiner Einlassung angegeben, dass er sich im Jahr 1998 mit Ihnen und Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt treffen wollte. In der Nähe einer Tankstelle sollte er auf eine Person warten. Das sei ein Glatzkopf gewesen. Frage: Wer war der ‚Glatzkopf‘, der nach der Einlassung des Angeklagten Wohlleben diesen im Jahr 1998 zu dem ersten Treffen mit Ihnen in Chemnitz gebracht hat? Und in welcher Wohnung in Chemnitz haben Sie gewohnt, als Ralf Wohlleben Sie das erste Mal besucht hat?
Weitere Frage zur Einlassung von Herrn Wohlleben:
Wohlleben hat angegeben, dass Spendengelder immer sofort weiter gegeben wurden, z. B. durch Überweisungen von Carsten Schultze. Hat der Angeklagte Schultze Ihnen Spendengelder auf ein Konto überwiesen und wenn ja, auf welches Konto? Wurde z.B. ein Konto auf den Namen von Carsten Ri. für Überweisungen von Spendengeldern genutzt?
Zu der Zeit vor dem Untertauchen:
Gehörte zu den politischen Aktivitäten, die Sie entfalteten – wie Sie erwähnt haben in Ihrer Einlassung vom 09. Dezember 2015, dort auf Seite 5 -, auch einmal ein Besuch auf der auf dem Gut von Jürgen Rieger in Hetendorf veranstalteten Schulung ‚Hetendorfer Tagungswoche‘? Wenn ja, wann und mit wem waren Sie dort? Haben Sie dort Personen kennengelernt, mit denen Sie noch nach dem Untertauchen Kontakt hatten? Wenn ja, welche?
Gehörte zu den Konzerten, die Sie besuchten (vgl. Einlassung vom 9. Dezember 2015, Seite 5), auch das Konzert am 8. November 1997 in Heilsberg, bei dem u.a. die Gruppen ‚Kampfzone‘ aus Coburg und die ‚Rabauken‘ aus Dortmund spielten? Oder das Konzert am 27. Dezember 1997 in Heilsberg auf dem ‚Oidoxie‘ und ‚Zensur‘ gespielt haben? Wenn ja, haben Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt dort Personen aus Dortmund oder dem sonstigen NRW kennengelernt, wenn ja welche?

Hat es weitere Bomben bzw. Bombenattrappen gegeben, an deren Herstellung und/oder deren Ablegen Sie, Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und/oder eine andere Person, die Sie kannten, beteiligt waren? Waren z.B. Sie oder eine Person, die Sie kannten, an dem Aufhängen bzw. Anzünden einer Puppe in Jena am 15. November 1995 beteiligt? Waren z.B. Sie oder eine Person, die Sie kannten, an dem Ablegen einer Bombenattrappe im Jahr ’94 in einem Hochhaus in Jena–Lobeda, in das Flüchtlinge einziehen sollten, beteiligt? Wenn ja, schildern Sie Einzelheiten.
Welche Personen aus der rechten Szene in Thüringen und Sachsen wussten, wer für die Bombenattrappen, auf die Sie in Ihrer Einlassung Bezug nehmen, verantwortlich gewesen ist?
Waren Sie, Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und/oder andere Angehörige der Kameradschaft Jena oder des Thüringer Heimatschutzes bei einem Vortrag von Ignatz Bubis in Jena?“

RAin Başay bittet darum, dass drei Fotos aus den Akten vorgehalten werden. An die Leinwände werden Bilder einer Saalveranstaltung mit Ignatz Bubis projiziert.
Başay: „Wer hat die Fotos von der Veranstaltung gemacht und für welchen Zweck wurden diese gemacht? Wenn ja, haben Sie oder andere der aufgezählten Personen Ignatz Bubis anschließend zu einer Diskussionsveranstaltung mit rechten Jugendlichen nach Jena eingeladen? Wenn ja, was war der Zweck der Einladung?“ Nachdem der Vorhalt beendet ist, fragt Başay weiter:
„Welche Kontakte hatten Sie, Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt oder andere Mitglieder der KSJ zu Angehörigen der rechten Szene aus den westlichen Bundesländern?
Haben Sie Erkenntnisse darüber, dass ‚Altnazis‘ aus dem Westen Ihnen bekannte Angehörige der rechten Szene aus Thüringen, insbesondere dem Umfeld des Thüringer Heimatschutzes, auch finanziell unterstützten? Gehörte die KS Jena bzw. deren Mitglieder auch zu denen, die unterstützt wurden?
Hatten Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt persönlichen Kontakt zu Personen aus der rechten Szene in Zwickau?
Ein letzter Vorhalt von mir, was wir reingegeben haben, noch ein Bild, Anlage 3.“

Es wird ein Bild von „nsu-watch.info“ an die Leinwände projiziert, auf dem Personen zu sehen sind, die eine Fahne tragen. Zu sehen sind (abgeschnitten) Beate Zschäpe und hinten Uwe Mundlos. Im Vordergrund des Bildes trägt eine Frau die Fahne. Die Aufnahme stammt vom Naziaufmarsch gegen die Wehrmachtsausstellung in Dresden am 24. Januar 1998.

Başay: „Meine Frage dazu: Wer ist die Frau, die – wohl – mit Ihnen zusammen die Fahne auf einer Demonstration am 24. Januar 1998 in Dresden hält?“

Dann fragt RA Stolle:
„Frau Zschäpe, seit wann wusste Uwe Böhnhardt, dass die gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten rechtskräftig war und vollstreckt werden würde? Was hatte Uwe Böhnhardt Ihres Wissens nach für den Fall seiner Ladung zum Strafantritt geplant?
Wer hat Uwe Mundlos von der Durchsuchung am 26. Januar 1998 verständigt? Wo war Uwe Mundlos zu dem Zeitpunkt der Durchsuchung und wie kam er nach Jena bzw. in die Wohnung von Volker He.?
Hat Uwe Böhnhardt sein Handy nach dem Untertauchen weiter benutzt? Wenn nein, was ist mit dem Handy geschehen?
Wissen Sie, was am 5. Februar 1998 geschehen sein soll, dem Tag, auf den sich das Lied von Christian Kapkes Band ‚Eichenlaub‘ mit dem Titel ‚5. Februar‘ bezieht?
Sind Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt zwischen dem 26. Januar 1998 und dem 4. November 2011 noch einmal nach Jena zurückgekehrt? Wenn ja, wann war dies und wer wurde dort besucht?
Was war der Zweck des Einbruchs in Ihre alte Wohnung in Jena, mit dem die Angeklagten Wohlleben und Schultze durch Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt beauftragt worden sein sollen? Was sollte mitgenommen werden und was sollte mit den mitgenommenen Sachen gemacht werden?
Haben Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt nach dem Untertauchen Rechtsanwalt Jauch getroffen und/oder eine Vollmacht für ihn unterschrieben? Wenn nein, haben Sie nach dem Untertauchen für einen anderen Rechtsanwalt, außer Dr. Eisenecker, oder für eine Rechtsanwältin eine Vollmacht unterschrieben? Wenn ja, für welchen bzw. welche?
Haben Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt gewusst, wann hinsichtlich der Straftaten, die sich aus dem in der Garage gefundenen Sprengstoff und den Rohrbomben ergeben haben, Verjährung eintritt? Haben Sie gewusst, wann Vollstreckungsverjährung hinsichtlich der gegen Uwe Böhnhardt verhängten Freiheitsstrafe eintritt? Wenn ja, wie haben Sie dies erfahren?

Wie viele Telefonzellen wurden von Ihnen, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt in Chemnitz für die Kommunikation mit Unterstützern benutzt und wo befanden sich diese Zellen?
Wie viele Treffpunkte gab es für Treffen mit Unterstützern während Ihrer Zeit nach dem Abtauchen, wo waren diese Treffpunkte, waren diese Treffpunkte kodiert und wenn ja wie?
Wurde Jürgen Helbig außer von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach ihrem Untertauchen wegen Erbringung von Unterstützungshandlungen kontaktiert und wenn ja von wem?
Die nächste Frage bezieht sich auf einen Vermerk des thüringischen LKA:
Waren Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt am 11. April 1998 in der Schweiz? Wenn ja, hat einer von Ihnen an dem Tag Jürgen Helbig angerufen und eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter für ‚Ralf‘ bzgl. eines Treffens hinterlassen? Wenn nein, wissen Sie, wer derjenige ist, der aus der Schweiz an dem Tag bei Jürgen Helbig angerufen hat?

Nächste Frage bezieht sich ebenfalls auf einen Vermerk des TLKA:
Wissen Sie, welche Person Jürgen Helbig in Zwickau getroffen hat und dort für Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt Gegenstände von Jürgen Helbig übernommen hat?
Haben Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt zu irgendeiner Zeit in der Cranachstraße 8 in Chemnitz gewohnt? Wenn nein, haben Sie Kenntnis über den Zweck dieser Wohnung?
Haben Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt Jan Werner Geld aus dem Überfall auf den Edeka Markt 1998 in Chemnitz gegeben und wenn ja wie viel und zu welchem Zweck?
Hatten Sie damals, also in der Zeit 2000/2001, Kenntnis davon, dass Jan Werner und Thomas Starke in dem Landser-Verfahren ausgesagt haben? Wenn ja, gab es darüber Gespräche zwischen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Ihnen und wenn ja, mit welchem Inhalt?
Die nächste Frage bezieht sich auf zwei Asservate, 2.12.350 und 2.12.349.“

Es werden Fotos zweier Zettel an die Leinwände projiziert. Zu lesen ist u.a. „Mandy aktuell“ und eine Telefonnummer und auf dem zweiten Zettel eine Adresse in Chemnitz.

Stolle: „Wie und von wem haben Sie die jeweils aktuellen Informationen zu Mandy Struck, wie Telefonnummer und Adresse, wie sie auf den zwei Notizzetteln notiert sind, erhalten?
Dazu keine weiteren Fragen. Dann hätte ich gerne noch das Bild aus N 26, Bl. 309 vorgehalten.“

Es wird ein Foto an die Leinwände projiziert, auf dem eine Person vor der Tür eines Wohnhauses zu sehen ist, es handelt sich vermutlich um Böhnhardt.

Stolle: „Erkennen Sie die Person auf dem Foto, das bei einer Observation des sächsischen LfV am 06.05.2000 in Chemnitz gemacht worden ist? Das war die einzige Frage zu diesem Bild.
Welche Namen benutzten Sie, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in Ihrer Zeit in Chemnitz nach außen hin? Seit wann benutzen Sie den Namen ‚Liese‘? Haben Sie weitere Aliaspersonalien genutzt als die, die in dem Vermerk vom 31.07.2012 (der befindet sich im SAO 87 auf Bl. 2) aufgeführt sind?“

Dann legt Götzl die Mittagspause ein. Um 13:08 Uhr geht es weiter.

Es folgen dann die Fragen von RA Hoffmann:
„Frau Zschäpe, ein paar Fragen zum Untertauchen in Zwickau:
Mit welchen Personen aus der rechten Szene hatten Sie nach Ihrem Umzug nach Zwickau Kontakt und wer hat Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt, außer André und Susann Eminger, in Ihren dortigen Wohnungen besucht?
Auf welche Art und Weise und ggf. mit wessen Hilfe haben Sie die Wohnungen in der Heisenbergstraße, in der Polenzstraße und in der Frühlingsstraße in Zwickau gefunden?
Hatte Matthias Dienelt eine Telefonnummer, unter der er Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt erreichen konnte und wenn ja welche?
Wie häufig, wann, wie und wo hatten Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt Kontakt mit Maik Eminger? Hat Maik Eminger Sie in der Wohnung in der Frühlingsstraße besucht und wenn ja zu welchem Zweck?
Hat Maik Eminger in der Wohnung in der Frühlingsstraße Matthias Dienelt oder andere Personen tätowiert? Dies bezieht sich auf eine Zeugenvernehmung Se., SAO 207, Bl. 146, hier Bl. 162.
In der Frühlingsstraße 26 wurde im Brandschutt ein Fahrplan der Deutschen Bahn für die Strecke Zwickau – Dresden, Asservat Nr. 2.2.66, gefunden. Sind Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt diese Strecke häufiger gefahren? Wenn ja wohin und zu wem sind Sie gefahren?
Kennen Sie bzw. kannten Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt den Marcel Ch. aus Zwickau und wenn ja woher? Können Sie sagen, wie gut Sie ihn ggf. kannten und wie häufig Sie sich getroffen haben? Das bezieht sich auf eine Zeugenvernehmung Jürgen Do., SAO 178, Bl. 58 und 59.
Hatten Nachbarn oder Personen aus der Nachbarschaft der Frühlingsstraße 26 Ihre Telefonnummer? Wenn ja, wer?

Gab es eine zweite oder dritte Wohnung, die Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt neben der Wohnung in der Frühlingsstraße 26 genutzt haben? Wenn ja, wo war die Wohnung; wo waren die Wohnungen?
Woher stammten bzw. von wem hatten Sie die in der Frühlingsstraße 26 gefundenen Bundespersonalausweise von Bärbel Bu., Michael Fr., Sascha Gr. und Ralph Ho.? Haben Sie, Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt diese genutzt? Wenn nein, wofür waren diese bestimmt? Die Bezugnahme hier ist ein Vermerk in SAO 87, Bl. 4, 41 und 43.
Mit Bezug Vermerk SAO 87, Bl. 60: Woher bzw. von wem stammte die in der Frühlingsstraße 26 gefundene Krankenkassenkarte von Maik Se.? Haben Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt diese genutzt?
Dann mit der Bezugnahme auf einen Vermerk SAO 98, Bl. 311 ff.: In der Frühlingsstraße 26 wurde ein Handy gefunden mit der SIM-Karte mit der Telefonnummer ‚01627000587‘. Dort konnten Verbindungen zu folgenden Nummern festgestellt werden, deren Inhaber nicht identifiziert worden sind.“ Hoffmann verliest die Nummern: „Können Sie sagen, welche Personen diese Telefonnummern benutzt haben?
Haben Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt mit Unterstützern außer über Telefone und das Telefonzellensystem über andere elektronische Kommunikationswege kommuniziert, wie z.B. über Skype, Instant Messenger oder TeamSpeak?
Wann und wie haben Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt nach der Währungsumstellung das erste Mal Euroscheine erhalten? Haben Sie Geld umgetauscht, wenn ja, wann, wo und welche Summen?

Dann fragt RAin Singer:
„Frau Zschäpe, ich habe auch noch einige wenige Fragen. Ich beziehe mich auf Ihre Stellungnahme vom 09.12., auf Bl. 29, es geht um den Bombenanschlag in der Keupstraße in Köln:
Wussten Sie, warum die Keupstraße ausgewählt wurde?
Wissen Sie, wer die Bombe gelegt und gezündet hat und ob es vor Ort Helfer gab, außer den beiden Uwes?
Haben Sie eine Erklärung dafür, warum zweimal in Köln Anschläge verübt wurden?
Wissen Sie, wann und wo der Fahrradkoffer gekauft wurde, in dem sich die Bombe befand?
Wissen Sie, wo die Bombe gebaut wurde, in der Wohnung, in der Nähe der Wohnung oder mglw. in Köln?
Wissen Sie, wann und wo durch die Uwes das dafür nötige Material gekauft wurde?
Sie hatten in Ihrer Stellungnahme mitgeteilt, dass die Uwes nach Köln fahren wollten. Haben Sie da mal nachgefragt oder beobachtet, mit welchem Fahrzeug sie gefahren sind? Und wann war das, unmittelbar vor dem 09. Juni oder in einem Zeitraum davor, welchen Kenntnisstand haben Sie darüber?

Weiter interessiert mich: Wann sind die Uwes zurückgekommen und mit welchem Fahrzeug – unmittelbar nach dem Anschlag oder später? Haben sie Ihnen mitgeteilt, wo sie, wenn sie später gekommen sind, evtl. übernachtet haben, ob sie bei Freunden übernachtet haben, Umwege gefahren sind oder unmittelbar zu Ihnen nach Hause in die Wohnung gefahren sind?
Abschließend möchte ich wissen, ob Sie alleine oder gemeinsam mit den Uwes oder die Uwes alleine vorher jemals in Köln waren oder in der Nähe, bspw. in Bonn oder bspw. in Bonn-Niederkassel-Ranzel [phon.] in einem Fahrradladen? Oder ob Ihnen die beiden Uwes berichtet haben, dass sie dort einmal waren, sich umgeschaut haben und mglw. etwas gekauft haben? [phon.]
Sie sagten, nach dem Anschlag hätten Sie sich in einer Zeitung informiert. In welcher?“

Dann fragt RA Behnke:
„Guten Tag, Frau Zschäpe! Waren Sie mal Mitglied in einer Jugendorganisation der DDR, der Jungen Pioniere, der FDJ oder der Gesellschaft für Sport und Technik? Zweite Frage: Wenn ja, ob Sie in der Zeit wo Sie in der GST waren, mit Waffen in Kontakt waren oder ob Sie an Waffen ausgebildet wurden? Danke schön.“

Es geht weiter mit Fragen von RAin Luczak:
„Waren Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt außer in Chemnitz und in Zwickau zeitweise auch in einer weiteren Stadt untergekommen? Hielten Sie sich insbesondere längere Zeit in Rostock oder in einer anderen Stadt in Norddeutschland auf? Falls nein, war ein Aufenthalt im Norden Deutschlands zu irgendeiner Zeit nach dem Untertauchen geplant gewesen und falls ja, welche Personen wussten davon?
Waren Sie im Sommer 1998 in Ungarn? Wenn ja, welche Ausweise bzw. Pässe haben Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt für die Reise benutzt? Haben Sie aus Ungarn Torsten Schau eine Postkarte geschrieben, in der es sinngemäß hieß: ‚Du wirst ja erfahren haben was mit uns derzeit los ist. Wir werden uns jetzt längere Zeit nicht mehr sehen. Grüße von Beate und den beiden Uwes‘? Die Fundstelle zur entsprechenden Vernehmung von Schau ist 220.2, 267, N5, Bl. 44.
Waren Sie Silvester 1998/1999 oder Anfang 1999 bei einem Kameradschaftstreffen auf einem Campingplatz in der Nähe von Görlitz? Haben Sie dort oder an einem anderen Ort in dieser Zeit u.a. Jürgen Kr., Michael He., Ronny Bö. und Anne Re. getroffen? Hier ist wiederum die Fundstelle eine Vernehmung, eines anonymen Zeugen: SAO 220.2, Bl. 324.

Waren Sie am 07. Mai 2000 in Berlin? Wenn ja, mit wem waren Sie zusammen dort und was war der Zweck des Besuches? Das findet sich in einem Observationsbericht, N 26, Bl. 313 f.
Wann waren Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt das letzte Mal zu Besuch in Ludwigsburg? War das der Besuch bei Michael Ellinger Ende 2000 oder Anfang 2001, bei dem auch Barbara Ei., genannt Uschi, anwesend war? Haben Sie bei dem Besuch Ende 2000 oder Anfang 2001 weitere Personen getroffen? Wenn ja, welche? Dazu hat Frau Ei. eine Aussage gemacht: SAO 178, Bl. 252.8.
Haben Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt die auf dem Asservat ‚USB HDD Seagate 320 GB‘, Asservat EDV 11, in dem Unterordner ‚Schweden‘ gespeicherten Videos des Gedenkmarschs für Rudolf Heß in Kolding/Dänemark mit dem Zeitstempel 20. August 2005, aufgenommen? Wenn nein, wissen Sie, von wem die Aufnahmen stammen? Und wissen Sie, wer die in demselben Ordner als ’salem2005.wmv‘ gespeicherten Videoaufnahmen des Gedenkmarschs in Salem/Schweden für Daniel Wretström gefertigt hat?

Wer ist der Besuch aus Dänemark oder Schweden, den Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt anlässlich eines Fehmarn-Urlaubs im Jahr 2009 der 2010 treffen wollten? Diesen Besuch wollten Sie zunächst aus Puttgarden abholen und haben ihn dann in Kiel getroffen. Nach der Aussage des Zeugen Sch., SAO 204, Bl. 62.
Welche Frau war in der Zeit zwischen 2009 und 2011 mit einem ca. 12 Jahre alten Jungen und einem ca. 7 Jahre alten Mädchen mit längeren/schulterlangen, dunkelblonden bis hellbraunen Haaren mit Ihnen in der ‚Taverne‘ in der Frühlingsstraße 26? Wer waren die Kinder? Das ist die Aussage der Zeugin Li., SAO 193, es finden sich Angaben dazu 174, 179, und Fotovorlagen 185.
Welches 6 bis 8 Jahre alte Kind hat Sie Anfang 2011 zur Tierarztpraxis begleitet?
Auch hier eine Fundstelle: SAO 17, Bl. 206.
Welches Mädchen oder welcher Junge war bei der Anmietung des Wohnmobils am 25. Oktober 2011 dabei?
Welchem Kind gehörten die rosa Kindersandalen Größe 33, die in dem Wohnmobil gefunden worden sind?
Waren Sie am 02. Mai 2006 in der Zahnarztpraxis Dr. D. Pa., Halle und am 8. Mai 2006 bei der Zahnärztin Erica Sch., Halle (Saale) in Behandlung? Wenn ja, haben Sie dafür die Krankenkassenkarte auf den Namen Silvia Ro. benutzt? Warum sind Sie zur zahnärztlichen Behandlung nach Halle gegangen? Hatten Sie Bekannte in Halle, die Ihnen die Ärzte empfohlen haben? Wenn ja, wer sind diese Bekannten? Hier gibt es eine Fundstelle, einen Vermerk SAO 43.19, Bl. 37 f.
Gab es Überlegungen zwischen Ihnen, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt sowie Ralf Wohlleben, im Juli 2011 zeitgleich Urlaub auf Fehmarn zu machen? Hierzu ein Vermerk SAO 533, Bl. 104.“

Luczak bittet den dafür zuständigen Justizangestellten, das Asservat 2.4.19 zu zeigen. Es werden zwei Seiten eines Kalenders an die Leinwände projiziert.

Luczak fragt: „Was bedeuten die folgenden handschriftlichen Eintragungen in dem in der Frühlingsstraße 26 gefundenen Kalender für das Jahr 2011:
– ’11 Uhr‘ in der Spalte für den 06. April 2011,
– ‚Anruf am Mo 14:00-15:00 Uhr‘ in der Spalte für die Tage 17. und 18.05.2011,
– drei Kreuze in der Spalte für den 19. Mai 2011,
– hier ein Scherensymbol versehen mit dem Zusatz ‚möglich‘ in der Spalte für den 19. Oktober 2011
– ‚bis min‘ in der Spalte für den 01. November 2011 und ‚bis max‘ in der Spalte am 4. November 2011?“

Dann fragt RA Narin:
„Zuerst ein paar allgemeine Fragen:
Haben Sie nach Ihrer Festnahme wörtlich oder sinngemäß angegeben, Sie hätten sich nicht gestellt, um nicht auszusagen?
Haben daraufhin unmittelbar durch Sie oder durch Ihre Anwälte Gespräche über eine mögliche Aussage stattgefunden?
Wurde hierbei auch die Frage einer Kronzeugenregelung besprochen?
Wie sind die Gespräche ggf. verlaufen? Hatten Sie damals konkrete Vorstellungen zu den Voraussetzungen, unter denen Sie umfassend aussagen würden? Haben Sie ggf. konkrete Forderungen gestellt?
Wären Sie bereit, ggf. auch erst nach Rechtskraft eines hier zu erwartenden Urteils, vor dem Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags auszusagen?“
Götzl beanstandet die Frage.

Narin fragt weiter:
„Mit welchen weiteren Personen haben Sie Beziehungen geführt, außer den hier bekannt gewordenen?
Haben Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt in der Zeit nach dem Untertauchen Beziehungen zu Frauen oder Männern geführt? Ggf. zu wem? Sind aus evtl. Beziehungen zu Frauen Kinder hervorgegangen?
Zu Ihrer Einlassung vom 09.12.2015, Seite 32, da heißt es, nachdem Sie von der Ermordung von Frau Kiesewetter erfahren hätten: ‚Ich war regelrecht ausgeflippt, hysterisch und ihnen gegenüber sogar handgreiflich geworden, wobei ich versucht hatte sie zu schlagen. Nachdem ich wieder einen vernünftigen Gedanken fassen konnte fragte ich nach dem Warum.‘
Haben Sie auch auf die Morde an Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil
Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat derart heftig reagiert? Falls nein, warum nicht? Haben Sie die Morde an den genannten Personen anders bewertet? Wenn ja, inwiefern?

Auf Seite 4 Ihrer Einlassung vom 09.12.2015 heißt es: ‚Wir hörten gemeinsam Lieder mit nationalistischem Inhalt und sangen – manchmal könnte es auch als grölen bezeichnet werden – diese Lieder auch nach.‘ Auf Seite 25 heißt es dann: ‚Damals hatte ich nicht für möglich gehalten, dass die beiden die Hetzlieder, wie sie einst an der ‚Schnecke‘ gegrölt wurden, in die Tat umsetzen würden.‘ Welche Lieder, Bands oder Liedtexte meinten Sie damit? [phon.]
Schildern Sie bitte Ihre, Uwe Mundlos‘ und Uwe Böhnhardts Einstellung zu Türken, und ob bzw. inwiefern sich diese seit den 1990er Jahren geändert hat.
Schildern Sie bitte Entsprechendes auch zu Griechen und zu Juden.

Frau Zschäpe, hatten Sie, Mundlos und Böhnhardt nach dem Untertauchen weitere Einnahmequellen als die bekannten Überfälle?
Sind Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt nach dem Untertauchen einer Beschäftigung nachgegangen? Wenn ja, um welche Tätigkeit handelte es sich und ggf. wann, wo, bei wem oder mit wem? Waren Sie, Mundlos und/oder Böhnhardt insbesondere auch für so genannte Security-Firmen tätig? Wenn ja, für welche?
Hatten Sie, Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt nach dem Untertauchen Kontakt zu so genannten Rockern oder anderen kriminellen Gruppierungen?
Waren Sie 2010 bei einem Strafprozess am Landgericht Erfurt gegen Mitglieder des ehemaligen Bandidos MC Jena als Zuschauerin anwesend? Wenn ja, warum? Wurden Sie dort von weiteren Personen begleitet? Wenn ja, wer waren die Personen? Haben Sie am Rande des Verfahrens Herrn Rechtsanwalt Zahner um dessen Visitenkarte gebeten?
Hatten Sie, Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt nach dem Untertauchen Kontakt zu Antje Probst, Michael Probst, Ronny We., Stefan Apel, Jana We, geb. Jana Kö., Rene W., Mirko Sz., genannt ‚Barny‘, Michael Lo., genannt ‚Wüste‘, Ralf Marschner, Thomas Gerlach, Achim Schmid, Kai Se., Thomas Richter oder A. Böhnhardt? Haben die genannten Personen Sie bzw. Mundlos oder Böhnhardt unterstützt und ggf. wann und in welcher Weise?
Hatten Sie nach dem Untertauchen Kontakt zu Polizeibeamten oder Mitarbeitern von Nachrichtendiensten?

Haben Sie sich nach dem Untertauchen Personen gegenüber auch mit dem Namen ‚Karin‘ vorgestellt? Wenn ja, wem gegenüber?
Haben Sie sich nach dem Untertauchen in Ungarn aufgehalten? Wenn ja, schildern Sie bitte Näheres. Haben Sie, Mundlos und/oder Böhnhardt sich nach dem Untertauchen sonst im Ausland aufgehalten? Wenn ja, wo? Zu wem hatten Sie dort Kontakt?
Kannten Sie, Mundlos oder Böhnhardt den Andreas Temme?
Wir haben hier im Verfahren u.a. Kartenmaterial gesichtet mit unterschiedlichen Markierungen:
Würden Sie uns erläutern, wofür diese Markierungen standen?
Haben Mundlos oder Böhnhardt Ihnen davon berichtet, dass sie aktiv politische, kirchliche, türkische, jüdische oder sonstige Einrichtungen bzw. Personen auskundschafteten?
Waren auf den sichergestellten Karten auch Objekte markiert, die Ihnen, Mundlos oder Böhnhardt als Anlaufpunkte, Wohnungen, Depots für Waffen oder Sprengstoff dienten?

Warum haben Sie im Jahr 2011 die Vorsichtsmaßnahmen an der Wohnung in der Frühlingsstraße etwa durch das Einrichten von Überwachungskameras erhöht? Hatten Sie, Mundlos oder Böhnhardt hier bestimmte Sorgen?
Am Ende des so genannten Paulchen-Panther-Videos heißt es auf dem letzten Bild: ‚Neu: DVD 2, Paulchens neue Streiche‘. Gibt es eine weitere DVD? Wenn ja, was beinhaltet diese? Ist diese noch irgendwo verwahrt, wenn ja wo?
Haben Sie, Mundlos und/oder Böhnhardt außer dem ‚Weissen Wolf‘ auch anderen rechten Personen oder Gruppierungen Geldmittel zukommen lassen? Wenn ja, wem, wann, welche Beträge und warum?
Hat sich Uwe Böhnhardt nach dem Untertauchen tätowieren lassen? Wenn ja, hat die Tätowierungen Maik Eminger vorgenommen?
Frau Zschäpe, wie war Ihr Verhältnis zu Thorsten Po.? Was wusste er über Sie, Böhnhardt und Mundlos, Ihre Lebensumstände [phon.]? Hat Herr Po. Post, Briefe oder Pakete, für Sie in Empfang genommen? Hat Herr Po. Ihnen erlaubt, seinen Namen zu verwenden oder haben Sie, Mundlos oder Böhnhardt seine Identität verwendet? Hatten Sie, Mundlos oder Böhnhardt Kontakt zu Jens Gü. aus der Polenzstraße? Wusste dieser, dass Sie konspirativ im so genannten ‚Untergrund‘ leben? Haben Sie, Mundlos oder Böhnhardt die Identität des Herrn Gü. verwendet?

Dann hätte ich einige Fragen zum 04. November 2011 und zur Zeit danach:
Haben Sie am 04. November 2011 um ca. 12:11 Uhr die Mailbox Ihres Mobiltelefons abgehört? Wenn ja, wer hat dort eine Nachricht hinterlassen, und mit welchem Inhalt? Hier verweise ich auf SAO 45.1, Bl. 32.
Haben Sie vor Ihrer Flucht den Tresor in Ihrer Wohnung in der Frühlingsstraße geöffnet? Wenn ja, warum haben Sie das getan? Haben Sie etwas entnommen, wenn ja, was, und was haben Sie damit gemacht?
Laut den Ermittlungen waren nur noch rund 1.800 Euro in der Wohnung in der Frühlingsstraße, siehe SAO 624, Bl. 10066. Haben Sie nach dem Verlassen der Wohnung in der Frühlingsstraße 26 Bargeld versteckt und/oder dritten Personen Bargeld gegeben? Gibt es noch ein Depot oder Depots mit Bargeld und/oder ggf. anderen Gegenständen?
Haben Sie sich von Ihrer ehemaligen Nachbarin Heike Ku. aus der Polenzstraße 2 wenige Tage vor dem 04. November 2011 intensiver als sonst verabschiedet, wie diese dies hier schilderte, und wenn ja, warum?
Haben Sie Ende Oktober 2011 oder am 02. oder 03. November 2011 bei einer Hundepension in Langenbernsdorf angerufen und gefragt, ob Sie dort Ihre zwei Katzen für längere Zeit unterbringen können? Hierzu vergleiche die Zeugenvernehmung der Frau S., Susanne, SAO 209, Bl. 53.
Waren Sie kurz vor dem Raubüberfall am 04. November 2011 in Eisenach? Haben Sie in Eisenach bei Patrick Wieschke oder in einer von ihm vermittelten Wohnung übernachtet? Vergleiche dazu den Vermerk in SAO 8, Bl. 184.
Frau Zschäpe, ist Ihnen bekannt, warum Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt einen Stapel der so genannten Bekenner-DVDs bei sich in dem Wohnmobil hatten?

Jetzt folgen Fragen zum Verfassungsschutz:
Frau Zschäpe, wurden Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt zu irgendeiner Zeit von einem Nachrichtendienst oder dem polizeilichen Staatsschutz oder einer sonstigen polizeilichen Stelle angesprochen? Und wenn ja, von wem, mit welchem Ziel, und wie haben Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt darauf reagiert?
Wurden nach Ihrem Wissen Ralf Wohlleben oder Holger Gerlach einmal von einem Nachrichtendienst oder dem polizeilichen Staatsschutz angesprochen? Und wenn ja, von wem, mit welchem Ziel und wie haben diese darauf reagiert?
Wurden nach Ihrem Wissen andere als die genannten Personen aus Ihrem Umfeld entsprechend von einem Nachrichtendienst oder dem polizeilichen Staatsschutz angesprochen? Mit der Frage: Mit welchem Ergebnis?
Wen vermutete Uwe Mundlos als V-Mann – Zitat: ‚Schwachstelle‘ – in der Szene in Jena bzw. in Thüringen, über den er in den Briefen an Starke, Schau und [Enrico] Ri. schreibt?
Haben Sie Kenntnis davon, ob Personen aus der rechten Szene in Chemnitz, Zwickau und Umgebung, mit denen Sie Kontakt hatten, von einem Nachrichtendienst oder dem polizeilichen Staatsschutz angesprochen worden waren? Wenn ja, um welche Personen handelt es sich?
Vermuteten Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt bei Personen aus Chemnitz, Zwickau und Umgebung, mit denen Sie Kontakt hatten, dass diese Informationen an einen Nachrichtendienst oder den polizeilichen Staatsschutz weitergeben? Wenn ja, von welchen Personen und auf welcher Basis?

Wie haben Sie von der Enttarnung des Tino Brandt erfahren? Was wurde ggf. diesbezüglich mit Ralf Wohlleben und/oder anderen Personen besprochen?
Haben Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt vor dem 04. November 2011 von der Enttarnung der V-Leute Carsten Szczepanski, Thomas Dienel, Marcel Degner und Mirko Hesse erfahren? Wenn ja, wann und wie? Haben Sie anschließend etwas unternommen, um weitere Informationen einzuholen oder sich zu schützen?
Wie und wann haben Sie, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt von dem Ausstieg Carsten Schultzes Ende 2000 bzw. Anfang 2001 aus der rechten Szene erfahren? Haben Sie Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt anschließend etwas zu Ihrem gemeinsamen Schutz unternommen? Wenn ja, was? Und wenn nein, warum nicht?
Wurden Sie zu irgendeinem Zeitpunkt nach Ihrer Inhaftierung im November 2011 von Mitarbeitern eines Nachrichtendienstes aufgesucht? Wenn ja, was wollten diese und was haben diese mit Ihnen besprochen?
Wurden Ihre Verteidiger von Mitarbeitern eines Nachrichtendienstes kontaktiert? Wenn ja, von wem, kennen Sie den Inhalt der entsprechenden Kommunikation?
Haben Sie die Rechte für eine Autobiographie, ein Exklusivinterview oder einen ähnlichen Text verkauft? Wenn ja, für welche Summe? Wenn nein, beabsichtigen Sie Entsprechendes?“

Dann sagt RA Langer: „Ich wollte nochmal den Versuch machen. Ich gebe meines wortwörtlich ab, es muss keiner mitschreiben. Ich könnte eins nach vorne geben. Aber ich möchte natürlich nicht, dass das jetzt schon vorher durchgewühlt wird. Wollte es nur noch mal anregen.“ Götzl: „Bestehen Einwände? Wenn Sie mir es übergeben, nehme ich es entgegen.“ Ein Exemplar der Fragen wird an den Senat gereicht. Langer sagt dann, dass „E1“ ist die erste Einlassung vom 009.12.15 sei und „E2“, „E3“ und „E4“ entsprechend die weiteren Einlassungen Zschäpes. Im Text, so Langer würden „UM“, „UB“ und „BZ“ für Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe stehen, „ggf.“ bedeute, dass es von der Beantwortung vorrangig gestellter Fragen abhänge. Langer nennt Fundstellen im Folgenden meist nicht vollständig, sondern sagt an den entsprechenden Stellen meist nur: „Fundstelle“. Dann verliest Langer seinen Fragenkatalog:

A. Fragen mit Bezug zur Einlassung BZ und zu den Nachfragen des Senats

1. zu E 1, S. 11 – 26.01.1998 „Fackel ab“:
Wie haben Sie an einer Tankstelle eine 0,7-Liter-Flasche betankt?
An welcher Tankstelle soll dies erfolgt sein?
Gab es dort keine Probleme wegen einer Mindestabnahmemenge?
Gab es dort keine Probleme wegen des untauglichen Gefahrgutbehälters?
Sie sagten, daß Sie die Flasche mit Benzin nicht gebraucht haben, wo ist diese verblieben?
Wie hat UB darauf reagiert, daß Sie sein „Fackel ab“ ignoriert haben?

2. zu E 1, S. 16 f. – Beauftragung Rechtsanwalt Dr. Hans Eisenecker / E 2, S. 9 (F 17):
Was war der konkrete Auftrag an RA Dr. Eisenecker?
Sie führen aus, es sei „die Akteneinsicht abgelehnt“ worden – zu welchem konkreten
Vorgang (Sachverhalt/Straftat) sollte RA Dr. Eisenecker eine Akteneinsicht erwirken?
Sie erwähnen eine Besprechung mit RA Dr. Eisenecker am 07.03.1999, dann eine weitere
im November 1999. Es heißt dabei, daß sie ihn „erneut in seiner Kanzlei aufgesucht“ hätten. An anderer Stelle sagen Sie, sie hätten ihn „zweimal angerufen und … einmal getroffen, nicht jedoch in seiner Kanzlei, sondern in einer Gaststätte“. Was ist nun zutreffend?
RA Dr. Eisenecker soll Ihnen im November 1999 mitgeteilt haben, daß es „wohl sehr heftig werden würde“, nachdem Sie ihm auch von den ersten 3 Banküberfällen berichtet haben. Hat er Ihnen gesagt, inwiefern zu diesem Zeitpunkt davon auszugehen war, daß diese Banküberfälle, die UM/UB begangen haben sollen, seitens der Strafverfolgungsorgane auch UM/UB zugeordnet werden konnten? Hat er erläutert, wieso dies dann für Sie „sehr heftig“ werden würde?

3. zu E 1, S. 16 f. – Erteilung der schriftlichen Vollmacht an Rechtsanwalt Dr. Hans Eisenecker / E 2, S. 9 (F17) / E 3, S. 7 (F 12) / E 3, S. 13 (F-CS 1) :
Zur zeitlichen Abfolge: Sie sagen, Sie hätten Dr. Eisenecker am 07.03.1999 erstmals gesprochen, dieser hätte für Sie eine Akteneinsicht versucht und Ihnen „einige Wochen später“ mitgeteilt, daß diese abgelehnt worden sei. Im November 1999 hätten Sie Ihn „erneut“ in seiner Kanzlei aufgesucht. An anderer Stelle sprechen Sie davon, daß Carsten Schultze Ihnen die Vollmacht des Rechtsanwaltes Dr. Eisenecker gegeben habe, die Sie unterschrieben hätten und die dann zu Dr. Eisenecker gebracht worden sei. Zur Einlassung des Mitangeklagten Carsten Schultze vom 5. Hauptverhandlungstag sagen Sie, daß diese zutreffend ist. Sie beschreiben das Treffen mit Carsten Schultze in einem Café eines Kaufhauses in Chemnitz als das einzige mit ihm nach dem Untertauchen. Carsten Schultze hat das Treffen in dem Café in dem Kaufhaus in Chemnitz – bei dem Vollmachtsunterzeichnung und anschließend die Waffenübergabe stattfanden – auf „Ende
März, Anfang April 2000″ eingeordnet. Für diese Einordnung hat er als objektiven Anhaltspunkt den Erwerb seines Führerscheines im Frühjahr 2000 benannt, da er erst anschließend die Waffe mit dem PKW seiner Mutter abgeholt habe. Der Führerschein soll ihm laut eines Vermerks des BKA vom 18.03.2014 am 03.04.2000 ausgehändigt worden sein. Eine Vollmacht für Dr. Eisenecker, die erst im oder nach Frühjahr 2000 unterzeichnet wurde, konnte dieser nicht im Verlaufe der ersten Jahreshälfte 1999 und wiederholend im November 1999 für eine Akteneinsicht nutzen. Bitte erklären Sie diesen Widerspruch bzw. stellen Sie den zeitlichen Ablauf richtig.

4. zu E 1, S. 19 f. – „Geschehnisse am 09.09.2000“ / E 2, S. 10 (F 18) und S. 11 (F 22) :
Haben UM/UB Ihnen gesagt, nach welchen Kriterien sie die ermordete Person ausgewählt
haben? Haben Sie UM/UB danach gefragt?
Sie führen aus: „Sie zeigten mir die Pistole, die sie am 09.09.2000 verwendet haben.“
Haben UM/UB ihnen in diesem Zusammenhang einen Schalldämpfer gezeigt?
Haben UM/UB nicht erwähnt, daß sie zwei verschiedene Waffen eingesetzt haben?
Sie sagten, sie können die Pistole anhand der Ermittlungsakten nicht näher beschreiben. Da die Waffen Asservat W04 (Ceska 83, ca. 20 cm breit) und Asservat 2.12.483.13 (Bruni, ca. 10 cm breit) bereits von der Größe deutlich voneinander abweichen, werden Sie nochmals gebeten mitzuteilen, ob Sie hinsichtlich der Größe einordnen können, ob eine dieser beiden Waffen ihnen damals gezeigt wurde oder ob Sie ggf. eine dieser beiden Waffen ausschließen können.
Hatten UM/UB in den Jahren 2000 und 2001 Fotoapparate in Besitz? Handelte es sich um analoge (mit Fotofilm) oder digitale (mit Speicherkarte) Kameras? Können Sie Angaben zu Firma/Typ des Gerätes / der Geräte machen? Ggf.: Wo verblieben diese Fotoapparate?

5. zu E 1, S. 24 f. – „Tatvorwürfe vom 13.06.2001 sowie 27.06.2001“ :
Sie schildern ein Gespräch zwischen Ihnen und UM/UB im Nachgang an den Raubüberfall vom 05.07.2001 und dabei abstrakt: „Im Rahmen dieses Gespräches berichteten Sie mir von Ihren Mordtaten vom 13.06. und 27.06.2001“. Was konkret sagten Ihnen UM/UB zum Ablauf der Geschehnisse vom 13.06. und vom 27.06.2001?
Wurde Ihnen mitgeteilt, wer am 13.06.2001 und wer am 27.06.2001 die Schüsse auf das jeweilige Opfer abgab?
Haben UM/UB Ihnen gesagt, nach welchen Kriterien sie die beiden ermordeten Personen jeweils ausgewählt haben?

6. zu E 1, S. 25 – „Mir wurde bewußt“ / E 2, S. 13 (F 29) :
Sie führten – zeitlich bezogen auf die Zeit nach dem zweiten und dritten Mord, von denen sie Anfang Juli nach dem 05.07.2001 erfuhren – aus: „Mir wurde bewußt, daß ich mit zwei Männern zusammen lebte, denen ein Menschenleben nichts wert war. … Diesmal äußerten sie sich auch in ausländerfeindlicher Richtung.“ und „Meine Gefühle änderten sich dahingehend, daß, wenn sich die beiden ohne Erklärung für unbestimmte Zeit, bzw. Tage verabschiedeten, ich große Angst bekam, sie würden nicht mehr zurückkehren.“ In E 2, S. 13 (F 29) präzisierten Sie, daß bei dem Bericht „nicht einfach von einem Türken gesprochen worden sei“, sondern abwertende Bezeichnungen wie „Kanake“ oder „Dreckstürke“ verwandt wurden.
Dachten Sie auch daran, daß UM/UB – jedenfalls Anfang Juli, nach dem 05.07.2001 – in solchen Abwesenheitszeiten weitere gleichartige Tötungen, insbesondere an Personen mit türkischer Herkunft, vornehmen würden?

7. zu E 1, S. 28 – „Mord vom 25.02.2004 … UM berichtete davon“ (E 1, S. 28) :
Wann hat UM Ihnen vom Mord vom 25.02.2004 in Rostock berichtet?
Hat UM Ihnen davon berichtet, ob er allein oder mit UB am Tatort war?
Hat Ihnen UM außer „in Rostock einen Türken erschossen zu haben“ und, daß „es wieder passiert sei“ noch etwas zu diesem Ereignis mitgeteilt? Ggf.: Was konkret?
Hat UB Ihnen zu diesem Ereignis etwas mitgeteilt? Ggf.: Was konkret?

8. zu E 1, S. 32 . „Sparkasse, … Kleine Parower Straße in Stralsund“:
Wo waren Sie zu dieser Zeit (im November 2006, Januar 2007)?
Waren Sie in Stralsund oder in Mecklenburg Vorpommern?
Haben UM/UB Ihnen mitgeteilt, wie sie auf diese Sparkasse als Überfallobjekt gekommen sind?
Sind Ihnen Bezüge von UM/UB nach Stralsund und Umgebung bekannt (z. B. Personenkennverhältnisse)?

9. zu E 1, S. 34 – „Beweis ihres Tuns“ / E 2, S. 16 (F 34) / E 3, S. 8 f. (F 13 + F 14) :
Sie erklärten: „UM wollte, daß alle Beweise im Zusammenhang mit ihren Taten vernichtet werden und der einzige Beweis ihres Tuns die DVD sei.“ Sind Sie nicht tatsächlich davon ausgegangen, daß die Morde und Anschläge als Bestandteil „des Tuns“ von UM/UB mit verarbeitet wurden bzw. würden?
Sie führten aus: „Es ging nicht darum, Beweise zu vernichten, die ihre Straftaten offenlegen würden – die DVDs, die ich verschicken sollte, belegen auch das Gegenteil.“
Das Verschicken der DVDs belegt nicht das Gegenteil, da in diesem „Bekennervideo“ kein Bekenntnis von den Personen UM/UB ersichtlich ist, sondern nur eines des (bis dahin unbekannten) NSU. Bitte nehmen Sie zu diesem Widerspruch Stellung.

An dieser Stelle beschweren sich RA Heer und Eminger-Verteidiger RA Kaiser ohne Mikrofonverstärkung. Was sie sagen, ist auf der Besucherempore nicht zu verstehen. Langer trägt weiter vor:

War vor dem Ende am 04.11.2011 in Gesprächen zwischen Ihnen und UM/UB einmal die Rede davon, die DVDs zu verschicken? Ggf.: Schildern Sie diese Gespräche.

10. zu E 1, S. 35 – Verschütten des Benzins:
In welcher Reihenfolge der Räume sind Sie beim Verschütten des Benzins vorgegangen?
Wie lange dauerte der Vorgang vom letzten Klingeln an der Wohnung [Charlotte] E. bis zum Anzünden der von Ihnen genutzten Wohnung (nach Rückkehr in Ihre Wohnung und dem dem zwischenzeitlichen Verschütten des Benzins)? Wo genau befanden Sie sich, als Sie den Brand mit Ihrem Feuerzeug in Gang setzten? Bitte zeichnen Sie diesen Standort in Ihre Skizze ein.

11. zu E 1, S. 36 – Objekt für Raubüberfall / Dienstag Geld besorgen / E 3, S. 18 (F 39) :
Kannten Sie das Objekt, das für den Raubüberfall ausgekundschaftet werden sollte?
Zur Sparkasse in Gotha, Humboldtstraße 86 gab es nach Aktenlage und Beweisaufnahme detaillierte Ausspähungen (SAO 250, 16; Ass. 1.4.197.0; Zeugin KOK Bu. am 239. HVT) und im Wohnmobil wurde eine Quittung vom 02.11.2011, 9:56 Uhr, für den Kaufland, Bürgeraue 2 in Gotha – ca. 800 m Fußweg von der Sparkasse entfernt – gefunden. Haben Sie von UM/UB Informationen, daß konkret geplant war, die Sparkasse in Gotha am 02.11. bzw. in der ersten Novemberwoche 2011 auszurauben?
Wissen Sie, warum UM/UB davon abgesehen haben, vor dem 04.11.2011 (an dem eigentlich ursprünglich das Wohnmobil beim Vermieter wieder abgegeben werden sollte) einen Raubüberfall durchzuführen?
Hatten Sie nach dem Aufbruch von UM/UB am Wochenende vor dem 04.11.2011 nochmals
Kontakt (ggf. telefonisch) und ggf. wann und was wurde dabei besprochen?
Haben Sie am 04.11.2011 anderen als telefonischen Kontakt zu UM/UB (z. B. SMS/E-
Mail)?
Bei der Abholung des Wohnmobils am 25.10.2011 waren Sie anwesend. Der ursprüngliche Rückgabezeitpunkt des Wohnmobils war laut Vertrag für den 04.11.2011, 12:00 Uhr, in Schreiersgrün vorgesehen. War Ihnen dies bekannt? Wußten sie, daß das Wohnmobil am 03.11.2011 bis zum 07.11.2011 oder auch um eine ganze Woche verlängert worden sein soll (gem. Protokoll Zeugin Bianca K., SAO 47, 327 und 54. HTV vom 11.12.2013)? Ggf.: Woher wußten Sie das? Wie sollten UM/UB nach der Rückgabe des Wohnmobils von Schreiersgrün wieder wegkommen?

12. zu E 1, S. 36 f. – Kanister mit Benzin aus dem Abstellraum :
Wann hatten UM/UB nach dem Untertauchen im Januar 1998 Zugriff auf ein Boot gehabt, insbesondere wann zuletzt vor dem 04.11.2011? Sie sprechen bei Kanister und Benzin davon, daß UM „und“ UB dieses deponiert hätten, beim Außenborder sprechen Sie in der Einzahl („Außenborder seines Bootes“) – wem gehörte(n) nun Boot und Außenborder? Wo lagerte dieses Boot? Wann war das Benzin, welches laut Ihrer Einlassung „für den Außenborder des Bootes gedacht“ war, in den Kanister gefüllt worden und wo befand sich der Kanister seit diesem Zeitpunkt? Ggf.: Wo lagerten der Außenbordmotor und Kanister mit dem Benzin in den jeweilig vorherigen Wohnungen (also vor der Wohnung Frühlingsstraße 26)?
Soweit Sie angeben, das Benzin sei „ursprünglich“ für das Befüllen des Außenborders gedacht gewesen: Wann ist dieser ursprüngliche Zweck weggefallen? Gab es darüber eine Absprache zwischen Ihnen, UM und/oder UB? Wurde darüber gesprochen, wozu das Benzin seither – (zumindest zuletzt auch) in der Wohnung – lagerte?
Ergänzend dazu: Aus dem Kontext Ihrer Einlassung ist zu entnehmen, daß der „letzte Wille“ von UM/UB gewesen sei, „die gemeinsame Wohnung ́abzufackeln ́“ und sie dieses „Versprechen den beiden gegenüber“ gegeben hätten. Wann genau haben Sie dieses Versprechen gegenüber UM/UB abgegeben? Was wurde im Detail für einen solchen Fall zwischen Ihnen und UM/UB abgestimmt? Ggf.: Wie sollte die Realisierung dieses Versprechens in der von Ihnen zuvor genutzten Wohnung in der Polenzstraße 2 durchgeführt werden?

13. zu E 1, S. 41 – Kein Telefonat mit Mitarbeiter IM/Behörde / Abruf Mailbox u. a. :
Haben Sie in der Zeit vom 04.11.2011 bis zur Festnahme am 08.11.2011 – außer den Anrufen bei den Eltern von UM/UB am 05.11.2011 – Telefonate geführt? Ggf.: Mit wem? Was war der jeweilige Inhalt?
Am 04.11.2011, 12:11 Uhr, soll mit der Mobilfunktelefonnummer 0162/7000587, die Sie genutzt haben sollen, eine 51-Sekunden-Verbindung zur Mailbox dieser Nummer bestanden haben. Die Nachricht/-en soll/-en auf der Mailbox gelöscht worden sein. Wer war/waren die Person/en, die Nachricht/en aufgesprochen hatten? Welchen Inhaltes war/waren diese Nachricht/-en? Haben Sie diese Nachricht/-en gelöscht?
Am 05.11.2011 soll das Mobiltelefon mit der Nummer 0162/7000587 angerufen worden sein und sich dort eine männliche Stimme gemeldet haben (SAO 160, 213). Wer war diese Person und wie kam diese in den Besitz des Mobilfunktelefons?
Als Sie sich der Polizei am 08.11.2011 stellten, sollen Sie kein Mobiltelefon bei sich gehabt
haben. Haben Sie zwischen dem 04.11.2011, 15:30 Uhr, und 08.11.2011, Ihrer Festnahme, ein Mobiltelefon genutzt? Ggf.: Woher hatten Sie dieses? Ggf.: Wo verblieb dieses Telefongerät nebst SIM-Karte? Ggf.: Was für ein Gerätetyp war dieses Mobiltelefon?
Wo verblieb das Telefongerät nebst SIM-Karte, welches mit der Telefonnummer 0162/7000587 betrieben wurde. Was für ein Gerätetyp war dieses Mobiltelefon?

14. zu E 1, S. 47 f. – „200 Videoclips auf unserem Festplattenrecorder schneiden“:
In der Wette ist davon die Rede, daß es um „200 x Videoclips schneiden“ ging. In Ihrer Einlassung wird ausgeführt, UM – der sich nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme mit Computern gut auskannte – habe den Wettschein „entworfen und erstellt“. Das von Ihnen geschilderte „Herausschneiden“ (genauer: Herauslöschen) von Einzelfilmteilen (Vorspann, Werbung, Abspann) aus einem einzelnen Gesamtspielfilm ist davon umgangssprachlich nicht als „Videoclips schneiden“ gedeckt. Wie können Sie diesen Widerspruch erklären? Was soll in Ihrer Schilderung der „Videoclip“ sein? Auf welche Tätigkeit bezog sich die Zahl 200, also was genau sollte 200 x getan werden? Sollten etwa 200 Filme komplett geschnitten/bereinigt oder sollten aus verschiedenen Filmen insgesamt 200 Stellen (Werbung, Vor-/Abspann) herausgelöscht werden? In welchem Zeitraum sollte dies geschehen? Wurde dies („Videoclips schneiden“) auch außerhalb der Wette gemacht? Konnten bzw. machten dies alle drei Personen (UM/UB/BZ)? Wurden die (geschnittenen/bereinigten) Filme dann nach dem Ansehen gelöscht oder aufbewahrt? Welches Gerät (Festplattenrecorder) wurde dazu verwendet? Können Sie die Firma, den Typ benennen?
In der Frühlingsstraße 26 wurde ein Festplattenrecorder Panasonic DMR-EH595 aufgefunden. Da für ein solches Gerät ein Kaufbeleg vom 06.02.2010 vorliegt, vermuten die Ermittler, daß ein Gerät dieses Typs für eine Verwendung gemäß der Wette aus dem Jahr 2005 nicht in Frage kam. Trifft dies zu?

Bei der vorhergehenden Frage beschwert sich Zschäpe-Verteidiger RA Stahl: „Diese ständig enthaltenen Zwischenplädoyers, die möge der Kollege einstellen.“ Langer: „Haben Sie schon mal von der Überdehnung des Satzrahmens gehört? Ich kann aber auch so fragen, wie Sie es möchten: Trifft es zu, dass …“ Langer setzt mit seinen Fragen fort:

Seitens der Ermittler wird dagegen vermutet, es sei ein DVD-Videorecorder des Typs Panasonic DMR-E55 (ohne Festplatte) genutzt worden.

Langer bittet darum, die als Anlage zu seinen Fragen eingereichten Fotos vergleichbarer Neugeräte eines solchen DVD-Videorekorders in Schwarz und Silber zu zeigen. Die Fotos werden aufgelegt und an die Leinwände projiziert. Langer:

Handelt es sich dabei um das in Ihrer Schilderung genannte Gerät?
Wurden in den Haushalten UM/UB/BZ von 1998 bis 2011 andere Festplatten- und/oder DVD-Video-Recorder genutzt, ggf. welche Firma / welcher Typ? Ggf.: Wurden diese anderen Festplattenrecorder auch von Ihnen genutzt/bedient?
Es wurden in der Frühlingsstraße mehrere bespielte VHS-Video-Kassetten gefunden. Waren in den Haushalten UM/UB/BZ in der Zeit von 1998 bis 2011 Videokassettenrecorder im VHS-Format in Nutzung? Welche Firma / welcher Typ? In welchem Zeitraum erfolgte die jeweilige Nutzung? Wo ist das Gerät bzw. sind die Geräte verblieben?

15. zu E 1, S. 48 – „DVDs … Anfang des Jahres 2011 in Tüten verpackt u. beschriftet“
Sind mit „Tüten“ Briefumschläge gemeint? Waren die „Tüten“ zu diesem Zeitpunkt frankiert? Ggf.: Wann wurden diese „Tüten“ frankiert? Ggf.: Wer hat diese „Tüten“ frankiert?

16. zu E 1, S. 48 – „2011 … Dutzend Waffen“:
Sie erklärten: „Im Jahr 2011 ging ich schätzungsweise von rund einem Dutzend Waffen aus“. Klarstellend: Sind damit Schußwaffen gemeint? Ggf.: Wie viele davon waren Schußwaffen? Wie viele (unterschiedliche) Schußwaffen haben Sie gemäß Ihrer Erinnerung im gesamten Zeitraum nach dem Untertauchen bis Anfang November 2011 gesehen.

17. zu E 2, S. 23 (F 45), E 3, S. 7 (F 12) – Treffen Carsten Schultze / Waffenübergabe Holger Gerlach E 3, S. 6 f. (F 10) / Pistole über Jan Werner E 3, S. 7 (F 11):
Wo genau befand sich der Kaufhauskomplex, in dem das Café war, in dem das Treffen mit Carsten Schultze stattfand? Können Sie diese Stelle genau in einem Stadtplan oder GoogleMaps-Ausschnitt angeben?
Können Sie die Ereignisse
1. Treffen Carsten Schultze („in einem Café, in einem Kaufhaus“)
2. Waffenübergabe Holger Gerlach („ich schätze, es war Sommer 2001“),
3. Mitteilung UB über Waffenlieferung Jan Werner („Details … sind mir nicht bekannt“) zeitlich einordnen, zumindest diese zueinander in eine Reihenfolge (davor/danach) setzen? Ggf. unter Berücksichtigung der weiteren Ereignisse als Anhaltspunkte
4. Treffen mit den Eltern von UB Frühjahr 1999,
5. Treffen mit den Eltern von UB 2000,
6. Treffen mit den Eltern von UB 2002.

18. zu E 2, S. 25 (F 49) – Auswahl der Polizeibeamten als Opfer:
Ist ihnen seitens UM/UB mitgeteilt worden, welchen Bezug diese zu der Stadt Heilbronn hatten und wieso diese dort Polizeibeamte als Opfer gesucht haben? Ist Ihnen bekannt, ob, ggf. wie oft und wann UM/UB sich vor dem 25.04.2007 in Heilbronn aufhielten und aus welchem Anlaß? Ggf.: Waren Sie bei einem dieser Besuche dabei?

19. zu E 4, S. 5 – Gewichtsangabe:
Sie haben angegeben, am 04.11.2011 „etwa zwischen 58 und 60 kg gewogen“ zu haben. Im Personenbericht über Ihre Person vom 31.12.2011 wurden Feststellungen zu Ihrer Person zum Zeitpunkt der Festnahme (08.11.2011) getroffen. Darin ist auf Bl. 21 vermerkt: „Gewicht 63 kg“. Können Sie sich erinnern, ob Sie an diesem Tag gewogen wurden und welcher Wert dabei festgestellt wurde? Ggf.: Betrug der Wert 63 kg?

B. Fragen ohne Bezug zur Einlassung BZ

1. Tankquittung vom 28.10.2011:
Ausweislich einer Quittung vom 02.11.2011, die im Wohnmobil gefunden wurde, wurden am 28.10.2011 an der Shell-Tankstelle Schubertstraße 1 in Zwickau (ca. 2,8 km von der Frühlingsstraße entfernt) 15,98 Liter Super-Benzin erworben. Wer hat dieses zu welchem Zweck erworben? In welchen/welche Behälter wurde es gefüllt? Was geschah mit diesem Benzin?

2. Weitere Wohnungen/Depots/Postfächer:
Sind ihnen andere – als die von Ihnen mitgenutzten – Wohnungen bekannt, die UM/UB nutzten oder Depots/Postfächer von UM/UB? Ggf.: Welche und in welchen jeweiligen Zeiträumen?

3. Bezüge zu Rostock:
3.1. Ist Ihnen bekannt, warum UM (bzw. UM/UB) ein Opfer in der Stadt Rostock auswählten und wie sie auf den dortigen Stadtbezirk Rostock-Toitenwinkel gekommen sind?
Sind Ihnen Bezüge von UM/UB zu diesem Rostocker Stadtbezirk bekannt?
Kannten UM/UB und/oder Sie den Dönerimbißcontainer im Neudierkower Weg 2 in Rostock – den Ort, an dem Mehmet Turgut ermordet wurde – vor dem 25.02.2004? Wurde darüber gesprochen Ggf.: Was?
3.2. Kennen Sie Frau Sylvia M., die Cousine von UB? Ggf.: Direkt oder aus Erzählungen von UB? Ggf.: Sprach UB über Besuche an ihrem Wohnort in Rostock? Ggf.: Was erfuhren Sie von UB über solche Besuche, können Sie diese Besuche zeitlich einordnen?
3.3. Kennen Sie eine Person, die damals den Namen Marcus Ho. (Nachlieferung N 05, 69 ff.) trug und auf der Telefonliste Garage Jena vermerkt war?
Herr Ho. soll laut einer Vernehmungsmitschrift ausgesagt haben, daß er und sein Freund Toralf St., Sie und UM im Sommer – den er 1992 einordnete -, wahrscheinlich im August, auf einem Campingplatz in Krakow am See getroffen habe. Erinnern Sie sich daran? Es soll neben Ihnen und UM noch eine dritte Person mit Ihnen zusammengewesen sein, die nicht UB war und die „Zwerg“ genannt worden sein soll. Erinnern Sie sich daran? Wer war die Person mit der Bezeichnung „Zwerg“? Es soll eine Fahrt mit dem PKW Wartburg von UM nach Rostock gegeben haben. Erinnern Sie sich daran? Wann war diese Fahrt? Wohin genau ging diese Fahrt? Waren Sie mit dabei? Welche Personen waren noch mit dabei?

Herr Ho. wohnte laut seiner protokollierten Aussage in der Pablo-Neruda-Straße (einem Neubauplattenviertel) von März/April 1994 bis 1997 (N 05, S. 72, 75). Er hat laut Vernehmungsprotokoll ausgesagt, daß es möglich ist, daß UM/UB und Sie ihn dort besucht haben bzw. dort übernachtet haben. Waren UM/UB und/oder Sie in der Wohnung des damaligen Herrn Ho. in der Pablo-Neruda-Straße? Ggf. Haben Sie dort übernachtet? Ggf. wann war das?
Nach der protokollierten Aussage sollen UM/UB und Sie an einer Geburtstagsfeier (September 1993) und an einer Silvesterfeier (1994/95) in Rostock teilgenommen haben. Trifft dies zu? Bei wem fanden diese Feiern jeweils statt? Welche Personen nahmen nach Ihrer Erinnerung daran jeweils teil? Gab es sonstige Aufenthalte von Ihnen und/oder UM/UB in Rostock vor dem 25.02.2004? Ggf.: Wo genau hielten Sie und/oder UM/UB sich anläßlich dieser Besuche in Rostock auf.

4. Bezüge zu Greifswald:
Gab es Aufenthalte von Ihnen und/oder UM/UB in Greifswald? Ggf.: Wo genau und wann? Ist Ihnen bekannt, warum in einem Greifswalder Stadtplan 2005/06 im Bereich Fleischervorstadt, Arndtstraße, auf Höhe der Nr. 25, 26, 27, 28 ein Kreuz vermerkt ist (Ass. 2.7.22 = Foto 2.7.22-BBB_8909.JPG)? Ist Ihnen ein Bezug zu den dortigen Adressen bzw. den von der Polizei ermittelten Namen der Bewohner bekannt. Ggf.: Welcher?
Ist Ihnen bekannt, ob UM/UB vorhatten, in Greifswald ein Geldinstitut zu überfallen? Ggf.: Welches und wann?
Ist Ihnen bekannt, warum in einem Greifswalder Stadtplan 2005/06 im Bereich Ostseeviertel, Talliner Straße, Eintragungen (Pfeil, Kreuze, Linie) vermerkt sind?

5. Auslandsaufenthalte:
Hielten Sie sich bzw. UM/UB – gemeinsam oder einzeln – im Zeitraum von Februar 1998 bis Oktober 2011 im Ausland auf. Ggf.: Wo genau und in welchem Zeitraum? Ggf.: Was war der Anlaß bzw. Grund des jeweiligen Aufenthaltes?

Es folgt dann eine Pause bis 14:55 Uhr. Danach erhält RAin Catic-Redemann das Wort: „Insgesamt sind es 35 Fragen und ich teile mir das Stellen der Fragen mit dem Kollegen Schön. Vorweg: die Seitenangaben ohne weitere Angaben beziehen sich auf den Ausdruck der Einlassung vom 09.12.2015.“ Catic-Redemann trägt ihre Fragen vor:

1. In Ihrer Einlassung, Seite 8, räumen Sie ein, an der Herstellung eines ‚Puppentorsos‘ für eine Aktion am 13. April 1996 beteiligt gewesen zu sein. Warum wurde an diesem Puppentorso ein Davidstern und ein Schild mit der Aufschrift ‚Jude‘ angebracht?
2. Am Wochenende vor Ihrem Untertauchen sollen Fotos Ihre Beteiligung an einer Demonstration in Dresden gegen die Wehrmachtsausstellung zeigen. Welche Fahne tragen Sie dort und warum? Mit wem sind Sie zusammen nach Dresden gefahren, wen erkennen Sie auf den Fotos wieder? Wer ist die weibliche Person, die neben Ihnen die Fahne trägt? An der Seite der Demonstration, neben Ihnen, wird eine Transparent mit der Aufschrift „Nationalismus – Eine Idee sucht Handelnde“ getragen. Wer hat sich dieses Transparent ausgedacht, wer hat es hergestellt und wer hat es getragen?

An dieser Stelle werden nach kurzer Debatte um die Form des Vorhalts drei Fotos aus einer Arte-TV-Dokumentation gezeigt. Zu sehen sind Demonstrationsfotos vom 24.01.1998 in Dresden. Eines zeigt einen größeren Ausschnitt des bereits gezeigten Fotos zu diesem Aufmarsch. Die beiden anderen zeigen Personen, die ein rotes Transparent mit der weiße Aufschrift „Nationalismus – Eine Idee sucht Handelnde“ tragen.

Catic-Redemann weiter:

3 . Nach Ihrer Darstellung haben Sie am 26.1.1998 die Aufforderung von Uwe Böhnhardt „Fackel ab“ im Endeffekt nicht befolgt (S.11). Gab es anschließend Diskussionen darüber mit den beiden Uwes, ggf. mit welchem Inhalt. Wurden Ihnen Vorwürfe gemacht?
4. Haben Sie und/oder Uwe Böhnhardt/Uwe Mundlos nach dem Untertauchen ihr Äußeres verändert und wenn ja, wie?
5. Nach Ihrer Behauptung wollten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Ende 1999 nach Südafrika, Sie wollten Deutschland aber auf keinen Fall verlassen (S.17). Sie behaupten weiter, Sie hätten Ende 2000, nachdem Sie von dem Mord an Enver Şimşek erfahren haben, überlegt, sich der Polizei zu stellen. Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos sollen mit einer Selbsttötung gedroht haben (S.21). Haben Sie in dieser Situation mit den beiden die Möglichkeit erörtert, dass diese nunmehr – wie bereits Ende 1999 geplant – nach Südafrika auswandern sollten und Sie sich sodann der Polizei stellen?
6. Wie sind Sie oder Böhnhardt oder Mundlos an den Ausweis des Herrn Ralph Ho. gekommen, welchen Kontakt hatten Sie zu ihm, wusste er, dass auf seinen Namen Bestellungen getätigt und eine Wohnung angemietet wurde?

7. Trifft es zu, dass Thomas Rothe sie sowohl in Wohnungen in Chemnitz, wie in Wohnungen in Zwickau besucht hat? Wenn ja in welchen der Wohnungen? Hatten Sie und Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt keine Angst, dass Herr Rothe Ihren Aufenthaltsort verraten könnte? Ggf.: Weshalb waren Sie sicher, dass Herr Rothe Ihren Aufenthaltsort nicht verraten würde?
8. Haben Sie sich regelmäßig über das politische Geschehen informiert und wenn, aus welchen Quellen, haben Sie regelmäßig eine Zeitung (welche) gelesen und/oder regelmäßig Nachrichtensendungen im Radio gehört oder im Fernsehen gesehen (welche)?
9. Haben Sie mit Uwe Böhnhardt und/oder Uwe Mundlos regelmäßig (wie oft pro Woche oder Monat) Fernsehabende veranstaltet, welche Sendungen/Serien haben Sie dabei gesehen? Gab es hier Unterschiede während der Zeit in der Polenzstraße und der Zeit in der Frühlingsstraße?
10. Haben Ihnen Uwe Böhnhardt und/oder Uwe Mundlos häufiger Zeitungsartikel gezeigt, in denen von deren Taten berichtet wurde?
11. Sie erklären, dass Mundlos und Böhnhardt nach der Rückkehr vom Bombenanschlag in der
Keupstraße keine Details berichteten. Sie hätten sich deshalb über die Zeitung informiert. Hatten
sie zuvor versucht von Mundlos und Böhnhardt Details zu erfahren? Welche? Was erfuhren Sie aus der Zeitung, was Sie nicht schon vorher von Mundlos und Böhnhardt erfahren hatten. Woher hatten Sie Zeitungen? Haben Sie diese täglich gekauft? Was geschah mit den Zeitungen, nachdem Sie diese gelesen hatten? Haben Sie die Zeitungen Böhnhardt und Mundlos gezeigt/gegeben. Haben Sie ab dem 9.6.2004 Fernsehsendungen zum Anschlag gesehen?

12. Als Ihnen – nach Ihrer Darstellung – am 5. oder 6.10.2006, nach dem gescheiterten Überfall auf die Bank in der Kosmonautenstraße in Zwickau, Böhnhardt davon und Mundlos und Böhnhardt von weiteren vier Morden erzählten, haben Sie sich mit den Erklärungen zufrieden gegeben, oder haben sie sich dann selbstständig zu dem Banküberfall Zeitungen besorgt und zu den Morden im Internet recherchiert? Mit welchem Ergebnis?
13. Haben Uwe Böhnhardt und/oder Uwe Mundlos als Grund für die von ihnen verübten Morde
(auch) erklärt, dass sie dies zur Erhaltung der deutschen Nation getan hätten, dass es notwendig sei Ausländer zu töten um die deutsche Nation zu erhalten?
14. Zu den in der Frühlingsstraße aufgefundenen Videoaufzeichnungen zum Bombenanschlag in der Keupstraße soll sich Ihr Verteidiger, Herr Grasel nicht nur gegenüber der taz sondern auch gegenüber dem Berliner Tagesspiegel geäußert haben. Er soll dabei ausweislich des beigefügten Artikels erklärt haben:

An dieser Stelle gibt es von Seiten Richter Götzls erneut eine Beanstandung zur Art des Vorhalts und zur Verwendung des Begriffs „beigefügt“. Nach mehrfachen Unterbrechungen durch Götzl liest Catic-Redemann die Passage schließlich vor:

„Denkbar sei auch, Mundlos und Böhnhardt hätten in Köln nach der Tat bei einem Freund die Sendungen aufgenommen.“ Wissen Sie ob Uwe Böhnhardt und/oder Uwe Mundlos in Köln einen Freund/Freundin hatten und wie heißt der/die?
15. Wissen Sie etwas dazu, warum André Eminger am 8.6.2004 (einen Tag vor dem Anschlag in der Keupstraße) in Euskirchen war und was er dort gemacht hat?
16. Nach Ihrer Behauptung hatten Ihnen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt immer wieder – erstmals Ende 2000 – erklärt (S.21), dass diese sich selbst töten würden, falls sie durch die Polizei festgenommen werden sollten. Welche Verhaltensregeln hatten Sie für den Fall besprochen, dass es auf einer gemeinsamen Fahrt von ihnen allen dreien (z. B. im Urlaub) zu einer polizeilichen Überprüfung oder gar zu einer Festnahme käme? Hatten Sie immer Waffen dabei?

17. Auf Seite 34 Ihrer Einlassung behaupten Sie: „Bei diesen Gesprächen über den Tod musste ich beiden mehrfach das ‚absolute Versprechen‘ geben: Sollten beide erschossen werden oder sollten sie sich selbst erschießen, um einer Verhaftung zuvor zu kommen, so sollte ich die von Uwe Mundlos erstellten und versandfertig vorbereiteten DVDs in den Briefkasten stecken und versenden. Ich sollte die Wohnung in Brand setzen und ich sollte die Eltern des Uwe Mundlos und des Uwe Böhnhardt benachrichtigen.“ Zeitlich ordnen Sie diese Gespräche in den Zeitraum nach Umzug in die Frühlingsstraße, also Mitte 2008, ein. Die erstmalige Selbstmorddrohung behaupten Sie hingegen bereits für das Ende 2000. Welche Verabredung bestand im Zeitraum zwischen 2000 und 2008 für den Fall, dass Böhnhardt und Mundlos erschossen wurden und/oder Selbstmord begangen hätten? Sollten Sie dort auch eine Wohnung anzünden und/oder irgendwas verschicken?
18. In Ihrer Einlassung vom 9.12.2015 haben Sie erklärt, Sie hätten das Haus nicht angezündet, wenn Sie gewusst hätten, dass Frau E. zu Hause war und diese nicht mit Ihnen das Haus verlassen hätte (S.37). Als Sie Böhnhardt und Mundlos das „absolute Versprechen“ gaben, die Wohnung in Brand zu setzen, haben Sie da Böhnhardt und Mundlos erklärt, dass das für sie nicht in Betracht käme, wenn dadurch anderen Menschen gefährdet würden? Falls ja, wie haben Mundlos und Böhnhardt darauf reagiert? Wurde in diesem Zusammenhang auch die Frage besprochen, ob man Ihrem Versprechen trauen könne, wo Sie doch gegen die Anweisung Böhnhardts 1998 die Garage nicht „abgefackelt“ hatten, weil dort Menschen in der Nähe waren?

Dann fährt RA Schön fort, die Fragen vorzutragen:

19. Am 21.1.2016 (S. 26) erklären Sie: „Wenn wir uns in der Wohnung befanden und es an der Tür klingelte, so war es stets ich, die zur Tür gehen und nachschauen musste, wer geklingelt hatte. Für den Extremfall, dass nämlich die Polizei vor der Tür steht, hätten die beiden sich auf der Stelle erschossen.“ Warum mussten Sie an die Tür, obwohl Überwachungskameras existierten? Gab es irgendeine Verabredung, was Sie rufen sollten, damit sich Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt erschießen? Hatten diese jeweils eine einsatzbereite Waffe in ihrem Zimmer herumliegen? Was war für den Fall verabredet, dass Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt zum Zeitpunkt des Auftauchens der Polizei nicht zuhause waren?
20. Nach Ihrer Antwort vom 16.3.2016 auf die Frage 19 des Vorsitzenden hatten Sie das neben der Küche liegende Zimmer benutzt, das in der Skizze des BKA als „Wohnzimmer – Brandbereich E“ bezeichnet wird. In diesem von Ihnen bewohnten Zimmer war die einzige Überwachungskamera installiert, die den Bereich der Frühlingsstraße erfassen soll. Auf dem PC-Arbeitsplatz unter Ihrem Hochbett befand sich neben dem PC auch eine Festplatte mit Mitschnitten der Überwachungskamera. Welche Rolle hatten Sie bei der Benutzung und Speicherung der
Bilder der Überwachungskamera?

21. Ein Teil des von Ihnen gegebenen Versprechens sollte sein, die „versandfertig vorbereiteten DVDs in den Briefkasten zu stecken“ (S. 34). Dies Versprechen gaben Sie nach Ihrer Darstellung etwa 2008. Später erklären Sie: „Abschließend kann ich zu den DVDs noch erklären, dass Uwe Mundlos diese Anfang des Jahres 2011 in Tüten verpackt und diese beschriftet hatte. Ich hatte ihn darauf angesprochen, nachdem ich die Tüten im Abstellraum gesehen hatte. Er erklärte, dass dies die DVDs seien, die ich im Fall der Fälle verschicken sollte“ (S. 48) . Welche DVDs sollten Sie vor 2011 verschicken, wenn Sie dieses „absolute Versprechen“ (S. 34) schon 2008 gegeben hatten, oder worauf bezog sich dieser Teil des „absoluten Versprechens“ vor 2011?
22. Zur DVD erklären Sie weiter: „Uwe Mundlos wollte, dass alle Beweise im Zusammenhang mit ihren Taten vernichtet werden und der einzige Beweis Ihres Tuns die DVD sei“ (S. 34) Ich halte Ihnen vor, dass es für den Einsatz der DVD als Beweismittel ausreichend gewesen wäre, ein Exemplar an eine Polizeidienststelle oder Staatsanwaltschaft zu senden. Warum sollten Sie, wollten Sie und haben Sie eine Vielzahl von DVDs an eine Vielzahl von Anschriften – allerdings weder an eine Polizeidienststelle noch an eine Staatsanwaltschaft – versandt? Wie sollte nach Meinung von Mundlos aus dem Inhalt der CD auf konkrete Täter geschlossen werden?

23. Nach Ihrer Darstellung vom 16.3.2016 zu Frage 19 wurde der in Skizzen des BKA als „Katzenzimmer“ bezeichnete Raum von Ihnen dreien gemeinsam als Wohnraum benutzt. In diesem Raum, den Sie alle gemeinsam benutzten, befanden sich eine Vielzahl von Ausdrucken von Adressen, und handschriftlichen Aufzeichnungen zu Adressen. Zu welchem Zweck wurden diese Adresslisten angelegt?
24. In Ihrem Zimmer wurde unter einem Hochbett ein PC-Arbeitsplatz gefunden, von dem ein ASUS-PC-Tower sichergestellt wurde. Auf diesem Tower wurden unter dem 21.08.2011 Google-Suchanfragen „Bungalow Eisenach“ und „Bungalow Arnstadt“ ausgeführt. Welchen Hintergrund hatten diese auf Ihrem PC durchgeführten Suchanfragen?
25. Nachdem sie vom 9.7. bis 15.8.2011 mit dem Fahrzeug VW T5 Caravelle Urlaub gemacht haben, wurde dasselbe Fahrzeug noch einmal für den Zeitraum vom 21.8. bis 26.8.2011 angemietet. Zu welchem Zweck?
26 . Wie viel Geld haben Sie durchschnittlich im Monat verbraucht ohne Berücksichtigung besonderer Ausgaben wie Urlaub, Anmietung von Fahrzeugen und größere Anschaffungen?
27. Sie berichten davon, dass Ihnen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach dem Banküberfall vom 2.7.2001 die Beute gezeigt haben. Nach den bisherigen Feststellungen soll es sich dabei um 74.700,00 DM gehandelt haben. Wieviel DM hatten Sie davon noch am 31.12.2001, wie haben Sie die (Rest-) Beute in Euro umgewechselt, wer hat Ihnen dabei geholfen?

28. In ihren Antworten vom 16.3.2015 auf Fragen des Vorsitzenden haben Sie zu Frage 8 mitgeteilt, dass Sie nach dem 11.1.2007 André Eminger von den Raubüberfällen erzählt hätten. Was hatten Sie vor diesem Datum André und Susann Eminger erzählt, wovon Sie Ihren Lebensunterhalt bestreiten?
29. Sie behaupten, anlässlich der Diskussion um den späteren Banküberfall in Arnstadt im September 2011 hätten sie den anderen beiden erklärt, sie hätten „noch genug Geld“ (S. 35). Wieviel Geld hatten Sie zu diesem Zeitpunkt noch? Wieviel Geld hatten Sie mit, als Sie am 4.11.2011 die Wohnung verlassen haben und was haben Sie mit diesem Geld gemacht?
30. Nach Angaben verschiedener Zeugen sollte das Wohnmobil im Oktober 2011 von der Firma K. ursprünglich vor dem 25.10. angemietet werden. Was wissen Sie über die Gründe, warum das Fahrzeug ursprünglich früher angemietet werden sollte? Warum erfolgte dann die Anmietung erst zum 25.10.2011 ?

31. Nach der Auswertung des BKA fand auf Ihrem Rechner im Zeitraum zwischen dem 25.10. und 28.10.2011 sowie zwischen dem 31.10. und 3.11.2011 keinerlei Aktivität statt . Wo haben Sie sich zu diesem Zeitpunkt aufgehalten und/oder warum wurde für diese Zeiträume keine Benutzung des in Ihrem Zimmer stehenden Rechners registriert?
32. In Ihrer Erklärung vom 09.12.2015 teilen Sie zum Morgen des 4.11.2011 mit, dass Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos „überfällig“ gewesen seien (S. 36). Warum waren sie „überfällig“, obwohl Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos am 3.11. die Anmietung des Wohnmobils zunächst bis zum 7.11. verlängert hatten?
33. Der vom BKA rekonstruierte Internetverlauf auf Ihrem Computer ist Ihnen bekannt. Wie ordnen Sie zeitlich die Radiomitteilung, der Sie den Tod von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos entnommen haben wollen, in diesen Internetverlauf ein, das heißt welche Suchanfragen haben Sie vor und welche Suchanfragen nach der genannten Radiomeldung vorgenommen?
34. Auf Ihrem PC wurde nach Feststellungen des BKA das erste Benutzerkonto am 14.04.2011 angelegt. Es befanden sich Auszüge von Google-Maps und Google-Earth betreffend das Jüdische Krankenhaus in Berlin auf Ihrem PC. Wann und zu welchem Zweck wurden entsprechende Suchanfragen gestartet und entsprechende Kartenausschnitte heruntergeladen?
35. In Ihrer Erklärung vom 9.12.2015 teilten Sie mit, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hätten Ihnen als Grund für den Mord an Enver Şimşek erklärt, sie wollten die Sache zu einem „knallenden Abschluss“ bringen (S. 20). In Ihrer Mitteilung vom 21.1.2016 (dort S. 10) haben Sie den „knallenden Abschluss“ auf die Selbstmordabsichten von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos bezogen. Suchten diese den Selbstmord und „wollten“ ihn? Haben Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt häufiger von einem „knallenden Abschluss“ gesprochen? Haben Sie und/oder Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt nach dem Anschlag von Anders Breivik im Juli 2011 über einen „knallenden Abschluss“ gesprochen?

Dann fragt RAin Busmann:
„Falls Sie Kenntnis von einer oder von mehreren Fahrten von Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt nach Hamburg im Jahr 2001 oder davor hatten: Von wie vielen Fahrten nach Hamburg wissen Sie? Was war der Grund für diese Fahrten oder für diese Fahrt, den Mundlos und Böhnhardt Ihnen gegenüber angegeben haben? Wie lange waren Mundlos und Böhnhardt weg? Wissen Sie, wie Böhnhardt und Mundlos im Sommer 2001 nach Hamburg gefahren sind? Haben die beiden von weiteren Personen im Zusammenhang mit dieser Fahrt nach Hamburg berichtet? Wenn ja, von welchen Personen und in welchem Zusammenhang?
Ergänzend zu der Frage des Kollegen Langer, was genau Mundlos und Böhnhardt gesagt haben, als Sie ihnen von den Morden in Hamburg und Nürnberg erzählt haben: Wie genau haben Sie, Frau Zschäpe, auf diese Informationen reagiert? Was genau haben Sie dazu gesagt? Wann haben Sie das erste Mal den Namen Süleyman Taşköprü bzw. Teile dieses Namens im Zusammenhang mit dem Mord in Hamburg gehört? Von wem bzw. wie?
Ergänzend zur Frage des Kollegen Scharmer: Falls Sie schon mal in Hamburg waren, waren Sie auch schon mal in Hamburg-Altona oder Hamburg-Bahrenfeld?
Auf Ihren Reisen nach Fehmarn, sind Sie da über Hamburg gefahren? Wurden Sie während Ihrer Aufenthalte auf Fehmarn von Personen besucht, die aus Hamburg oder jedenfalls aus Norddeutschland stammten oder in Hamburg bzw. Norddeutschland lebten zu der Zeit? Oder die nach Ihrem Wissen Kontakte dahin hatten?
Falls Sie die vorangegangene Frage nach Kontakten zu Personen aus Hamburg bejahen:
Sind Sie auf einem der Rudolf-Heß-Gedenkmärsche, an denen Sie teilgenommen haben, mit Personen aus Hamburg oder Norddeutschland in Kontakt gekommen? Falls ja, mit wem und wann Sind Sie über Gefangenenhilfsorganisationen mit Personen aus Hamburg bzw. Norddeutschland in Kontakt gekommen?
Haben Sie an einer oder mehreren Rechtsschulungen teilgenommen? Falls ja, von wem waren diese organisiert? Wo fanden diese statt? Wer war Ihnen dort bekannt?
Kennen Sie die folgenden Personen persönlich: Thekla Kosche, Rechtsanwältin Gisa Pahl, Christiane Dolscheid, Christian Worch, Torben Klebe, Michael See, Stefan Silar, Thomas Wulff?
Falls ja, wo und wann haben Sie sie jeweils kennengelernt? Wurden Sie einander vorgestellt? Falls ja, wo und von wem?
Falls Sie die jeweilige Person nicht kennen, haben Sie den jeweiligen Namen schon mal gehört Falls ja, von wem, in welchem Zusammenhang und zu welcher Gelegenheit?
Haben Sie Kenntnis, ob Mundlos und Böhnhardt diese Personen kennengelernt haben oder Kenntnis dieser Namen hatten? Wenn ja, wo und wann haben sie diese kennengelernt?

Auf Seite 14 der Einlassung vom 09.12.2015 schreiben Sie von einer gemeinsamen Besprechung unter Ihnen Dreien hinsichtlich eines Überfalls, woraufhin der Edeka-Markt im Dezember 1998 überfallen wurde. Waren Sie mit der Durchführung eines Überfalls einverstanden? Wer war noch an der Durchführung des Überfalls beteiligt?
Auf Seite 15 der Einlassung vom 09.12.2015 zur Waffe, die Böhnhardt und Mundlos benutzt haben: War das die einzige Waffe in Ihrem Haushalt bis zu diesem Zeitpunkt? Wie sah diese aus? Woher stammte diese Waffe?
Hatten Sie Kenntnis von der Planung der beiden Überfälle im Oktober 1999? Und wenn ja, was genau wussten Sie?
Als Böhnhardt und Mundlos nach dem Überfall auf die Post in der Johannes-Dick-Straße in Chemnitz nach Hause kamen, waren Sie da zu Hause? Haben sie Ihnen die Beute gezeigt? Was ist gesprochen worden? Wie haben Sie reagiert?
Als Sie das erste Mal vom Mord an Enver Şimşek erfuhren, sagen Sie in Ihrer Einlassung, Uwe Mundlos habe Ihnen von diesem Mord erzählt. War Uwe Böhnhardt bei dem Gespräch dabei?
Sie schrieben in Ihrer Einlassung vom 09.12.2015 auf Seite 22, dass die beiden Ihnen zwar vertrauten, aber eben nicht zu 100 Prozent und es daher nicht möglich gewesen sei, dass Sie sich stellen und die beiden im Untergrund bleiben. Da sei Ihnen klar geworden, dass es für ein Aussteigen definitiv zu spät sei. War das auch noch im Jahr 2000, dass Ihnen das klar geworden ist? Welche Fragen haben Sie den beiden genau zum Anschlag in der Probsteigasse gestellt, nachdem Sie davon erfahren haben, dass die beiden dafür verantwortlich sind?

Wie war die Stimmung zwischen Ihnen Dreien, als Sie von dem Überfall auf die Post in der Max-Planck-Straße am 05.07.2001 erfuhren?
Wenn Sie, wie auf Seite 27 der Einlassung vom 09.12.2015 schildern, dass es immer wieder Schweigen zwischen Ihnen Dreien gegeben habe, nachdem Sie von Mordtaten erfahren haben, haben sich diese Situationen wieder aufgelöst oder entspannt? Falls ja, erinnern Sie sich an Details, wie man wieder begann, miteinander zu sprechen nach andauerndem Schweigen? Schildern Sie bitte Details der Annäherung, sofern eine solche wieder stattgefunden hat.
Hatten Sie Angst vor Uwe Böhnhardt und/oder Uwe Mundlos?
Wenn Sie von Böhnhardt und Mundlos hörten, dass sie aufbrachen, um ‚Geld zu besorgen‘, glaubten Sie daran, dass es einen Überfall auf ein Geldinstitut geben würde, nachdem Ihnen offenbart wurde, dass bereits im August 2001 Habil Kılıç ermordet wurde, nachdem die beiden Ihnen gesagt hatten, sie würden wegfahren, um einen Überfall zu begehen?

Warum vertrauten Sie den beiden gerade nicht mehr nach dem Anschlag in der Keupstraße? Sie haben geschildert, bereits vorher mehrfach über Vorhaben nicht informiert worden zu sein. Woran machen Sie fest, dass dies der Zeitpunkt des Vertrauensbruches zwischen Ihnen war?
Haben Sie an den Verpackungen der DVDs, welche Ihnen von Mundlos überreicht worden waren, vor dem Versenden dieser DVDs am 04.11.2011 noch Veränderungen irgendeiner Art vorgenommen?
Sie schreiben auf Seite 34 der Einlassung vom 09.12.2015: ‚Uwe Mundlos wollte, dass alle Beweise im Zusammenhang mit ihren Taten vernichtet werden und der einzige Beweis ihres Tuns die DVD sei. Uwe Böhnhardt wollte, dass alle Beweise vernichtet werden, die Rückschlüsse auf unsere Lebensweise in den vergangenen Jahren zulassen würden.‘ Haben die beiden Ihnen das so gesagt Wie genau war die Wortwahl? Haben Sie darauf etwas erwidert? Falls ja, was haben Sie gesagt?
Als Sie am 25.10.2011 gemeinsam mit Mundlos und Böhnhardt das Wohnmobil abholten und dann mit Ihnen nach Leipzig fuhren, taten Sie das im Glauben, die beiden würden einen weiteren Überfall mit diesem Wohnmobil begehen? Kam Ihnen der Gedanke, dass ein weiterer Mord begangen werden könnte? Falls nein, warum nicht?

Hatten Böhnhardt und Mundlos als sie aufbrachen zu ihrer letzten Abwesenheit, also vor dem 04.11.2011, Gepäck dabei? Falls ja: Was haben sie eingepackt? Wie viele Gepäckstücke hatten sie dabei? Was haben Sie als Grund für diese Reise Ihnen gegenüber genannt?
Haben Sie es am 04.11.2011 als Risiko für sich selbst empfunden, den letzten Wünschen der beiden, also Anzünden der Wohnung und Versenden der DVDs, nachzukommen?
Wie erfuhr Uwe Mundlos davon, dass Sie mit Uwe Böhnhardt liiert waren? Wie reagierte er darauf?
Und schließlich: Wie waren jeweils die Reaktionen des Uwe Mundlos auf die körperlichen Misshandlungen, die von Uwe Böhnhardt gegen Sie gerichtet wurden?“

Dann fragt RA Martinek:
„Gab es beispielsweise während Ihrer Urlaubsaufenthalte im Wohnmobil oder Campingwagen irgendwann ein Gespräch, und sei es nur theoretisch und scherzhaft, wie man einen solchen Campingwagen in Brand setzen oder sprengen könnte?
Wie ist Ihre persönliche Einstellung gegenüber Polizeibeamten? Haben Sie darüber auch einmal mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gesprochen und falls ja, wie war deren Einstellung?“

RA Erdal fragt: „Nur eine einzige Frage, über drei Personen. Herr Kollege, wollen Sie das aufschreiben?“ Götzl reagiert ungehalten: „Was soll das? Wie Herr Rechtsanwalt Grasel das handhabt, ist seine Sache!“ Erdal: „Was wissen Sie über Andreas Temme, in Klammer: Verfassungsschutz Kassel, zweitens Ralf Marschner, in Klammer: bei dem Sie gearbeitet haben sollen, drittens Thomas Richter, in Klammer: V-Mann Corelli?“

Dann fragt der psychiatrische SV Prof. Saß:
„Frau Zschäpe, ich habe Fragen zu sieben Bereichen, aber es ist überschaubar.
Es beginnt mit dem Gesundheitsbereich: Sie haben gesagt in den Antworten vom 21.01.2016, dass Sie keinen schweren Erkrankungen durchgemacht haben. Ich wollte fragen, ob sich das auch auf den psychischen Bereich bezieht oder ob Sie irgendwann mal schwere psychische Einschränkungen hatten, die Sie subjektiv als Krankheiten empfunden haben [phon.].
Das Zweite ist zum Alkoholkonsum ergänzend: Gab es längere Zeiten der Karenz, wo Sie nicht getrunken haben – nicht nur Tage, sondern Wochen [phon.]? Gab es in diesen Zeiten Beschwerden im Sinne von Entzugserscheinungen? Wie war der Alkoholkonsum in den Urlauben? Und gab es Besonderheiten nach der Verhaftung? Sind Sie da medikamentös behandelt worden?
Zu psychisch wirksamen Medikamenten: Wurden von Ihnen Schmerz-, Schlaf- und Beruhigungsmittel genommen? Wenn ja, wegen welcher Beschwerden, welche Medikamente waren das, welche Dosierung und woher wurden die Medikamente bezogen?

Die sozialen Beziehungen zu Mundlos und Böhnhardt: Welches waren wichtige Inhalte der Beziehung – Gesprächsthemen, gemeinsame Interessen, Konfliktfelder? Jeweils zum einen und zum anderen. Und welche Änderungen haben sich in den Beziehungen im Laufe der Zeit ergeben?
Dann zur geistigen Betätigung, Lektüre, Film, Fernsehen: Was haben Sie gern gelesen? Welche Art von Filmen haben Sie gern gesehen? [phon.] Haben sich diese Interessen auf geistigem Gebiet im Laufe der Jahre geändert und wenn ja, wie?
Wichtige Bezugspersonen in der Zeit, wo sie im Verborgenen gelebt haben: Gab es Ihnen wichtige Kontaktpersonen und was waren wichtige Themen des Austauschs?
Und als Siebtes: In der Erklärung vom 09.12.2015 auf S. 26 findet sich die Angabe: ‚Aus diesem emotionalen Dilemma fand ich keinen Ausweg.‘ Haben Sie sich mit irgendjemandem über dieses Thema und Dilemma ausgetauscht und was waren Ihre Überlegungen zu diesem Dilemma?“

Nachdem es keine weiteren Fragen gibt, sagt Götzl in Richtung Zschäpes und ihrer Verteidiger: „Dann wären wir am Ende. Jetzt die Nachfrage an Sie: Wie wollen Sie es handhaben?“ RA Borchert: „Wir werden uns besprechen, ob wir die Fragen beantworten, ob wir darauf eingehen. Mir ist nur durch den Kopf gegangen: Wenn wir die hunderten Fragen beantworten sollen, sollten wir zu diesem Ergebnis kommen, wird das Monate dauern. Denn ich kann nicht jeden Tag mit ihr sprechen und nicht jeden Tag mehrere Stunden. Sie haben ja gehört, wie viele Fragen es gibt, die kann man ja auch nicht mit Ja und Nein beantworten. Das braucht viel Zeit – wenn wir zu dem Ergebnis kommen.“

Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders: „Wir hätten noch zwei kurze Anträge.“ Dann beantragt Schneiders, die Zeugen Tu. und Kö. zu laden. Die Zeugen seien Mitte der 90er bis in die 2000er Beamte des Dezernats Staatsschutz der KPI Jena gewesen und hätten dabei umfangreiche Erkenntnisse zu Wohlleben, zu dessen politischen Aktivitäten und Äußerungen erlangt. Dabei werde sich herausstellen, dass Ausländer- und Asylpolitik [phon.] in der politischen Arbeit Wohllebens eine untergeordnete Rolle gespielt hätten. Wohlleben habe dem medialen Totschweigen nationaler Positionen entgegenwirken wollen. Keine der durchgeführten Demonstrationen habe sich mit dem Thema Ausländer- und Asylpolitik beschäftigt. Die einzige Aktion zu diesem Thema sei eine Unterschriftensammlung gegen die doppelte Staatsbürgerschaft gewesen. Dasselbe gelte auch für Plakate und Aufkleber. Einzige Ausnahme sei Tino Brandts Aufkleber „Bratwust statt Döner“ gewesen. Auch habe Wohlleben an keinen Delikten gegen Ausländer, die von Angehörigen der KS Jena oder des THS begangen worden seien, teilgenommen. [phon.] Die Beamten hätten mehrfach persönlichen Kontakt mit Wohlleben gehabt und würden bekunden, dass Wohlleben nicht im Sinne einer ausländerfeindlichen Gesinnung aufgefallen sei. Die Beweiserhebung werde die Behauptung der Anklage widerlegen, Wohlleben habe aufgrund seiner eigenen Gesinnung ideologisch motivierte Tötungsdelikte an Mitbürgern ausländischer Herkunft in Kauf genommen.

Wohlleben-Verteidiger RA Klemke beantragt dann die erneute Ladung Christian Kapkes zum Beweis der Tatsache, dass der Zeuge nicht bei der von Carsten Schultze geschilderten Schlägerei an der Haltestelle in Winzerla anwesend gewesen sei. Die Vernehmung des Christian Kapke werde Schultze der Lüge überführen. Weiter beantragt Klemke, Niederschriften von Vernehmungen vom Mirko Sz. und Frank W. („Schmaler“) bzgl. der Schlägerei beizuziehen, aus denen Schultze vom BKA vorgehalten worden sei. Die Verteidigung benötige Akteneinsicht, um die Angaben Schultzes überprüfen zu können.

Schultzes Verteidiger RA Pausch behält sich eine Stellungnahme dazu vor. Dann ordnet Götzl das Selbstleseverfahren für mehrere Schriftstücke au den Akten an, u.a. eine „Gesamtasservatenliste“, einen Führerschein, ein Handyvertrag, ein Protokoll zur kriminaltechnischer Tatortarbeit, ein Protokoll zur Übergabe Reisemobile, ein Mietvertrag für ein Wohnmobil vom 05.09. bis zum 10.09.2011 [phon.] und ein paar Vermerke. Danach sagt Götzl: „Der morgige Termin entfällt.“ Der Verhandlungstag endet um 15:57 Uhr.

Das Blog „nsu-nebenklage“: „Heute sagte zunächst eine BKA-Beamtin erneut zu den in der Frühlingsstraße gefundenen Fernsehaufnahmen aus, die noch am Tag des Anschlags in der Keupstraße in Köln gemacht worden waren. Das Fazit ihrer Ermittlungen ist nach wie vor: es ist technisch möglich, dass diese Aufnahmen in der Wohnung in Zwickau gemacht wurden – dann aber durch Beate Zschäpe, denn Böhnhardt und Mundlos waren bei Ausstrahlung noch nicht aus Köln zurück. Es kann aber natürlich auch sein, dass ein Unterstützer in Köln oder Umgebung die Aufnahmen machte. Weiter hatte die Zeugin sich erneut mit dem Bekennervideo des NSU beschäftigt und festgestellt, dass darin auch ein Zeitungsartikel verwertet wurde, an dem sich ein Fingerabdruck von Zschäpe fand. Sodann gab der Vorsitzende den Prozessbeteiligten Gelegenheit, Fragen an die Angeklagte Zschäpe zu stellen – und diese Gelegenheit wurde umfassend wahrgenommen. […] Die Fragen zeigten zweierlei eindrücklich: zum einen, dass im Verfahren in München noch sehr sehr viele zentrale Fragen offen und aufklärungsbedürftig sind, zum anderen, dass die bisherigen Einlassungen Zschäpes offensichtlich konstruiert, lückenhaft und widersprüchlich sind. Die Angeklagte und ihre Verteidiger nahmen die Fragen zunächst entgegen und äußerten sich nicht endgültig dazu, ob diese beantwortet werden sollen – bei Abgabe der Einlassung hatten die Verteidiger ja noch angekündigt, Fragen der Nebenklage würden nicht beantwortet. Wahlverteidiger Borchert versuchte die Situation zu seinem Nutzen zu verwenden, indem er darauf verwies, dass eine eventuelle Beantwortung der Fragen viele Besprechungen erfordern und sicher Monate dauern würde. Wahrscheinlich hofft er, auf diese Weise dann doch noch die von Zschäpe immer wieder beantragte Pflichtverteidigerbeiordnung durchzusetzen. Heute wurde erneut deutlich, dass die von Zschäpes Verteidigern für sie abgegebenen Erklärungen ausschließlich ihrem eigenen Bedürfnis nach Selbstdarstellung und Inszenierung eines positiven Selbstbildes gedient haben, aber überhaupt nicht geeignet sind, ein Bild des tatsächlichen Geschehens während ihres dreizehnjährigen Zusammenlebens mit Böhnhardt und Mundlos und ihrer dreizehnjährigen Mitgliedschaft im NSU zu zeichnen.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2016/07/06/06-07-2016/

Der Beitrag Protokoll 295. Verhandlungstag – 06. Juli 2016 erschien zuerst auf NSU Watch.


Protokoll 305. Verhandlungstag – 02. August 2016

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An diesem Verhandlungstag sagt zunächst der ehemalige Staatsschützer Kö. zu seinen Erkenntnissen zu Ralf Wohlleben und der rechten Szene in Thüringen aus. Danach geht es erneut um Fragen von Nebenklage-Vertreter_innen an Beate Zschäpe.

Zeuge:

  • Ernst Kö. (KHK i.R., ehem. Staatsschutz KPI Jena, Erkenntnisse zu Ralf Wohlleben)

Der Verhandlungstag beginnt um 09:47 Uhr. Zeuge ist Ernst Kö., ehemals KPI Jena. Götzl: „Es geht uns um Herrn Wohlleben und Erkenntnisse zu Herrn Wohlleben in der Vergangenheit, als Sie noch aktiv tätig waren im Polizeidienst und hier geht es uns einfach um die Frage, inwiefern Sie überhaupt mit Herrn Wohlleben befasst waren, insbesondere Ausländer- und Asylpolitik, was Sie von seinen Ansichten, Äußerungen und Aktivitäten mitbekommen haben. Ich würde darum bitten, dass Sie auch die Kameradschaft Jena, den THS noch einbeziehen, dass Sie dazu auch noch Stellung nehmen. Ich würde Sie bitten, damit zu beginnen, inwiefern Sie überhaupt mit Herrn Wohlleben befasst waren, wie Ihre Tätigkeit ausgesehen hat.“ Kö.: „Ich bin ja seit 1990 zuständiger Leiter des Kommissariats Staatsschutz im Bereich Jena gewesen bis zum Ausscheiden 2012 und insofern hatte ich dienstliche Kontakte zu Herrn Wohlleben und allen anderen Beschuldigten, die hier Raum stehen, bekommen. Wobei die Kontakte mehr auf der dienstlichen Ebene waren, meine Mitarbeiter hatten direkteren Kontakt bei einzelnen Vernehmungen. Wobei es mal vorgekommen sein kann, dass ich mal Herrn Wohlleben persönlich vernommen habe, als Zeuge oder Beschuldigter.“

Götzl: „Was können Sie denn zu den Kontakten im Einzelnen sagen, inwiefern Ihre Dienststelle, auch Ihre Kollegen, Kontakt zu Herrn Wohlleben hatte, welche Sachverhalte, welche Ermittlungen?“ Kö.: „Nach meiner Erinnerung ist zumindest der Herr Wohlleben 1996 mir bekannt geworden in dem Sinne, dass er in diese Szene hineingehört. Von 1991 an waren es mehr Skinheadszenen, Hooliganszenen, die Probleme bereitet haben, und ’93, ’94, ’95 gab es dann die ersten Erscheinungen von Leuten wie André Kapke und dem Umfeld von ihm, das waren dann Zschäpe, Mundlos, die als Gruppe verbunden waren. Und so ’96 tauchte dann auch der Wohlleben auf. Es gab auch ein Foto von dieser Zeit, wo sie eine Feier hatten, wo sie abgebildet waren. Das entwickelte sich fortführend dann weiter, wo Herr Wohlleben sich mehr engagiert hat im Sinne von in der Kameradschaft Jena, dass er Infostände mitbetrieben hat bzw. anwesend war und solche Geschichten. Straftaten waren 1996 noch nicht bei ihm, zumindest kann ich mich nicht erinnern. Im Vorfeld war André Kapke einer der ersten in dieser Szene, der mit Straftaten, Propagandamittel, Sachbeschädigungen aufgefallen war. Herr Wohlleben war da noch nicht sonderlich mit Straftaten, staatsschutzmäßig, aufgefallen. Später entwickelten sich Kontakte mit Herrn Schwerdt, Bundesvorstand NPD, der zuständig war nach meiner Erinnerung für Thüringen, der später dann auch Landesvorsitzender wurde. Und da war Herr Schwerdt öfters zu sehen gewesen, u. a. auch mit Herrn Wohlleben. Und Wohlleben hat dann begonnen, den KV der NPD aufzubauen und zu führen als stellvertretender und dann als Vorsitzender [phon.]. Und so richtig aktiv ist er, glaube ich, 1999 geworden in der NPD.“

Götzl: „Inwiefern?“ Kö.: „Dass er jetzt Funktionsträger war. Bis dahin war es mehr und weniger, also zumindest keine echte Mitgliedschaft, jedenfalls habe ich da keine Erkenntnisse.“ Götzl: „1999 wäre er richtig aktiv geworden im Sinne eines Funktionsträgers, können Sie das noch näher ausführen?“ Kö.: „Ich hatte den Eindruck, es gab Bestrebungen, – nicht nur der NPD, sondern die Jahre zuvor auch der Partei Die Republikaner, dann der DVU, der NPD – Einfluss zu gewinnen in Thüringen, aber auch insbesondere im Umfeld Jena. Und mehr oder weniger hat sich die NPD als solche durchgesetzt und mit der KV-Gründung durch Herrn Wohlleben war er aktiv, hat versucht, weitere Mitglieder zu werben und in den KV mehr Struktur rein zu bringen, im Sinne von Mitgliederschulungen, Mitgliedsbeiträge einzutreiben, dass es eine geordnete Partei in dem Sinne wird. Später hat er versucht, weitere KV-Gründungen im Umland von Jena, Saale-Holzland-Kreis, anzuregen, da gab es einen Herrn Ja., der enge Kontakte zu Wohlleben hatte, ist mir in Erinnerung, dort einen KV zu installieren [phon.]. Das ist aber eine relativ kurzfristige Erscheinung geblieben.

Später ist er aktiver geworden im Rahmen der NPD, hat sich engagiert im Landesvorstand [phon.], war dort dann Pressesprecher meines Wissens nach, war dort stellvertretender Landesvorsitzender, hat sich in den Ortschaftsrat wählen lassen in seinem Wohngebiet, einmal in Jena-Winzerla und später nochmal Ortschaftsrat Jena-Altlobeda. Soweit meine Erkenntnisse vorliegen, hat er sich dort relativ engagiert eingebracht im Sinne von Bürgerproblemen. Negativ im Sinne von NPD-Parteipolitik oder rechtsradikale Tendenzen gab es nie Hinweise, die zu uns gelangt sind. Später kam es ja dann zu möglicherweise Zerwürfnissen. Es wird kolportiert, dass es da um Führungsansprüche in der NPD ging. Es gab diesen Patrick Wieschke, wo es dann wahrscheinlich persönliche Animositäten gab, und Herr Wohlleben ist dann mehr oder weniger aus der NPD ausgeschieden, ich glaube 2009, zumindest als aktives Funktionsmitglied. In seiner Zeit im KV Jena hat dann auch seine Ehefrau mitgearbeitet, sie war nach meinem Wissensstand als Schatzmeisterin eingesetzt oder Kassenwart. Zu dem letzten Stand, was ich an Zahlen hatte, waren so ca. 20 Mitglieder eingeschrieben bei diesem Kreisverband in Jena. Es war immer das Bestreben, denke ich mir, beim Herrn Wohlleben gewesen, viele Mitglieder in die NPD zu werben, im Jugendbereich bzw. bei jungen Erwachsenen, man versuchte über die Schiene Konzertveranstaltungen Kontakt zu bekommen, so Rechtskonzerte [phon.] mit Bands, die z. T. konspirativ vorbereitet worden sind, durch Mund-zu-Mundpropaganda, der eine bringt den anderen mit, so sinngemäß.“

Götzl: „Was können Sie denn noch einerseits zur Kameradschaft Jena, andererseits zu THS und ggf. Aktivitäten von Herrn Wohlleben in Zusammenhang damit sagen?“ Kö.: „Hebt sich nicht ab. [phon.] Hinsichtlich Aktivitäten der Kameradschaft Jena bin ich der Auffassung, das war mehr eine Entstehungsgeschichte um André Kapke, der die Kameradschaft Jena ins Leben gerufen hat. Irgendwann ist dann sicherlich der Herr Wohlleben dazu gestoßen und andere aus dieser Szene. Ich hatte bis dahin keinen Eindruck, dass sich der Herr Wohlleben im Sinne von militanten Äußerungen, Taten, Straftaten hervortun würde. Ich habe keine Kenntnisse, dass von ihm Straftaten ausgegangen sind oder er beteiligt war. Er hat sich immer, für meine Auffassung, im Hintergrund gehalten und war clever genug bzw. intelligent genug, sich auf diese Dinge nicht einzulassen [phon.]. Anfangsweise. Es gab dann eine Umgruppierung, da führte Tino Brandt den Thüringer Heimatschutz ein, wo man versuchte, alle Kameradschaften in Thüringen zu integrieren. Es bildete sich noch eine Untergruppierung [phon.] aus, die nannte sich Anti-Antifa Jena bzw. – Thüringen [phon.], wo man gegen die militanten Kräfte der linken Szene vorgehen wollte bzw. sich [phon.] verteidigen wollte. Es gab ja immer Auseinandersetzungen rechts-links. Und später wurde dann federführend der THS mit Tino Brandt an der Spitze, bis er dann zerfiel und sich wieder eine Kameradschaft Jena etablierte oder das Freie Netz Jena mit Ablegern in Kahla, wo auch bekannte Persönlichkeiten – in Anführungszeichen – integriert waren. [phon.]“

Götzl: „Was jetzt einzelne politische Aktivitäten der Kameradschaft Jena einerseits angeht und andererseits die Frage danach, ob Herr Wohlleben in dem Zusammenhang eine Rolle gespielt hat und ggf. welche?“ Kö.: „Nach meiner Auffassung hat Herr Wohlleben alles, was parteipolitisch mit der NPD zu tun hatte, Infostände, Mahnstände, Demoveranstaltungen, Kundgebungen, da hat er versucht, Personen vorzuschicken als Anmelder und im Hintergrund blieben immer oder oftmals der Herr Wohlleben und der Herr Kapke. Und insbesondere aktiv wurde Wohlleben dann beim Thüringentag der Nationalen Jugend. Eine Veranstaltung, die jährlich stattfinden sollte in verschiedenen Orten. [phon.] Die erste Veranstaltung fand in Jena statt und dort reisten dann überregional Leute der rechten Szene an.“ Innerhalb des Thüringentags sei dann der Jugendverband der NPD, JN, aktiv gewesen, dem lange ein gewisser Christian Kaiser vorgestanden habe [phon.].

Götzl: „Welche politischen Aktivitäten hat denn jetzt die Kameradschaft entfaltet und in welcher Form?“ Kö.: „Es gab verschiedene Demonstrationsanmeldungen. Schwerpunkt bildete später das Fest der Völker, was auch erstmals in Jena stattgefunden hat 2005. Wo Personen der Parteienszene, auch der rechtskonservativen, NPD, Republikaner [phon.], und natürlich auch diese Kameradschaften aktiv an diesen Veranstaltungen teilgenommen haben. Es wurde thüringenweit zu Demonstrationen aufgerufen. Markant ist der Rudolf-Heß-Gedenktag, der am 17.08. stattfand, da versuchte man auch in Jena mehrere Veranstaltungen durchzuführen, wo es dann auch immer heftige Auseinandersetzungen gab mit der linken Szene und teilweise Protestaktionen der Zivilbevölkerung [phon.]. Hintergrund war immer NPD oder aber Kameradschaft.“ Götzl: „Gab es denn jetzt in Zusammenhang mit den von Ihnen aufgezählten Veranstaltungen und Demonstrationen, gab es denn da irgendwelche politische Parolen, Äußerungen? Wobei ich da bitte, immer zu unterscheiden: von der Kameradschaft Jena, vom THS und dann auch von Wohlleben.“ Kö.: „Zumindestens der Herr Wohlleben ist beim Thüringentag der Nationalen Jugend oftmals mit Schwerdt und aber auch anderen als Redner aufgetreten. Schwerpunktmäßig ging es immer darum, dass die Regierung, die etablierten Parteien versagt haben. Das Problem Ausländer im Sinne Überfremdung spielte immer eine Rolle. Man war der Meinung, zu viele Ausländer gäben zu viele Probleme in der Bundesrepublik. Man solle sich zusammenschließen, die freien Kräfte, die nationalen Kräfte sollten sich verbinden, um einen Gegenentwurf zu den etablierten Parteien zu bilden. Die Reden sind oft ausgewertet worden, ob sie strafbar sind. Sie waren mal grenzwertig, aber ich kann mich nicht erinnern, dass Herr Wohlleben mal eine Straftat im Sinne einer Volksverhetzung von sich gegeben hätte.“

Götzl fragt, ob es Äußerungen Wohllebens zu „Überfremdung“ gegeben habe, oder dass es zu viele Ausländer gebe. Kö.: „Ja, das war immer der Tenor dieser Redner, die meistens aus rechtsradikalen Kreisen waren. Egal ob das aus Thüringen, Deutschland war oder Bürger aus Europa , z. B. Slowakei, Russland. [phon.] Insbesondere beim Fest der Völker, wo dann relativ rechtsradikale Reden gehalten wurden. Bestimmte Äußerungen von Herrn Wohlleben habe ich jetzt nicht mehr in Erinnerung, immer nur der allgemeine Tenor.“ Götzl: „Gab es sonstige Veranstaltungen, Versammlungen, neben dem Fest der Völker 2005 und den Demonstrationen, die Sie noch in Erinnerung hätten?“ Kö. „Ja, dieses Fest der Völker sollte wiederholt werden, 2006, wenn ich mich richtig erinnere. Da musste es aber abgesagt werden, denn zu dem Zeitpunkt fand die Fußball-WM statt und da war so genannter polizeilicher Notstand zu verzeichnen in Jena. Es fand dann aber noch weitere Male statt, teilweise in Pößneck, Altenburg, wo es Auseinandersetzungen gab mit der linken Szene, autonome Szene, wo es zu heftigen Straftaten, Landfriedensbrüchen kam.“ [phon.]

Götzl: „Welche Rolle spielte Herr Wohlleben beim Fest der Völker 2005?“ Kö: „Er war zumindest Mitorganisator, zusammen mit André Kapke. Die haben die organisatorischen Dinge gemanagt, sich teilweise um die Musikbands gekümmert. Es wurde Eintritt erhoben, Solidaritätsspenden sinngemäß. Die Unterkünfte wurden, denke ich, mit von denen gemanagt. Das haben die alles gemanagt, Kapke, Wohlleben und sicherlich noch andere. [phon.] Wobei, am Anfang hat man immer einen No-Name vorgeschickt, jemanden, wo sie vielleicht dachten, der ist bei der Stadt Jena oder der Polizei weniger bekannt. Aber nachdem wir den Namen hatten, wussten wir, der gehört in die rechte Szene und ist ein vorgeschobener Anmelder. Weil man hatte ja immer die Befürchtung bei Herrn Wohlleben, Herrn Kapke und anderen, dass wenn sie Dinge anmelden, dass man mit ziemlichen Gegenmaßnahmen der Stadt rechnen musste. Auflagen usw. Man hat immer versucht, derartige Rechtsveranstaltungen zu unterbinden bzw. zu verkleinern.“ Götzl: „Gab es mal irgendwelche Unterschriftsaktionen im Zusammenhang mit Herrn Wohlleben?“ Kö.: „Später, nach seiner Inhaftierung, gab es beim Thüringentag eine so genannte Solidaritätsaktion für ‚Wolle‘, Spitzname für Herrn Wohlleben, wo man Geld gesammelt hat für die Ehefrau und die Kinder. Das kenne ich noch.“

Götzl: „Und in den 90er Jahren?“ Kö.: „Sicherlich haben die Leute wie Wohlleben, Kapke, das Umfeld, die keinen festen Tätigkeiten nachgegangen sind, finanzielle Probleme gehabt, man hat sicherlich immer versucht, dort Geld zu sammeln. Aber direkt, Wohlleben hat eine Geldsammlung angeschoben, das entzieht sich meiner Kenntnis.“ Götzl: „Waren Sie selbst auch vor Ort gewesen bei Veranstaltungen?“ Kö.: „Teils, teils, das kam auf die Aufgabenstellungen an. Wenn ich im Zuge der Aufklärung eingebunden gewesen war, war ich dort im Umfeld der rechten Szene unterwegs, ‚Fest der Völker‘ z. B., Seidelplatz, [phon.] um zu gucken, was läuft da ab, welche Leute kennt man. Aber überwiegend war ich in der Strafverfolgung tätig. Da gibt es Straftaten sowohl rechts als auch links an solchen Tagen, die bearbeitet werden mussten.“ Götzl: „Haben Sie sich auf heute nochmal vorbereitet anhand von Unterlagen oder ist das aus der Erinnerung?“ Kö.: „Teilweise meine eigenen Erkenntnisse, teilweise habe ich nochmal im Internet nachgeschlagen bzw. nachgelesen, vom Thüringer Untersuchungsausschuss steht ja viel im Internet im Zusammenhang mit NSU als solchem.“ Götzl: „Und die Informationen hier, sind das die, die Sie als Dienstleiter [phon.] selbst gewonnen haben oder sind auch andere Informationen eingeflossen?“ Kö.: „Das sind die Erkenntnisse, die nach meiner Erinnerung so gewesen sind, wie ich es berichtet habe.“ [phon.]

Götzl: „Plakatierungen, Aufkleber, können Sie dazu noch etwas sagen in Zusammenhang mit Kameradschaft Jena, THS und Herrn Wohlleben, auch im Hinblick auf Frau Zschäpe, Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und die anderen Angeklagten?“ Kö.: „Sicherlich muss man da nochmal trennen zwischen der Kameradschaft, sprich denen ihren Aktivitäten, dass sie insbesondere über Kapke und weitere Flyer verteilt haben oder angeschlagen an Laternenmasten und alles, wo Freiflächen waren, teilweise gegen die Ausländerproblematik Parolen verfasst. Ich kann mich erinnern an ein Bild, da sieht man einen typisch türkischen oder arabischen Bürger auf einem Teppich, der fliegt zurück in die Türkei oder den Orient. Also solche Dinge wurden verteilt. Es gab auch Flyer mit antisemitischem Hintergrund, das Profil, wo man Juden so dargestellt hat, wie man im Nationalsozialismus einen Juden dargestellt hat, mit der typischen Physiognomie. Solche Geschichten gab es. Und dann die der NPD mehr Wahlwerbung. Da gab es schon eine Trennung. Während die einen strafrechtlich verfolgt wurden, waren die anderen außer Sachbeschädigung meist strafrechtlich nicht weiter relevant.“

Götzl: „Inwiefern waren sie mit Frau Zschäpe befasst?“ Kö.: „Ich kannte sie dienstlich. Ich wusste, wer Frau Zschäpe ist. Sie war ja auch mehrmals zu Vernehmungen auf der Dienststelle und wurde von meinen Kollegen vernommen als Beschuldigte oder Zeugin wegen verschiedener Delikte, ohne das konkretisieren zu können, was das im Detail war.“ Götzl: „Und Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt?“ Kö.: „Die waren natürlich hinlänglich bekannt, im Vorfeld schon. Die waren immer schon, wenn Straftaten irgendwo im Raum waren, waren sie in der Nähe gewesen oder mit dabei.“ Kö. spricht von Hinweisen auf Straftaten, die man der Gruppierung um Kapke, Wohlleben oder mehr Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe zugeordnet habe: „Schmierereien, Hakenkreuzschmierereien am Nordfriedhof, ’96 das Aufhängen einer Puppe an einer Heizungstrasse mit Judenstern [phon.], später dann die Puppe bei der Autobahnbrücke in Bucha-Pösen [phon.], in Verbindung mit einer USBV [= Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung]. Das ist [phon.] der harte Kern, die sich doch zu solch massiven Straftaten hinreißen lassen oder sie durchführen. Da kam es dann aufgrund dieser Häufung von Straftaten dazu, dass das LKA im Form der Soko Rex diesen Komplex übernommen hat.“

Götzl: „Hinweise auf diese Personen Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe, Wohlleben, harter Kern. Da muss ich hinterfragen, damit ich weiß, was Sie meinen. Welche konkreten Hinweise sind gemeint?“ Kö.: „Ja, konkrete Hinweise. Dass sich dann später rausgestellt hat durch Ermittlungen der Soko Rex, dass es von diesen Leuten kam. Der Verdacht bei uns war: Wir haben hier einen harten Kern, nicht Mitläufer, sondern abgeschottete Gruppe schon, die doch relativ sehr konspirativ vorgegangen sind. Es gibt Beispiele bei versuchten Observationen, wo das erkannt wurde, wo die dann flüchten. Dem Herrn Wohlleben ist mal hinterher gefahren worden durch ein Zivilfahrzeug und kurz vor der Ampel [phon.] fährt er dann doch noch los, um den Verfolger abzuschütteln. Man hat sich immer verfolgt gefühlt. Irgendwann waren die in Befragungen waren schon so abgeschottet, dass sie grundsätzlich keine Angaben mehr gemacht haben. [phon.] Aus diesem Kreis selber wurde nichts mehr zur Sache ausgesagt.“ Götzl fragt, welche Personen zu diesem harten Kern gehört hätten. Kö.: „Diese Gruppierung Mundlos, Böhnhardt, Gerlach zählte noch dazu, Kapke, Frau Zschäpe. Das war der früher enge Freundeskreis, wo Wohlleben später dazu kam. Die waren eng verbunden und das war für uns die gefährliche Gruppe.“

Götzl: „Gefährlich, in welcher Hinsicht?“ Kö.: „Dass die Straftatenintensität zugenommen hat, gerade ’96 und ’97, mit der Ablage der Kofferbombe am Theatervorplatz. Das sind Zeichen gewesen für uns: Diese Militanz nimmt zu. Wobei man bei der Kofferbombe wohl nur zeigen wollte: Wir haben die Fähigkeiten so ein Ding zu bauen oder zu basteln, aber wir wollen es noch nicht zünden, weil es ja keinen Zünder gab. Das sind so die Erkenntnisse, auch aus der Soko Rex, die ich so weiß. Aber wer sich mit sowas beschäftigt, da kann man eine größere kriminelle Intensität unterstellen, denke ich mir.“ Götzl: „Ab wann übernahm das LKA Thüringen die Ermittlungen?“ Kö.: „Wenn ich mich recht erinnere, Mitte ’96, wenn nicht im Frühjahr ’96. Diesen Komplex von besonderen Straftaten, inklusive das Aufhängen der Puppe an der Autobahn, USBV-Attrappen, diese Briefbombenattrappen, die an die Stadt Jena, die Polizei [phon.] und die TLZ gingen, diese ganze Verfahren wurden dann zentral beim TLKA bearbeitet.“

Götzl fragt, ob Kö. auch mal Wohlleben vernommen habe oder persönlichen Kontakt zu ihm gehabt habe. Kö.: „Es gab auch verschiedene Verfahren, wo z. B. Frank Schwerdt in seiner Funktion entweder als Kreisvorsitzender oder schon Landesvorsitzender Anzeigen erstattet hatte gegen Vertreter der Stadt Jena, beim OB angefangen, oder gegen die Versammlungsbehörde. Und in dem Zusammenhang ist es, glaube, vorgekommen, dass ich Herrn Wohlleben als Zeugen vernommen habe. Ich habe nicht in Erinnerung, dass ich Herrn Wohlleben als Beschuldigten vernommen habe, ich persönlich, das ist mir nicht in Erinnerung.“ Götzl fragt, wie Wohllebens Verhalten dabei gewesen sei. Kö.: „Der Herr Wohlleben, das muss man aus meiner Sicht sagen, war in den Anfangsjahren im Umgang mit Polizeibehörden und Beamten noch kooperativ, er hat sich normal verhalten, nicht versucht bestimmte Dinge durchzusetzen, nicht aggressiv verhandelt und ähnliches. Das kenne ich auch aus Gesprächen mit der Versammlungsbehörde. Er wollte immer einen gepflegten Umgang mit den Behörden, egal ob Sicherheitsbehörden oder mit der Verwaltung. Das hat sich dann möglicherweise später geändert.

Ich kann mich erinnern, das erste Fest der Völker war durch die Behörde genehmigt worden auf dem Markt der Stadt Jena. Von dort gab es Widerspruch. Dann kam es aber zur Verlegung an den so genannten Gries in Jena. Und noch in den Abendstunden zuvor wurde dann durch die linke Szene und Kräfte des zivilen Ungehorsams dieser Platz besetzt und so konnte die Veranstaltung dort auch nicht stattfinden. Kapke und Wohlleben haben sich ziemlich echauffiert, auch im Umgang mit dem Einsatzführer. Als Alternative hat man dann vorgeschlagen, das zu verlegen, an den Ortsrand Lobeda, Parkplatz vom Hornbach. Aber dieser Umgang war dann doch sehr enttäuschend für Herrn Wohlleben. Es gab noch einen Anruf in der Nacht an die Polizeiführung, wo er mitgeteilt hat, dass Personen der linken Szene den ursprünglichen [phon.] Platz besetzen wollen und er hatte wohl gehofft, dass die Polizei Maßnahmen ergreifen würde. In der Folgezeit anderer Umgang. [phon.]“ Götzl: „Haben Sie in Erinnerung, ob es irgendwann mal Vorwürfe, Ermittlungen Im Hinblick auf Herrn Wohlleben gab: Gewaltdelikte, Körperverletzungsdelikte?“ Kö.: „Mir ist nur ein KV-Delikt an einer jungen Frau in Erinnerung, wo er mit einem zweiten Täter, es gab auch ein Urteil, ich weiß nicht, ob es der Herr Kapke war, es wurden Ohrfeigen ausgeteilt angeblich. Die Beschuldigten hatten von anderen Tätlichkeiten gesprochen. Ich glaube, es gab auch eine rechtskräftige Verurteilung in der Sache, ich weiß nicht, ob einen Strafbefehl.“ [phon.] Götzl fragt, wann das gewesen sei. Kö.: „2002, 2003, da will ich mich jetzt nicht festlegen.“

Götzl: „Wissen Sie, ob Herr Wohlleben irgendwelche Internetseiten betrieben hat, haben Sie da Erkenntnisse gewonnen?“ Kö.: „Wohlleben hatte eine Ausbildung als Fachinformatiker genossen und da war er sicherlich sehr gut in der Handhabung von Computerproblemen und Internet etc. Und soviel ich weiß, hat er alles was das anging für die NPD und den KV Jena bewerkstelligt.“ Götzl: „Inhalte, haben Sie da eine konkrete Erinnerung?“ Kö.: „Nee, kann ich jetzt nicht sagen.“ Götzl: „Können Sie was zu Ausländer- und Asylpolitik, zu Inhalten von Internetseiten sagen?“ Kö.: „Nee, das tut mir leid, dazu nicht. Aber, wie gesagt, allgemeine Tenor bei Wohlleben und anderen war immer: Wir haben zu viele Ausländer hier, in Jena, in Thüringen, der Staat versagt hier, dagegen ist die NPD, dagegen bin ich als persönlich als Ralf Wohlleben. Das war sicherlich seine ideologische Überzeugung. Es gab mal eine Umfrage in Jena, wo man zu Gewalt gegen Ausländer Schüler befragt hat. Das war ein erschreckendes Ergebnis. 23, 24 Prozent der männlichen Schüler war bereit, Gewalt gegen Ausländer zu begehen oder zu tolerieren, und es gab eine Minderheit, die dagegen waren und eine Neutralität von Leuten, die ‚alles egal‘ dazu gesagt haben. Aber es war schon erschreckend, Schüler, der 8., 9., 10. Klasse, wie viele dazu bereit waren in der Zeit. Und die Stimmungslage war auch allgemein relativ ausländerfeindlich motiviert und das haben NPD und Co. versucht auszunützen. Man muss sagen, Jena hatte minimalen Anteil an Ausländern, vielleicht 1 oder 2 Prozent, und da waren nicht Migranten aus arabischen oder afrikanischen Ländern Schwerpunkt, sondern mehr die ausländischen Studenten. Das war eher kein Vergleich mit den Schwerpunkten in den Altbundesländern, Städte, wo in Größenordnungen ein Ausländeranteil vorhanden war und ist. [phon.]“ Götzl legt eine Pause ein.

Um 11 Uhr geht es weiter. Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders: „Sie sagten vorhin, dass Reden aufgezeichnet und später ausgewertet worden sind. Wer war dafür zuständig?“ Kö.: „Ich hatte gesagt, die Versammlungsreden wurden teilweise aufgezeichnet und unmittelbar ausgewertet und wenn keine strafrechtliche Relevanz bestand, unmittelbar vernichtet.“ Schneiders: „Wer hat das gemacht?“ Kö.: „Unterschiedlich.“ Schneiders: „Wer war der Kollege im Auswertebereich?“ Kö.: „Es gab in dem Sinne keinen Auswertebereich, weil wir so viele Kollegen ja nicht hatten. Wie gerade die Situation war, wurde jemand beauftragt, die Reden zu prüfen.“ Schneiders: „Wer kam denn dafür in Betracht?“ Kö.: „Eigentlich die Mitarbeiter meines Kommissariats.“ Schneiders: „Wer war das?“ Kö.: „Na gut, ich habe eine Aussagegenehmigung, zu Struktur und Personen, da geht meine Aussagegenehmigung nicht soweit, dass ich zu den Personen meines Kommissariats Aussagen machen sollte.“ Auf Bitten Götzls übergibt Kö. dem Vorsitzenden die Aussagegenehmigung. Götzl liest die Aussagegenehmigung auszugsweise vor, u.a. dass Kö. nicht zu Strategie, Taktik usw. und zu organisatorischen, personellen Fragen aussagen dürfe, davon gebe es aber die Ausnahme der Zeugenbenennung eingesetzter oder anderer Mitarbeiter der eigenen Dienststelle oder anderer Behörden.

Götzl: „Welchen Punkt haben Sie im Auge?“ Kö.: „Diesen letzten hier. Zumindest als Zeuge war ja der Herr Tu. noch vorgeladen, das wäre die einzige Ausnahme.“ Schneiders sagt, sie sehe das anders, es sei gerade von der Aussagegenehmigung gedeckt, dass Kö. die Sachbearbeiter benennen darf. Götzl sagt, letztlich müsse es Kö. entscheiden, aber er verstehe es auch so, dass das von der Aussagegenehmigung umfasst ist: „Aber wenn Sie meinen, dass es nicht gedeckt ist, müssten Sie halt Rückfrage halten.“ Kö.: „Dann müsste ich rückfragen.“ Götzl: „Dann stellen wir das zurück.“ Schneiders: „Können Sie noch eine Differenzierung zwischen Organisationen vornehmen, zwischen NW Jena, zwischen THS, zwischen KS Jena, zwischen NPD und Freies Netz? Wann welche Organisationsform es gab, wer da zugehörte, ob es unterschiedliche Kreise waren?“ Kö.: „Die erste Erscheinungsform war ja die KS Jena und später kam dann NW Jena hinzu. Das FN Jena war, als ich zuletzt noch im Dienst war, vorrangig. Und das Personal oder die Mitglieder wechselten in unterschiedlichen Formen. Einmal war es Kameradschaft, später zählte es zum Freien Netz. Man konnte nicht sagen, enge strukturierte Form, dass man sagen könnte immer die selben Leute. [phon.]“

Schneiders: „Und eine zeitliche Einordnung?“ Kö.: „So ’95,‘ 96 die ersten Formen schon Kameradschaft Jena, die dann eingebunden wurde in den THS. Fortlaufend gab es dann diese Anti-Antifa, später die Erscheinungsformen [phon.] der ‚Braunen Aktionsfront‘. Das spielte auch mal eine Rolle. Wobei ich nicht weiß, wer da dabei war, es gab ja keine Mitgliederlisten und Schriftstücke, aus denen das so konkret hervorgeht.“ Schneiders fragt, ob es einen Erkenntnisaustausch zwischen dem VS und Kö.s Ermittlungsbehörde in Bezug auf Mitglieder und Erscheinungsformen gegeben habe. Kö:. „Den gab es dahingehend, dass unsere Erkenntnisse dem LfV Thüringen zur Verfügung gestellt worden sind.“ Schneiders fragt, ob das auch andersherum gelaufen sei. Kö.: „Wenn bestimmte Personen, die in unser Blickfeld geraten waren, wenn da mehr Hintergrundwissen beim LfV lag, wurde versucht anzufragen, ob es da mehr Kenntnisse gibt.“ Schneiders: „In welchen Strukturen war Herr Wohlleben aktiv und was wissen Sie dazu“? Kö.: „Zumindest aus unserer Sicht in der losen Form in der KS Jena und insbesondere später dann bei der NPD Jena in der Funktionsebene und auch in Form des Freien Netzes, da war Wohlleben dazu gerechnet. Aber auch THS allgemein, die Personen von Tino Brandt, Thorsten Heise und andere Rechtsradikale Thüringens waren untereinander eng vernetzt und bekannt.“

Schneiders: „Gab es auch Streitigkeiten zwischen Personen, Sie erwähnten vorher Wieschke, gab es auch in Bezug auf Tino Brandt oder Thorsten Heise Differenzen?“ Kö.: „Auch mit Brandt muss es möglicherweise Probleme geben haben, später als da durchsickerte, er wäre eventuell Quelle des Verfassungsschutzes. Es gab auch Probleme mit Herrn Thomas Dienel früher, ’94, ’95, ein bekannter Rechtsradikaler aus Weimar. Da gab es unterschiedliche Animositäten [phon.], wahrscheinlich mit dem Hintergrund: Wer hat das Sagen in Jena, wer hat das Sagen in Thüringen?“

Wohlleben-Verteidiger RA Klemke: „Der Herr Vorsitzende hatte Sie vorhin nach Unterschriftensammlungen gefragt und Sie hatten geantwortet im Bezug auf Geldsammlungen, und sagten, es seien Ihnen keine großen Geldsammlungen bekannt. Die Frage nach Unterschriftensammlungen haben Sie nicht beantwortet.“ Kö.: „Die sind mir als solche auch nicht bekannt.“ Klemke: „Thema Doppelte Staatsbürgerschaft, sagt Ihnen das was?“ Kö.: „Das sagt mir schon was vom Thema her, dass es Umfragen gab oder Unterschriftensammlungen, das kann durchaus möglich sein, aber es entzieht sich in Bezug auf Wohlleben und andere Leute meiner Kenntnis.“ Klemke: „Und in Bezug auf Organisationen, Kameradschaften oder Parteien?“ Kö. sagt, da sei ihm nichts bekannt. [phon.] Klemke: „Sie erwähnten, dass der Herr Wohlleben erst stellvertretender Vorsitzender des KV gewesen sei, später dann Vorsitzender. Wer war denn Vorsitzender des KV der NPD Jena, als Herr Wohlleben Stellvertreter war?“ Kö.: „Wenn meine Erinnerungen richtig sind, müsste das der Herr Schwerdt gewesen sein. Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, aber ich meine, dass er diese Funktion mal hatte. Kann aber auch eine Verwechslung sein. Ich stelle das mal in den Raum.“ Klemke: „Sie sind sich nicht sicher?“ Kö.: „Nicht absolut.“

Klemke: „Sie erwähnten einen Flyer oder ein Plakat mit dem Motiv eines fliegenden Teppichs. Wissen Sie, was das konkret war: Ein Flyer? Ein Aufkleber? Ein Plakat?“ Kö.: „Mehr ein Flyer bzw. Aufkleber, die gab es in unterschiedlichen Größen, die wurden teilweise in der Szene gehandelt oder weitergegeben, um sie bei verschiedenen Aktionen anzubringen.“ Klemke: „Wann ist Ihnen dieses Motiv untergekommen?“ Kö.: „Kann ich nicht konkret sagen, weil es immer wieder solche Erscheinungen gab, dass bestimmte Flyer und Flugblätter mit rechtsradikalem Hintergrund in Erscheinung getreten sind.“ Klemke: „Wer zeichnete da verantwortlich?“ Kö.: „Oftmals war kein Impressum erkennbar, schon gar nicht bei denen, die strafrechtlich relevant waren.“ Klemke: „Und bei diesem konkreten Flyer mit dem fliegenden Teppich?“ Kö.: „Da war mir eigentlich kein Impressum bekannt.“ Klemke: „Ist der strafrechtlich gewürdigt worden?“ Kö.: „Durch die Polizei, durch uns, wir haben das als Volksverhetzung gewertet und versucht zu ermitteln.“ Klemke: „Ist Ihnen eine Einschätzung der Justiz bekannt, der Staatsanwaltschaft?“ Kö.: „Bei grenzwertigen Flyern wurde meist eine Beurteilung der Staatsanwaltschaft beigezogen, um nicht unnötige Ermittlungen zu führen. Wo für uns das zweifelsfrei war, wurden Ermittlungen aufgenommen und später der Staatsanwaltschaft vorgelegt.“

Klemke: „Hier konkret: Haben Sie da nachgefragt?“ Kö.: „Meistens war ein Täter nicht bekannt und oftmals wurden die Verfahren eingestellt durch die Staatsanwaltschaft.“ Klemke: „Mich interessiert, ob dieser konkrete Flyer einer rechtlichen Würdigung z. B. durch die Staatsanwaltschaft zugeführt worden ist.“ Kö.: „Ja, in Zusammenhang mit der Ermittlungsakte dann.“ Klemke: „Haben Sie da ein Ergebnis?“ Kö.: „Nein, für uns war klar, hier ist mindestens ein Straftatbestand verwirklicht.“ Klemke: „Wie oft ist dieser Flyer angefallen bei Ihnen?“ Kö.: „Es kamen ähnlich geartete Flyer, waren in Umlauf zu anderen Daten, ich kann mich nicht konkret erinnern.“ Klemke: „Was heißt ähnlich, statt Teppich ein Fußabtreter oder was?“ Kö.: „Solche Flyer sind immer mal wieder aufgefallen.“ Klemke: „Was heißt jetzt ’solche Flyer‘?“ Kö.: „Mit antisemitischen oder teilweise ausländerfeindlichen Inhalten.“ Klemke: „Welche Inhalte waren denn das, die ausländerfeindlichen?“ Kö.: „Sinngemäß Parolen wie ‚Ausländer raus‘, ‚Deutschland den Deutschen‘.“ Klemke: „Und solche gab es?“ Kö.: „Solche gab es.“ Klemke: „Von wem rausgegeben?“ Kö.: „Unbekannt.“ Klemke: „Unbekannt, aha. Wann haben Sie diesen Flyer mit der Parole ‚Deutschland den Deutschen, Ausländer raus‘ – so habe ich Sie verstanden – festgestellt?“ Kö.: „Ich kann das jetzt nicht mehr beziffern, ob das 1996 oder 2004 war.“

Klemke fragt, ob Kö. auch den mit dem „so genannten Fliegenden Teppich“ zeitlich nicht einordnen könne. Kö.: „Ich möchte mich nicht festlegen.“ Klemke: „Nicht mal eine Eingrenzung?“ Kö.: „Es tut mir leid, ich kann da keine zeitliche Eingrenzung vornehmen.“ Klemke: „Gab es denn z. B. hinsichtlich dieses Flyers mit dem fliegenden Teppich einen konkreten Tatverdacht gegen eine Person?“ Kö.: „Nein.“ Klemke: „Und hinsichtlich des Aufklebers ‚Deutschland den Deutschen, Ausländer raus‘?“ Kö.: „Hätte es einen konkreten Tatverdacht gegeben, hätten wir Ermittlungen aufgenommen mit den entsprechenden Vernehmungen. Aber, wie gesagt, bei dieser wörtlich [phon.] äußerst ausländerfeindlichen und antisemitischen Form, da gab es keine Tatverdächtigen.“

Klemke: „Vorher erwähnten Sie Redebeiträge des Herrn Wohlleben. Von wann stammt denn der erste Redebeitrag von Herrn Wohlleben, der Ihnen bekannt geworden ist?“ Kö.: „Herr Wohlleben hat verschiedene und viele Reden gehalten, an verschiedenen Orten und verschiedenen Anlässen. Was mir in Erinnerung geblieben ist, war der Thüringentag der Nationalen Jugend 2005, wenn ich mich jetzt nicht irre. Es gab ja immer verschiedene Personen, auch die Versammlungsbehörde der Stadt Jena, die auch vor Ort war und geprüft hat, ob es relevante Aussagen gibt, um möglicherweise die Versammlungen abzubrechen. Teilweise mussten wohl auch Redemanuskripte und Reden mal vorgelegt werden bei der Versammlungsbehörde, bin mir aber nicht sicher.“ Klemke fragt nach konkreten Erkenntnissen. Kö.: „Ich bin mir nicht sicher, ob es beim Fest der Völker solche Varianten gab, dass in den Vorgesprächen zwischen der Versammlungsbehörde und dem Veranstalter solche Dinge besprochen wurden oder zumindest gewisse Auflagen gemacht wurden.“

Klemke: „Sie erwähnten eine Rede von Herrn Wohlleben beim Thüringentag der Nationalen Jugend 2005. Ist das der erste Redebeitrag, der Ihnen in Erinnerung ist?“ Kö.: „Zumindest, wo vor einer größeren Öffentlichkeit Reden gehalten worden sind. Wohlleben, Wieschke, Schwerdt und, glaube ich, der Herr Kaiser hat da auch noch gesprochen.“ Klemke: „Wann fand der erste Thüringentag der Nationalen Jugend statt?“ Kö.: „Ich glaube 2005.“ Klemke: „Können Sie sich noch an ein Motto erinnern, unter dem eine bestimmte Veranstaltung, sei es ein Aufzug oder eine Versammlung, stand, bei der Herr Wohlleben gesprochen hat?“ Kö.: „Beim Fest der Völker war es immer das gleiche Motto und beim Thüringentag auch, als Überschrift.“ Klemke: „Welches Motto?“ Kö.: „Der ‚Vierte‘ oder ‚Fünfte‘ Thüringentag der Nationalen Jugend‘.“ Klemke: „Nein, das Motto, gab es Schwerpunkte der Thematik?“ Kö.: „Es war sicherlich immer Ziel, an solchen Tagen einmal im Jahr die Szene zusammenzubringen. Es wurde im gesamten Land Thüringen geworben: Kommt zum Thüringentag der Nationalen Jugend!“ Klemke: „Abgesehen vom Thüringentag und dem Fest der Völker, gab es zuvor Veranstaltungen, bei denen Ihnen noch das Motto in Erinnerung ist?“ Kö.: „Nein .“

Klemke: „Sie sagten, es habe in Ihrem Bereich, ich nehme an Dienststellenbereich, immer Auseinandersetzungen zwischen rechts und links gegeben. Was ist Ihnen dazu bekannt?“ Kö.: „Seit Mitte 1989, 1990, 1991 gab es insbesondere Auseinandersetzungen durch so genannte Skinheads und Hooligans. Man sah den politischen Gegner, der oftmals aus der Jungen Gemeinde Jena kam und schon durch das Outfit erkennbar war, hat versucht, Auseinandersetzungen zu führen, Körperverletzungen. [phon.] Umgekehrt war es aber genauso, dass man sich hochgeschaukelt hat. Immer wenn der ideologische Gegner in der Unterzahl war, wurden Attacken geritten, Körperverletzungen, bis zum Landfriedensbruch. Das wurde aber aufgrund polizeilicher Maßnahmen immer weniger.“ Klemke: „Ab wann ließen diese Auseinandersetzungen nach?“ Klemke: „In der Form, dass nicht mehr die so genannten Skinheads oder Glatzen bloß weil da jetzt ein Andersdenkender, ein Ausländer stand, irgendwelche Provokationen oder Körperverletzungen gestartet haben, wurde das dann immer geringer, ’94, ’95. Weil gerade diese Leute, die mit etlichen Ermittlungsverfahren belegt worden sind, zur Verantwortung gezogen worden sind, ich sage mal, ruhiggestellt worden sind. Solche Erscheinungen, wie wir 1991 hatten, da gab es einen Vorfall, da war eine Jugendfußballmanschaft aus Fürth in Jena, die wurde auch durch eine Skinheadgruppierung angegriffen. Hintergrund: In der Fußballmannschaft waren mehrere türkische Migranten. Für den Skinhead waren es eben Türken, da gab es Angriffe mit Treten, Schlagen usw. [phon.]“

Klemke: „1991?“ Kö.: „Das war 1991, wo ein typischer ausländerfeindlicher Landfriedensbruch stattgefunden hatte.“ Klemke: „Gab es ähnliche Vorfälle 1996, 1997 bis 2000?“ Kö.: „1995 habe ich einen Landfriedensbruch in Erinnerung, aber nicht ausländerfeindlich, wo Tino Brandt [phon.] schon im Hintergrund die Fäden gezogen hat, da gab es einen Angriff von ca. 30 Personen auf das Planetarium Jena, da gab es eine Veranstaltung und man versuchte dort gewaltsam einzudringen. Und das konnte aufgrund der schnellen polizeiliche Maßnahmen verhindert werden. Es wurden 19 [phon.] Tatverdächtige ermittelt, u. a. Tino Brandt, im Umfeld. Das war ’95, ein markanter Überfall.“ Klemke sagt, es gehe ihm um die Zeit 1997-2000, 2001, 2002. Kö.: „In der Form von Landfriedensbrüchen im Sinne von Überfällen auf ausländische Mitbürger etc. sind mir jetzt keine in Erinnerung.“

Klemke: „Zurück zum Fest der Völker: Da haben Sie ja ausgeführt, dass dieses Fest der Völker, was geplant war auf dem Markt durchzuführen, dass das nach Gries verlegt worden ist und Herr Wohlleben in der Nacht angerufen habe bei der Polizei, nehme ich an, dass da so genannte Linke diesen Platz besetzen würden. Gab es denn seitens der Polizei irgendwelche Maßnahmen auf den Anruf hin, um die Durchführung der angemeldeten Veranstaltung durchzusetzen?“ Kö.: „Der Ort Am Gries war noch in der Nacht durch Anhänger der linken Szene, durch Personen des zivilen Ungehorsams, demokratische Kräfte besetzt worden und so wie mir bekannt war, war das eine blitzartige Aktion und die dortige Polizei wurde überrumpelt. Plötzlich tauchen so viele Personen auf und es war nicht möglich mit polizeilicher Gewalt vorzugehen, man wollte auch nicht mit polizeilicher Gewalt den Platz freiräumen.“ Klemke: „Man wollte, aber konnte nicht aufgrund der Masse?“ [phon.] Kö.: „Die Gegendemonstranten wurden ja immer mehr, man wollte nicht mit Gewalt diesen Platz freimachen für die Kundgebung Fest der Völker. [phon.] Deshalb wurde als Alternative dieser Ausweichplatz in Jena-Lobeda am Stadtrand bereitgestellt.“

Klemke: „Wer hat das denn entschieden, dass die demokratischen Kräfte nicht von diesem Platz entfernt werden?“ OStA Weingarten: „Das muss ich jetzt beanstanden. Die Antwort auf die Frage, wer im Jahr 2005 entschieden hat, nicht gegen Kräfte des zivilen Ungehorsams im Vorfeld des Fests der Völker vorzugehen, kann im Hinblick auf die vom Senat zu treffende Entscheidung keinen Einfluss haben.“ Klemke: „Ich nehme die Frage zurück. Wieso bezeichnen Sie Leute, die eine angemeldete Kundgebung verhindern wollen, als demokratisch? Das leuchtet mir nicht ein.“ NK-Vertreter RA Kolloge beanstandet die Frage als nicht zur Sache gehörig. Klemke: „Die Wortwahl ‚demokratisch‘ kam vom Zeugen, ich wollte wissen, was er damit meint. Ich bin etwas beunruhigt aufgrund der Wortwahl.“ OStA Weingarten: „Ohne nähere Erläuterungen von Rechtsanwalt Klemke, dass das die dienstliche Integrität [phon.] und damit die Aussage betreffen solle, halte ich in der Tat die Frage für nicht zur Sache gehörig.“ Götzl: „Wollen Sie es erläutern?“ Klemke: „Nicht in Gegenwart des Zeugen.“ Der Zeuge muss den Saal verlassen.

Klemke sagt, man müsse ja unbeschadet der konkreten Erinnerungen des Zeugen auch die Glaubwürdigkeit des Zeugen überprüfen und die politische Einstellung des Zeugen, insbesondere gegenüber der rechten Szene, deren Gegnerschaft etc. habe natürlich Einfluss auf die Würdigung der Glaubwürdigkeit des Zeugen: „Das haben wir schon zigmal gehabt und das ist immer durchgewunken worden.“ NK-Vertreter RA Narin: „Zum einen denke ich, ist es allgemein bekannt, dass die rechte Szene mit Parolen wie ‚Die Demokraten bringen uns den Volkstod‘ die Demokratie ablehnt. Und bei Gegenveranstaltungen ist ‚demokratische Kräfte‘ die Selbstbezeichnung der Parteien [phon.].“ Klemke: „Das spricht umso mehr dafür, die Frage zuzulassen. Das interessiert mich dann noch mehr, ob SPD und CDU auf dem Platz standen, ob staatstragende Parteien mit auf dem Platz standen. [phon.]“ NK-Vertreter RA Kolloge, sagt, das würde darauf hinaus laufen, dass man für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen ihn immer nach seiner politischen Einstellung fragt, er halte das nicht für zulässig. [phon.] Der Zeuge betritt wieder den Saal. Götzl: „Wir werden Ihre Einvernahme unterbrechen und die Mittagspause einlegen. Und ich bitte Sie, bei Ihrer Dienststelle nachzufragen im Hinblick auf die Frage von Rechtsanwältin Schneiders.“ NK-Vertreter RA Scharmer: „Ich hätte eine ähnliche Frage, mir würde es nachher drum gehen, wer nachher federführend beim LKA die Ermittlungen übernommen hat, ob das Ihr Kollege Mario Melzer möglicherweise war.“ Götzl sagt, er wolle auch gern noch auf die Beanstandungen der Verteidigung Zschäpe eingehen, dann unterbricht er.

Um 12:47 Uhr geht es weiter. Der Zeuge gibt ein Papier nach vorn. Götzl: „Sie hatten Rücksprache gehalten?“ Kö.: „Mit der Landespolizeidirektion, dort wurde verwiesen auf Punkt 2, dass eine Entscheidung vom Innenministerium herbeigeholt werden muss.“ Dann verkündet Götzl den Beschluss, dass die Frage von RA Klemke zulässig ist. RA Klemke: „Würden Sie jetzt bitte die Frage beantworten.“ Kö.: „Ich habe die Frage nicht verstanden.“ Klemke: „Warum Sie die Personen, die die Veranstaltung stören wollten, verhindern wollten, als demokratische Kräfte bezeichnen.“ Kö.: „Im Sprachgebrauch hört man immer wieder ‚ziviler Ungehorsam‘, unter dem Überbegriff vereinigen sich Linke, autonome Linke und auch normale Bürger aus Jena, die sich vereinigen, um bestimmte Dinge zu verhindern.“ Klemke: „Ich hatte Sie nach den ‚demokratischen Kräften‘ gefragt, Sie haben mit ‚ziviler Ungehorsam‘ eingeleitet. Verwenden Sei die Begriffe synonym?“ Kö.: „‚Ziviler Ungehorsam‘ kann auch Leute aus dem demokratischen Spektrum [phon.] betreffen.“ Klemke: „Ich hatte nach ‚demokratische Kräfte‘, nach diesem Begriff gefragt.“ Kö.: „Es war hinlänglich so, dass bei Demonstrationen, Versammlungen, Kundgebungen von rechter Szene, rechtsradikalen Parteien es zu Aufrufen kommt, sich zu Gegenkundgebungen zu treffen, die durch die Verwaltungsbehörden in der Regel auch genehmigt werden, und dort können sich unterschiedliche zivile Personen anschließen. Und das sind dann demokratische Kräfte für mich. [phon.]“

Klemke: „Auch wenn die eine angemeldete Versammlung verhindern wollen?“ Kö.: „Sicherlich, wenn eine Veranstaltung durch ein Gericht genehmigt wurde, wie beim Fest der Völker, ist es grenzwertig, aber man muss die Verhältnismäßigkeit beachten, inwieweit das Versammlungsrecht durchgesetzt werden muss oder nicht.“ Klemke: „Müssen denn Versammlungen genehmigt werden?“ Kö.: „Das Fest der Völker war von der Versammlungsbehörde mit einem Verbot belegt worden. Und in einer richterlichen Entscheidung wurde festgelegt, dass die Veranstaltung eben auf dem Gries stattfindet. [phon.]“ Klemke: „Die ‚Kräfte des zivilen Ungehorsams‘, was waren das für Leute?“ Kö.: „Das können Bürger sein wie Sie und ich.“ Klemke: „Hat sich der zivile Ungehorsam gegen den Staat zur Wehr gesetzt, gegen eine übermächtige Militärmacht oder wie muss ich mir das vorstellen?“ [phon.] Kö.: „Nicht mit Gewalt, sondern man versucht mit passiven Mitteln, z. B. Sitzblockaden, das Versammlungsrecht einzuschränken.“ Klemke: „Ach, sind das auch die demokratischen Kräfte, die versuchen, das Versammlungsrecht einzuschränken? Das waren Ihre Worte.“ Kö.: „Es wird [phon.] immer Versuche geben von Bürgern des demokratischen Spektrums, Veranstaltungen des rechten Spektrums zu verhindern, sowohl mit legalen Mitteln als auch weniger [phon.].“ Klemke: „Sie meinen mit illegalen Mitteln?“ Kö.: „Sitzblockaden zum Beispiel.“

NK-Vertreter RA Behnke: „Ich möchte das beanstanden. Auch wenn Sie die Eingangsfrage zugelassen haben, ist das nicht zulässig, Das was sich jetzt hier als Frage- und Antwortspiel abspielt, das hat mit der Sache nichts zu tun.“ Götzl: „Der Punkt ist, dass der Zeuge bestimmte Begriffe verwendet, und es wird gerade an Äußerungen des Zeugen angeknüpft.“ Behnke: „Ich werde die Beanstandung nicht aufrecht halten, aber weiter sorgfältig beobachten, was sich entwickelt.“ Klemke: „Da bin ich beruhigt. Ich hatte gefragt, ob sich diese ‚Kräfte des zivilen Ungehorsams‘ gegen den Staat, gegen das Militär zur Wehr setzen, und Sie hatten es als Frage nach der Gewalt verstanden. Die Frage war aber, war das gegen den Staat, eine übermächtige Militärhierarchie [phon.] oder was auch immer?“ Kö.: „Sie hatten das ja auf das Fest der Völker bezogen. Es war ja nicht unüblich, dass im Umfeld des Platzes Gegendemonstrationen stattgefunden haben, genehmigte Gegenveranstaltungen, wo sich Honoratioren der Stadt Jena, Wissenschaftler, der Oberbürgermeister mit eingebunden haben, um gegen das Fest der Völker zu protestieren. Mit friedlichen Mitteln. Dass es aber die ein oder andere Szene gibt, aus der es zu Sitzblockaden kommt, insbesondere aus der autonomen Szene, ist nicht unüblich.“

Klemke: „Ich hatte Sie gefragt, ob es gegen den Staat, gegen das Militär ging und Sie haben gesagt: der Oberbürgermeister hat mit demonstriert. Ist es das, was Sie sagen wollen?“ Kö.: „Unter dem Überbegriff, wenn man das so sagen will, ja. Der Oberbürgermeister hat ja friedlich demonstriert, der hat ja keine Gewalt angewendet. Das richtet sich auch nicht gegen den Staat oder ähnliches.“ Klemke: „Was?“ Kö.: „Dieser zivile Ungehorsam.“ Klemke: „Wie sah der denn konkret aus im vorliegenden Fall?“ Kö.: „Dass man Sitzblockaden gemacht hat, versucht hat, den Demonstrationsweg, der genehmigt war, aufzuhalten, umzuleiten oder die Kundgebung zu verkürzen.“ Klemke: „Was meinen Sie damit?“ Kö.: „Dass eine Veranstaltung, die möglicherweise fünf, sechs, sieben Stunden gehen könnte oder angemeldet war, dann vorzeitig abgebrochen wird.“ Klemke: „Wie ist denn diese Verkürzung vonstatten gegangen?“ OStA Weingarten beanstandet: „Abgesehen davon, dass es sich um unerträgliches feuilletonistisches Räsonnieren der Beteiligten handelt, ist unklar, von welcher Veranstaltung gesprochen wird. Vorher ging es um das Niederlassen auf einem Platz. Jetzt geht es um eine Verkürzung, also um eine andere Veranstaltung.“

Klemke sagt, er sei immer noch beim Fest der Völker und der Zeuge habe den Begriff „Verkürzung“ gebraucht. Kö.: „Ich hatte allgemein das darauf bezogen. Beim ersten Fest der Völker spielte das nicht die Rolle, wie Sie das jetzt interpretieren.“ Klemke: „Und bei diesem Fest der Völker, gab es da Bestrebungen, die Veranstaltung zu verkürzen?“ Kö.: „Nein, die hat ja stattgefunden, bloß am anderen Ort.“ Klemke: „Keine Verkürzung, auch nicht durch den Oberbürgermeister, okay. Andere Frage: Sie haben von einer Umfrage 2005 gesprochen, Gewalt gegen Ausländer, wer hat die Studie durchgeführt?“ Kö.: „Nach meinen Erkenntnissen die Friedrich-Schiller-Universität in Verbindung mit der Jugendbehörde der Stadt Jena. Und die wurde in der Presse veröffentlicht, zumindest in gekürzter Form.“ Kö. sagt auf Frage, er habe keine Kenntnis, welcher Lehrstuhl das gewesen sei. Klemke: „Sie haben das aus Veröffentlichungen?“ Kö.:“ Aus der Presse, ja.“ Klemke: „Ist Ihnen etwas von einer Körperverletzung zum Nachteil des Herrn Wohlleben vor dem Rathaus Jena bekannt?“ Kö.: „Ja.“ Klemke: „Was ist da passiert?“ Kö.: „Ich kann das Datum nicht benennen. Es fand eine Stadtratssitzung im Rathaus statt, da war anwesend Herr Kapke und Herr Wohlleben. Und beim Verlassen des Gebäudes wurden diese beiden Personen körperlich attackiert.“ Klemke: „Körperlich?“ Kö.: „Tätlich angegriffen, mit Stöcken geschlagen oder ähnliches, Fußtritte, glaube ich. Da gab es eine Anzeige von Herrn Wohlleben.“ Klemke: „Mehrere Personen?“ Kö.: „Mehrere, fünf oder sechs.“ Klemke: „Stöcke?“ Kö.: „Ich glaube auch mit Pfefferspray oder ähnliches.“ Klemke: „Also demokratische Kräfte, danke.“

RAin Schneiders: „Haben Sie Erkenntnisse zu einer Schlägerei an der Endhaltestelle Jena-Winzerla?“ Kö.: „Können Sie das ein bisschen konkretisieren? Es gab immer wieder mal Auseinandersetzungen, auch im Rahmen des Wahlkampfgeschehens gab es Attacken, wenn durch NPD oder andere rechtskonservative Parteien Plakate aufgehangen wurden, da gab es Sachbeschädigungen [phon.] und es wurde teilweise versucht diese Leute anzugreifen. Das war teilweise wechselseitig.“ Schneiders: „Ich meine eine Schlägerei, die 1999 gewesen sein soll.“ Kö.: „Da kann ich nichts konkret dazu sagen.“ Schneiders: „Dem Opfer soll auf dem Kopf rumgesprungen worden sein.“ Kö.: „Keine Erinnerung.“ Schneiders: „Gab es Blood & Honour-Strukturen in Jena zu der Zeit, hatte Herr Wohlleben mit Blood & Honour etwas zu tun?“ Kö.: „Strukturen direkt in Jena haben meines Wissens nach nicht unmittelbar bestanden, nach meinem Kenntnisstand, es gab aber die Verbindungsschiene André Kapke zu Blood & Honour in Gera, ich habe Gordon Richter in Erinnerung. Da gab es Verbindungen, weil insbesondere Kapke immer versucht hat, Konzerte zu organisieren.“

Schneiders: „Und direkt Herr Wohlleben?“ Kö.: „Nichts konkret dazu bekannt.“ Schneiders: „Und können Sie was zur Person Carsten Schultze sagen?“ Kö.: „Der gehörte zum erweiterten Umfeld der Gruppierung.“ Schneiders: „Welcher?“ Kö.: „Kapke, Mundlos, Zschäpe usw. Da gehörte er auf alle Fälle dazu, später. Aber er gehörte auch mit zu diesem engeren Zirkel dazu, und, ja. er war auch einige Male bei uns auf der Dienststelle zu Vernehmungszwecken.“ Schneiders: „Hat er Ämter übernommen, Funktionen?“ Kö.: „Ist mir nichts bekannt.“ Schneiders: „JN-Stützpunktleiter?“ Kö.: „Das könnte ich mir durchaus vorstellen, das würde ich bejahen.“ Schneiders: „NPD-Kreisvorsitzender?“ Kö.: „Das ist mir nicht bekannt.“

Carsten Schultzes Verteidiger RA Hösl: „Haben Sie eine Erinnerung daran, ob Herr Schultze in der Zeit vor dem Untertauchen von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe mal gemeinsam mit diesen Personen festgestellt worden ist von der Polizei?“ Kö.: „Ohne das konkret beziffern zu können, es gab Veranstaltungen wie das Heldengedenken, wie man sie bezeichnete, zu Ehren der Gefallenen fanden kleinere Veranstaltungen statt, wo unter anderem Carsten Schultze festgestellt worden sein müsste, zumindest nach meiner Erinnerung. Jena-Nordfriedhof, da wurden so 15, 20 Personen festgestellt.“ Hösl: „Mit welchen Personen?“ Kö.: „Ich bin nicht hundertprozentig sicher, aber meistens war es das Umfeld Kapke, Wohlleben, Mundlos, Böhnhardt. Oder es waren jüngere Mitglieder aus der JN. Das ist aber jetzt nur reine Interpretation.“ Hösl: „Können Sie allgemein die rechte Szene beschreiben unter dem Blickwinkel oder Differenzierung zwischen Personen, die längere Zeit in der Szene verweilen, kürzer in der Szene verweilen, und wer wann zu welcher Gruppe gehörte?“ Kö.: „Für uns war immer relativ augenscheinlich, dass junge Leute, das ging teilweise schon mit 14, 15 Jahren los, die kamen in diese Szene rein, die wurden dort mit rein geworben. Und drei, vier, fünf Jahre maximal war die Zugehörigkeit. Dann fanden sich soziale Kontakte in Form von Freundin, Frau, Verlobte etc. Dann brachen diese Kontakte in die Szene ab, das war bei der Mehrzahl so erkennbar, Männer mehr als junge Frauen. Wir hatten dann einen ideologisch verfestigten Kern um Wohlleben, Kapke etc., da war das nicht zu erwarten und von diesen Leuten auch sicherlich nicht gewollt.“

Hösl: „Zu welchen Zeitpunkt ordnen Sie den Einstieg von Herrn Schultze ein und den späteren Ausstieg?“ Kö.: „Ich meine 1997.“ Klemke: „Ich habe nichts vernommen, dass der Zeuge was von einem Ausstieg berichtet hat, von daher beanstande ich es.“ Hösl: „Dann formuliere ich um: Ist Ihnen etwas über einen Ausstieg von Herrn Schultze bekannt und wenn ja, wann würden Sie den einordnen?“ Kö.: „In dieser konkreten Form nicht, nur vom Hörensagen. Ob das 2009/2010/2011 lief? Weil mir dann keinen weiteren Kontakte bekannt geworden sind. Möglicherweise hatte er dann noch konspirativere Kontakte. [phon.]“ Hösl: „Ich meine den Angeklagten Carsten Schultze, der neben mir sitzt. Und der 2009, 2010, 2011?“ Kö.: „Ich kann das nicht konkret beziffern.“ Hösl: „Und der Einstieg?“ Kö.: „1996/1997.“ Hösl: „Wenn ich Ihnen vorhalte, dass ab dem Jahr 2001 keinen Aktivitäten mehr in der rechten Szene, nicht mal Geburtstagsfeiern oder ähnliches des Herrn Schultze zu verzeichnen sind?“ Kö.: „Es ist richtig, dass ab 2001 ein merklicher Rückgang an Aktivitäten zu verzeichnen war. Ob da konkret Carsten Schultze an Treffen teilnahm, das entzieht sich meiner Kenntnis.“ [phon.]

Hösl: „Erinnern Sie sich, dass Carsten Schultze bei Ihnen einen Vorgang anzeigen wollte, wo er von verschiedenen Fahrzeugen verfolgt wurde und er Ihnen die Kennzeichen gegeben hat?“ Kö.: „An wen will er die Kennzeichen gegeben haben? Also mir persönlich ist es nicht bekannt. Ich weiß auch nicht, wo diese Anzeige aufgelaufen ist.“ Hösl: „Erinnern Sie sich an einen Vorgang Einbruch in die Wohnung Zschäpe nach dem Untertauchen?“ Kö.: „Ich kenne das, in Anführungszeichen, vom Hörensagen, ohne Details näher zu kennen.“ Hösl: „Nach unserer Kenntnis sind Sie selbst vor Ort gewesen zwischen 13:30 Uhr und 14:15 Uhr?“ Kö.: „Ich persönlich?“ Hösl: „Ja, Sie sollen dort gewesen sein, 1998.“ Kö.: „Tut mir leid, in der Wohnung von Frau Zschäpe bin ich nie gewesen. Also ich persönlich nicht.“

NK-Vertreterin RAin Von der Behrens: „Sie erwähnten heute Vormittag eine großflächige Hakenkreuzsprüherei am Nordfriedhof. Wann ist das gewesen?“ Kö.: „Ich würde sagen, ’95/’96, Anfang Februar ’96, gab es dort so eine Hakenkreuzschmiererei. Am Nordfriedhof gibt es das so genannte Magnus-Poser-Denkmal, ein früherer Widerstandskämpfer gegen den NS, als Antifaschist eine bekannte Persönlichkeit in Jena. Dieses Denkmal wurde mit einem Hakenkreuz beschmiert, relativ groß. Man hatte den Eindruck, es wurde eine kleine Leiter benutzt.“ V. d. Behrens: „Gab es Tatverdächtige oder Verurteilungen?“ Kö.: „Keine Urteile.“ V. d. Behrens: „Verdächtige?“ Kö.: „Ermittelt wurde allgemein um die Kameradschaft Jena rum.“ V. d. Behrens: „Dann die Puppe mit einem Davidstern in der Stadt Jena aufgehangen, wann war das?“ Kö.: „Das war auch im Frühjahr, glaube auch ’96, diese erste Puppe an der Heizungstrasse, in der Kahlaischen Straße in Jena. So ähnlich wie bei der späteren Puppe an der Autobahnbrücke Pösen.“ V. d. Behrens: „Was war die Ähnlichkeit?“ Kö.: „Von der Aufmachung, auch mit einem Judenstern [phon.].“ V. d. Behrens: „Wie viel vor der zweiten Puppe war das?“ Kö.: „Drei, vier Monate.“

V. d. Behrens: „Haben Sie dort Tatverdächtige ermitteln können?“ Kö.: „Nein.“ V. d. Behrens: „Ist ein Ermittlungsverfahren eröffnet worden?“ Kö.: „Später durch die Soko Rex wurden Ermittlungsverfahren nicht nur eingeleitet, sondern auch zum Abschluss gebracht, mit bekannten Tätern.“ V. d. Behrens: „Ich meine nur auf diese Puppe bezogen.“ Kö.: „Ist mir nicht bekannt. Der Komplex Briefbomben, Bombenattrappen [phon.] wurde dann zentral beim LKA bearbeitet.“ V. d. Behrens: „Haben Sie sich die beiden Puppen selber angeschaut?“ Kö.: „Nein.“ V. d. Behrens: „Wissen Sie, ob noch Aktenrückhalte oder Fotos existieren?“ Kö.: „Nicht bekannt.“ V. d. Behrens: „Ist Ihnen bekannt, ob bei einer Durchsuchung bei Ralf Wohlleben am 18.12.1996 ein Handscanner und eine Liste mit Funkfrequenzen sichergestellt worden ist?“ Kö.: „Es ist mir bekannt, dass es solche Dinge gab. Gezielt auf Herrn Wohlleben befragt kann ich es nicht zuordnen. Aber es gab Hinweise, die haben sich dann auch verfestigt, dass innerhalb der Kameradschaft Jena Zivilbeamte [phon.] ausgeforscht worden sind: Wer hat mit wem Vernehmungen gehabt? Man hat Zivilfahrzeuge registriert und es endete damit, dass es zu einem Hausfriedensbruch kam, wo Böhnhardt und Mundlos sich auf den Hinterhof der PI Jena begeben haben und versucht haben, Zivilfahrzeuge aufzuklären. Außerhalb wurden André Kapke und ein gewisser He. festgestellt. Diese Umstände waren uns allgemein also bekannt und hinsichtlich Scanner wäre das nicht ungewöhnlich gewesen. Wenn das so festgestellt wurde, hat das seine Richtigkeit.“

V. d. Behrens: „Wie war die Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz ab Mitte der 1990er?“ Kö.: „Allgemein gesagt: Es kamen auch Beamte des Bundesamtes zu bestimmten Anlässen bzw. hatten bestimmte operative Probleme [phon.] im Rahmen ihres Aufgabengebietes. Und die traten auf uns als Staatsschutz in Jena zu.“ V. d. Behrens: „Wie oft, regelmäßig, unregelmäßig?“ Kö.: „Unregelmäßig. Sicherlich abhängig von den Wünschen, die das Bundesamt hatte.“ V. d. Behrens: „Und betrafen die Wünsche des Bundesamtes auch die rechte Szene Jena?“ Kö.: „Unter anderem auch.“ V. d. Behrens: „Wissen Sie noch, welche Informationen Sie über die Kameradschaft Jena weitergegeben haben an das Bundesamt?“ Kö.: „Allgemein gesagt: Erkenntnisse zu Personen, die uns vorlagen. Insbesondere um diesen harten Kern der Gruppierung, Kapke, Wohlleben, Böhnhardt und Mundlos und andere.“ V. d. Behrens: „Auch schon vor 1998?“ Kö.: „Wann das erste Mal dort jemand erschien vom Bundesamt, weiß ich nicht. Das ging schon vorher los. Zuerst ging es um Regierungskriminalität, dann kamen Verfahren MfS dazu, wo ich Ermittlungen geführt habe, das war auch ein Teilgebiet, was das Bundesamt interessiert hat.“

V. d. Behrens: „Mir geht es um die rechte Szene. Haben Sie vor dem Untertauchen Informationen zum harten Kern an das Bundesamt weitergegeben?“ Kö.: „Ja, die Erkenntnisse die wir hatten: Wer ist wer und wen schätzen wir als besondere Persönlichkeiten ein?“ V. d. Behrens: „Dazu gehörten die Personen, die Sie als harten Kern bezeichnet haben?“ Kö.: „Richtig.“ V. d. Behrens: „Nach dem Untertauchen, ist das Bundesamt da erneut auf Sie zugegangen?“ Kö.: „Nicht dass ich jetzt so wüsste.“ V. d. Behrens: „Hatten Sie mit dem BND Kontakt?“ Kö.: „Zeitweilig auch mal.“ V. d. Behrens: „Ich frage nur in Bezug auf die rechte Szene.“ Kö.: „Meines Wissens nach hat sich der BND nicht für die rechte Szene Jena interessiert.“ V. d. Behrens: „Ihre Kontakte hatten dann ein anderes Themenspektrum?“ Kö.: „Richtig.“

NKRA Narin sagt, Kö. habe ja erklärt, dass wohl eine Verurteilung von Wohlleben wegen einer Gewalttat, einer Körperverletzung gegeben habe: „Sind Ihnen weitere Verurteilungen von Herrn Wohlleben wegen Gewaltdelikten bekannt?“ Kö.: „Wegen Gewaltdelikten nein.“ Narin: „Ist Ihnen eine Verurteilung wegen Verwendens von Kennzeichen von NS-Organisationen gegen Herrn Wohlleben bekannt?“ Kö.: „Nicht konkret, aber ich kann es mir vorstellen. Es gab mal eine Zeit, wo die Gauwinkel, die in Thüringen als verboten erachtet wurden, da gab es eine Flut von Anzeigen und Ermittlungsverfahren. Aber eine konkrete Straftat 86a gegen Herrn Wohlleben entzieht sich meiner Erinnerung.“ Narin: „Und eine Verurteilung wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Körperverletzung [phon.]?“ Kö.: „Wann soll das gewesen sein?“ Narin: „09.09.1997 durch das Amtsgericht Jena.“ Kö.: „Dann wird es so gewesen sein.“

Götzl möchte den Zeugen entlassen, doch Wohlleben-Verteidigerin Schneiders bittet nochmal um das Wort. Schneiders: „Wer hat die Reden von Herrn Wohlleben ausgewertet? Wer ist Ihnen da namentlich bekannt?“ Kö. sagt, da müsse er sich auf seine Aussagegenehmigung berufen und auf die Abteilung 4 des Innenministeriums Thüringen verweisen. Schneiders: „Dann widersprechen wir der Entlassung und möchten eine erweiterte Aussagegenehmigung.“ Klemke: „Sinn und Zweck ist nicht abzuwarten auf die Aussage des Innenministeriums Abteilung 4. Wir wollen dann, wenn eine erweiterte Aussagegenehmigung erteilt wird, wollen wir dem Zeugen die Frage stellen und deswegen widersprechen wir der Entlassung.“ [phon.] Schneiders sagt, es sei genau zu der Thematik, zu der Kö. geladen sei, nämlich Äußerungen zum Thema Asylproblematik, natürlich relevant, ob da Äußerungen zu gefallen sind, das seien Fragen, die sich aufdrängten.“

Götzl fragt Kö.: „Mit wem haben Sie denn jetzt Rücksprache gehalten?“ Kö. sagt, er habe mit dem Direktionsbüro der LPD gesprochen und die hätten ihn auf den Punkt 2 der Aussagegenehmigung verwiesen und dass er sich ggf. an die Abteilung 4 im Innenministerium wenden müsse. Götzl: „Es wäre jetzt schon darum gegangen, dass mit den zuständigen Personen zu besprechen, wenn Sie weiter verwiesen werden.“ Kö: „Tut mir leid.“ Götzl sagt, er werde dann die Einvernahme unterbrechen, damit Kö. Kontakt aufnehmen kann mit der zuständigen Stelle: „Haben Sie die zweite Frage von Rechtsanwalt Scharmer auch mit geklärt?“ Kö.: „Nein.“ Scharmer: „Mir ging es um die Frage, das LKA hat Ermittlungen übernommen, wer war federführend und war das Kollege Mario Melzer.“ Kö.: „Melzer mir bekannt, war auch vor Ort bei uns in Jena bei diesem Sachverhalt, ob der federführend in der Soko Rex war, ist mir nicht bekannt. Ich habe kein Organigramm.“ Götzl: „Dann dürfte die Frage ja beantwortet sein.“ Scharmer bejaht das. Kö.s Einvernahme wird unterbrochen.

RAin Schneiders verliest dann einen Beweisantrag. Sie beantragt, KOK Schn. vom BKA zu vernehmen. Der Zeuge sei 2014 aufgrund eines Ermittlungsersuchen des GBA damit befasst gewesen, Erkenntnisse über ungeklärte Straftaten mit Schusswaffengebrauch dahingehend zu überprüfen, ob als deren mögliche Täter Mundlos und Böhnhardt in Betracht kommen. Hierfür habe Schn. die verschiedenen LKA um Erkenntnismitteilungen hinsichtlich ungeklärter Straftaten mit Schusswaffengebrauch für den Zeitraum vom 26.01.1998 bis zum 11.08.2000 gebeten. Im Ergebnis habe er feststellen müssen, dass keine der in diesem Zusammenhang zugeleiteten Straftaten auf eine „Täterschaft des NSU“ hindeuteten. Zur Begründung des Antrags sagt Schneiders, dass Carsten Schultze sowohl in der Hauptverhandlung am 11.06.2013 als auch in seiner polizeilichen
Vernehmung vom 02.07.2013 behauptet habe, dass ihm Wohlleben von einem Schusswaffengebrauch durch Mundlos und Böhnhardt berichtet habe. Wohlleben solle laut Schultze ein Telefonat mit den sinngemäß wiedergegebenen Worten beendet haben: „Die Idioten haben jemanden angeschossen.“ Schn. sei wegen dieser erstmals in der Hauptverhandlung getätigten Aussage Schultzes mit Ermittlungen betraut worden, die diesen „angeblichen Schusswaffengebrauch“ einer möglichen Straftat zuordnen sollten. In seinem Bericht habe der Zeuge aber festgestellt, dass die „mutmaßlich durch Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt begangene Straftat“ im Rahmen dieser Erhebungen nicht habe ermittelt werden können. Die beantragte Beweiserhebung diene der Entlastung Wohllebens, so Schneiders, sie belege, dass die diesbezüglichen Angaben Schultzes nicht glaubhaft seien.

Götzl: „Dann zu den Beanstandungen eine Nachfrage: Sind denn jetzt bei den Beanstandungen Fragen enthalten, die sowieso nicht beantwortet werden sollen?“ Zschäpe-Verteidiger RA Grasel: „Dazu kann ich jetzt keine Angaben machen. Würde erst die Entscheidung des Senats abwarten.“ Götzl sagt zu den Fragen von RA Scharmer, dort gebe es zwei Fragen zu Robin Schmiemann, die Scharmer vielleicht erläutern wolle, weil für sich gesehen tatsächlich nicht erschließe, dass sie zur Sache gehören. Scharmer sagt, er habe eine Stellungnahme verfasst, wo drin stehe, worum es geht, soweit es die „rudimentär vorgetragene“ Beanstandung betrifft.

Scharmer verliest die Stellungnahme: Es wird davon ausgegangen, dass sich die Beanstandung tatsächlich nicht gegen die gestellten Fragen richtet, sondern gegen die Sachleitung des Vorsitzenden, der diese Fragen – im Vergleich beispielsweise zu einer anderen am gleichen Tag an die Angeklagte Zschäpe gerichtete Frage eines Nebenklagevertreters – unbeanstandet gelassen hat. Zwar verlangen die Beanstandenden ausdrücklich zunächst eine prozessleitende Verfügung des Vorsitzenden. Diese liegt allerdings aus dem Rückschluss des prozessualen Werdegangs am 295. Hauptverhandlungstag bereits vor. Denn nach § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO erfolgt die Vernehmung der Angeklagten zur Sache nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 StPO, also grundsätzlich durch mündliche Befragung und mündliche Antworten. Am 295. Hauptverhandlungstag stellte ich eine ganze Reihe von Fragen. Nach jeder Frage verblieb eine Pause, in der eine mögliche Antwort der Angeklagten abgewartet wurde und ebenfalls – falls die Frage von einem Verfahrensbeteiligten für unzulässig erachtet worden wäre – hätten Beanstandungen erfolgen können. Weder wurden die Fragen beantwortet, noch beanstandet.

Demnach liegt bislang zu diesen Fragen ein Teilschweigen der Angeklagten vor, welches im Nachhinein – nunmehr über drei Wochen später – nicht mehr durch nachträgliche Beanstandungen von einzelnen Fragen relativiert werden kann. Daran ändert auch die Ankündigung der weiteren Verteidiger der Angeklagten Zschäpe nichts, zu erwägen ggf., in einer schriftlich vom Verteidiger vorbereiteten Erklärung auf einzelne Fragen im Nachhinein eventuell einzugehen. Bei einer solchen verlesenen Erklärung wird Gegenstand der Beweisaufnahme lediglich der mündliche Vortrag des Verteidigers und die ggf. zustimmende Erklärung der Angeklagten. Dabei kann der Senat durchaus würdigen, dass die Fragen nicht, wie von der Strafprozessordnung vorgesehen, mündlich und direkt beantwortet werden. Eine später sich ggf. mit dem Inhalt einzelner aufgeworfener Fragen der Prozessbeteiligten befassende Erklärung einzelner Verteidiger kann demnach eine unmittelbare Antwort der Angeklagten nicht ersetzen. Sie ist vielmehr eine – grundsätzlich zulässige – selbstständige Art der Angeklagten, von ihrem Erklärungsrecht Gebrauch zu machen. Die Befragung am 295. Hauptverhandlungstag ist demnach eine abgeschlossene Verfahrenshandlung, deren Beanstandung drei Wochen später, obsolet sein dürfte.

Selbst wenn man die Befragung hinsichtlich der nunmehr beanstandeten Fragen als noch nicht abgeschlossen ansehen würde, so ist die – im Einzelnen nur rudimentär begründete – Beanstandung zurück zu weisen. Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass im Rahmen der Erwiderung nicht sämtliche Aspekte der Hintergründe der Fragen dargestellt werden sollen oder gar müssen. Denn auch einem Themenkomplex vorgeschaltete Fragen sind zulässig, wenn zumindest nicht fernliegend ist, dass bei entsprechender Antwort der Angeklagten, weitere Fragen folgen, die für die Erforschung der Umstände der prozessualen Tat erheblich sind.

1. Zu der beanstandeten Frage: „Seit wann kennen Sie Robin Schmiemann? Wie ist er ihnen bekannt geworden?“
Die Frage ist zulässig; Die Angeklagte stand nach Aktenlage zumindest nach ihrer Inhaftierung in Briefverkehr mit dem Zeugen Schmiemann unter anderem auch zu der Frage, ob und inwieweit sie die Einlassungen von Mitangeklagten für glaubhaft erachtet. Der Senat beschlagnahmte daraufhin Teile des Briefverkehrs mit der Begründung, dass diese Unterlagen als Beweismittel in Betracht kommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Angeklagte noch mitgeteilt, dass Sie uneingeschränkt von ihrem Schweigerecht Gebrauch machen wird. Nunmehr hat sie sich partiell eingelassen. Daher kommt nicht nur dem Inhalt des Briefes eine potentielle Beweisbedeutung zu, sondern auch der Frage, seit wann die Angeklagte den Zeugen Schmiemann kennt und wie sie ihn kennengelernt hat. Die aktenkundigen Inhalte des brieflichen Austausches zwischen Zschäpe und Schmiemann lassen auf ein vertrautes – stellenweise fast intimes – Verhältnis schließen. Kannte Zschäpe Schmiemann bereits vor dem 4.11.2011, wäre er ggf. Zeuge auch hinsichtlich des Verhältnisses von Zschäpe zu Mundlos und Böhnhardt sowie ggf. ihrer persönlichen Verhältnisse zum Zeitpunkts des Lebens im
Untergrund.

2. Soweit die Frage nach Sebastian Seemann beanstandet wurde, stellt sich diese wiederum als Einstiegsfrage als eindeutig zulässig dar. Die Angeklagte hat sich mit Schmiemann über Seemann postalisch ausgetauscht, wobei Sie Vorkenntnisse über Seemann beschrieb, die nicht in dem hier vorliegenden Briefverkehr ausgetauscht worden sind. Dazu gehört auch dessen V-Mann Tätigkeit. Der Senat hat dazu im Beschluss vom 3.9.2013 zur Frage der Notwendigkeit der Beschlagnahme des Briefes zutreffend ausgeführt: „Der Briefteil befasst sich ferner mit einer als Zeuge in Betracht kommenden Person (Seemann) und seiner möglichen Befragung durch die Angeklagte, der der Briefempfänger Schmiemann einen Fragenkatalog zukommen lassen könnte.“

3. Soweit es um Fragen nach dem Vorhalt der Inhalte des Artikels aus der „taz“ vom 10.03.2016 geht, werden diese mit gleichem Vorhalt wie folgt neu gefasst: Haben Sie diese Äußerung ihres Verteidigers Grasel gegenüber der „taz“ autorisiert? Wenn ja, welche Unterstützer in NRW hatten Sie, Uwe Mundlos und/oder Uwe Böhnhardt? Wenn ja, aus welchen Tatsachen schlussfolgern Sie die Möglichkeit, dass André Eminger die Mitschnitte gemacht hat, wenn er nach ihren Angaben nichts von dem Anschlag gewusst haben soll?
Soweit die Zulässigkeit der Frage nach Unterstützern in NRW von den Beanstandenden angezweifelt wurde, ist letztlich anzumerken, dass die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung voraussetzt, dass man deren Ziele und Organisation kennt. Dieses Wissen wäre im Rahmen einer Zeugenvernehmung selbstverständlich verfahrensrelevant.

Zschäpe-Verteidiger RA Heer: „Wir behalten uns eine Erwiderung vor. Jetzt wird es heute nicht mehr möglich sein. Ich meine, es gibt noch einen zweiten Zeugen für heute.“ Götzl: „Nein, Herr Tu. ist erkrankt.“ Heer sagt, es kämen ja noch weitere Erläuterungen von weiteren NK-Vertretern. Klemke: „Ich wollte nicht zur konkreten Beanstandung der Fragen Stellung nehmen, sondern zu grundsätzlichen Sachen: Hier wird ja angezweifelt von Herrn Scharmer, dass die Verteidigung der Angeklagten Zschäpe jetzt noch Fragen beanstanden könnte. Es kann so lange beanstandet werden, bis die Frage beantwortet wird. Die Nebenklage geht davon aus, dass die schriftliche Beantwortung von Fragen durch Verlesung und danach durch das Zu-Eigen-Machen unzulässig sei. Da habe ich von vornherein erhebliche Bedenken. Im Schrifttum werden die auch geteilt. Wenn es denn Sache des Angeklagten ist, wann und ob und in welchem Umfang er sich einlässt, dann kann er auch entscheiden, in welcher Form er das tut. Die Vernehmung ist zwar grundsätzlich mündlich, in den letzten Jahren sind jedoch einzelne Senate des BGH hiervon abgerückt, indem sie es zugelassen haben, dass eine schriftliche Einlassung verlesen wird vom Verteidiger und sich der Angeklagte das zu eigen macht. Danach läge eine Einlassung vor. [phon.] So ist auch dieser Senat vorgegangen. Herr Grasel hat vorgelesen und Frau Zschäpe hat sich das zu eigen gemacht und dagegen hat die Nebenklage nicht opponiert und ich denke, das ist jetzt schon widersprüchliches Verhalten. [phon.] Ich denke, das ist zulässig, und dass so lange die Frage nicht beantwortet ist, diese Frage oder einzelne Fragen auch beanstandet werden können.“

Scharmer: „Das geht am Thema meiner Stellungnahme vorbei. Ich habe ich nicht in Frage gestellt, dass ein Angeklagter sich über seinen Verteidiger äußert. Die Frage ist, ob es da um prozessual unterschiedliche Verfahrensweisen geht. Ich meine, dass man das nach der Entscheidung, die ich zitiert habe, in zwei verschiedene prozessuale Handlungen, einmal die Verlesung der Erklärung durch den Verteidiger und dann die Erklärung des Angeklagten [phon.], aufteilen kann. Ich meine auch, dass man das so oder so sehen kann. Ich gehe mit dem 3. Strafsenat und sehe es so wie vorgetragen. Die Frage ist, ob die Beanstandung drei Wochen und sieben Hauptverhandlungstage später noch möglich ist, und das sehe ich nicht.“

Dann beginnt RAin von der Behrens eine gemeinsame Stellungnahme mehrerer NK-Vertreter_innen zu den Beanstandungen zu verlesen:
Allgemein ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei einer Vielzahl der beanstandeten wie auch der nicht beanstandeten Fragen auch um Aufbaufragen handelt, denen – je nach Antwort – ggf. weitere Fragen folgen sollen bzw. werden. Diese Fragetechnik ist dem Vorgehen der Angeklagten Zschäpe geschuldet, die Fragen nicht spontan beantwortet. Die Fragen, die gegebenenfalls auf die Fragen folgen sollen, im Einzelfall bereits wiederzugeben, würde daher das Fragekonzept der Fragesteller offen legen, wozu allein schon aufgrund der rudimentären Begründung der Beanstandung keine Notwendigkeit gesehen wird. Aus diesem Grund wird in den Erläuterungen stets nur die und so viel Information mitgeteilt, wie für die Beurteilung durch den Senat notwendig erscheint.
Fragen Rechtsanwältin von der Behrens

V. d. Behrens sagt zur Beanstandung der Frage bzgl. des Besuchs von Internetcafés als nicht zur Sache gehörend:
Die Frage ist zulässig. Bei dieser Frage handelt es sich um eine Aufbaufrage, die zugleich dazu dienen soll ggf. weitere Zeugen, wie die Betreiber der Internetcafés, namhaft zu machen, die ggf. über das Innenverhältnis des Trios, deren Kommunikationsverhalten nach außen und/oder die von ihnen genutzten Onlinekommunikationsmittel Auskunft geben können.
Zur Beanstandung der Frage nach dem 10.000 DM, die Holger Gerlach zur Aufbewahrung bekommen habe, als ungeeignet, sagt v. d. Behrens:
Diese Frage wird wie folgt umformuliert und neu gestellt: „Sie sagten, Sie seien dagegen gewesen, dass Holger Gerlach 10.000 DM zur Aufbewahrung erhielt, da er spielsüchtig gewesen sei. Welches Motiv ist Ihnen ggf. von Uwe Böhnhardt persönlich oder von Uwe Mundlos oder von einer anderen Person dafür mitgeteilt worden, dass Uwe Böhnhardt trotz Ihrer Einwände Holger Gerlach eine Summe von 10.000 DM zur Aufbewahrung übergeben hat?“

Fragen Rechtsanwältin Başay
Zur Beanstandung der Frage nach der „Hetendorfer Tagungswoche“ sagt v. d. Behrens:
Die Frage ist zulässig. Die „Hetendorfer Tagungswochen“, die maßgeblich von Jürgen Rieger organisiert wurden, fanden von 1991 bis 1997 jährlich auf dem Gelände des 1998 verbotenen Vereins „Heide-Heim e.V.“ in Hetendorf statt, einem Schulungs- und Tagungszentrum rechtsextremistischer Organisationen. Bei den „Hetendorfer Tagungswochen“ handelt es sich um eine mehrtägige Schulung, deren ideologische Konstante Rassismus, Revisionismus sowie ein völkischer Kollektivismus mit positivem Bezug auf den Nationalsozialismus war. Die Frage nach der Anwesenheit der Angeklagten Zschäpe bei dieser Schulungsveranstaltung ist somit unter anderem für die Frage der Ideologie der Angeklagten Zschäpe in der Zeit unmittelbar vor dem Untertauchen relevant.

Zur Beanstandung der Frage nach Konzerten am 08.11.1997 in Heilsberg und am 27.12.1997 in Heilsberg und dazu, ob Mundlos und/oder Böhnhardt dort ggf. Personen aus Dortmund oder dem sonstigen NRW kennengelernt hätten, als nicht zur Sache gehörend:
Die Frage ist zulässig. Die Frage betrifft Kontakte des Trios nach Dortmund zu dem dortigen B&H und C18-Umfeld, insofern wird auch auf die Beweisanträge zu Sebastian Seemann und Marco Gottschalk Bezug genommen. Zugleich soll die Frage – in diesem Sinne als Aufbaufrage – dazu dienen, ggf. weitere Zeugen namhaft zu machen, die etwas zu den Kontakten des Trios nach NRW und insbesondere nach Dortmund sagen können.
Zur Beanstandung der Frage danach, ob Zschäpe oder eine Person, die sie gekannt habe, an dem Aufhängen bzw. Anzünden einer Puppe in Jena am 15.11.1995 oder an dem Ablegen einer Bombenattrappe im Jahr 1994 in einem Hochhaus in Jena-Lobeda, in das Flüchtlinge einziehen sollten, beteiligt gewesen seien, als nicht zur Sache gehörend, soweit nach möglicherweise strafbaren Handlungen anderer, nicht in diesem Verfahren angeklagter Personen gefragt wird:
Die Frage ist auch in Bezug auf andere, nicht in diesem Verfahren angeklagte Personen zulässig. Die Begehung oder Unterstützung der genannten Taten durch weitere Mitglieder oder Anhänger der KSJ bzw. des THS, in denen die Angeklagten Zschäpe, Wohlleben, Gerlach und Schultze organisiert waren, lässt auch Rückschlüsse auf den Charakter und die Zielrichtung dieser Organisationen und ihrer Mitglieder zu.

Zur Beanstandung der Frage, welche Personen aus der rechten Szene in Thüringen und Sachsen wussten, wer für die Bombenattrappen, auf die Zschäpe in ihrer Einlassung Bezug nehme, verantwortlich gewesen ist, als ungeeignet und nicht zur Sache gehörend:
Die Frage wird insofern umformuliert und neu gestellt, dass sie nunmehr heißt: „Welche Personen aus der rechten Szene in Thüringen und Sachsen wussten nach Ihrer Kenntnis, wer für die Bombenattrappen, auf die Sie in Ihrer Einlassung Bezug nehmen, verantwortlich gewesen sind?“
Diese Frage ist in der umgestellten Form zulässig. Sie betrifft unter anderem die Verbreitung des Wissens um die in und um Jena platzierten Bombenattrappen in der Szene und lässt damit unter anderem Rückschlüsse auf den Vorsatz der Angeklagten Wohlleben, Gerlach und Schultze zu. Gleichzeitig dient die Frage ggf. der Namhaftmachung weiterer Zeugen, die möglicherweise konkrete Angaben dazu machen können, seit wann das Wissen über die Urheber in der Szene verbreitet war und auch wissen, welche Kenntnisse die Angeklagten Zschäpe, Wohlleben und Gerlach hatten und welche Rolle sie dabei gespielt haben.

Zur Beanstandung der Frage nach einer möglichen Teilnahme an einer Vortrag von Ignatz Bubis als nicht zur Sache gehörend:
Diese Frage ist zulässig. Sollte sie bejaht werden, werden sich weitere Fragen anschließen, die auf den in der KSJ vertretenen Antisemitismus abzielen und auf ggf. weiteren „Aktionen“ der KSJ in Bezug auf Bubis.
Zur Beanstandung der Fragen nach Kontakten von Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt oder anderen Mitgliedern der KSJ zu Angehörigen der rechten Szene aus den westlichen Bundesländern etc. als nicht zur Sache gehörend:
Diese Fragen sind zulässig. Sie dienen unter anderem dazu, ggf. Zeugen und Unterstützer an den Tatorten namhaft zu machen, über die Informationen über die Tatorte oder sogar die konkreten Opfer an das Trio geflossen sind. Die Frage zu der Finanzierung ist relevant, um ggf. Unterstützer, die nicht nur die KSJ finanziert, sondern auch das Trio nach dem Untertauchen finanziell unterstützt haben, namhaft zu machen.

Zur Beanstandung der Frage, ob Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt persönlichen Kontakt zu Personen aus der rechten Szene in Zwickau hatten, als nicht zur Sache gehörend:
Die Frage ist zulässig. Sie dient dazu, ggf. weitere Zeugen zu dem Innenverhältnis des Trios und deren politischer Überzeugung namhaft zu machen bzw. die Aussagen bereits bekannter Zeugen, dass die Angeklagte Zschäpe mit Ralf Marschner bekannt war und Uwe Mundlos für ihn gearbeitet hat, zu bestätigen, und zugleich der Feststellung der Größe des Unterstützernetzwerkes.
Zur Beanstandung der Frage nach der Frau neben Zschäpe auf einem Bild von einer Demonstration am 24.01.1998 als nicht zur Sache gehörend:
Die Frage ist zulässig. Sie zielt darauf ab, dass an dem fraglichen Tag ein auch für andere der Angeklagten relevantes Ereignis, wie z.B. ein letztes Treffen des Trios mit den Unterstützern aus Jena, stattgefunden haben muss. Dafür spricht, dass das Datum zugleich auch der Titel des Liedes ist, das von dem Trio und dem Abschied handelt. Hinsichtlich eines derartigen Treffens sind Folgefragen zu den dort unter den Angeklagten und anderen geführten Gesprächen über die weiteren Planungen der Untertauchenden, zum Beispiel der Begehung von Straftaten zur Finanzierung naheliegend.
Zur Beanstandung der Frage, ob Zschäpe damals Kenntnis davon gehabt habe, dass Jan Werner und Thomas Starke in dem „Landser“-Verfahren ausgesagt haben, als nicht zur Sache gehörend, sagt Luczak:
Diese Frage ist zulässig. Sie ist eine Aufbaufrage, auf die zum einen weitere Fragen dazu folgen sollen, wie sich das Trio sich vor Entdeckung geschützt hat und zum anderen weitere Fragen, durch welche die Angaben des Zeugen Starke zu der Bedrohung von Jan Werner überprüft werden sollen.
Zur Beanstandung der Frage nach der Person auf einem Foto, das bei einer Observation des sächsischen LfV gemacht worden ist als nicht zur Sache gehörend:
Diese Frage ist zulässig. Sie dient zum einen der Überprüfung der Angaben der Zeugin Mandy Struck und zum anderen, sollte es sich bei der Person um Uwe Böhnhardt handeln, der Vorbereitung weiterer Beweisanträge im Hinblick auf das damals bei den Verfassungsschutzämtern vorhandene Wissen um den Aufenthaltsort des Trios und deren bewusstes Nichteinschreiten.

Fragen von Rechtsanwalt Hoffmann
Zur Beanstandung der Frage nach Marcel Ch. als nicht zur Sache gehörend:
Die Frage ist zulässig. Sie dient unter anderem zur Verifizierung der Angaben des Zeugen Jürgen Do., die er untere anderem zu dem Leben von Zschäpe in Zwickau und deren Kontakt zu dem bekannten Rechtsextremisten Marcel Ch. (Skinheads Sächsische Schweiz) gemacht hat.
Fragen Rechtsanwältin Dr. Luczak in Vertretung für RA Ilius

Zur Beanstandung der Frage nach der möglichen Teilnahme an einem Kameradschaftstreffen auf einem Campingplatz in der Nähe von Görlitz nicht zur Sache gehörend:
Die Frage ist zulässig. Wie sich jemanden, der die genannte Vernehmung nachliest, unschwer erschließt, knüpfen die beiden Fragen zur Teilnahme an einem „Kameradschaftstreffen“ in der Nähe von Görlitz an die Aussage des anonymen Zeugen dazu an. Sofern der Verteidiger der Angeklagten die Frage beantwortet, kommen Anschlussfragen zu Äußerungen der Angeklagten Zschäpe in solchen Zusammenhängen und den genannten Personen gegenüber, die nach der Aussage des Zeugen zum Teil ebenfalls den Skinheads Sächsische Schweiz angehörten, in Betracht.
Sollte die Angeklagte Zschäpe die erste Frage bejahen, wäre anschließend zu fragen, ob sie auf diesem Treffen – wie vom Zeugen berichtet – in Gesprächen gesagt hat, „dass ein radikaler Kurs eingeschlagen werden muss und demokratische Wege über die Republikaner oder die Nationalen nichts bringen; dass man sich radikalisieren, in den Untergrund gehen und bewaffnen müsste.“ Die zweite Frage zielt für diesen Fall auf die Feststellung, ob diesem Treffen weitere Treffen voran gingen oder auf dieses Treffen weitere folgten. Hieraus würden sich ggf. Anschlussfragen zu den von Frau Zschäpe dort verbreiteten Inhalten ergeben. Sollte Frau Zschäpe die erste Frage verneinen, dient die zweite Frage dazu festzustellen, ob solche Gespräche mit den genannten Äußerungen der Angeklagten Zschäpe mit den vom Zeugen als Teilnehmer an diesem Treffen genannten Personen an einem anderen Ort geführt worden sind, falls sich der Zeuge hinsichtlich zeitlicher oder örtlicher Zuordnung geirrt haben sollte. Es schlössen sich je nach dem, wie die Antwort lauten würde, die genannten Folgefragen an.

Zur Beanstandung der Frage, ob Zschäpe am 07.05.2000 in Berlin gewesen sei, als nicht zur Sache gehörend:
Die Frage ist zulässig. Wie sich jemanden, der die genannte Fundstelle nachliest, unschwer erschließt, zielt die Frage darauf, festzustellen, ob sich die Angeklagte Zschäpe und die verstorbenen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt am 7. Mai 2000 mit dem gesondert verfolgten Jan Werner in Berlin aufhielten. Ein Kontakt zum gesondert verfolgten Jan Werner im Mai 2000 außerhalb von Chemnitz lässt zum einen Rückschlüsse auf die Natur des Verhältnisses des Trios mit Jan Werner zu – dem die Angeklagte Zschäpe die Lieferung einer Schalldämpfer-Waffe zuzuschieben versucht. Zum anderen ist die Frage hinsichtlich des Unterstützernetzwerks der Untergetauchten relevant. Die Größe des Unterstützernetzwerks ist relevant für die Bewertung der terroristischen Vereinigung, in der Mitglied gewesen zu sein der Angeklagten Zschäpe vorgeworfen wird, und sie unterstützt zu haben den Angeklagten Eminger und Gerlach.

Zur Beanstandung der Frage nach dem Besuch aus Dänemark oder Schweden, den Zschäpe, Mundlos und/oder Böhnhardt anlässlich eines Fehmarn-Urlaubs laut dem Zeugen Wolfgang Sch. treffen wollten als nicht zur Sache gehörend:
Die Frage ist zulässig. Da die Glaubwürdigkeit des Zeugen Sch., einer Urlaubsbekanntschaft der Angeklagten Zschäpe und der verstorbenen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, nicht in Zweifel steht, zielt die Frage zum einen darauf ab, die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Angeklagten Zschäpe zu überprüfen. Zum anderen geht es um die Feststellung, ob es Unterstützer oder Mitwisser in Dänemark oder Schweden gab, also ein internationales Netzwerk der Angeklagten Zschäpe und der verstorbenen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, woran sich u.a. auch Nachfragen bei den skandinavischen Ermittlungsbehörden ergeben würden sowie der Namhaftmachung weiterer Zeugen zu deren Verhältnis untereinander und politischen Äußerungen.

RA Heer: „Hier gilt das gleiche, was ich eben schon erklärt habe, auch im Namen meiner beiden Kollegen zu meiner Linken und Rechten.“ Bundesanwalt Diemer: „Wenn alle Fragensteller ihre Stellungnahmen abgegeben haben, dann würden wir am Ende unsere auch abgeben.“

NK-Vertreter RA Behnke: „Meine Fragen sind auch Eingangsfragen, die zu einer Beurteilung der Entwicklungsbedingungen einer Persönlichkeit erforderlich sind. Die wären sicher auch noch vom Gericht gestellt worden. Denn der Lebenslauf und Werdegang gerade in einem solchen Verfahren spielt schon eine wichtige Rolle. Dazu zählen auch Freizeitaktivitäten.“ Die Kinderorganisationen der DDR, die Jungen Pioniere, hätten ganz besondere Ziele gehabt, so Behnke. Die GST [= Gesellschaft für Sport und Technik] habe eine vormilitärische Ausbildung durchgeführt und da sei auch an Waffen ausgebildet worden. Behnke: „Und die Frage ist, ob die Angeklagte Zschäpe schon als Kind oder als Jugendliche Kontakt mit Waffen hatte. Die gleiche Frage werde ich noch an die anderen Prozessbeteiligten stellen wollen, insbesondere an Herrn Wohlleben. Auch an Herrn Gerlach und Herrn Eminger. Bei Herrn Schultze bin ich mir noch nicht so sicher.“ Im Saal kommt Gelächter auf wegen der Verwendung des Wortes „Prozessbeteiligte“ in diesem Zusammenhang. Götzl: „‚Angeklagte‘ meinen Sie.“ Behnke bestätigt das.

Dann gibt RA Narin seine Stellungnahme ab: „Ich möchte mich zunächst den Ausführungen von Rechtsanwalt Scharmer anschließen, soweit er sich auf Grundsätzliches bezieht. Zur ersten Frage zum Untersuchungsausschuss möchte ich mitteilen, dass ich die Frage sofort zurückgezogen hatte auf Beanstandung des Vorsitzenden. Das bestätige ich nochmal. Zur Frage, ob Kontakt zu Rockern oder anderen kriminellen Gruppierungen bestand: Das ist eine Einstiegsfrage, woraus sich Anschlussfragen ergeben können, wie die Einstellung zu Gewalt war und die Möglichkeiten zur Waffenbeschaffung bzw. Kenntnisse der Angeklagten Zschäpe dazu. Außerdem kann insofern von Bedeutung sein, ob und inwiefern die Angeklagte Zschäpe an anderen Straftaten beteiligt war oder davon wusste. [phon.] Die Frage nach dem Verhältnis zu Thorsten Po. ist von Bedeutung, weil die Angeklagte die Aliaspersonalie ‚Lisa Po.‘ benutzte. Das Verhältnis der Angeklagten zu Thorsten Po. ist insofern von Bedeutung, dass sich Hinweise auf die eigene politische Gesinnung der Angeklagten ergeben können. Thorsten Po. wurde hier von Patrick Ku. als ‚richtiger Rechtsradikaler‘ [phon.] bezeichnet. Auch dessen Ehefrau Sindy Po., die zum engsten Freundeskreis der Angeklagten zählte, bestätigte das auf Vorhalt, nachdem sie es als ’normal‘ bezeichnet hat.“ Narin verweist auf Thorsten Po.s Facebook-Seite mit u.a. Bezügen zu ‚Paulchen Panther‘. [phon.]

Narin: „Thorsten Po. veröffentlichte auch nach seiner Vernehmung kurze Zeit nach der Festnahme der Angeklagten Erklärungen auf Facebook, die auf ein enges Verhältnis schließen lassen und auf die politische Gesinnung der Angeklagten. Soweit dies beanstandet wurde, stelle ich klar: Es sind nur solche Kenntnisse gemeint, soweit sie der Angeklagten aus Gesprächen mit Thorsten Po. selbst, mit Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt oder etwa Sindy Po. bekannt geworden sind. Dass Thorsten Po. Briefe oder Pakete in Empfang genommen haben könnte, scheint naheliegend, da die Angeklagte Zschäpe die Aliasanschrift Lisa Po. in der Polenzstraße 2 verwendete.“ Narin sagt, es gehe dabei auch um Anteile der Angeklagten bei der Abtarnung im so genannten Untergrund und insbesondere auch um Kommunikation mit Außenstehenden. [phon.]

Narin: „Zu Jens Gü.: Dieser wohnte im gesamten Zeitraum, während dem sich das so genannte Trio in der Polenzstraße aufhielt, ca. 20 m von der Wohnung des so genannten Trios entfernt und er war mindestens an der Anmietung eines Fahrzeugs beteiligt, welches bei der Begehung eines Überfalls [phon.] eingesetzt worden sein könnte. Auch Kenntnisstand von Gü. zum Leben der Angeklagten und von Mundlos und Böhnhardt frage ich nur insoweit ab, soweit der Angeklagten eigene Erkenntnisse vorliegen. Zu den anschließenden Fragen nach dem Verdacht einer V-Mann-Tätigkeit oder Schwachstelle stelle ich klar, dass es nur um eigene Erkenntnisse der Angeklagten etwa aus Gesprächen mit Mundlos oder Böhnhardt geht. Das ist relevant insoweit, als sich Fragen anschließen würden, ob und welche Maßnahmen die Untergetauchten aufgrund von Verdachtsmomenten oder Erkenntnissen ergriffen haben. Das betrifft auch die nächste Frage, die nur auf andere Städte zielt. Zur Frage nach möglicher Kommunikation der Verteidiger mit Vertretern von Nachrichtendiensten: Es steht ihr frei, ob Sie die beantworten möchte, weil das mglw. den Kernbereich des Mandatsverhältnisses betrifft.“

Götzl: „Es steht ihr immer frei, ob sie sich äußert.“ RA Heer sagt, es sei ihm nicht möglich, das so schnell mitzuschreiben. Narin setzt fort: „Letzter Punkt, ob sie die Rechte an ihrer Autobiographie veräußert hat: Es können sich Hinweise auf die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten ergeben, Wenn etwa erhebliche Zahlungsansprüche gegen Vertragspartner bestehen sollten, und auch Rückschlüsse auf ihr bisheriges Aussageverhalten, falls bestimmte Erkenntnisse exklusiv zugesichert worden sein sollten [phon.].“

RA Langer sagt, er fasse nur kurz zusammen, was er auch schon gestern gesagt habe. Zu Punkt 3.3 sagt er, da gehe es um Bezüge zum Tatort in Rostock; ob und ggf. wann und ggf. mit wem die Angeklagte oder Böhnhardt oder Mundlos sich vor dem Tattag der Ermordung von Mehmet Turgut am späteren Tatort oder in der Nähe aufgehalten haben. Die Einleitungsfrage, ob Herr Ho. bekannt ist, sei zulässig, weil diese Person anschließend viel über Zschäpe berichtet haben solle und auch auf der Garagenliste auftauche. Zu Absatz 2 ergebe sich das aus dem Text. Konkret gehe es um Bezüge zu Rostock. Bei Absatz 3 [phon.] gehe es um eine Reise ein Jahr später, das seien vorbereitende Fragen, ggf. sei zu dann zu fragen, ob es während dieses Aufenthaltes Fahrten nach Rostock gab, wer dabei war, ggf. wo genau Aufenthalte waren. Bei Absatz 4 [phon.] ergebe sich das von selber [phon.], zu ergänzen sei, dass es sich bei der Pablo-Neruda-Straße um ein Neubauviertel in Rostock handele.

Dann gibt RAin Busmann ihre Stellungnahme zu den Beanstandungen ab. Zunächst sagt sie, dass sie sich zum Allgemeinen, das was RAin v. d. Behrens gesagt hat, zu eigen mache. Dann verliest sie die Stellungnahme zu ihren Fragen:
1. Was war der Grund, den Böhnhardt und Mundlos für Fahrten nach Hamburg angegeben haben? Die Frage ist zulässig. Sie zielt nicht nur ab auf die etwaigen Kenntnisse der Angeklagten zu dem Grund der Fahrt, sondern ist auch geeignet, Aufschluss über das Innenverhältnis der Untergetauchten und dessen Zusammenleben zu geben. Eine darüber hinausgehende Erklärung der Frage würde diese hinfällig machen.

2. Wurden Sie von Personen aus Norddeutschland auf Fehmarn besucht?
Die Frage ist zulässig. Sie ist nicht, wie die Beanstandenden meinen, neben der Sache. Das wäre sie nur, wenn sie sich nicht einmal mittelbar auf die zur Aburteilung stehende Tat und ihre Rechtsfolgen bezieht. Dann, wenn sie offensichtlich gänzlich neben der Sache liegt oder wenn erkennbar ausschließlich verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden. Das ist hier gerade nicht der Fall. Sollte die Angeklagte die Frage mit Ja beantworten, so ist zu erwarten, dass die Person oder Personen Angaben zum Innenleben der Untergetauchten und der Stellung der Angeklagten Zschäpe machen kann. So sind bereits zahlreiche Zeugen vernommen worden, die lediglich Urlaubsbekanntschaften waren. Darüber hinaus ist auch denkbar, dass die Person oder Personen Auskunft darüber geben kann, wie und warum ein Mordopfer gerade in Hamburg ausgewählt wurde. Es ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Frage gleichgültig, ob das Gericht die Frage als unerheblich erachtet. Gestellt werden darf sie, damit das Gericht sich selbst ein Urteil über die Relevanz der Frage bilden kann, wenn es die Antwort gehört hat. Die Frage wird erweitert um die für den Fall einer Bejahung folgende Frage: „Falls ja, wer waren diese Personen oder diese Person?“

3. Zu Kontakten aus Hamburg: Sind Sie bei Heß-Gedenkmärschen in Kontakt gekommen? Mit wem? Wann?
Auch diese Frage ist zulässig. Sollte die Angeklagte Zschäpe die Frage nach Kontakten zu Hamburg mit Ja beantworten, dann würde sich daran die Frage anschließen, woher sie diese kannte. Wenn sie eine von ihnen bei einem Heß-Gedenkmarsch kennengelernt haben sollte, so wäre der Bezug zur rechten Szene gegeben und es ist nicht auszuschließen, dass Unterstützungsleistungen an den Tatorten offenbar werden. Seit drei Jahren beschäftigt die Nebenkläger und Nebenklägerinnen die Frage, warum gerade diese Menschen Opfer wurden. Sollten Kontakte zur rechten Szene an dem Tatort Hamburg offenbar werden, so ist nicht auszuschließen, dass diese etwas dazu sagen können. Nochmal: der Maßstab ist nicht derjenige des § 244 Absatz 3 Satz 2 StPO, sondern es geht darum, ob ich eine Frage stellen darf, deren Antwort wir noch nicht kennen.

4. Sind Sie über Gefangenenhilfsorganisationen in Kontakt gekommen?
Hierzu wird verwiesen auf die vorangegangenen Ausführungen.
5. Haben Sie an Rechtsschulungen teilgenommen, von wem organisiert? Wer war Ihnen dort
bekannt?
Hierzu erfolgt ebenfalls ein Verweis auf eben diese Ausführungen. Darüber hinaus kann die Beantwortung dieser Frage ggf. Aufschluss geben über Einbindung und Stellung der Angeklagten in der rechten Szene.

6. Kennen Sie die nachfolgenden Personen: Thekla Prosche, Gisa Pahl, Christian Dolbscheidt, Christian Worch, Thorben Kolbe, Michael See, Stefan Sieler, Thomas Wulff? Vorgestellt? Von wem? Haben Sie die Namen schon einmal gehört, wenn ja, von wem bei welcher Gelegenheit?
Zunächst eine Richtigstellung: Es war die Frage nach einer Frau Thekla Kosche. Und einer Frau Christiane Dolscheid, sowie nach einem Herrn Torben Klebe sowie einem Stefan Silar. Das war in der Beanstandung falsch wiedergegeben worden. Wenn die Angeklagte die Frage nach einem Kennverhältnis mit diesen Personen mit Ja beantwortet, dann wäre daran anknüpfend von Bedeutung, woher sie die Personen kennt. Falls sie die Frage darauf, ob sie diesen Personen vorgestellt wurde, mit Ja beantwortet und auf die daran anknüpfende Frage danach, wer sie vorgestellt hat, einen Namen nennt, dann wären diese anschließenden Fragen ganz übliche Fragen, um mehr zu dem jeweiligen Kennverhältnis zu erfahren. Die Frage, ob die Angeklagte von den genannten Personen im Vorfeld gehört hat, falls sie die Frage nach einer persönlichen Bekanntschaft verneint, wäre relevant, um dann zu erfahren, durch wen sie von diesen Personen gehört hat und in welchem Zusammenhang. Bei sämtlichen Personen handelt es sich um solche aus dem Raum Hamburg und Umgebung, welche im Jahre 2001 und davor hochrangige Angehörige der rechten Szene sind oder waren. Wenn sich aus den Antworten der Angeklagten ergeben sollte, dass es aus dem Raum Hamburg Bekanntschaften gegeben hat zu Personen aus der rechten Szene, so wäre aufzuklären, ob es sich bei ihnen um Mitwisser und/oder Unterstützer gehandelt hat. Diese Personen wären als Zeugen zu laden und zu vernehmen, da sie eventuell Angaben machen könnten zur Organisation des so genannten NSU und ggf. auch zur Opferauswahl in Hamburg, in jedem Falle aber zum Innenleben der Untergetauchten bzw. des Lebens im Untergrund und zur Einstellung der Angeklagten Zschäpe.

7. Kennen Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt diese Personen?
Es mag sein, dass diese Frage unzulässig ist, ich habe sie auch nicht gestellt. Die Frage ist falsch wiedergegeben worden. Sie lautete wie folgt: „Haben Sie (also die Angeklagte) Kenntnis davon, ob Mundlos und Böhnhardt diese Personen kennengelernt oder Kenntnis dieser Namen hatten.“

Götzl: „Nur grundsätzlich, Frau Busmann: Sie haben mehrfach gesagt, was wir zu beachten haben. Wir haben noch nicht entschieden und auch nicht zu erkennen gegeben, wie wir uns entscheiden. Sie müssen uns nicht auf unsere rechtlichen Pflichten hinweisen. Sie haben uns angesprochen und nicht die Beanstandenden.“

Dann gibt Bundesanwalt Diemer die Stellungnahme des GBA zu den Beanstandungen ab: „Hoher Senat, unbeschadet der Frage, ob die Beanstandungen zulässig sind, halten wir nach reiflicher Überlegung die Beanstandungen jedenfalls für unbegründet. Gemäß § 241 Absatz 2 StPO kann der Vorsitzende ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen zurückweisen.“ Diemer macht kurz allgemeine Ausführungen dazu, wann Fragen ungeeignet bzw. nicht zur Sache gehörend seien. Dann sagt er, dass das Gesetz bei dieser Regelung vom Regelfall ausgehe, dass Fragen nacheinander in der Hauptverhandlung mündlich gestellt werden und jede für sich in der Hauptverhandlung mündlich beantwortet wird. Dabei bestehe bei der Beanstandung einer Frage in allen Fällen die Gelegenheit, ihre Zulässigkeit zu erörtern und die Frage ggf. zur optimalen Aufklärung der Sache in einer rechtlich einwandfreien Form zu stellen. Im vorliegenden Fall sei eine solche Situation nicht gegeben, weil Zschäpe eine unmittelbare Frage-Antwort-Situation in der Hauptverhandlung verweigere und nur bereit sei, auf einen „schriftlich verfassten Katalog von Fragen nach geraumer Überlegungsfrist einen schriftlich verfassten Antwortkatalog vorzulegen“.

Das bringe es zwangsläufig mit sich, dass über die Zulässigkeit einer einzelnen Frage eben nicht zeitgerecht in einer Weise entschieden werden könne, die es ggf. auch unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgrundsatzes möglich macht, die Frage in einer anderen und zulässigen Weise zu stellen. Diemer: „Wenn also der Angeklagten diese Verfahrensweise zugestanden werden muss, weil anders eine optimale Aufklärung nicht möglich ist, muss es auch zulässig sein, Fragen bis in den Grenzbereich dessen zu stellen, was eine Aufklärung als möglich erscheinen lässt. Und selbst wenn eine einzelne Frage für sich gesehen zunächst vielleicht ungeeignet erscheint oder keinen erkennbar direkten Bezug zum Untersuchungsgegenstand aufweist, kann sie in Abhängigkeit von den Antworten auf die übrigen Fragen durchaus relevant werden, so dass sie, wenn sie heute zurückgewiesen würde, später erneut gestellt werden müsste. Dies würde zu einer Endlosschleife der Befragung und damit zu einer nicht mehr vertretbaren Verzögerung der Hauptverhandlung führen. Deren Abschluss wäre zeitlich nicht mehr absehbar.“

Diesen Umstand dürfe der Senat in dieser „speziellen, allein von der Angeklagten herbeigeführten Ausnahmesituation“ berücksichtigen. Diemer: „Es dürfen daher nicht nur großzügige Maßstäbe angelegt sondern auch im Zweifel Fragen eher zugelassen werden. Hinzu kommt, dass es der anwaltschaftlich ausgiebig beratenen Angeklagten anders als einem Zeugen unbenommen bleibt, bei der Bearbeitung des Fragenkatalogs im Einzelfall eine von ihr als ungeeignet oder sachfremd eingeschätzte Frage ggf. mit entsprechender Begründung unbeantwortet zu lassen.“ Die von Heer, Stahl, Sturm beanstandeten Fragen wirkten nicht willkürlich, seien nicht entehrend, zielten nicht auf rechtlich unzulässige Beweiserhebungen ab, würden jedenfalls nicht völlig beziehungslos im Raum stehen und ließen jedenfalls in der Gesamtschau der gesamten Fragenkataloge nicht jede Geeignetheit zur Sachaufklärung vermissen: „Sie sollten, soweit nicht umformuliert, unter Berücksichtigung der gesamten besonderen Umstände daher zugelassen werden.“

Es folgt eine Pause bis 15:37 Uhr. Der Zeuge betritt wieder den Saal. Götzl: „Dann setzen wir Ihre Einvernahme fort. Konnten Sie die Frage der Aussagegenehmigung klären?“ Kö.: „Ja.“ Götzl: „Was ist das Ergebnis?“ Kö.: „Mitarbeiter waren Herr Tu., Herr Pr., Herr Gö., Herr Ke., zeitweilig waren andere dabei, aber das waren die, die über mehrere Jahre da waren.“ RAin Schneiders fragt nach einem Herrn Ku. Kö. sagt, der sei auch mal Mitarbeiter gewesen, aber auch mehr zeitweilig. Schneiders: „Ist Ihnen aus der Auswertung der Redebeiträge oder ähnliches eine Äußerung bekannt, dass Herr Wohlleben Gewalt in irgendeiner Weise befürwortet hat?“ Kö.: „Nein, ist mir nicht bekannt.“ Der Zeuge wird entlassen. RAin v. d. Behrens und RA Hösl behalten sich Erklärungen vor.

Bundesanwalt Diemer sagt, der GBA wolle zu den Beweisanträgen von gestern Stellung nehmen. OStAin Greger beginnt mit dem Antrag auf Vernehmung eines instruierten Mitarbeiters des TLfV. Dabei handele es sich um einen Beweisermittlungsantrag, weil weder Zeuge noch Dokument konkret bezeichnet würden. Wohlleben habe eingeräumt, gemeinsam mit André Kapke Organisator des Fests der Völker 2005 bis 2009 gewesen zu sein. [phon.] § 244 Absatz 2 StPO gebiete es nicht, den beantragten Beweiserhebungen zu den Jahren 2005 bis 2009 nachzukommen. Die bisherige Beweisaufnahme habe hinreichende und solide Kenntnisse zu der Einstellung Wohllebens und auch zur KS Jena und zum Nationalen Widerstand Jena erbracht. Greger nennt mehrere Beispiele. Dann sagt sie, dass der weitere Antrag auf Inaugenscheinnahme einer Bilddatei abzulehnen sei, weil dies aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung sei. Es könne aus der Abbildung von Männern mit SS-Uniform nichts hergeleitet werden zur Einstellung Wohllebens zur Tatzeit.

Dann nimmt OStA Weingarten Stellung zum Beweisantrag zur Verlesung eines Beitrags aus der NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“. Dieser sei wegen Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen Gründen abzulehnen, so Weingarten. Es gebe keinen entscheidungsrelevanten Erkenntnisgewinn zur Einstellung Wohllebens zum Zeitpunkt der ihm zur Last gelegten Beihilfehandlung. Das bedeute zwar nicht, dass die in Rede stehenden Beweistatsachen inhaltsleer wären oder keine Rückschlüsse erlaubten, die möglichen Rückschlüsse seien aber weder zwingend noch könnten sie wegen geringer Aussagekraft zur Frage des handlungsleitenden Motivs zugrunde gelegt werden. Aus dem Umstand, dass André Kapke Mitunterzeichner eines offenbar aus fremder Hand stammenden Textes gewesen sei, könne trotz dessen Nähe zu Wohlleben nicht geschlossen werden, dass das auch dem handlungsleitenden Motiv Wohllebens bei der Beschaffung der Tatwaffe Ceska entsprochen hat. Auch die Verlesung und Inaugenscheinnahme des Aufdrucks auf dem Feuerzeug sei ohne Bedeutung, dies sei mehr als zehn Jahre nach der Tatzeit sichergestellt worden. Schließlich sei auch die Beweistatsache 4 ohne Bedeutung. Der Senat werde seine Schlüsse nicht darauf gründen wollen, dass Wohlleben mehr als zehn Jahre nach der Tat von seiner Frau rassistische Musik zugesandt bekommen hat. [phon.]

Zum Antrag auf erneute Ladung von Thomas Gerlach sagt Weingarten, dieser sei abzulehnen, weil die Aufklärungspflicht weder nahelege noch dazu dränge, ihm nachzukommen. Es handele sich nur um einen Beweisermittlungsantrag. Der Antrag mache den erforderlichen Zusammenhang zwischen Beweistatsache und Beweismittel nicht deutlich, die Antragsteller würden nicht wissen lassen, warum Thomas Gerlach dazu Angaben im Sinne der Beweisbehauptung machen können soll. Es sei nicht Aufgabe des Gerichts spekulativen Online-Veröffentlichungen nachzugehen. Es werde darüber hinaus mitgeteilt, dass Ermittlungen nahelegen, dass die Mailadresse von einer anderen Person genutzt worden ist, die sich auch zur Inhaberschaft bekannt habe [phon.] und deren Namen den Spitznamen „Wolle“ plausibel erscheinen lasse. Aus den genannten Gründen sei eine Beiziehung dieser Akten aber nicht geboten. [phon.]

Zu den Beweisanträgen der Verteidigung Wohlleben von gestern sagt Weingarten, dass diese wegen Bedeutungslosigkeit abzulehnen seien. Die behaupteten Äußerungen von Sven Kl. würden auch im Falle ihres Erwiesenseins die Entscheidung des Gerichts nicht beeinflussen können. Dass die Angaben Carsten Schultzes zu der Schlägerei nicht belastbar seien und damit Rückschlüsse auf die Glaubwürdigkeit des Angeklagten Schultze zu ziehen seien, diese Schlüsse werde der Senat nicht ziehen wollen [phon.]. Denn selbst wenn Kl. bei der Schlägerei nicht dabei gewesen wäre, führe das nur zu dem Schluss, dass Schultze sich hinsichtlich eines 20 Jahre zurückliegenden Turbulenzgeschehens an einen einzigen Beteiligten nicht erinnern kann. Schultze habe auch keine Fremdbelastungstendenzen gezeigt. Er habe sich dagegen in erster Linie erheblich selbst belastet, als er angegeben hat, dass er seinem Gegner mehrfach in den Rücken getreten habe, so dass er sogar von jemand anderem aus seiner Gruppe zur Räson habe gebracht werden müssen.

RAin Schneiders: „Empörung trifft es nicht ansatzweise, wenn ich die Schilderungen zur Mailadresse höre.“ Es habe offenbar Ermittlungen gegeben, die zur Entlastung ihres Mandanten beigetragen hätten und diese Akten würden den Verfahrensbeteiligten vorenthalten; das sei rechtswidrig und sie sehe die Verfahrensfairness aufs Gröbste gefährdet. [phon.] Zu den Ausführungen zu Carsten Schultze sagt Schneiders, dass die BAW beiseite lasse, dass Schultze gesagt habe, Wohlleben sei jemandem auf dem Kopf herumgesprungen: „Und dann wird gesagt, keine Fremdbelastungstendenzen.“ Weingarten: „Starke Worte sollten auch starke Argumente beinhalten. Wir haben, wie die Nebenklägervertreter auch, einer Zeitung entnommen, dass es eine problembeladene Mailadresse gibt, die in der Zeitung Herrn Wohlleben zugerechnet wird.“ Dies spiele in den Ermittlungsverfahren gegen etwaige Unterstützer auch eine Rolle. [phon.] OStA Weingarten: „Wie das entlasten soll, wo niemand Herrn Wohlleben vorgeworfen hat von Amts wegen, er hätte diese Mail benutzt, entzieht sich meinem Verständnis [phon.]. Wenn ihm das jemand vorgeworfen hätte oder das ansonsten einen NSU-Bezug gehabt hätte, dann hätte der Senat seit zwei Jahren die Akten. [phon.] Aber Ergebnisloses und Sinnloses, damit belasten wir nicht die Akten. [phon.]“ RA Klemke: „Das ist eine Show, die hier von der BAW abgezogen wird.“ Klemke verweist auf Vernehmungsprotokolle von Mirko Sz. und Sven Kl. und sagt, das setze sich so fort. [phon.]

Götzl: „Frau Rechtsanwältin von der Behrens, Sie hatten sich zu Wort gemeldet?“ V. d. Behrens sagt zum Beweisantrag zum „Fest der Völker“: „Es geht nicht nur um den Tatzeitpunkt und die dann bestehende Motivlage, sondern es geht um die Angaben von Wohlleben in seiner Einlassung, er sei überhaupt nicht ausländerfeindlich. Da bezieht er sich auf das Fest der Völker als Beispiel für seine menschenfreundliche Einstellung und darum geht es.“ Das „Fest der Völker“ sei kein Fest zur Völkerverständigung, sondern habe ganz klar Bezug zum NS, so v. d. Behrens.

Dann gibt Götzl noch einen Hinweis zum Antrag auf Vernehmung eines instruierten TLfV-Mitarbeiters. Dort sei keine bestimmte Beweistatsache [phon.] benannt, so dass die Anträge in ihrer bisherigen Form Beweisermittlungsanträge wären. Götzl zitiert Stellen aus dem Antrag und sagt, es handele sich um Wertungen, die nicht Gegenstand des Zeugenbeweises seien. Er rege an, sich auf Tatsachenbehauptungen zu beschränken. [phon.] RA Hoffmann sagt, er werde dieser Anregung nachkommen. Götzl wendet sich an Heer, Stahl, Sturm und sagt, dass man dann am 31.08. deren Erwiderungen auf die Stellungnahmen entgegennehmen werde. RA Scharmer sagt, er sei auch überrascht, dass es zu der Mailadresse Ermittlungen gebe, die sie nicht kennen würden, das hätte ggf. den Antrag entbehrlich gemacht. Er rege an, so Scharmer, dass diese zu den Akten gereicht werden und dann werde ggf. der Antrag zurückgenommen. OStA Weingarten: „Wenn wir alles, was wir in der Zeitung lesen, was sich als Humbug [phon.] erweist, zu den Akten reichen würden, dann wäre das nicht sinnvoll.“ Wenn der Senat aus freibeweislicher Sicht [phon.] diese Akten haben wolle, dann stehe man nicht dagegen, aber er sehe nach wie vor keinen Anlass diesen „unergiebigen Hinweis mit unergiebigen Ergebnissen“ [phon.] zur Akte zu reichen. RA Langer sagt, die Akte enthalte ja auch den Ordner „Sonstige Zuschriften“, vielleicht könne man es in dem Umfang einreichen. Götzl: „Beschluss: Die Hauptverhandlung wird unterbrochen und fortgesetzt am Mittwoch, 31.08., um 09:30 Uhr.“ Der Verhandlungstag endet um 16:08 Uhr.

Das Blog „nsu-nebenklage„: „Zwei ehemalige Staatsschutzbeamte aus Jena, die jahrelang gegen die Mitglieder der Kameradschaft Jena bzw. des Thüringer Heimatschutzes ermittelt hatten, waren heute auf Antrag der Verteidigung Wohlleben geladen. Allerdings konnte nur einer von beiden vernommen werden, der andere war erkrankt. Die Vernehmung geriet mal wieder zu einer zähen, ermüdenden Selbstdarstellung des Verteidigers Klemke, denn der Zeuge sagte keineswegs das aus, was sich die Verteidigung erhofft hatte. Er schilderte nicht, dass Wohlleben keine ausländerfeindliche Politik gemacht habe, sondern teilte mit, dass Wohlleben ab 1996 alle Aktivitäten der NPD und von Kameradschaften so organisierte, dass er selbst ‚clever‘ im Hintergrund blieb, und nannte eine ganze Reihe von Beispielen für rassistische und ausländerfeindliche Aktionen. So musste Klemke mal wieder versuchen, den Zeugen als unglaubwürdig darzustellen. Und obwohl der sich zuvor mit Feststellungen wie der, ‚mit 2% Ausländeranteil in Thüringen‘ sei die Situation nicht zu vergleichen gewesen ‚mit den Problemen in den alten Bundesländern‘, als wenig links dargestellt hatte und von der NPD und anderen rechtskonservative Parteien geredet hatte, versuchte Klemke ihm dennoch zu unterstellen, er habe Gewalt gegen die NPD gutgeheißen. […] Letztlich erläuterte die Nebenklage ihre von den Rechtsanwälten HeerStahlSturm beanstandeten Fragen. Bundesanwalt Diemer erklärte, wenn die Angeklagte Zschäpe die Stellung von Fragen erheblich erschwere, da nur en bloc Fragen gestellt werden könnten, dann müssten in einem solchen Fragenkatalog auch sehr weitreichende Fragen zulässig sein. Anschließend beantragte die BAW, die Beweisanträge der Nebenklage zur nationalsozialistischen Ideologie, zum Rassismus und zum militanten Ausländerhass des Angeklagten Wohlleben abzulehnen . die politische Einstellung Wohllebens und damit auch sein Motiv für das Besorgen der Mordwaffe sei hinreichend belegt, für solche Beweisanträge daher kein Platz mehr. Damit lädt die Bundesanwaltschaft das Gericht ein, erneut einen Teil der Beweiswürdigung aus dem Urteil vorab in Beschlussform zu bringen. Sollte das Gericht die Anträge mit dieser Begründung ablehnen, bestünde kein Anlass mehr, mit weiteren Anträgen hinsichtlich Wohlleben nachzulegen.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2016/08/02/02-08-2016/

Der Beitrag Protokoll 305. Verhandlungstag – 02. August 2016 erschien zuerst auf NSU Watch.

Protokoll 336. Verhandlungstag – 17. Januar 2017

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An diesem Prozesstag wird zunächst geklärt, dass der Antrag der Verteidigung von Beate Zschäpe, die Gutachtenerstattung durch Prof. Dr. Saß mitzuschneiden, abgelehnt wird. Danach beginnt dieser sein psychiatrisches Gutachten über die Beate Zschäpe vorzutragen.

Sachverständiger:

  • Prof. Dr. Henning Saß (Psychiatrisches Gutachten über die Angeklagte Beate Zschäpe)

Der Verhandlungstag beginnt um 09:45 Uhr. Zschäpes Verteidiger RA Borchert und RA Stahl sind nicht anwesend. Der psychiatrische Sachverständige Prof. Dr. Saß ist anwesend.

Nach der Präsenzfeststellung verkündet Götzl den Beschluss, dass sämtliche Anträge der Zschäpe-Verteidiger_innen Sturm, Stahl, Heer bzgl. des Themas, die Gutachtenerstattung von Prof. Dr. Saß vollständig akustisch bzw. durch einen „berufsmäßigen Tastschreiber“ oder Stenografen aufzeichnen zu lassen, sowie der Antrag auf eine dienstliche Erklärung des SV dazu, ob er im Fall der Aufzeichnung seine Unbefangenheit tangiert sieht oder ob aus seiner Sicht als erfahrener SV sonstige Bedenken gegen eine Aufzeichnung bestehen, abgelehnt sind. Zur Begründung führt er aus, dass der Antrag zur dienstlichen Stellungnahme abzulehnen gewesen sei, weil es im Hinblick auf die Zulässigkeit der akustischen Aufnahme der gutachterlichen Äußerungen und deren mögliche Auswirkungen auf die Wahrheitsfindung nicht auf die subjektive Sicht des SV oder dessen Bewertung ankomme, sondern ausschließlich auf die Beurteilung durch den Senat.

Zu den weiteren Anträgen sagt Götzl, dass Ton- und Filmaufnahmen in der Hauptverhandlung zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts unzulässig seien. Andere Tonaufzeichnungen, die nicht den genannten Zwecken dienen, seien von diesem Verbot nicht umfasst. Ob solche Tonaufzeichnungen zugelassen werden, liege im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters. Bei der Ermessensausübung sei den Grundsätzen über die Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Verfahrensbeteiligten und der Wahrheitserforschungspflicht besonderes Gewicht beizumessen. Die in diesem Zusammenhang bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigenden Gesichtspunkte hätten zur Ablehnung des Hauptantrags geführt, weil eine Tonaufnahme die Wahrheitsfindung beeinträchtigen könne. Zeugen und andere Auskunftspersonen, zu denen auch SV zählten, dürften keinen verfahrensfremden Einwirkungen ausgesetzt werden, die deren Angaben beeinflussen und beeinträchtigen können. Das Besprechen eines Tonbandes löse bei vielen Betroffenen eine Hemmung aus, frei und unbefangen zu reden. Die Aufzeichnung einer mündlichen Erklärung auf einen Tonträger eröffne zudem die Möglichkeit, das gesprochene Wort immer wieder abzuhören, zu analysieren und zu überprüfen.

Eine derartige Analyse am Wortlaut des Gutachtens sei nach den Ausführungen der Antragsteller geplant. Zudem sei beabsichtigt, Prof. Dr. Faustmann mit der Erstattung eines Gutachtens zu beauftragen, das sich in methodischer Hinsicht mit dem in der Hauptverhandlung noch zu erstattenden Gutachten von Prof. Dr. Saß auseinandersetzen soll. Nachdem Faustmann derzeit an der Hauptverhandlung jedoch nicht teilnehmen könne, seien ihm laut den Antragstellern die Anknüpfungstatsachen valide zu vermitteln, was bestmöglich durch ein aus einer Aufzeichnung seiner mündlichen Gutachtenerstattung gewonnenes Wortprotokoll erfolgen könne. Es bestehe jedoch bei dieser Sachlage die Gefahr, dass Aussagen und Erklärungen in Kenntnis ihrer Aufzeichnung, auch bei einer möglichen Einwilligung des SV und seiner subjektiven Einschätzung keine Einwände gegen die Aufnahme zu haben und durch die Aufnahme auch nicht beeinträchtigt zu sein, nicht frei und unbelastet erfolgen, so dass ihr sachlicher Inhalt falsch gewichtet wird.

Diese Einschätzung des Senats beruhe auf den in dem vorliegenden Verfahren bestehenden Besonderheiten. Die ohnehin auf Grund der Vielzahl der Verfahrensbeteiligten und des nicht unerheblichen Interesses der Öffentlichkeit und der Medien an dem vorliegenden Verfahren bestehende besondere psychische Belastung aller Verfahrensbeteiligten und damit auch des SV werde durch die Aufzeichnung seines mündlich zu erstattenden Gutachtens in verfahrensfremder Art und Weise verstärkt. Dass eine derartige Folge bei dem „forensisch außerordentlich erfahrenen Sachverständigen“ nicht zu befürchten wäre, sei für das vorliegende Verfahren eine reine Spekulation der Antragsteller. Gerade auch das angekündigte privat in Auftrag gegebene methodenkritische Gutachten zur Überprüfung des Gutachtens von Saß hebe neben den ohnehin bestehenden Besonderheiten diese Situation aus der Vielzahl der vom SV bereits erstatteten Gutachten und seiner forensischen Erfahrung heraus. Der SV sei sicherlich forensisch außerordentlich erfahren. Hinweise darauf, dass er aber auch erfahren darin ist, dass in einem Verfahren wie dem vorliegenden, sein mündlich erstattetes Gutachten auf einen Tonträger fixiert wird, so dass ihn diese Vorgehensweise vor dem gesamten bereits dargestellten Hintergrund nicht beeinträchtigen würde, seien aber nicht vorhanden.

Auch eine mögliche Zustimmung des SV zu den Tonaufnahmen könne auch vor dem Hintergrund der Persönlichkeit des SV von der Befürchtung getragen sein, er setze sich bei Verweigerung der Einwilligung dem Verdacht aus, seine Ausführungen seien nicht hieb- und stichfest. Diese Folge sehe der Senat wegen der Besonderheiten des vorliegenden Verfahrens als naheliegend an und nicht, wie die Antragsteller meinten, als realitätsfern. Die Wahrheitsfindung, die der Sachverständige durch Vermittlung der notwendigen Sachkunde an das Gericht befördern solle, sei somit bei einer Tonaufnahme gefährdet. Bei dieser Sachlage könne es auch dahinstehen, ob sich andere Verfahrensbeteiligte dadurch beeinträchtigt fühlen würden. Ein Bedürfnis der Verteidigung für eine wörtliche Mitschrift, die anhand der Tonaufnahme angefertigt werden soll, sei nicht erkennbar. Götzl fasst kurz die Argumentation der Antragsteller zusammen, dann sagt er, dass die Antragsteller ausgeführt hätten, es komme bei der Bewertung des methodischen Vorgehens des SV Saß auch auf Nuancen an. Götzl: „Dieser Vortrag überzeugt nicht.“

Für eine sachgerechte Vorbereitung der effektiven Ausübung des eigenen Fragerechtes der Antragsteller und die qualitativ hochwertige Information des hinzugezogenen Prof. Dr. Faustmann würden, wie auch sonst während der über 330 Tage dauernden Hauptverhandlung, die Mitschriften, die jeder Prozessbeteiligte und auch das Gericht anfertigten, ausreichen: „Es kommt in diesem Zusammenhang auch bei der geplanten Fertigung eines methodenkritischen Gutachtens auf den Inhalt und nicht auf den exakten Wortlaut der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Saß an.“ Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Verteidigung Zschäpe aus mehreren RAen besteht und diese ihre Mitschriften vergleichen und ggf. ergänzen könnten, was zu einer ausreichend hohen „Richtigkeitsgewähr“ der Mitschrift führe. Dem von der Verteidigung vorgetragenen Interesse an einer exakten Dokumentation des Gutachtens werde dadurch entsprochen, dass der SV vom Vorsitzenden dazu angehalten werde, seine mündlichen Ausführungen langsam und deutlich vorzutragen, so dass den Antragstellern sowie den übrigen Prozessbeteiligten die eigene Protokollierung, wie im gesamten bisherigen Verlauf der Hauptverhandlung, möglich sein werde.

Der Hinweis der Verteidigung, die Tonaufzeichnung sei im Ergebnis nichts anderes als eine stenographische Mitschrift, die aber zulässig sei, verfange nicht, weil in einem Stenogramm lediglich festgehalten werde, was die Schreibkraft subjektiv von den Äußerungen des SV verstanden hat und weil es bei einem Stenogramm nicht zu den möglichen Auswirkungen einer Tonaufnahme auf den SV komme. Unter Berücksichtigung dieser Umstände überwiege dann bei der Abwägung das Interesse an der unbeeinträchtigten Wahrheitsfindung gemäß § 244 Abs. 2 StPO. Auch die gestellten Hilfsanträge hätten nach Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens abgelehnt werden können, denn sie setzten eine Tonaufzeichnung voraus. Eine gerichtliche Anordnung der Mitschrift durch einen „berufsmäßigen Tastschreiber“ oder Stenografen erfolge nicht, weil eine wörtliche Fixierung des Inhalts der Ausführungen des SV, wie oben dargelegt, nicht erforderlich sei.

Gegen die Hinzuziehung eines Tastschreibers oder Stenografen zur Anhörung des SV würden aber weiterhin keine Bedenken bestehen. Von dieser Möglichkeit hätten die Antragsteller in der Vergangenheit auch bereits Gebrauch gemacht. Eine gleichzeitige Feststellung, dass die für die Zuziehung einer derartigen Hilfsperson zu tätigenden Aufwendungen notwendig sind [= Kostenübernahme], sei nicht zu treffen gewesen, weil die Notwendigkeit einer wörtlichen Protokollierung nicht bestehe. Die hohe Qualität der Mitschrift durch die Verteidiger werde dadurch sichergestellt, dass der Angeklagten mehrere RAe zu Seite stehen. Durch die Mehrzahl der Verteidiger sei die Validität der Mitschrift auch dann gewährleistet, wenn einer der Verteidiger den SV befragt und sich deshalb nicht voll auf die Mitschrift konzentrieren kann.

RA Heer: „Angesichts des Umfangs und der Bedeutung des soeben verkündeten Beschlusses würden Frau Kollegin Sturm und ich uns diese Zwischenentscheidung erst einmal anschauen. Wir beantragen daher die Erteilung einer Abschrift und die Unterbrechung der Hauptverhandlung für 30 Minuten ab Erhalt der Kopien.“ Götzl: „Wie lange benötigen Sie für die Ablichtung? Ich denke, wenn wir um 45 fortsetzen, haben wir ausreichend Zeit. Dann wird die Hauptverhandlung bis 10:45 Uhr unterbrochen.“ Um 10:43 Uhr kommt die Durchsage, dass die Verhandlung erst um 11:45 fortgesetzt werden soll. Um 11:47 Uhr folgt die Mitteilung, dass es um 12 Uhr weiter gehen soll. Um 12:07 Uhr geht es dann tatsächlich weiter.

Götzl: „Wer möchte das Wort?“ Heer verliest eine Gegenvorstellung gegen den heute morgen verkündeten Beschluss. Die Gegenvorstellung argumentiert, dass eine umfassende, und damit ordnungsgemäße Ermessensausübung bei dem Beschluss nicht vorliege, wodurch eine Behinderung der Verteidigung eintreten würde. Der Senat verkenne, dass gerade angesichts der Besonderheiten dieses Verfahrens entweder bereits eine Beeinflussung der Unbefangenheit von Auskunftspersonen bestehe oder aber eine solche aufgrund der akustischen Aufzeichnung nicht mehr verstärkt werden könne. Der Senat werfe den Antragstellern vor, es handele sich bei der Annahme, solche Auswirkungen würden bei einem derart erfahrenen SV wie Saß nicht eintreten, sei reine Spekulation. Wenn aber der Senat es als naheliegend ansehe, dass bei einer Tonbandaufnahme die Wahrheitsfindung gefährdet sei, dann sei diese ebenso oder noch mehr eine Spekulation, weil der Senat insoweit keine einzige tatsächliche Erwägung anstelle. Der Senat ziehe nicht ausreichend in Betracht, dass Saß kein Zeuge sei, der ein einmaliges Erlebnis aus der Erinnerung reproduzieren soll, sondern ein SV, der aufgrund einer über viele Jahre hinweg praktizierten Methodik Ausführungen vornehmen soll.

Der Antrag auf Einholung einer dienstlichen Erklärung habe nicht lediglich darauf gezielt, dass Saß angeben sollte, ob er für sich die Gefahr einer Beeinflussung sehe, sondern auch darauf, dass Saß sich als SV mit langjähriger Erfahrung zu dem Thema äußert. Nur dadurch könne rein spekulativen Erwägungen Einhalt geboten werden. Zudem sei der SV anzuhalten, sich dienstlich dazu zu äußern, ob er selbst Erfahrungen mit solchen Aufzeichnungen hat, also ob von ihm in einer Hauptverhandlung erstattete Gutachten bereits aufgezeichnet wurden. Es bestehe aufgrund der jahrzehntelangen Tätigkeit des SV Grund zu der Annahme, dass er auch bereits vor einem Strafsenat des OLG Düsseldorf ein solches Gutachten erstattet hat: „Soweit uns bekannt ist, ist die Aufzeichnung der Hauptverhandlung vor dem OLG Düsseldorf zu senatsinternen Zwecken der Regelfall.“

Der Senat nehme an, so Heer weiter, dass Saß bereits deshalb unter einer besonderen Belastung stehe, weil bereits ein methodenkritisches Gutachten zur Überprüfung seines Gutachtens in Auftrag gegeben worden sei. Dies verfange deshalb nicht, so Heer, weil es dann auf die beantragte Aufzeichnung bzw. Verschriftung nicht mehr ankomme; der Senat hätte hierzu im konkreten Fall zumindest durch eine entsprechende Befragung von Saß ergründen müssen, ob eines seiner früher erstatteten Gutachten bereits Gegenstand eines methodenkritischen Gutachtens war. Denn eine hierbei bestehende Erfahrung würde, so Heer, die potenzielle Gefahr einer Beeinflussung reduzieren. Heer: „Angenommen, schon durch die Erwähnung des methodenkritischen Gutachtens würde eine Belastung für den Sachverständigen eintreten, die die Wahrheitsfindung gefährden würde, wäre im Falle des Zeugenbeweises stets der Beweiswert schon durch das Inaussichtstellen eines Glaubhaftigkeitsgutachtens potenziell gefährdet.“ Der Senat nehme es offenbar als unumstößliche Gesetzmäßigkeit hin, dass durch die Aufzeichnung eine die Wahrheitsfindung gefährdende Beeinflussung stattfindet. Der Umstand, dass der Gesetzgeber eine Aufzeichnung nicht verbietet, verdeutliche aber das Gegenteil. Die „fehlerhafte Ermessensausübung“ des Senats sei auch an weiteren „reinen Spekulationen“ zu erkennen.

Der Senat erwäge, dass auch eine mögliche Zustimmung des SV zu den Tonaufnahmen vor dem Hintergrund der Persönlichkeit des SV von der Befürchtung getragen sein könne, er setze sich bei Verweigerung der Einwilligung dem Verdacht aus, seine Ausführungen seien nicht hieb- und stichfest, ohne auch nur einen diesbezüglichen konkreten Anhaltspunkt zu der Persönlichkeit des SV, von der der Senat auszugehen scheine, zu benennen. Außerdem stelle der Senat auf die Verteidigung Zschäpes durch mehrere RAe ab, lasse aber die ihm anhand zahlreicher Anträge auf Aufhebung der Verteidigerbestellungen und entsprechende Stellungnahmen bekannten Problematiken vollständig außer Acht. Auch müsse sich eine qualitative Bewertung der Mitschriften der Verteidiger dem Senat mangels Kenntnis zwangsläufig entziehen. Eine Vergleichbarkeit der Bedeutung des Gutachtens des SV Saß mit vorangegangenen Beweiserhebungen sei von vornherein verfehlt. Der Senat weise zwar darauf hin, dass bei einem Stenogramm die in dem Beschluss aufgeführten Risiken nicht bestünden, gehe aber nicht näher darauf ein.

Heer: „Er ersetzt dadurch die aufgrund ihrer eigene Expertise als Verteidiger vorgenommene Bewertung der Notwendigkeit einer solchen Aufzeichnung der Antragsteller durch die von ihm aufgestellte Behauptung, dass dies nicht erforderlich sei. Da es für das methodenkritische Gutachten darauf ankommt, was und wie der Senat die gutachterlichen Ausführungen versteht, dient eine wortgetreue Aufzeichnung diesem Zweck am ehesten.“ Abschließend sei, so Heer, anzumerken, dass der Senat verkenne bzw. es jedenfalls nicht berücksichtige, dass bereits seine ablehnende Entscheidung jedenfalls potenziell geeignet sein könne, den SV zu beeinflussen, was ja gerade vermieden werden solle.

Götzl: „Zum Prozedere hinsichtlich Stellungnahmen. Wir werden es natürlich kopieren lassen. Soll sogleich dazu Stellung genommen werden?“ OStA Weingarten: „Herr Vorsitzender, wir sind der Auffassung, dass die tragenden Argumente hinlänglich ausgetauscht worden sind. Wir halten den Beschluss des Senats für richtig und ausgewogen. Die Gegenvorstellung gibt nur zu einer Richtigstellung in einem Punkt Anlass: Am OLG Düsseldorf wurde für justizinterne Zwecke aufgezeichnet. Dort unterscheidet sich der Sachverhalt ganz erheblich insofern, als die Aufzeichnung weder an Verfahrensbeteiligte geht und schon gar nicht an externe Sachverständige.“ Götzl: „Wir werden es kopieren in der Pause, die wir einlegen, auch um die Gegenvorstellung zu beraten. Dann wird die Hauptverhandlung unterbrochen. Wir setzen fort um 13:15 Uhr.“ In der Pause findet sich nun auch Zschäpe-Verteidiger RA Borchert ein. Um 13:17 Uhr wird verkündet, dass die Verhandlung um 14 Uhr fortgesetzt werden soll. Um 14:07 Uhr geht es weiter.

Götzl: „Dann setzen wir fort. Herr Borchert, ich darf Sie begrüßen.“ Dann verkündet Götzl den Beschluss, dass der Antrag, den SV Saß dazu anzuhalten, sich dienstlich darüber zu äußern, ob er Erfahrungen mit solchen Aufzeichnungen hat, abgelehnt wird, und dass es ansonsten bei dem heute morgen verkündeten Beschluss „sein Bewenden“ hat. Der Umstand, ob der SV Erfahrungen mit Aufzeichnungen habe, sei für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung. Es sei nicht sachgerecht, eine dienstliche Erklärung zu Umständen einzuholen, die keine Bedeutung haben. Ansonsten könne der Senat kann keine Gründe erkennen, seinen Beschluss abzuändern. Dazu führt Götzl u.a. aus, es habe eine umfassende Ermessensentscheidung stattgefunden; der Vortrag der Gegenvorstellung, eine mögliche externe Beeinflussung von Auskunftspersonen könnte durch eine Aufzeichnung nicht mehr verstärkt werden, sei nicht nachvollziehbar.

Götzl: „Dann würden wir zu Ihrem Gutachten kommen, Herr Prof. Dr. Saß. Ich würde Sie bitten, dass Sie hier vorne Platz nehmen.“ Saß setzt sich zur Gutachtenerstattung an den Zeugentisch. Götzl belehrt Saß. Dann gibt Saß seine Personalien an: „Dr. med. Henning Saß, 72, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Professor für forensische Psychiatrie, Uniklinikum Aachen, nicht verwandt und nicht verschwägert.“ Götzl: „Nochmal der Hinweis: Ich würde Sie bitten, im Hinblick auf die Mitschriften sehr langsam zu sprechen und es langsam zu erläutern. Gegebenenfalls werde ich nochmal darauf hinweisen, aber dass Sie es von vornherein in Rechnung stellen.“ Götzl sagt, es gehe bei der Gutachtenerstattung letztlich um drei Aspekte: Um die Voraussetzungen aus sachverständiger Sicht hinsichtlich § 66 StGB [Unterbringung in der Sicherungsverwahrung], „Bereich Hang/Gefährlichkeitsprognose“. Dann gehe es um die Frage einer verminderten oder aufgehobenen Steuerungsfähigkeit/Schuldfähigkeit unter dem Aspekt der Alkoholisierung und um die Frage der Voraussetzungen einer möglichen Unterbringung nach § 64 [Unterbringung in einer Entziehungsanstalt]. Götzl: „Den Aufbau überlasse ich Ihnen.“

Saß sagt, er werde ein Gutachten erstatten zu den psychopathologischen Voraussetzungen für die Fragen der Schuldfähigkeit, einer evtl. Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und einer evtl. Unterbringung in der Sicherungsverwahrung. Er habe zur Vorbereitung einen Schriftsatz eingereicht, datiert auf den 19.10.2016. Allerdings seien inzwischen angesichts der Entwicklung seither erhebliche Erweiterungen und Änderungen erfolgt, etwa hinsichtlich des zwischenzeitlich eingeführten Briefs von Zschäpe an „Robin S.“ [Schmiemann] und hinsichtlich der Ausführungen des Zeugen Gr. [317. Verhandlungstag] sowie des Zeugen Se. [324. Verhandlungstag] sowie der Aussage des Zeugen Br. [333. Verhandlungstag]. Saß: „Die im Senatsbeschluss vom 12.01.2017 genannten Mindestanforderungen der Arbeitsgruppen beim BGH aus den Jahren 2005 und 2006, an deren Entwicklung und Publikation ich mitgewirkt habe, sind im Gutachten berücksichtigt.“ Diese Mindestanforderungen, so Saß weiter, seien Empfehlungen und nicht Leitlinien oder gar Vorschriften.

Dort heiße es, sie seien keine verbindlichen Mindeststandards: „Im Übrigen läuft gerade eine Arbeitsgruppe zur Revision dieser Standards, an der ich beteiligt bin, so dass mir diese Thematik gut geläufig ist.“ Die Mindestanforderungen würden, so Saß, also einen allgemeinen Rahmen für die Gutachtenerstellung beschreiben, der je nach den Bedingungen und Möglichkeiten des Einzelfalles auszugestalten sei. Die Ausführungen der Verteidiger Zschäpes vom 331. und 332. Verhandlungstag zu seiner vorläufigen Stellungnahme gäben ihm die Gelegenheit, einige Verdeutlichungen vorzunehmen, um möglichen Missverständnissen entgegenzuwirken. Hauptaspekte dabei seien die „Explorationsfrage“, zweitens das „Problem der Subjektivität“ und die geäußerte Sorge einer „Psychopathologisierung und Psychiatrisierung“.

Er stütze sich an Material auf die Beobachtungen und Informationen aus der Teilnahme an der „weit überwiegenden Zahl der Hauptverhandlungstage“. Dabei beschränke er sich im Gutachten auf Anknüpfungstatsachen aus der Hauptverhandlung: „Wegen des Austausches, den es hierzu gegeben hat, werde ich mich, was eigene Beobachtungen der Angeklagten angeht, beschränken auf Wahrnehmungen innerhalb der Hauptverhandlung und damit alternativ umgehen, d.h. sie zum einen zugrunde legen und zum anderen außer Acht lassen.“ Saß sagt, er werde, was die im Senatsbeschluss vom 12.01.2017 angesprochenen Beweisverwertungswidersprüche bzw. -verbote angeht, versuchen, dies zu berücksichtigen. Sofern er Verhandlungstermine versäumt habe, an denen für ihn relevante Inhalte behandelt wurden, stütze er sich auf die Unterrichtungen durch den Vorsitzenden und die Ergänzungen durch Verfahrensbeteiligte. Außerdem habe er in elektronischer Form die Akten zur Verfügung gehabt bis hin zu letzten Nachlieferung, die er heute bekommen habe.

Er wolle dann noch sagen, dass auch für den psychiatrischen Gutachter eine Besonderheit dieses Verfahrens in der langen Dauer und in der Fülle der vorhandenen Materialien liege. Daher könne es am Ende ggf. noch Ergänzungen und Korrekturen hinsichtlich dessen geben, was schließlich der Beurteilung zugrundezulegen ist. Außerdem werde er seine Ausführungen am Ende in alternativer Form fassen. Auf die Frage, ob in der vorliegenden Sache ein Gutachten auch erstattet werden kann, wenn keine Möglichkeit zu einer persönlichen Exploration der Angeklagten bestand, wolle er wegen der Einwände der Verteidigung näher eingehen. Von der Angeklagten bzw. ihrer damaligen Verteidigung sei vor Beginn der Hauptverhandlung die Mitwirkung an einer Exploration schriftlich abgelehnt worden. Daran habe sich auch später und nachdem weitere Verteidiger hinzu gekommen seien, nichts geändert. Saß: „Ein psychiatrisches Untersuchungsgespräch mit einem Wechselspiel von gezielten Explorationsfragen und unmittelbar darauf gegebenen Antworten stellt selbstverständlich die beste Basis für eine Begutachtung dar.“

Allerdings komme es im forensischen Kontext immer wieder vor, dass eine Mitwirkung nicht möglich ist, insbesondere wenn es um die Frage einer Sicherungsverwahrung gehe. Insofern sei es nicht ungewöhnlich, dass ein Gutachten auf Grundlage der Informationen aus der Hauptverhandlung erstattet wird. Natürlich müsse sich der Gutachter die Frage stellen, ob diese Informationen ausreichen, um eine Stellungnahme zu den im Gutachtensauftrag formulierten Fragen möglich zu machen. Seines Erachtens, so Saß, sei dies im vorliegenden Fall gegeben. Es liege sogar, gemessen an anderen Gutachtenskonstellationen, sehr viel Material vor, das aus der Hauptverhandlung zu gewinnen gewesen sei. Deshalb erscheine es ihm „tendenziös und irreführend“, von einem „ferndiagnostischen Eindruck“ zu sprechen, wie es in einem Schriftsatz der Verteidigung heiße. Saß: „Darüber hinaus werden dort viele Äußerungen von Experten angeführt, die, wie ich auch, die Exploration für sehr wichtig halten.“ Das ändere aber nichts daran, dass auch diese Autoren in entsprechenden Situationen Gutachten ebenfalls ohne persönliche Exploration erstattet haben. Das gelte auch für die „als Kronzeugen dieser Auffassung“ zitierten Handbuchautoren. [phon.] Saß: „Erinnert sei an die seinerzeitige Begutachtung von Frau Ulrike Meinhof durch Prof. Witter.“

Es sei ihm, so Saß, unter den herausragenden Fachvertretern der Gegenwart keiner bekannt, der grundsätzlich eine Begutachtung ablehnt [phon.], wenn eine Exploration fehlt, weil der Proband die Mitwirkung verweigert hat. Saß: „Ähnlich abwegig erscheint die Ansicht, beim Fehlen einer psychiatrischen Diagnose gehe die Zuständigkeit auf Sachverständige aus Psychologie oder Kriminologie über. In der forensischen Psychiatrie gehören Kenntnisse in Psychologie, Kriminologie, Rechtsmedizin und anderen Disziplinen zur Ausbildung wie zum Praxisfeld.“ Saß nennt die „Zeitschrift für Forensische Psychiatrie, Psychologie und Kriminologie“. Saß: „Auch wenn es, wie hier, um die Einschätzung von Verhaltensweisen und Persönlichkeitsmerkmalen geht, die weitgehend im gesunden Bereich liegen, so verfügt der Psychiater über einen breiten empirischen Hintergrund zur Beurteilung.“ Dies werde auch in der psychiatrischen Psychotherapie deutlich, bei der es ja nicht nur um pathologische Störungen gehe, sondern um das Erleben und Verhalten von gesunden Menschen in schwierigen, belastenden Lebensumständen oder Konflikten.

Saß zitiert dann aus den Mindestanforderungen für Schuldfähigkeitsgutachten: „Es gehört zu einer sorgfältigen forensischen Begutachtung im psychiatrisch/psychotherapeutischen und psychologischen Bereich, dass diagnostisch auch auf die Persönlichkeit und eine eventuelle Persönlichkeitsstörung eingegangen wird.“ Ferner werde dort, so Saß, auch der Begriff der „akzentuierten Persönlichkeit“ verwendet, der bedeute, dass man sich unterhalb der Schwelle der Persönlichkeitsstörung im Sinne der psychiatrischen Diagnostik befindet. [phon.] Saß: „Natürlich besitzen im vorliegenden Fall wegen der fehlenden Mitwirkung an einer Untersuchung die Informationen und Wahrnehmungen aus der Hauptverhandlung eine besondere Bedeutung. Dazu gehören auch die äußeren Aspekte des individuellen Verhaltens und der beobachtbaren Interaktion mit anderen Personen. Von besonderem Interesse ist dabei die Psychomotorik, wobei dieser Begriff das Gesamt der durch psychische Vorgänge geprägten Bewegungen umfasst. Es wird also davon ausgegangen, dass die Psychomotorik das Resultat einer Integration von psychischen und motorischen Funktionen darstellt, weshalb sich psychische Sachverhalte mehr oder weniger auch im Bewegungsspiel widerspiegeln. Im Alltagsverständnis wird dies mit dem Begriff der Körpersprache umschrieben.“

Für den „geschulten Psychiater“ ließen sich, so Saß weiter, aus der Beobachtung von Motorik, Körperhaltung, Mimik und Gestik, also dem so genannten Ausdrucksverhalten, Rückschlüsse „auf die psychische Verfassung, auf die Gestimmtheit und auf die emotional-affektive Reagibilität“ ziehen. Dies fließe in die Beurteilung der Persönlichkeit ein und ergänze sonst vorliegende Informationen etwa aus Biographie mit familiärem, schulischem und beruflichem Werdegang, und aus Zeugenschilderungen von Bezugspersonen und Beobachtern, die die Betroffene in früherer Zeit erlebt haben. Die Beobachtungen des Ausdrucksverhaltens im eben beschriebenen Sinne und die von außen wahrzunehmenden Interaktionen von Zschäpe während des Verfahrens werde er hier zunächst nicht im Einzelnen wiederholen, so Saß: „Sie geben die Eindrücke des Untersuchers und damit verbundene Rückschlüsse auf die psychische Verfassung der Angeklagten wieder.“ Soweit es um die Interaktion mit anderen Personen gehe, stehe diese Einschätzung unter dem Vorbehalt, dass es keinerlei Kenntnis über den Inhalt der Interaktionen gab. Saß: „Von daher ist der subjektive Charakter der Einschätzungen durch den Gutachter zu betonen, die allerdings auf dem empirischen Erfahrungshintergrund jahrzehntelanger Untersuchungen und Beobachtungen im forensischen Bereich beruhen.“

Gerade der Begriff der „subjektiven Einschätzung von Verhaltensbeobachtungen“ habe bei den Verteidigern von Zschäpe Anstoß erregt. Deshalb wolle er darauf näher eingehen. Bei der Beschreibung und Interpretation „seelischer Phänomene“ könne die Subjektivität nicht eliminiert werden: „Zur Erfassung der gesunden wie der abnormen oder gestörten Psyche stehen nur in ganz geringem Umfang messbare Daten im naturwissenschaftlichen Sinne zur Verfügung. Seelisches Leben spielt sich im Subjektiven ab, und dies gilt auch für dessen Beurteilung. Im psychischen Befund und seiner Interpretation entscheidet am Ende, ob das Beschriebene mitsamt seiner Bewertung nachvollziehbar erscheint. Insofern werden bei der Beschreibung und Bewertung seelischer Phänomene in weiten Bereichen keine unumstößlichen Fakten behauptet, sondern es wird ein Verstehenshintergrund vorgestellt, bei dem dann der Empfänger des Gutachtens entscheidet, ob das Vorgetragene einleuchtend und überzeugend ist.“

Wichtig sei vor allem, dass nicht fälschlich der Eindruck objektiv feststehender Tatsachen erweckt wird. Die Verteidiger hätten bei der Erwähnung von Verhaltensweisen Formulierungen wie „wirkt so“, „erweckt den Eindruck von“ oder „augenscheinliches Interesse“ kritisiert. Saß: „Damit sollte von mir gerade ausgedrückt werden, dass es sich um subjektive Bewertungen handelt.“ Es handele sich um eine Differenzierung zwischen Beobachtung und Interpretation und sei ein Gebot der Transparenz. Saß: „Prüfstein für die vorgetragenen Bewertungen bleibt, ob sie im Kontext aller Informationen – und nicht als kurzes herausgerissenes Zitat – Plausibilität aufweisen.“ Dies als methodischen Fehler hinzustellen, gehe an der Realität der Befunderhebung und Befundbeschreibung im psychischen und psychopathologischen Bereich vorbei. Man möge vielleicht bedauern, dass in der Forensischen Psychiatrie experimentelle, naturwissenschaftlich objektivierende Verfahren kaum zur Verfügung stehen, aber es gehe nicht anders [phon.].

Saß: „Unbeschadet dessen unterliegen die Erhebung eines psychischen Befundes, seine Interpretation und die diagnostische Bewertung den Regeln eines wissenschaftlichen Vorgehens. Bei der forensisch-psychiatrischen Begutachtung geht es in methodischer Hinsicht um die erfahrungswissenschaftliche Untersuchung eines Einzelfalls. Diese beruht darauf, dass der Sachverständige über den jeweiligen empirisch gewonnenen Erkenntnisstand des Fachgebietes verfügt und aufgrund dessen in der Lage ist, begründete Aussagen über den Einzelfall zu treffen, indem er die individuell gewonnenen Daten und Informationen in Bezug zum generellen Wissensstand des Fachs setzt.“ Zusätzlich könne man, so Saß weiter, in geeigneten Fällen standardisierte Untersuchungsinstrumente zur Einschätzung von Gefährlichkeit und Rückfallrisiken als mögliche Erkenntnisquellen bei der forensisch-psychiatrischen Beurteilung der Kriminalprognose einsetzen. Saß nennt „Violence Risk Appraisal Guide“ und „Psychopathy Checklist Revised“. Diese Instrumente beruhten allerdings auf statistisch an bestimmten Gruppen gewonnenen Wahrscheinlichkeitsaussagen und erlaubten deshalb nur begrenzt Aussagen über einzelne Individuen; außerdem gebe es bedeutsame Fehlerquellen.

Im Falle von Zschäpe kämen weitere Gesichtspunkte hinzu, die gegen die Verwendung dieser Verfahren sprechen [phon.]. Saß nennt das „Problem der Repräsentativität“. Dabei gehe es um die Frage, ob der individuelle Einzelfall durch die Gesamtpopulation, die der Instrumentenentwicklung zugrunde lag, repräsentiert wird. Die üblichen Prognoseinstrumente stützten sich ganz überwiegend auf Untersuchungen an männlichen Straftätern mit aktiver Gewalt- und/oder Sexualdelinquenz. Diese Studien stammten zumeist aus dem angloamerikanischen Sprach- und Kulturraum, wo es um andere soziokulturelle und kriminologische Situationen [phon.] gehe. Empirische Untersuchungen darüber, ob solche Instrumente auch bei Frauen künftige Delinquenz vorhersagen können, hätten bislang heterogene Ergebnisse erbracht. Insbesondere fehle es bei diesen Verfahren an geeigneten Normwerten für weibliche Personen aus unserem soziokulturellen Umfeld. Saß: „Schließlich, und das ist mir im vorliegenden Fall besonders wichtig, mangelt es an Untersuchungen über die Tauglichkeit standardisierter Untersuchungsinstrumente für den speziellen Problemkreis politisch-ideologisch motivierter Straftaten.“ Daher würden in diesem Gutachten zwar einzelne Gesichtspunkte, die in den genannten Verfahren zur Risikoerfassung dienen, als Anhalt für
die Diskussion und die eigene Beurteilung berücksichtigt, so Saß.

Bevor er weitersprechen kann, sagt RAin Sturm: „Es tut mir leid, dass ich da kurz stören muss. Ich kann nur sagen, es ist mir tatsächlich schlicht unmöglich.“ Götzl: „Herr Prof. Saß soll etwas langsamer sprechen? Okay.“ Sturm: „Und eine Pause machen, da es höchst anstrengend ist.“ Saß: „Darf ich dazu sagen: In ungefähr zwei, drei Minuten ist der methodologische Vorspann zu Ende.“ Dann könne man vielleicht eine Pause machen und er bemühe sich langsam zu sprechen, so Saß.

Saß setzt damit fort, dass er wegen der Besonderheiten des Falles auf den Einsatz von standardisierten Prognoseinstrumenten und eine gewichtete Aufsummierung oder gar Angabe numerischer Rückfallwahrscheinlichkeiten verzichte: „Anstelle dessen werde ich also meine Ausführungen auf ein klinisch-idiographisches Beurteilungskonzept stützen, das die Gegebenheiten des Einzelfalles in den Fokus nimmt und deshalb, soweit ich das sehe, mehr als die statistischen Verfahren den rechtlichen Vorgaben bei uns entspricht.“ Dabei gehe es um eine erklärende Rekonstruktion der biographischen Vorgeschichte, die Beschreibung der Persönlichkeit mit ihren Besonderheiten, Stärken und Schwächen und um die Entwicklung der sozialen Orientierungen. Ferner gehe es um die Rekonstruktion der delinquenten Vorgeschichte, eingebettet in die jeweiligen biographischen Zusammenhänge, um die Entwicklung von Handlungsbereitschaften, Werthaltungen und kriminogenen Bedürfnisse. Schließlich sei, so Saß, auch eine Tatanalyse angestrebt, aber wenn dazu keine Informationen vorliegen würden, sei das schwer. Am Ende sei dann auch die seitherige Entwicklung seit den Taten und das gegenwärtige Persönlichkeitsbild zu berücksichtigen. Ganz ähnlich werde das auch in den Mindestanforderungen für Prognosegutachten formuliert. Saß: „Damit wäre ich zunächst mit den methodischen Vorbemerkungen am Ende.“ Es folgt eine Pause von 14:45 Uhr bis 15:03 Uhr.

Götzl: „Herr Prof. Saß, ich würde Sie bitten, noch etwas langsamer den Vortrag zu gestalten. Ich denke, dass wir jetzt eine halbe Stunde den Vortrag fortsetzen und dann eine weitere Pause einlegen.“ Saß: „Ich war mit den Vorbemerkungen zur Methodik durch. Ich werde aber an zwei Stellen nochmal kurz auf das Methodische zurückkommen wegen der erhobenen Einwände. Jetzt möchte ich auf die gesundheitliche Vorgeschichte eingehen.“ Was die medizinische Anamnese angehe, so hätten sich weder aus den Akten noch aus den Informationen in der Hauptverhandlung mit zahlreichen Zeugen, die Zschäpe früher gekannt haben, irgendwelche Hinweise für wesentliche, in diesem Verfahren relevante Gesundheitsstörungen ergeben. Auch nach eigener Einschätzung habe Zschäpe früher keine erheblichen körperlichen oder psychischen Erkrankungen durchgemacht. Es gebe keine Hinweise darauf, dass Zschäpe je an einer relevanten psychischen Störung gelitten hätte, etwa im Sinne einer schizophrenen bzw. bipolaren Psychose, einer Neigung zu depressiven Verstimmungen oder zu Angst- und Zwangsstörungen [phon.]. Saß: „Dass es gelegentlich unter lebenssituativen Belastungen sowie insbesondere als Reaktion auf den Tod der beiden Lebenspartner und den Verlust der bisher gewohnten Existenz mit den Ereignissen vom 04.11.2011 zu passageren suizidalen Gedanken gekommen sei, erscheint zwanglos einfühlbar und spricht nicht
für eine erhöhte Disposition zu psychischen Erkrankungen.“ Das gleiche gelte für eine Periode mit vermehrten Beschwerden, am ehesten psychovegetativer Art, im Frühjahr 2014, die wohl als Reaktion auf prozessbedingte Belastungen anzusehen seien.

Schließlich solle es keinerlei Drogenkonsum und keinen Missbrauch von Medikamenten gegeben haben. Auch für eine klinisch bedeutsame Störung der Impulskontrolle hätten sich keine belastbaren Anhaltspunkte ergeben. Saß: „Zwar soll es in der zweiten Hälfte der 90er Jahre einige Vorfälle gegeben haben, bei denen es zu Tätlichkeiten bzw. Gewaltanwendung gekommen sei, etwa bei einer Auseinandersetzung in einer Diskothek oder bei dem Vorfall mit der Zeugin H. [132. Verhandlungstag]. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Angaben von Zeugen dürfte es sich eher um szenetypische Rohheiten gehandelt haben, zumal seinerzeit körperliche Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Gruppen rechts und links orientierter Jugendlicher häufig vorgekommen seien.“ Ähnliches habe ja auch Wohlleben geschildert. Insofern sei dieses Verhalten von Zschäpe nicht als Ausdruck einer psychischen Störung anzusehen: „Eher wird man darin Hinweise auf Temperament und Energie sehen, wie sie auch in dem noch zu erörternden Brief an Herrn Robin S. [Schmiemann] deutlich werden, einschließlich der dort beschriebenen Wutanfälle.“

Es sei jedoch auf die Frage eines problematischen Alkoholkonsums einzugehen, so Saß: „Dieser wurde allerdings in diesem langen Verfahren erstmals in der Erklärung von Frau Zschäpe am 09.12.2015 thematisiert. Vor Prozessbeginn und bis dahin gab es, wie ich das sehe, weder aus Zeugenschilderungen noch im sonstigen Inhalt des Verfahrens Hinweise auf Alkoholprobleme.“ Auch in der Hauptverhandlung hätten Zeugen aus der Zeit vor dem Untertauchen weder einen kontinuierlichen Alkoholkonsum noch auffällige Zustände von Trunkenheit berichtet. Auch Zeugen zu dem Zeitraum nach dem Untertauchen hätten keine Verdachtsmomente für ein Suchtgeschehen erkennen lassen. Diesbezügliche Angaben der verschiedenen Urlaubsbekanntschaften seien gänzlich unauffällig gewesen, auch Zschäpe selbst habe berichtet, während der Urlaube keinen größeren Konsum betrieben zu haben. Saß: „Hausnachbarn aus den letzten Jahren in der Frühlingsstraße schilderten ein übliches Mittrinken beim geselligen Zusammensein im Keller oder beim Grillen. Zuweilen habe sie, so der Zeuge [Olaf] B. [27. Verhandlungstag], auch mal mehr getrunken, wobei es einmal eineinhalb Flaschen Wein gewesen seien und sie danach betrunken nach oben gegangen sei.“

Aber auch das sei in dieser Umgebung offenbar nicht als auffällig bewertet worden. Zschäpe selbst habe in ihren Erklärungen zum Alkohol ausgeführt, dass sie bis zum Untertauchen 1998 etwa jeden zweiten Tag eine Flasche Wein getrunken habe, danach habe sie das eingestellt; später habe sie nach dem Umzug in die Polenzstraße, also ab etwa 2001, wieder angefangen, Wein und Sekt zu trinken, dies im Durchschnitt jeden zweiten Tag und heimlich, weil die beiden Partner grundsätzlich gegen Alkohol eingestellt gewesen seien. Saß referiert weiter Zschäpes Angaben zu ihrem Alkoholkonsum: Ab Ende 2006 regelmäßig Sekt, über die Jahre gesteigert, zum Schluss zwei bis drei Flaschen über den Tag verteilt; für frühere Jahre habe Zschäpe auch mal drei bis vier Flaschen pro Tag genannt; auch Tage, an denen sie weniger oder gar keinen Alkohol konsumiert habe; bevorzugt habe sie getrunken, wenn die beiden Männer nicht zu Hause gewesen seien, bei deren Anwesenheit nur in ihrem Zimmer und nur so viel, dass es nicht bemerkt worden sei; während der Zeit in der Polenzstraße sei sie regelmäßig etwa zweimal pro Woche angetrunken gewesen, später habe sie in der Frühlingsstraße ihre Trinkgewohnheiten fortgesetzt; allein zu Hause habe sie mehr getrunken, ebenso, wenn sie wieder von Straftaten der beiden erfahren habe; sie habe bei keiner Gelegenheit Entzugserscheinungen gehabt, sei bei Einlieferung in die Haft nicht medikamentös behandelt worden.

Saß: „Soviel zur Alkoholfrage zunächst. Jetzt würde ich auf die Biographie und die frühe Entwicklung eingehen. Ich selber hatte schon in der vorbereitenden Stellungnahme vom März 2013 einen kurzen Abriss der biographischen Entwicklung von Frau Zschäpe gegeben.“ Außerdem stehe dazu etwas in der Anklageschrift und es gebe die Angaben in der Hauptverhandlung. Wobei insbesondere Stefan Apel [61. und 62. Verhandlungstag] von Bedeutung gewesen sei und die Eltern von Böhnhardt und Mundlos [Brigitte Böhnhardt: 57. und 58. Verhandlungstag; Jürgen Böhnhardt: 78. Verhandlungstag; Siegfried Mundlos: 69. und 70. Verhandlungstag; Ilona Mundlos: 102. Verhandlungstag]. Außerdem habe Zschäpe selbst in ihrer Erklärung vom 09.12.2015 Angaben zu ihrem Werdegang gemacht. Er wolle solche Aspekte hervorheben, die aus psychopathologischer und entwicklungspsychologischer Sicht von Interesse seien, so Saß.

Saß: „Ich mache hier einen kleinen Einschub, weil im Schriftsatz der Verteidigung die Formulierung ‚aus psychopathologischer und entwicklungspsychologischer Sicht‘ angegriffen wurde, weil es sich dabei um eine ‚Psychopathologisierung und Psychiatrisierung des Normalen‘ handele. Auch wurde – in allerdings etwas unklarer Argumentation – nahegelegt, dass bei fehlender Feststellung einer ‚Psychopathologie‘ das Gebiet der Psychiatrie ende. Hier handelt es sich offenbar um ein grundlegendes Fehlverständnis eines zentralen Begriffes der Psychiatrie. Psychopathologie ist nicht die Bezeichnung für eine Erkrankung oder psychische Störung, so dass eine ‚Psychopathologie‘ auch nicht fehlen kann, wie im Schriftsatz formuliert wird. Psychopathologie stellt vielmehr die Lehre von der Erkennung, Beschreibung und Ordnung abnormer seelischer Phänomene dar. Dies geschieht vor dem Hintergrund der Kenntnis des gesamten Seelenlebens in seinen gesunden wie in seinen gestörten Formen. Es ist Aufgabe des psychiatrischen Sachverständigen, bei der Untersuchung auf Abnormes auch die Überlappungsbereiche in das nicht krankhaft veränderte Seelenleben zu prüfen. Dies geschieht auch unter Berücksichtigung entwicklungspsychologischer Aspekte der normalen wie auch der gestörten Entwicklung der Persönlichkeit.“

Saß geht wieder zurück zum Thema Biographie. Zschäpe habe, so Saß, in ihrer Erklärung vom 09.12.2015 ihren „komplizierten Lebensgang“ nachgezeichnet. Saß gibt kurz die Darstellung Zschäpes zu ihrem Werdegang wieder bis zur Angabe, dass zur Wendezeit 1989/90 die Schwierigkeiten der Mutter größer geworden seien, sie, Beate Zschäpe, habe von ihr keinerlei Geldmittel mehr bekommen und zu dieser Zeit den Respekt vor ihr verloren. Saß: „Eingeflochten in diese Darstellung hat Frau Zschäpe die kleine Bemerkung, dass sie wegen der Geldknappheit damals begonnen habe, sich innerhalb des Freundeskreises an kleineren Diebstählen zu beteiligen. Hier sieht es für den psychiatrischen Beobachter so aus, als zeige sich zum ersten Mal eine gewisse Tendenz von Frau Zschäpe, die Verantwortlichkeit für auftretende Probleme und eigenes Verhalten wie auch Fehlverhalten anderen Personen oder äußeren Umständen zuzuordnen. Im Übrigen gibt es hinsichtlich der Formulierung ‚kleinere Diebstähle‘ offenbar auch eine Tendenz zum Bagatellisieren, also zum Herabspielen der damaligen Handlungen, durch Frau Zschäpe, falls davon auszugehen ist, dass die Schilderungen des Zeugen Rei. [192. Verhandlungstag] im großen und ganzen zutreffend waren.“

Auch die Formulierung in seiner vorbereitenden Stellungnahme, „sieht für den psychiatrischen Beobachter so aus, als zeige sich eine Tendenz zu“, sei von der Verteidigung angegriffen worden. Er habe sie allerdings, so Saß, mit Bedacht gewählt, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass es sich beim Externalisieren und Bagatellisieren nicht um objektiv messbare Befunde handelt, sondern um eine Einschätzung durch den Untersucher. Ob die Einschätzung plausibel ist, werde damit ausdrücklich der Beurteilung des Lesers oder Adressaten des Gutachtens überlassen.

Saß geht wieder zurück zur Biographie Zschäpes. Bei allen Belastungen durch das Verhalten der Mutter und ihre unstete Lebensführung habe die Beziehung zur Großmutter Apel offenbar einen deutlich positiveren Aspekt dargestellt. Dies gehe nicht nur aus den Schilderungen von Stefan Apel hervor, sondern auch Zschäpe selbst habe ihre enge emotionale Bindung an die Großmutter deutlich gemacht: habe sich nach den vorliegenden Informationen als Omakind bezeichnet, ihre Liebe zur Oma betont und ihre Sorgen um deren Gesundheit, solle auch gesagt haben, sie wolle sich für das, was alles geschehen sei, bei ihr entschuldigen und habe anklingen lassen, wie viel ein Verlust der Großmutter für sie bedeuten würde. Im Brief an Robin S. [Schmiemann] drücke sich dies in der Äußerung aus, der Tod der Großmutter könnte Anlass dazu sein, doch eine Medikation zu akzeptieren, die ansonsten von ihr strikt abgelehnt worden sei.

Saß weist darauf hin, dass hier die Frage sei, ob diese Information verwertbar ist: „Deswegen sage ich: Wenn der Brief verwertet werden kann, unterstützt er das, was ich zur Großmutter gesagt habe, wenn man den Brief weglässt, wird das nicht fraglich. Er ergänzt also. Ein ähnliches Gewicht hat für Frau Zschäpe nach ihrer Darstellung nur die Beziehung zu den beiden Uwes besessen, die sie als ihre Familie bezeichnete und deren möglicher Verlust für sie in der Zeit des Untertauchens ebenfalls mit großen Befürchtungen verbunden gewesen sei. Sie hat ja in diesem Zusammenhang den Begriff ‚emotionales Dilemma‘ gebraucht. Dagegen scheint die Beziehung zur Mutter weitgehend durch Enttäuschung, Ablehnung und Desinteresse gekennzeichnet zu sein, wobei es wohl zumindest in der Vergangenheit auch Züge einer gewissen Rigorosität und Unversöhnlichkeit gegeben hat. Die genannten Bedingungen des Aufwachsens dürften für die Entwicklung von Selbstbewusstsein und Ich-Identität zweifellos eine gewisse Belastung bedeutet haben. Ähnliches wird auch in der Aussage der Mutter Böhnhardt deutlich, wonach die Freundin ihres Sohnes nie über ihren Vater habe sprechen wollen und auch in Bezug auf die Mutter Sorgen wegen ihrer finanziellen Rückstände und des drohenden Verlustes ihrer Wohnung gehabt habe. Beate Zschäpe habe sich dessen geschämt und nicht gern darüber geredet, auch habe sie zur Großmutter nicht gewollt, weil diese Sorgen um den kranken Großvater gehabt habe. Auf Bitten des Sohnes habe sie dann für eine Zeit lang bei Familie Böhnhardt einziehen dürfen. Also durchaus eine schwierige Lebenssituation damals.

Zu den weiteren wunden Punkten in der eigenen Herkunftsfamilie gehörte wohl auch, dass es wegen der Alkoholprobleme bei ihrem Cousin Stefan Apel sowie bei ihrer Mutter durchaus Kritik aus ihrem Freundeskreis gegeben habe. So soll laut Herrn Apel Uwe Mundlos ihn als ‚Assi‘ beleidigt haben. Und auch der Zeuge St. [zuletzt 225. Verhandlungstag]berichtete von Schwierigkeiten zwischen Beate Zschäpe und den beiden Uwes in Zusammenhang mit ihrer Familie. Böhnhardt und Mundlos hätten diese ebenfalls als ‚Assis‘ bezeichnet, worüber Frau Zschäpe traurig gewesen sei. Ferner soll es laut den Angaben des Zeugen Ha. [zuletzt 214. Verhandlungstag]negative Äußerungen von Uwe Böhnhardt. über so genannte ‚Mischkinder‘ mit jugoslawischen oder bulgarischen Elternteilen gegeben haben, was für Beate Zschäpe mit ihrem rumänischen Vater vermutlich nicht einfach war.“

Dann gibt Saß kurz den schulischen Werdegang Zschäpes wieder, wie er aus ihren Zeugnissen bekannt ist. Ein Abschlusszeugnis vom Juni 1991 enthalte befriedigende Noten in Deutsch und Literatur, Technik und Kunst, während die anderen Fächer mit „genügend“ bewertet worden seien und lediglich in Sport die Note „gut“ erreicht worden sei. Saß: „Insgesamt lässt sich daraus wie aus den sonstigen Informationen die Einschätzung ableiten, dass die Intelligenz der Probandin wohl im Durchschnittsbereich liegt. Hierauf deuten auch die befriedigenden Noten bei der Abschlussprüfung in der Schule sowie später in der Gärtnerinnenausbildung hin.“ Der abgebrochene berufliche Werdegang Zschäpes zur damaligen Zeit könne, so Saß weiter, als ein Indiz für Unsicherheit, Identitätsprobleme und Fehlen langfristiger Ziele angesehen werden. Es müsse allerdings berücksichtigt werden, dass viele junge Leute in Zschäpes damaligen Umfeld unter den Bedingungen der Wendezeit und der damit verbundenen Umbrüche sich in einer ähnlichen Lage befunden haben.

Saß gibt die Aussage Brigitte Böhnhardts wieder, dass Zschäpe traurig gewesen sei, weil es mit dem Wunsch, Kindergärtnerin zu werden, nicht geklappt habe, dass Zschäpe die Lehre als Gärtnerin mit einer gewissen Zufriedenheit absolviert und erfolgreich abgeschlossen habe, dass Zschäpe aber anschließend leider keine Arbeit gefunden habe und sich evtl. später als Floristin habe weiterbilden wollen. Es habe sich aber, so Saß, abgesehen von ABM-Zeiten, offenbar keine geregelte Arbeitstätigkeit Zschäpes mehr angeschlossen. Saß: „In ihrer Selbstdarstellung hat Frau Zschäpe sich ähnlich geäußert, wobei allerdings aus psychiatrischer Sicht auffällt, dass ihre Schilderung recht nüchtern, sachlich, emotionsarm und unpersönlich wirkt. Über Ziele, Wünsche, Hoffnungen und Träume, über tiefergehende Gemütsbewegungen, langfristige Ziele und Wertvorstellungen war weder aus ihren eigenen Erklärungen noch, wenn man versucht hat Zeugen dazu zu befragen, etwas zu erfahren. Die wenigen Anhaltspunkte, etwa was in den persönlichen Erklärungen von Frau Zschäpe gesagt wurde, ergeben ein eher karges, intellektuell anspruchsloses Bild von Bildung und Ausbildung, vom geistigen Leben, den Interessen und Freizeitbeschäftigungen. Dies trifft offenbar auch zu bei dem, was bekannt geworden ist – das ist ja nicht viel – über die spätere Phase des Lebens im Untergrund. Insgesamt aber sind die genannten Umstände m.E. nicht als Hinweis auf gravierende soziale Belastungen und Defizite oder gar eine psychische Gestörtheit zu werten. Es dürften damals viele junge Leute dort sich in einer ähnlichen sozialen Situation befunden haben. Auch Frau Böhnhardt hat keine psychischen Auffälligkeiten berichtet, sondern nannte Beate Zschäpe, die sie als Freundin ihres Sohnes geschätzt habe, trotz der familiären Probleme eine normale, selbstständige junge Frau mit gesundem Selbstbewusstsein.“

Zu den Sozialkontakten Zschäpes habe, so Saß, Stefan Apel angegeben, er und Beate seien in der Kindheit wie Geschwister gewesen, habe von gelegentlichen Familienurlauben gesprochen, sie sei zwar immer bei der Großmutter gewesen, habe aber auch den Kontakt zu ihnen [phon.] gesucht: „Später sei sie, so hat er sich ausgedrückt, eine hübsche Frau gewesen, ‚gut bestückt‘ und beliebt in der ganzen Szene.“ Apel habe Zschäpe als gesellig geschildert, sie sei gern weggegangen und immer lustig gewesen, habe viel gelacht, sei auch auf die Leute zugegangen und sei ein offener und selbstbewusster Mensch gewesen. Gern sei Zschäpe laut Apel auf Partys gegangen, zum Beispiel im Jugendtreff ‚Winzerclub‘, an Dingen wie Kochen und Backen sei sie weniger interessiert gewesen, sie habe stets mehr Männerfreundschaften gehabt und sei im Umgang robuster gewesen als normale Frauen. Hiermit korrespondiere, so Saß, die spätere Angabe von Zschäpe gegenüber der Zeugin Mo. [60. Verhandlungstag], dass sie schon immer besser mit Männern als mit Frauen ausgekommen sei.

Mit deutlich negativeren Zügen sei Zschäpe vom Zeugen Ha. geschildert worden, der allerdings keinen Hehl daraus gemacht habe, dass man sich gegenseitig nicht gemocht habe. Ha. habe Zschäpe auf der einen Seite als freundlich und selbstbewusst im direkten Kontakt bezeichnet, sie sei ein anerkanntes Mitglied der Gruppe gewesen, dabei auch lustig und amüsant. Auf der anderen Seite habe Ha. sie auch als „ordinär“ charakterisiert, womit gemeint sei, sie sei laut und gewöhnlich gewesen, habe Kraftausdrücke gebraucht. Weiter habe Ha. sie als nicht dumm, nicht gutgläubig und als ein vernunftbegabtes Wesen beschrieben. Ha. habe auch davon gesprochen, dass sie einen unterschwellig aggressiven Eindruck gemacht habe. Auch der Zeuge Rei. habe recht kritische Angaben gemacht und offenbar die Beziehung von Mundlos mit Zschäpe sehr skeptisch beurteilt. Rei. habe sich negativ zum Bildungsstand Zschäpes, dem sprachlichen Ausdruck und dem in seinen Worten „vulgären Auftreten“ geäußert und gemeint, es sei ihm unklar, wie Mundlos es später mit ihr gemeinsam im Untergrund habe aushalten können. Rei. habe Zschäpe als sehr selbstbewusst in der Gruppe beschrieben, sie habe nicht den Eindruck gemacht, dass sie sich etwas gefallen lasse, habe sich schon ordentlich durchgesetzt.

Außerdem habe dieser Zeuge berichtet, dass Herr Ri., der damalige Freund Zschäpes, und Zschäpe selbst damals „extrem geklaut“ hätten, u.a. Dinge, die sie gar nicht gebraucht hätten, etwa „Klamotten von den Vietnamesen“. Die Rede sei auch gewesen von Kellereinbrüchen mit Diebstahl von Alkohol, um damit Partys zu veranstalten. Saß: „Die Art, wie Herr Rei. etwa die gemeinsam von Beate Zschäpe und ihrem Freund Ri. begangenen Einbrüche oder Zigarettendiebstähle bei Vietnamesen schildert, deutet, wenn von Zutreffen auszugehen ist, auf beginnende dissoziale Tendenzen bei der Heranwachsenden zur damaligen Zeit.“ Christian Kapke [zuletzt 301. Verhandlungstag]habe Zschäpe als relativ heiter beschrieben, in seinen Augen nicht besonders intelligent, aber mit einer gewissen „Bauernschläue“. Saß: „Auf diesen Begriff soll Frau Zschäpe übrigens, als er später von einer Beamtin in der JVA Köln verwandt worden sei, laut Angaben des Zeugen [Rainer] B. [18. Verhandlungstag] erbost und verärgert reagiert haben.“ Der Zeuge Christian Kapke habe angegeben, der ideologische Kopf sei damals Mundlos gewesen, Zschäpe habe er wahrgenommen als eine selbstbewusste Frau, aber in ideologischer Hinsicht eine Mitläuferin. Saß weiter zur Aussage von Christian Kapke: „Das Trio sei rechtsradikal, nationalistisch und antisemitisch gewesen mit einer Verherrlichung des ‚Dritten Reiches‘, der Waffen-SS und der SA.“

Götzl: „Wenn Sie an einem Einschnitt angelangt sind, dann machen wir vielleicht eine Pause. Bezüglich der erwähnten Aussage des Zeugen B. wurde ein Widerspruch erhoben.“ Saß: „Ja, wobei ich dann gleich dazu sage, dass das erboste Reagieren auf den Begriff ‚Bauernschläue‘ kein zentrales Thema ist. Das Übrige wird dadurch nicht erschüttert.“

Saß setzt fort, dass André Kapke [zuletzt 96. Verhandlungstag]angegeben habe, Zschäpe als netten Menschen kennengelernt und geschätzt zu haben, Politik sei damals auch bei ihr ein tragendes Thema gewesen. Zu den Hauptthemen habe Zschäpe laut Kapke ihre Meinung gehabt, habe diese kundtun und gut artikulieren können, welchen Standpunkt sie habe. Saß: „Als wesentliche Grundstimmung unter den Jugendlichen damals schilderte er, man sei gegen die Ausländer gewesen und nicht einverstanden mit deren Zuzug. Frau J. [zuletzt 107. Verhandlungstag]beschrieb ein exklusives Verhältnis unter den drei Personen; sie seien damals als ‚die Drei‘ bezeichnet worden, man habe sie als verschworene Gemeinschaft wahrgenommen. Aus Sicht dieser Zeugin war Frau Zschäpe in Kontakt und Verhalten aufgeschlossen, eine sehr selbstbewusste Person, freundlich und auch witzig, mit imponierendem Selbstvertrauen. Sie sei auch an politischen Aktionen interessiert gewesen, es sei ihr nicht nur um Musik und Spaß gegangen. Sie habe ein Selbstverständnis gehabt, wie man es sich als junges Mädchen wünschte, habe Dinge klären, selbstverständlich auf Leute zugehen und sich ausdrücken können, sagen, was sie gewollt habe, mit einer aufrechten Art. Was Partnerschaften angeht, scheint Frau Zschäpe nach den Aussagen ihres Cousins, aber auch mehrerer anderer Zeugen …“

Heer beschwert sich ohne Mikrofonverstärkung, dass eine Pause vonnöten sei. Saß: „Soll ich das noch vortragen?“ Götzl sagt, man mache noch den Teil zu den Partnerschaften. Saß sagt, dass dieser Teil fünf Minuten dauere. Heer beschwert sich erneut. Götzl erwidert, das bekomme Heer schon noch hin und dann mache man um 15:45 Uhr eine Pause.

Saß: „In Bezug auf Partnerschaften scheint Frau Zschäpe nach den Aussagen ihres Cousins, aber auch mehrerer anderer Zeugen eine recht kontaktfreudige junge Frau gewesen zu sein.“ Im Brief an „S.“ [Schmiemann] finde sich dazu ihr eigener Hinweis, sie sei eine Frau mit unrühmlichen Erfahrungswerten. Saß: „Wenn der Brief nicht verwertet werden dürfte, ist er in dieser Beziehung auch nur eine Ergänzung gewesen.“ Saß setzt fort, dass über den ersten Freund, Matthias Ri., der Cousin geäußert habe, dieser sei eine Jugendliebe von Zschäpe gewesen, danach habe es dann die Beziehung zu Mundlos und Böhnhardt gegeben, wobei der Cousin vermutet habe, wahrscheinlich habe ihre Art die Männer zusammengehalten, sie habe die Jungen „im Griff“ gehabt: „Auch dies würde, wenn die Beobachtung zutraf, für Stärke und Selbstbewusstsein der jungen Frau im Kontakt nach außen und gegenüber männlichen Partnern sprechen.“ Saß sagt, aus den Schilderungen der Zeugen Rei., Ha. und Starke [101. Verhandlungstag] und den eigenen Erklärungen Zschäpes ließen sich vier Beziehungen rekonstruieren, wobei allerdings die Beziehung zu Ri., mit dem es zu vielfältigen Eigentums- und ansatzweise wohl auch Raubdelikten gekommen sein solle, von Zschäpe selbst nicht erwähnt worden sei, soweit er das sehe.

Saß: „Von April 1996 bis April 1997 habe es, was von Frau Zschäpe ebenfalls nicht thematisiert wurde, eine Beziehung zu Herrn Starke in Chemnitz gegeben. Wobei in dieser Zeit die freundschaftlichen Beziehungen zu Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt angedauert hätten, auch hätten diese sie sogar zuweilen bei ihren Besuchen bei Herrn Starke begleitet. Er schätzte das so ein, dass Frau Zschäpe nur die beiden Uwes im Kopf gehabt, die ihrerseits nicht eifersüchtig gewesen seien. Er bezeichnete sie als ‚rechts‘, aber kein szenetypisches Mädchen und nach seiner Einschätzung nicht gewalttätig. Gern habe sie politische Gespräche geführt.“ Etwa zur Wendezeit 1989/90, so Saß weiter, habe Zschäpe nach ihrer Darstellung Uwe Mundlos kennengelernt und sei mit ihm in die Wohnung gezogen, in der sie damals zusammen mit ihrer Mutter gelebt habe, wenn er, Saß, das richtig übersehe. Ilona Mundlos habe Zschäpe als kumpelhaft und hilfsbereit geschildert, aber auch als egoistisch; der Sohn habe sie vergöttert, etwa 1995, während der Bundeswehrzeit von Uwe Mundlos, sei die Beziehung zu Ende gegangen.

Saß: „Interessanterweise hat Frau Zschäpe in ihrer Erklärung betont, dass Uwe Mundlos aus einem guten Elternhaus gestammt und eine Lehre als Informatiker bzw. Datenverarbeitungskaufmann abgeschlossen hat. Dies korrespondiert mit einer Bemerkung, die sie gegenüber dem Kriminalbeamten P. [zuletzt 142. Verhandlungstag]am Abend ihrer Festnahme bei der Kripo in Zwickau gemacht haben soll, dass nämlich die beiden Uwes im Gegensatz zu ihr ein behütetes Elternhaus gehabt hätten und ihr unklar sei, warum die beiden sich so entwickelt hätten.“ Götzl sagt, dass es zu den Angaben von P. einen Verwertungswiderspruch gebe.

Saß: „Ja, ich sagte ja: ‚korrespondiert mit‘. [phon.] Hier klingen noch einmal ähnliche Themen sozialen Ansehens und eigener Defizite an, wie es Frau Böhnhardt berichtet hat, wenn sie von Schamgefühlen bezüglich der Familie gesprochen hat oder wenn Herr Apel und Herr St. von Herabsetzungen ihrer Familie berichteten, wie ausgeführt, als ‚Assis‘ oder bei den Bemerkungen über ‚Mischkinder‘.“ Im Übrigen werde, so Saß, in der Erklärung Zschäpes vom 09.12.2015 die Beziehung zu Uwe Mundlos seines Erachtens „recht kühl und unpersönlich abgehandelt“. Saß weiter: „Auch ihr Verhältnis zu Uwe Böhnhardt, das sie an einigen Stellen als Liebe bezeichnet hat, wurde von ihr ansonsten nicht in tieferer, differenzierter oder gefühlsbezogener Weise geschildert. Sie sprach von ‚blinder Liebe‘, ein Ausdruck, der mir recht floskelhaft und pauschal erscheint. Zumal es ja so ist nach allgemeiner Lebenserfahrung, dass ‚blinde Liebe‘ in der Regel nicht über Jahrzehnte besteht, kann sicherlich nicht ganze Jahrzehnte betreffen [phon.]. Man muss auch sagen, dass dieser Ausdruck, ‚blinde Liebe‘, in einem gewissen Gegensatz zu Schilderungen von Zeugen aus den Urlauben steht.“ Nur einmal sei dort von einem engeren Verhältnis zu ‚Gerry‘ gesprochen worden, so Saß.

Insgesamt bleibe aus seiner Sicht hinsichtlich der Intensität und Kontinuität der Beziehung zwischen Zschäpe und Böhnhardt über die Jahre vieles offen: „Kennengelernt hat sie ihn nach ihren Angaben am 02.01.1994, ihrem 19. Geburtstag.“ Ansonsten würden die Schilderungen Böhnhardts durch Zschäpe recht ambivalent erscheinen: „Wobei sie zum einen ihre feste Bindung an ihn betont, andererseits charakterisierte sie ihn aber auch als aggressiv, jähzornig und zu Tätlichkeiten neigend. Sein Freundeskreis habe eine intensivere nationalistische Einstellung gehabt, so ihre Diktion, auch seien dort die politischen Aktivitäten intensiver gewesen. Bemerkenswert erscheinen mir die Ausführungen von Frau Zschäpe in der Erklärung vom Dezember 2015 über ihre Absicht bei der Anmietung der Garage an der Kläranlage in Jena im August 1996. Dies sei, als Uwe Böhnhardt sich damals wegen ihres ‚Klammerns‘ getrennt habe, ein Versuch gewesen, um den verlorenen Kontakt zu den beiden Uwes und insbesondere zu Uwe Böhnhardt wieder herzustellen. Ein solches Verhalten könnte für ihre starke Bindung an Uwe Böhnhardt sprechen. Möglich erscheint aber auch, dass es sich um eine Kaschierung anderer Beweggründe durch die Konstruktion einer mehr oder weniger plausiblen Version gehandelt hat.“ Götzl: „Unterbrechen wir und setzen um 16:05 Uhr fort.“

Um 16:08 Uhr geht es weiter. Götzl: „Ich würde Sie nochmal bitten, noch etwas langsamer den Vortrag zu gestalten.“ Saß: „Jawoll“ Götzl: „Ich denke, wir werden heute nicht länger als 17 Uhr machen, vielleicht, wo Sie einen Einschnitt machen können, und dass wir dann morgen fortsetzen.“ Saß: „Vielleicht, wenn ich zur Beurteilung übergehe. Ich würde jetzt auf die politisch-ideologische Entwicklung von Frau Zschäpe eingehen und da ist zu sagen, dass offenbar die Beziehungen zu Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt mit ihren jeweiligen Freundeskreisen die entscheidende Bedeutung besaßen. Damit war der Kontakt zu einer Szene verbunden, deren vorherrschende Haltungen und Überzeugungen von der Angeklagten mit dem Ausdruck ’nationalistisches Gedankengut‘ wohl etwas euphemistisch umschrieben worden ist. Da kann man einwenden, das sei subjektiv. Das ist richtig. Deswegen nenne ich die Gesichtspunkte, worauf das beruht.“ Saß sagt, es gebe dazu Darstellungen anderer Zeugen, Berichte, Vermerke, Urteilsfeststellungen und Abbildungen. Saß: „So dass es insgesamt doch in meinen Augen deutlich rechtsradikal ausgerichtete Kreise gewesen sind, in denen es nicht nur um Musikkonzerte und Demonstrationen ging, sondern auch um politische Agitation, militante Auseinandersetzungen und ideologisch motivierte Aktionen.“

Saß weist auf die „in der Hauptverhandlung reichhaltig thematisierten Vorgänge“ hin: z.B. Puppentorso, Bombenattrappen, Rudolf-Heß-Märsche, ausfälliges Benehmen beim Besuch im Konzentrationslager Buchenwald, Propagandaschriften, nationalsozialistische Symbole, das Mitführen von Schlag- und Stichwaffen und anderen Waffen. Saß: „Frau Zschäpe hat für die damalige Zeit in wohl erneut etwas verharmlosender Weise erklärt, man habe ein ‚Katz-und-Maus-Spiel‘ mit der Polizei und dem Verfassungsschutz betrieben, um die Öffentlichkeit in Aufruhr zu versetzen. Auch habe man Aufmerksamkeit dafür herstellen wollen, dass es einen politischen Gegenpol zu den Linken gibt. Wenn es dann in diesen Kreisen zu einer zunehmenden Handlungsbereitschaft und zum Aufbau potenter Organisationen kam, so hat Frau Zschäpe dies ganz wesentlich mit dem Einfluss von Tino Brandt ab Mitte der 90er Jahre begründet. Nach ihr ist die Kameradschaft Jena erst aktiv geworden, nachdem Tino Brandt zur Gruppe gestoßen ist, ihr Zusammenleben habe sich grundlegend geändert, er sei der Mittelpunkt aller Aktionen gewesen, habe Geld zur Verfügung gestellt, organisiert, Initiativen ergriffen und Propagandamaterial mit nationalistischem Inhalt beschafft. Wenn Frau Zschäpe formuliert, man könne sagen, ohne Tino Brandt wären diese ganzen Unternehmungen nicht möglich gewesen, so sieht das für mich wieder so aus, als finde sich hier eine Tendenz, auf eine Außenverursachung hinzuweisen.“

Persönliche Anteile an den potenziell gefährlicheren Aktionen, die nach und nach geplant und durchgeführt wurden, habe Zschäpe weitgehend im Dunklen gelassen, sie habe lediglich eingeräumt, im Dezember 1996 verschiedene von Böhnhardt mit Schwarzpulver versehene [phon.], jedoch nicht zündfähige Briefe an einige Adressaten in Jena geschickt zu haben; bei anderen von Mundlos und Böhnhardt initiierten Aktionen zwischen April 1996 und Dezember 1997 habe sie angegeben, zwar teilweise beteiligt gewesen zu sein, aber man habe dabei lediglich die Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erhöhen wollen, ohne dass eine tatsächliche Gefahr für Leib und Leben gegeben haben solle. Beim Puppentorso, der auf eine Idee von Böhnhardt und Mundlos zurückgegangen sei, habe sie sich zwar an der Herstellung der Puppe beteiligt, nicht jedoch der Bombenattrappe. Saß: „Insgesamt klangen m.E. auch bei diesen Angaben von Frau Zschäpe Neigungen zur Verharmlosung und zur Verlegung der Verantwortlichkeit nach außen an. Im Einzelnen ist hierzu hinzuweisen etwa auf die Darstellung der frühen Diebstähle und der verschiedenen Aktionen ab Mitte der 90er Jahre, auf die Waffen in der Wohnung, die auf Böhnhardt zurückgegangen seien, auf das Anmieten der Garage und das Wissen um deren Inhalte und auf die Rolle Tino Brandts.“

Saß sagt dann, er werde im nächsten Abschnitt eingehen auf die Entwicklung von Zschäpe während der Zeit im Untergrund. Informationen aus dieser Zeit seien naturgemäß deutlich spärlicher, so Saß. Als Beweggründe zum Untertauchen seien von Zschäpe in ihrer Erklärung vom 09.12.2015 Ängste vor einer mehrjährigen Gefängnisstrafe benannt worden, was bei Böhnhardt mit seinen traumatisierenden Erfahrungen bei einer früheren Haft und bei ihr selbst darin begründet gewesen sei, dass sie in der Vergangenheit nur negative Erfahrungen mit der Polizei gemacht habe. Im Übrigen sei sie der Aufforderung Böhnhardts, die Garage „abzufackeln“, nach ihrer Angabe nicht nachgekommen, weil sie in der Nähe befindliche Personen nicht habe gefährden wollen.

Saß sagt, es gebe an Zeugen zu diesem Thema 1. die Gruppe der Personen, die freundschaftlich, kameradschaftlich oder durch Szenezugehörigkeit mit den drei Untergetauchten verbunden und mehr oder weniger auch zu Unterstützungshandlungen bereit gewesen seien. Wobei es hier im Gutachten nicht um solche Aspekte gehen solle, die sich mit möglichen Tatkomplexen und strafrechtlichen Vorwürfen befassen, sondern es gehe ihm um Informationen, die zur Einschätzung von Persönlichkeit, Befinden und Verhalten von Zschäpe sowie des Zusammenlebens in der Gruppe der Drei beitragen können: „Allerdings muss man sagen, dass bei der Mehrzahl der so genannten Szenezeugen, die möglicherweise über Kontakte in dieser Zeit hätten reden können, das Auskunftsverhalten ungemein zurückhaltend war. Zum Verhältnis der drei untergetauchten Personen untereinander hieß es in den in die Hauptverhandlung eingebrachten Vernehmungen des Herrn Gerlach, dass die beiden Uwes oben gewesen seien und gleichberechtigt, wobei er allerdings Frau Zschäpe ebenfalls als gleichberechtigt bezeichnete, ferner als durchsetzungsstark, kein Typ, der sich unterordnen würde. Sie habe genauso viel zu sagen gehabt wie jeder andere in der Gruppe.

Auch schilderte er eine Episode, bei der Frau Zschäpe im Bus eine Punkerin, die ‚blöd geguckt‘ habe, geschlagen haben soll. Sie habe sich den beiden Uwes gegenüber wie eine Ehefrau benommen, nur für zwei Männer eben. Nach seinem Eindruck handelte es sich um ein sehr harmonisches Verhältnis, obwohl aus der Anfangszeit in Chemnitz auch eine Episode mit Spannungen zwischen den Männern berichtet wurde, die so groß gewesen seien, dass Herr Mundlos schon zu einem Messer gegriffen habe und sie aufeinander hätten losgehen wollen. Daraufhin sei Herr Mundlos vorübergehend in eine eigene Wohnung gezogen, doch hätten sie aufgrund der Fluchtsituation beschlossen, wieder zusammenzuleben. Dieser Vorfall mit dem Messer, der geschildert wurde, bietet einen der ganz wenigen Anhaltspunkte dafür, dass es bei den drei Personen in der Zeit des Lebens im Untergrund auch mal Streit und Auseinandersetzungen gegeben hat.

Ansonsten haben eigentlich alle Zeugen, soweit ich das sehe, Harmonie, Freundlichkeit und kameradschaftlichem Umgang geschildert. Allerdings hat es im Unterschied dazu auch Ausführungen von Frau Zschäpe gegeben, dass es etwa zwischen Frühjahr 1998 und Sommer 2001 wiederholt zu Tätlichkeiten durch Uwe Böhnhardt gekommen sei, der sie geschlagen habe, wenn ihm bei einer verbalen Auseinandersetzung die Argumente ausgegangen seien. Konkret benannt wurden Streitigkeiten wegen des Herumliegens einer Pistole, wegen des gewünschten Internetzuganges sowie wegen der Überlassung von 10.000 DM an Herrn Gerlach, was sie wegen dessen damaliger Spielsucht missbilligt habe. Später hat Frau Zschäpe auf Fragen des Senates schriftlich ausgeführt, dass bei zwei der Handgreiflichkeiten Uwe Mundlos dabei gewesen und auf Uwe Böhnhardt losgegangen sei, um sie zu verteidigen, was zu einer heftigen Prügelei der beiden Männer geführt habe. Sie hat es aber vermieden, näher darauf einzugehen. Über Tätlichkeiten, die in Zusammenhang mit den verfahrensgegenständlichen Ereignissen stehen, berichtete Frau Zschäpe nicht. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch die Angabe des Kriminalbeamten P., wonach sie bei ihrer Verhaftung am Abend des 08.11.2011 in Hinblick auf die beiden Uwes erklärt haben soll, dass sie zu nichts gezwungen worden sei. Ich habe das lediglich erwähnt und sage, dass das nicht zentral für meine Beurteilung ist, ggf. kann man später noch alternativ darauf eingehen.“

Es gebe dann noch die Zeugin Mandy Struck [zuletzt 105. Verhandlungstag], so Saß, die seinerzeit Freundin des Unterschlupf gewährenden Bu. gewesen sei im Frühjahr 1998 in Chemnitz. Struck habe berichtet, dass „das Mädchen“, das dabei gewesen sei, also wohl Zschäpe, sehr sympathisch gewesen sei, mit sehr lockerer Art, auf einen zuzugehen, sehr freundlich und sehr aufgeschlossen. Im Grunde habe Struck keine Auffälligkeiten geschildert. Es habe die Episode gegeben, als Zschäpe Bauchkrämpfe gehabt habe und von ihr mit einer AOK-Karte versorgt worden sei, das sei hier aber nicht wichtig, denke er, so Saß. Saß weiter: „Einen intensiveren zwischenmenschlichen Kontakt hat Frau Zschäpe offenbar vermieden, vielmehr habe sie sich auf den Versuch der Zeugin, mit ihr über eine Beziehungskrise mit Max Bu. zu reden, nicht einlassen wollen.“

Saß nennt dann den 2. Bereich von Informationen über die Dreiergruppe: die Urlaubsbekanntschaften bei den Campingreisen nach Norddeutschland 2007 bis 2011. Saß: „Die Zeugenaussagen liefen darauf hinaus, dass die drei Personen bei den jeweils mehrwöchigen Urlauben sehr nett, freundlich und harmonisch miteinander umgegangen seien. Gegenüber den jeweiligen Nachbarn auf den Campingplätzen verhielten sie sich offenbar kontaktfreudig, hilfsbereit, gesellig, unterhaltsam und insgesamt ohne irgendwelche Auffälligkeiten. Auch hinsichtlich des Konsums von psychotropen Drogen oder Alkohol wurden keine Besonderheiten geschildert. Die drei Personen erschienen als ein Team, bei dem keinerlei größere Streitigkeiten erkennbar gewesen seien, abgesehen vielleicht von kleinen Plänkeleien, etwa ob man noch mehr Surfausrüstung anschaffen soll. Darüber hinaus wurde für das Jahr 2010 angegeben, dass Liese und Gerry, also wohl Frau Zschäpe und Uwe Böhnhardt, etwas enger zusammen gewesen seien und sich vielleicht etwas genervt durch Max, also wohl Uwe Mundlos, gefühlt hätten. Aber bis auf dieses überwogen die Schilderungen eines spannungsfreien, heiteren, animierten Urlaubslebens.

Über ihre Existenz außerhalb der Urlaubszeit ließen die drei Personen offenbar wenig verlauten, ebenso wie ernsthafte Gespräche über Wünsche und Ziele oder auch über politische Fragen nicht vorgekommen seien. Lediglich mit zwei jüngeren Mädchen aus den Familien der Campingplatzmitbewohner sei es zu engerem, vertrauensvollerem Austausch mit Frau Zschäpe gekommen, wobei es aber offensichtlich eher um die Jungmädchenprobleme der Zeuginnen ging, während Frau Zschäpe selbst sich hinsichtlich persönlicher Informationen bedeckt gehalten habe.“

Ein 3. Bereich seien dann, so Saß, die Schilderungen der Hausmitbewohner. In der Polenzstraße seien dies S. [56. Verhandlungstag], F. [56. Verhandlungstag], Po. [82. Verhandlungstag], Ku. [67. Verhandlungstag], So. [186. Verhandlungstag] und Hö. [194. Verhandlungstag]. Auch dort sei übereinstimmend ein insgesamt unauffälliges Verhalten der drei Personen geschildert worden. Saß: „Dabei erschien Frau Zschäpe ihren Nachbarn nicht nur als kontaktfreudig, unkompliziert und unbefangen, darüber hinaus sei sie auch gegenüber sozial oder finanziell schwächeren Personen hilfsbereit und unterstützend gewesen, etwa mit diesen Einkäufen von Lebensmitteln und Süßigkeiten für die Kinder bei der Familie Ku. Frau Zschäpe sei eigentlich immer fröhlich gewesen, auch habe sie damals gesünder ausgesehen als jetzt. Über Privates habe sie wenig gesprochen. In der Wohnung sei nur sie gewesen und gelegentlich sei ein Wohnmobil vor der Tür gestanden. Ärger,
Reibereien und Verstimmungen habe es nicht gegeben, erwähnt wurde nur diese eine Episode mit Kritik an Frau Ku. Auffällige Alkoholisierungen wurden nicht geschildert.“

Dann geht Saß zu den Hausmitbewohnern in der Frühlingsstraße über. Er nennt die Zeugenschilderungen von [Olaf] B., Kr. [60. Verhandlungstag] und H. [29. Verhandlungstag]. Saß: „Nach dem Eindruck der Mitbewohner hat es wohl so ausgesehen, dass eine Frau mit zwei Männern in die Wohnung eingezogen ist. Die Frau, die als Susann Dienelt aufgetreten sei, habe über die beiden Männer gesagt, der eine sei ihr Freund, während der andere als Bruder bezeichnet wurde, was mal auf sie selbst und mal auf ihren Freund bezogen worden sei. Also insgesamt waren die Verhältnisse für die Beteiligten nicht ganz durchsichtig. Die Männer, die viel Fahrrad gefahren seien, hätten beruflich angeblich Fahrzeugüberführungen gemacht oder mit Computern gearbeitet. Das Verhalten von Frau Zschäpe wurde als nett, freundlich und unauffällig geschildert. Auch wurden Züge menschlicher Anteilnahme genannt, etwa wenn sie hinsichtlich der betagten Nachbarin E. immer mal nachgefragt habe, wie es denn der Oma gehe. Wenn Besuch in der Wohnung gewesen sei, habe man gehört, dass die viel Spaß gehabt hätten. Die drei Personen hätten in ihrer Etage in der Frühlingsstraße nicht nur zwei Wohnungen zusammengelegt und umgestaltet, sondern sich auch den Keller ausgebaut. Neue Eingangstüren hätten sie auf eigene Kosten beschafft.

Frau Zschäpe habe dazu gesagt, sie habe ein wenig Angst, wenn sie allein sei. Über die beiden Männer haben die Zeugen gesagt, sie seien sehr zurückhaltend gewesen. Frau Zschäpe habe stets freundlich gegrüßt, sich manchmal auch unterhalten, etwa über die Katzen. Die Männer hätten dagegen kaum gesprochen. Eine engere, freundschaftliche Beziehung soll es, abgesehen von den beiden Uwes, nur zu Susann Eminger gegeben haben, wobei Frau Zschäpe sagt, dass sie beginnend ab 2006 regelmäßigen Kontakt gehabt habe und froh gewesen sei, auch einmal ‚über Frauensachen‘ sprechen zu können. Ferner schätzte sie offenbar sehr den Umgang mit den Kindern der Emingers. Eigene Kinderwünsche seien, wie sie z.B. gegenüber Nachbarinnen wiederholt angegeben habe, aus gesundheitlichen Gründen nicht erfüllbar gewesen. Stattdessen habe sie auf die Katzen verwiesen, von denen es auch einmal hieß, sie seien wie ihre Kinder gewesen.“

Resümierend, so Saß, ergebe sich dazu, dass „aus forensisch-psychiatrischer und psychopathologischer Sicht keine gravierenden Auffälligkeiten bekannt geworden sind“. Offenbar sei in all den Jahren ein „Muster des wohl freundlichen, aber doch vorsichtig zurückhaltenden und persönliche Verwicklungen meidenden Verhaltens“ beibehalten worden. Saß: „Dabei konnten sich die drei Personen und insbesondere die zumeist den Kontakt pflegende Frau Zschäpe offenbar mit großer Konsequenz und ohne größere Patzer an die Regeln eines Lebens unter falschen Namen halten. Hinsichtlich der wahren Interessen und Aktivitäten wurden, soweit erkennbar, erfolgreich die Gebote der Heimlichkeit, des Verbergens, des Verschleierns und des Täuschens eingehalten. So entstand in ähnlicher Weise, wie es bei den verschiedenen Campingurlauben geschildert worden war, gemäß einer Formulierung des Zeugen [Olaf] B. über Frau Zschäpe, der Eindruck einer lieben, guten Nachbarin, die allerdings von ihrer Gesinnung nichts preisgegeben habe.“

Saß sagt, dass das die Angaben zur Zeit des Lebens im Untergrund gewesen seien und jetzt noch wenige Bemerkungen zu den verfahrensgegenständlichen Vorfällen kämen. Zum Komplex der Tatvorwürfe in der Anklageschrift gebe es hierzu Ausführungen von Zschäpe selbst „nach langem Schweigen“: die Erklärung vom 09.12.2015 und „Antwortserien“ auf vom Gericht gestellte Frage sowie die persönlichen Erklärungen vom 29.09.2016 und zuletzt vom 10.01.2017. Saß: „Bei all dem muss zunächst für den Gutachter offen bleiben, wie diese Angaben über sich selbst und deren Wahrheitsgehalt einzuschätzen sind. In ihren schriftlichen Erklärungen bzw. Antworten hat Frau Zschäpe durchgängig die zentrale Rolle der Verstorbenen sowohl für das Untertauchen in das 13-jährige Leben im Verborgenen wie auch für sämtliche Straftaten betont. Ferner hat sie auf ihre emotionale und finanzielle Abhängigkeit von den Partnern verwiesen. Wiederholten Überlegungen von ihr, dieses Leben durch Sich-Stellen zu beenden, hätten die beiden Uwes ab Ende des Jahres 2000 Suiziddrohungen entgegengehalten.

Vor allem hob Frau Zschäpe in ihren Erklärungen hervor, an der Vorbereitung, Planung und Durchführung der verschiedenen Aktionen nicht beteiligt gewesen zu sein. Sie räumte lediglich schriftlich ein Wissen auch um vorgesehene Raubüberfälle und eine Teilhabe an ihrem finanziellen Nutzen ein. Ferner hat sie eingehend die schließliche Brandlegung am Ende dieser Periode geschildert, wobei sie auch in diesem Zusammenhang darauf abhob, dass dies der Erfüllung von Wünschen bzw. einem Auftrag der Verstorbenen entsprochen habe. Nach der Darstellung in der Erklärung der Angeklagten vom 09.12.2015 habe sie auf die Mitteilung insbesondere des ersten Tötungsdelikts im Jahr 2000 und später dann auch der weiteren Fälle mit Erschrecken, Entsetzen, Unverständnis und Ablehnung reagiert. Die damit verbundene Verstimmung im Verhältnis zu den beiden Uwes habe sowohl das Weihnachts- und das Silvesterfest 2000 wie auch ihren Geburtstag am 02.01.2001 überschattet, auch sei es nicht zu Geschenken und Gratulationen gekommen. Ihrer Absicht, sich nun, da sie in einen Mord verwickelt sei, der Polizei zu stellen, hätten die beiden Partner entgegengehalten, sich dann zu erschießen.“ Ergänzend gebe es damit korrespondierende Mitteilungen in der Hauptverhandlung, wonach die drei untergetauchten Personen sich eher erschießen würden, als aufzugeben und ins Gefängnis zu gehen. Dieses „sich eher erschießen“ könne als Hinweis für die Entschlossenheit der drei Personen gesehen werden. Man könne aber aus psychiatrischer Sicht darauf hinweisen, dass Aggression und Autoaggression eng miteinander zusammenhängen können, etwa erkennbar an den Beispielen des Selbstmordattentäters oder des so genannten „suicide by cop“.

Saß weiter: „Im Laufe der Zeit, als die Partner ihre Handlungen fortgesetzt und das gegebene Versprechen auf Beendigung des Tötens nicht eingehalten hätten, ist es nach ihren Angaben bei ihr immer mehr zu einem resignierten Rückzug gekommen. Frau Zschäpe meinte dazu, sie sei einfach nur sprachlos und fassungslos gewesen, habe nicht reagieren können und sich wie betäubt gefühlt. Wenn sie weiterhin formuliert: ‚Ich wollte es nicht hören‘, so könnte dies, ein Zutreffen unterstellt, auf – im Alltagsverständnis – Verdrängungsversuche und den Wunsch hindeuten, sich den von ihr angegebenen Belastungen durch Nichtwissen zu entziehen. Ähnlich soll sie zum Zeugen [Rainer] B. gesagt haben, sie sei ein Meister im Verdrängen. Dem stünde allerdings entgegen, dass sie sich laut dem Zeugen Le. [siehe 17. und 18. Verhandlungstag]auch als einen Faktenmenschen bezeichnet haben soll.“

Saß: „Resümierend ist zu sagen, dass die Beurteilung in vielem davon abhängt, wie die Äußerungen von Frau Zschäpe hinsichtlich der Tatbeiträge der einzelnen Personen in der Dreiergruppe einzuschätzen sind. Sie selbst hat zwar erklärt, dass sie mit heftiger Ablehnung reagiert habe, wenn sie, stets nachträglich, von den Tötungen erfahren habe. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese Erklärungen, mit einer kleinen Ausnahme, nur schriftlich abgegeben wurden. Allerdings wirken ihre Formulierungen hierzu für den psychiatrischen Leser recht formal und unpersönlich. Ganz im Vordergrund stehen ihre eigene Situation, die Kritik am Verhalten der Partner, die Verantwortungszuschiebung nach außen und die sorgfältige Beschreibung von Umständen, die entlastend wären, wenn man sie zugrundelegt. Weniger entstand in der Lektüre dagegen der Eindruck einer authentischen Auseinandersetzung mit den abgelaufenen Geschehnissen, mit den Empfindungen der von den Taten betroffenen Personen und ihrer Angehörigen oder den Konsequenzen für deren Leben. Aus psychopathologischer Sicht würde das bedeuten: Es ergeben sich Hinweise für egozentrische, wenig empathische und externalisierende, also Verantwortung nach außen schiebende Züge. Jetzt kämen noch etwa 15 Minuten zur Entwicklung der Angeklagten seit der Verhaftung, soweit das psychiatrisch zu beschreiben ist.“

Götzl: „Ja, dann machen wir das noch.“ Saß: „Danach käme die Beurteilung. Dann wären für heute die Materialien, die der Beurteilung zugrunde liegen, genannt.“ Götzl: „Ist die Geschwindigkeit in Ordnung?“ Heer: „Wir hatten die Problematik ja beschrieben und es geht nicht um die Geschwindigkeit.“ Götzl: „Frau Sturm hat genickt auf meine Frage.“ Sturm: „An der Geschwindigkeit des Sachverständigen liegt es nicht.“ Götzl: „Also, dann können Sie mitschreiben?“ Heer: „Nein, es ist geplant, dass wir beide unsere Notizen uns anschauen und morgen früh eine Erklärung abgeben. Das funktioniert nicht, das kann ich Ihnen jetzt schon sagen.“ Götzl: „Was funktioniert nicht?“ Heer: „Wenn Sie etwas Substantiiertes wollen, bitte ich die Hauptverhandlung für 20 Minuten zu unterbrechen.“ Götzl: „Dann machen wir das doch. Unterbrechen wir für 20 Minuten und setzen mit der Erklärung fort.“

Es folgt eine Unterbrechung, um 17:10 Uhr geht es weiter. Götzl: „Herr Rechtsanwalt Heer, wie lang ist die Stellungnahme?“ Heer: „Eine knappe Seite.“ Götzl: „Herr Klemke, Herr Wohlleben, können wir das noch machen? Ja.“ RA Heer verliest die Stellungnahme. Die im Antrag der Verteidigung auf Aufzeichnung und in der Erwiderung mehrfach erwähnten Umstände, die die Verteidigung „besorgen“ ließen, dass ihr ein Mitschreiben und die gedankliche Verarbeitung und somit eine effektive Verteidigung nicht möglich sein werden, seien zu Tage getreten, so Heer. Die Problematik bestehe weniger in der Geschwindigkeit, ginge es nur darum, sich vorzubereiten [phon.]. Im Gegensatz zu den erkennenden Richtern und den Vertretern des Generalbundesanwalts, die während der gesamten Ausführungen anwesend sein können, befinde man sich aber in der Situation, einem nicht anwesenden Sachverständigen die Anknüpfungstatsachen vollständig und valide vermitteln zu müssen. In der Konsequenz bedeute dies, dass jeder Satz mitzuschreiben sei.

Heer: „Obwohl wir uns bemühen, die Ausführungen des Sachverständigen möglichst wörtlich mitzuschreiben, zeigt eine erste Durchsicht zahlreiche Auslassungen und Unsicherheiten in der Verwendung psychiatrischer Fachbegriffe.“ Einem nicht anwesenden SV ließen sich die Anknüpfungstatsachen so nicht ordentlich mitteilen. Aufgrund der Komplexität des Vortrags würden Unvollständigkeiten in der Mitschrift entstehen, die nicht hinterfragt werden könnten. [phon.] Es würden sich auch nicht alle Unklarheiten anhand der Erfahrung klären lassen. Man verkenne nicht, dass die mündliche Gutachtenerstattung einen Verteidiger in der Regel vor besondere Herausforderungen stelle. Die Besonderheiten in diesem Verfahren, auf die der Senat in seinem Beschluss heute ausdrücklich hingewiesen habe, würden es aber gebieten, das mündliche Gutachten von einem anderen Sachverständigen kritisch begutachten zu lassen. Götzl: „Herr Klemke, Sie hatten darauf verwiesen, dass Herr Wohlleben Kopfschmerzen habe.“ Wohlleben-Verteidiger RA Klemke: „In erster Linie ist er sehr abgespannt und nicht mehr konzentrationsfähig, er kriegt nicht mehr allzu viel mit.“ Götzl bittet Heer, die Stellungnahme auszudrucken, dann sagt er: „Wir würden dann die Anhörung heute unterbrechen. Dann wird unterbrochen und wir setzen morgen um 09:30 Uhr fort.“ Der Verhandlungstag endet um 17:14 Uhr.

Das Blog „NSU-Nebenklage„: „Heute stellte [Saß] zunächst nur die für ihn relevanten Erkenntnisse aus dem Prozessverlauf dar. […] Anschließend erläuterte Prof. Saß, der als eine der Leitfiguren der forensischen Psychiatrie in Deutschland gilt, seine Herangehensweise und die besondere Problematik einer Gutachtenerstellung ohne die Mitwirkung der zu untersuchenden Person. Dabei betonte er, dass im Falle Zschäpes sogar sehr viel Material vorliege, das in der umfangreichen Hauptverhandlung zu gewinnen war. Deshalb sei es tendenziös und irreführend, wenn die Zschäpe von einem ‚Ferndiagnosegutachten‘ spreche. Zu der von Zschäpe vorgebrachten angeblichen Alkoholproblematik stellte Saß fest, es sei auffällig, dass diese zum ersten Mal in deren Erklärung im Gericht aufgetaucht sei – kein Zeuge, kein Nachbar, keine Urlaubsbekanntschaft habe hiervon berichtet, berichtet worden sei lediglich ein normales Mittrinken bei entsprechenden Gelegenheiten. Zschäpe habe auch keinerlei Entzugserscheinungen nach ihrer Festnahme in der Untersuchungshaft geschildert. […] Auffallend sei, dass die Schilderungen Zschäpes zu ihrer Vorentwicklung sehr sachlich, emotionsarm und unpersönlich wirkten. […] Bei ihrer eigenen Darstellung der Beteiligung an kleineren Diebstählen im Jugendalter habe sich zum ersten Mal eine Tendenz Zschäpes gezeigt, die Verantwortung für das eigene Verhalten anderen Personen zuzuschreiben und das eigene Verhalten zu bagatellisieren. Diese Tendenz habe sich erneut bei ihrer eigenen Darstellung ihrer politischen Entwicklung gezeigt. Zschäpe umschreibe sich selbst euphemistisch mit ’nationalistisch‘. Die von anderen Zeugen eingebrachten Berichte, Vermerke, Urteile, Abbildungen hätten allerdings ergeben, dass es sich bei dem Freundeskreis von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt um deutlich rechtsradikal ausgerichtete Kreise gehandelt habe, in denen es nicht nur um Musik und Konzerte ging, sondern um konkrete Auseinandersetzungen und Politik. […] Zschäpe verharmlose all dies, wenn sie beispielsweise die Auseinandersetzungen als ‚Katz- und Mausspiel mit Polizei und Verfassungsschutz‘ bezeichne. […] Zschäpes Aussage, „ohne Tino Brandt wären die ganzen Unternehmungen so nicht möglich gewesen“, zeigte erneut, dass Zschäpe ihre eigene Verantwortlichkeit leugne und auf Dritte Personen verschiebe. Auch bei Zschäpes Darstellung ihrer Beteiligung an Aktionen der Kameradschaft Jena sei ihre Neigungen zur Verharmlosung und zur Verlegung der Verantwortlichkeit nach außen angeklungen. Dagegen habe ihr Cousin ihre Beziehung zu Mundlos und Böhnhardt damit beschrieben, dass wahrscheinlich ihre Art die Männer zusammengehalten habe, sie habe „die Jungs im Griff gehabt“. Wenn dies zuträfe, spräche es für ein deutliches Maß an persönlicher Stärke und Selbstbewusstsein. Zu einem Kriminalbeamten habe sie noch am Abend ihrer Festnahme gesagt, ‚ich wurde zu nichts gezwungen.‘ Was Zschäpes Erklärungen zu den Taten angehe, sei der Wahrheitsgehalt für ihn als Psychiater nicht einzuschätzen. Sie habe wiederum die zentrale Rolle der Verstorbenen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt für alle Taten betont sowie ihre eigene finanzielle und emotionale Abhängigkeit von den beiden sowie ihre Beeinflussung durch die Suiziddrohungen der beiden. An Vorbereitung, Planung und Durchführung der Verbrechen wolle sie nicht beteiligt gewesen sein – mit Ausnahme der Brandlegung in der Frühlingsstraße, diese sei aber im Auftrag der beiden Verstorbenen erfolgt. Es sei aber einerseits festzuhalten, dass sie auch gegenüber einem Kriminalbeamten angegeben hatte, sie sei ein Meister im Verdrängen. Zudem stellten Zschäpes Erklärungen keine authentische Auseinandersetzung mit den Geschehnissen dar. Insgesamt sei zu Zschäpes Erklärungen festzustellen dass diese psychopathologisch gesehen egozentrisch, ganz auf sich selbst bezogen, wenig emphatisch, externalisierend seien.“
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2017/01/17/17-01-2017/

Der Beitrag Protokoll 336. Verhandlungstag – 17. Januar 2017 erschien zuerst auf NSU Watch.

»Wir arbeiten weiter« – Der »Nationalsozialistische Untergrund« in Sachsen

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von Dirk Laabs

Vorbemerkung
Wenn man die streng juristische Sichtweise der Bundesanwaltschaft zu Grunde legt, gelten bislang ausschließlich Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe als Kern- und Gründungsmitglieder des »Nationalsozialisten Untergrund« (NSU). Dieser sehr enge Maßstab wird jedoch der rechtsextremistischen Terrorgruppe bei weitem nicht gerecht. Mindestens 15 Personen waren Mitglieder und zentrale Unterstützer und Unterstützerinnen des NSU. Sie alle haben den rechten Terror erst möglich gemacht. Sie besorgten Waffen, Wohnungen, Geld – und schwiegen jahrelang. Ob alle die späteren konkreten Anschlagspläne kannten, ist dabei unerheblich – die Stoßrichtung der Gruppe war ihnen klar. Gemeinsam hatte man sich über Jahre zunächst offen politisch und später klandestin radikalisiert, militarisiert und auf die späteren Taten hingearbeitet. Am Ende hatte sich das Netzwerk einer rassistischen Internationale verschrieben. Viele der Unterstützungstaten mögen mittlerweile strafrechtlich verjährt sein, die historische Rolle der Unterstützer und Unterstützerinnen sowie der Kernmitglieder ist unbestritten. Nicht zufällig beginnt auch der Bekennerfilm des NSU mit dem Satz: »Der Na­tionalsozialistische Untergrund ist ein Netzwerk von Kameraden.«
Der NSU war also eine große Gruppe, zu keinem Zeitpunkt ein abgeschottetes Trio. Dabei fällt auf, dass die Mehrzahl seiner Akteure und Akteurinnen aus Sachsen stammt. Sachsen war für den »Nationalsozia­listen Untergrund« zugleich Geburtsort, Lebensraum und Tatort. In Sachsen raubten die Kernmitglieder der Terrorgruppe Banken und Postämter aus, von Zwickau aus planten sie ihre Morde und arbeiteten an dem NSU-Propagandafilm. Und in Sachsen konnten sie auf ein großes Reservoir von Unterstützern und Unterstützerinnen zurückgreifen. Vor allem aber fand das sogenannte Kerntrio des NSU – Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt – in Sachsen ein entscheidendes Element: den ideologischen Unterbau für ihre Taten.

Organischer Anfang: Jenaer und Chemnitzer Neonazis lernen sich kennen
1992, im Jahr der Angriffe auf das Vertragsarbeiterwohnheim in den Plattenbauten von Rostock-Lichtenhagen, lernten die zwei jungen Neonazis Uwe Mundlos und Beate Zschäpe aus Jena einen wesentlich älteren Rechtsradikalen kennen: Thomas Starke aus Chemnitz. Der Beginn einer mindestens acht Jahre währenden engen, verhängnisvollen Freundschaft. Den Kontakt hatte Zschäpes älterer Cousin Stefan A. hergestellt. Thomas Starke (Jahrgang 1967), ein ehemaliger DDR-Fußballhooligan und Spitzel der DDR-Kriminalpolizei, wurde zehn Jahre vor Uwe Böhnhardt geboren und war immerhin noch knapp sechs Jahre älter als Uwe Mundlos. Erfahrung, Alter und »Kampfjahre« sind Faktoren, die in der rechten Szene nicht zu unterschätzen sind. Von den Beteiligten wird das inzwischen umgedeutet: Starke, Beschuldigter im NSU-Komplex und jahrelang Informant des LKA Berlin, beschreibt sich seit der Selbstenttarnung des NSU im November 2011 wenig überraschend als interessierter Zuschauer, nicht als treibende Kraft. Dabei war Starke in der Szene wesentlich besser vernetzt als etwa Mundlos oder Böhnhardt. Und vor allem war er während der 1990er Jahre der engste Weggefährte des ebenfalls in Chemnitz lebenden einflussreichen Neonazis Jan Werner. Werner und Starke galten zeitweise als die radikalsten Neonazis in Sachsen.
Zusammen mit anderen sächsischen Neonazis hatte Starke Anfang der 1990er Jahre eine Veranstaltung von Bundeswehrsoldaten überfallen und wurde dafür zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Während Starke in der Justizvollzugsanstalt Waldheim einsaß, schrieb ihm der »Kamerad« Uwe Mundlos aus Jena regelmäßig Briefe. Er wollte etwa über das Gefängnis wissen: »Und wie sieht es dort mit Ausländern aus?« Es sei überraschend ruhig, antwortete Starke, er sei nur mit Deutschen auf der Zelle, fast alle »Skins«, die Anstaltsleitung mische die Häftlinge kaum. Die Briefe offenbaren eine klare Hierarchie: Mundlos war ein Lehrling, der den Veteran Starke im Gefängnis oft um Rat fragte: Welche Preise sollte er für Nazi-Rock-CDs nehmen, die er verkaufte? Welche anderen »Nationalisten« kontaktieren? Welche Anwälte anrufen, wenn es mal Ärger gab? Starke und andere Neonazis im Knast antworteten geduldig. Mundlos beschrieb im Gegenzug sein Leben voller eskalierender Konflikte.
Die Briefe und die Schilderungen Mundlos’ bestätigen, was Jahre später durch diverse Untersuchungsausschüsse ans Licht kam: Die Behörden hatten Mundlos und seine »Kameraden« aus Jena frühzeitig auf dem Schirm. Für die Chemnitzer Szene galt genau das Gleiche. Während Starke im Gefängnis saß, professionalisierten sich seine Freunde um Jan Werner – und das blieb der Polizei nicht verborgen. Einige rechtsradikale Chemnitzer Skinheads gaben sich den Namen »88er« – die 8 steht dabei für den achten Buchstaben im Alphabet; 88 ist mithin der Code für »Heil Hitler«. Die »88er« waren nicht mehr bloß betrunkene Skinheads, die Ärger suchten. Sie bedruckten schwarze Bomberjacken mit roten Achten, sie organisierten Konzerte, verlegten Fanzines, verkauften CDs, fotografierten sich vermummt mit Waffen in der Hand. Starke stieg in die Gruppe nach seiner Haftentlassung Mitte der 1990er Jahre ein und wurde neben Jan Werner zur treibenden Kraft. Schon bald ermittelte das sächsische Landeskriminalamt gegen die »88er« wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Ob diese Ermittlungsakten noch vorhanden sind, konnte bislang noch kein parlamentarischer Untersuchungsausschuss klären.

Auf dem Radar
Als Thomas Starke 1996 aus dem Gefängnis entlassen wurde, besuchte er sofort wieder die »Kameraden« in Jena. So fiel Starke gemeinsam mit Mundlos, Böhnhardt und anderen der Polizei auf, als sie in der Gedenkstätte Buchenwald israelische Journalisten provozierten. Böhnhardt und Mundlos trugen dabei braune Hosen und Hemden im Stil von SA-Uniformen. In dieser Zeit wurden die Jenaer Neonazis bereits vom Verfassungsschutz überwacht, was auch Mundlos und anderen Neonazis nicht verborgen blieb. Tatsächlich beeinflussten verschiedene Verfassungsschutzbehörden die rechte Szene durch ihre V-Männer bereits damals. Nirgendwo war das so augenscheinlich wie in Thüringen, wo die beiden wichtigsten rechtsradikalen Strippenzieher Informanten waren: Tino Brandt, der Chef des »Thüringer Heimatschutzes«, arbeitete für den Thüringer Verfassungsschutz. Michael See, ein gut vernetzter militanter Rechtsextremist aus Nordthüringen, arbeitete für das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV).
Unter den Augen der Sicherheitsbehörden und zum Teil mit Hilfe ihrer Informanten hatten die Jenaer Neonazis – parallel zu den Chemnitzer »Kameraden« – ab 1995 ihre Aktionen immer mehr strukturiert. Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe und weitere Weggefährten hatten sich als Kameradschaft Jena dem »Thüringer Heimatschutz« angeschlossen. In dieser Phase steckten die Jenaer Neonazis zunächst viel Energie in Flugblattaktionen, Demonstrationen und Versammlungen. Man wollte den öffentlichen Raum erobern und gab sich dabei als eine Art rechte außerparlamentarische Opposition.
Vielen Mitgliedern der rechten Szene war in dieser Phase durchaus bewusst, dass man unterwandert wurde. Uwe Mundlos thematisierte das in mehreren Briefen an inhaftierte Neonazis. Einer von ihnen antwortete Mundlos: »Die überparteiliche Vernetzung hat unzweifelhaft ihre Vorteile, aber man sollte auch ihre Nachteile nicht außer Acht lassen. Gerade dadurch wird der Polizei und dem VS der Anhaltspunkt geliefert, um die Sache mit aller Macht anzugehen. Bedenke, je schwerer es den Spitzelorganisationen ist, in die Vernetzung einzudringen, desto leichter ist es für sie, zu behaupten, dass diese Vernetzung der Illegalität und der Deckung, Planung und Ausführung von Straftaten dienen würde.«
Man dachte in der Szene also nüchtern und taktisch über die Rolle der V-Männer nach: Erst wenn kein V-Mann aus einer Organisation oder einer Bewegung berichtete, werden die Behörden misstrauisch, so die Analyse. V-Männer zu kontrollieren, könnte also auch eine nützliche Ablenkung der staatlichen Verfolger sein. Nach außen – in Fanzines, Interviews – prangerte die rechte Szene die Einmischung an und nutzte die Gratwanderung des Staates propagandistisch aus. Diese Sichtweise brachte der langjährige Chef des »Thüringer Heimatschutzes« Tino Brandt in einem Interview mit dem Autor Anfang 2016 auf den Punkt. Brandt, selber V-Mann, sagte:
»Die vielen V-Leute … sollte es nicht geben in der rechten Szene. […] Aus heutiger Sicht würde ich das nicht wieder machen. Ich empfinde es als unmöglich, dass dieser Staat sich so einmischt in eine politische Oppositionsbewegung.« Brandt behauptete, dass der Staat die »Drei« – Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe – durch diverse Repressionsmaßnahmen quasi in den Untergrund getrieben hätte. Dieser Märtyrer-Moment ist in der Entwicklung fast jeder terroristischen Bewegung entscheidend: Ob man sich dabei einbildet, verfolgt zu werden oder wirklich verfolgt wird, spielt bei der Radikalisierung keine entscheidende Rolle.
Inspiration und Vorbild für diese Doppelstrategie bezogen deutsche Neonazis in den 1990er Jahren vor allem aus den USA. Dennis Mahon, ehemaliger Grand Dragon im Ku-Klux-Klan und dann Mitglied der radikaleren Gruppe »White Aryan Resistance« (W.A.R.), erklärte diese Strategie bei einem seiner zahlreichen Besuche in Deutschland in einem Interview mit dem Magazin Tempo – die Bundesanwaltschaft fasste ­diesen Ansatz in einem Vermerk zusammen:
»Auf die Frage, warum er nach Deutschland gekommen sei, erwiderte MAHON, dass er seit zwei Jahren in Kontakt mit rechtsradikalen Gruppen in Ost- und Westdeutschland stehe. Es wäre Zeit für ihn, ihren Widerstand gegen die Ausländer mitzuerleben. Seine Leute in Deutschland operierten eigenständig. […] Seine Ziele wolle er erreichen, indem er wie die PLO und die IRA eine Doppelstrategie anwende. Auf der einen Seite eine zivile Front, die sich in dem politischen Prozess eingliedere, auf der anderen Seite eine Terrorfront im Untergrund.«
Und wer diese Terrorfront bilden sollte, stand für die Vordenker von W. A. R. ebenfalls schon fest. Der W.A.R.-Chef Tom Metzger sagte Anfang der 1990er, es ginge nun darum, dass man das Gewaltpotenzial der rechten Skinheads nutze. Sie sollten an vorderster Front die »weiße Rasse« verteidigen. Eine rassistische Internationale müsse initiiert werden, damit sich die »weiße Rasse« verteidigen könne. Die US-amerikanischen Rassisten inspirierten anfangs insbesondere die britische Szene, die bald dem Konzept des »Rassenkriegs« folgte. Die einflussreichste Gruppe wurde dabei »Blood & Honour«, zunächst ein Zusammenschluss von Rechtsrock-Bands.
Dennis Mahon erklärte auch, warum die Rassisten aus den USA sich so intensiv mit Europa beschäftigten: Die weißen Amerikaner bräuchten »einen Rückzugsort, wenn der Rassenkrieg« im Heimatland verloren« ginge.

Vorbereitung für den Untergrund
In Chemnitz war die Umsetzung dieser Ideologie ab Mitte der 1990er Jahre zu beobachten. Der gewaltbereiten Skinheadbewegung wurde eine Struktur gegeben. Die Schlüsselrolle spielte dabei Jan Werner. Die »88er« hatten sich inzwischen unbenannt und einer größerer Bewegung angeschlossen: Sie waren die sächsische Sektion von »Blood & Honour« geworden. Werner und Starke übernahmen dabei die Propaganda- und Untergrundkonzepte aus Großbritannien und den USA. Jan Werner baute nicht nur internationale Kontakte auf, sondern übersetzte die Ideologie von »Blood & Honour«, übertrug sie nach Deutschland und verbreitete sie durch die Musik und sogenannte Fanzines.
Im Mittelpunkt der Hetze standen zwar man immer noch der Staat und die politischen Gegner – »die Rotfront«, »die Zecken« – aber gleichzeitig fokussierte man den Hass zunehmend auf alles Fremde. Zur Ideologie gehörte auch die Realität der Alltagsgewalt. So schoss 1997 der Berliner Neonazi Kay Diesner erst auf einen PDS-Buchhändler in Berlin, zwei Tage später ermordete er einen Polizisten und verletzte dessen Kollegen schwer. Diesner erklärte bei seiner Festnahme, er sei ein Soldat des »Weißen Arischen Widerstands«. Die Chemnitzer Szene reagierte auf ihre Weise. Das Fanzine Foier Frei, das auch Jan Werner zu verantworten hatte, zeigte nach Diesners Taten das berühmte Gemälde eines US-amerikanischen Farmer-Ehepaars von Grant Woods auf der Titelseite. Anstelle von Mistgabeln hielten die beiden jedoch Maschinenpistolen in den Händen, und darunter prangte die Zeile:
»›Wir arbeiten weiter‹.
Kurz: W.A.W.
Für: ›Weißer Arischer Widerstand‹.«
Bewaffnete Anschläge wie die von Diesner setzten die Szene weiter unter Druck. Worte oder Solidaritätsbekundungen alleine reichten nicht. So griffen auch die Anführer der Chemnitzer Szene zu Gewalt, um die Anhänger zu mobilisieren und den eigenen Machtanspruch zu legitimieren. Jan Werner beispielsweise soll laut unter Verschluss gehaltenen Unterlagen einen Überfall auf einen linken Jugendtreff 1997 angeführt haben. Die Organisation von Gewalttaten wiederum legitimierte ihn als Anführer von »Blood & Honour«. Die Neonazis um Thomas Starke und Jan Werner machten also nicht nur Musik für und Geld mit der rechten Szene, wie später von den meisten Zeugen im NSU-Prozess behauptet wurde. Sie stießen auch nicht nur leere Drohungen aus. Sie waren vielmehr verantwortlich für konkrete Gewalttaten und fachten das Feuer weiter an.
Mitte der 1990er Jahre – bevor durch das Internet für jeden alles jederzeit nutzbar war – war es viel schwerer für die extremistische Szene, an illegales Propagandamaterial zu kommen. Jan Werner schaffte Abhilfe. Er nutzte die »Blood & Honour«-Kontakte, um Terrorpropaganda zu beschaffen und zu verteilen, beispielsweise die begehrten »Kriegsberichter«-Videos, hergestellt von skandinavischen »Blood & Honour«-Aktivisten. In den Filmen wird die gezielte Erschießung von politischen Gegnern, von Juden und Schwarzen gezeigt. Der Zwickauer Neonazi Ralf Marschner, ein enger Freund von Jan Werner, brachte diese Videos persönlich in seinem Auto nach Thüringen und verkaufte sie dort. Marschner war zu der Zeit bereits V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Auch in der Kameradschaft Jena schaute man die »Kriegsberichter«-Videos. Die Kameradschaft beschäftigte sich auch konkret mit dem »Weißen Arischen Widerstand«. So fand sich die – korrekte – Adresse von Tom Metzger, dem US-amerikanischen Anführer des W.A.R., in einer Garage, die die Kameradschaft Jena als Lager und Bombenwerkstatt benutzte.
Allerdings hatten in Thüringen größtenteils noch Neonazis das Sagen, die der SA und der SS nacheiferten, denen die Anglizismen der »Blood & Honour«-Bewegung fremd blieben. Thüringer »Heimatschüt­zer« besuchten lieber den letzten Chef der Hitler-Jugend, Artur Axmann, in Berlin, träumten weiter von der Rückkehr der NS-Zeit, schmiedeten grandiose Pläne zur Machtergreifung. In Chemnitz machte dagegen der britische Chef von »Blood & Honour«, Wilf Browning, bei einem Besuch großen Eindruck auf die deutschen Neonazis. Browning und andere hatten sich dabei bereits klar als die Underdogs und Unterdrückten positioniert, die die Speerspitze des »Weißen Arischen Widerstands« im globalen Rassenkrieg bilden, weil sie »die Gefahr« als Erste erkannt hätten und als einzige »Weiße« mutig genug für entschlossenen Widerstand seien. Ihr Schlachtruf: »Race before Nation«.
Gedanklich mussten sich die Thüringer Neonazis wie Böhnhardt, Mundlos und andere auf diesen Ansatz erst einstellen. Aber es gibt Belege, dass sich die beiden unterschiedlichen neonazistischen strategischen Ansätze und Strukturen aus Thüringen und Sachsen bereits ab 1996 beeinflussten. In dem Datenwust der Sicherheitsbehörden, der seit Ende 2011 in Sachen NSU-Komplex aufgearbeitet werden muss, findet sich ein interessantes Detail: Schon 1996 wurden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gemeinsam mit André Eminger aus Johanngeorgenstadt, einer Kleinstadt im sächsischen Erzgebirge, und Max-Florian Burkhardt aus Chemnitz im Auto eines führenden Kaders des »Thüringer Heimatschutzes« festgestellt. Sowohl Eminger als auch Burkhardt wurden wenige Jahre später zentrale Unterstützer des NSU in ­Sachsen: Eminger muss sich mit Beate Zschäpe vor dem Oberlandesgericht München verantworten. Max-Florian Burkhardt hat zugegeben, im Januar 1998 das von der Polizei gesuchte Jenaer Trio in seiner Wohnung in Chemnitz untergebracht zu haben. Man kannte sich also schon sehr früh – und unterstützte sich.
Der »Thüringer Heimatschutz« hatte es bereits ab 1996 nicht bei ­öffentlichen Aktionen belassen. Die Kameradschaft Jena – Mundlos, Böhnhardt und ihre engen Freunde – verschickten etwa anonyme Bombenattrappen per Brief an die Stadtverwaltung und Polizei in Jena. Drei Jahre lang wurden an vielen Orten Thüringens aus dem »Thüringer Heimatschutz« heraus immer wieder Bombenattrappen und Sprengsätze abgelegt. Böhnhardt hatte da auch schon begonnen, in seinem Kinderzimmer Schwarzpulver aus Feuerwerksraketen zu kratzen und Bomben zu präparieren. Es gibt Anhaltspunkte, dass er diese erste Bombe bei einem Angriff auf ein Flüchtlingsheim bei Rudolstadt eingesetzt hat, ausermittelt wurde dieser Anschlag jedoch bis heute nicht.
Ideologisch – und auch technisch – war die Kameradschaft Jena im Herbst des Jahres 1997 offenbar noch nicht so weit, den Sprengstoff in einem gemeinsamen großen Anschlag einzusetzen. Die erste zündfähige Bombe, wenn auch mit einer geringen Menge an Sprengstoff, wurde im Herbst 1997 in Jena abgelegt. Wieder war es allerdings ein symbolischer Akt, bei dem es vor allem darum ging, auf die lokale Bevölkerung in Jena Eindruck zu machen. Die Bombe wurde in einem Koffer vor dem städtischen Theater abgestellt. Der Koffer war mit einem Hakenkreuz bemalt, in dem Sprengsatz befanden sich wenige Gramm des Sprengstoffs TNT.
Ein Detail belegt in diesem Zusammenhang die frühe enge Verbindung zwischen den Gruppen in Chemnitz und Jena sehr anschaulich: In dieser Phase waren es die Chemnitzer Neonazis, die der Jenaer Kameradschaft professionellen Sprengstoff besorgten. Thomas Starke hatte seinem Freund Uwe Mundlos den Sprengstoff über einen weiteren sächsischen Neonazi besorgt, das gab Starke nach 2011 zu. Er behauptete aber, Mundlos sei die treibende Kraft gewesen. Ob das wirklich so war, ist nicht mehr nachzuprüfen. Eines steht fest: An dieser Schnittstelle zwischen Propagandataten und Terroranschlägen ergänzten sich die Thüringer und sächsische Neonazis.
Ideologisch gab es zudem mittlerweile eine große Schnittmenge: Die Kameradschaft Jena und die ehemaligen »88er« in Chemnitz waren zeitgleich zu dem Schluss gekommen, dass der politische Kampf auch aus dem Untergrund heraus beziehungsweise klandestin geführt werden musste. Das war die Ausgangslage Anfang 1998, als die Thüringer Polizei die Bombenwerkstatt der Jenaer Kameradschaft in der Garage Nr. 5 an der Saale fand und Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe trotzdem flüchten konnten. Einen Tag vor ihrer Flucht waren sie noch in Dresden gewesen, bei einer Demonstration gegen die Wehrmachtsausstellung. Der erste Stopp auf ihrer Flucht führte sie knapp 24 Stunden später erneut nach Dresden zu Thomas Starke.
Dieser Schritt war konsequent: Die durch äußere Umstände not­wendig gewordene Flucht schuf dazu am Ende eine willkommene Gelegenheit.

Abgetaucht, aber nicht im Untergrund
In Sachsen kamen Mundlos, Zschäpe und Böhnhardt bei Freunden von Thomas Starke in Chemnitz unter, dem Zentrum der Bewegung des deutschen »Weißen Arischen Widerstands« (WAW). Dort übernahm vor allem Jan Werner die Organisation der Hilfe für das Trio und ging dabei auch ein hohes Risiko ein. Die Stimmung in der rechten Szene war zu diesem Zeitpunkt bereits aufgeheizt, doch sie sollte noch weiter eskalieren. Die rechten Aktivisten wussten längst, dass ständig Polizei- und Verfassungsschutzoperationen gegen sie stattfanden. Wohnungen von »Blood & Honour«-Mitgliedern in Chemnitz wurden regelmäßig durchsucht. Zudem waren Behörden aus Thüringen – Polizei und Verfassungsschutz – in Sachsen auf der Suche nach den sogenannten Drillingen – Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt. Unterstützt wurden sie dabei vom Bundesamt für Verfassungsschutz. Die Telefone von Starke, Werner und anderen Kernmitgliedern von »Blood & Honour« wurden zudem zeitweise von mehreren Behörden gleichzeitig abgehört. Diesen Fahndungsdruck registrierten die Chemnitzer Neonazi-Aktivisten und -Aktivistinnen – und er bestätigte sie in ihren radikalen Plänen.
Bei einem Szene-Treffen im Juni 1998 forderte eines der Mitglieder von »Blood & Honour« – Antje Probst –, »die Politik« nun in Form von Anschlägen aus dem Untergrund heraus weiterzuführen. Ein V-Mann des Landesamtes für Verfassungsschutz Sachsen berichtete seinem Dienst von diesem Treffen, die brisante Information erreichte auch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Dort, wie ein Mitarbeiter des BfV später vor dem ersten NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages aussagte, hätte man die Information jedoch relativiert: Der Frau sei ein Anschlag nicht zuzutrauen, sie habe sich nur über eine erneute Durchsuchung geärgert. Auch Werner sei im Prinzip harmlos. Ob das BfV im Jahr 1998 tatsächlich die »Blood & Honour«-Szene derart falsch einschätzte, ist jedoch mehr als fraglich. Das LfV Sachsen zum Beispiel führte Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe schon 1998 als Rechtster­roristen.
In dieser Phase erfuhr auch das BfV, dass der Kopf von »Blood & Honour« Sachsen, Jan Werner, weiter große Risiken auf sich nahm, um das sogenannte Trio trotz des enormen Fahndungsdrucks weiterhin zu unterstützen: Die abgetauchten Drei aus Thüringen brauchten Unterkunft, Waffen, Geld. Die interne Kommunikation der Szene von damals zeigt, dass mehrere Chemnitzer Kader eng in die Wohnungssuche für das Trio eingebunden waren. Zudem ging man arbeitsteilig vor. Nicht jedes »Blood & Honour«-Mitglied musste den gleichen Wissensstand haben.
In dieser Zeit zeigte sich auch, dass »Blood & Honour« Sachsen keine Mittel im Überfluss hatte. Selbst wenn es Werner gewollt hätte, konnte Blood & Honour Sachsen die Kosten für die flüchtigen Drei aus Thüringen nicht aus der Portokasse bezahlen. Geld musste her.
Die erste kriminelle Handlung in Sachsen, die Böhnhardt und Mundlos zugerechnet wird, ist daher wenig überraschend ein Raubüberfall. Im Dezember 1998, kurz vor Weihnachten, hatte man sich einen Edeka-Supermarkt in Chemnitz als Ziel ausgesucht. Gerade als die Einnahmen aus den vollen Kassen von einer Mitarbeiterin in einer Tasche gesammelt worden waren, schlugen zwei Täter zu, erbeuteten umgerechnet 15 000 Euro. Im Weglaufen schossen sie auf einen jungen Mann, der sie verfolgte. Zwei der engsten Gefolgsleute von Jan Werner arbeiteten damals in einer Chemnitzer Edeka-Filiale und dürften mit den Abläufen – etwa: wann werden die Kassen geleert – vertraut ­gewesen sein. Durch einen V-Mann aus Brandenburg, Deckname Piatto, wusste man bei verschiedenen Verfassungsschutzbehörden zudem, dass das flüchtige Thüringer Trio auf der Suche nach Waffen war, um »weitere Überfälle« zu begehen. Für die Waffensuche war Jan Werner zuständig, auch das meldete der V-Mann.
Konsequenzen hatten diese Meldungen jedoch angeblich nicht, erklärten nach 2011 Vertreter der Verfassungsschutzämter von Brandenburg, Thüringen und Sachsen. Auch den Edeka-Überfall prüfte man nie hinsichtlich einer Tatbeteiligung der bekanntermaßen flüchtigen Neonazis – obwohl die Ermittler damals sicher waren, dass die Täter mit dem Bus oder einem kleinen Motorrad mit geringer Reichweite geflohen waren und wahrscheinlich aus der Umgebung stammten. Der Überfall wurde auch ausführlich im lokalen Fernsehsender MDR thematisiert, doch brachte das weder Polizei noch Verfassungsschutz auf die Spur von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe. Dass man bei Jan Werner bei einer Durchsuchung Überweisungsträger fand, die belegten, dass im Dezember 1998 wenige Tage nach dem Überfall hohe Bargeldbeträge auf dem Konto seiner damaligen Freundin eingingen, fiel angeblich ebenfalls niemandem auf.

1999 – der erste Anschlag
Eine Befehlskette – Zentrale befiehlt, Filiale handelt – lässt sich bei der rassistischen Internationalen, dem »Weißen Arischen Widerstand«, nicht feststellen. Wohl aber inspirierte man sich gegenseitig, setzte sich durch konkrete Handlungen unter Druck. Als im April 1999 der Brite David Copeland innerhalb von wenigen Wochen drei Nagelbomben in London zündete, dabei drei Menschen tötete und Dutzende schwer verletzte, wurde das sowohl in deutschen Medien als auch von der rechtsradikalen Szene wahrgenommen. Copeland hatte gezielt Migranten und Homosexuelle angegriffen. In seinem Geständnis bezog er sich explizit auf das Konzept des »Rassenkrieges«, das unter anderem in dem Buch »The Turner Diaries« des US-amerikanischen Neonazi-Anführers William Pierce und auf der Homepage des britischen »National Socialist Movement« (NSM) detailliert erklärt wurde: Es gehe darum, »Terror und Angst bei ethnischen Minderheiten zu erzeugen, Brand- und Sprengstoffanschläge auf ihre Häuser zu verüben und Einzelpersonen zu töten«.
Im Juni 1999 – wenige Wochen nach den Anschlägen von London – begingen auch Mundlos und Böhnhardt ihren ersten Anschlag. Unweit des Nürnberger Bahnhofs legten sie in der kleinen Kneipe namens »Sonnenschein« eine Bombe ab. Die Bar wurde von einem Türken geführt. Der Sprengkörper sah aus wie eine Taschenlampe, knipste man sie an, sollte sie explodieren. Ein junger Kellner türkischer Herkunft fand die Sprengfalle: Sie zündete mit Verzögerung und verletzte den 18-Jährigen daher nur leicht. In den frühen 1990er Jahren waren vor allem im Raum Köln Migranten mit ähnlichen Bomben verletzt worden. Immer handelte es sich dabei um ein Haushaltsgerät oder andere Gegenstände, die man erst anschalten musste, um die Bombe zu zünden. Diese Gemeinsamkeiten wurden aber damals von den zuständigen Ermittlern nicht herausgearbeitet.

Kein abgeschottetes Trio
Laut der Anklageschrift der Bundesanwaltschaft sollen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe völlig abgeschottet agiert haben. Über Jahre hätten sie die Hilfe von Unterstützern und Unterstützerinnen in Anspruch genommen, ohne Informationen über ihre mörderischen Aktionen zu teilen. Das allerdings ist nicht mehr haltbar. Ein Mitangeklagter sagte vor dem Oberlandesgericht in München im NSU-Prozess aus, dass er von einem Unterstützer der Drei von dem Nürnberger Anschlag in der Gaststätte »Sonnenschein« erfahren hatte. Auf diesem Wege erfuhren auch die Ermittlungsbehörden erst im laufenden Prozess, dass der NSU auch hinter dieser Bombe steckte. Die Aussage des Mitangeklagten von Beate Zschäpe bedeutet im Klartext: Böhnhardt und Mundlos haben sich mitgeteilt, sie haben gegenüber Unterstützern mit ihren Taten geprahlt.
Naheliegend wäre es, dass auch die Chemnitzer Helfer Bescheid wussten, zumal insbesondere Jan Werner ohnehin schon in die Waffensuche eingebunden war und auch sonst Interesse an militanten Aktionen gezeigt hatte. Zudem mussten Böhnhardt und Mundlos irgendwo die Bombe zusammenbauen, darüber hinaus brauchten sie Material für den Sprengsatz – bis heute ist auch die Frage, wo und mit wessen Hilfe diese erste Bombe gebaut wurde, nicht geklärt.
Ende 1999 verschärften Mundlos und Böhnhardt das Tempo, über die alten »Heimatschutz«-Kontakte besorgten sie sich eine Waffe mit Schalldämpfer: Eine Česka 83, Kaliber 7,65. Zudem gingen die Überfälle weiter. Ende 1999 schlugen Mundlos und Böhnhardt erneut in ­Chemnitz zu. Sie überfielen dabei auch eine Postfiliale, untergebracht neben einem Friseursalon. Darin arbeitete eine der wichtigsten Unterstützerinnen des Trios zu der Zeit – Mandy Struck. Aber auch diese ­Verbindung soll damals auf Seiten der Behörden niemand aufgefallen sein.

2000 – der erste Mord und der angebliche Bruch
Bis in den April 2000 hinein gingen etwa beim Thüringer Verfassungsschutz Informationen ein, dass Jan Werner dem Trio half. Als im Juli 2000 in Düsseldorf eine Bombe explodierte und vor allem jüdische Migranten verletzt wurden, überschlugen sich die Ereignisse. Plötzlich gab es in Deutschland Sondersendungen im Fernsehen über den rechten Terror. Die Opposition – damals unter anderem die CSU und CDU – forderte das Verbot der NPD. Die Bundesregierung zog nach und ließ »Blood & Honour« verbieten. Zwar hatte sich die sächsische Sektion schon zuvor offiziell von der deutschen Gesamtorganisation getrennt, die Verbindungen waren dennoch weiter eng. Ebenfalls im Sommer 2000 wurde der V-Mann Piatto in der Presse enttarnt – jener Informant also, der der rechten Terrorgruppe in Chemnitz am nächsten gekommen war. Der Druck auf die flüchtigen Neonazis und ihre Helfer war enorm, schreckte die Mitglieder des NSU aber offenbar nicht ab, im Gegenteil.
Am 9. September 2000 wurde Enver Şimşek am Rande von Nürnberg mit zwei Waffen von Mitgliedern des NSU erschossen. Der erste von zehn Morden der Gruppe. Die Mörder machten ein Foto von ihrem sterbenden Opfer, das später für den NSU-Bekennerfilm verwandt wurde. Wie die Täter auf ihr Opfer stießen, ob sie Hilfe hatten, ist weitestgehend unklar. Sie hielten sich offenbar aber an die ideologischen Vorgaben aus England: »Angst und Terror« zu erzeugen und »Einzelpersonen zu töten«.
Angeblich, so ist auch fünf Jahre nach der Selbstenttarnung des NSU unverändert der Stand der Beweisaufnahme, hatte sich das Kerntrio unmittelbar vor dem ersten Mord von den Helfern und Helferinnen der ersten Jahre abgeschottet, obwohl man sich ideologisch so nahe stand und vor allem die Chemnitzer über Jahre fanatisch das Konzept eines »Rassenkriegs« propagiert hatten. Das gilt vor allem für Thomas Starke und Jan Werner. Mit Starke etwa hätten sich Mundlos, Zschäpe und Böhnhardt verkracht, sagte ein Zeuge dem BKA. Für Werner gibt es einen solchen Zeugen nicht – ob und wann der Kontakt abriss, warum und ob Werner den Dreien nicht mehr half, ist völlig offen. Zwar waren Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe schon im Mai 2000 von Chemnitz weg und nach Zwickau gezogen, aber sie benutzten dabei wieder die Hilfe eines Chemnitzer Kaders. Zudem hielten sie bis zum Schluss regelmäßigen Kontakt zu dem Ehepaar Susann und André Eminger und zu Matthias Dienelt, in der Szene vernetzte Neonazis. Sie brachen also keineswegs mit ihrem alten Umfeld. Vor allem soll Uwe Mundlos in dieser Zeit bei dem V-Mann Ralf Marschner in dessen Baufirma in Zwickau gearbeitet haben. So berichtete es ein glaubhafter Zeuge dem 2. NSU-Untersuchungsausschuss in Berlin. Ein weiterer Zeuge hatte Beate Zschäpe des Öfteren im Laden bei Marschner gesehen. Ein dritter Zeuge will Böhnhardt und Mundlos schon 1998 mit dem V-Mann zusammen beobachtet haben, als dieser sich am Rande eines Fußball­turniers nach Waffen erkundigte.
Marschner wiederum war seit Jahren eng mit Jan Werner bekannt – gemeinsam hatten sie »Blood & Honour«-Propaganda vertrieben, Konzerte organisiert. Dass das sogenannte Trio nach Zwickau zog, ohne dass Werner dies mitbekommen haben soll, ist äußerst fraglich. Schließlich wurde Werners engster Mitstreiter Thomas Starke ausgerechnet im November 2000 nach dem ersten NSU-Mord vom LKA Berlin als Informant geworben. Er berichtete dann auch mit Verzögerung über Werner, dessen Hilfe für die Drei und seine Verstrickung in den Waffenhandel. Das LKA Berlin will die Informationen aber nie in konkrete Hand­lungen umgesetzt haben.
Wichtig ist auch, dass sich Mundlos, Zschäpe und Böhnhardt in Chemnitz und Zwickau nie so unsicher fühlten, dass sie ganz aus Sachsen weggezogen wären oder den Kontakt zu sächsischen Neonazis komplett abgebrochen hätten. Bis zum Ende blieben sie in Zwickau. Wann und ob überhaupt der Kontakt zu den über lange Jahre wichtigsten Unterstützern – Werner und Starke – wirklich abbrach, ist auch nach fünf Jahren Ermittlungen und Recherchen völlig offen. Erst wenn in dieser Sache alle Akten – etwa die des LfV Sachsen über dessen diverse V-Leute in der Umgebung des NSU – offengelegt werden, ist ein abschließendes Urteil möglich. Die These jedenfalls, dass Mundlos, Zschäpe und Böhnhardt am Ende »abgeschottet« in Sachsen gelebt hätten, hat schon die Beweisaufnahme diverser Untersuchungsausschüsse schlüssig widerlegt.
Zudem herrschen auch bei Mitarbeitern sächsischer Institutionen ernste Zweifel daran, dass das untergetauchte Trio in Chemnitz dem lokalen Verfassungsschutz nicht aufgefallen sein soll, obwohl Mundlos, Zschäpe und Böhnhardt über Jahre mit den notorischsten Neonazis Sachsens engen Kontakt hatten.
Die Aufklärung steht hier erst am Anfang. Viele Antworten dürften sich in Sachsen und seinen Behörden finden.

Zuerst veröffentlicht in:
Heike Kleffner Matthias Meisner (Hg.):
Unter Sachsen – Zwischen Wut und Willkommen
ISBN: 978-3-86153-937-7
Ch. Links Verlag

Der Beitrag »Wir arbeiten weiter« – Der »Nationalsozialistische Untergrund« in Sachsen erschien zuerst auf NSU Watch.

Protokoll 341. Verhandlungstag – 26. Januar 2017

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Zu Beginn des Verhandlungstag sagt Jens Ku. aus, der früher beim Staatsschutz in Jena tätig war. Er soll Angaben zur Kameradschaft Jena machen, insbesondere zu Ralf Wohlleben. Da dieser aber früher „Chefsache“ gewesen sei, kann Ku. dazu kaum Aussagen treffen. Anschließend daran spricht der Psychiatrische Sachverständige Prof. Dr. Henning Saß zu seinen Beobachtungen, die er während des Prozesses bzgl. Beate Zschäpe gemacht hat.

Zeuge und Sachverständiger:

  • Jens Ku. (Kriminalbeamter, ehem. Staatsschutz Jena, Angaben zu Ralf Wohlleben)
  • Prof. Dr. Henning Saß (Psychiatrischer SV, Begutachtung von Beate Zschäpe)

Der Verhandlungstag beginnt um 09:48 Uhr. Nach der Präsenzfeststellung sagt Götzl: “Wir haben zunächst den Zeugen Ku. geladen.” Jens Ku. wird belehrt und seine Personalien werden festgestellt. Dann sagt Götzl: “Herr Ku., es geht uns um Informationen, die Sie gegebenenfalls haben im Hinblick auf Aktivitäten und Äußerungen des Ralf Wohlleben in Bezug auf Ausländer-/ Asylpolitik, des weiteren im Hinblick auf Straftaten von Angehörigen der rechten Szene, hier geht es uns insbesondere um die Kameradschaft Jena, THS und um Straftaten gegen Ausländer. Wenn Sie mal schildern, wie weit Sie in Ermittlungen eingebunden waren.” Ku.: “Seit April 1994 war ich im Staatsschutz der KPI Jena tätig, mehrere Jahre bis Oktober 1997. Während dieser Zeit war ich u.a. für sechs Monate im LKA in der Soko Rex tätig. Außerdem war ich in dieser Zeit gelegentlich abgeordnet zu anderen Sokos, also die Staatsschutzzeit war nicht vollumfänglich, die Sokos bearbeiteten andere Fälle. In den 90ern, so ab ’94 bildete sich im Raum Jena die Kameradschaft Jena. In Bezug auf die Kameradschaft war Kameradschaftsführer André Kapke. Die mir bekannten Mitglieder waren Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe, ein Herr Apel und viele andere. Ab ’94 fiel die Kameradschaft Jena damit auf, in dem sie vorwiegend Propagandastraftaten beging, also es wurden wilde Plakatierungen zu Rudolf Heß getätigt, es wurden Spruchbänder aufgehangen, was später dazu führte, dass aus der Kameradschaft Jena heraus über die Autobahn eine Puppe mit der ersten Bombenattrappe gehangen wurde. Straftaten gegen ausländische Mitbürger sind mir aus diesem Zeitpunkt [phon.] nicht bekannt, weder von der Gruppe noch von Herrn Wohlleben.”

Götzl: “Hatten Sie mal Kontakt zu Herrn Wohlleben in der Zeit?” Ku.: “Ich hatte keinen Kontakt zu Wohlleben. Herr Wohlleben war bei uns im Staatsschutz Chefsache und wurde vom Leiter bearbeitet.” Götzl: “Waren Sie mal in Ermittlungen eingebunden, die Herrn Wohlleben betroffen hätten, als Beschuldigter oder Zeuge?” Ku.: “Da sind mir keine erinnerlich.” Götzl: “Haben Sie ansonsten von Kollegen dienstlich Informationen in Bezug auf Herrn Wohlleben gewonnen hinsichtlich seiner politischen Ansichten, im Hinblick auf das genannte Thema Ausländer-/ Asylpolitik?” Ku.: “Da habe ich keinerlei Kenntnis. Ich kenne Herrn Wohlleben als Papierlage sozusagen, als Anmelder von Veranstaltungen, z.B. Fest der Völker.” Offenbar gibt es Unklarheit über den Begriff “Papierlage”. Ku.: “Papiere von anderen Behörden.” [phon.] Götzl: “Welche Veranstaltungen?” [phon.] Ku.: “Wie gesagt, Fest der Völker. Dort trafen sich praktisch Gleichgesinnte zu dieser Veranstaltung.” Götzl: “Demonstrationen, können Sie dazu was sagen, der damaligen rechten Szene?” Ku.: “Inhalte sind mir heute nicht mehr erinnerlich, müsste auf Vermerke zurückgreifen, aber ich habe da definitiv keine geschrieben. Da müsste man auf Vermerke anderer Beamten zurückgreifen.” Götzl: “Nein, mir geht’s um Ihre Informationen.” Ku.: “Ich habe keine Informationen dazu.” Götzl: “Sind Fragen von Seiten des Senats an den Zeugen, von Seiten der Bundesanwaltschaft, von Seiten der Verteidiger?”

Wohlleben-Verteidiger RA Klemke: “Sie führten aus, dass die Kameradschaft Jena vorwiegend mit Propagandastraftaten aufgefallen sei, erwähnten wilde Plakatierungen zu Rudolf Heß und den Puppentorso an der Autobahnbrücke. Abgesehen vom Puppentorso: Was für Propagandastraftaten?” Ku.: “Es wurden Flugblätter verteilt über das Thema Rudolf Heß. Das waren die Anfänge der Kameradschaft, man befasste sich damit, das Gedenken an Rudolf Heß hochzuhalten.” Klemke: “Inwieweit handelte es sich um Straftaten?” Ku.: “Wir haben die Flugblätter vorerst als Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen [phon.] aufgefasst, denn Rudolf Heß war, glaube ich, in Uniform und mit einer Hakenkreuzbinde abgebildet. Zu prüfen war das sowieso durch den Staatsanwalt.” Klemke: “Also 86a?” Ku.: “86a .” Klemke: “Okay. Waren das Flugblätter oder Plakate?” Ku.: “Unterschiedlich. Ich weiß nicht wo die Abtrennung da liegt. Das Flugblatt kann ich genauso an eine Hauswand kleben oder an einen Lichtmast.” Klemke: “Soll ich jetzt eine Frage beantworten? Bin ich hier Zeuge, Herr Ku.?”

Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders: “Sie erwähnten Transparente an Brücken, inwieweit waren da Straftaten Ermittlungsgegenstand?” Ku.: “1995 wurde erstmals ein Transparent [phon.] an einer Autobahnbrücke aufgehangen, wo ‘Hess’ mit Doppel-Sig-Rune geschrieben wurde.” Schneiders: “Danke.” Klemke: “Ist bezüglich des Transparentes mit Doppel-Sig-Rune ein Tatverdächtiger ermittelt worden?” Ku.: “Kann ich Ihnen nicht sagen, wer dort konkret ermittelt wurde.” Klemke: “Sie können nicht sagen, ob dieser Vorgang irgendwas mit der Kameradschaft Jena zu tun hat?” Ku.: “Das kann ich nicht sagen, aber ein Jahr später wurde an derselben Brücke dieser Torso mit Davidstern aufgehangen, wo die Ermittlungen zur Kameradschaft führten.” Klemke: “Bei den Flugblättern und Plakaten, ist denn da ein Tatverdächtiger ermittelt worden?” Ku.: “Ist mir nicht geläufig.” Klemke: “Ist Ihnen nicht geläufig.” Ku. “Es gab einen Verdacht: Herr Kapke. Es gab auch eine Beschuldigtenvernehmung. Kapke gab zu, über solche Wurfzettel zu verfügen und sie auch verteilt zu haben.” Klemke: “Ist ein Strafverfahren gegen Herrn Kapke eingeleitet worden?” Ku.: “Ja.” Klemke: “Haben Sie Kenntnis, wie das ausgegangen ist?” Ku.: “Nein, ich habe von keinem Verfahren, was damals geführt wurde, Kenntnis, wie das ausgegangen ist.”

Schneiders: “Ihre Informationen über Mitglieder der Kameradschaft Jena, worauf gründen sich Ihre Informationen?” Ku.: “Dass man sich gemeinsam getroffen hat, diese Personen haben gemeinsam Orte aufgesucht, und dass man sich später als Kameradschaft zu erkennen gab. Man führte in Thüringen den sogenannten Gauwinkel oder Gaudreieck ein. Ein schwarzes Dreieck mit der Aufschrift ‘Thüringen’.” Schneiders: “Wie stellen Sie da den Bezug her zur Kameradschaft Jena?” Ku.: “Die Kameradschaft Jena war ein Bestandteil der Kameradschaft Thüringen, oder nein, des Heimatschutzes Thüringen. Das waren Sektionen damals, die Kameradschaften. So gab es das Gaudreieck auch mit der Aufschrift ‘Jena’. Im Detail kann ich Ihnen aber nicht sagen, wer die getragen hat.”

Carsten Schultzes Verteidiger RA Pausch: “Können Sie was mit dem Begriff Winzerclub anfangen?” Ku.: “Ja. Winzerclub war Anfang der 90er Jahre Treffpunkt von Jugendlichen, hier hielten sich gelegentlich auch Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe auf. In einem Fall konnte ich selbst wahrnehmen, dass Frau Zschäpe und Herr Böhnhardt im Außenbereich dort waren. Wann genau das war, kann ich nicht mehr sagen.” Pausch fragt, ob Ku. auch Wohlleben im Winzerclub wahrgenommen habe. Ku.. “Nein.” Pausch: “Ist Ihnen was über Geburtstagspartys bekannt, die dort gefeiert wurden?” Ku.: “Ja, es wurden da Geburtstagspartys gefeiert.” Pausch fragt nach Personen. Ku.: “Ich kann dazu keine Ausführungen machen, ich war in die Ermittlungen nicht eingebunden. Die Geburtstagsfeiern wurden auch immer [phon.] erst im Nachhinein bekannt, wir hatten keine Erkenntnisse im Vorfeld, dass überhaupt gefeiert wird.” Pausch: “Wer hat da gefeiert?” Ku.: “Darüber habe ich auch keine Kenntnisse.”

Zschäpe-Verteidiger RA Stahl sagt, RAin Schneiders habe eben schon nach der Mitgliedschaft in der KS Jena gefragt: “Welche Erkenntnisse haben Sie zum Mitgliedschaftsstatus der Personen, insbesondere Frau Zschäpe?” Ku.: “Erkenntnisse gibt’s dahingehend nur, dass Frau Zschäpe in den Kreisen der Kameradschaft Jena, im Umfeld des Herrn Böhnhardt und Herrn Mundlos, die sich als Mitglieder der Kameradschaft vorstellten [phon.], dass sie in Begleitung dieser Herrschaften oftmals war. Sie sind oft auch öffentlich bei Demos aufgetreten. Und daraus schlussfolgerten wir die Zugehörigkeit zur Kameradschaft Jena.” Stahl: “Wer ist denn wir?” Ku.: “Die Abteilung Staatsschutz.” Stahl: “Und daraus schlussfolgerten Sie eine Mitgliedschaft?” Ku.: “Ja, wir wussten damals nicht, ob es da Mitgliedsbücher gab oder ein Statut. Thüringen gestaltete sich damals so, dass es eine Kameradschaft Saalfeld gab und eine Kameradschaft Jena, die dann verschmolzen sind im THS. Das waren Erkenntnisse, die wir aus Ermittlungen hatten und aus Treffpunkten, andere Beweise hatten wir nicht.” Stahl: “Jetzt hatten sie aber relativ forsch die Mitglieder der Kameradschaft Jena aufgezählt, u.a. Frau Zschäpe. Und jetzt haben sie aber auf Nachfrage gesagt, weil sie mit den Menschen unterwegs war. [phon.]” Ku.: “Sie hat gemeinsam auch eine Menge politische Veranstaltungen besucht.” Stahl: “Waren das alles Mitglieder der Kameradschaft Jena?” Ku.: “Nein, aber das waren politisch Gleichgesinnte.” Stahl: “Warum sind das nicht alles Mitglieder?” Ku.: “Das waren die mir bekannten Mitglieder.”

NK-Vertreter RA Behnke: “Ich habe Sie so verstanden, als hätten Sie gesagt, Angelegenheiten des Herrn Wohlleben seien Chefsache gewesen.” Ku.: “Ja, die hat der Leiter Staatsschutz bearbeitet.” Behnke: “Und wie haben Sie das verstanden?” Ku.: “Dass nur mein Referatsleiter das bearbeitet hat.” Behnke: “Die Leitung hat Angelegenheiten des Herrn Wohlleben selbst bearbeitet?” Ku.: “Ja.” Behnke fragt nach dem Namen. Ku.: “Der Herr Kö.” Behnke: “Haben Sie auch einen Vornamen?” Götzl: “Den haben wir hier schon als Zeugen vernommen.” Behnke: “Ja, Kö. gibt’s viele.” Götzl: “Der hat sich hier als ehemaliger Leiter Staatsschutz vorgestellt.”

RAin von der Behrens hält aus Akten der StA Gera aus einer Zeugenvernehmung von René Scha. vom 18.12.1996 vor. Vorhalt: Des weiteren möchte ich erwähnen, dass mir der André Kapke, den ich in der Jugendwerkstatt kennenlernte, erzählte, dass der Böhnhardt in eine Sache verwickelt ist mit einer Bombenattrappe. Böhnhardt ist ein Bastlertyp. Er soll 1994, in Jena-Lobeda, in einem Hochhaus eine Bombenattrappe gelegt haben. In dieses Hochhaus sollten Ausländer ziehen, die Bombenattrappe richtete sich gegen sie. [phon.] V. d. Behrens: “Sagt Ihnen das etwas?” Ku.: “Diese Sache ist mir überhaupt nicht bekannt oder erinnerlich. Mir ist auch nicht erinnerlich, dass in diesem Zeitpunkt ein derartiger Untergrund vorbereitet wurde.” V. d. Behrens: “Und dann entsprechend eine zweite Aussage, Tibor Re., der hier im Verfahren polizeilich vernommen wurde.” Vorhalt aus einer Vernehmung von Tibor Re.: Ich weiß nicht mehr genau, wann das war. Das war das Asylantenheim ‘Auf dem Forst’. Das war auf jeden Fall vor 1996. Mundlos hatte einen Fotoapparat dabei und hat Fotos gemacht. Den Fotoapparat hat Mundlos dann auch wieder mitgenommen. Was aus den Aufnahmen geworden ist, kann ich nicht sagen. Wir sind damals mit dem gelben PKW Wartburg von Mundlos hochgefahren. Es wurde darüber gesprochen, die Wachabläufe auszuspionieren. Es kam dann aber nicht dazu. Aus welchen Gründen weiß ich nicht. Ob Böhnhardt dabei war, weiß ich nicht mehr, die Zschäpe war nicht dabei. Wer noch dabei war, kann ich nicht sagen. Das Asylantenheim wurde damals nur ausspioniert. Es wurde nicht gesagt, dass es zu einem Anschlag kommen soll. Ku.: “Auch dazu ist mir nichts erinnerlich.”

RA Scharmer: “Sie sagten vorhin, nur der Leiter, Herr Kö., habe Wohllebens Sachen bearbeitet und nur er habe dann Kenntnis gehabt [phon.]. Gab es dafür einen Grund?” Ku. sagt, der sei ihm nicht bekannt: “Der war mein Leiter, der war nicht verpflichtet, mir einen Grund zu nennen.” Scharmer: “Gab es andere Personen aus der rechten Szene in Jena, die auch nur vom Leiter bearbeitet wurden?” Ku.: “Das ist mir nicht erinnerlich.” Scharmer: “Gab es da eine Zusammenarbeit mit dem LfV?” Ku.: “Dazu habe ich keine Kenntnisse, die Gespräche wurden auf Leiterebene geführt.” Um 10:14 Uhr wird der Zeuge entlassen.

Klemke gibt eine Erklärung zur Einvernahme des Zeugen ab: “Auch dieser Zeuge konnte keinerlei Angaben machen bezüglich irgendwelcher Straftaten gegenüber Asylbewerbern oder anderen Ausländern seitens des Herrn Wohlleben oder Mitgliedern der Kameradschaft Jena. Diese Aussage reiht sich ein in die anderen Aussagen der Zeugen des Staatsschutzes Jena. Kein einziger konnte derartiges berichten. Danke.”

Götzl wendet sich an Prof. Saß: “Dann würden wir mit Ihrer Anhörung fortfahren.”

Zunächst meldet sich aber Zschäpe-Verteidiger RA Heer zu Wort: “Gibt es eine Entscheidung über unseren Widerspruch oder ist das eine konkludente Entscheidung?” Götzl sagt, es sei sachgerecht hier mit der Befragung fortzusetzen, im Sinne der Beschleunigung und da ein zusätzlicher Erkenntnisgewinn durch die Befragung möglich sei. Heer: “Frau Sturm, Herr Stahl und ich beanstanden die Verfügung und beziehen uns zur Begründung auf die vorgetragenen Gründe [phon.].” OStA Weingarten: “Unter Bezugnahme auf unsere gestrige Stellungnahme halten wir die Beanstandung für ausgesprochen unbegründet.” Götzl: “Dann unterbrechen wir bis 10:45 Uhr.”

Um 10:47 Uhr geht es weiter. Götzl verkündet den Beschluss, dass seine Verfügung, Saß zu vernehmen, solange die Befragung durch RAe Heer, Stahl und Sturm noch nicht abgeschlossen ist, bestätigt wird. Götzl gibt aus Sicht des Senats den prozessualen Verlauf wieder. Dann sagt er, dass die Verfügung rechtmäßig und sachgerecht sei. Götzl geht u.a. auf eine BGH-Entscheidung ein sowie darauf, dass in Teilen der Rechtsprechung und in der Literatur der Standpunkt vertreten werde, der Vorsitzende dürfe einem Beteiligten das Fragerecht nicht ohne sachlichen Grund entziehen. Diese Streitfrage könne im vorliegenden Fall jedoch offen bleiben, da ein sachlicher Grund dafür vorliege, dass der Vorsitzende die Befragung selbst fortsetzt. Die Rechtsanwälte hätten vorgebracht, sie würden zunächst keine weiteren Fragen stellen. Ein Rechtsverlust bei den Verteidigern trete nicht ein, da ihnen das Fragerecht zu einem späteren Zeitpunkt wieder übertragen werde.

Götzl: “Ja, dann setzen wir fort mit Ihrer Befragung, Herr Prof. Dr. Saß.” Götzl: “Zur Übersichtlichkeit möchte ich mich an der Verschriftung des mündlichen Gutachtens orientieren. Mir geht’s auch um das Thema Beobachtungen von Ihnen im Hinblick auf Ausdrucksverhalten, Interaktion.” Saß habe sich, so Götzl, zu dieser Thematik geäußert bei den Vorbemerkungen zur Methodik und beim Unterpunkt “Zusammenstellung der relevanten Informationen”. Außerdem wolle er, Götzl, zur Entwicklung seit der Verhaftung nachfragen und auch zu weiteren Aspekten, die im Rahmen der Beurteilung genannt würden. Zunächst macht Götzl aber einen Vorhalt aus dem Punkt “Zur Entwicklung der Angeklagten seit der Verhaftung” aus der Verschriftlichung: Insgesamt haben die Wahrnehmungen keine besonderen Auffälligkeiten oder gar Hinweise für Störungen ergeben. Vorherrschend war der Eindruck, wie sehr die Angeklagte um Selbstkontrolle und sachlich-kühles Verhalten bemüht war, während über Gefühlsregungen, tiefere Empfindungen und inneres Erleben nahezu nichts offenbar wurde. Es gab allerdings auch immer wieder Passagen mit einer gewissen Lockerheit und Erheiterung bei entsprechenden Gelegenheiten. Eine durchgängige Bedrücktheit durch die Gesamtsituation ließ sich hingegen nicht beobachten.

Götzl: “Mich würde interessieren, welche einzelnen Beobachtungen hier gemacht wurden und bei welchen Gelegenheiten.” Saß: “Es ist hier eine zusammenfassende Bewertung der Beobachtungen. Ich hatte sie ja in der Stellungnahme vom 19.10. sehr ausführlich wiedergegeben auf diesen 23 Seiten. Das leitende Kriterium war: Was ist von Bedeutung der Beantwortung der Gutachtensfragen? Um es anders zu sagen: Wenn man hypothesengeleitet vorgeht, was könnte die Hypothese ‘es lag eine psychische Krankheit vor’ unterstützen oder was spricht gegen eine solche Hypothese.” Entsprechend sei bei der Hangfrage vorgegangen worden, so Saß. Saß spricht sehr schnell, u.a. von “Nullhypothese” und “Alternativhypothese”.

Götzl bittet Saß etwas langsamer zu sprechen. Zschäpe-Verteidigerin RAin Sturm: “Ich würde darum bitten. Ich habe Ihre letzte Ausführungen zum hypothesengeleiteten Vorgehen nicht verstanden.” Saß: “Ich habe gesagt, dass die Auswahl der Beobachtungen sich danach gerichtet hat, ob es von Bedeutung für die mir gestellte Frage ist bzw. ob es von Bedeutung für die Nullhypothese oder Alternativhypothese ist.” [phon.] Götzl: “Wäre es möglich, dass Sie uns die Beobachtungen, die Sie zu Grunde gelegt haben, konkreter fassen und darstellen?” Saß: “Ist es möglich, dass ich mich auf die Ausführungen der vorläufigen Stellungnahme stütze?” Götzl: “Ja, ist sicher sinnvoll.”

Saß: “Ich habe also dort auf Seite 77f. Verhaltensbeobachtungen niedergelegt. Auf der einen Seite waren recht konstante Beobachtungen da, andererseits auch manchmal deutliche Veränderungen. Generell waren Hinweise auf ernste psychische Störungen nicht vorhanden, also fehlende Orientierung, unkontrollierte Situationen, auch keine Hinweise für eine depressive Stimmung mit Verlangsamung der Motorik. Allerdings hat es durchaus Schwankungen gegeben. Ich habe dann …”

RA Heer unterbricht: “Vom Schreiben, der Geschwindigkeit, her ist es gerade okay, es ist nur verwunderlich, dass die Frage nicht beantwortet wird.” Saß: “Herr Rechtsanwalt, das tue ich, vielleicht nicht in der von Ihnen gewünschten Form. Aber als Sachverständiger versuche ich das eben zu entwickeln. Und ich habe gefragt, ob ich mich drauf stützen kann …” RA Stahl unterbricht: “Wir versuchen ja also alles mitzuschreiben und parallel habe ich versucht, in das Gutachten zu schauen. Es ist ein bisschen schwierig, deswegen hat der Kollege Heer nicht ganz unrecht.” Saß: “Also ich stelle das dar mit dem, was hier steht.” Götzl wendet sich an Stahl: “Prof. Dr. Saß hat angekündigt dass sich die Beobachtungen auf Blatt 77f. befinden. Und soweit ich das sehe, befinden sich tatsächlich ab Blatt 78 Beobachtungen. Grundsätzlich verstehe ich jetzt den Einwand nicht.” Die Auseinandersetzung setzt sich kurz fort. Dann sagt Saß: “Ich werde mich zur Präzision auf das stützen und sage, dass ich alle Dinge, die sich nicht auf die Hauptverhandlung beziehen, weglasse. Am ersten Tag wirkte Frau Zschäpe auf mich sehr wach, aufmerksam und konzentriert, später war sie dann mit dem Laptop beschäftigt.”

Saß gibt dann ausführlich aus seiner vorläufigen Stellungnahme Beobachtungen von Zschäpe während der Hauptverhandlung wieder. In den Folgetagen habe Zschäpe, so Saß, die Aussagen von Carsten Schultze sachlich und aufmerksam verfolgt, ohne weitere erkennbare Regungen. Häufig sei zu beobachten gewesen, dass initial ein etwas stärkeres Interesse da war, während dann nach vielleicht 10 oder 20 Minuten die Angeklagte häufig gelangweilt oder abschweifend gewirkt habe. Oft habe sie sich dann dem Laptop zugewandt und sich damit mehr oder weniger konzentriert beschäftigt. Gelegentlich habe er, so Saß, den Eindruck gehabt, dass die Hinwendung zum Laptop mit einem gewissen Rückzug aus der Hauptverhandlung einherging, z. B. bei Zeugenaussagen mit mglw. emotional belastendem Inhalt. Gelegentlich sei ein Abknicken des Kopfes [phon.] dazu gekommen, “bei dem die langen Haare das Gesicht verbargen und quasi die Funktion eines abschirmenden Vorhangs erhielten”. Auch der Bildschirm habe die Funktion eines Blickschutzes gehabt. [phon.] In der Anfangszeit habe es bei Zschäpe einen Wechsel zwischen teils aufmerksam interessierter Teilnahme und einem mehr oder weniger intensiven Rückzug gegeben. Im weiteren Verlauf des Prozesses sei es dann immer häufiger auch zu einem Abgleiten in eine eher teilnahmslos und etwas gelangweilt wirkende Haltung gekommen.

Er habe dann Ausführungen gemacht zum Verhalten gegenüber der Gruppe der Verteidiger, so Saß. In der Anfangszeit habe es hier den Eindruck eines recht entspannten, lockeren, vertrauensvollen Verhaltens gegeben, das sich habe steigern können zu lebhaftem, manchmal geradezu heiterem und scherzend wirkendem Umgang. Es habe eine lebendige Psychomotorik gegeben. Allerdings habe es in dieser Beziehung auch deutliche Veränderungen gegeben. Als Beispiel, wie wechselhaft das Verhalten Zschäpes im Laufe eines Verhandlungstages habe sein können, geht Saß auf den 24.06.2013 [14. Verhandlungstag] ein: “Zunächst erschien Frau Zschäpe locker, mit ihren Anwälten in fast charmant erscheinender Weise scherzend.” Es seien dann Beweisanträge durch die Nebenklage gestellt worden, was Zschäpe laut Saß interessiert zu verfolgen schien. Bei einer Vernehmung von Polizeibeamten sei der Eindruck entstanden, dass Zschäpe diese kaum noch beachtete, sie habe sich mit ihrem Laptop beschäftigt und nur selten aufgeschaut. Später seien Bilder der Leiche eines Tatopfers projiziert worden. Am Beginn dieser Passage habe Zschäpe etwas angespannt, dysphorisch gewirkt. Die Bilder habe sie sich nicht angeschaut: “Sie schien sich abzulenken mit dem Bildschirm ihres Laptops.”

Bei der späteren Betrachtung von Vorläuferversionen des Paulchen-Panther-Videos sei sie zunächst gleichmütig, dann ernst und betroffen, dann etwas resigniert, bedrückt, unsicher, in Gedanken versunken erschienen. Saß: “In einer weiteren Situation am Nachmittag habe ich mir notiert: ‘Als in einer späteren Passage eine Nachbarin des Getöteten von einem Nebenkläger gefragt wurde, ob die von ihr damals beobachtete Frau Ähnlichkeit mit der Angeklagten habe, kam es im Saal zu allgemeiner Bewegung und leichter Heiterkeit. Frau Zschäpe hob in dieser Passage munter wirkend den Kopf, lachte, blickte umher, erschien aufgeräumt und keineswegs betroffen oder erschrocken. Im weiteren Verlauf des Tages schaute sie dann oft etwas angestrengt und verbissen, wirkte missgestimmt auf mich, ging dann aber auch rasch wieder in einen vertraut und freundlich wirkenden Umgang mit den Verteidigern über.’ Das wäre ein Beispiel, wie ich diese breite Variabilität von Verhaltensweisen registriert habe.”

Ähnlich sei es am 26.06.2013 [16. Verhandlungstag] gewesen, so Saß. Es sei ein Hausverwalter aus der Frühlingsstraße als Zeuge gehört worden. Saß: “Mir erschien die Angeklagte aufmerksam, innerlich beteiligt, zuweilen etwas versonnen, dann wieder im Austausch mit dem Verteidiger. Auch die Schilderungen aus der Wohnung schien sie mit Interesse, gelegentlich mit einem zustimmenden Lächeln anzuhören. Als über den Keller gesprochen wurde, machte sie Kommentare zu den Verteidigern, wobei sie durchaus heiter wirkte, erschien dann aber beherrscht.” Später sei es zu einer Episode mit Unruhe im Saal durch den Kurzschluss eines Ladegeräts gekommen, dabei habe Zschäpe lebhaft reagiert, mit einem Mitangeklagten gesprochen, sich mit einem Polizisten und einer Polizistin ausgetauscht [phon.]. Er habe davon den Eindruck gewonnen, so Saß, dass sie lebhaft erschien, kontaktfreudig, agil, guter Dinge, geradezu scherzend. Ein Zeuge habe in Bezug auf Zschäpe den Ausdruck “hübsche Frau“ benutzt. Darauf habe Zschäpe sichtlich erheitert reagiert. Saß: “Das zeigt, worauf ich diese Beobachtungen der Reagibilität [phon.] stütze. Dann habe ich mir notiert, dass sie im Umgang mit den beiden männlichen Verteidigern vertraut erschien, selbstbewusst und freundlich. Als im weiteren Verlauf ein Zeuge mit den Namen der beiden Uwes nicht zurecht kam, zeigte sie lebhafte Heiterkeit. Danach gab es aber eine Wendung, als durch einen Verteidiger mitgeteilt wurde, dass sie nicht mehr in der Lage sei, der Verhandlung konzentriert zu folgen. Also das als Beispiele, um zu zeigen, worauf die summarische Zusammenfassung dieser Beobachtungen vom 17. und 18.01.2017 [phon.] beruht. Ähnliche Beispiele ließen sich für andere Tage finden. Ich habe das bisher unterlassen, alles einzeln aufzuführen, weil sich daraus keine neuen Erkenntnisse ergeben für die an mich gestellten Fragen oder die Prüfung von Hypothesen.”

RA Heer beschwert sich zunächst ohne Mikrofonverstärkung. Dann: “Mich stören die Reaktionen der Bundesanwaltschaft. Wir verteidigen hier! Wir machen unseren Job, machen Sie Ihren!” OStA Weingarten: “Herr Vorsitzender, Sie kommen den Verteidigern bis an die Grenze des Erträglichen entgegen. Der Sachverständige muss sein Gutachten fast wie ein Grundschuldiktat abgeben.” Weingarten spricht von ständigen Störungen; der Gesetzgeber habe, so Weingarten, ein mündliches Verfahren verankert; der Gesetzgeber wisse, dass ein Mitschrieb nur schwerlich möglich ist. Gleichwohl obliege es den Verfahrensbeteiligten, damit umzugehen. Weingarten: “Wir sind nicht in der Grundschule!” Der SV müsse sein Gutachten ungestört entwickeln und vortragen können, so Weingarten. Heer: “Sie haben offensichtlich den Senatsbeschluss und unsere Anträge vergessen. Sehen Sie ihn sich an!” Götzl: “Es geht halt drum, dass, wenn Sie Schwierigkeiten haben, dass Sie nachfragen.” Stahl: “Es ist so, dass es offenkundig Sie stört, wenn wir genau das machen, was Grundlage der Entscheidung des Senats war, dass wir auf Langsamkeit dringen und bitten Dinge zu wiederholen. Da sagen Sie, es sei ‘unerträglich’. Wir haben Anträge gestellt und der Senat hat das abgelehnt, das ist auch in Ordnung so. Und da regen Sie sich weiter auf und das ist unangemessen.”

Saß: “Also wenn ich recht erinnere, habe ich gesagt, man könne für viele Tage jetzt Beobachtungen referieren. Ich habe gesagt, im Gutachten ging es drum, das zusammenzufassen. Kriterium waren für mich die Gutachtensfragen bzw. die Beobachtungen, die bedeutend waren für die Überprüfung von Hypothesen.”

Saß fährt dann fort mit der Wiedergabe von Beobachtungen. Stärkere Zeichen von Bedrücktheit, Leiden oder Betroffenheit durch das Verfahren und die darin behandelten Themen seien nicht zu verzeichnen gewesen, so Saß: “Zeugenaussagen wurden teils mit Interesse, teils auch mit Nachdenklichkeit verfolgt, häufiger aber kam es nach 20 [phon.] Minuten zu einem relativ raschen Schwinden des initialen Interesses und zu einem Rückzug auf die Beschäftigung mit dem Laptop. Zu einer nachhaltigen Trübung der psychischen Verfassung kam es auch bei emotional bewegenden Zeugenaussagen nicht, jedenfalls nicht in einer Weise, die von außen zu erkennen war. Als etwa am 11.07.2013 [22. Verhandlungstag] Zeugen im Falle eines Mordopfers gehört wurden, erschien sie zwar zeitweise ernst, dann aber um Distanz bemüht, ihr Blick auf den Bildschirm gerichtet. Die Ehefrau des Getöteten wurde von Frau Zschäpe mit einer gewissen Nachdenklichkeit betrachtet, allerdings wurde die insgesamt offensichtlich gute Stimmung an diesem Tag meines Eindrucks nach davon nicht getrübt. Beim Eintritt einer Zwischenpause gab es eine angeregte Unterhaltung mit ihren Anwälten. [phon.] Am 17.07.2013 …”

RAin Sturm unterbricht: “Entschuldigung, ich bitte, den Sachverständigen zu leiten, Beobachtungen aus Pausen außen vor zu lassen.” Saß: “Ist in Ordnung. Ich habe aber nicht vorgetragen, was in der Pause zu beobachten war. Am 17.07.2013 [24. Verhandlungstag] war zu beobachten, dass Frau Zschäpe eine Bilderschau aus der letzten Wohnung in der Frühlingsstraße in Zwickau mit Interesse betrachtete, ohne dass eine Belastung oder Niedergedrücktheit zu beobachten war. Auch am 30.07.2013 [29. Verhandlungstag] bei einem weiteren Zeugenbericht über die Frühlingsstraße schienen angenehme Erinnerungen aufzutauchen, etwa als von der älteren Mitbewohnerin und ‘Oma’ gesprochen wurde, die immer aus dem Fenster rausgucke. Ebenfalls emotional-affektiv locker und schwingungsfähig zeigte sie sich, als ein Nebenklägervertreter über ihr Prozessverhalten äußerte, sie befinde sich auf dem Holzweg; das wurde von ihr mit einem etwas ironisch-amüsiert wirkenden Lächeln quittiert.”

Es seien wiederholt, so Saß, auch bei emotional gewichtigen Themen äußerlich keine Reaktionen der Angeklagten, etwa Betroffenheit oder Bedrücktheit, erkennbar gewesen. Das habe sich auch am 31.07.2013 [30. Verhandlungstag] gezeigt, als es um das rechtsmedizinische Gutachten zur Obduktion eines Tatopfers sowie weitere Zeugenaussagen in diesem Fall ging: “Die Aussagen wurden augenscheinlich mit kühl-sachlichem Interesse und ohne von außen zu beobachtende Bewegtheit verfolgt. Zuweilen erfolgte der Rückzug in die Beschäftigung mit dem Laptop. In der Folge gab es dann eine lebhafte Konversation mit den Verteidigern. Am 01.08.2013 [31. Verhandlungstag] ging es um ein weiteres Tatopfer und nach meinem Eindruck hat Frau Zschäpe die Verhandlung teils aufmerksam, teils versonnen verfolgt. Es gab einen eher scherzend wirkenden Austausch mit den Verteidigern Es gab eine energische Befragung eines Zeugen durch die Nebenklage, was mit Interesse verfolgt wurde. Dagegen erschien Frau Zschäpe am 06.08.2013 [32. Verhandlungstag], als es um ein weiteres Tatopfer aus Nürnberg ging, eher abwesend und desinteressiert, dabei emotional unberührt wirkend. Später wirkte sie von der Mimik her eher abweisend, dysphorisch, schaute so vor sich hin, damit meine ich, in den Saal. Im September waren die Eindrücke im Wesentlichen unverändert. Frau Zschäpe erschien insgesamt recht flott und agil, dabei routiniert-sicher, was die prozessualen Abläufe anging.

Am 05.09.2013 [33. Verhandlungstag] wurde ein Überwachungsvideo aus der Keupstraße mit jungen Männern gezeigt, die Fahrräder durch die Straße schieben. Dabei war der Eindruck, dass sie interessiert, ernst und konzentriert wirkend das anschaute. Am Ende habe ich ein etwas spöttisch-distanzierend wirkendes Lächeln registriert.” Im weiteren Verlauf der Verhandlungstage habe der Eindruck von Sicherheit, recht guter Gestimmtheit und eines sachlichen, zuweilen lebhaften und gelegentlich scherzenden Austausches mit den Verteidigern überwogen. An Verhandlungstagen, wo es um Tatopfer bzw. Aussagen von Angehörigen ging, sei Zschäpe teilweise ernst erschienen, aber in der Regel sei sie nach wenigen Minuten wieder angeregt oder auch heiter erschienen. Als sich am 02.10.2013 [42. Verhandlungstag] die Mutter eines Getöteten mit großer Bewegung ‘von Frau zu Frau’ an Frau Zschäpe wendete und appellierte, sie möge sprechen, schaute Frau Zschäpe ernst und aufmerksam zuhörend zu dieser Zeugin, wirkte aber auch etwas unangenehm berührt und abwehrend. Später wandte sie sich wieder dem Laptop zu.

Im Dezember 2013 ging es um Zeugenvernehmungen von Urlaubsbekanntschaften. Dabei schienen gelegentlich angenehme Erinnerungen aufzutauchen: schmunzelnde Reaktionen [phon.], gelegentlich gab es scherzenden Austausch mit den Verteidigern. Beim kurzen Auftritt der Mutter von Frau Zschäpe am 27.11.2013 [61. Verhandlungstag] entstand der Eindruck, dass Frau Zschäpe innerlich hoch angespannt war, während ich keine weiteren von außen wahrnehmbaren Reaktionen registrieren konnte. Als das Gutachten über den Brand in der Frühlingsstraße und auch über die getötete Polizistin vorgetragen wurde, hatte ich den Eindruck, dass sie sich das interessiert anhörte, wobei sie sachlich distanziert, für mich aber nicht betroffen wirkte. Der Bericht eines Zeugen über die Bergung der Leichen von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos aus dem Wohnwagen nach den Ereignissen am 04.11.2011 wurde ohne für mich erkennbare Regung verfolgt. Kurz danach konnte Frau Zschäpe in eine allgemeine, lebhafte Heiterkeit einstimmen, die sich im Saal ausbreitete.

Die Vernehmung des Vaters des verstorbenen Uwe Böhnhardt am 23.01.2014 [78. Verhandlungstag] verfolgte die Angeklagte äußerlich ruhig wirkend, dabei mit einer sachlich-gelassenen Attitüde am Laptop arbeitend. Zeitweise schaute sie aufmerksam hoch, wobei ich den Eindruck hatte, dass sich ein etwas ablehnender Zug um den Mund einstellte. Bei einer anrührenden Passage an diesem Tag, als der Zeuge über den Tod des Sohnes Peter im Jahr 1988 berichtete, schien eine leichte emotionale Bewegung aufzukommen, verbunden mit einer etwas düster-missgestimmten Mimik. Es gab dann in der Folgezeit die Vernehmungen von Bekannten aus der Vorzeit des Untertauchens: Mandy Struck, Ha., Rei., Juliane Walther, wobei ich den Eindruck hatte, dass die Angeklagte zuweilen aufmerksam und ernst folgte, zuweilen kritisch oder abweisend wirkte, insbesondere, wenn negative Äußerungen über sie gemacht wurden, wobei es auch zu etwas abfällig wirkenden Kommentaren zu ihren Verteidigern kam. Am 26. und 27.02.2014 [89. und 90. Verhandlungstag] wurde die Aussage Mandy Strucks ernst und interessiert verfolgt [phon.]. Die Zeugin war dann informiert worden, dass auch die Möglichkeit einer Verweigerung besteht und als sie sagte, dass sie aussagen wolle, hatte ich den Eindruck, dass in der Mimik ärgerliche Gesichtszüge auftauchten. Die nachfolgenden Schilderungen von 1998 wurden, so schien es, nachdenklich und sinnend verfolgt. Der Eindruck eines Ärgers über das Aussageverhalten der Zeugin hat sich auch bei der Vernehmung am Folgetag fortgesetzt.

Im Frühjahr 2014 traten dann, was auch hier in der Hauptverhandlung zu registrieren war, Befindlichkeitsstörungen auf. So wurde auch am 02.04. [101. Verhandlungstag], als Herr Starke befragt wurde, über Kopfschmerzen geklagt, die schon am Vortag begonnen hätten. Ich habe hier erwähnt, dass er auch schon am Vortag befragt wurde. Er ist aber wohl nur erwähnt worden. Damit da keine falsche Aussage drinsteht. Also Befindlichkeitsstörungen im Frühjahr 2014. Aber am 03.04., bei der Zeugenaussage der Mutter Mundlos, wirkte Frau Zschäpe aufmerksam und gefasst. Sie schien die Rekapitulierung dieser biographisch bedeutsamen Epoche recht gleichmütig aufzunehmen. Ohne erkennbare Betroffenheit unterhielt sie sich mit ihrem Anwalt. Auch bei der Schilderung des Anrufes mit der Todesnachricht verhielt sich Frau Zschäpe beherrscht, sie wirkte jedoch auch angespannt auf mich. Am Jahrestag des Prozessbeginns erschien Frau Zschäpe auf mich äußerlich gefasst, doch wurde nach 10 Minuten von ihrer Verteidigung die Unterbrechung der Hauptverhandlung aus gesundheitlichen Gründen gewünscht. Die Rede war von Übelkeit, so dass sie nicht in der Lage sei, der Hauptverhandlung zu folgen. An Beobachtungen habe ich dann am 08.05.2014 [111. Verhandlungstag] notiert, dass von einem der Verteidiger angegeben wurde, es bestünden bei ihr Übelkeit, Magenschmerzen und Kopfschmerzen, so dass sie sich nicht in der Lage sehe, der Hauptverhandlung zu folgen [phon.].

Meine Beobachtungen gehen dann weiter am 19.05.2014 [112. Verhandlungstag], da wirkte die Angeklagte auf mich besser aussehend und erschien lebhafter, mit mehr Energie. Es gab eine zähe Zeugenvernehmung, wobei sie sich intensiv dem Laptop zuwandte und auf mich kühl und unbeteiligt wirkte. Später machte der Zeuge Angaben über Uwe Böhnhardt, da wirkte sie müde und verstimmt. Etwas wacher und interessierter zeigte sie sich, als der Zeuge von einem Verteidiger des Herrn Wohlleben intensiv befragt wurde. Dabei zeigte sich ein etwas abschätzig wirkendes Lächeln. Am 21.05.2014 [114. Verhandlungstag] wurde das Gutachten über die Obduktion von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos vorgetragen, dabei erschien sie blass und ernst. Sie hörte zunächst aufmerksam zu, wandte sich aber nach etwa 15 Minuten dem Laptop zu. In den Stunden danach erschien sie recht unbefangen, so dass äußerlich keine nachhaltigen Erschütterungen durch das rechtsmedizinische Gutachten zu erkennen waren. In den Folgetagen erschien Frau Zschäpe zumeist bei Beginn der Verhandlung stimmungsmäßig ausgeglichen, dabei aufmerksam und interessiert, aber wiederholt wandte sie sich nach etwa einer halben Stunde wieder dem Laptop zu und machte den Eindruck, als ziehe sie sich aus der Verhandlung zurück. Der Kontakt zu den Verteidigern erschien sachlich-interessiert, zuweilen auch mit lebhaften oder amüsierten Passagen. Anhaltspunkte für eine depressive Verstimmung waren aus dem Ausdrucksverhalten in dieser Zeit nicht zu gewinnen.

Bei den Vernehmungen von Tino Brandt am 15. und 16.07.2014 [127. und 128. Verhandlungstag] erschien sie interessiert und aufmerksam. [phon.] Am 16.07.2014 wurde der Zeuge durch die Pflichtverteidiger befragt, wobei Frau Zschäpe auf mich gelegentlich etwas ungehalten wirkte. Nach der Mittagspause wurde der Neubeginn zweimal verschoben, sodann gab der Vorsitzende bekannt, in der Mittagspause habe ein Justizbeamter mitgeteilt, Frau Zschäpe habe ihn gebeten zu sagen, dass sie kein Vertrauen mehr in die Verteidigung habe. Auf Nachfrage nickte Frau Zschäpe zustimmend. Dabei wirkte sie ernst, gefasst, aber offenbar auch bewegt, leicht erschüttert, so dass man den Eindruck haben konnte, sie sei dem Weinen nahe. Am Ende verabschiedete sie sich …, nein, da war die Verhandlung schon geschlossen, so dass ich das jetzt nicht ausführe. Bei Fortsetzung der Hauptverhandlung am 22.07.2014 erschien sie mir blass, angespannt und dysphorisch verstimmt, den Blick recht starr geradeaus gerichtet. Dann wurde ein Zeugin vernommen zu den Fehmarn-Urlauben. Die Zeugin weinte und ich habe mir notiert, es gab gelegentliche Versuche der Zeugin, einen Blickkontakt mit Frau Zschäpe aufzunehmen und dieser zuzulächeln, wobei es eine verhaltene lächelnde Rückreaktion gab. Zu den Anwälten wurde nur ein knapper Kontakt aufgenommen, der sich weitgehend auf Herrn Stahl konzentrierte. [phon.] Wobei jedoch insgesamt der Eindruck eines deutlich distanzierten, förmlichen, kühlen Verhältnisses bestand, ganz ohne die früher häufig zu beobachtende Lebhaftigkeit in der Zuwendung und zuweilen auch Herzlichkeit.

Dann habe ich mir notiert, dass es in den folgenden Verhandlungstagen wieder eine leichte Annäherung an frühere Umgangsformen gab, doch blieb das Verhalten von Frau Zschäpe deutlich distanzierter als früher. Aber es gab verbalen Austausch mit den drei Verteidigern. Ihre emotionale Schwingungsfähigkeit erschien mir auch besser. Wenn im Saal Heiterkeit auftrat, hat sie sich dieser mit eigenen Regungen angeschlossen, also als ein Zeuge einen abwertenden Begriff für einen Polizisten benutzte. Bei der Verabschiedung der Verhandlungsteilnehmer in die Sommerpause gab es ein für mich verbindlich-freundlich wirkendes Lächeln in Richtung des Senats. Bei Fortsetzung der Termine im September 2014 erschien der Kontakt zwischen der Angeklagten und ihren Verteidigern wieder lebhafter, ungezwungener und freundlicher. [phon.] Bei gelegentlichen amüsanten Vorkommnissen wie etwa einem überraschenden Piepton im Laptop eines Vertreters des GBA konnte sie in unbeschwerte Heiterkeit einstimmen. Das wird vorgetragen, da es ja auch um Verstimmung, Depressivität und so was geht. In der Folgezeit verhielt sie sich im Kontakt zu den Verteidigern sachlich, aber doch im Vergleich zur Anfangsphase des Prozesses deutlich kühler, auch wirkte sie zuweilen dysphorisch, etwas müde und weniger konzentriert, dies mehr am Nachmittag als am Vormittag.

Im Oktober kehrte zuweilen der ironisch-scherzende Kommunikationsstil im Umgang mit den zwei männlichen Verteidigern zurück, während mir das Verhältnis zur Verteidigerin förmlicher und distanzierter erschien. Im Dezember 2014 erschien der Umgang mit der Verteidigergruppe wieder überwiegend freundlich und sachlich. Befragungen von Zeugen folgte sie aufmerksam und zeigte nonverbal ein Minenspiel mit diskretem, aber nuanciertem Reagieren. Im Januar 2015 habe ich, wie schon früher, registriert, dass zunächst eine sachlich-interessiert wirkende Zuwendung bestand, aber das hat oft abgeflaut nach 10, 15, 30 Minuten und es erfolgte dann eine Beschäftigung mit dem Laptop. Manchmal wurden die Ausführungen aber auch sehr aufmerksam verfolgt, z. B. die technischen Details der Bombe am Tatort Keupstraße. In den folgenden Tagen blieb es bei einem souveränen, aufgeräumt wirkenden Verhalten einerseits und einem Wechsel zu Tagen mit blasser, missliebiger [phon.] Mimik andererseits. Am 04.03.2015 [189. Verhandlungstag] war die Vernehmung Kapke, da hatte ich den Eindruck, dass sie aufmerksam und zeitweise mit einem skeptischen Lächeln folgte, als sollte das eine Distanzierung andeuten. Jedenfalls Skepsis. [phon.]

Deutlich unwillig und zeitweise ärgerlich waren die Reaktionen auf einige Passagen in der Vernehmung des Zeugen Rei. am 12.03.2015 [192. Verhandlungstag], z. B. als dieser negative Charakterisierungen über ihr Verhalten in früherer Zeit abgab, sie als vulgär bezeichnete und vom Klauen sprach. Sie erschien im Ausdrucksverhalten wach, kritisch, ironisch, manchmal auch aufgebracht, zeigte gelegentlich ihre Ablehnung durch Kopfschütteln. [phon.] Es gab dann im Frühjahr 2015 mehrere Monate, wo das Verfahren nur an zwei statt drei Tagen in der Woche stattfand. Wesentliche Veränderungen habe ich in den dann folgenden Monaten nicht beobachtet. Gelegentlich kam es zu lebendigen, schwingenden, wohlgelaunten Reaktionen. Der Kontakt zur Gruppe der Verteidiger wirkte wieder etwas unbeschwerter, war allerdings eher geschäftsmäßig als freundlich-zugewandt wie in der Anfangszeit, wobei es offenbar Unterschiede in der Behandlung der drei Personen gab. Immer mal wieder entstand auch der Eindruck von Verstimmungen, bis dann Ende Mai 2015 die Umgangsformen deutlich kühler wurden. Es gab dann die Änderungen in der Sitzordnung.

Am 10.06.2015 [209. Verhandlungstag] erschien Frau Zschäpe dann blass und angespannt und es kam als Folge eines Entbindungsantrags der Angeklagten im Hinblick auf Rechtsanwältin Sturm zu mehreren Unterbrechungen. Dabei verhielt sich Frau Zschäpe gegenüber der Verteidigerin im nonverbalen Ausdruck kühl und nahezu feindselig. Sie wirkte keineswegs eingeschüchtert, bedrückt und leidend, sondern sicher und entschlossen in dieser Situation. Allerdings war am 17.06.2015 [211. Verhandlungstag] auch zu registrieren, dass das Ganze belastend ist. Sie wirkte auf mich blass, angespannt und belastet. Im weiteren Verlauf der Tage hat Frau Zschäpe während Zeugenvernehmungen dann ein eisig-ablehnend wirkendes Verhalten gezeigt mit deutlicher Abkehr von den Verteidigern.” Das habe auf ihn den Eindruck einer massiven Verstimmung zwischen den Personen gemacht, Zschäpe habe eine gewisse Mitgenommenheit durch den Konflikt gezeigt, auf ihn erschöpft und angestrengt gewirkt. Am 23.06.2015 [212. Verhandlungstag] habe diese atmosphärische Verstimmung weiterhin bestanden. Saß weiter: “Es wurden dann auch verschiedene Schriftsätze thematisiert, in denen es um Vertrauensverlust und Schweigen ging und Ausüben von Druck und andere Vorwürfe, die Frau Zschäpe äußerte. Dabei ließen diese Ausführungen Frau Zschäpe als stark, durchsetzungsfähig, -willig und kämpferisch, auch manipulativ erscheinen. Wobei ich das Stark-Kämpferische auch im Ausdruck glaubte …”

An dieser Stelle unterbricht RA Stahl. Erneut geht es darum, dass Saß differenzieren solle. Saß: “Ich habe mich auf das bezogen, was ich in der Verhandlung gehört und wahrgenommen habe.” RA Heer: “Das hat aber nichts mit Beobachtungen zu tun. Und das war die Frage des Vorsitzenden.” Götzl: “Vom Zusammenhang ist das etwas, was an dieser Stelle dazu gehört.” Saß: “Ich sehe das anders als Sie, Herr Verteidiger, ich habe mich vorhin bezogen auf das, was Zeugen gesagt haben und wie dann die Ausdrucksweisen [phon.] waren. Ich habe auch eben meine Ausführungen damit beendet, dass das in ihrem Ausdrucksverhalten zum Ausdruck kam. Aber ich kann das auch weglassen, es ist nicht entscheidend in meinem Gutachten.” Stahl sagt, Saß habe davon gesprochen, dass die Ausführungen von Zschäpe sie erscheinen ließen: “Frau Zschäpe hat aber keine Ausführungen gemacht, außer in den Briefen. Sie zitieren aus den Briefen, das ist nicht korrekt.” Götzl zu Saß: “Ich würde Sie bitten, das was Sie als Interaktion oder Verhalten beobachtet haben, dass Sie das schildern. Aber natürlich soll die Situation erkennbar sein.”

Saß weiter: “Ich habe dann noch wahrgenommen, dass es eine unterschiedliche Behandlung der einzelnen Mitglieder der Verteidigergruppe gab und eine Art ostentativen Kontaktabbruch während der Hauptverhandlung. Ansonsten wirkte sie auf mich kühl, sie erschien blass, zeigte einen etwas mürrisch-feindseligen, aber auch entschlossenen Gesichtsausdruck. Überwiegend versenkte sie sich in ihren Laptop. [phon.] Am 24.06.2015 blieb es bei einem weitgehenden Ignorieren der Verteidigergruppe, ansonsten erschien Frau Zschäpe im Allgemeinzustand etwas wohler. Auch im Fortgang blieb es allerdings bei einer eisig wirkenden Ablehnung eines Kontaktes. Ich habe mir noch notiert: Ganz im Unterschied zu früher wurden bereitgestellte Süßigkeiten übersehen. Dies dauerte auch am 30.06. noch fort. Auf Kontaktversuche reagierte sie nicht oder abweisend. Auch am 01.07.2015 gab es lediglich einmal einen kurzen, betont kühl und sachlich ohne Blickkontakt gehaltenen Austausch mit einem Verteidiger. Ansonsten schaute Frau Zschäpe in die Ferne, ins Leere. [phon.] Später an diesem Tag gab es auch ein stimmungsmäßiges Mitschwingen bei angedeutet heiteren Situationen im Saal und auch bei einer Kontroverse eines Nebenklägervertreters mit dem Vorsitzenden.

Am 20.07.2015 [219. Verhandlungstag] gab es einen Antrag der drei Pflichtverteidiger auf Entbindung und Frau Zschäpe zeigte ein leichtes Lächeln, das ironisch wirken könnte. Auch hatte ich den Eindruck, dass sie einen zufriedenen und in sich ruhenden Eindruck machte und nicht betroffen oder beunruhigt wirkte. Ohne mimische Reaktionen wurde die Mitteilung entgegengenommen, dass erwogen wird einen vierten Pflichtverteidiger zu bestellen.” Im Zuge weiterer Anträge in der Entpflichtungsfrage habe es dann am 21.07.2015 erneut Auseinandersetzungen um die Sitzordnung gegeben, wobei Zschäpe sich mit ihren Vorstellungen durchgesetzt und anschließend eine gewisse Genugtuung erkennen lassen habe. Saß: “Jedenfalls war das mein Eindruck, den ich da gewonnen habe. Ein anderer Rechtsanwalt wurde von ihr betont freundlich verabschiedet, so dass ich den Eindruck hatte, dass sie auch in dieser Situation auf freundlichen Kontakt ausgerichtet ist und dabei gesellige und freundliche Züge zeigen kann. Demgegenüber blieb es bei der demonstrativen Kontaktverweigerung mit den ursprünglichen Verteidigern. Am 28.07.2015 entstand bei der gut gelaunt wirkenden Angeklagten der Eindruck, dass sie die Auseinandersetzungen durchaus belebt und bestärkt hätten. In der Folgezeit blieb es bei der zumeist strikten Nichtbeachtung der ursprünglichen Pflichtverteidiger, während zu dem weiteren Verteidiger ein ausgesprochen freundlicher, lebhafter Gesprächskontakt gehalten wurde, der manchmal geradezu animiert und mit Sympathiegefühlen verbunden erschien. Nach der Sommerpause 2015 wirkte Frau Zschäpe insgesamt erholt, im Verhalten wurde keine Notiz genommen von den Verteidigern der Anfangszeit, während das Verhalten gegenüber Rechtsanwalt Grasel weiterhin lebhaft und vertraut erschien [phon.]. Es wurde dann im weiteren Verlauf der Tage über weite Strecken ein unbestimmter und nichtssagender Gesichtsausdruck eingehalten, bei aufgelockerten Situationen im Saal konnte sie aber mit guter Schwingungsfähigkeit reagieren. Insgesamt: Stabile Situation und gute Laune, Überwindung der Verstimmung des Frühjahrs 2015.

Zu diesem Eindruck trug auch bei, dass Frau Zschäpe recht differenziert, feinfühlig und nuanciert auf Zeugen und ihre Aussagen reagieren konnte, etwa beim Bericht über das Hinterherhinken eines Zeugen mit seinen Beiträgen für die KS Jena, wo sie ein verständnisvoll erscheinendes Lächeln zeigte. Ganz anders am gleichen Tag: Eine brüske Abwendung bei einer Kontaktaufnahme eines bisherigen Verteidigers. Ansonsten wurde überwiegend ein freundlich-interessiertes, recht entspanntes Verhalten gezeigt. Gelegentlich entstand auch der Eindruck, dass eine lebhafte Reaktion in der Mimik vorhanden war [phon.]. Wenn es zu Anträgen und Verlesungen im Rahmen der Konflikte mit den ursprünglichen Verteidigern kam, so hatte ich den Eindruck, dass sich in Mimik und Gestik eine gewisse Solidarisierung mit dem neugewählten Verteidiger ausdrückte. Aufmerksam wurden teilweise langanhaltende Debatten der Juristen um prozessuale Fragen verfolgt. Es gab dann am 14.10. [237. Verhandlungstag] in Zusammenhang mit einer Äußerung eines der drei ursprünglichen Verteidiger eine nur mühsam unterdrückte empörte Reaktion. Ansonsten war in dieser Zeit, im auslaufenden 2015 das Verhalten ruhig, sachlich, geschäftsmäßig, nach außen unberührt. Das auch bei potenziell heiklen Themen, etwa der Leichenbergung am 04.11.2011. Zeitweise tauchte Frau Zschäpe wieder überwiegend ab in Aktivitäten am Laptop, so auch als ein Video vorgeführt wurde.

Manchmal gab es ein heftiges Argumentieren mit dem Anwalt, so am 22.10.2015 [240. Verhandlungstag], als es thematisch um Kartenmaterial ging. Sie schien insistierend, unzufrieden und um Durchsetzung bemüht, mit hartnäckigem Nachlegen. Später kam es im Saal zu Heiterkeit, da konnte sie aber auch gelöst mitlachen und umherschauen. Es kam dann zu einer Zunahme der Dynamik, als die Aussage von Frau Zschäpe angekündigt wurde. Am 10.11.2015 [243. Verhandlungstag] ging es noch einmal um die Frage der Aufhebung der Bestellung der ursprünglichen Verteidiger und im Ausdrucksverhalten zeigte sie wieder diese feindselig wirkende Ablehnung und ein abfällig anmutendes Lächeln. Auf ein Ansprechen durch einen ursprünglichen Verteidiger wurde mehrfach mit Abwendung reagiert. Wobei sie gegenüber dem neuen Verteidiger insgesamt lebhaft, freundlich und animiert wirkte. Ansonsten wirkte Frau Zschäpe locker, sicher, selbstbewusst, keineswegs befangen, niedergedrückt oder belastet. Zwischendurch gab es auch kurzen scherzhaften Austausch mit dem Anwalt oder sichtlich Freude an Formulierungen, etwa wenn der Vertreter der Bundesanwaltschaft von ‘Dritteinschätzung einer Dritteinschätzung’ sprach und sie in die allgemeine Heiterkeit einstimmen konnte. Als es dann zu einem Wortwechsel zwischen einem ursprünglichen Verteidiger und dem Vorsitzenden kam, war der Gesichtsausdruck wieder ablehnend.

Am 09.12.2015 [249. Verhandlungstag, erste Einlassung Zschäpes] hatte ich den Eindruck, dass eine gewisse Hochstimmung bei Frau Zschäpe vorhanden war, die sich mit der Steigerung der allgemeinen Aufmerksamkeit eingestellt zu haben schien. Das hat dann wieder nachgelassen, aber es blieb bei der positiven Zuwendung zu den beiden dann hinzugetretenen Verteidigern. Im Jahr 2016 haben sich die freundlichen und offensichtlich von Sympathien getragenen Haltungen gegenüber den beiden neuen Verteidigern fortgesetzt. Den Zeugenaussagen folgte sie überwiegend sachlich und wirkte dabei freundlich und aufgeräumt. Sie konnte aber auch sich amüsieren. [phon.] Bei anderen Gelegenheiten, wenn etwa Tatzeugen von den Sparkassen-Überfällen gehört wurden, die emotional sehr bewegt waren, da schaute Frau Zschäpe zumeist in eine andere Richtung oder zog sich zum Laptop zurück und wirkte manchmal etwas müde und abwesend. Eigentümlich erschien ihr Verhalten etwa am 03.03.2016 [267. Verhandlungstag] bei einer Zeugin, die offensichtlich noch immer erheblich unter den Ereignissen litt und emotional bewegend über Kinder und die Angst sprach, dass man sie nicht mehr sehe. Das Verhalten von Frau Zschäpe wirkte dabei unberührt und kurz drauf hat sie sich mit einem Scherz dem neben ihr sitzenden Verteidiger zugewandt. Am 09.03.2016 ging es um die Sicherstellung von Waffen im Wohnmobil. Ich hatte den Eindruck, dass sie sachlich-interessiert war, ohne eine Regung zu zeigen im Sinne von Bedrückung [phon.]. Auch als das NSU-Archiv Thema war, zeigte sie kurzzeitig Interesse, um sich sodann über das Laptop zu beugen, wobei ich den Eindruck hatte, dass die Haare da wie ein Vorhang wirkten.

Dann am 16.03.2016 [271. Verhandlungstag], dem Termin der Verlesung von Antworten auf Fragen, da wirkte Frau Zschäpe in Bezug auf Rechtsanwalt Grasel [phon.] ruhig, sicher, gelöst und entspannt. Ähnlich gegenüber dem zweiten hinzugetretenen Anwalt, wenn auch etwas förmlicher. Als dieser die Antworten vortrug, las sie interessiert und konzentriert den Text mit. Als es am 21.04.2016 [278. Verhandlungstag] um das Thema einer Wette und um den Antrag auf Urlaubsfotos von 2004 ging, folgte Frau Zschäpe dem Geschehen kühl, sachlich, aufmerksam und professionell wirkend. Wenn es dabei amüsante Situationen gab, erschien sie durchaus schwingungsfähig und reagibel.” Bei der Verlesung von Erkenntnismitteilungen zu Brandt habe es einen Blickwechsel mit Wohlleben gegeben, so Saß. An den folgenden Tagen habe der Eindruck eines entspannten, ruhigen, selbstsicheren Verhaltens überwogen. Es habe aber teilweise eine Erlahmung von Aufmerksamkeit und eine Hinwendung auf das Laptop gegeben. Es sei in der Folge bei einer ruhigen, sachlich-interessierten [phon.] Haltung geblieben. Bei Verlesungen sei die Aufmerksamkeit aber auch mal erloschen, gelegentlich habe es ein leichtes Dösen gegeben.

Manchmal, so Saß weiter, habe eine Vernehmung auch zu Ärger geführt, so am 10.05.2016 [281. Verhandlungstag] beim Antrag eines Nebenklägervertreters, den Zschäpe mit einer abschätzig wirkenden Mimik quittiert habe. Saß: “Ähnlich war es am 02.08.2016 [305. Verhandlungstag], als ein Zeuge vom Staatsschutz in Jena Angaben machte. Bei der Befragung durch Nebenklägervertreter erschien sie gelangweilt, lustlos und etwas übellaunig. Nach Beendigung der Sommerpause erschien Frau Zschäpe äußerlich recht wohlaussehend. Es wurde ein Schriftsatz verteilt mit ungeklärten Tötungsdelikten. Das schien sie mit Interesse, aber ohne eine nach außen erkennbare Bewegung zu studieren. Es gab im Saal Unruhe wegen der Ankündigung eines Probealarms im Gebäude. Sie stimmte in die allgemeine Belustigung ein und lächelte in Richtung des Senats. Später verhielt sie sich wieder recht distanziert und beschäftigte sich mit ihrem Laptop. [phon.] Auch am 13.09.2016 [308. Verhandlungstag] erschien sie in guter Verfassung, dabei sicher, routiniert und mit sachlich-freundlichem Kontakt zu Rechtsanwalt Grasel. Als dann der Antrag eines Nebenklägervertreters zu einem Außenbordmotor kam, erschien sie etwas missgestimmt, das Gesicht wurde hinter der Hand verdeckt. Als es um die Zulässigkeit von Fragen der Nebenklage an die Angeklagte ging, hielt sie ihren Blick recht starr auf den Laptop gerichtet.” Der Verlesung der vom Senat übernommenen Fragen zu früheren Erkrankungen, Alkoholkonsum und Lebensgewohnheiten sei sie äußerlich unbewegt gefolgt.

Saß: “Am 22.09.2016 trug der Rechtsmediziner ein Gutachten zur Frage der Alkoholisierung am 04.11. vor, da hörte sie mit Interesse zu, ohne dass ansonsten Gemütsregungen zum Ausdruck kamen [phon.]. Am 29.09.2016 [313. Verhandlungstag], die Erklärung des zuletzt hinzugetretenen Anwaltes mit Antworten auf Fragen des Vorsitzenden, verfolgte sie mit aufmerksamem Mitlesen, sie erschien dabei sachlich-interessiert, zeigte aber keine persönliche Regung. Es kam dann eine nicht angekündigte persönliche Stellungnahme, die Frau Zschäpe selbst vorlas. Sie verhielt sich dabei äußerlich beherrscht, doch entstand der Eindruck einer gewissen inneren Anspannung und Nervosität. Die Stimme wirkte etwas gepresst, der Text wurde auch ohne eine Akzentsetzung in Mimik, Gestik und Modulation der Stimme vorgelesen. Gemütsbewegungen und eine emotionale Beteiligung kamen nicht zum Ausdruck, so dass der Vortrag für mich recht glatt und unpersönlich wirkte. Hinterher schien eine gewisse Entspannung einzutreten, als sie ein Lächeln mit den Verteidigern links und rechts von ihr austauschte. Den weiteren Gang der Verhandlung verfolgte sie aufmerksam und interessiert. Gelegentlich wurde durch Gesichtsausdruck eine gewisse Kritik angedeutet, etwa als es um die mögliche Verlesung einiger ihrer Briefe ging. Damit enden die Aufzeichnungen damals. Ich kann summarisch sagen, dass auch die seitherigen Verhandlungstage in meinen Augen keine ganz anderen Eindrücke [phon.] ergeben haben, als ich sie in den dreieinhalb Jahren davor geschildert habe. Also keine Dinge, die für die Beantwortung der Gutachtensfragen [phon.] von Bedeutung sind. Was das Ausdrucksverhalten angeht, habe ich nichts mehr an Neuigkeiten zu registrieren gehabt, auch nichts, was für die Prüfung von Hypothesen von Bedeutung ist. [phon.]” Götzl legt die Mittagspause ein.

Um 13:34 Uhr geht es weiter. Götzl: “Mir geht es jetzt noch um einen Hinweis, Seite 43, erster Absatz: ‘Dem steht nicht entgegen, dass Frau Zschäpe durchaus auch als freundlich, sozial gewandt, fürsorglich und angenehm im Kontakt geschildert wurde, wie sich auch im Prozessverlauf manche Züge mit charmantem Umgang und einer gut angepassten Fassade beobachten ließen.’ Worauf beruht die Schilderung der gut angepassten Fassade?” Saß: “Im Wesentlichen, wenn man davon ausgeht, dass die Verteidigerproblematik über lange Zeit bestanden hat, so ist das doch lange nicht in Erscheinung getreten und hat sich hinter business as usual und gut angepasstem Verhalten verborgen gehalten.” Götzl: “Haben Sie jetzt alle relevanten Beobachtungen geschildert oder haben Sie noch mehr?” Saß: “Aus meiner Sicht ja, wenn man mehr macht, gäbe es Wiederholungen. Ich habe mich nach Kräften bemüht, das, was zur Beurteilung beitragen kann, zu referieren.” Götzl: “Die abgebildete Ente im Brief an Robin Schmiemann, hat die für Sie irgendeine Relevanz?” Saß: “Die Ente eigentlich nicht. Wenn dann wäre die Frage relevant, wieviel von dem Brief denn aus dem Internet käme. Nach bisherigem Verständnis waren das wenige Zeilen oder einige Ausdrücke, das wäre dann nicht relevant. Die Zeichnung habe ich nicht kommentiert, die ist für meine Beurteilung nicht entscheidend.” Götzl: “Wir würden Ihre Anhörung unterbrechen und Sie bitten, am 07. Februar wieder zu erscheinen. Dann bedanke ich mich.” Saß verlässt den Saal.

Götzl fragt dann, ob zum Beweisantrag der Verteidigung Wohlleben von gestern Stellung genommen werden soll. Bundesanwalt Diemer sagt, der Antrag auf Einvernahme eines SV für Demografie dürfe abgelehnt werden, weil keinerlei Sachzusammenhang zum Verfahren gegeben sei, und die unter Beweis gestellten Tatsachen, selbst wenn sie erwiesen wären, allenfalls mögliche Schlüsse zuließen. So die Wörter “Volkstod stoppen” auf einem bei Wohlleben gefundenen Feuerzeug aufgedruckt seien, sei das schon allein deshalb ohne Bedeutung, weil das Feuerzeug erst 2011 beschlagnahmt worden sei und daher keine Rückschlüsse auf die Einstellung des Angeklagten Wohlleben im Jahr 2000 möglich seien. Abgesehen davon liefere die beantragte Beweisaufnahme auch keine Anhaltspunkte dass beim Angeklagten eine extremistische Motivation vorgelegen hat, dass die Tötungsabsicht eine Rolle bei der Ceska-Lieferung gespielt hat. [phon.] Darauf komme es an, unabhängig von der Bewertung, ob die Wörter “Volkstod” oder “stoppen” legitim seien oder nicht.

Scharmer: “Die Stellungnahme der Bundesanwaltschaft führt dazu, dass ich trotz der zutreffenden Äußerungen des Kollegen Daimagüler von gestern noch etwas anfüge. Das Beweisziel lässt sich nämlich nicht erreichen. Das Beweisziel ist die Verharmlosung und Relativierung des Begriffs des ‘Volkstods’. Dafür wird die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Kontext gerissen. Genau so hat die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht argumentiert. Dazu gibt es jetzt das Urteil und es hat sich gerade mit dem Begriff des sogenannten ‘Volkstodes’ auseinandergesetzt.” Scharmer zitiert dann aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17.01.2017, Randnummer 693, die NPD könne sich zur Begründung der Behauptung, einen verfassungsgemäßen Volksbegriff zu vertreten, auch nicht auf Art. 116 GG und den dazu ergangenen “Teso”-Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts berufen. Zwar erweitere Art. 116 als Ausdruck der Pflicht, die Einheit des deutschen Volkes als Träger des Selbstbestimmungsrechts nach Möglichkeit zu bewahren die Eigenschaft als Deutscher auf die sogenannten “Statusdeutschen”. Dies führe aber nicht dazu, dass sich der Volksbegriff des Grundgesetzes vor allem oder auch nur überwiegend nach ethnischen Zuordnungen bestimmt. Vielmehr erhalte Art. 116 GG als Kriegsfolgenrecht erst dadurch Sinn, dass der Träger der deutschen Staatsgewalt im Ausgangspunkt durch die Gesamtheit der deutschen Staatsangehörigen zu definieren ist. Im “Teso”-Beschluss habe das Bundesverfassungsgericht darüber zu befinden gehabt, ob der Erwerb der DDR-Staatsangehörigkeit durch eine Person mit italienischem Vater zugleich den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit im Sinne des Grundgesetzes einschließt. Dass das Bundesverfassungsgericht dies, unabhängig von der ethnischen Zuordnung, bejahte, dokumentiere die fehlende Ausschließlichkeit der ethnischen Herkunft für die Bestimmung der Zugehörigkeit zum deutschen Volk. Scharmer: “Das hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, frühere Entscheidungen damit klargestellt. Dem gibt es nichts hinzuzufügen.”

Götzl weist darauf hin, dass beabsichtigt sei, Teile aus den Behandlungsunterlagen zu Carsten Schultze, die im Gutachten von Prof. Leygraf zitiert sind, zu verlesen. Außerdem sei beabsichtigt zwei Vermerke zu verlesen. Er nennt jeweils die Fundstellen. Götzl: “Sind denn für heute weitere Anträge oder Erklärungen?” Schneiders: “Ja, und ich möchte drauf hinweisen, dass Herr Wohlleben die letztgenannte Fundstelle noch nicht in seinen Akten hat. “Götzl: “Dann müssen wir dafür sorgen.”

Dann verliest Schneiders ein Ablehnungsgesuch Wohllebens gegen den psychiatrischen SV Prof. Dr. Leygraf, der Carsten Schultze begutachtet hatte. Schneiders weist darauf hin, dass Wohlleben bereits am 15.06.2016 Leygraf wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt habe. Dieser Antrag sei seitens des Senats als unbegründet zurückgewiesen worden. Anlass des damaligen Antrags sei gewesen, dass die Verteidigung Wohlleben den SV befragt habe, auf welcher Grundlage er Schultze im Explorationsgespräch vorgehalten habe, dass es in der rechten Szene in Jena doch ausgeprägte ausländerfeindliche Parolen gegeben habe. Der abgelehnte SV habe weder konkrete ausländerfeindliche Parolen benennen können, noch, “wann und durch wen diese wo verwendet worden sein sollen”. Schneiders gibt kurz die Darstellung aus dem damaligen Ablehnungsgesuch zu diesem Punkt wieder. Zur Begründung des Ablehnungsgesuchs sei damals angeführt worden, dass kein Zeuge Angaben dahingehend getätigt habe, dass die jungen Jenaer, die sich der KS Jena, dem THS bzw. dem “Nationalen Widerstand Jena” zurechneten, öffentlich ausländerfeindliche Parolen, sei es auf Plakaten, Aufklebern, Spuckis, Transparenten oder durch deren Skandieren verwendet hätten. Einzige Ausnahme sei der Aufkleber “Bratwurst statt Döner”, den Tino Brandt habe herstellen lassen.

Abgesehen davon habe Carsten Schultze zu keinem Zeitpunkt ausgesagt, dass er selbst “ausgeprägt ausländerfeindliche Parolen” verwendet, also “übernommen” habe. Dennoch habe ihm der abgelehnte SV ausweislich seines schriftlichen Gutachtens genau dies unterstellt. Damit habe, so Schneiders, der SV überdeutlich zu erkennen gegeben, dass er Schultze und damit auch den übrigen Angeklagten nicht mit der vom Gesetz geforderten Objektivität gegenüberstehe. Leygraf habe ohne eine hinreichende Grundlage negative Zuschreibungen dahingehend vorgenommen, dass die der KS Jena bzw. dem THS in Jena zuzurechnenden jungen Jenaer und damit auch die Angeklagten durchweg Rechtsextremisten und deshalb ausländerfeindlich waren und deshalb ausländerfeindliche Parolen verwendeten. Damit habe der SV “bestehende Vorurteile kritiklos übernommen und einfach auf die Angeklagten projiziert”. Nunmehr habe Leygraf in seiner erneuten Anhörung am 11.01.2017 auf Frage der Verteidigung Zschäpe erklärt, dass er generell bei der Gutachtenerstattung von der Täterschaft des Probanden ausgehe. Ein SV könne, so Schneiders, aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund liege vor, wenn die Besorgnis der Befangenheit bestehe, wenn also ein Grund vorliege, der verständigerweise ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des SV rechtfertigt. Dabei komme es auf den Standpunkt des verständigen Ablehnenden an, nicht auf den des Gerichts. Es müssten vernünftige Gründe vorgebracht werden, die jedem unbefangenen Dritten einleuchten, das Gericht müsse dabei die Ablehnungsgründe in ihrer Gesamtheit würdigen.

Leygraf habe “überdeutlich zu erkennen gegeben”, dass er dem Angeklagten Schultze und damit auch den übrigen Angeklagten nicht mit der vom Gesetz geforderten Objektivität gegenüberstehe. Der abgelehnte SV hat zunächst ohne eine hinreichende Grundlage, insbesondere ohne, dass dies durch Anknüpfungstatsachen belegt gewesen wäre oder er hierzu Befundtatsachen erhoben hätte, negative Zuschreibungen dahin vorgenommen, dass die der KS Jena bzw. dem THS in Jena zuzurechnenden jungen Jenaer und damit auch die Angeklagten durchweg Rechtsextremisten, deshalb ausländerfeindlich gewesen seien und aus diesem Grunde ausländerfeindliche Parolen verwendet hätten. Schneiders: “Die hierauf fußende Besorgnis der Befangenheit und Voreingenommenheit durch den Angeklagten Wohlleben wird durch die von dem abgelehnten Sachverständigen nunmehr am 11.01.2017 gemachte Äußerung erneuert und verstärkt. Diese erhellt nämlich, dass der Sachverständige nicht unvoreingenommen an die Gutachtenaufträge herangeht, sondern bei der Exploration des Probanden und bei der folgenden Erarbeitung und Erstattung seiner Gutachten prinzipiell die Täterschaft des Probanden voraussetzt. Dies gilt dann auch für den vorliegenden Fall.

Grundlage eines fairen, rechtsstaatlichen Strafverfahrens sei die Unschuldsvermutung, die bis zur Rechtskraft eines verurteilenden Erkenntnisses uneingeschränkt gilt.” Die Unschuldsvermutung binde nicht nur das erkennende Gericht, sondern auch dessen Gehilfen, hier des SV. Dieser Grundsatz werde von Leygraf “auf den Kopf gestellt”, ohne dass dies aus zwingenden Gründen, die aus der Methodik der vom Sachverständigen vertretenden Wissenschaft wurzelten, erforderlich sei. Damit stehe er den Angeklagten nicht mehr unvoreingenommen und mit der erforderlichen Unparteilichkeit gegenüber. Dies berechtige alle Angeklagten und damit auch Wohlleben, den
SV wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.

Wohlleben-Verteidiger RA Nahrath beantragt, den ehemaligen Leiter des Staatsschutzes der KPI Jena, Kö., erneut zu vernehmen. Kö. werde bekunden, dass Wohlleben zu keinem Zeitpunkt Chefsache beim Leiter des Dezernats Staatsschutz gewesen sei, und dass er dies auch zu keinem Zeitpunkt gegenüber anderen Angehörigen des Dezernats Staatsschutz geäußert habe.

NK-Vertreter RA Elberling nimmt kurz Stellung zum Ablehnungsgesuch gegen Leygraf: “Für den Fall, dass es überhaupt zulässig ist, ist es jedenfalls unbegründet.” Der Gutachter müsse Stellung nehmen zur Frage, ob Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht angewendet wird, so Elberling; dies könne er denklogisch nur unter der Prämisse tun, dass überhaupt Strafrecht angewendet wird.

Dann verliest Elberling einen Beweisantrag. Er beantragt, 1. EKHK Neusüß vom TLKA zu hören zum Beweis der Tatsachen, dass die Durchsuchung der Garagen Nr. 6 und 7 in dem Garagenkomplex Richard-Zimmermann-Straße am 26. Januar 1998 um 07:25 Uhr begonnen habe und Uwe Böhnhardt zu Beginn der Maßnahme anwesend gewesen sei, sich aber zwischen 8 Uhr und 08:30 Uhr mit seinem Auto von der Maßnahme entfernt habe; und 2. KHK Fa. vom TLKA zu hören zum Beweis der Tatsachen, dass zum Zweck der Durchsuchung der Garage Nr. 5 des Blocks H im Garagenkomplex des Garagenvereins an der Kläranlage e.V. am 26. Januar 1998 diese Garage in der Zeit von 06:45 bis 12 Uhr von außen durch zwei Polizeibeamte der PI Jena gesichert worden sei und dass die Durchsuchung der Garage in der Zeit von 08:15 bis 13 Uhr stattgefunden habe, dass an der Durchsuchung von 08:15 bis 11 Uhr zu den zwei Sicherungsbeamten sieben weitere Beamte des TLKA und der KPI Jena sowie ein weiterer Zeuge teilgenommen hätten, dass von 11 bis 13 Uhr zu diesen Personen drei zusätzliche Beamte des TLKA hinzu gekommen seien, dass gegen 08:15 Uhr der Garagenvermieter Klaus A. zu der Garage gekommen sei und versucht habe, das Schloss zu öffnen, dass um 9 Uhr Kräfte der Feuerwehr vor Ort gewesen seien, um das zweite von Klaus A. nicht geöffnete Schloss der Garage zu öffnen, und dass außerdem in der Zeit von 08:15 bis 13 Uhr zwei oder mehr Polizeifahrzeuge auf dem Gelände des Garagenvereins gewesen seien.

Zur Begründung führt Elberling aus:
Die Angeklagte Zschäpe gab in ihrer Einlassung am 9. Dezember 2015 zu dem Ablauf am 26. Januar 1998 an: “An diesem Tag fand eine Hausdurchsuchung in der Wohnung des Uwe Böhnhardt
statt. Ihm wurde der Durchsuchungsbeschluss vorgelegt. Uwe Böhnhardt erkannte, dass sich der Durchsuchungsbeschluss auch auf die von mir angemietete Garage bezog. Während der Hausdurchsuchung ließen ihn die anwesenden Polizeibeamten gehen und Uwe Böhnhardt fuhr mit seinem Auto davon. Er rief mich an und teilte mir mit, dass die Garage aufgeflogen sei. Er forderte mich wörtlich auf ‘Fackel ab’.” Sie habe sich daraufhin zu einer Tankstelle begeben, Benzin in eine 0,7-Liter-Flasche abgefüllt und sei damit zur Garage gelaufen, um das dort gelagerte “Propagandamaterial” zu verbrennen. Weiter heißt es in der Einlassung: “Ganz in der Nähe der Garage sah ich mehrere Personen, die anscheinend ihr Auto reparierten. Dieser Umstand hielt mich davon ab, das Benzin in der Garage auszuschütten und anzuzünden. Denn ich ging aus Erzählungen der beiden davon aus, dass sich eine Menge (wie viel genau wusste ich nicht) Schwarzpulver dort befindet und ich nicht abschätzen konnte, was wohl mit den in der Nähe befindlichen Personen passiert, wenn das Benzin brennt und mit dem Schwarzpulver in Berührung kommt.” Die bisherige Beweisaufnahme hat ergeben, dass die Angeklagte Zschäpe am 26. Januar 1998 in der Schomerusstraße 5 in Jena wohnte.

Die Bekundungen der Zeugen werden ergeben, dass die Garage Nr. 5 im Garagenkomplex Kläranlage und die Garagen 6 und 7 im Garagenkomplex in der Richard-Zimmermann-Straße am 26. Januar 1998 durchsucht wurden. Die zwei Garagen in der Richard-Zimmermann-Straße gehörten zu der elterlichen Wohnung des Uwe Böhnhardt bzw. ging der Durchsuchungsbeschluss davon aus. Die Bekundungen werden weiter ergeben, dass die Garage Nr. 5 im Garagenkomplex Kläranlage bereits ab 06:45 Uhr durch zwei Beamten abgesichert war und dass ab 08:15 Uhr auch die übrigen sieben bzw. ab 11 Uhr elf Durchsuchungsbeamten bis 13 Uhr mit mehreren Dienstfahrzeugen vor Ort waren und weitere Personen, wie der Durchsuchungszeuge, der Zeuge A. und die Feuerwehrkräfte zeitweise ebenfalls beim Durchsuchungsobjekt anwesend waren. Weiter werden die Bekundungen ergeben, dass sich Uwe Böhnhardt zwischen 8 Uhr und 08:30 Uhr von der Durchsuchungsmaßnahme der zwei Garagen Nr. 6 und 7 in der Richard-Zimmermann-Straße mit dem Auto entfernte. Nach der Einlassung der Angeklagten Zschäpe soll Böhnhardt sie nach dem Entfernen von den Durchsuchungsobjekten angerufen haben, woraufhin sie das Benzin gekauft und sich zu dem Garagenkomplex begeben habe, der ca. 30 Gehminuten von der Wohnung der Angeklagten Zschäpe entfernt lag.

Aus den Bekundungen der Zeugen wird sich ergeben, dass der von der Angeklagten Zschäpe behauptete Geschehensablauf nicht zutreffend sein kann. Denn selbst wenn die Angeklagte Zschäpe nach einem Anruf von Böhnhardt, der den Bekundungen der Beamten zufolge frühestens um 8 Uhr erfolgt sein kann, sehr schnell agiert hätte, war – wie die Bekundungen der Beamten weiter ergeben werden – um 8.30 Uhr, zu dem Zeitpunkt, zu dem die Angeklagte Zschäpe frühestens beim Garagenkomplex Kläranlage hätte erscheinen können, die Durchsuchungsmaßnahme bei der Garage Nr. 5 bereits im Gang. Die Bekundungen der Zeugen werden diesbezüglich zeigen, dass sich zu dem frühestmöglichen Zeitpunkt ihres angeblichen Eintreffens bereits eine Zahl von mindestens zehn Polizeibeamten und eine unbekannte Zahl von Feuerwehrleuten sowie mehrerer Dienstfahrzeuge von Polizei und Feuerwehr in unmittelbarer Nähe bei dem Durchsuchungsobjekt und auf dem Gelände des Garagenkomplexes befanden. In der Beschreibung der Angeklagten Zschäpe von den Abläufen kommen aber Polizei und Feuerwehr gar nicht vor. Ihre Einlassung, sie sei vor Ort gewesen und habe nur wegen der Sorge um Zivilpersonen von einer Brandlegung in der Garage abgesehen, kann vor diesem Hintergrund nicht zutreffen. Wäre sie tatsächlich vor Ort gewesen, wäre für sie, die nach ihren Angaben von Böhnhardt über die Durchsuchung der Garagen Nr. 6 und 7 im Komplex Richard-Zimmermann-Straße informiert war, die Anwesenheit von Polizeibeamten auch im Garagenkomplex Kläranlage von großer Bedeutung gewesen. Die schon in sich nicht plausiblen und lebensfernen Schilderungen des von der Angeklagten Zschäpe geschilderten Vorganges zu Böhnhardts Aufforderung: “Fackel ab”, werden durch die äußeren Umstände widerlegt, die die Zeugen bekunden werden. Der Antrag ist von mehreren NK-Vertreter_innen unterschrieben, weitere schließen sich an.

Götzl: “Sollen Stellungnahmen abgegeben werden? Sind weitere Anträge für heute? Zu nächster Woche: Wir werden am Dienstag, 31.01., fortsetzen, allerdings werden wir den Mittwoch und Donnerstag absetzen, so dass wir nur den Dienstag, 31., haben. Dann wird die Hauptverhandlung unterbrochen und wir setzen am kommenden Dienstag, 31.01., 9:30 Uhr fort.” Der Verhandlungstag endet um 14:03 Uhr.

Das Blog “NSU-Nebenklage“: “Heute wurde zunächst ein weiterer Polizeibeamter aus Jena vernommen. Dieser wirkte etwas wacher als seine Kollegen von den Vortagen, war dafür aber auch nur kurz im Staatsschutz gewesen und konnte daher ebenfalls wenig zu Ideologie und Tätigkeiten Ralf Wohllebens sagen. Interessant war seine Aussage, Wohlleben sei beim Staatsschutz ‘Chefsache’ gewesen und nur vom Leiter des Staatsschutzes bearbeitet worden. Sodann ging es weiter mit dem Sachverständigen Prof. Dr. Saß: da die Verteidigung Zschäpe aktuell keine Fragen hatte, befragte der Vorsitzende ihn erneut. Insbesondere bat er Saß, noch einmal die Wahrnehmungen zu schildern, die seinem Gutachten zu Grunde liegen – was Saß dann über etwa zwei Stunden tat und damit nebenbei auch noch einmal den bisherigen Verfahrensablauf Revue passieren ließ. […} Von Seiten der Nebenklage gab es einen weiteren Beweisantrag zu den Ereignissen um die Durchsuchungen der Garage am 26.1.1998, dem Tag des Untertauchens von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt: Zschäpe hatte behauptet, Böhnhardt habe ihr aufgetragen, die Garage ‘abzufackeln’, das habe sie aber nicht getan, weil sie Privatpersonen auf dem Garagengelände nicht gefährden wollte. Tatsächlich standen zu dem Zeitpunkt, zu dem Zschäpe an der Garage hätte ankommen können, schon eine Reihe von Polizeibeamten vor der Garage, die Zschäpe indes nicht erwähnt hatte – ein weiterer Hinweis auf die Unglaubhaftigkeit ihrer Einlassung.”
http://www.nsu-nebenklage.de/blog/2017/01/26/26-01-2017/

Der Beitrag Protokoll 341. Verhandlungstag – 26. Januar 2017 erschien zuerst auf NSU Watch.

„Ich denke, hier ist viel aufzuklären.“ – Bericht aus dem NSU-Untersuchungsausschuss Mecklenburg-Vorpommern 14.06.2019

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Beim NSU-Untersuchungsausschuss in Mecklenburg-Vorpommern wurde am 14.06.2019 die Nebenklage-Vertreterin Antonia von der Behrens als Sachverständige gehört. Sie sagt insbesondere zum Gruß an den NSU im Fanzine “Der Weisse Wolf” aus. Sie betont, dass ohne ungeschwärzte Akten eine Aufklärung nicht möglich sei. Antonia v. d. Behrens stellt dar, dass auch beim NSU-Mord an Mehmet Turgut ausschließlich gegen die Familie und in Richtung Organisierte Kriminalität ermittelt worden sei. Dabei hätte es gerade bei diesem Mord in Rostock viele Hinweise auf einen rechten Hintergrund gegeben. Von der Behrens fordert den NSU-Untersuchungsausschuss Mecklenburg-Vorpommern auf, die Rolle des Fanzines “Der Weisse Wolf” im NSU-Komplex und das Wissen der Behörden darüber aufzuklären.

Sachverständige:

  • Antonia von der Behrens – Nebenklagevertreterin im NSU-Prozess

In der zweiten öffentlichen Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses in Mecklenburg-Vorpommern ist Antonia von der Behrens, Nebenklagevertreterin im Münchener NSU-Prozess, als Sachverständige geladen. Eröffnend stellt sie dar, wie wichtig es sei, dass der Untersuchungsausschuss sich nochmal die Aufgabe der Aufklärung setze: „Es gibt kein Bundesland, in dem es so viele und unterschiedliche Verbindungen des NSU gibt.“ Sie legt dann zunächst dar, welche Informationen den Behörden zum Zeitpunkt des Mordes an Mehmet Turgut am 25.02.2004 vorgelegen hätten. Zum Einen bezieht sie sich auf die Meldungen von Carsten Szczepanski alias V-Mann Piatto, der den Behörden bereits 1998 Hinweise auf das Unterstützungsumfeld, Waffenbeschaffung und geplante Überfälle weitergegeben hatte. Zum Anderen zeigt sie auf, dass den Behörden das Kürzel „NSU“ ab 2002 bekannt war, nicht als der NSU, aber als Name, davon zeigt sich die Sachverständige überzeugt. Das zeige sich an dem sog. NSU-Brief und den darauf folgenden Gruß an den NSU in Neonazi-Zine „Der Weiße Wolf“, worauf sie später noch einmal ausführlich eingehen werde.

Trotzdem sei nach dem Mord an Mehmet Turgut nur in Richtung Organisierte Kriminalität ermittelt worden, nie sei ein rassistisches Motiv in Betracht gezogen worden. Die Kritik sei nicht, dass überhaupt gegen die Familien ermittelt wurde, sondern, dass dies der einzige Ansatz gewesen sei. Jede noch so kleine Spur in Richtung Organisierte Kriminalität sei verfolgt worden, Spuren in die andere Richtung dagegen gar nicht. In Rostock seien aber die Hinweise sehr stark gewesen, das dies eine falsche Ermittlungsrichtung gewesen sei. Keiner habe beispielsweise wissen können, dass Mehmet Turgut im Imbiss sein würde. Da habe sich die Frage aufgedrängt, hatte man es wirklich auf ihn persönlich abgesehen oder sei dies ein symbolischer Mord gewesen.

Welche Rolle Mecklenburg-Vorpommern im NSU-Prozess gespielt habe, werde sie schriftlich in ihrem Gutachten ausführen, sagt Antonia v. d. Behrens. Sie wolle nun auf den Punkt der Kommunikation zwischen dem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Thüringen und der Abteilung für Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern eingehen. Sie beziehe sich insbesondere auf die „Akte Drilling“, das seien zwei Bände des LfV Thüringen, diese seien nicht mehr als geheim eingestuft, daraus könne man zitieren. Aus der Akte ergebe sich, dass wenige Tage nach dem Abtauchen am 26.01.1998 das LfV Thüringen das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und andere Landesämter über das Abtauchen informiert habe und darum gebeten hätten, dass die anderen Ämter in der Sache nachforschen sollten. V. d. Behrens sagt, sie gehe davon aus, dass es über diesen Vorgang Akten in Mecklenburg-Vorpommern geben müsse. Es habe zu dieser Anfrage immer mal Rückmeldungen gegeben, vor allem von Tino Brandt. Diese Informationen seien zum Teil in Thüringen geblieben, manchmal seien sie weitergegeben worden. Dies sei im sog. Schäferbericht aufgearbeitet worden, die habe man untersucht, wer was bekommen habe. So könne man überprüfen, was in Mecklenburg-Vorpommern vorliegen müsste.

Im Juni 1999 habe es einen vorläufigen Abschlussbericht des LfV Thüringen gegeben. Es wird deutlich, dass sich das LfV Aufgaben angemaßt habe. Sie hätten auch Fahndung betrieben, das dürfe der Verfassungsschutz gar nicht. Aber deswegen gebe es auch viele Informationen in dem Bericht. Darin finde sich der Hinweis, dass die drei im nördlichen Bereich der Bundesländer untergetaucht seien. Darüber haben es Kommunikation mit anderen LfVs gegeben. Der Abschlussbericht sei nach Sachsen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern gegangen, jedoch nicht nach Schleswig-Holstein oder Hamburg. Daraus könne man ableiten: Mit dieser Formulierung sei Mecklenburg-Vorpommern gemeint, sonst hätte man auch die anderen informieren müssen. Es sei die Frage, ob der Bericht in Mecklenburg-Vorpommern angekommen und wie damit umgegangen worden sei. Aber für Behauptung des Untertauchens im nördlichen Bereich gebe es keinen Beleg, es sei versucht worden, das in Thüringen nachzuvollziehen. Vor dem dortigen Untersuchungsausschuss sei angegeben worden, es sei der Kontakt zu RA Eisenecker gemeint gewesen, da sei es um die Unterbringung der drei gegangen. V. d. Behrens stellt dagegen, dass es nach Aktenlage nicht um Unterbringung sondern um rechtliche Vertretung gegangen sei. Sie fragt, ob es tatsächlich Hinweise gegeben habe oder ob dies nur eine Ablenkung von Sachsen gewesen sei. Vielleicht könne die Abteilung für Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern weiterhelfen, was sie mit dieser Information gemacht hätten.

RAin v. d. Behrens wendet sich nun den Verbindungen des NSU zu Anwalt Dr. Hans Günther Eisenecker zu. Es sei bekannt, dass Dr. Eisenecker nicht nur Vorsitzender des NPD-Landesverbands Mecklenburg-Vorpommern war, er habe bundesweit Neonazis vertreten, auch mehrfach aus Thüringen. Daher sei ein Kontakt zum späteren Unterstützungsumfeld entstanden. Der erste relevante Hinweis sei von Tino Brandt gekommen. Er habe 1999 mitgeteilt, Mario Brehme habe Ende 1998 ein Praktikum bei Eisenecker gemacht, er habe dort auch Akten bearbeiten dürfen. V. d. Behrens führt aus, es sei möglich, dass Mario Brehme über diesen engen Kontakt mehr über den Kontakt von Eisenecker zum NSU gewusst habe. Im NSU-Prozess habe er dies allerdings verleugnet. Er habe keine Informationen gehabt, das sei aber eine „Nullaussage“.

Ende Januar 1999 habe Brandt gemeldet, dass es einen Termin von Unterstützern von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe bei Dr. Eisenecker geben solle, es gehe um die Möglichkeit der rechtlichen Unterstützung. Als Termin habe er den 05.02.1999 genannt. In Mecklenburg-Vorpommern sei es daraufhin zur Observation des Treffens gekommen. Die Abteilung für Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern habe das Treffen observiert. Vorher sei Norbert Wießner vom LfV Thüringen – als V-Mann-Führer mehrerer wichtiger V-Leute im NSU-Komplex, eine zentrale Person – nach Mecklenburg-Vorpommern gekommen. Er habe die Einweisung für die Observation übernommen. Tatsächlich seien dann Ralf Wohlleben und Carsten Schultze beobachtet und fotografiert worden, die RA Eisenecker besuchten. Diese Fotos gebe es in der „Akte Drilling“. Noch am selben Abend hätten sich Wohlleben und Schultze bei Tino Brandt gemeldet, es sei alles gut gelaufen. RA Eisenecker brauche eine Vollmacht. Dann sei versucht worden, eine Vollmacht zu besorgen, am 07. März 1999 habe diese Vollmacht von Zschäpe vorgelegen. Wie diese dahin gekommen sei, sei nicht nachweisbar. Zschäpe habe in ihrer Einlassung behauptet, sie habe am RA Eisenecker persönlich getroffen, es hätte ein Treffen in einer Gaststätte gegeben. RAin v. d. Behrens sagt, sie wolle das nicht bewerten, aber man wisse, die drei hatten viele Kontakte in die Außenwelt, aber sie seien vorsichtig gewesen, wie sie diese pflegten. Das sei alles überlegt und durchdacht gewesen. Daher könne es nicht sein, dass es keinen Vorlauf für das Treffen gegeben habe. Davon stehe aber nichts in den Akten, daher könne das Treffen auch evtl. nicht stattgefunden haben. Das was Zschäpe gesagt habe, könne auch alles erfunden sein, das müsse man im Hinterkopf behalten.

Einen Tag später habe es ein Telefonat zwischen Brandt und Böhnhardt gegeben. Das habe Brandt vorher dem LfV Thüringen gemeldet, aber die hätten das Telefonat angeblich nicht abgehört. Es gebe aber ein Gesprächsprotokoll. Daraus gehe hervor, dass Böhnhardt sich nach Eisenecker und seiner Vertrauenswürdigkeit erkundigt habe, Eisenecker habe sich auf einer Demonstration „unkameradschaftlich“ verhalten. Brandt habe gesagt, es sei alles ok, Eisenecker habe im Sinne der Demonstration gehandelt. Ob da Telefonat mit einem tatsächlichen Treffen in Verbindung gestanden habe, sei unklar, aber es habe viel Kommunikation gegeben.

V. d. Behrens berichtet von einer weiteren Meldung Tino Brandts. Eisenecker soll sich mit Familie Böhnhardt getroffen haben, außerdem habe Wohlleben zu Brandt gesagt, dass die drei sich mit Eisenecker treffen wollen, es solle einen Code geben, dann wisse Brandt, zwei Tage später sei das Treffen. Aber ob es so gekommen sei, wisse man nicht, Brandt habe das nicht gemeldet. Zschäpe habe dazu ausgesagt, es habe ein weiteres Treffen und zwei weitere Telefonate gegeben. Ob das stimme sei unklar, klar sei: „Es gibt im Frühjahr 19999 eine hohe Kontaktdichte zwischen NSU, NSU-Netzwerk mit Eisenecker.“

Der Untersuchungsausschuss müsse klären, was die Behörden in Mecklenburg-Vorpommern mitbekommen hätten. Dies hänge daran, wie weit Eisenecker überwacht worden sei, rechtlich sei das zwar schwierig: „Aber nach der einen Observation soll das aufgehört haben?“ Das sei unwahrscheinlich, diese Verbindungen und Ansatzpunkte müssten sich angesehen werden.

V. d. Behrens geht nun über zum zweiten Komplex, der sog. „NSU-Brief“ und der Gruß an den NSU im

“Der Weisse Wolf” Nr. 18, Vorwort mit Gruß an einen “NSU

Neonazi-Fanzine „Der Weisse Wolf“. Wichtig sei zunächst sich vor Augen zu führen, dass es überhaupt das Wissen um den Gruß gebe, sei auf das apabiz und NSU-Watch zurückzuführen, die das damals veröffentlicht hätten. Dies hätte Ermittlungen in Gang gesetzt. Ohne die Veröffentlichung wäre das nicht ermittelt worden, die zum sog. „NSU-Brief“ gehörige Adressliste wäre nur auf Festplatte des NSU gefunden worden, man hätte nicht nachweisen können, dass der NSU den Brief auch verschickt hat. Nach der Veröffentlichung habe das BfV dann behauptet, sie hätten davon nichts gewusst zu haben. Mecklenburg-Vorpommern habe sich bis vor Kurzem gar nicht öffentlich dazu verhalten. Es habe aber im Anschluss an die Veröffentlichung Durchsuchungen bei David Petereit gegeben. Dabei seien eine Kopie des Briefs sowie in der Privatwohnung von Petereit der abgeheftete Brief in Ordnern gefunden worden. V. d. Behres sagt, es sei unklar, ob in den Prozess-Akten eine Kopie des wirklichen Briefs sei, da müsste der Untersuchungsausschuss sich drum bemühen, eine Originalkopie zu bekommen, um das mit Festplatte abzugleichen. Petereit habe beim Prozess gesagt, er erinnere sich nicht. Das sei aber unglaubwürdig, dass er eine Spende von 2500 € vergesse, wenn er sich im Heft schon für Spenden für 20€ bedanke.

Jedenfalls habe es mit den Durchsuchungen den Beleg gegeben: Der sog. „NSU-Brief“ sei versandt worden. Es habe weitere Durchsuchungen gegeben, bei wem, das habe sich aus dem Zettel mit den zehn Adressen von Neonazi-Projekten und Institutionen ergeben, der in der Frühlingsstraße gefunden worden sei. Auf dem Zettel seien die Adresse als Paare gegenüber geschrieben gewesen und aus dem aus sog. „NSU-Brief“ ergebe sich, dass der Brief zehnmal versandt worden sei. Die Adressen seien in diesen Paaren als Adresse und Absender auf den Umschlag geschrieben worden. Wenn er nicht hätte zugestellt werden können, wäre er an den jeweiligen Absender, also eine andere Neonazi-Organisation gegangen. Man habe nur diese zehn Adressen, vielleicht habe es mehr gegeben. Es sei in der Frühlingsstraße ja auch viel Papier verbrannt, Datenträger kaputt gegangen. In den Asservaten gebe es nur einen Ausschnitt, aber hier könne man sicher sein, hier sei wurde versendet worden. Nicht nur fünfmal, sondern an alle.

Der Herausgeber des Fanzines „Fahnenträger“ aus Sachsten-Anhalt, Torsten Wabra, habe beim BKA zugegeben, dass er den Brief bekommen habe. Im Prozess habe er es geleugnet. Aber beim BKA habe er angeben, das dies für ihn großes Ereignis gewesen sei, 500€ zu bekommen. Auch sein Umfeld habe das noch gewusst, das zeigten ebenfalls Vernehmungen. Überall sonst sei nichts gefunden worden. Bei Vernehmungen sei geleugnet oder tatsächlich nicht gewusst worden. Die Ermittlungen des BKA seien lückenhaft, nicht alle potentiellen Empfänger seien vernommen worden, nicht alle Durchsuchungen seien gemacht worden.

Im Juni/Juli 2012 habe die Frankfurter Rundschau dann berichtet, es gebe eine Quellenmeldung aus Mecklenburg-Vorpommern von 2002, beim „Weissen Wolf“ sei eine Spende mit Begleitbrief eingegangen. Im Bundestagsuntersuchungsausschuss sei das Sebastian Egerton (Dienstname) vom BfV vorgehalten worden, der habe die Meldung bestätigt, habe es später aber zurückgenommen. V. d. Behres sagt, insgesamt sei das unklar, was das BfV angehe: „Haben sie Meldung aus Mecklenburg-Vorpommern erhalten, wer hat sie gesehen, wer hat sie inhaltlich zur Kenntnis genommen, wer hat sie in Verbindung gebracht mit Grüßen im ‚Weissen Wolf‘“? Das sei unklar, alles werde relativiert. Egerton habe erst gesagt, sie hätten sie bekommen, aber er habe sie nicht gesehen. Bei dem Sonderermittler Jerzy Montag habe er zugegeben, dass er sie gesehen habe, aber er habe sie nicht mit dem „Weissen Wolf“ in Verbindung gebracht. Später habe Egerton das zurückgenommen, Montag habe aber gesagt, so habe Egerton ausgesagt, auch seine Mitarbeiter hätten dies gehört.

Antonia v. d. Behrens sagt, die Frage sei, wie wurde Heft in BfV ausgewertet? V-Mann Thomas Richter (Corelli) sei beauftragt worden, das Heft zu besorgen. Egerton habe behauptet, sie hätten die Grüße nicht ausgewertet, darin bleibe er zwar konsistent, aber das halte sie für unglaubwürdig.
Egerton habe gesagt, die Grüße wären zu viel für die Auswertung gewesen. V. d. Behrens führt dagegen aus, in Ausgabe 18 gebe es keine Grußseite, nur den Gruß an den NSU im Editorial. Der „Weisse Wolf“ sei kein Skinszine, es sei formal recht ordentlich gewesen, es habe eine inhaltliche Ausrichtung gehabt.
Zusätzlich seien die Grußseiten für die Ämter sehr wichtig, um Netzwerke nachvollziehen, man könne sehen, wer grüßt wen, wie stehe Szene da. „Wenn man sich auskennt, ist das auch schnell gemacht.“ Diese Angabe, man habe das nicht für wichtig genommen, das sei zu viel, das sei schlicht falsch, das müsse die Grundlage für VS-Arbeit sein, sonst mache das keinen Sinn. Zusätzlich sei der Gruß prominent platziert gewesen. Im Editorial gehe es darum, nicht mehr Party zu machen, sondern richtig zu kämpfen, dann käme abgesetzt fett der Gruß an den NSU.
Daran müsse man die Ämter festhalten. Auch wenn diese behaupten, das Heft sei verloren gegangen, die Ausgabe mit den Auswertungen sei nicht mehr da. Das Problem für den Untersuchungsausschuss sei, er sei für Mecklenburg-Vorpommern zuständig, trotzdem müsse der Wissensstand des BfV eine Rolle spielen.

Bei der Abteilung für Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern gebe es weniger Informationen, so v. d. Behrens. Aber es gebe eine Deckblattmeldung. Diese hätten sie im Prozess nie gesehen, aber es habe eine Zusammenfassung der Behörde, ein sog. Behördenzeugnis, gegeben. Diese besage, es gebe keine keine weiteren Erkenntnisse, der V-Mann habe das Kürzel NSU nicht erwähnt. Die Abteilung für Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern sagt, sie hätten die Ausgabe nicht. Das sei allerdings nicht glaubwürdig. Im ersten NSU-Bundestagsuntersuchungsausschuss habe der damalige BfV-Chef Rainer Fromm angegeben, die Auswertung sei im BfV und in Mecklenburg-Vorpommern erfolgt. V. d. Behrens: „Das kann nur passieren, wenn das Heft vorliegt.“ Außerdem sei unglaubwürdig, dass die Abteilung für Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern sich das das wichtigste Fanzine in Mecklenburg-Vorpommern nicht besorgt habe. Das müsse der Untersuchungsausschuss aufklären.

Selbst wenn man Heft weglasse, gebe es die Quellenmeldung. Da gehe es um 2.500€ Spenden, die anonym eingegangen seien. Da liege es nahe, dass dies kein legal erworbenes Geld sei. Das Geld sei für eine Szene gewesen, die immer Geld brauche. Es sei unwahrscheinlich, dass man da dem V-Mann keine weiteren Aufträge gebe und/oder bundesweit schaue, ob es weitere Briefe gebe. Das sei unwahrscheinlich, wenn der Verfassungsschutz seinen Auftrag ernst nehme. Das sei eine besondere Meldung gewesen, sonst sei es immer nur um Konzerte gegangen. Daher halte sie es für unwahrscheinlich, dass das BfV keine Folgemaßnahmen eingeleitet habe, es sei unwahrscheinlich, dass nichts weitergeleitet worden sei, nicht nachgeforscht worden sei. „Ich denke, hier ist viel aufzuklären.“

Ein weiterer Punkt sei, welche Rolle David Petereit im NSU-Komplex spiele. In Sachsen sei der NSU von Blood & Honour Sachsen unterstützt worden, diese hätten enge Kontakte zu B&H Mecklenburg-Vorpommern gehabt. Alle ursprünglichen Macher vom „Weissen Wolf“ hätten Kontakt zu Uwe Mundlos gehabt, entweder über Ecken oder persönliche Kontakte. Es habe engen Kontakt zwischen Sylvia Fischer und David Petereit gegeben, beide seien in der Hilfsgemeinschaft Nationale Gefangene (HNG) gewesen. Ihr Mann Maik Fischer sei aus Rostock gekommen, er sei in Brandenburg im Gefängnis gewesen, da habe er mit dem „Weissen Wolf“ angefangen. Er und Petereit kannten sich schon lange, ab Ausgabe 13 des „Weissen Wolf“ sei Petereits Postfach im Heft angegeben worden, das alte sei händisch durchgestrichen gewesen. In Heft 14 habe Maik Fischer das Heft an eine jüngere Person abgeben. In Ausgabe 15 melde sich im Vorwort „Eihwaz“, dies sei belegbar das Pseudonym von Petereit. Man könne also davon ausgehen, ab Ausgabe 15 habe David Petereit den „Weissen Wolf“ betreut. In Ausgabe 18 finde sich dann der Gruß an den NSU.
V. d. Behrens sagt, der „Weisse Wolf“ sei von Anfang an von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe gelesen worden. In der im Januar 1998 durchsuchten Garage seien zwei Exemplare gefunden worden, die 1. und die 4. Ausgabe, in Ausgabe 4 werde Mundlos gegrüßt.
Personen aus späteren NSU-Netzwerk, mit denen die drei schon vor 1998 im Kontakt waren, hätten außerdem für den „Weissen Wolf“ geschrieben, z.B. Thomas Starke. Mundlos habe den „Weissen Wolf“ an inhaftierte Neonazis versandt.

In Ausgabe 17 des „Weissen Wolf“ gebe es einen Spendenaufruf, man brauche Geld für Webhosting. Was Ausschlag für die Spende gegeben habe, sei unklar. Vielleicht die Verbundenheit und der Aufruf, beides sei naheliegend. V. d. Behrens sagt, man könne dann durchaus nachvollziehen, wie das Geld investiert werde: Das Cover werde bunt, die Druckqualität besser, man habe die Ausgabe rechtlich überprüfen lassen. Mit Ausgabe 20 höre der „Weisse Wolf“ auf, es sei aber unklar, warum. Die inhaltliche Ausrichtung des Hefts sei dem NSU entgegengekommen. Der NSU habe immer kritisiert, dass die Neonazi-Szene zu viel Party mache und zu viel trinken würde. Das gleiche stehe im „Weissen Wolf“, dort gehe es um Ideologie, Gefangenenbetreuung habe einen großen Stellenwert, Konzepte wie „Leaderless Resistance“ würden diskutiert. Ideologisch habe das Heft also dem NSU nahe gestanden. Es seien auch Kontakte nach Sachsen im Heft sichtbar gewesen, beispielsweise hätten Läden aus Sachsen Anzeigen geschaltet.

Nach der Ausgabe Nr. 18 des „Weissen Wolf“ habe David Petereit, Thomas Richter, alias V-Mann Corelli bei einer Party von Enrico Marx, dessen Kameradschaft Teil des Thüringer Heimatschutz war, getroffen. Thomas Richter habe bei Vernehmungen gesagt, Petereit habe ihn angesprochen, ob er den „Weissen Wolf“ im Internet hosten könne, er habe sich bereit erklärt und habe es dann auch nachvollziehbar gemacht. V. d. Behrens betont, Thomas Richter habe Kontakt zu NSU-Umfeld gehabt, wo Name NSU falle, sei er nicht weit. Die Sachverständige sagt, sie gehe davon aus, dass Richter nicht von Petereit angesprochen worden sei, sondern dass Richter darauf angesetzt wurde, das scheine ihr plausibler und aus Logik des BfV wahrscheinlicher. Aber das BfV habe verneint, dass es den Gruß an den NSU überhaupt wahrgenommen habe.

Die Vorsitzende des Untersuchungsausschusses bedankt sich und fragt nach den Polizeiermittlungen nach dem Mord an Mehmet Turgut und ob es Hinweise in Richtung rechts gegeben habe.
V. d. Behrens sagt, das komme darauf an, was als Hinweis ausreiche. 2006 sei eine zweite Fallanalyse in Auftrag gegeben worden. Darin sei ein zweiter möglicher Ermittlungsstrang neben dem Bereich Organisierte Kriminalität aufgemacht worden: Ein bis zwei Täter könnten aus „Türkenhass“ morden. Diese Ermittler hätten also genug Informationen gehabt, um beide Thesen für möglich zu halten. Aus Sicht von v. d. Behrens sei einer der Punkte gewesen, dass kein Kontakt zwischen den Opfern hergestellt werden konnte. Die Opfer seien sehr unterschiedlich gewesen, es sei eher unwahrscheinlich gewesen, dass die sich zusammenschließen würden. Es habe mehrere Tatorte gegeben, bei denen die Täter nicht hätten wissen können, dass die später ermordete Person da anzutreffen ist. Die Familien und auch Familie Turgut hätten stets betont, sie können sich ein rechtes Motiv vorstellen, das sei immer ignoriert worden. V. d. Behrens sagt, wenn man das alles zusammen nehme und man kein Motiv finden könne, dann hätte es auf jeden Fall ein Ermittlungsstrang sein müssen, in Richtung eines rechten Motivs zu ermitteln. In der Berichten der BAO Bosporus sei aber immer davon die Rede, man habe zwar keine Hinweise, aber es müsse sich um Organisierte Kriminalität handeln.

Diesem zweiten Ermittlungsschiene in Richtung Rechts sei 2006 aber nur kurz nachgegangen worden. Das habe auch an der Fussball-WM 2006 gelegen. Das Motto sei gewesen „Die Welt zu Gast bei Freunden“, daher seien die Erkenntnisse zurückgehalten worden. Dann sei nur kurz ermittelt worden. Dann sei Baden-Württemberg beauftragt worden, eine Fallanalyse zu erstellen. Diese sei zu dem Ergebnis gekommen, es könne sich nur um Organisierte Kriminalität handeln, es könne sich außerdem nur um einen Täter handeln, der nicht aus Europa komme. Damit sei der zweite Ermittlungsstrang in Richtung rechts beendet worden.

Es habe vorher einen Versuch in Nürnberg gegeben, vom LfV Bayern Erkenntnisse zu Nürnberger Neonazis zu bekommen, es habe nach einer längeren Zeit eine Liste von Neonazis übergeben. In dieser hätten keine Frauen drin gestanden, sonst hätte darin auch die NSU-Unterstützerin Mandy Struck stehen müssen. Dann habe es Gefährderansprachen gegeben, die Neonazis hätten angegeben, nichts über die Mordserie zu wissen, damit sei das beendet worden. Die Verfassungsschutzämter hätten außerdem keine Informationen weitergegeben, obwohl sie gewusst hätten, dass Neonazis in Sachsen sind, die Geldprobleme haben und es eine Überfallserie gegeben habe. Auch das Wissen über die Ideologie, die zu der Mordserie passe, wurde nicht weitergegeben. Es hätte aber auch keine Anfragen gegeben.

Es fragt der Linkspartei-Abgeordneter Peter Ritter, wie v. d. Behrens es einschätze, dass nach dem Mord an Mehmet Turgut, bei der „Soko Kormoran“, ein Drogenermittler als Chef eingesetzt wurde. Er fragt nach der der V-Leute Praxis in den 90er Jahren und nach der Bewertung der Sachverständigen zur sog. „Trio-These“ der Bundesanwaltschaft.

V. d. Behrens sagt, der Mord an Mehmet Turgut wäre ein guter Zeitpunkt gewesen, die Ermittlungsrichtung zu ändern. Aber wenn man einen Drogenermittler einsetze, dann sei die Richtung schon klar. Wenn man alle Fakten damals zusammen genommen hätte, hätte in Richtung rechts ermittelt werden müssen. Man zementiere das mit dem Einsatz eines Drogenermittlers, dass es nicht in diese Richtung geht. Es seien in Mecklenburg-Vorpommern auch türkische Ermittler eingesetzt worden. Die Polizei habe gesagt und auch öffentlich kommuniziert, dass die Familien mauerten, da hätten die Ermittler die Hoffnung gehabt, bei türkischen Beamten, da komme mehr raus. Der Besitzer des Rostocker Imbiss habe in dieser Situation seinen Mut zusammen genommen, er glaube, der Mord habe einen rechten Hintergrund. In dem Protokoll der Vernehmung stehe das aber nur nur so da, es sei keine Spur angelegt worden.

V. d. Behrens beschreibt die Erfahrungen der Familien als regional unterschiedlich. Die bayrischen Ermittler seien besonders gnadenlos gewesen, sie hätten der Frau von Enver Şimşek vorgespielt, ihr Mann habe eine Affäre gehabt, um sie aus der Reserve zu locken. So krasse Formen fänden sich an anderen Tatorten nicht, aber nirgendwo sei Rücksicht genommen worden. Es sei nicht gesehen worden, dass sie ihren nächsten Menschen verloren haben. Eine Ehefrau musste den Tatort selbst sauber machen. Einer anderen Ehefrau seien die Asservate vom Mordtatort ausgehändigt worden, diese seien noch voller Blut gewesen. „Es war immer klar: die Familien sind unter Verdacht.“ Alle Familien hätten sich tagelang vernehmen lassen, weil sie auf Aufklärung gehofft haben: „Das Gegenteil von ‚Mauer des Schweigens‘.“
Auch das Umfeld der Betroffenen sei ausführlich befragt worden. Sie wurden ausschließlich nach Themen wie Organisierte Kriminalität befragt. Daher habe es im Umfeld schnell Gerüchte gegeben, weil sie nur zu diesen Themen befragt worden seien. Die Familien hätten ein soziales Stigma erlitten. Die Eltern von Mehmet Turgut seien in der Türkei umgezogen, weil sich auch dort die Gerüchte verbreitet hätten, die sie nicht mehr ausgehalten hätten: „Diese Geschichten haben alle Familien zu erzählen.“

V. d. Behrens geht auf das V-Leute System ein. V-Leute seien nach der Wende überall eingesetzt worden, das habe sie im Plädoyer am Beispiel Thüringen ausgeführt. In Thüringen seien alle Schaltstellen der Neonaziszene mit V-Leuten besetzt worden. Aber für Mecklenburg-Vorpommern sei das noch nicht klar. Wenn man sich BfV-Strategie ansehe, sei es unwahrscheinlich, dass es in Mecklenburg-Vorpommern anders war. Vielleicht waren es V-Männer des BfV und nicht der Abteilung für Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern. Das müsse aufgeklärt werden.

Zur sog. „Trio-These“ der Bundesanwaltschaft, sagt v. d. Behrens, die BAW könne nicht sagen, dass es gar kein Netzwerk gab. Stattdessen sagen sie, Netzwerk habe nichts von NSU und den Taten gewusst. Diese These hält v. d. Behrens nicht für haltbar. Der NSU sei bruchlos bei Strukturen verkehrt, die sie schon vor dem Abtauchen hatten. Es habe die Meldung gegeben, auf einem Treffen von B&H Sachsen habe die NSU-Unterstützerin Antje Probst gesagt, man müsse radikaler werden und Anschläge begehen. Carsten Szczepanski (V-Mann Piatto) habe außerdem gemeldet, dass Antje Probst Pässe an die drei geben würde. Sie habe das im Prozess verleugnet, dass das passiert sei, aber es habe zu der Zeit tatsächlich Unklarheiten gegeben, wieviele Pässe Probst besessen habe. V. d. Behrens führt aus, wenn Probst das bei B&H sage, sei das ein klares Zeichen, dass es da Kommunikation gegeben habe. Andere Unterstützer seien genau auf Linie des NSU gewesen, auch in ihren Publikationen. Als Beispiel sei André Eminger zu nennen. Da könne man nicht sagen, die waren so isoliert, das sei unwahrscheinlich. Das gleiche gelte für die alten Unterstützer aus Thüringen, es sei abwegig, dass da nicht diskutiert worden sei. Es habe eine enge Vernetzung der drei in die Szene trotz aller Vorsicht gegeben. V. d. Behrens sagt, sie vermute für die BAW sei dies eine praktische These, weil das begründe, wie kein einziger V-Mann etwas vom NSU und der Mordserie gewusst habe.

SPD-Abgeordneter Julian Barlen fragt nach der NSU/NSDAP CD, diese sei am Krakow am See gefunden worden. Außerdem fragt er, welche Prioritäten v. d. Behrens für den Untersuchungsausschuss setzen würde.

Zu NSU/NSDAP-CD führt v. d. Behrens aus, diese sei von Thomas Richter (V-Mann Corelli) habe sie dem BfV übergeben. Dies wurde aber erst nach einigem Druck klar, nachdem sie LfV Hamburg gefunden wurde.

Die Prioritisierung für den Untersuchungsausschuss fände sie schwierig. Das Wissen der Abteilung für Verfassungsschutz sei das wichtigste, aber auch das schwierigste. Die größte Hürde sei, dass Akten nicht zur Verfügung gestellt würden. Es müsse Druck intern und politisch gemacht werden. Für sie stehe fest: „Es muss hier Wissen geben!“ Außerdem wisse man, ohne B&H hätte der NSU nicht abgetaucht leben können. Daher sei die Aufklärung der Verbindungen von B&H Sachsen und Thüringen nach Mecklenburg-Vorpommern sehr wichtig. Die Frage sei, welche Unterstützungsstrukturen es in Mecklenburg-Vorpommern gegeben habe und in welcher Form. Bezüglich der Prioritäten kommt v. d. Behrens wieder auf den sog. „NSU-Brief“. Es falle auf, darin werde keine Ideologie, keine konkreten Ziele ausgeführt und man fordere trotzdem eine neue Bewegung. Der NSU sei also davon ausgegangen, die Zielgruppe wisse, was gemeint ist. Das sei also ein Brief, der sich z.B. an Combat 18 richtet, sonst mache die Kombination keinen Sinn.

Die Abgeordnete Larisch fragt nach den Auswirkungen des Urteils des NSU-Prozesses auf die militante Neonaziszene.

V. d. Behrens sagt, es sei ein unerträglicher Moment gewesen, als das Urteil begrüßt wurde von Rechten oben auf der Tribüne. Diese hätten das Urteil für Eminger gefeiert. Es sei als ein Signal aufgefasst worden in der Szene, drei der Angeklagten hätten weniger Haft bekommen, als von BAW gefordert. Ob das als Signal intendiert gewesen sei, wage sie nicht zu beurteilen.

Während des Prozesses hätten nur „anderthalb Nazi-Zeugen“ wahrheitsgemäß ausgesagt, alle anderen hätten gemauert, gelogen. Es habe kein Ordnungsgeld, keine Ordnungshaft gegeben. Inzwischen seien fünf Strafverfahren eingeleitet wegen worden Falschaussage, aber diese seien demnächst verjährt, damit sei nicht mit mehr zu rechnen. V. d. Behrens sagt, das wirke bestärkend für Szene. Am Anfang habe es Angst in der Neonaziszene gegeben, was bedeuten die NSU-Ermittlungen für sie. Aber schnell sei klar gewesen, wenn man als Mann sagt, man trinke viel und als Frau, man habe sich nur um die Kinder gekümmert, dann komme man da gut raus. Das habe sich ausgewirkt. Am Anfang seien Angaben beim BKA gemacht worden, im Prozess sei es dann relativiert und zurückgenommen worden. Das habe zu einer Stärkung der Szene geführt.

Die Abgeordnete Wippermann von der SPD fragt nach dem Zusammenhang von Offenlegung von Daten durch die Behörden und vielen Erkenntnisse in Untersuchungsausschüssen.

V. d. Behrens sagt, sie halte ungeschwärzte Akten für sehr wichtig, sonst könne man damit nicht arbeiten. Die bekannten V-Leute seien schon vorher bekannt gewesen, das Bekanntwerden von V-Leuten und Vorlage von Akten sei nicht zusammen zu denken. Aber die Vorlage von Akten sei extrem wichtig. Einstufung und Nicht-Einstufung von Akten habe sie als sehr willkürlich erlebt während der Aufarbeitung des NSU-Komplexes. Es sei immer das gleiche Spiel. Die Willkür ziehe sich durch. Darauf müsse der Untersuchungsausschuss hinweisen, es gebe Unterschiede, und es sei nicht immer alles so eindeutig.

Abgeordneter Ritter fragt nach Bezüge nach Mecklenburg-Vorpommern aus den noch laufenden Verfahren.

Die Sachverständige sagt, es gebe zehn laufende Verfahren der BAW, gegen neun Personen sowie ein Strukturermittlungsverfahren. Sie kenne die Akten nicht, aber der zweite NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages kenne die aber. Die seien da auskunftsfähig.
Das mache das Ausmaß dessen deutlich, was man alles nicht wisse. Im Strukturermittlungsverfahren würde auch ermittelt, woher die ganzen Waffen kämen. Von 20 könne man nur drei konnte man zuordnen, die Ceska und die Polizeiwaffen.

Bert Obereiner von der Afd fragt, ob sie die Aussagen der V-Leute von den anderen Neonazis unterschieden hätten.

Die Sachverständige führt aus, das es unterschiedlich gewesen sein. Carsten Szcepanski, Tino Brandt, Kai Dalek und Marcel Degner seien die V-Leute gewesen, die vernommen worden seien. Degner habe bis zum Schluss geleugnet, dass er V-Mann gewesen sei. Brandt und Szczepanski hätten sich auskunftsfreudig gegeben über die Szene, aber sobald es um seine Meldungen gegangen sei, hätten sie sich dann an nichts erinnern können. Als es dann um eigenes NSU-Wissen ging: „Da war das Wissen weg.“

Die Abgeordnete Larisch fragt nach Ver- und Behinderung der Aufklärung und wie intensiv nach 2011 ermittelt worden sei.

V. d. Behrens sagt, es habe in kurzer Zeit viele Ermittlungen zu den Asservaten gegeben, aber darauf hätte es sich beschränkt. Wer unterstützt habe, dem wurde kaum nachgegangen, so konnten Spuren auch verschwinden. Man hätte sich beispielsweise Namen angucken können und den damaligen Ermittlungsstand als Grundlage nehmen können. Man hätte alle Mitglieder von B&H Sachsen vernehmen müssen, das sei nicht passiert: Es seien nicht alle vernommen und manche erst sehr spät.

Die zweite öffentliche Sitzung des NSU-Untersuchungsausschuss Mecklenburg-Vorpommern endet um 11:38 Uhr.

    Der Beitrag „Ich denke, hier ist viel aufzuklären.“ – Bericht aus dem NSU-Untersuchungsausschuss Mecklenburg-Vorpommern 14.06.2019 erschien zuerst auf NSU Watch.

    Protokoll 363. Verhandlungstag – 17. Mai 2017

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    An diesem Prozesstag werden von der Verteidigung und der Nebenklage Beweisanträge und Erklärungen verlesen. RA Grasel widmet sich dabei den Aussagen von Annerose Zschäpe, der Mutter von Beate Zschäpe. Die Verteidigung Wohlleben hinterfragt u.a. erneut den Lieferweg der Mordwaffe des NSU, der Ceska. Einige Nebenklagevertreter*innen widmen sich in einem Beweisantrag dem V-Mann Stephan Lange.

    Der Verhandlungstag beginnt um 09:43 Uhr. Götzl begrüßt die Anwesenden: “Guten Morgen, guten morgen, guten Morgen. Nehmen Sie bitte Platz! Wir setzen fort.” Nach der Präsenzfeststellung wendet er sich an Zschäpe-Verteidiger RA Grasel: “Herr Rechtsanwalt Grasel, Sie hatten angekündigt, einen Beweisantrag stellen zu wollen. Also bitte!” Grasel beginnt: “Zum Beweis …” Zschäpe-Verteidiger RA Heer unterbricht ohne Mikrofonverstärkung: “Das geht so nicht.” Zschäpe-Verteidiger RA Stahl mit Mikro: “Sie merken ja, dass wir etwas gereizt sind. Wann hat denn Herr Grasel wem angekündigt, dass er heute einen Beweisantrag stellen will?” Götzl sagt, das sei per Fax angekündigt worden: “Ich weiß es auch erst seit heute morgen.” Grasel sagt, er habe den Antrag gestern Nachmittag per Fax angekündigt.

    Dann verliest Grasel den Antrag:
    Zum Beweis der Tatsachen, dass Frau Beate Zschäpe das erste halbe Jahr nach ihrer Geburt bei den Großeltern gelebt hat, da ihre Mutter, die Zeugin Annerose Zschäpe, zurück nach Rumänien musste, um dort ihr Studium fortzusetzen; Frau Beate Zschäpe von Mitte 1975 bis Ende 1976 bei Herrn Trepte, dem neuen Partner ihrer Mutter, lebte; Frau Beate Zschäpe nach der Heirat ihrer Mutter mit Herrn Zschäpe zunächst weiterhin unter der Woche bei ihren Großeltern lebte und nur am Wochenende bei ihrer Mutter war, beantrage ich die Verlesung des Protokolls der Zeugenvernehmung der Frau Annerose Zschäpe vom 15.11.2011. Hilfsweise beantrage ich die Vernehmung der damaligen Vernehmungsbeamten Le., P. und Se.

    Frau Annerose Zschäpe hat in einem an den Senat gerichteten Schreiben vom 09.05.2017 ausdrücklich erklärt, dass sie mit der Verlesung ihrer damaligen Zeugenaussage gegenüber dem Bundeskriminalamt vom 15.11.11 im Rahmen der hiesigen Hauptverhandlung einverstanden ist und ihre Aussage dadurch auch im Rahmen der Gutachtenserstattung von den Sachverständigen Verwendung finden kann. Das entsprechende Schreiben der Frau Annerose Zschäpe ist in Kopie beigefügt und hat u.a. folgenden Wortlaut: “Am 15.11.11 hatte ich gegenüber dem Bundeskriminalamt in Bezug auf meine Tochter Beate eine schriftliche Aussage gemacht. Ich möchte hiermit ausdrücklich bestätigen, dass ich damit einverstanden bin, dass diese Aussage in der Hauptverhandlung verlesen wird und somit bei der Erstattung der Gutachten durch Prof. Dr. Bauer und durch Prof. Dr. Saß jeweils Berücksichtigung finden kann.”; “Ich bin gegebenenfalls ebenfalls damit einverstanden, dass die mich damals vernehmenden Le., P. und Se. über die damalige Vernehmungssituation und über den Inhalt meiner Aussage als Zeugen vernommen werden.” Die seinerzeit von der Zeugin Zschäpe gegenüber dem Bundeskriminalamt gemachten Angaben sind für die Beurteilung der frühkindlichen Entwicklung ihrer Tochter Beate vom Bedeutung, wie dies der Sachverständige Prof. Dr. Bauer in seinem am 03.05.17 erstatteten Gutachten bereits ausgeführt hat. Die Regelung des § 252 StPO schließt einen Verzicht des zeugnisverweigerungsberechtigten Zeugen auf das gesetzlich normierte Verwertungsverbot nicht aus, da die Norm des § 252 StPO ausschließlich den persönlichen Belangen des Zeugen dient.

    Götzl: “Dann kommt zur Verlesung das angesprochene Schreiben von Frau Annerose Zschäpe.”

    Götzl verliest das Schreiben:
    Sehr geehrter Herr Vorsitzender Richter Götzl, am 15.11.2011 hatte ich gegenüber dem Bundeskriminalamt in Bezug auf meine Tochter Beate eine schriftliche Aussage gemacht. Ich möchte hiermit ausdrücklich bestätigen, dass ich damit einverstanden bin, dass diese Aussage in der Hauptverhandlung verlesen wird und somit bei der Erstattung der Gutachten durch Prof. Dr. Bauer und durch Prof. Dr. Saß jeweils Berücksichtigung finden kann. Ich gebe diese Erklärung auch vor dem Hintergrund ab, dass ich mich im Rahmen meiner Vernehmung vor dem Strafsenat auf mein Zeugnisverweigerungsrecht berufen hatte. Auf dieses Recht berufe ich mich bezüglich der Verlesung meiner Aussage nicht mehr. Ich bin gegebenenfalls ebenfalls damit einverstanden, dass die mich damals vernehmenden Le., P. und Se. über die damalige Vernehmungssituation und über den Inhalt meiner Aussage als Zeugen vernommen werden. Meine damalige Aussage entspricht nach wie vor der Wahrheit. Ich bitte darum, auf eine persönliche Vernehmung zu verzichten, weil ich den Angaben vom 15.11.2011 nichts Sachdienliches hinzufügen kann.

    Götzl: “Wir werden es kopieren und Ihnen zur Verfügung stellen. Einen Punkt möchte ich ansprechen zum letzten Absatz. Hier wird die Bitte geäußert, Frau Zschäpe nicht zu vernehmen, weil sie nichts Sachdienliches hinzufügen könne. Ist die Frage, ob man dann nicht doch Frau Zschäpe vernehmen kann. Machen wir mal eine Viertelstunde Pause und setzen dann um 10:10 Uhr fort.” Es folgt eine Pause bis 10:12 Uhr.

    Götzl: “Soll zu den Antrag Stellung genommen werden?” Bundesanwalt Diemer: “Wir treten dem nicht entgegen. Wir meinen auch, dass die Erklärung der Mutter zur Verwertung der Aussage eindeutig genug ist. Was nicht deutlich wird, ist, ob sie weiterhin in der Hauptverhandlung das Zeugnis verweigert. Wenn nicht, muss sie geladen werden, es sei denn man führt eine eindeutige Klärung herbei.” Grasel: “Ich kann zumindest bekanntgeben, dass nach telefonischer Rücksprache sie hier wieder von ihrem Recht nach 52 Gebrauch machen wird. Sie hat es laienhaft formuliert, aber das ist der Stand.” NK-Vertreter RA Reinecke: “Mit einer telefonischen Klärung über Herrn Grasel kann man sich nicht zufrieden geben. Sie meint, sie kann nichts Sachdienliches beitragen. Alleine die Überlassung beim Mann sagt nichts über frühkindliche Vernachlässigung aus, wie es der Sachverständige nahelegt. Wenn man das für relevant hält, kann sie sehr viel beitragen. Daher bedarf es einer eindeutigen Erklärung.” Wohlleben-Verteidiger RA Klemke: “Diese eindeutige Erklärung, die Herr Reinecke vermisst, liegt vor. Man muss das Schreiben der Annerose Zschäpe im Zusammenhang würdigen.” Im dritten Absatz nehme sie zunächst mal Bezug darauf, dass sie sich auf das Zeugnisverweigerungsrecht berufen hat, dann schreibe sie, dass sie sich auf diesen Recht bzgl. der Verlesung [Klemke betont das Wort überdeutlich] und nur darauf nicht mehr berufe, so Klemke weiter. Klemke: “Von daher ist das reine Spiegelfechterei, die hier betrieben wird.”

    NK-Vertreter RA Scharmer: “Vielleicht nur ganz kurz: Das Problem ist natürlich, dass bei einer etwaigen Verlesung es dann um die Vernehmung von Annerose Zschäpe geht, die m. E. durch das BKA mangelhaft durchgeführt wurde, weil wichtige Dinge nicht nachgefragt wurden.” Scharmer sagt, drei Verteidiger hätten Widerspruch eingelegt gegen die Verwertung. Er weist außerdem vorsorglich darauf hin, dass er der Verlesung nicht zustimmen würde und macht kurze Ausführungen, warum er meint, dass das Zustimmungserfordernis auch die Nebenklage betrifft. Götzl: “Frau Zschäpe, würden Sie zustimmen?” Zschäpe nickt. Götzl: “Ja. Die Verteidiger. Herr Grasel?” Grasel: “Selbstverständlich, sonst hätte ich es nicht beantragt.” Götzl: “Frau Rechtsanwältin Sturm?” Stahl bittet darum, das zurückzustellen. Auf Nachfrage von Götzl sagen die Verteidigungen Wohlleben und Eminger, dass sie derzeit keine Erklärungen abgeben; die Verteidigung Schultze stimmt zu. Götzl: “Sind denn weitere Anträge, Beweisanträge für heute zu stellen? Mir geht es zunächst mal nur ums Organisatorische.” NK-Vertreterin RAin Von der Behrens sagt, sie wolle einen Antrag stellen. Zunächst erteilt Götzl aber Wohlleben-Verteidiger RA Nahrath das Wort für einen Antrag.

    Nahrath beantragt, die Zeugen Luthard und Dressler vom TLKA zu vernehmen; diese würden Folgendes bekunden: Am 28.01.1998 wies der Zeuge Luthard (damaliger Leiter LKA Thüringen) den Zeugen Dressler (damaliger Leiter des Dezernats Staatsschutzes beim LKA Thüringen) an, die
    Beamten der Zielfahndung beim LKA Thüringen Il. und Wunderlich auf Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt anzusetzen. Den Zeugen war bekannt, dass die Zielfahnder des LKA Thüringen zu dieser Zeit eine Auffindequote von 100 Prozent hatten.

    Außerdem beantragt Nahrath, die Zeugen Br. und B.-S. vom BKA zu vernehmen; diese würden Folgendes bekunden:
    Die Zeugen werteten aufgrund eines Unterstützungsersuchens des LKA Thüringen im Februar 1998 die sogenannte “Garagenliste” und einen Ordner mit Schriftverkehr zwischen Mundlos und Starke sowie Torsten Schau aus. Der Zeuge Br. stellte fest, dass es sich bei der sogenannten Garagenliste offensichtlich um eine Adress- und Telefonliste handelte, die Uwe Mundlos erstellt hatte. Diesen Schluss zog der Zeuge daraus, dass als “eigene Telefonnummer” die Telefonnummer der Eltern des Mundlos, sowie die Mobiltelefonnummer des Uwe Mundlos verzeichnet war. Weiter stellte der Zeuge fest, dass als Chemnitzer Kontakte des Uwe Mundlos nicht nur Thomas Starke, sondern sieben weitere Chemnitzer Personen sowie zwei Gaststätten in Chemnitz aufgeführt waren.

    Nahrath nennt die angesprochenen Namen und teilweise Adressen aus der Garagenliste. Dann fährt er fort:
    Der Zeuge Br. brachte am 19.2.1998 folgenden handschriftlichen Vermerk zu den Akten:
    “Fluchtadresse Thomas Starke oder Torsten Schau. Beide in Chemnitz.” Der Zeuge Br. übergab die sogenannte Garagenliste dem Zeugen Dressler und wies diesen auf die möglichen Fluchtadressen von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe in Chemnitz hin.

    Nahrath beantragt dann die Vernehmung von Sven Wunderlich:
    Der Zeuge wird bekunden, dass er die sogenannte Garagenliste und den Vermerk des Zeugen Br. erstmals Ende 2011 gesehen hat. Als er nach Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe fahndete, erlangte er auch anderweitig keine Kenntnis von dem Vermerk und der sogenannten Garagenliste. Hätte er Kenntnis hiervon erlangt, hätte er Starke und Schau sowie deren Wohnungen observiert. Weiter wird der Zeuge Wunderlich bekunden, dass er Ende Februar 1998 ein Gespräch mit dem Leiter des Chemnitzer Staatsschutzes Jürgen Kl. in dessen Büro hatte, um über das untergetauchte Trio zu sprechen. In diesem Gespräch fragte der Zeuge Wunderlich gezielt nach einer sogenannten “Party-Wohnung” in der Hans-Sachs-Straße in Chemnitz, erhielt aber vom Zeugen Kliem keine Auskunft.

    Schließlich beantragt Nahrath die Vernehmung von Jürgen Kl., KPI Chemnitz:
    Der Zeuge war damals Leiter des Dezernats Staatsschutz in Chemnitz und hatte umfassende Kenntnis über die Personen der sogenannten rechten Szene in Chemnitz. Der Zeuge wird bestätigen, dass er Ende Februar 1998 ein Gespräch mit dem Zielfahnder des LKA Thüringen, Herrn Wunderlich, in seinem Büro führte. Thema dieses Gesprächs war die Fahndung nach Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe. Weiter wird der Zeuge bekunden, dass der Zielfahnder Wunderlich gezielt nach einer Wohnung in der Chemnitzer Hans-Sachs-Straße fragte. Obwohl der Zeuge wusste, dass in der Hans-Sachs-Straße in Chemnitz Mandy Struck wohnte und diese der Chemnitzer rechten Szene angehörte, gab er dem Zeugen Wunderlich diese Information nicht.
    Zur Begründung des Antrags verliest Nahrath:
    Zum Zeitpunkt des Besuches des Zielfahnders Wunderlich beim Zeugen Kl., hielten sich Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe in der Wohnung des Max-Florian Bu., dem Freund der Mandy Struck, auf. Hinzu kommt, dass die sogenannte Garagenliste und der Vermerk des Zeugen Br. den Zeugen Wunderlich auf den ebenfalls mit Mandy Struck bekannten Thomas Starke hingewiesen hätte. Bei Observierung des Thomas Starke und/oder der Mandy Struck hätte die Zielfahndung des LKA Thüringen die drei Untergetauchten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit binnen kürzester Frist gefasst. Sämtliche dem sogenannten NSU angelasteten Straftaten wären somit verhindert worden.

    Danach verliest Wohlleben-Verteidiger RAin Schneiders einen Antrag:
    In der Strafsache gegen Herrn Ralf Wohlleben 6 St 3/12 beantragt die Verteidigung zum Beweis der Tatsache, 1. dass Jan Werner am 11.04.1998 in Begleitung von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in Orbe in der Schweiz war und dass Werner bei dieser Reise Mundlos und Böhnhardt bei der Beschaffung einer Waffe half, 2. dass Jan Werner enge Kontakte zu Personen von Combat 18 in England, insbesondere zu William Browning, Gründer Combat 18 in Großbritannien, unterhielt, Frau Stefanie Fö. aus Nauen als Zeugin zu vernehmen.
    Begründung: Uwe Mundlos rief am 11.04.1998 aus der Schweiz den Telefonanschluss des Jürgen Helbig an. In der durch das BKA am 28. Februar 2012 durchgeführten Vernehmung gab Jürgen Helbig an, dass der Anruf vom 11.04.998 aus Orbe Ortsteil Concise/Schweiz durch Uwe Mundlos selbst erfolgt sei. Die Rufnummer gab Aufschluss über den Ort, der in der Nähe des Genfer Sees, im Kanton Waadt, kurz vor der Grenze zu Frankreich liegt. Helbig gab an, dass Mundlos ihn angerufen hat, da er ihn an der Stimme erkannt hatte. Dies bestätigte der Zeuge auch in der Hauptverhandlung.

    Am 11.04.1998 fand in Orbe, Ortsteil Concise/Schweiz ein Skinhead-Konzert statt, an dem etwa 150 bis 300 Teilnehmer aus Deutschland, Frankreich, Italien, Polen, Australien und der Schweiz teilnahmen. Organisiert wurde das Konzert von “Mjölnir Diffusion”. Die Anmietung des Gemeindesaals fand unter dem Vorwand einer Geburtstagsfeier statt. Die Zeugin ist die Ex-Freundin des Jan Werner. Sie war mit ihm im relevanten Zeitraum von 1998 bis 1999 liiert. Die Zeugin hat in ihrer polizeilichen Vernehmung Angaben zu den Auslandskontakten des Jan Werner gemacht, auch zu Auslandsaufenthalten des Jan Werner. Sie berichtete von Konzertbesuchen und dem CD-Handel des Jan Werner zu dieser Zeit. Jan Werner verkaufte regelmäßig CDs auch auf derartigen Konzerten. Werner unterhielt Kontakte nach England. Aus den Angaben weiterer Zeugen, insbesondere des vernommenen Andreas Graupner zu den englischen Bands, ist ersichtlich, dass es sich bei den Kontaktpersonen des Jan Werner in England um Personen handelte, die dem sogenannten Combat 18 zuzurechnen waren.

    Dies ergibt sich auch aus einem Telefonat des Jan Werner, welches im sogenannten Landser-Verfahren in der TKÜ des Jan Werner angefallen ist. Im Sonderheft TÜ Landser heißt es: “W. fragt Werner nach den ‘Inselaffen’ Der entgegnet, dass dies nichts würde, da der Rod immer noch sitzt und Browning immer noch arbeiten muss. W. meint jedoch nicht dieses, sondern er fragt nach wegen ‘No Remorse’. Browning muss arbeiten und kann deswegen nicht bei ‘No Remorse’ spielen. Die Slowaken suchen für nächste Woche auch noch eine Band. Da dieses aber an der ukrainischen Grenze wäre, würde sich Werner nicht darum kümmern, da ihm das zu weit wäre.” William Browning, genannt “The Beast” ist einer der Gründer der britischen Gruppe Combat 18. Browning leitete mit I.S.D Records eines der führenden Blood & Honour-Label Europas. Seine eigene Band “No Remorse” machte sich Mitte der 1990er Jahre u.a. mit dem Album „Barbecue in Rostock” einen Namen in der sogenannten rechten Szene. Schließlich zerstritt sich Browning mit dem Combat 18-Gründer Paul “Charlie” Sargent. Im Februar 1998 eskalierte die Fehde: Sargent ließ einen Vertrauten Brownings durch seinen Kameraden Martin Cross ermorden. Sargent und Cross wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Browning avancierte zum unangefochtenen Führer von Combat 18.

    In einem Vermerk des Verfassungsschutzes wird zu dem von der Zeugin Fö. in deren polizeilicher Vernehmung angesprochenen Konzert folgendes ausgeführt: “April 1998, St. George’s Day, in den Midlands mit Warlord, Conquest, Warhammer, Razor’s Edge, Legend of St. George und White Law. Ende April 1998 bezahlte Liebich wieder Flugtickets für die Hate Society-Mitglieder nach London für ein Konzert am St. George’s Day in den Midlands Ende April 1998. Dieses Konzert war Auslöser für eine neue Spaltung innerhalb der deutschen und der englischen Szene. Bei diesem Konzert an einem Samstag waren ca. 300 bis 400 Leute anwesend, darunter ca. 60 bis 70 deutsche Skins, wie Lange, Stephan – dies war sein erster England-Besuch -; Werner, Jan; Liebich, Sven; Franke, Hannes; sowie weitere B&Hler.” Jan Werner hatte den Auftrag, Waffen für Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zu beschaffen. Nach den Angaben der Angeklagten Zschäpe soll Werner ebenfalls eine Waffe, möglicherweise sogar mit Schalldämpfer, geliefert haben. Aus den in der Hauptverhandlung verlesenen Deckblattmeldungen geht hervor, dass die Blood & Honour – Sektion Sachsen, dessen Sektionschef Jan Werner war, Geld für die drei Untergetauchten aus Konzerterlösen beschaffte.

    Wie nahe Jan Werner dem Combat 18-Gedanken stand, ist auch daran erkennbar, dass er der ehemaligen Lebensgefährtin des Stephan Lange, Katja Pröseler, in einem Telefonat berichtete, dass er aus Amerika die Turner-Tagebücher mitgebracht habe. Die Zeugin hatte zwar bei der polizeilichen Vernehmung bestritten, dass Jan Werner etwas mit Waffen zu tun gehabt habe. Die Zeugin hatte jedoch auch zu dieser Zeit noch Kontakt mit Jan Werner. Ihre Wohnung wurde im Zuge der Ermittlungen gegen Jan Werner durchsucht. Deshalb stand die Zeugin unter Druck. Sie wurde weiter durch die Ermittler nicht explizit zu Kontakten des Jan Werner in die Schweiz befragt. Des weiteren verweigerte die Zeugin auch Angaben zu Namen von Kontaktpersonen des Jan Werner. Es ist daher zu erwarten, dass die Zeugin doch Angaben zu den unter Beweis gestellten Tatsachen machen kann und dies vor Gericht auch wahrheitsgemäß machen wird. Die Spur der Tatwaffe Ceska 83 verliert sich 1996 in der Schweiz. Wie sie in den Besitz von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gekommen ist, wurde bislang immer noch nicht zweifelsfrei aufgeklärt. Die Theorie der Bundesanwaltschaft und des Senats wird jedenfalls durch die Zeugen Mü., Theile und Länger in Abrede gestellt. Auch die Pumpgun Mossberg stammte aus der Schweiz. Dies spricht dafür, dass Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die Fahrten des Jan Werner 1998 und 1999 in die Schweiz zu Konzerten und/oder CD-Handel nutzten, um sich dort mit Waffen zu versorgen.

    Jan Werner hatte auch beste Kontakte zu Karolina und Olivier Ku., die ebenfalls in der Schweiz ansässig waren. Diese führten ebenfalls ein Label, welches auch Rechtsrock-Bands unter Vertrag hatte. Die in Augenschein genommenen Lichtbilder des Thomas Starke zeigen die langjährigen engen Kontakte der Karolina Ku. zu den Chemnitzern. Die Eheleute Ku. waren maßgeblich in CD-Produktionen eingebunden. Die enge Verbindung zeigt sich aus dem Vermerk des Verfassungsschutzes aber auch wie folgt: “Robert Matthews-Memorial-Gig in der Nähe von Gera, September 1998 mit Solution, Leipzig; Intimidation One, Blue Eyed Devils, Aggravated Assault. Ca. 1.000 Teilnehmer, Veranstalter Karolina und Olivier Ku. Das Konzert hätte ursprünglich in der Schweiz stattfinden sollen. Aufgrund von Ärger mit den Behörden wurde es nach Deutschland verlegt.” Nach diesem Vermerk des Verfassungsschutzes hatte Jan Werner auch enge Kontakte nach Amerika: “An Antony verkaufte Jan Werner im Mai/Juni 2002 die Rechte von Landser “Ran an den Feind”. Vorgesprächen zufolge soll es sich dabei um einen Kaufpreis von 20.000 Dollar gehandelt haben. Diesen Betrag wollen sich Antony und Erich Gliebe, der Geschäftsführer von Resistance Records – Inhaber sind Dr. Pierce und ‘National Alliance’- aufteilen. Jan Werner hatte aus dem CD-Handel erhebliche Geldmittel zur Verfügung. Auch dazu ist die Zeugin zu befragen.

    Auch aus den weiteren Akteninhalt ergibt sich, dass über den CD-Verkauf Waffenkäufe finanziert wurde. Hierfür spricht ein aufgezeichnetes Gespräch des Thorsten Heise. Dort heißt es wie folgt:
    “A. Was denkste denn, was wir mit dem Geld machen? Was denkste denn? (unverständlich, evtl.: ‘Wir ham so oft nächtelang durchgezockt.’) Wir ham so oft (unverständlich) über Politik diskutiert und du hast nie gerafft, was wir machen? Nie abgerafft, was wir machen? (unverständlich) Hast nie abgerafft, ne? Sich nie mit Friedhelm unterhalten? Du musst mit den Leuten nicht nur saufen, sondern dich mit den Leuten auch mal unterhalten.
    B: Hab ich ja (murmelt unverständlich).
    A: Wir haben reichlich, reichlich Gruppen im ganzen Bundesgebiet, wir haben reichlich Leute hier, versorgen sich reichlich mit Waffen. Und von der (unverständlich, evtl.: ‘Matte’) hier … (lacht). Weißt du, was die Leute mit dir machen? Oder mit den beiden Brüdern? Wenn wir da (unverständlich, evtl. ‘hin kutschen’). Weißt was die gemacht haben? Das geschieht nie wieder, Mann. (unverständlich) Ich kann’s gar nicht glauben, ey, das glaub ich nicht.”

    Der bislang gezogene Schluss des Senats in den Haftentscheidungen unseres Mandanten wird durch die Beweiserhebung erschüttert werden, da vernünftige Zweifel bestehen, dass die Tatwaffe Ceska 83 wie bislang spekuliert über Ge., [Hans-Ulrich] Mü., Theile und Länger nach Jena kam. Vielmehr legt die beantragte Beweiserhebung nahe, dass die Tatwaffe direkt in der Schweiz durch Vermittlung des Jan Werner in den Besitz von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt kam.

    Es wird weiter beantragt, die V-Mann Akten betreffend Stephan Lange alias Pinocchio, damals wohnhaft in Berlin, beim Bundesamt für Verfassungsschutz und beim LKA Berlin beizuziehen und der Verteidigung Akteneinsicht zu gewähren. Wie am 16.05.2017 durch die Presse bekannt wurde, war Stephan Lange langjähriger V-Mann. Es ist zu erwarten, dass aus den Deckblattmeldungen des V-Mannes sich Informationen betreffend Konzertbesuche ab 1998 in der Schweiz und England ergeben, an denen auch Jan Werner teilgenommen hat. Aus den Deckblattmeldungen werden sich weitere Aufschlüsse zur Finanzierung von Waffenkäufen durch Blood & Honour-Mitglieder ergeben. Im Übrigen sind die Deckblattmeldungen zur Überprüfung der Glaubhaftigkeit der Angaben und Glaubwürdigkeit des Zeugen Lange erforderlich. Der Zeuge wurde in der Hauptverhandlung vernommen, verschwieg jedoch seine Tätigkeit für das BfV und das LKA Berlin. Die Installierung eines V-Mannes als Blood & Honour-Führer der Division Deutschland reiht sich in die immer länger werdende Liste der V-Personen in Spitzenfunktionen verschiedener rechter Organisationen ein. Insoweit verweisen wir auf Kai Dalek, Tino Brandt, Ronny Artmann, Thomas Starke, Ralph Marschner, Carsten Szczepanski, Marcel Degner, Thomas Richter, Achim Schmidt und viele andere. Die Beharrlichkeit sowohl des GBA als auch des Senats, alles daran zu setzen, die Aufklärung dieser extremen Nähe einer Vielzahl staatlich gesteuerter V-Leute zu den mutmaßlichen NSU-Mitgliedern zu verweigern, macht schlagend deutlich, dass es sich bei dem vorliegenden Verfahren um kein faires rechtsstaatliches Verfahren handelt. Die naheliegende Mitverantwortlichkeit des Staates für die Aktivitäten des sogenannten “NSU” wird von Senat schlicht ausgeblendet.

    Dann stellt Zschäpe-Verteidigerin RAin Sturm den Antragt auf ein weiteres Sachverständigengutachten über den Zustand von Frau Zschäpe und die Behandlungsaussichten sowie auf Vernehmung des SV hierzu in der Hauptverhandlung:
    Gemäß § 246a Absatz 1 Satz 1 StPO ist für den Fall, dass die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung in Betracht kommt, ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Mit Schreiben vom 29.11.2012 bat der Vorsitzende den Sachverständigen Prof. Dr. Saß, im Hinblick auf die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen einer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Absatz 2 StPO ein vorbereitendes schriftliches Gutachten nach Aktenlage über den Zustand von Frau Zschäpe und die Behandlungsaussichten zu erstellen. Der Gutachtenauftrag wurde später auf das Vorliegen der Voraussetzungen der Paragraphen 20, 21, 64 StGB erweitert. Der Sachverständige hat sein Gutachten am 336., 337., 339., 340., 341., 343., 345., 346., 347. und 350. Hauptverhandlungstag erstattet und Fragen beantwortet. Das Gutachten lässt jedoch Zweifel an der Sachkunde des Sachverständigen aufkommen, denn es weist erhebliche methodische Mängel und Widersprüche auf. Im Einzelnen ergibt sich dies aus dem von Prof. Dr.
    Faustmann am 360. Hauptverhandlungstag erstatteten Gutachten, welches dem im Rahmen unseres Beweisantrags vom 358. Hauptverhandlungstag auf Einholung eines methodenkritischen Gutachtens beigefügte Manuskript von Prof. Dr. Faustmann vom 22.04.2017 – bis auf wenige mündliche Ergänzungen – entspricht und auf welches hiermit Bezug genommen wird.


    Am 362. Hauptverhandlungstag beantwortete der Sachverständige Prof. Dr. Faustmann Fragen des Vorsitzenden sowie weiterer Verfahrensbeteiligter. Zu einer Änderung seiner Bewertung gelangte er nicht. Unter anderem wies er auf folgendes hin: Anknüpfend an den letzten Absatz der Seite 11 der Verschriftung des Gutachtens von Prof. Dr. Faustmann, wie dieser unterscheiden würde zwischen “krank” und “gesund”, und der präzisierenden Frage des Vorsitzenden zu dem “Grenzbereich” äußerte der Sachverständige: “Es gibt da keinen Grenzbereich, das ist der Punkt. Wenn ich andere Kriterien habe, muss ich diesen Grenzbereich definieren. Wenn ich mich außerhalb ICD-10/DSM V bewege, muss ich sagen, was ich meine. Außerhalb befinde ich mich im weitem Spektrum der differentiellen Psychologie.” Auf die Frage des Vorsitzenden, ob er dem Psychiater die Qualifikation für den Grenzbereich abspreche, erwiderte Prof. Dr. Faustmann, dafür nicht zuständig zu sein. Befragt, ob nicht jede Tätigkeit den Grenzbereich ausloten müsse, erklärte er: “Wenn keine Erheblichkeit psychischer Beeinträchtigung vorliegt, kann ich mich als Psychiater nicht wissenschaftlich begründet zu den weiteren Aspekten des Normalen äußern.” Wiederholt wies Prof. Dr. Faustmann anlässlich seiner Befragung diesbezüglich darauf hin, dass es sich bei beiden Systemen ICD-10 und DSM V um kategoriale Systeme handele mit der Folge, dass es keinen Grenzbereich im Sinne eines Übergangs gebe. Entweder könne er einen Menschen im Sinne des Klassifikationssystems zuordnen, dann läge eine Krankheit oder Störung vor; könne er dies nicht, dann befinde man sich im breiten Spektrum des Normalen, wobei die Prüfung zweistufig sei: Auf der ersten Ebene gehe es um die Zuordnungsmöglichkeit zu den kategorialen Systemen. Im Falle einer fehlenden Zuordnungsmöglichkeit erfolge die Prüfung sodann über die Frage, ob die Schwelle des vierten Eingangsmerkmals erreicht sei. Die Beurteilung des Normalen sei Aufgabe der differentiellen Psychologie.

    Zu der unter Bezugnahme auf Seite 11 des Gutachtens von Prof. Dr. Faustmann und die Eignung der subjektiven Verhaltensbeobachtung allenfalls als Basis für Hypothesengenerierung erfolgten Nachfrage des Vorsitzenden führte Faustmann aus: “Der Hinweis auf die Entscheidung des Empfängers des Gutachtens, das hat Prof. Dr. Saß ja selber geschrieben, das ist nicht von mir. Er lässt die Bewertung im Blickwinkel des Betrachters, dadurch wird die subjektive Einschätzung nicht
    objektiv. Die Summe der subjektiven Einschätzungen führt nicht zu Objektivierung.”
    Auf den Vorhalt des Vorsitzenden aus Seite 6 des Gutachtens von Prof. Dr. Saß, wonach ein Verstehenshintergrund vorgestellt werde, es dann Angelegenheit der Verfahrensbeteiligten und des Gerichts sei, ob dem gefolgt werde oder nicht, führte Faustmann aus: “In dem Sinne ja, aber im wissenschaftlichen Sinne ist das nicht überprüfbar. Das ist dann ein Ermessensspielraum, aber
    das kann nicht Aufgabe eines Sachverständigen sein.’ ‘Aus methodischer Sicht kann ich dem insoweit nicht folgen, als mir nicht klar ist, wie ich den Bewertungsvorgang nachvollziehen kann. Es kann nicht Aufgabe des Sachverständigen sein, dass das ausschließlich auf subjektiver Ebene erfolgt.”

    Auf die insoweit wiederholte Nachfrage des Vorsitzenden stellte Faustmann später noch einmal klar: “Die Zuschreibung, dass die Ergebnisse dem Adressaten zugebilligt werden, ist aus wissenschaftlicher Sicht nicht zulässig, weil ich die Wertung vorher auf der wissenschaftlichen
    Grundlage leisten muss, wenn es um die psychische Erkrankung oder Störung geht.”
    Bezogen auf den Begriff der Persönlichkeitsakzentuierung führte er aus: “Er taucht überall auf, ist aber immer gefüllt mit sehr unterschiedlichen Inhalten, was dann nicht mehr zulässig ist, wenn nicht klargemacht wird, auf welcher Grundlage er verwendet wird.” Der Vorsitzende erkundigte sich nach dem Krankheitsbegriff, worauf im psychiatrischen Bereich die Einordnung beruhe: “Er beruht auf der Erhebung des Befundes, des psychischen Befundes.” Und befragt nach der Erklärung von “Störung”: “Ist Erklären im ursächlichen Sinne gemeint, wie sie bedingt ist oder wie sich die Störung im Querschnitt auf der Befundung darstellt. Natürlich fließt in den Befund auch das Befinden ein, aber es muss schon differenziert werden.”; “Wenn ich als Psychiater gefragt werde im Hinblick auf Gefährlichkeit, Rückfallrisiko, dann ist zuerst zu prüfen, liegt eine Störung oder Erkrankung vor. Dann kann ich darüber das Rückfallrisiko einschätzen.”
    Auf die Frage des Vorsitzenden zu Seite 15 seines Gutachtens, wenn keine psychische Krankheit vorliege, was das hinsichtlich der praktischen Handhabung des Gutachtenauftrages bedeute, stellte
    Faustmann klar: “Wenn das Ergebnis keine Krankheit oder Störung mit Krankheitswert ist, kann ich auch zur Prognose keine Aussage machen.”

    Angesprochen auf den von ihm zitierten Prof. Dr. Dahle und das klinisch-idiographische Beurteilungskonzept, auf welches Saß Bezug nahm, führte Faustmann aus: “Dahle führt aus, dass man sich nicht im Rahmen einer subjektiven Beurteilung bewegt, sondern durch Vorgaben systematisiert werden muss. Wenn ich das Modell anwende, gehört nach Dahle dazu, dass es wissenschaftlich kontrollierbar ist, d.h. ich muss die Bedingungen, wie ich in dem idiographischen Modell arbeite, nachvollziehbar machen.”
    Zu der Frage, warum er auf Seite 19 das Fehlen von Ausführungen kritisiere, was mit entwicklungspsychologischen Aspekten gemeint sei und welches Modell zugrunde gelegt werde, erklärte Faustmann: “Wenn ich als Sachverständiger sage, dass bestimmte Gesichtspunkte aus entwicklungspsychologischer Sicht von Interesse sind, muss ich auch sagen, welche Inhalte aus entwicklungspsychologischer Sicht gemeint sind und in welchem Modell der Entwicklungspsychologie ich mich bewege.”; “Die Entwicklungspsychologie ist eine eigenständige Fachwissenschaft; die wissenschaftliche Beschäftigung erfolgt auf der Basis vieler verschiedener Modelle, unter denen man eine Entwicklung beurteilen kann.”; “Wenn ich den Begriff der Entwicklungspsychologie verwende, erwarte ich, dass auch ein entsprechendes Konstrukt verwendet wird.”

    Der Vorsitzende fragte den Sachverständigen nach seinem Verständnis von dem Begriff der Verdrängung. Hierzu wies Faustmann erneut darauf hin: “Auch hier geht es nicht um mein persönliches Verständnis.”; “Von Professor Dr. Saß wird der Begriff so dargestellt, dass er im Alltagsverständnis verstanden werden soll, wobei mir nicht klar ist, welches Alltagsverständnis er zugrunde legt, welches wir haben, ob Alltagsverständnis ist, was wir alle haben.”; “Welche Form von Alltagsverständnis zugrunde gelegt wird.”; “Ich weiß nicht, was Alltagsverständnis heißen
    soll. Der Alltag ist für jeden von uns etwas anderes. Verdrängung ist für jeden etwas anderes.”
    Der Vorsitzende erkundigte sich unter Bezugnahme auf Seite 35 des Gutachtens danach, was Faustmann bei diesem Punkt am Gutachten von Saß kritisiere. Dieser erläuterte: “Es wird der Begriff der akzentuierten Persönlichkeit mit bestimmten Zügen beschrieben, im nächsten Punkt aber darauf hingewiesen, die Schwere der seelischen Abartigkeit nicht erreicht (sei), aber in den Mindestanforderungen ist anderes beschrieben; die Zuschreibung weicht hier von den Mindestanforderungen ab, wird aber nicht beschrieben.”; “Es geht nicht um meine persönliche Meinung, sondern: Kann ich aus dem Gutachten erschließen, was Saß mit akzentuierter Persönlichkeit meint; ich kann es unter Bezugnahme auf die Mindestanforderungen nicht erschließen, denn dort wird die akzentuierte Persönlichkeit ausschließlich auf das vierte Eingangsmerkmal bezogen und das trifft nach Saß nicht zu. Ich kann den Begriff nicht fassen. Es ist nicht meine Aufgabe, Deutungen vorzunehmen. Ich muss es aus dem Gutachten methodisch erschließen. Nur das. Ich muss es nicht deuten.”
    Zu den Items, welche Saß isoliert verwendet habe, führte er auf Nachfrage dezidiert aus: “Wenn man aus einer publizierten Liste einzelne Items entnimmt, ist das methodisch nicht zulässig. Sie können nicht etwas aus einem Fragebogen extrahieren und dann sagen, trifft zu und dann komme ich zu einer Schlussfolgerung.”; “Das Problem ist, dass die Psychopathie-Checkliste nicht für
    Frauen validiert ist).” Dem Einwand des Vorsitzenden, Saß so verstanden zu haben, dass dieser die Checkliste auch nicht anwende, entgegnete Faustmann: “Aber dann kann ich auch nicht einzelne Elemente extrahieren.”

    Zu der Sinnhaftigkeit der Hang-Kriterien nach Saß führte er aus: “Es sind systematisierte Hilfskonstrukte, die dazu dienen sollen, so schreibt Nedopil, um den Begriff des Hanges erfassen
    zu können. Es sind Anhaltspunkte, die aber in jedem Einzelfall sehr kritisch überprüft werden – gerade im Hinblick auf die Frage, ob es sich um überdauerndes Verhalten handelt oder aber bestimmte Merkmale einer Lebensphase. Es handelt sich nicht um ein Testverfahren, es liegen keine Daten zur Objektivität und zur Reliabilität vor, die Gewichtung ist nicht ersichtlich. Es werden keinerlei protektive Aspekte der Resilienz genannt.”
    Auf die Frage von Rechtsanwalt Stahl nach der Einordnung der Erfahrungen eines Sachverständigen in seine Begutachtung erklärte Faustmann: “Ich habe ausgeführt, dass es problematisch ist, sich auf die eigenen Erfahrungen zu beziehen, wenn auf den Einzelfall bezogen der Erfahrungsrahmen nicht vorliegt und ein ganz anderer Erfahrungsrahmen die Grundlage für die Erstellung der Kriterien vorgibt. Die Hangkriterien wurden auf der Basis der Erfahrung erstellt. Sie beziehen sich auf Menschen, die im Hinblick auf einen Hang sachverständig begutachtet wurden. Dieses Klientel bestand 1991 bis 2001 nahezu ausschließlich aus Männern einer bestimmten Konstellation, einem überwiegenden Anteil mit Persönlichkeitsstörungen und Sexualstraftäter. Es gibt einen Erfahrungspool, das ist keine Frage. Aber der besteht aus überwiegend männlichen Probanden. Es ist dann methodisch überaus bedenklich und schwierig, diese Kriterien bei einer Person zugrunde zu legen, die nicht darunterfällt. Ich denke, das muss man offen ansprechen, dass erhebliche Einschränkungen in der Beurteilbarkeit bestehen. Es gibt hinsichtlich der methodischen Anwendbarkeit große Bedenken.”

    Auf die Frage von Rechtsanwalt Scharmer, ob es verschiedene Positionen in der Wissenschaft zu der Frage nach dem Untersuchungsgegenstand des psychiatrischen Sachverständigen gäbe, stellte er klar: “Die gibt es immer. Die müssen transparent und nachvollziehbar sein, ich habe in meiner ersten Stellungnahme durchaus verwiesen auf Leygraf, wonach Saß sich sehr weit bei § 66 StGB aus seinem Kerngebiet entfernt hat. Nedopil hat ausgeführt, dass es sich überwiegend um kriminologische Kriterien handelt.”
    Rechtsanwältin Wierig erklärte er auf ihre Frage zu einzelnen, von Saß verwendeten Items einer der Psychopathie-Checklisten nach Robert Hare, ob es nicht sinnvoll sei, Einzelteile einer Falluntersuchung zu nehmen, wenn das ganze Modell nicht anwendbar sei, warum die einzelne Anwendung nicht zulässig sei: “Es ist ein methodischer Grundsatz, dass man bei Testverfahren dieses immer nur auf seine Anwendbarkeit hinnehmen kann. Wenn ein Testverfahren zur Entwicklung von Apfelsorten entwickelt wurde, kann ich nicht drei Merkmale daraus entnehmen und eine Birne beurteilen. Testverfahren sind an bestimmten Personen validiert. Wenn das Verfahren anhand von 50-jährigen Männern entwickelt wurde, kann ich damit nicht 30-jährige Frauen begutachten.“
    Angesprochen auf die insoweit unbefriedigende Situation bekräftigte er: “Wenn bestimmte Voraussetzungen nicht vorliegen, kann ich als psychiatrischer Sachverständiger nichts dazu sagen. Punkt. Der Wissenschaftler kann nicht sagen: Ich orientiere mich an den Bedürfnissen der Rezipienten. Ich muss vielmehr sagen: Ich weiß es nicht. Wenn man anfängt, über den eigenen Tellerrand da und da zu schauen, muss man das mit großer Vorsicht kommunizieren, um nicht den Eindruck zu erwecken, man steht auf sicheren Füßen. Das ist dann eine nicht mehr wissenschaftlich begründbare Stellungnahme.”

    Stahl: “Ja., Herr Vorsitzender, in dem Zusammenhang kein unmittelbarer Antrag, sondern eine Anregung: Der Sachverständige Prof. Dr. Saß hat gestern das ihm eingeräumte Fragerecht gegenüber Prof. Dr. Faustmann nicht wahrgenommen. Stattdessen hat er angekündigt, er wolle eine Stellungnahme – offenbar in der Hauptverhandlung – abgeben. Wir sind der Auffassung, dass das prozessual nicht zulässig ist. Sollte das in anderer Form seitens des Senats doch stattfinden, dann sind wir der Auffassung, dass von Amts wegen dafür gesorgt werden muss, dass Herr Prof. Saß nicht an Herrn Prof. Faustmann vorbei versuchen kann, sein Gutachten zu retten; sondern Faustmann muss anwesend sein. Hilfsweise müssten Sie uns Gelegenheit geben, dass wir Herrn Faustmann dann zu der unseres Erachtens nicht zulässigen Stellungnahme laden können.”

    RAin Von der Behrens: “Ich bitte um 15 Minuten Unterbrechung und Aushändigung der Kopien der anderen Anträge, damit wir beraten können, ob wir den Antrag noch stellen.” Götzl: ” Dann empfiehlt es sich, direkt die Mittagspause zu machen. Dann unterbrechen wir gleich für eine Stunde und setzen um 12 Uhr fort.” Es folgt die Mittagspause bis 12:12 Uhr.

    Danach verliest RAin von der Behrens folgenden Antrag:
    In der Strafsache ./. Zschäpe u.a. 6 St 3/12 haben die Unterzeichner immer darauf hingewiesen, dass die Gewaltbereitschaft, Gewalttätigkeit und Menschenverachtung der extrem rechten Szene nicht auf das Wirken von V-Leuten oder staatlichen Behörden zurückzuführen ist, sondern auf die in der extrem rechten Szene vorherrschende Ideologie. Die Unterzeichner meinen dennoch, dass die staatliche Kollusion in diesem Verfahren aufzuklären ist. Denn die Aktivitäten des Verfassungsschutzes und insbesondere sein V-Mann-Wesen haben bei der Entstehung des NSU und seinen Taten ihren Anteil. Vor diesem Hintergrund ist die V-Mann-Tätigkeit des Zeugen Stephan Lange –”Pinocchio“ – hier erheblich, der am 28. April 2015 in der Hauptverhandlung gehört wurde. Er gab damals an, von der Gründung bis zum März 2000 “Divisionschef” von Blood & Honour Deutschland gewesen zu sein. Zum Charakter von B&H gab er an, es sei eine eine Musikbewegung gewesen, Gewalt gegen den politischen Gegner oder Konzepte wie der führerlose Widerstand hätten keine Rolle gespielt. Auf Frage der Nebenklage sagte er, zu keinem Zeitpunkt von einer Verfassungsschutzbehörde angesprochen worden zu sein oder einer solchen Informationen weitergeleitet zu haben. Demgegenüber berichtete am gestrigen 16.05.2017 die ARD, dass Lange V-Mann gewesen sei. Dazu sei es gekommen, nachdem das LKA Berlin von Thomas Starke einen Hinweis erhalten habe, dass Lange möglicherweise zur Zusammenarbeit bereit sei.

    Das LKA Berlin 514 habe ihn dann an das Bundesamts für Verfassungsschutz vermittelt. In einem nachfolgenden Bericht des Tagesspiegels wird ergänzt, dass das BfV eingeräumt hat, Lange als V-Mann geführt zu haben. Das BfV hat dem Artikel zufolge konkret zugegeben, dass ein erster Kontakt zu Lange im Jahr 2000 erfolgt sei und er Anfang 2002 verpflichtet worden sei. Insoweit hat der Zeuge also falsch ausgesagt. Unrichtig waren auch seine Angaben zur fehlenden Militanz von B&H. Sie sind bereits durch die Verlesung von Artikeln aus dem von ihm herausgegebenen Blood & Honour Magazin Nr. 2 aus dem Jahr 1996 widerlegt, in denen u.a. das Terrorkonzept leaderless resistance vorgestellt und Gewalt verherrlicht wird. Die erneute Ladung des Zeugen Lange wäre wegen dessen bisherigen Aussageverhaltens nicht zielführend.
    Es wird daher beantragt, 1. die bei dem LKA Berlin und dem BfV vorhandenen Aktenbestandteile beizuziehen, die Informationen von dem V-Mann Stephan Lange enthalten zur Unterstützung von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und der Angeklagten Zschäpe mit Geld, Ausweispapieren, Wohnungen und Waffen, dem Aufenthaltsort der Drei, zu der Existenz des NSU und zu dem Innenverhältnis der Drei, sowie die Beiziehung der Aktenbestandteile, die Informationen zu der Nähe und der Zusammenarbeit von Blood & Honour-Strukturen mit der Kameradschaftsszene und der Verbreitung der Ideologie und der Terrorkonzepte von Combat 18 in der gesamten Neonaziszene, enthalten unter der Nebenklage Akteneinsicht in diese zu gewähren; 2. die V-Mann-Führer des BfV, die Stephan Lange in der Zeit von 2000 bis 2011 geführt haben, zu ermitteln und zu laden und zu dem oben beschriebenen Inhalt der Meldungen des Stephan Lange zu hören.

    Begründung:
    I. Der Antrag kann derzeit nur als Beweisermittlungsantrag gestellt werden, da über die in den Medien veröffentlichten Informationen zu der V-Mann-Eigenschaft des Stephan Lange hinaus nichts bekannt ist. Dem Beweisermittlungsantrag ist aus folgenden Gründen nachzugehen:
    1. Der Zeuge Lange hat in der Hauptverhandlung angegeben, Carsten Szczepanski sowie die Mitglieder bzw. das unmittelbare Umfeld der sächsischen B&H-Sektion, wie Jan Werner, Antje B. geschiedene Probst, Thomas Mü., geborener Starke, “Gunnar”, also Gunther Fiedler, Andreas Graupner und Ralf Marschner sowie von der thüringischen B&H Sektion wenigstens Marcel Degner und Mike Bär zu kennen. Mit Jan Werner sei er befreundet gewesen, diese Freundschaft sei auch nicht durch die Trennung der sächsischen Blood & Honour-Sektion von der Division im Oktober 1998 beeinträchtigt worden. Die bisherige Beweisaufnahme hat ergeben, dass Jan Werner und Antje B., geschiedene Probst, dem V-Mann Carsten Szczepanski mindestens in der Zeit von August bis Oktober 1998 vom Aufenthaltsort des Trios, von den Versuchen des Trios sich zu bewaffnen und Raubüberfälle zu begehen sowie von der Unterstützung des Trios durch die sächsische Blood & Honour-Sektion berichtet haben.

    Die Beweisaufnahme hat weiter ergeben, dass mit erheblicher Wahrscheinlichkeit Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe am 7. Mai 2000 Jan Werner und dessen damalige Freundin Annett We. oder ihre Schwester, Heike Be. in Berlin getroffen haben. Thomas Starke wurde im Rahmen des Landser-Verfahrens und mit Wissen des GBA durch das LKA Berlin, konkret durch den Zeugen Th. als Informant angeworben. Am 13.02.2002 berichtete Starke dem LKA, dass Jan Werner drei Personen kenne, die wegen Waffen- und Sprengstoffbesitzes mit Haftbefehl gesucht würden. Wie viel Jan Werner über das Trio gewusst haben muss, zeigt sich auch daran, dass er nach der Selbstenttarnung des NSU dem Zeugen Thomas Starke erzählt hat, Mundlos und Böhnhardt seien “ganz schön krass drauf” gewesen, die hätten ihm einmal eine Waffe an den Kopf gehalten und gesagt, er solle aufpassen, wem er was erzähle. Da Stephan Lange als Freund und Divisionschef für Jan Werner mindestens so wichtig war wie Carsten Szczepanski und Thomas Starke, wird Werner auch Lange die zahlreichen Informationen zu seiner eigenen Unterstützungsleistung an das Trio und zu den Unterstützungsleistungen der B&H-Sektion mitgeteilt haben.

    Lange wird diese Erkenntnisse mit seinem V-Mann-Führer beim BfV geteilt haben, was sich in Deckblattmeldungen, Treffberichten und dessen Erinnerung niedergeschlagen haben wird. Selbst wenn es zutreffend ist, dass Lange erst seit 2000 oder 2002 für das BfV gearbeitet hat, ist davon auszugehen, dass die Informationen zu der Zeit von 1998 dem BfV vorliegen. Es ist üblich, bei der Anwerbung von V-Leuten deren relevantes Wissen auch über vergangene Ereignisse abzuschöpfen. Dem BfV, das im Rahmen der Operation Drilling die Meldungen von Szczepanski von Brandenburg selbst nach Thüringen steuerte, waren die Unterstützungsleistungen durch Angehörige der B&H-Sektion Sachsen auch bekannt. Bei Gewinnung eines hochrangigen V-Manns in dieser Szene an diese brisanten Informationen anzuknüpfen, lag damit für das BfV auf der Hand. Dies gilt erst recht, weil der V-Mann dem Tagesspiegel-Bericht zufolge explizit auf eine weitere Radikalisierung des B&H-Milieus bis hin zu terroristischen Aktivitäten angesetzt war. Ebenso lag es nahe, an die Meldung des LfV Mecklenburg-Vorpommern anzuknüpfen, der von David Petereit herausgegebene Weisse Wolf habe im Jahr 2002 einen Brief mit einer hohen Geldspende erhalten, auf die in dem Weissen Wolf Nr. 18 aus demselben Jahr Grüße an den “NSU” folgten. Dass das BfV auf diese Erkenntnisse mit der Steuerung von V-Männern reagierte, zeigt sich auch daran, dass der V-Mann Thomas Richter – “Corelli” – nach der Veröffentlichung der Grüße das Hosting für die Webseite des Weissen Wolfes übernahm.

    2. Stephan Lange zog zwischen 2000/2001 nach Kirchheim in Baden-Württemberg, das in
    unmittelbarer Nähe von Ludwigsburg und Heilbronn liegt; in diese Gegend waren u.a. auch Jan Werner und Andreas Graupner gezogen. Was Lange in seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung behauptet hat, nämlich, dass er in der Zeit nach dem B&H-Verbot keine Kontakte in die Szene mehr gehabt habe, ist durch die Angaben des BfV gegenüber dem Tagesspiegel widerlegt, wonach Lange “mehrere Jahre ‘ergiebig’ über Skinhead-Milieus berichtete, die in Deutschland illegal Blood & Honour weiter betreiben wollten”. Vor diesem Hintergrund muss unter anderem davon ausgegangen werden, dass Stephan Lange aufgrund seiner bundesweite Vernetzung in der Neonaziszene, von den im Jahr 2002 an rechte Szenezeitschriften und Organisationen verschickte NSU-Briefe und Geldspenden wusste und dieses Wissen auch dem BfV mitteilte.

    II. Die Beweiserhebung wird ergeben, dass die Trennung der Blood & Honour-Sektion von der Division Deutschland nur aus taktischen Erwägungen erfolgte und nicht – anders als die Verteidigung Wohlleben in ihren damaligen Beweisantrag zur Vernehmung des Zeugen Lange behauptet – wegen derer größerer Radikalität. Sie wird ferner ergeben, dass es zwischen den ehemaligen B&H-Strukturen, auch in Thüringen und Sachsen, und der Freien Kameradschaftsszene durchgängig eine Zusammenarbeit gab. Die Beweiserhebung wird damit ergeben, dass dem BfV schon vor dem Jahr 2007 alle Erkenntnisse vorlagen, die die Gefährlichkeit des Trios belegten. Sie wird weiter ergeben, dass das BfV Informationen über den Aufenthaltsort des Trios und seine Unterstützer hatte, die bei Weitergabe an die Strafverfolgungsbehörden zur Festnahme des Trios und Verhinderung von dessen Verbrechen geführt hätten. Gleichwohl hat das BfV die Taten nicht verhindert und greift seit der Selbstenttarnung des NSU 2011 steuernd in die Ermittlungen und die Aufklärung des NSU-Komplexes ein. Im Fall des Stephan Lange dadurch, dass der V-Mann nicht nur unwidersprochen durch den Dienst seine Tätigkeit als V-Mann leugnet, sondern in der Hauptverhandlung auch darüber hinaus unrichtige oder verharmlosende Angaben zu B&H und zu Unterstützern, wie Jan Werner, machte. Vor allem aber dadurch, dass das BfV die V-Mann-Eigenschaft des Stephan Lange dem GBA gegenüber nicht freigegeben hat und die Quellmeldungen Stephan Langes zu dem Trio und seinen Unterstützern nicht an den GBA weitergeben hat. Zudem wird sich aus der vorzunehmenden Beweisaufnahme mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben, dass Lange dem BfV gegenüber über den Kontakt mit Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe zu ihm bzw. zu Werner Details berichtete, die auch die Struktur und das Verhältnis der drei untergetauchten Personen untereinander betrafen und damit die Angaben der Angeklagten Zschäpe widerlegen.

    Der Antrag ist unterschrieben von den NK-Vertreter_innen Başay, von der Behrens, Daimagüler, Elberling, Hoffmann, Luczak, Ilius, Lunnebach, Scharmer und Stolle. Götzl: “Sind weitere Anträge zu stellen?” Niemand meldet sich. Götzl: “Soll denn zu den gestellten Anträgen sogleich von Seiten der Verfahrensbeteiligten Stellung genommen werden?” NK-Vertreterin RAin Wierig sagt, sie habe keine Stellungnahme, sondern eine Anregung zum Antrag von RA Grasel. Sie wolle zu bedenken geben, dass, wenn es um die Zeit Zschäpes bei Herrn Trepte gehe, dass dieser ihrer Meinung nach nicht verstorben sei: “Dann wäre er zu befragen, nicht Frau Annerose Zschäpe, denn die war ja nicht dabei.” Götzl: “Dann wird die Hauptverhandlung unterbrochen. Wir setzen dann fort morgen um 09:30 Uhr.” Der Verhandlungstag endet um 12:26 Uhr.

    Das Blog “NSU-Nebenklage“: “Heute lief die vom Gericht gesetzte Frist für die Stellung von Beweisanträgen ab – und in der Tat wurden noch einige Antrage gestellt. (…) Aus der Nebenklage kam der Antrag, die V-Mann-Akten des ehemaligen Deutschland-Chefs von Blood and Honour, Stefan Lange alias Pinocchio, beizuziehen. Der hatte bei seinem Auftritt vor Gericht geleugnet, V-Mann gewesen zu sein – gestern berichteten nun mehrere Medien, dass er mehrere Jahre lang V-Mann des Bundesverfassungsschutzes war und ‘ergiebig’ aus den (ehemaligen) Blood and Honour-Strukturen berichtet hat. Angesichts seiner herausgehobenen Stellung in Blood and Honour und seiner engen Freundschaft zu unmittelbaren UnterstützerInnen wie u.a. Jan Werner ist naheliegend, dass auch er Mitteilungen zum NSU-Kerntrio machte und dass diese dann wiederum vom Verfassungsschutz nicht an die Ermittlungsbehörden weitergeleitet wurden. Die Verteidigung Wohlleben beantragte die Vernehmung von Lange und weiteren Personen, allerdings in Verfolgung ihrer These, Blood and Honour Sachsen sei nicht nur alleine für die Radikalisierung des NSU-Kerntrios verantwortlich gewesen, sondern habe auch die Mordwaffe Ceska besorgt – beides Thesen, mit denen die Verteidigung bisher zu recht beim Gericht kein Gehör fand. Interessant ist ein Detail am Rande: Verteidigerin Nicole Schneiders zählte in einem der Anträge eine Reihe von V-Leuten aus dem unmittelbaren Umfeld des NSU in Thüringen und Sachsen auf – und nannte dabei auch den Thüringer Ronny Artmann. Der war bisher öffentlich nicht als V-Mann gehandelt worden. Artmann war zwischen 1998 und 2001 u.a. im THS und den ‘Jungen Nationaldemokraten’ in Jena aktiv, kam hier auch mit der damals in Jena studierenden Schneiders in Kontakt. Zudem war er einer der engsten Vertrauten des Angeklagten Schultze, wurde aber erst im Februar 2013 vom BKA vernommen und ist in der Liste der Kontaktpersonen in der Anklage nicht einmal erwähnt.”
    https://www.nsu-nebenklage.de/blog/2017/05/18/17-05-2017/

      Der Beitrag Protokoll 363. Verhandlungstag – 17. Mai 2017 erschien zuerst auf NSU Watch.

      Protokoll 375. Verhandlungstag – 25. Juli 2017

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      An diesem 375. Verhandlungstag schließt der Vorsitzende Richter Götzl die Beweisaufnahme und damit beginnt die Bundesanwaltschaft mit ihrem Plädoyer. Darin geht sie davon aus, dass die Anklage des GBA hinsichtlich aller fünf Angeklagter sich „objektiv und subjektiv in allen wesentlichen Punkten bestätigt“ habe. In einem einleitenden Teil spricht der Bundesanwalt Dr. Diemer davon, dass es nicht Aufgabe des Prozesses gewesen sei, staatliche Fehler aufzuklären, Anhaltspunkte für „strafrechtliche Verstrickungen“ staatlicher Stellen habe es nicht gegeben, „alle anderen Spekulationen selbsternannter Experten, die so tun, als habe es die Beweisaufnahme nicht gegeben, sind wie Irrlichter, sind wie Fliegengesumme in den Ohren“. Die Vertreterin der BAW, Greger, geht im Anschluss daran zunächst auf die Taten des NSU und die Hauptangeklagte Beate Zschäpe ein.

      Der Prozesstag beginnt um 9:46 Uhr. Auf den Plätzen der Verteidigung hat heute auch der Wahlverteidiger von Beate Zschäpe, RA Borchert, Platz genommen. Götzl verliest, dass es bei dem Beschluss von 19.7.2017 sein Bewenden habe, mit dem die Anträge, den Schlussvortrag der BAW akustisch aufzuzeichnen und die Datenträger an die Verfahrensbeteiligten auszuhändigen oder ihnen zu gestatten, zur ausschließlich internen Verwendung selbst aufzuzeichnen, abgelehnt wurden. Den Hilfsanträgen, die BAW zu ersuchen, hilfsweise um die Überlassung der Manuskripte zu ersuchen oder Stenotypisten hinzuzuziehen oder die Möglichkeit einzuräumen, Stenotypisten hinzuzuziehen werde nicht nachgekommen.

      Götzl sagt, zur Begründung der Gegenvorstellung sei vorgetragen worden, er stelle nur auf die Verteidiger als Volljuristen, aber nicht auf die Angeklagten als juristische Laien ab. Nach erneuter Prüfung unter besonderer Berücksichtigung der Gegenvorstellung könne der Senat keine Gründe erkennen: „Es hat demnach beim Beschluss sein Bewenden.“ Götzl geht noch einmal auf die Inhalte der Gegenvorstellung ein. RA Grasel habe im Hinblick auf den angegriffenen Beschluss darauf hingewiesen, dass er an der Mehrzahl der Verhandlungstag nicht teilgenommen habe. Dies ändere jedoch nichts daran, dass er in den Verfahrensstoff eingearbeitet und in der Lage sei, den Schlussvortrag zu verstehen. Entsprechendes gelte für RA Borchert. Es gebe keinen Anspruch auf Tonaufnahme des Schlussvortrags der BAW, sagt Götzl, und nennt dazu Fundstellen. „Im deutschen Strafprozess herrscht das Prinzip der Mündlichkeit. Bei der Prüfung ob eine Aufnahme doch zugelassen wird, werden die beteiligten Interessen abgewogen. Bei realistischer Betrachtung ist es möglich, dass die Aufnahme in die Öffentlichkeit gelangt.“ Dass derartige Befürchtungen einen realistischen Hintergrund hätten, ergebe sich beispielsweise aus der Veröffentlichung eines Briefes der Angeklagten. Zusätzlich sei zu sehen, dass bei einer Aufnahme zu besorgen sei, dass die Vertreter des GBA davon Abstand nehmen, spontan Ergänzungen in den mündlichen Vortrag einzuflechten.

      Im Hinblick auf die Gegenvorstellung sagt Götzl, diese trage erneut vor, der objektive Gehalt eines Plädoyers stehe derart im Vordergrund, dass die Persönlichkeit des Sprechenden zurücktrete. Ein überwiegendes Interesse der Allgemeinheit sei nicht ersichtlich. Die vorgeschlagene Bereinigung einer Aufnahme möge zwar für peinliche Versprecher eine Möglichkeit sein, zusätzlich sei die Möglichkeit zu sehen, dass ganze Sätze aus dem Zusammenhang gerissen werden könnten. Die Gegenvorstellung sehe nur eine geringe Gefahr, dass es überhaupt zu Versprechern kommen könne, weil der Schlussvortrag schriftlich vorliege. Letzteres treffe jedoch nach den Angaben von Dr. Diemer nicht zu. Der Hinweise, die Presse würde Versprecher ebenfalls wahrnehmen gehe fehl, weil in Printmedien die Verwendung des Originaltons nicht möglich sei.

      Götzl fährt fort, die Gegenvorstellung berufe sich darauf, dass die Angeklagten ohne Tonaufnahme nicht mehr verhandlungsfähig seien. Für die strafrechtliche Verhandlungsfähigkeit genüge es aber, wenn der Angeklagte seine Interessen wahrnehmen könne. Der Angeklagte werde vor Entscheidungen des Gerichts unabhängig von seinen Verteidigern gehört. Die Anforderungen an die Verhandlungsfähigkeit entzögen sich einer pauschalen Festlegung. Das OLG Stuttgart habe dazu entschieden, das Gebot, den Angeklagten nicht als bloßes Objekt des Strafverfahrens zu behandeln, bedeute, dass ihm Verfahrensrechte eingeräumt werden müssten. Es bedeute nicht, dass er die Rechte in jeder Hinsicht selbstständig und ohne Hilfe wahrzunehmen können müsste. Die Grenze der Verhandlungsfähigkeit müsse dort gezogen werden, wo die Entscheidung über grundlegende Fragen der Verteidigung nicht mehr möglich sei. Götzl beendet seine Ausführungen damit, dass die die Gründe, die gegen einen Aufnahme des Schlussvortrags des GBA sprechen, überwiegen würden: „Es hat demnach beim Beschluss sein Bewenden.“

      Die Anträge, den mündlichen Vortrag auf Kosten des Gerichts durch Stenotypisten aufzeichnen zu lassen, lehnt Götzl genauso ab wie die Anträge, die Schlussvorträge in Kopie zur Verfügung zu stellen. Unvollständige Dokumente erfüllten nicht den von den Antragstellern erstrebten Zweck. Den wiederum hilfsweise gestellten Antrag, dass der Senat den Vortrag durch einen Stenotypisten aufzeichnen lasse, werde nicht nachgekommen. Der Senat gehe davon aus, dass es auf die Fixierung des genauen Wortlauts nicht ankomme, Die sinngemäße Niederschrift des Plädoyers durch die Beteiligten sei hierfür ausreichend. Götzl: „Die Anträge auf Aushändigung einer Kopie der Mitschrift haben sich erledigt.“

      Zschäpe-Verteidiger RA Heer beantragt die Übergabe einer Abschrift und eine Unterbrechung bis 11:30 Uhr, um zu entscheiden ob ein Ablehnungsgesuch angefertigt werden soll. Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders: „Auch wir beantragen eine Unterbrechung und eine Abschrift.“

      Um 11:53 geht es weiter. Götzl: „Werden denn Anträge gestellt von Seiten der Verfahrensbeteiligten? Keine? Dann schließe ich die Beweisaufnahme und bitte um die Schlussvorträge.“ Bundesanwalt Dr. Diemer: „Ich möchte gern meine Notizen holen, die hab ich nämlich oben.“ Götzl unterbricht bis 12:00 Uhr. Dann beginnt Diemer mit dem Plädoyer der BAW:

      Hoher Senat, die Beweisaufnahme ist nach 375. Hauptverhandlungstagen, nach vier Jahren und mehreren Monaten zum Abschluss gekommen. Eine Beweisaufnahme, die das politische und mediale Interesse nicht immer befriedigen konnte, weil die Strafprozessordnung dem Grenzen setzte. Rechtsstaatliche Grenzen, die verlangen, das Wesentliche vom strafprozessual Unwesentlichem zu trennen. So ist es schlicht und einfach falsch, wenn kolportiert wird, der Prozess habe die Aufgabe nur teilweise erfüllt, denn mögliche Fehler staatlicher Behörden und Unterstützerkreise – welcher Art auch immer – seien nicht durchleuchtet worden. Mögliche Fehler staatlicher Behörden aufzuklären, ist eine Aufgabe politischer Gremien. Anhaltspunkte für eine strafrechtliche Verstrickung von Angehörigen staatlicher Stellen sind nicht aufgetreten. Wären sie aufgetreten, wären sie in gesetzlich vorgesehener Weise aufgeklärt [oder ermittelt]worden.

      Die Ermittlung eines weiteren Unterstützerumfelds ist bei Bestehen entsprechender Anhaltspunkte Aufgabe weiterer Ermittlungen. Sie konnte nicht Aufgabe dieses Prozesses sein, denn der Gegenstand war durch die zur Anklage gebrachten Taten vorgegeben. Diese klaren Strukturen müssen in einem Rechtsstaat eingehalten werden, dieser Senat und die Bundesanwaltschaft haben sie eingehalten. Anderes zu behaupten, verunsichert die Opfer und die Bevölkerung. Bezogen auf den strafprozessualen Gegenstand der Hauptverhandlung, nämlich die angeklagten Taten und die Schuld der Angeklagten, ist die Hauptverhandlung ihrer systemrelevanten Bedeutung, aber auch der menschlichen, gesellschaftlichen und historischen Bedeutung in jeder Hinsicht gerecht geworden. Sie war in ihrem Ausmaß, Gewissenhaftigkeit und Gründlichkeit das adäquate Pendant nicht nur zu dem ungeheuer komplizierten Verfahrensstoff, sondern auch zu den infamsten Taten seit den linksextremistischen Mordanschlägen der RAF. Diese umfassende Beweisaufnahme hat die Anklage des GBA hinsichtlich aller fünf Angeklagter objektiv und subjektiv in allen wesentlichen Punkten bestätigt.

      Danach hat Beate Zschäpe als Mitgründerin und Mitglied einer terroristischen Vereinigung, die sich NSU nannte, gemeinsam mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos zehn Menschen ermordet, in der Zeit zwischen 1998 und 2011 neun Menschen türkischer und griechischer Herkunft ermordet und einen Anschlag auf Polizeibeamte begangen, bei dem eine Polizeibeamtin verstarb und ihr Kollege schwer verletzt wurde. Die Angeklagte Zschäpe hat als Mittäterin in tödlicher Absicht einen Bombenanschlag auf das Ladengeschäft einer deutsch-iranischen Familie verübt und dabei eine junge Frau aufs schwerste verletzt, sowie als Mittäterin eine Nagelbombe mit großer Sprengkraft in der Keupstraße zur Explosion gebracht, um möglichst viele Menschen türkischer Herkunft zu töten, und hat dabei 23 Personen zum Teil schwer verletzt. Diese Mordanschläge hat sie auf einer DVD auf zynische und volksverhetzender Weise dargestellt und die Opfer damit verhöhnt. Zur Finanzierung des Lebensunterhalts im Untergrund hat Beate Zschäpe mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt als Mittäterin besonders besonders schwere Überfälle auf einen Supermarkt und mehrere Bankinstitute […] verübt, dabei insgesamt über 600.000 € erbeutet und zweimal in tödlicher Absicht auf einen Menschen geschossen. Schließlich hat Beate Zschäpe nach dem letzten Überfall zur Verdeckung all dieser Taten das zuletzt bewohnte Haus in der Frühlingsstraße 26 in Zwickau in Brand gesetzt. Dabei rechnete sie damit, dass Menschen, die sich keines Angriffes versahen, zu Tode kommen könnten, und hat dies billigend in Kauf genommen.

      In dieser Hauptverhandlung wurde auch aufgeklärt, warum diese Menschen sterben mussten, warum Martin A. in den Kopf geschossen wurde, warum [die Betroffene des Anschlags in der Kölner Probsteigasse]so schwer verletzt wurde und warum die Nagelbombe in Köln explodierte und so viele Menschen verletzt werden mussten. Das Motiv war in allen Fällen rechtsextremistische Ideologie, der Wahn von einem ausländerfreien Land, dieses freie, freundliche Land, in dem wir leben, zu erschüttern, um einem widerwärtigen Naziregime den Boden zu bereiten. Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Yunus Turgut, İsmail Yaşar, Theodorus Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat wurden von Beate Zschäpe und ihren Komplizen hingerichtet, weil sie ausländischer Herkunft waren und in den Augen ihrer Mörder in Deutschland nichts zu suchen hatten. Weil andere Menschen davon abgeschreckt werden sollten, nach Deutschland zu kommen, weil Bürger ausländischer Herkunft dazu gebracht werden sollten, Deutschland zu verlassen. Diese Menschen wurden nicht aufgrund irgendeiner eigenen kriminologischen oder soziologischen Vorbelastung zum Opfer, sondern als willkürlich herausgegriffene Angehörige ihrer Bevölkerungsgruppe, nur dies allein bestimmte die Auswahl. Allein aus diesen Gründen explodierte die Bombe [in der Kölner Probsteigasse] und vor dem türkischen Frisiergeschäft.

      Auch die 22-jährige Polizeimeisterin Michèle Kiesewetter ist den Terroristen nicht aufgrund Persönlichkeit oder Verhalten zum Opfer gefallen. Abseits von haltlosen Spekulationen der Öffentlichkeit, haben die tatsächlichen Feststellungen in dieser Hauptverhandlung ein eindeutiges Ergebnis erbracht. Auch Kiesewetter sollte sterben als Repräsentantin des von den Extremisten verhassten Staates. Genau das Gleiche gilt für ihren Kollegen, den damals 24-jährigen Polizeimeister A., der den Mordanschlag mit einem Höchstmaß an Glück überlebte. Sein Traumberuf ließ ihn zu Beginn des Dienstes zum Opfer eines Anschlags werden. Der Anschlag auf die beiden Polizeibeamte war Angriff auf unseren Staat, seine Vertreter und Symbole. Die Auswahl der Personen selbst geschah auch hier willkürlich. Alle anderen Spekulationen selbsternannter Experten, die so tun, als habe es die Beweisaufnahme nicht gegeben, sind wie Irrlichter, sind wie Fliegengesumme in den Ohren.

      Die Täter, das werden wir darlegen, waren Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe. Sie waren es, die als sog. NSU […] mit diesem Terror überzogen und dieses Unheil angerichtet haben. Sie waren es, die all diese angeklagten Straftaten begangen, in Mittäterschaft als Mitglieder einer terroristischen Vereinigung, unterstützt durch die vier anderen Angeklagten. Auch hinsichtlich dieser vier Personen hat sich der Sachverhalt in allen Punkten bestätigt, wie angeklagt. Die überlebenden Täter und ihre Unterstützter und Gehilfen sitzen hier auf den Bänken, sie heißen Beate Zschäpe, Ralf Wohlleben, Holger Gerlach, André Eminger und Carsten Schultze.

      Diemer schließt den ersten Teil des Plädoyers ab: „Ich würde mir dann erlauben, jetzt abzugeben an OStAin Greger, die Ausführungen machen wird zu Beate Zschäpe und zur Vereinigung, gefolgt von OStA Weingarten, der zu den vier weiteren Angeklagten und zur Beschaffung der Mordwaffe Ceska plädieren wird. Zum Abschluss würde ich wieder das Wort ergreifen und zu den Rechtsfolgen Ausführungen machen.“

      Dann beginnt OStAin Anette Greger damit, ihren Teil des Plädoyers vorzutragen:
      Hoher Senat, Herr Vorsitzender. Ich werde meinen Teil in zwei Teile gliedern.
      Der erste Teil wird kurz auf die Einlassung Beate Zschäpes eingehen, es folgt die Vorgeschichte und die Periode der Gründung der Vereinigung. Danach werde ich Ausführungen zur Struktur der Vereinigung und mitgliedschaftlichen Betätigung Beate Zschäpes machen. In diesem Komplex werde ich darlegen, wie zwei erfolglose Narzissten und die Tochter zweier Zahnärzte das Land terrorisierten und keiner vor ihnen sicher war. Kein Migrant, kein Polizeibeamter, und auch kein Angestellter oder Kunde einer Bank oder eines Supermarktes. Im zweiten Teil werde ich auf die einzelnen Straftaten im Einzelnen eingehen.
      Greger fragt, bevor sie fortfährt: „Gibt es Vorgaben zur Mittagspause?“ Götzl antwortet, er denke, man könnte gegen 13 Uhr eine Pause machen.

      Greger setzt fort:
      Einige Ausführungen zur Einlassung der Angeklagten Beate Zschäpe:
      Die Angeklagte hat am 249. Hauptverhandlungstag in einer vom Verteidiger verlesenen und nach der Aussage der Verteidiger weitgehend von diesen vorformulierten Erklärung jede Art der Beteiligung und Form der Verantwortung von sich gewiesen. Sie habe sich von der rechten Gesinnung distanziert und sei in die Mordanschläge nicht eingeweiht gewesen. In der Gruppe sei sie zunehmend isoliert und misstrauisch beäugt worden, Entscheidungen seien ohne sie getroffen worden. Eine terroristische Vereinigung habe überhaupt nicht existiert. Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos hätten ohne ideologische Hintergründe getötet. Sie selbst habe resigniert und habe zunehmend Alkohol getrunken. Geleitet von einem Motivbündel aus Liebe, Unsicherheit, Loyalität und
      […], habe sie nicht die Kraft gehabt, sich zu lösen. Von der Beute aus den Banküberfällen habe sie profitiert, ohne an der Planung beteiligt gewesen zu sein. Den Brand in der Frühlingsstraße am 4.11.2011 habe sie zwar gelegt. Vor der Inbrandsetzung habe sie sich jedoch vergewissert, dass keine Personen gefährdet würden.

      In weiteren Einlassungen ist die Angeklagte auf konkrete Fragen des Senats zu einzelnen Komplexen in schriftlich vorformulierter Form und von den Verteidigern verlesen eingegangen, ohne jedoch die Grundidee ihrer Exkulpation zu verändern. Auch sie selbst sei wiederholt der Gewalt von Uwe Böhnhardt ausgesetzt gewesen.

      Auch in einer an die Opfer gerichteten persönliche Erklärungen hat sie keine Schuld übernommen. Im weiteren Verlauf des Prozesses hat sie eine spontane tatbezogene Auskunft durchweg abgelehnt. Den Vertretern der Anklage und der Nebenklage wie auch dem psychiatrischen Sachverständigen Prof. Dr. Saß stand sie überhaupt keine Rede. Auf ein Gespräch mit den von ihren Verteidigern beauftragten Dr. Bauer ließ sie sich zwar ein, aber die Exploration beschränkte sich darauf, ihr eigenes Dilemma und Leiden durch Böhnhardt auszumalen.

      So blieben Widersprüche zu den belastenden Angaben der Mitangeklagten offen. Der Auseinandersetzung mit wichtigen Beweismitteln verweigert sie sich nach wie vor. Den Fragen der Opfer und Hinterbliebenen hat sie sich nicht gestellt. Eine derartige Strategie eines adaptierten Teilschweigens scheint für die Überzeugungsbildung eines Strafsenats nur bedingt geeignet. Setzt man sich mit der Einlassung inhaltlich auseinander, lassen die offensichtlichen Divergenzen zu belastenden Beweismitteln nur eindeutige schuldindizielle Schlüsse zu. Die Angeklagte zeichnet nämlich ein Bild von sich und der Dreier-Gruppe, wie es nicht zutreffen kann nach der Beweisaufnahme. Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos verübten von 1999 bis 2007 insgesamt 13 hinterhältige Mordanschläge. Bei der Begehung der 15 bewaffneten Überfälle zögerten sie nicht einen Moment, auf wehrlose Opfer Schüsse abzugeben. Ihren Gesinnungsgenossen Carsten Schultze und Ralf Wohlleben gegenüber haben sich Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos mit ihren Taten gebrüstet. Die Vorstellung, dass Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos eine Beate Zschäpe geduldet hätten, wenngleich sie zunehmend Alkohol trank und ihnen widersprach, ihre Taten ablehnte, wirkt mit Blick auf das enorme Entdeckungsrisiko nicht überzeugend. Es stellt sich die Frage: Wie oft kann eigentlich die Gesinnungsgenossin Beate Zschäpe von den rechtsextremistischen Anschlägen nach dem Untertauchen überrascht und enttäuscht gewesen sein – nachdem sie sich, was sie verschweigt, in Richtungsdiskussionen vorher für den bewaffneten Kampf ausgesprochen hat, und nachdem sie, was sie ebenfalls ausspart, nach dem Untertauchen stolz mit den beiden das Spiel Pogromly gebastelt hatte.

      Wie passen die Kosenamen Killer und Cleaner im Wetteinsatz dazu? Wie fügt sich in dieses Bild, dass sie wenige Tage nach dem Anschlag in der Keupstraße bestens gelaunt mit den beiden Uwes in den Urlaub fährt. Die Lichtbilder aus dem Urlaub vom 21.07. bis 06.08.2004, die die spezielle Innigkeit und Intimität der drei Personen zeigen, wurden in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen. Der Sachverständige Di. [siehe 299. Verhandlungstag]hat die Aufnahmezeit anhand seiner technischen […] überzeugend dargestellt.

      Die Beweisaufnahme hat umfassende, in sich stimmige Erkenntnisse zu dem Zusammenleben im Untergrund ergeben. Danach verband Beate Zschäpe mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos ein vertrautes und über Jahre exklusives Verhältnis, in dem sich die Angeklagte gut aufgehoben fühlte. Die spontane Aussage der Angeklagten bei ihrer Verhaftung, die beiden Uwes wären ihre Familie gewesen, beschreibt diese Beziehung treffend und zutreffend. Dazu passt die Szene, die ein Mitangeklagter geschildert hat.

      Der Mitangeklagte Carsten Schultze hat glaubhaft bekundet, wie die beides Uwes, die er nicht persönlich kannte und das erste Mal traf, ihm gegenüber als Außenstehendem mit einem Sprengstoffdelikt prahlten. Bei der Waffenübergabe berichteten sie stolz über einen letztlich misslungenen Anschlag in Nürnberg. Einer von ihnen warnte “psst, Beate Zschäpe kommt”. Die Annahme, das habe der nicht Eingeweihten gegolten, wäre angesichts der Vorgeschichte und Sprengstoffdelikte zuvor nicht überzeugend. Vielmehr passt die beschriebene Angeberei perfekt auf die Persönlichkeit von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos und das Verhalten bei ihrem Erscheinen zu der Persönlichkeit der Angeklagten Beate Zschäpe, die die Macht und Position hatte, die anderen durch bloßes Erscheinen zur Vertraulichkeit zurückzurufen. Oder wie es ihr Cousin, Stefan Apel [siehe 61. und 62. Verhandlungstag]formuliert hat: sie hatte die beiden Männer im Griff. Der Versuch, sich zu entlasten, musste deshalb scheitern. Vertan bleibt die historisch einmalige Chance für die Opfer, dass ihre Fragen beantwortet würden.

      Greger: „Wie stellt sich der abzuurteilende Sachverhalt nach der Beweisaufnahme dar?“
      Die Angeklagte Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos tauchten 1998 in Jena gemeinsam unter. In Chemnitz formten sie im Untergrund zu dritt eine Zelle, die sich zunehmend von der rechten Szene abschottete. Ihr Plan sah von Anfang an vor, eine Serie von rassistisch motivierten Mordtaten zu begehen. Die Serie sollte möglichst lange und möglichst lange ohne Bekenntnis fortgeführt werden. Türkischstämmige Kleingewerbetreibende sollten eingeschüchtert werden. Gleichzeitig sollte der Staat als ohnmächtig vorgeführt werden. Zur Finanzierung der Taten dienten äußerst rücksichtslos ausgeführte Raubüberfälle.

      Die Aufgabenverteilung innerhalb der Gruppe war so konzipiert, dass die beiden optisch unauffälligen Männer die Anschlagsziele auskundschaften und die Anschläge ausführten. Die Angeklagte Beate Zschäpe fungierte als Tarnkappe. Sie sicherte den Unterschlupf der Gruppe und gewährleistete die bestmögliche und ungestörte Begehung der Anschläge. Sie verschleierte die Abwesenheiten der Männer, dokumentierte die Taten und begleitete sie aus der Wohnung heraus. Im Falle von Nachfragen der Nachbarn oblag es ihr, aus der Situation heraus Alibis zu ersinnen.

      RA Grasel unterbricht den Vortrag von OStAin Greger: „Beate Zschäpe kann in der Geschwindigkeit nicht folgen. Vielleicht nochmal bei Tarnkappe ansetzen.“

      Greger sagt, damit habe sie kein Problem und wiederholt den Teil. Sie fährt dann mit ihrem Teil des Plädoyers fort: Daneben war die Angeklagte mit der Archivierung und mit der Erstellung der letztlich von ihr persönlich veröffentlichten Bekenner-DVD befasst. Sie verfügte über ein gehöriges Mitspracherecht bei den gemeinsamen Finanzen, sie war der Kassenwart der Gruppe und durfte über die Gelder der Gruppe verfügen. Eingebunden war sie auch in Entscheidungen zu Aufenthaltsorten der Gruppe, bei der Legendierung von Böhnhardt und Mundlos, der Anmietung von Wohnungen und Wohnwagen, der Beschaffung von SIM-Karten, Mobiltelefonen, Ausweispapieren und Waffen. Innerhalb der Gruppe fand ein uneingeschränkter Wissensaustausch statt.

      Alle drei Personen verband ein starkes Gefühl der Zusammengehörigkeit, Überlegenheit und der Fremdenfeindlichkeit. Die Angeklagte wollte um jeden Preis, dass Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die Taten unentdeckt begehen und fortführen konnten und danach stets unversehrt zu ihr zurückkehren konnten. Von der Gründung bis zur gewaltsamen Auflösung im November 2011 verübten sie drei Sprengstoffanschläge, neun Hinrichtungen an Migranten, einen Mordanschlag auf einen Polizeibeamten und zur Finanzierung 15 bewaffnete Raubüberfälle. Nach dem Tod ihrer Gesinnungsgenossen sprengte sie ohne Rücksicht auf Menschenleben die Wohnung in der Frühlingsstraße in die Luft.

      Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass sich die Angeklagte zwar nicht eigenhändig an der Ausführung der Taten beteiligt hat. Aber sie war gleichberechtigtes Mitglied in der Untergrundzelle NSU. Und sie war in die Organisation und Logistik der Taten arbeitsteilig eingebunden. Sie tarnte das System NSU ab. Auf diese Weise wirkte sie auch an der Ausführung der Taten mit. Ihre Rolle stellt sich als so essentiell dar, wie die der beiden männlichen Gruppenmitglieder. Weder die Anschläge noch die Überfälle hätten ohne ihr Zutun in dieser Form stattfinden und gelingen können. Die Angeklagte war der entscheidende Stabilitätsfaktor der Gruppe. Ihre Rolle im Hintergrund entspricht nicht nur dem ideologischen Geschlechterbild der Szene. Bereits in den Jahre 1996 bis 1998 hielt sich die Angeklagte bei den gemeinsam verübten Straftaten in Jena von den Tatorten fern und sicherte ab. Zu erinnern ist etwa an die konspirative Garagenanmietung und Alibigabe bei ihrer polizeilichen Vernehmung im Jahr 1996. Dass sie sich bei den Taten im Hintergrund hielt, diente auch der Sicherheit der gesamten Gruppe. Als sich die drei Personen einmal gemeinsam in Berlin in der Nähe einer Synagoge aufhielten, fiel die Angeklagte Beate Zschäpe sofort und von ihr wahrnehmbar dem uniformierten Zeugen Gr. [siehe 317. und 326. Verhandlungstag]auf, und zwar so einprägsam, dass er sie später eindeutig identifizieren konnte.

      Auch wenn sich die Angeklagte von den Tatorten selbst fernhielt, waren ihr die Taten genauso wichtig wie den beiden Männern. Dies belegt ihr planvolles von der Gruppe überantwortetes Vorgehen, als sie vom Tod ihrer beiden Vertrauten erfahren hatte. Noch nach der Auflösung der Vereinigung setzte Beate Zschäpe alles daran, Beweismittel zu vernichten, und setzte nun eigenhändig weitere Menschenleben aufs Spiel. Anschließend ließ sie lieber ihre beiden Katzen auf der Straße zurück, als auf eine Veröffentlichung des gemeinsamen Lebenswerkes zu verzichten.

      Greger geht nun auf die die Entwicklung der Angeklagten Zschäpe und der verstorbenen Böhnhardt und Mundlos ein. Für die Frage, in welcher Form die Angeklagte in strafrechtlich relevanter Weise in die gemeinsamen Taten eingebunden war, ist es unabdingbar, sich mit dem gemeinsamem politischen und persönlichen Werdegang der Angeklagten, ihrer Persönlichkeit und den Personen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, mit denen sie zusammenlebte, auseinanderzusetzen. Denn die Vereinigung des NSU und die Mordanschläge entstanden nicht im luftleeren Raum. Sie sind eingebettet in eine ideologische und kriminelle Vorgeschichte. Zu dieser Vorgeschichte hat die Beweisaufnahme zuverlässige und klare Erkenntnisse erbracht. Die Entwicklung der drei Mitglieder konnte in der Beweisaufnahme verlässlich erleuchtet werden. Bereits in dieser Vorgeschichte hat Beate Zschäpe entgegen ihrer verniedlichenden Einlassung eine tragende Rolle gespielt. Das gemeinsame Leben nach dem Untertauchen ist von dieser Vorgeschichte geprägt und determiniert. Die Angeklagte bildete bereits vor dem gemeinsamen Abtauchen mit den beiden Verstorbenen einen zunehmend exklusiven Dreier-Bund. Die Angeklagte verbrachte ihre Kindheit und Jugend nach Aussage von ihrer Mutter und dem Cousin Stefan Apel in Jena. Sie wuchs vornehmlich bei den Großeltern auf, ihr Verhältnis zur Mutter ist belastet, zum leiblichen Vater hatte sie keinen Kontakt. In Jena wohnte sie u.a. im Stadtteil Lobeda, 1987 zog sie nach Winzerla. Im Herbst des Jahres 1996 wohnte Beate Zschäpe für kurze Zeit, bis Weihnachten, bei der Familie Böhnhardt. Am 25. Januar 1997 zog die Angeklagte Beate Zschäpe in die erste eigene Wohnung in der Schomerusstr. 5 in Jena, die sie bis zum Abtauchen am 26. Januar 1998 bewohnte.

      Die Angeklagte hat die Oberschule besucht und abgeschlossen, dann eine Ausbildung zur Gärtnerin, an die sich Anstellungen als Malergehilfin und Arbeitslosigkeit anschlossen. Ihre persönliche Beziehung war stark durch ihre Großmutter und später durch ihre vertrauensvolle Bindung zu Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos geprägt. Sie hat nie geheiratet und ist kinderlos. Ihr BZR-Auszug weist keine Vorstrafen auf.

      Die Angeklagte gelangte, wie sie selbst einräumt, und wie die Zeugen Apel und J. [siehe 93. und 107. Verhandlungstag]belegen, nach ihrer recht spartanischen Kindheit Anfang der 90er Jahre in die rechte Jugendszene von Thüringen. Beruflich und persönlich ohne wirkliche Perspektive, glitt sie nach einer Aussage des Jugendfreundes Rei. [siehe 192. Verhandlungstag]in die Kriminalität ab. In der rechten Szene in Jena lernte sie im Verlauf der Zeit Böhnhardt, Mundlos und die Mitangeklagten Gerlach und Wohlleben kennen die ebenfalls dem rechten Gedankengut anhingen, kennen. Intim befreundet war sie ab 1993 zunächst mit dem verstorbenen Mundlos, ab ihrem 19. Geburtstag mit Böhnhardt, was aber an ihrer engen Beziehung mit Mundlos nichts änderte. Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos entwickelten sich ab Mitte der 90er in Jena und in Thüringen zu bekannten Szenegrößen. Böhnhardt war ein auffälliger Jugendlicher, der bereits mit 14 Jahren in die Jugendkriminalität abglitt und mit wiederholten Fahrzeugaufbrüchen auffiel. Bereits als Jugendlicher zeigte er soziopathische Persönlichkeitszüge. Er war in seinem persönlichen Umfeld für seine Aggressivität und Hang zu Waffen bekannt und berüchtigt. Uwe Mundlos war intelligent und wortgewaltig. Beide bildeten den Führungskreis der Kameradschaft Jena, die formal von André Kapke [siehe 54., 84. und 96. Verhandlungstag] geleitet wurde. Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos vertraten bereits in dieser Zeit offen und zunehmend nachdrücklich extreme und rassistische, antisemitische und nationalsozialistische Positionen. Beide traten zunehmend offen in uniformgleicher Kleidung in Kombination mit Springerstiefeln auf, die bewusst der SA-Uniform nachempfunden war. Der Zeuge Tom Turner [siehe 228. und 234. Verhandlungstag]erinnerte sich, Mundlos und Böhnhardt spazierten in Uniformen durch die Stadt und verherrlichten den Nationalsozialismus.

      Mundlos war von seiner politischen Einstellung überzeugt, wollte etwas bewegen, war aktiv. Für ihn stand die Reinhaltung der Rasse im Vordergrund, den Multi-Kulti-Schmelztiegel hat er gehasst. Er wollte die Wiedereinführung des Nationalsozialismus und verehrte Rudolf Hess. Der Zeuge St. [siehe 202., 219. und 225. Verhandlungstag] erinnerte sich, Uwe Mundlos sei in Verbindung mit dem Kult um Hess gestanden. Er verbindet Mundlos mit Antisemitismus. Er habe auch versucht, ihn zu schulen. Böhnhardt beschreibt er mit sadistischen Zügen, aggressiv, Waffennarr. Sie rannten immer in Uniformen rum.

      Der Zeuge Ha. [siehe 192., 204. und 214. Verhandlungstag]führte aus, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos seien rassistisch gewesen. Beide verhöhnten Ausländer als minderwertig. Tino Brandt [siehe 127., 128., 142., 143. und 287. Verhandlungstag]erinnerte sich, dass Uwe Böhnhardt beim Mittwochsstammtisch in Uniform auftrat. Ilona Mundlos [siehe 102. Verhandlungstag]und Juliane Walther [siehe 98. und 99. Verhandlungstag]bezeugten weiter, das beide öfters in Uniformen rumgelaufen seien. Stefan Apel sagte, Uwe Mundlos habe Hetzgedichte gegen Ausländer geschrieben. Der Zeuge R. E. [siehe 137. Verhandlungstag] erinnerte sich, wie Mundlos einmal vor einem Konzert gegen die Juden gehetzt hätte, die auf der Welt nichts verloren hätten. Mundlos sei dafür gewesen, sich politisch zu organisieren. Er habe sich als Herrenmensch gefühlt. Der Zeuge Helbig [siehe 112. Verhandlungstag] bestätigte dies im Grundsatz, Uwe Böhnhardt habe Ausländer gehasst. Er habe die Auffassung vertreten, dass Ausländer in KZs interniert werden müssten und es am besten sei, sie zu vergasen. Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos provozierten zunehmend nicht nur in der rechten Szene, sondern forderten ganz offen die Zivilgesellschaft und die Sicherheitsbehörden heraus. Am 01.11.1996 traten sie bei einem Besuch der Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald in einer Bekleidung auf, die der SA-Uniform nachempfunden war. Der Vorfall wird in einem in der Hauptverhandlung verlesenen polizeilichen Ermittlungsvermerk geschildert, außerdem in einem ebenfalls verlesenen Behördenzeugnis des Verfassungsschutzes Thüringen. Augenzeuge damals war der Zeuge Enrico Pö. [siehe 194. Verhandlungstag], der sich noch an ein unangebrachtes und energisches Auftraten von Mundlos erinnerte.

      Gemeinsam verschafften sich Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos am 04.01.1997 Zugang zum Innenhof der PD Jena und notierten demonstrativ die Kennzeichen von Zivilfahrzeugen. Auch dieser Vorfall ist in dem verlesenen Behördenzeugnis des LfV Thüringen niedergelegt. Nach der Aussage des Zeugen Christian Kapke [siehe 189. und 301. Verhandlungstag]forderten Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos den Zeugen und andere Szenemitglieder auf, den Fuhrpark der Polizei auszukundschaften. Eine Liste von Kennzeichen von Zivilfahrzeugen der Polizei wurde bei der Durchsuchung der Garage am 26.01.1998 auch sichergestellt.

      Die Gesinnung der Angeklagten Beate Zschäpe fiel den Beamten des Verfassungsschutzes bereits frühzeitig, im Jahr 1995, mit einer provokanten rechten Aktion auf. Als sie am 10.09.1995 gemeinsam mit Uwe Böhnhardt, André Kapke und Holger Gerlach das Mahnmal der Opfer des Faschismus in Rudolstadt mit Eiern bewarfen und Handzettel verteilten, die unter anderem die aus heutiger Sicht bemerkenswerte Passage enthielten “lieber stehend sterben als kniend leben”. Der Zeuge Mario Brehme [siehe 218., 237. und 259. Verhandlungstag]erinnerte sich, dass Beate Zschäpe von ihm zwar nicht als Entscheidungsträgerin wahrgenommen wurde, gleichwohl jedoch bereits 1995 eigenmächtig eine rechte Demo anmeldete, die mit ihm nicht abgesprochen war. Nach den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes, eingeführt über Behördenzeugnis und bestätigt durch Erkenntnisse des Staatsschutzes, bekundet von den Zeugen Ku. [siehe 341. Verhandlungstag]und Dressler [siehe 136. Verhandlungstag], war Beate Zschäpe vor ihrem Untertauchen Mitglied in der Kameradschaft Jena.

      Die Kameradschaft Jena wurde etwa 1993, 1994, u.a. von Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Ralf Wohlleben, André Kapke, Friedel und Holger Gerlach gegründet. Sie wurde damals als rechtsradikal eingestuft. Zu den damaligen Zielen der Kameradschaft Jena hat der Zeuge Tom Turner als ehemaliges Mitglied der Kameradschaft Jena ausgeführt: Unser Ziel war die Bekämpfung des Staates letztlich bis zum Umsturz. Die Angeklagte nahm als Vertreterin der Sektion Jena regelmäßig an den Mittwochsstammtischen des THS teil, was der Zeuge Tino Brandt bestätigt hat.

      Als bedeutsam erweist sich auch die Aussage von Thomas Mü., geb. Thomas Starke [siehe 106. Verhandlungstag]. Bei ihm handelt es sich um einen ehemaligen Intimfreund der Angeklagten Beate Zschäpe, der in der rechten Szene in Chemnitz Ende der 90er eine maßgebliche Stellung eingenommen hat. In der Hauptverhandlung hat Thomas Starke die Aussage verweigert, im Ermittlungsverfahren jedoch hatte er als Beschuldigter umfangreiche Angaben gemacht. Nach der von dem Vernehmungsbeamten Be. [siehe 101. Verhandlungstag]bekundeten Aussage von Thomas Starke sprach die Angeklagte Beate Zschäpe gerne über Politik und konnte sich für rechte Themen begeistern. Dass die Angeklagte ihre Gesinnung auch ohne Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt pflegte, folgte aus der Aussage des Zeugen Br. [siehe 333. Verhandlungstag] und der Verlesung eines Ermittlungsvermerks. Der Zeuge Br. kontrollierte die Angeklagte Beate Zschäpe am 21.06.1997 gemeinsam mit André Kapke, aber ohne Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, in Norddeutschland im Zusammenhang mit der Hetendorfer Tagungswoche, einer rechtsorientierten Veranstaltung in Norddeutschland.

      Der Zeuge Mike Ma. [siehe 193. Verhandlungstag], Klassenkamerad der Angeklagten, erinnerte sich an das äußere Erscheinungsbild der Angeklagten vor dem Untertauchen. Sie habe sich zuletzt zum Ausdruck ihrer Gesinnung mit einer grünen Bomberjacke bekleidet. Er beschrieb sie als rechtsradikal und erinnerte sich, dass sie die Wohnung in der Zilinskistraße mit Reichskriegsflagge dekoriert hatte. Die Mutter der Angeklagten, Annerose Zschäpe [siehe 61. Verhandlungstag] hat sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Sie war jedoch mit Verwertung ihrer damaligen Angaben im Ermittlungsverfahren einverstanden. Damals hatte sie die Entwicklung der Tochter freimütig beschrieben. Der damalige Vernehmungsbeamte Poitschke hat glaubhaft bekundet, dass die Mutter bereits 1996 ihre Tochter der rechten Szene zugeordnet habe, was auch persönliche Verwerfungen zwischen Mutter und Tochter zur Folge gehabt habe, da die Mutter dem linken Spektrum nahe gestanden habe. Es war daher nicht so wie Sandro Tauber [siehe 221. Verhandlungstag]uns glauben machen wollte, dass in der Szene in Jena die Angeklagte Zschäpe als unbedeutend wahrgenommen worden sein soll. Der Aussage Tauber kommt, da sie durch zahlreiche andere Zeugen widerlegt ist, kein Beweiswert zu. Bezeichnenderweise hält Tauber die Straftaten, die hier in der Beweisaufnahme aufgeklärt wurden, für einen Komplott.

      Ein Blick in die damalige Wohnung der Angeklagten Beate Zschäpe in der Schomerusstraße in Jena, wie sie sie im Januar 1998 verlassen hat, zeigt, wie die Angeklagte damals lebte und mit welchen Gegenständen sie sich damals in ihrer eigenen Wohnung umgab. Nachdem nämlich am 26.01.1998 die Rohrbomben in der von ihr gemieteten Garage sichergestellt wurden, hatte die zuständige Staatsanwaltschaft angeordnet, die Wohnung der Angeklagten zu durchsuchen. Dass damals die Voraussetzungen für eine Anordnung wegen Gefahr im Verzug vorlagen, habe ich bereits im Zusammenhang mit dem Widerspruch der Verteidiger ausgeführt. Es bestehen daher auch keine rechtlichen Bedenken gegen die Verwertbarkeit der Aussagen der Zeugen Dressler, Vo.
      [siehe 86. Verhandlungstag], Li. [siehe 229. Verhandlungstag], der Lichtbilder und gegen die Verwertung der verlesenen Sicherstellungsverzeichnisse. Ihre Wohnung hatte Beate Zschäpe mit einer Vielzahl von rechten Devotionalien ausgestattet. So gab es u.a. ein Pogromly-Spiel, eine Reichskriegsflagge und ein Bild mit Hakenkreuz sowie Waffen wie eine Zwille, ein Morgenstern, eine Armbrust mit 5 Pfeilen, ein Luftgewehr, 5 Messer, eine CO2- Gaspistole Walther CP 88, Kaliber 4,5 mm, wobei bemerkenswert ist, dass bereits 1996 eine ähnliche Gaspistole bei ihr sichergestellt worden war.

      Demnach war die Angeklagte bereits vor dem Untertauchen im Besitz eines Exemplars von Pogromly. Nach der glaubhaften Aussage von Juliane Walther hat die Angeklagte das Spiel bereits 1997 gespielt. Abbildungen einer Version des Spieles und der Karten, die nach den Bekundungen des Zeugen Sch. [siehe 85. Verhandlungstag]über Zeugen Tino Brandt zum Verfassungsschutz Thüringen gekommen sind, wurden in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen. Zu den Inhalten des Spieles hat der Zeuge Sch. in der Hauptverhandlung bekundet.

      Weshalb, hoher Senat, spielt das im Jahr 2017 eine Rolle, dass sie 20 Jahre vorher ein bestimmtes Spiel unterhaltsam fand? Nun, es handelt sich um ein Brettspiel, das wie Monopoly aufgemacht ist, dessen Karten jedoch mit üblen Hetzparolen versehen wurden. U.a. sollen die Spieler Juden aus den Straßen vertreiben. Der Jargon ist gleichermaßen verächtlich wie aufwiegelnd. Entworfen wurde das Spiel nach den Angaben der Zeugen Gerlach [siehe 121., 126., und 151. Verhandlungstag] und Kapke von Mundlos, aber auch Böhnhardt hat sich bei den Ideen mit eingebracht. Der Zeuge Helbig hatte eine Anfangsversion bei Uwe Böhnhardt gesehen. Die Angeklagte Zschäpe hat nicht nur Pogromly gespielt, sie hat auch aktiv zur Verbreitung des Spiels in der Szene beigetragen. Die spätere Fertigung hat der Zeuge Bu. [siehe 87. Verhandlungstag]beschrieben.

      Der gesondert verfolgte Bu. hat Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe durch Mandy Struck [siehe 89., 90. und 105. Verhandlungstag] kennen gelernt. Er überließ ihnen in der Anfangszeit seine Wohnung und erlaubte die Nutzung seiner Identität. Der Zeuge hat in seinem Ermittlungsverfahren umfangreiche Angaben gemacht. In der Hauptverhandlung hat er sich auf sein Aussageverweigerungsrecht berufen. Seine Angaben wurden über die Zeugen Be., Vi. [siehe 87. und 97. Verhandlungstag]und Pe. [siehe 87. Verhandlungstag]eingeführt. Greger: „Ich könnte jetzt eine Pause machen.“ Götzl: „Ich würde sagen, eine Stunde machen wir.“ Es folgt die Mittagspause.

      Um 13:45 geht es weiter. In der Mittagspause sind die Witwe und eine Tochter von Theodoros Boulgarides erschienen. Wohlleben Verteidiger RA Nahrath sagt, dass Ralf Wohlleben ihn zum Gespräch gebeten und mitgeteilt habe, dass er schon nach dem ersten Block in der Mitte nicht mehr mitgekommen sei und er aufgrund von Konzentrationsschwierigkeiten seine Mitschrift abgebrochen hat. Er sei bereits jetzt schon von der Auffassungsgabe her nicht in der Lage, dem zu folgen. Er könne auch in Pausen in der Zelle keine Ruhe finden, da sei es stickig, eng, Neonlicht, Schlachthausatmosphäre, er könne dort nicht – wie es vorgesehen ist – Ruhe und neue Kraft fassen. Götzl sagt, „dann werden wir unterbrechen, den Landgerichtsarzt holen und ihn bitten, dass er Sie untersucht, Herr Wohlleben.“ Es folgt eine Unterbrechung bis 14:15 Uhr.

      Weiter geht es um 14:46 Uhr. Götzl: „Dann wird mitgeteilt, dass uns Herr von H. informiert hat. Herr von H. hat Sie, Herr Wohlleben, im Beisein von Rechtsanwalt Klemke gesehen. Sie hätten beide gewollt, dass er alles berichtet. Sie hätten Herr Wohlleben gesagt, dass Sie im Laufe des Tages in der Zelle keine Ruhe gefunden hätten, mit dem Rechtsanwalt darüber gesprochen hätten. Sie seien gedanklich mit den Schlussfolgerungen nicht mehr mitgekommen. Sie hätten dann das Schreiben eingestellt. In der Nacht hätten Sie nicht gut geschlafen. Beim Aufstehen sei Ihnen schwindelig gewesen, das hätten sie auf die heiße Witterung zurückgeführt. Jetzt seien Sie wieder in der Lage, dem Verfahren zu folgen. Ihr Vorschlag und der von Rechtsanwalt Klemke sei gewesen, die Blöcke nicht zu groß sein zu lassen und Pausen einzulegen. Ist das so zutreffend?“
      RA Klemke antwortet, der Vorschlag mit den Blöcken sei von Herrn von H. gekommen, nicht von uns. Er habe nur größere Blöcke vorgeschlagen. Götzl sagt, im Kontakt mit dem Sachverständigen sei Ralf Wohlleben klar und orientiert gewesen. Man habe sich mit ihm sachgerecht unterhalten können. Von RA Klemke sei der Vorschlag gekommen, so 45 Minuten zu machen. Klemke: „Der Herr H. hatte erst längere Blöcke vorgeschlagen, 50 Minuten. Das würde dem Zeitraum entsprechen, in dem Frau Greger vorgetragen hat heute Vormittag.“ Götzl sagt, so könne man gern verfahren: „Ich würde Sie bitten, dass Sie sich entsprechend darauf einstellen.“

      OStAin Greger fährt fort:
      Hoher Senat, vor der Mittagspause habe ich Ausführungen gemacht zu dem Brettspiel Pogromly. In der Vernehmung vom 25.11.2011 zu der KOK Vi. sich geäußert hat, hat Max-Florian Bu. sich zu dem Spiel geäußert. Er hat geschildert, dass alle drei, also Beate Zschäpe, Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt gemeinsam am Brettspiel gearbeitet hätten, um damit Geld zu verdienen. Alle drei seien mächtig stolz darauf gewesen. An der Glaubhaftigkeit der Angaben bestehen keine Zweifel. Viele der Informationen von Max-Florian Bu. wurden durch die Zeugen Struck, Starke, Fiedler und durch sächliche Beweismittel bestätigt. Im Übrigen haben die Vernehmungsbeamten auch dargestellt, dass der Zeuge Bu. durchaus auch in der Lage war, zwischen den Personen zu differenzieren und einzelne Geschehnisse dann nur Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos zuzuordnen. Der Zeuge Helbig hat bekundet, dass das Spiel von den Untergetauchten zum Verkauf in Serie gebastelt wurde. Der Zeuge Helbig sollte es dann breitflächig in der rechtsextremistischen Szene verbreiten. Liest man die Spielanleitung, die Beschriftung der Spielfelder und die Texte der Spielkarten, fällt der betont lustige Umgang mit dem Völkermord an den Juden im Dritten Reich ins Auge. Die ironisierende Darstellung von Gräueltaten hat die Gruppe später im sogenannten Paulchen Panther-Video stilistisch weiter ausgefeilt.

      Gegenseitig wurden sich Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zu engsten Vertrauenspersonen. Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe sonderten sich in ihrer rassistischen Gedankenwelt zunehmend als elitäre Gruppe aus der rechten Szene ab, die sie weitgehend als zu unpolitisch empfanden. Holger Gerlach hat sich in seiner Einlassung glaubhaft dazu geäußert, wie Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe vor dem Untertauchen in der Szene in Jena wahrgenommen wurden. „In dieser Zeit war es so, dass Beate und die Uwes bereits einen gewissen Bekanntheitsgrad und auch ein gewisses Ansehen hatten. Das lag vor allem daran, dass die drei an vielen politischen Veranstaltungen und Aktionen beteiligt waren und Ideen hierfür lieferten. Die haben in Ihrer Art und ihrem Auftreten in unserer Szene eine Autorität verkörpert.“

      In seiner polizeilichen Vernehmung vom 25.01.2012, wie der Zeuge KOK Sch. [siehe 23., 24. und 25. Verhandlungstag]bekundete, schilderte der Mitangeklagte Gerlach die damaligen Debatten auch noch näher. In der Szene in Jena fanden ab 1996 wiederholt und engagiert Richtungsdiskussionen statt. Zu der in den Diskussionen aufgeworfenen Frage der Bewaffnung waren die drei die sogenannten Hardliner, die den Standpunkt vertraten, dass man mehr machen müsste, um politisch etwas zu verändern. Der Zeuge Tom Turner erinnerte sich, das sich Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in Jena als Szenepolizei aufspielten. Das war ein Begriff, den er verwendete, wie eine SA der Neuzeit. Die Angeklagte Beate Zschäpe sei dabei gewesen. Der Zeuge H. hat in dem Zusammenhang bekundet, Beate Zschäpe habe Kennzeichen von Polizeifahrzeugen aufgeschrieben, der Beifahrerspiegel sei auf sie eingestellt gewesen. Der Zeuge Volker He. [siehe 250. Verhandlungstag] erinnerte sich, die drei waren Dicke zusammen, sie waren immer zusammen. Der Zeuge Stefan Apel gab ab, die drei hätten sich abgekapselt vom Rest der Gruppe. Tom Turner führte aus, in den Jahren ’95 und ’96 habe man die drei nur noch gemeinsam gesehen, sie sonderten sich als elitäre Gruppe ab. Entsprechendes hat auch der Zeuge Tino Brandt bekundet. Und die gemeinsame Bekannte Jana J. [siehe 93. und 107. Verhandlungstag]führte in ihrer Vernehmung aus, Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt seien vor dem Untertauchen immer als “die Drei” bezeichnet worden, ihr Verhältnis sei exklusiv gewesen.

      Die Angeklagte Beate Zschäpe wurde bereits damals im persönlichen Umfeld als willensstarke Person wahrgenommen, die sich durchsetzen konnte. Ihre Mutter, eingeführt über die Vernehmung des Zeugen Poitschke, schildert Beate Zschäpe als selbstbewusste Jugendliche, die sich durchsetzen konnte und schon in der Schulzeit durchaus in der Lage war, eigene Entscheidungen zu treffen und ihre eigene Meinung auch gegen Widerstände zu vertreten. Die Zeugin Sch. [siehe 153. Verhandlungstag], die Beate Zschäpe 1996 als Beschuldigte vernommen hatte, beschrieb die Angeklagte als ruhig, aufgeräumt. Sie habe auch in der Situation einer polizeilichen Beschuldigtenvernehmung genau gesagt, was sie wollte. Die Zeugin verwendete in diesem Zusammenhang die Begrifflichkeit „klipp und klar“. Auch die Zeuginnen Ilona Mundlos und Jana J. haben sie als bemerkenswert selbstbewusst wahrgenommen. Ihr Cousin, der Zeuge Stefan Apel, hat bekundet, die Angeklagte habe sich nicht über den Mund fahren lassen, sie habe sich von niemandem etwas aufzwingen lassen, sei durchaus bestimmend im Umgang mit anderen aufgetreten. Sie sei politisch rechts eingestellt gewesen, gegen den Staat und gegen die Ausländer. Der Zeuge Tom Turner hat ausgeführt, sie habe auch gesagt, wenn ihr was nicht gepasst habe. Auch nach der Aussage des Zeugen R., eines Jugendfreundes, ist die Angeklagte Beate Zschäpe sehr selbstbewusst in der Gruppe aufgetreten. Dies bestätigt auch der Zeuge Christian Kapke, der ergänzt, dass die Angeklagte auch gegenüber Böhnhardt und Mundlos sehr selbstbewusst aufgetreten sei.

      Diesen Charakter der Angeklagten spiegelt auch ein Asservat aus der Garage wieder. In einem Brief von Uwe Mundlos, der am 26.01.1998 in der Garage in Jena sichergestellt worden ist, das Asservat 59.61, und der in der Hauptverhandlung auch verlesen worden ist, macht Uwe Mundlos daraus keinen Hehl. Ich zitiere: “Beate hat mir deswegen auch schon Anschiss verpasst”. Die Beweisaufnahme hat auch ergeben, dass Beate Zschäpe selbst körperliche Gewalt ausgeübt hat, dass sie selbst mit Druckluftwaffe bewaffnet war und dass sie selbst rechtsextremistische Straftaten begangen hat und sich ausdrücklich für Gewaltausübung für politische Zwecke ausgesprochen hat. Entsprechendes folgt aus der Einlassung von Gerlach, den Zeugen aus der Szene, der Verlesung eines Sachstandsberichts vom 26.11.1996, eines Einsatzprotokolls vom 09.11.1996, sowie eines Vermerkes über Durchsuchung und Sicherstellung vom 09.11.1996, einem Behördengutachten über eine Gaspistole vom 25.06.1997, sowie des Augenscheins von Lichtbildern.

      Greger sagt: „Es begann bereits 1995.“ Bei ihrer vorläufigen Festnahme am 10.09.1995 in Rudolstadt im Rahmen einer rechten Aktion war die Angeklagte, wie der verlesene Sachstandsbericht des LKA Thüringen wiedergibt, mit einem zweischneidigen Dolch bewaffnet. Die Einstellung der Angeklagten zu Waffen hat der Mitangeklagte Gerlach geschildert. Alle drei Personen, also Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe, haben sich seiner Aussage zufolge in der Kameradschaft Jena bereits seit ‘96 für die Bewaffnung ausgesprochen. Der Mitangeklagte hat sich durch diese Aussage selbst massiv belastet. Vor allem fügt sich aber die Aussage nahtlos ein in die Vielzahl der Zeugen, die eine Waffenaffinität und Gewaltbereitschaft von Böhnhardt, die radikalen Ansichten und Gewaltfantasien von Böhnhardt und Mundlos, das martialische Auftreten als Herrenmenschen schilderten. Die Angaben sind daher glaubhaft.

      Selbst wenn Holger Gerlach für sich selbst anfänglich die Diskussion um die Anwendung von Gewalt für rein theoretischer Natur gehalten haben sollte, war die Position der von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe in den Diskussionen – auch nach Angaben von Holger Gerlach – klar und eindeutig in dem Sinne, politische Veränderungen durchzusetzen, rechtfertigt auch den Einsatz von Gewalt. Die Angeklagte Beate Zschäpe wendete selbst Gewalt an. Die Zeuginnen H. [siehe 132. Verhandlungstag], S. [siehe 132. Verhandlungstag]und K. haben bekundet, wie die Angeklagte beim Altstadtfest in Jena am 16.09.1996 die Geschädigte in Winzerla grundlos angriff und ihr den Fuß brach. Dass sich die Angeklagte regelmäßig mit Waffe bewaffnete, wenn sie Wohnung verließ, berichtet die Zeugin Jana J., die sich auch noch an den Namen der Waffe erinnerte, nämlich „Wally“. Dazu gibt es auch kongruente polizeiliche Feststellungen, die dokumentiert sind.

      Anlässlich des Gedenktages zur Reichspogromnacht 1996 wurde Beate Zschäpe gemeinsam mit Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Holger Gerlach am 09.11.1996 festgenommen, um Straftaten zu verhindern. Uwe Böhnhardt trug damals braune uniformähnliche Kleidung mit Springerstiefeln. Im Fahrzeug sichergestellt wurden laut Erkenntnismitteilungen und Vermerken: Sturmhauben, Schreckschusswaffen und mehrere Messer; Beate Zschäpe hatte ein Schulterholster mit Druckluftwaffe, Magazin mit 13 Patronen und CS Gas. Eine weitere, nämlich eine Walther 5,5 mm wurde laut Sicherstellungsprotokoll in der Wohnung der Angeklagten sichergestellt.

      Ein besonders aussagekräftiges Bild des Ausmaßes und der Ernsthaftigkeit, die der Extremismus der drei Personen also einschließlich der Angeklagten bereits vor ihrem Untertauchen angenommen hatte, lassen neben der Schilderung ihres Auftretens, vor allem auch die politisch motivierten Delikte in Jena 1996 und 1997 und der Garagenfund 1998 zu. Zu den damaligen Ermittlungsergebnissen hat der Zeuge Dressler vom LKA Thüringen berichtet: In der Nacht vom 13. auf den 14.04.1996 hängten Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos einen lebensgroßen Puppentorso, den die Angeklagte mitgebastelt hatte, mit einer Schlinge um den Hals an einer Autobahnbrücke über die BAB 4 nahe der Ortschaft Höhn bei Jena auf. Die Puppe trug einen Davidstern und die Aufschrift “Jude”. Sie war mit einer Bombenattrappe verbunden und mit einer Bombenwarnung versehen.

      Am 06.10.1996 legten Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe im Ernst-Abbe-Sportfeld in Jena eine Kiste mit schwarzen Hakenkreuzen und der Aufschrift “Bombe” ab, die von Kindern gefunden wurde. In der Kiste befand sich eine Attrappe aus Kanistern und Metallrohr. Ende 1996 beschaffte sich Uwe Mundlos nach Aussage von Thomas Starke und bestätigt vom Zeugen Winter [siehe 187. Verhandlungstag] 2 kg TNT-Gemisch für die Begehung von rechtsextremistischen Delikten. Die Angeklagte Beate Zschäpe mietete am 10.8.1996 in Jena eine Garage an. Die Anmietung selbst wurde von der Angeklagten eingeräumt, der entsprechende Mietvertrag wurde verlesen. In der Garage lagerten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Sprengsatz und rechtsextremistisches Schriftgut und sie bastelten dort auch an Rohrbomben.

      Zum Jahreswechsel 1996/1997 schickten Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe der Polizei, der Stadtverwaltung und Lokalredaktion in Jena auch Briefbombenattrappen mit Schwarzpulver. Böhnhardt, Zschäpe und Mundlos sprachen massive Drohungen an Innenminister Drewes und den damaligen Zentralratsvorsitzenden Bubis aus. In dem Schreiben an die Stadtverwaltung und die Polizeidirektion formulierten sie: “Mit Bombenstimmung in das Kampfjahr 1997”. Am 02.09.1997 deponierten die Drei auf dem Vorplatz des Theaterhauses in Jena einen Koffer, der mit Hakenkreuzen bemalt war und eine selbstgebaute, nicht zündfähige Rohrbombe mit zwei Drähten, Schwarzpulver und TNT enthielt. Am 26.12.1997 stellten sie vor der Gedenkbüste des Widerstandskämpfers Magnus Poser einen Koffer mit Hakenkreuzen ab. Nach Bekundungen des Zeugen Dressler war der Zusammenhang zu dem Koffer aufgrund der Farben und […] identisch. Diese Delikte sind sämtlich Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und der Angeklagten Beate Zschäpe zuzuordnen.

      Die Angeklagte räumt ein, den Puppentorso mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gebastelt zu haben. Nach den glaubhaften und detaillierten Angaben des Zeugen S. waren Beate Zschäpe wie auch Wohlleben an der Tatausführung mit beteiligt. Die drei hatten S. bereits im Voraus gebeten, ihnen ein Alibi für die Tat zu geben. Zudem bekannten sich Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe dem Zeugen Rothe [siehe 100., 131., 146. Verhandlungstag]gegenüber zu dieser Tat. Nach dem Zeugen Dressler wurde der Fingerabdruck von Uwe Böhnhardt am Tatort aufgefunden. Die Versendung der rechtsextremistischen Drohschreiben im Einvernehmen mit Böhnhardt und Mundlos hat Beate Zschäpe ebenfalls eingeräumt. Der Einlassung der Angeklagten, die Garage habe sie zwar gemietet, jedoch keine Kenntnis von der Lagerung von Sprengstoff und Rohrbomben gehabt, ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht zu folgen. Denn es war nach der Einlassung gerade der Zweck der Anmietung, inkriminierendes Material für den Zugriff der Behörden zu verbergen. Auf Grund der engen Verbundenheit von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe, der zugestandenen gemeinsam begangenen Bezugsstraftaten Puppentorso und Briefbombenattrappe und nach den vom Zeugen Dressler dargestellten Ergebnissen der kriminaltechnischen Untersuchungen ist in der Gesamtschau der Aussagen und Indizien davon auszugehen, dass Beate Zschäpe alle oben angeführten Delikte in Jena gemeinsam mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos begangen hat und dass die Anmietung der Garage ausschließlich zum Zweck der Vorbereitung derartiger Taten erfolgte.

      Dafür sprechen im Übrigen auch die Angaben des Mitangeklagten Holger Gerlach, eingeführt über die Einvernahme des Zeugen Schartenberg. Der Mitangeklagte Gerlach erinnerte, vom Zeugen Kapke 1998 erfahren zu haben, dass Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sämtliche dieser Taten begangen hatten. Eine weitere Bestätigung findet sich in der Vernehmung des Zeugen Bu. Wie der Zeuge Vitt bekundet hat, hat sich Bu. bei seiner Beschuldigtenvernehmung vom 24.11.2011 erinnert, die drei Untergetauchten hätten sich ihm gegenüber zu der Puppe und dem Koffer mit der Bombenattrappe bekannt. Der Zeuge Ha. [siehe 198., 204. und 214. Verhandlungstag]bekundete, dass Mundlos ihm gegenüber den Zusammenhang von Flugblattaktion und […] eingeräumt hat. An den Taten seien laut Mundlos noch andere beteiligt gewesen. Bis zu den Exekutivmaßnahmen am 26.01.1998 bereiteten Mundlos und Böhnhardt in der Garage weitere Sprengstoffdelikte vor.

      Die Garage, die Beate Zschäpe angemietet hatte, wurde basierend auf einem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Jena vom 19.01.1998 am 26.01.1998 durchsucht. Rechtliche Bedenken gegen die Verwertbarkeit der Erkenntnisse bestehen nicht, war doch die Durchsuchung selbst ermittlungsrichterlich angeordnet. Nach Aussage des Zeugen Dressler stützte sich der Beschluss auf polizeiliche Erkenntnisse, denen wiederum auch nachrichtendienstliche Erkenntnisse zu Grunde lagen. Auf die weitergehenden Ausführungen zur Verwertbarkeit, die ich bereits während der Hauptverhandlung ausgeführt habe, verweise ich. Bei der Durchsuchung der Garage wurden Sprengstoff, im Bau befindliche Rohrbomben und rechtes Schriftgut gefunden. Sichergestellt wurden laut dem verlesenen Durchsuchungsbericht, dem verlesenen Sicherstellungsprotokoll vom 16.01.1996 und nach der Inaugenscheinnahme von Lichtbildmappen, der verlesenen kriminaltechnischen Gutachten, der Aussagen des Zeugen Dressler und des Sachverständigen Er [siehe 106. Verhandlungstag]u.a. eine fertige und vier im Bau befindliche Rohrbomben, jeweils gefüllt mit Sprengstoff, eine aus einem Wecker gefertigte Zündvorrichtung mit Drähten, eine größere Menge Sprengstoff, TNT-Gemisch und Schwarzpulvergemisch. Eine genaue Mengenbestimmung des TNT-Gemisches war nicht mehr möglich, da die Rohrbomben teilweise gesprengt wurden. Anhand der ungefähren Maße der Bomben und Behältnisse wurde nach Aussagen des Zeugen Dressler durch das LKA Thüringen eine Menge von insgesamt ca. 1,4 kg hochgerechnet. Der Sachverständige Er. und der damals eingesetzte Entschärfer hat den Aufbau der Rohrbomben anhand von ihm gefertigter Röntgenbilder auch bekundet. Demnach war das Schwarzpulver selbst zum Zünden nicht geeignet, denn es fehlten ein Zünder und Batterien. Diese Materialien lagerten ebenfalls in der Garage. Das abstrakte Gefahrenpotential von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe war demnach auch vor dem Untertauchen durchaus explosiv.

      In der Garage wurde auch eine mit Zusätzen versehene Liste mit Zivilfahrzeugen gefunden. Dies entsprecht und bestätigt wiederum die entsprechende Aussage von Christian Kapke, Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe hätten damals auch Zivilfahrzeuge ausspioniert. Den politischen Hintergrund der eingelagerten Tatmittel belegen eine Vielzahl von rechtsradikalen Schriften, die sichergestellt wurden. Dazu kommen Briefe, die die Vernetzung in die rechte Szene belegen. Inhalt und Duktus des ebenfalls in der Garage gelagerten Pogromlyspiels sprechen für sich, dazu habe ich schon Ausführungen gemacht. Der politische Extremismus, den die Entwickler im Spiel unverfälscht zum Ausdruck bringen, spiegelt […] Gedankenwelt wider. Die späteren Anschläge, die diesen Extremismus in die Tat umgesetzt haben, können die Pogromly bastelnde Angeklagte nicht wirklich überrascht haben.

      An dieser Stelle möchte ich noch auf ein weiteres Asservat näher eingehen, dass in der Garage der Angeklagten aufgefunden worden ist. Der Auswertungsvermerk dazu und auch die Originalversion wurden verlesen. Es handelt sich um das sogenannte „Ali-Gedicht“. Der offensichtlich selbst verfasste Text wurde auf einer Diskette in der Garage gefunden. Die Überschrift lautet ohne den Versuch jeglicher Beschönigung: “Ali Drecksau wir hassen dich.“ Im Text dann: “Er – gemeint ist ein Türke – kann jetzt rennen oder fliehen / Er kann auch zu den Bullen gehen. / Doch helfen wird ihm das alles nicht, / Denn wir zertreten sein Gesicht.”

      Wie wir wissen, haben Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos die Nähe zu Polizeidienststellen bewusst zunehmend gesucht. Der bewusste Verzicht auf Bekennung zu den Anschlägen, die Tötung mittels Hinrichtung, die Angriffsrichtung auf Gewerbetreibende und die Verwendung einer Signaturwaffe, der Pistole Ceska, haben dazu geführt, dass die Ermittlungsbehörden lange Zeit nach möglichen kriminellen Hintergründen in den Gewerbebetrieben der Opfer suchten. Die Prophezeiungen im „Ali-Gedicht“ haben die Täter damit erfüllt.

      Der Duktus im Gedicht ist auffällig, da er wie das Pogromlyspiel auf die damalige Gesinnung der Drei kurz vor dem Untertauchen verlässliche Rückschlüsse zulässt. Unmissverständlich schreit der Verfasser die von blindem Hass getragene Verachtung von Ausländern, insbesondere türkischen Mitbürgern, hinaus, despektierlich sind sie “die Alis”. Der Begriff “Ali” findet sich in zahlreichen Beweismitteln aus der Frühlingsstraße wieder. Die Gruppe verwendet den Begriff durchgängig als Synonym für türkische Bürger in Ausspähunterlagen, als Dateibezeichnung für die Speicherung der Fotos der Opfer der Hinrichtungen, im sogenannten Drehbuch und auch im Bekennervideo Paulchen Panther. Dass die Angeklagte dieses Video noch während ihrer Flucht verbreitet hat, hat sie eingeräumt. Sie stand demnach hinter dem herabwürdigenden Begriff „Ali“ auch noch, als die Gruppe selbst bereits aufgelöst war. Ihr Verhalten zeigt, wie sehr es ihr zu dem Zeitpunkt – die beiden Mitstreiter waren bereits tot – noch darauf ankam, die Angehörigen der Opfer mit der grausamen Verunglimpfung zu konfrontieren.

      Vergegenwärtigt man sich die Einzelheiten der Bilder im Video und die von den Erstellern bezweckten Wirkung bei den Hinterbliebenen, belegt ihr Verhalten auch, dass die Angeklagte Zschäpe im November 2011 durchaus zu einem Stich ins Herz im Stande war. Die umfangreiche Beweisaufnahme zur persönlichen Entwicklung von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe vor dem Untertauchen hat somit ergeben, dass die Angeklagte bereits damals vor dem Untertauchen gemeinsam mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt ein eingeschworenes Team bildete. Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos ihrerseits machten keinen Hehl aus ihrem Hass gegen Juden und Türken. Die Angeklagte war vor dem Untertauchen nicht die meinungsschwache, gar dependente, Uwe Böhnhardt hörige Person, deren Bild sie zu zeichnen versuchte. Vielmehr wurde sie in der rechten Szene und in ihrem persönlichen Umfeld als starke Frau wahrgenommen. Sie trat aktiv und energisch auf, engagierte sich politisch, stand seit 1995 unter Beobachtung des Verfassungsschutzes und beging ab 1996 gemeinsam mit Böhnhardt und Mundlos ideologisch motivierte Straftaten mit Sprengstoffbezug. Selbst bei der Versendung von Bombenattrappen an die Polizei ist die Angeklagte damals nicht zurückgeschreckt. Wie der Zeuge S. und der Zeuge B. ausführten, schützte sie die anderen durch ein falsches Alibi.

      Entgegen ihrer Darstellung haben maßgeblichen Einfluss weder der THS noch Tino Brandt oder die Verfassungsschutzbehörden ausgeübt. Uwe Böhnhardt erweckte nach Aussage Helbig bereits vor dem Untertauchen bei Personen aus dem Umfeld den Eindruck eines Rechtsterroristen. Ausländer müssten nicht nur ausgewiesen, sondern interniert werden in KZs. Am besten sei es auch für die Ausländer selbst, wenn sie vergast würden. Dabei ließ er keinen Zweifel, dass er auch persönlich mit Waffen gegen Ausländer vorgehen werde. Alle drei Personen, auch Beate Zschäpe, verband bereits vor dem Untertauchen die Bereitschaft, Sprengstoff zur Einschüchterung Andersdenkender einzusetzen, die Verachtung von Juden, der Hass auf Türken, die Neigung, den Staat zu provozieren, der Hang, bewaffnet aufzutreten, und die völkische Frömmelei. Eine Antwort, wann und weshalb die Angeklagte nach dem gemeinsamen Untertauchen von der Billigung ideologisch begründeter Gewalttaten abgerückt sein könnte, bleibt die Angeklagte in sämtlichen Einlassungen schuldig. Greger sagt, sie würde jetzt eine Pause vorschlagen. Götzl unterbricht bist 15:45 Uhr.

      Um 15:47 Uhr geht es weiter. Götzl sagt, man würde dann für heute noch zu einem Block kommen und dann für heute unterbrechen. OStAin Greger setzt das Plädoyer der BAW fort: Hoher Senat, ich habe eben die Vorgeschichte dargestellt. Jetzt geht es mir darum, die Gründung der Vereinigung NSU vorzustellen und auszuführen. Nach dem gemeinsamen Untertauchen bildeten Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe noch 1998 in Chemnitz eine bewaffnete und rechtsextremistische Terrorzelle. Auch zur Gründung der Vereinigung konnten in der Beweisaufnahme hinreichende Feststellungen getroffen werden. Die zeitlichen Abläufe und die Erkenntnisse zu den beteiligten Personen basieren zum einen auf den Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden – eingeführt über verlesene Behördenzeugnisse zu Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, Holger Gerlach, Ralf Wohlleben, Carsten Schultze, Antje Probst, Jan Werner, Tino Brandt und André Kapke -, auf den Angaben der vernommenen V-Mann-Führern und auf Aussagen von Zeugen im damaligen Umfeld der Untergetauchten. Im relevanten Zeitraum hatte das LfV Thüringen eine verlässliche Quelle mit Tino Brandt, damals Führer des THS, Deckname Otto, 2045 und nach seiner Reaktivierung im Jahr 2000 Deckname Oskar, 2150. Tino Brandt wurde ab Januar 1995 als geheimer Mitarbeiter geführt und erprobt, im Jahr 1997 wurde er eingestuft als ziemlich zuverlässig und ab September 1999 als im allgemeinen zuverlässig beurteilt. Tino Brandt kannte seiner Aussage nach die Drei von den Stammtischen. Er nahm nach ihrem Untertauchen im Februar/März 1999 in Absprache mit dem LfV Thüringen telefonisch Kontakt mit ihnen auf. Gesprächsinhalt waren mögliche Hilfeleistungen und zunehmende Probleme mit André Kapke.

      Das LfV Thüringen hatte noch eine weitere Quelle, 2100, Degner, in der Szene bekannt als Riese, der ebenfalls in Hauptverhandlung vernommen wurde, der seine Quellentätigkeit jedoch abstritt. Der Verfassungsschutz Brandenburg hatte die Quelle Carsten Szczepanski [siehe 167. und 174. Verhandlungstag], sein Deckname war Piatto. Carsten Szczepanski hatte die drei Untergetauchten nicht persönlich kennen gelernt, kam aber über die Chemnitzer Blood&Honour-Szene an wertige Informationen. Sämtlichen Quellen und die Quellenführer Görlitz [siehe 215., 222., 266. und 290. Verhandlungstag], Bode [siehe 100. und 144. Verhandlungstag], Wießner [siehe 99., 145., 157. und 199. Verhandlungstag], Zweigert [siehe 99., 144. und 227. Verhandlungstag]und Meyer-Plath [siehe 199. Verhandlungstag] wurden zu den Deckblattmeldungen unter Vorhalt von Vermerken vernommen. Sie bestätigten die Validität der Informationen und die Dokumentation der Niederschriften. Brandt und Szczepanski gaben an, die damaligen Meldungen hätten den Tatsachen entsprochen, insgesamt passen die Meldungen stimmig zueinander. Die Erkenntnisse wurden durch weitere zuverlässige Zeugenaussagen und zum Teil auch durch die Einlassung Beate Zschäpes und Ralf Wohllebens untermauert.

      Demnach ist davon auszugehen, dass die drei den Entschluss, sich zu bewaffnen und auf Dauer eine terroristische Zelle im Untergrund zu bilden, im zweiten Halbjahr 1998 in Chemnitz fassten, als sich abzeichnete, dass die Spenden, Zuwendungen und sonstigen Unterstützungsleistungen der rechten Szene und des persönlichen Umfelds ein Leben auf Dauer im Untergrund nicht nachhaltig würden sichern können. Andererseits verfestigte sich die gemeinsame Überzeugung, weder ins Ausland zu flüchten noch sich den Strafverfolgungsbehörden zu stellen. Die Gründung ist nicht taggenau zu bestimmen. Die Zeitspanne der Gründung lässt sich aber anhand mehrerer Marker relativ verlässlich eingrenzen. Es ist davon auszugehen, dass jedenfalls bis zur Durchsuchung der Garage am 26.01.1998 in Jena noch keine terroristische Vereinigung mit dem Ziel von Anschlägen gegen Personen bestand. So ist der genaue Einsatzzweck der sichergestellten Rohrbombe nicht mehr zu klären. Sie waren sämtlich nicht zündfähig. Und es verging bis zum ersten Anschlag im Sommer 1999 ein relativ langer Zeitraum von eineinhalb Jahren.

      Die Zeugen Walther, Apel und Ralf Wohlleben haben übereinstimmend bekundet, dass Beate Zschäpe sich spontan mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt entschieden hätte, sich nach der Durchsuchung einer drohenden Strafverfolgung durch Flucht zu entziehen. In den ersten Monaten im Untergrund war das Leben bestimmt von der Suche nach einer Unterkunft und dem Fahndungsdruck der Ermittlungsbehörden. Schon relativ kurz nach dem Untertauchen statteten sich Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt unter Unterstützung von Beate Zschäpe mit den ersten kontrollsicheren Ausweispapieren aus. Der Reisepass Gunter Frank Fiedler [siehe 187. Verhandlungstag]wurde am 30.04.1998 beantragt, am 02.07.1998 ausgestellt. Der Reisepass Bu. wurde im Spätsommer 1998 beantragt und am 07.09.1998 ausgestellt. Diese Vorgehensweise ist belegt durch die Zeugen Max-Florian Bu., Mandy Struck und Gunter Fiedler, die dazu glaubhaft bekundeten, und die Ermittlungen zu den Reisepässen, belegt durch die Zeugen Al. [siehe 218. und 222. Verhandlungstag], Be. und Vi.

      Parallel suchten die drei Untergetauchten nachdrücklich nach Schusswaffen. Aussagekräftig sind insoweit zwei Erkenntnismitteilungen des Verfassungsschutzes Brandenburg, eingeführt über Verlesung eines Behördenzeugnisses und mehrere Zeugenaussagen. Nach der Meldung der V-Person Piatto, also des Zeugen Carsten Szczepanski, vom 19.08.1998 sollte Jan Werner versuchen, Waffen für die Drei zu beschaffen. Am 25.08.1998 sandte der gesondert Verfolgte Werner [siehe 150. Verhandlungstag]nach Aussage des Zeugen Mü. [siehe 158. und 283. Verhandlungstag]an Carsten Szczepanski eine SMS mit dem Wortlaut: „Hallo, was ist mit dem Bums?“ Nach einer weiteren Erkenntnismitteilung des Verfassungsschutzes Brandenburg vom 11.09.1998, ebenfalls von Piatto, habe Jan Werner Kontakt zum Trio und den Auftrag, mit Geldern von B&H Sachsen für die drei Waffen zu besorgen. Das Trio plane, mit den Waffen einen weiteren Überfall durchzuführen, um Deutschland verlassen zu können. Probst [siehe 162. und 169. Verhandlungstag]aus Chemnitz wolle der Beate Zschäpe ihren Pass zur Verfügung stellen.

      Nach der umfangreichen Beweisaufnahme mit der Vernehmung Szczepanskis, des V-Mann-Führers Görlitz, Meyer-Plath vom LfV Sachsen und der Zeugin B., ehemals Probst bestehen – auch wenn ein zu dem Bericht zeitlich passender erster Überfall im aktuellen Verfahren nicht mehr aufgedeckt werden konnte und der Zeuge Werner von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat – insgesamt keine Zweifel an der damals geschilderten Waffensuche der drei Flüchtigen. Denn es gab keinen Anlass für Carsten Szczepanski, das Gehörte zu verändern oder damals unzuverlässig zu berichten. Der Zeuge kannte die flüchtigen Personen nämlich nicht. Die SMS von Jan Werner fügt sich zeitlich und inhaltlich ins Bild. Die Angeklagte hat in ihrer Einlassung eine Waffenlieferung, wenn auch ohne nähere Details, grundsätzlich bestätigt. Die Zeugin Probst wiederum fand in der Hauptverhandlung keine Erklärung dafür, dass, wie in der Zeugenvernehmung vorgehalten, sie sich in der fraglichen Zeit tatsächlich zwei Ausweise unter auffälligen Umständen ausstellen ließ. Und die Erkenntnisse zur Waffensuche und zu einer angeblich angedachten Flucht ins Ausland fügen sich nach der durchgeführten Beweisaufnahme ins Gesamtbild ein. Grundsätzlich bestätigt wird die dringende Waffensuche vom Mitangeklagten Ralf Wohlleben.

      Einen markanten zeitlichen Fixpunkt für die Gründung der Vereinigung stellt schließlich die Entscheidung für einen Verbleib in Deutschland dar. Der Zeuge Gunter Fiedler hat glaubhaft bekundet, die drei Personen kurz nach ihrer Flucht aus Jena über Thomas Starke kennengelernt zu haben. Nach ein paar Monaten habe er mitbekommen, dass die drei nicht ins Ausland gehen würden. Er habe sich daraufhin den Reisepass auf seinen Namen wiedergeben lassen. Das sei etwa sechs bis neun Monate nach dem Kennenlernen gewesen. Gleichzeitig, so berichtete der Zeuge Max-Florian Bu., eingeführt über Zeugen Be. und Vi., schotteten sich die drei Untergetauchten zunehmend von der Chemnitzer Szene, die sie anfänglich als flüchtende Rechtsextreme logistisch unterstützt hatte, ab. Im zweiten Halbjahr 1998 zeichnete sich zunehmend ab, dass die rechte Szene ein dauerhaftes Leben im Untergrund für die drei nicht sichern konnte.

      Im Oktober 1998 teilte der Zeuge André Kapke der Quelle Tino Brandt – bestätigt durch Brandt, Kapke und eine Quellenmitteilung – mit, dass das Trio große finanzielle Probleme habe. Besonders aussagekräftig erweist sich in diesem Zusammenhang wiederum ein Fund aus der Frühlingsstraße. Sichergestellt wurde dort ein in der Hauptverhandlung verlesener Einlieferungsbeleg für ein Einschreiben an den damaligen Vermieter der Tarnwohnung in der Altchemnitzer Straße 12. Dieser Beleg datiert vom 22.12.1998, also vier Tage nach dem Überfall Edeka. Das Einschreiben ist an den Zeugen K. gerichtet. Diesem Einwurfeinschreiben zuordbar ist die schriftliche Kündigung der Wohnung, die ebenfalls sichergestellt und verlesen wurde. Diese datiert vom 13.12.1998, damit fünf Tage vor dem Überfall. Die Kündigung selbst wird zum 30.03.1999 ausgesprochen, was für eine langfristige Zukunftsplanung der Gruppe spricht. Der Zeuge Ri. bekundete, die Kündigung sei von der Angeklagte Beate Zschäpe ausgegangen. Sie sei sein Hauptkontakt gewesen, wenn es um Wohnungsangelegenheiten ging. Diese Indizien sprechen für eine gemeinsame Planung des Überfalls auf den Edeka-Markt wie auch für eine gemeinsame langfristige Zukunftsplanung. In diesem Lichte ist der bewaffnete Überfall im Dezember 1998 zu sehen.

      Am 18.12.1998 überfielen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt mit einer scharfen Waffe einen Edeka- Markt in Chemnitz. Diese Tat ist den untergetauchten Personen eindeutig über zwei Hülsen zuordenbar. Die Hülsen wurden in der Frühlingsstraße in Zwickau aufgefunden und sie stammen aus der Tatwaffe. Der Überfall auf den Edeka-Markt stellt damit die erste Tate der Gruppe NSU dar. Die zwei Zellenmitglieder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt agierten erstmals aus dem Untergrund heraus mit einer scharfen Schusswaffe. Die erstrebte Tatbeute war für die Sicherung des gemeinsamen Zusammenlebens aller drei Personen unerlässlich. Die Entscheidung, am gemeinsamen Wohnort einen bewaffneten Raubüberfall zu begehen, erweist sich ohne Einbindung von Beate Zschäpe undenkbar, da sie für das weitere Zusammenleben von einschneidender Bedeutung war. Daher besteht kein Zweifel, dass von diesem Zeitpunkt an allen Drei bewusst war, dass eine Rückkehr in die Legalität nicht mehr ohne Haftstrafen möglich war, und dass die Tat wegen der weitreichenden Folgen auf einer Entscheidung aller drei Personen beruhte. Vor dem Hintergrund der bewussten Abschottung von der Szene, der bewussten Entscheidung für eine zuverlässige Legendierung und der gemeinsamen Zukunftsplanung ist davon auszugehen, dass die Gruppe ab diesem Zeitpunkt ein Leben auf Dauer im Untergrund geplant hat.

      Bereits ein halbes Jahr später, am 23.06.1999, begingen die drei Untergetauchten das erste rassistische, extremistisch motivierte Sprengstoffdelikt. Aufgedeckt wurde die Tat infolge der Einlassung des Mitangeklagten Carsten Schultze, dem gegenüber sich Mundlos und Böhnhardt der Tat berühmten. Die Tat ist nicht von der Anklage erfasst, von der Strafverfolgung wurde nach § 154 StPO abgesehen. Gleichwohl stellt sie die erste ideologische Tat der Gruppierung dar. Böhnhardt und Mundlos hatten in der Gaststätte Sonnenschein in Nürnberg auf der Herrentoilette eine Bombe mit Schwarzpulver deponiert. Der Sprengsatz, der explodierte, bestand nach Angaben des Zeugen Os. [siehe 172. Verhandlungstag] aus einem Metallrohr mit beidseitigen Verschlussstopfen, drei Minute-Zellen und Schwarzpulver, der an den Aufbau der Asservate in Jena erinnert. Als der Geschädigte Mehmet O. die vermeintliche Taschenlampe auffand und aufhob, explodierte die Bombe. Nur der vorzeitigen Sprengung der Verschlusskappen ist zu verdanken, dass er nicht schwerer verletzt wurde. Er erlitt Schnittverletzungen am ganzen Körper.

      Dass sich später die Erkenntnis verbreitet hat, dass die drei fortan selbständig im Untergrund leben wollten belegt eine in einem Behördenzeugnis des LfV Thüringen niedergelegte und verlesene Deckblattmeldung. Nach Erkenntnis der Verfassungsschutzbehörde vom 20.11.1999, die der Zeuge Marcel Degner [siehe 191., 207., 292., 300. und 309. Verhandlungstag] grundsätzlich bestätigte, hatte der Zeuge am 13.11.1999 Starke, dem ehemaligen Intimpartner von Beate Zschäpe, in Schorba während eines Konzerte finanzielle Hilfe für die drei angeboten, Starke habe spontan geantwortet, dass die drei kein Geld mehr benötigten, weil sie jobben würden. Auf Grund der Gesamtwürdigung dieser Erkenntnisse und die zeitlichen Verläufe besteht kein Zweifel, dass die Tat am 19.12.1998 die erste Tat des NSU war.

      Es besteht kein Zweifel, dass die Gewalttat im Edeka-Markt 1998 die ernsthafte Entscheidung der drei voranging, als Untergrundzelle, der Blaupause der Turner Tagebücher entsprechend, Anschläge zu begehen und diese mit Raubüberfällen zu finanzieren, auch wenn die Personen anfänglich noch Alternativszenarien in den Blick genommen hatten – etwa die von den Zeugen Kapke, Brandt und Gunter Fiedler geschilderte angedachte Verlagerung ins Ausland oder das von den Mitangeklagten von Ralf Wohlleben und Carsten Schultze sowie von Tino Brandt sowie Jürgen Böhnhardt [siehe 78. Verhandlungstag] und Tino Brandt ausgelotete Idee einer Gestellung über RA Eisenecker Anfang 1999.

      Die Konzeption der Vereinigung sah folgendermaßen aus: Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war der NSU von Gründung bis zur Auflösung 04.11.2011 als kleine Zelle konzipiert. Diese bestand durchgängig ausschließlich aus den drei Personen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe. Die drei Gruppenmitglieder lebten zusammen im Untergrund und sie agierten arbeitsteilig. Nach außen traten alle drei ausschließlich unter Aliasnamen auf, auch untereinander verwendeten sie konsequent Tarnnamen. Die Gruppe finanzierte sich selbst, auf Unterstützer griff sie nur partiell zurück. Wobei anfangs jedoch, wie der NSU-Brief belegt, auch der Aufbau eines anonymen Netzwerkes nicht ausgeschlossen worden ist.

      Greger: „Im Folgenden werden die Persönlichkeit der Angeklagten, das Konzept der Gruppe, die breitflächige Ausspähung, die Taten und die Verlautbarungen und Logistik der Gruppe genauer dargestellt.“ Zur Person der Angeklagten Beate Zschäpe hat die Beweisaufnahme erbracht: Die Angeklagte wurde vor dem Untertauchen von Personen aus ihrem Umfeld als starke Person wahrgenommen. Es stellt sich nach der Einlassung der Angeklagten und der Zeugenaussage Prof. Bauer die Frage ob die Beweisaufnahme Anhaltspunkte dafür ergeben hat, dass die Angeklagte nach dem Untertauchen innerhalb der Gruppe von Böhnhardt und Mundlos ausgegrenzt, von Entscheidungen ausgenommen worden wäre oder sich gar zu einer abhängigen Person entwickelt hätte. Die Antwort nach der Beweisaufnahme lautet: Nein.

      Zahlreiche Zeugen schildern, insbesondere Holger Gerlach, dass die Angeklagte es stets vermochte, innerhalb der Dreiergruppe ihre Position zu vertreten, und dass ihr ein Mitspracherecht zu kam, so dass sie ohne Zweifel an allen relevanten Entscheidungsprozessen teilgenommen hat. Bereits der Zeuge L., der zur 1. und 2. Vernehmung von Holger Gerlach berichtet hat, wo der noch zurückhaltend Auskunft gab, erinnert sich, dass sich die Angeklagte Beate Zschäpe nach Angabe von Holger Gerlach in der Gruppe behaupten konnte. Der Zeuge Scha. hat glaubhaft ausgeführt, dass Gerlach in seiner Beschuldigtenvernehmung auf Nachfrage zum Innenverhältnis geäußert habe, nach dem Untertauchen sei Beate Zschäpe gleichberechtigt aufgetreten, alle Entscheidungen wären gemeinsam mit ihr getroffen worden. Beate Zschäpe, die schon einmal im Bus einer Punkerin eine reingehauen habe, weil diese blöd geschaut habe, wäre nicht der Typ gewesen, der sich unterordnet. Auch die Angaben von Gerlach am 02.06.2013 lassen daran keinen Zweifel aufkommen. Die Angaben von Holger Gerlach haben sich insoweit auch als verlässlich erwiesen.

      Der Mitangeklagte Gerlach war die Person, der die drei am besten kannte. Er hielt durchgängig bis 2011 Kontakt. Er begleitete sie bei mehreren Urlauben. Ihm gelangen daher zuverlässige, in sich konsistente und relativ unverfälschte Einblicke in die Binnenstruktur der Gruppe. Die Angaben des Mitangeklagten Gerlach wurden durch weitere Zeugen untermauert. So hat der Zeuge Max-Florian Bu. in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 29.11.2011, eingeführt über den Zeugen Be., beschrieben, dass Uwe Böhnhardt zwar gegenüber Uwe Mundlos autoritär aufgetreten sei, ein derartiges Verhalten habe Uwe Böhnhardt jedoch niemals gegenüber Beate Zschäpe an den Tag gelegt. Die Aussage von Max-Florian Bu. ist ebenfalls glaubhaft und aussagekräftig. Er hat seine Beschreibung des Umgangs der drei und ihres Verhältnisses untereinander bereits in der Frühphase der Ermittlungen,, noch gänzlich unbefangen von der Berichterstattung, gegeben. Und Max-Florian Bu. hatte die drei Untergetauchten erst kurz nach der Flucht kennengelernt, ist also frei von Eindrücken aus der Zeit in Jena.

      Die Urlaubsbekanntschaften haben die drei Untergetauchten teilweise über mehrere Jahre in Freiheit erlebt. Auch ihre übereinstimmenden Wahrnehmungen und Beurteilungen spiegeln die Gleichberechtigung und auch den Respekt, den ihr Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos zollten, wieder. Hier einige Zitate von den Aussagen der Urlaubsbekanntschaften. Zeuge Christian Mo. [siehe 60. Verhandlungstag]: „Sie waren zu dritt ein Team.“ Zeugin Karin Mo. [siehe 60. Verhandlungstag]: „Das Verhältnis der drei war ausgeglichen. Es herrschte Gleichberechtigung unter ihnen. Sie waren wie eine kleine Familie, eingeschworen, sie verstanden sich extrem gut.“ Juliane S. [siehe 129. Verhandlungstag]: „Alle wussten alles. Sie hatten ein ausgewogenes Verhältnis in der Gruppe, Planungen wurden immer zwischen den dreien abgesprochen. Sie verhielten sich fürsorglich, innig.“ Britta Ka. [siehe 68. Verhandlungstag]: „Sie schienen alle drei ein eingespieltes Team zu sein.“

      Die Zeugin Michele Ar. [siehe 217. Verhandlungstag]hat zur letzten Anmietung des Wohnmobils in Eisenach berichtet: Sie hatte den Eindruck, die beiden Kunden Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe erschienen sehr vertraut. Der Zeuge Ge. [siehe 68. Verhandlungstag]hat Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe im Zusammenhang mit der Auftragserteilung zur Reparatur eines Bootsmotors erlebt, dem Zeugen war das damalige Auftreten der Angeklagten noch sehr gut in Erinnerung. Obwohl es um einen Motor ging, habe nicht Böhnhardt, sondern die Angeklagte das Wort geführt und überwiegend gesprochen. Sie habe die Details der Reparatur abgesprochen. Die Frau habe bestimmt und gesagt, was zu machen sei. Sie sei außergewöhnlich dominant aufgetreten. In dieses Bild fügt sich auch ein Video – gespeichert auf EDV 2 – ein, das von einer Überwachungskamera der drei Untergetauchten aufgenommen und das in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen worden ist. Zu sehen sind neben der Angeklagten auch die beiden Männer. Beide Männer und nicht etwa Beate Zschäpe greifen unaufgefordert zum Kehrgerät, nachdem ein Besucher die Wohnung verlassen hat. Mehrere in Augenschein genommene Fotos zeigen stets eine gut gelaunte Zschäpe mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt.

      Erhellend ist auch die Aussage von Patrick Ku. [siehe 67. Verhandlungstag], einem Wohnungsnachbar: Die Angeklagte habe erzählt, dass sie etwas gegen Ausländer habe, die nach Deutschland kommen und nicht arbeiten, durch sie gebe es mehr Straftaten in Deutschland. Der Zeuge erinnerte sich an Vorfall 2010. Zschäpe habe ihm geraten, dass er sich nichts gefallen lassen soll und sich selbst beschrieben haben als eine, die auch gleich zulangen würde. Die Zeugin S. hat die Angeklagte […] erlebt. Die Angeklagte habe ihr eine Standpauke gehalten und sei aggressiv geworden, sie habe die Zeugin S. richtig eingeschüchtert. Auf Frage des Zeugen Poitschke, ob weitere Straftaten geplant und zu verhindern seien, verneinte sie, was unbefangen ebenfalls nur so zu verstehen ist, dass sie in alle Taten der Gruppe eingeweiht war.

      Nach der Beweisaufnahme ist auch davon auszugehen, dass sie nach Untertauchen mit keinem der Männer eine exklusive Beziehung führte. Zwar haben einige Zeugen aus ihrer damaligen Nachbarschaft gesagt, die Angeklagte habe behauptet, der eine sei ihr Freund, der andere der Bruder. Diese Fiktion war jedoch im konservativem Umfeld der Nachbarn allein der Legendierung geschuldet. Schon die Aufteilung der Zimmer in den verschiedenen Wohnungen spricht gegen eine Paarbeziehung. Die Zeugen, die das Verhalten der drei längere Zeit beobachtet haben, haben ebenfalls keine solche Wahrnehmungen gemacht. Nach den Beobachtungen der Zeugin Britte Ka. hat Beate Zschäpe beide Männer bemuttert. Beide Männer wären gleich nett zur Angeklagten gewesen. Der Zeuge Matthias Re. [siehe 68. Verhandlungstag] hat bekundet, „Gerry“ habe ihm gegenüber sein Verhältnis zu Liese als freundschaftlich bezeichnet eine intime Beziehung aber unmissverständlich verneint. Nach der Aussage von Karin Mo. war ein Verhältnis zu einem der Männer nicht wahrnehmbar. Hierfür spricht auch die vom Zeuge Poitschke geschilderte spontane Äußerung der Angeklagten nach ihrer Festnahme, Böhnhardt und Mundlos seien ihre Familie gewesen, ohne dass sie zwischen den beiden differenziert hätte. Der Mitangeklagte Holger Gerlach beschrieb das Verhältnis zu Böhnhardt und Mundlos folgendermaßen: “Als wenn sie die Frau zweier Ehemänner gewesen wäre. Sie hatte keine Beziehung zu einem der beiden, sondern zu beiden ein enges Verhältnis.“ Dem entspricht wiederum, dass auch der Zeuge Max-Florian Bu., wie bekundet vom Zeugen Be., zu keinem Zeitpunkt Intimitäten beobachtet hat.

      Die Aussage von Sindy H., die Beate Zschäpe […] als unsichere Persönlichkeit einschätzen wollte und auf deren Beschreibung der Zeuge Bauer sein unsicheres Konstrukt einer dependenten Persönlichkeit maßgeblich errichtet hat, ist nicht zu folgen. Die Angeklagte selbst stellte gegenüber dem Zeugen Bauer die Angabe der Zeugin in Abrede. Die Verschiebung der Verantwortung auf Uwe Böhnhardt, die die kontaktheischende Zeugin H. geschildert hat,kann auch als praktikabler Vorwand der Beate Zschäpe gewertet zu werden, H. auf die erforderliche Distanz zu halten.

      Wie selbstbewusst sich die Angeklagte Beate Zschäpe nach der Festnahme und während des Verfahren gerierte, dazu haben die Zeugin Binz, Le. und P.
      [beide siehe 17. Verhandlungstag]bekundet. Sie hätte sich nicht gestellt, wenn sie nichts hätte sagen wollen. Ihr war wichtig, dass die beiden sie zu nichts gezwungen hätten. Dem Zeugen Le. gegenüber präsentierte sie sich als Faktenmensch. Da die Angeklagte Beate Zschäpe überobligationsmäßig vor jedem Gespräch mit Ermittlungsbeamten ausdrücklich und unmissverständlich auf ihr Aussageverweigerungsrecht hingewiesen wurde, geht der Verwertungswiderspruch der Verteidigung soweit ins Leere, ein Verwertungsverbot hinsichtlich solcher Äußerungen ist nach der bestehenden Rechtsordnung nicht vorgesehen. Dass die Angeklagten durchaus dominante und manipulative Wesenszüge zeigt und Geschehen gerne kontrolliert, belegt der Brief an Robin Schmiemann – auch zu dessen Verwertbarkeit habe ich bereits Ausführungen gemacht.

      Auch seit Mai 2013 zeigte sich die Angeklagte bestimmend, selbstbewusst und durchsetzungsstark. Zu erwähnen ist insbesondere, wie vehement sie tagesabhängig die Sitzordnung der Verteidiger und sogar der des Angeklagten Eminger durchgesetzt hat. Wie konsequent sie unbequeme Zeugen fixiert hat und mit welcher Energie und Ausdauer sie ihren Bannstrahl gegen ihre sogenannten Altverteidiger gerichtet hat, als diese sich ihrem Willen nicht mehr unterordnen wollten. Auch in der Haftanstalt in München ist sie nach glaubhaften Angaben der Zeugin Ha. [siehe 350. Verhandlungstag]selbstbewusst und standfest aufgetreten. Zaghaftigkeit und Unsicherheiten hat die Zeugin nicht feststellen können. Nach der Beweisaufnahme ist daher davon auszugehen, dass sich die Angeklagte in der Dreiergruppe mit Blick auf Vorgeschichte und gemeinsame Entwicklung durchaus behaupten konnte.

      Wenn also die Zeugin Ilona Mundlos die Angeklagte als Jugendliche im Umgang mit Uwe Mundlos folgendermaßen beschrieben hat: „Zschäpe hatte Durchsetzungsvermögen, ließ sich nicht alles gefallen, konnte ihren Willen durchsetzen“, dann weiß jeder der Verfahrensbeteiligten, die die Angeklagte im Sitzungssaal erlebt haben, was die Zeugin damit gemeint hat. In der Hauptverhandlung ergaben sich auch keine tragfähigen Anhaltspunkte, dass sie sich nach dem Untertauchen vom rechten Gedankengut distanziert hätte. Die Angeklagte hatte in ihrer Wohnung Zugriff auf eine Vielzahl von rechten Schriften, zu den Inhalten einer sichergestellten DVD-R mit der Bezeichnung „Neu“ mit zahlreichen Texten aus der NS-Zeit hat die Zeugin Pf. [siehe u.a. 149. Verhandlungstag]ausführlich bekundet. Auch das lange Zusammenleben mit zwei überzeugten, rechtsextremistischen Mördern und ihr Engagement, das sie am 04. und 05.11.2011 gezeigt hat, sprechen eindeutig gegen einen Gesinnungswandel.

      Wenn die Angeklagte Beate Zschäpe dem Zeugen Patrick Ku. auch einmal geraten haben soll, nicht in die rechte Szene abzurutschen, ist dies nur konsequent, da die drei Untergetauchten selbst ab 2000 den Kontakt in die rechte Szene mieden und sich angepasst verhielten, bspw. auch griechische Restaurants aufsuchten. Hinzu kommt, dass das Entdeckungsrisiko für die gesamte Gruppe durch extremistisches Verhalten des Nachbarn zugenommen hätte, die Warnung also auch der Sicherheit der Gruppe diente. Die Gruppe selbst war staatsfeindlich ausgerichtet. Die Angeklagten Zschäpe, Gerlach und Wohlleben verhalten sich zu den politischen Zielen der Gruppe verschwommen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme töteten Böhnhardt und Mundlos unbeschadet ihrer psychopathischen Züge nicht aus Mordlust und auch nicht gelegenheitshalber aus Frustration. Böhnhardt und Mundlos sahen sich nicht als Kriminelle. Sie töteten im Namen des Nationalsozialistischen Untergrunds. Der NSU hat sein Wirken ausdrücklich unter ein politisches Motto gestellt. Das zeigt nicht nur die Namensgebung. Die Bezeichnung, die seit 1999 unverändert war, stellt unmissverständlich den Bezug zum Nationalsozialismus her.

      Auch der Vorgehensweise der Gruppe kommt starke Aussagekraft zu. Die Taten waren ganz und gar nicht das Zufallsprodukt, das die Angeklagte behauptet. Durch die Verwendung ein- und derselben Schusswaffe sollten die Taten in der Öffentlichkeit als serienmäßige Hinrichtungen wahrgenommen werden. Die Anschläge wurde ab der ersten Erschießung von der Gruppe dokumentiert und nummeriert. Das Konzept sah auch vor, durch Anschläge eine größere Anzahl von Opfern zu treffen. In beiden Fällen sollte zunächst keine Bekennung zu den einzelnen Taten erfolgen. Dadurch sollten die Bevölkerungsteile mit Migrationshintergrund massiv verunsichert werden. Bürger, die nach ihrem Verständnis nicht der deutschen Nation angehörten, sollten das Vertrauen zum Staat und in die Polizei verlieren und zum Wegzug veranlasst werden. Innerhalb der betroffenen Bevölkerungsteile sollte sich Misstrauen ausbreiten. Die wahren Hintergründe sollten erst im Bekennervideo dargelegt werden.

      Im Bekennervideo Paulchen Panther bekundete der NSU: „Solange sich keine grundlegenden Änderungen und in der Politik, Presse und Meinungsfreiheit vollziehen, werden die Aktivitäten weitergeführt. Taten statt Worte.“ Der NSU wollte damit mit seinen Taten zum Erhalt der deutschen Nation beitragen. Warum die Serie der Anschläge im Jahre 2007 endete, konnte nicht festgestellt werden. Bisher wurden jedenfalls keine weiteren Anschläge ermittelt. Das Konzept sah auch vor, wie in den Turner-Tagebüchern beschrieben, auch die Kommandozentrale zu sprengen. Dass die Gruppe im Datenbestand auch eine elektronische Ausgabe der Turner-Tagebücher besaß, hat die Zeugin Pflug glaubhaft bekundet. Die Gruppierung hatte 10 Liter Kraftstoff gelagert in der Wohnung. Auch das Wohnmobil in Eisenach war für die Exit-Strategie ausgestattet gewesen. Böhnhardt und Mundlos führten einen erheblichen Geldbetrag, eine beträchtliche Anzahl der Bekennervideos und Klamotten mit sich. Eine Flucht und die Aufgabe der Wohnung waren demnach bei jeder Bekenntnisfahrt als Möglichkeit eingeplant.

      Die Recherche der Angeklagten im Internet und ihr gezieltes strukturelles Vorgehen am 4. und 5.11.2011 belegen, welche Abreden es für den Fall eines Fehlschlagens einer Tat gab und dass Beate Zschäpe genau dafür verantwortlich war, ohne Rücksicht auf die Mitbewohner die Wohnungen in die Luft zu jagen. Das Ausbringen von Benzin in allen Räumen war auf eine solche Explosion eingerichtet. Ohne zu zögern, setzte sie den gemeinsamen Plan um. Dieses Endszenario hat die Angeklagte Zschäpe laut ihrer Einlassung ohne weitere Kommunikation mit den Gruppenmitgliedern ausgeführt. Die Angeklagte Beate Zschäpe war die Statthalterin in der Wohnung, das mobile Pendant Wohnmobil steckten Böhnhardt und Mundlos in Eisenach in Brand. Einen weiteren Beleg für die terroristische Ausrichtung der Gruppe stellt der sog. NSU-Brief dar. Das Dokument wurde als elektronische Datei im Datenbestand auf der Festplatte USB Seagate EDV 11 in der Frühlingsstraße sichergestellt. Die Einzelheiten haben die Zeugen Pf. und Scheuber bekundet und der Brief wurde in Augenschein genommen.

      Den Brief versandte die Gruppe im Jahr 2002 mit einem Geldgeschenk an mindestens zwei rechtsgerichtete Magazine. Ein Originalbrief wurde bei der Durchsuchung im Jahr 2012 beim Zeugen Petereit [siehe 297. Verhandlungstag]sichergestellt. Das Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll wurde verlesen. Die zeitliche Einordnung des Versands basiert auf der Danksagung im Fanzine „Weisser Wolf“ aus 2002. Der Brief ist von erheblicher Bedeutung, weil er als Selbstdarstellung die einzige Verlautbarung an die Szene darstellt. Er gewährt Einblick in die damalige Ideologie der Gruppe. Eine Bekennung zu den Taten ist ihm nicht zu entnehmen. Angestrebt wurden grundlegende Änderung der bundesrepublikanischen Verhältnisse in Politik, Presse und Meinungsfreiheit. Angedacht wurde ein Netzwerk von Gleichgesinnten. Die Mitglieder bezeichnen sich als Nationalisten. Die Parallele zu der Einlassung von Beate Zschäpe ist auffällig. Sie befänden sich im Widerstandskampf um die Freiheit der deutschen Nation. Nur durch den wahren Kampf könne dem Regime und seinen Helfern entgegengetreten werden. Dass der politische Hintergrund der Gruppe, der sich aus NSU-Brief ergibt, unverändert geblieben ist, zeigt die Veröffentlichung des Videos im November 2011. Die Szenen im Paulchen Panther-Video sind geprägt von der Vision einer Neuordnung von Staat und Gesellschaft ohne Ausländer. Dass die Angeklagte Zschäpe nach Brandlegung nichts als ihre Katzen und die Bekenner-DVDs aus der Wohnung rettete, belegt den Stellenwert, den die Bekennung für sie einnahm.

      Götzl: „Dann werden wir jetzt das Plädoyer unterbrechen und setzen morgen um 9:30 Uhr fort.“

      Der Verhandlungstag endet um 16:35 Uhr.

      Einschätzung des Blogs “NSU-Nebenklage”

      Für die Protokolle der Plädoyers der Bundesanwaltschaft nutzen wir neben unseren Mitschriften die bereits auf nsu-nebenklage.de veröffentlichten Protokolle und überarbeiten diese.

        Der Beitrag Protokoll 375. Verhandlungstag – 25. Juli 2017 erschien zuerst auf NSU Watch.


        Protokoll 376. Verhandlungstag – 26. Juli 2017

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        An diesem Prozesstag setzt Oberstaatsanwältin Greger das Plädoyer des GBA fort. Sie spricht über die Einbindung der Angeklagten Beate Zschäpe in die Gruppe NSU, die sie als gleichberechtigt beschreibt. Ohne sie wären die Taten des NSU nicht möglich gewesen. Greger widerspricht damit auch der Einlassung der Hauptangeklagten. Greger geht im heutigen Teil des Plädoyers auf die Waffen, die Finanzen und die Tatortausspähungen des NSU ein.

        Der Prozesstag beginnt 9:51 Uhr. Heute sind die Nebenklägerinnen Yvonne Boulgarides und Michaela Boulgarides anwesend. Götzl: „Dann setzen wir heute mit den Plädoyers der Bundesanwaltschaft fort. Ich würde meinen, dass wir eine Größenordnung von einer Dreiviertelstunde anpeilen. Bitte schön!“

        OStAin Greger setzt ihren am letzten Prozesstag begonnen Teil des Plädoyers des GBA fort:
        Hoher Senat, ich stelle jetzt dar, welche Erkenntnisse die Beweisaufnahme zum Innenleben der Vereinigung erbracht hat.“ Dass die Untergrundzelle die Mordanschläge so effektiv und lange Zeit unentdeckt begehen konnte, lag nicht zuletzt am engen Zusammenhalt und Zusammenspiel der drei Mitglieder. Böhnhardt und Mundlos waren kein psychopathisches Duo, das neben der Angeklagten herlebte und hin und wieder in mörderische Exzesse verfiel. Alle drei Personen fügten ihr Handeln und Verhalten in ein großes Ganzes ein. Das gemeinsame Zusammenleben war über die Jahre darauf ausgerichtet, die Anschläge sicher und effektiv zu begehen. Alle drei Personen sicherten gemeinsam Böhnhardt und Mundlos bestmöglich ab. Alle drei Mitglieder schweißte ein unbedingtes Vertrauen zueinander zusammen. Die Handlungen aller drei Personen zeigen sich ineinander verwoben. Jedem kamen bestimmte Aufgaben im Dienste der gemeinsamen Sache zu. Und alle drei Mitglieder arbeiteten für ihre Sache ganz bewusst einvernehmlich Hand in Hand zusammen. Die Angeklagte Zschäpe trat im Geschäftsverkehr als harmlose Hausfrau auf. Sie beschaffte SIM-Karten und Mobiltelefone, die alle Mitgliedern zur Verfügung standen. Sie sorgte für sichere Ausweise. Uwe Böhnhardt übernahm ab 2004 die Aufgabe, Wohnmobile und Fahrzeuge anzumieten. Gemeinsam verschafften sich Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe eine Vielzahl von Schusswaffen, dazu Munition und Sprengstoff. Und in den Kellerräumen fanden in Kenntnis der Angeklagten Zschäpe Schießübungen statt.

        Das Herzstück der Gruppe war ihre Wohnung. Ihrem Wohnungsumfeld spielten die drei Personen unter Aliasnamen die Schimäre des ganz normalen Lebens vor. Das Innere der genutzten Mietwohnungen wurde zunehmend baulich gesichert. Der Außenbereich wurde mit Kameras zuletzt komplett überwacht. In der Unterkunft wurde die gesamte Logistik der Gruppe, also Waffen, Sprengstoffe, Papiere, Daten, Kommunikationsmittel, Zeitungsarchiv und auch Beute gelagert. Die Asservatenlage, wie sie nach dem Brand in Zwickau von den Behörden vorgefunden wurde, belegt eine sehr enge vertrauensvolle Zusammenarbeit und eine sehr enge, vertraute Bindung der Personen. Demnach lagen Waffen und Beute und Bekenner-DVD offen zugänglich in der Wohnung, Computer waren unverschlüsselt und standen allen zur Verfügung. Die Kommunikationsmittel wurden ebenfalls gemeinsam ohne feste Zuordnung von den Dreien wechselnd benutzt. Entgegen der Einlassung der Angeklagten Zschäpe gab es keine Ausschließlichkeit [der Nutzung]der Räume, wie das Katzenzimmer [zeigt], in dem sich der Rechner, die Sitzecke und der Fernseher der Gruppe befanden.

        Die Gruppe verfügte am 04.11.2011 über zwei Computer. Der Hauptcomputer befand sich im Zimmer der Angeklagten. Die einzelnen Fundorte der sichergestellten Asservate ergeben sich aus den verlesenen Asservaten-Verzeichnissen und den Angaben des Brandermittlers L. [siehe 15., 24., 25. und 38. Verhandlungstag]. Die Skizzen der Wohnungen und Lichtbilder zu den Fundorten wurden in Augenschein genommen. Des Weiteren führten Böhnhardt und Mundlos im Wohnmobil in Eisenach ein Notebook mit sich, das ebenfalls sichergestellt worden ist. Der Hauptcomputer, der PC Asus, stand unter dem Hochbett der Angeklagten Zschäpe. Dort war ein PC-Arbeitsplatz eingerichtet. Nach der Einlassung der Angeklagten Zschäpe, die sich insoweit mit dem Ergebnis der Ermittlungen deckt, arbeiteten alle drei Personen mit dem Gerät.

        Für die folgenden, im verlesenen Browserverlauf gespeicherten Recherchen mit diesem, spielt die Angeklagte Zschäpe eine Rolle. Die verzeichneten Zeiten haben sich nach den überzeugenden Aussagen des Zeugen Ronny Bo. [siehe 27. und 43. Verhandlungstag] als schlüssig erwiesen. Die festgestellten Recherchen lassen Rückschlüsse auf Aufgabenverteilung innerhalb der Gruppe und Ineinandergreifen der Gruppenmitglieder zu. Im Mai 2011 wurde in dem Computer nach „Hotels Disneyland Paris“ gesucht. Nach der Aussage der Zeugin Gabriele Q. [siehe 46. und 47. Verhandlungstag] hat die Angeklagte Zschäpe die Reise unter ihrem Aliasnamen Lisa Pohl am 27.05.2011 in einem Reisebüro für André Eminger und dessen Familie gebucht und in bar bezahlt. In der Wohnung Frühlingsstraße wurden dazu eine Rechnung und Buchungsbestätigung vom 15.6.2011 sichergestellt. Die Reise ist als Entlohnung für André Eminger zu würdigen.

        Im Juni 2011 erfolgte mit dem Gerät Fahrplanauskünfte zu Haste, Niedersachsen. Die Reise erfolgte zu Holger Gerlach und stand im Zusammenhang mit der Abholung eines Reisepasses für Böhnhardt. Gereist ist nach den Aussagen der Zeugen Jeanette Pf. [siehe u.a. 220. und 229. Verhandlungstag], Timo Ko. [siehe 217. und 293. Verhandlungstag] und Ivar Kä. [siehe 233. Verhandlungstag]die Angeklagte Zschäpe. Einen Zusammenhang mit der Ausspähungsfahrt belegt der Browserverlauf am 21.08.2011. Verzeichnet ist eine 1 1/2 stündige Recherche nach Campingplätzen bei Eisenach/Arnstadt. Schon einen Tag später übernachteten zwei Mitglieder der Gruppe unter dem Namen Gerlach auf dem Campingplatz Paulfeld. Das dritte Mitglied blieb in Zwickau, was eine Internetrecherche belegt. Nach den festgestellten Abläufen zur Praxis der Ausspähungen war dies die Angeklagte Zschäpe, die die Wohnung sicherte. Am Tag des Überfalls in Arnstadt und in Eisenach recherchierte die Angeklagte Zschäpe von ihrem PC nach Nachrichten und Verkehrsunfällen.

        Für sich selbst spricht, bedenkt man die Behauptung der Angeklagten Zschäpe, sie sei von Böhnhardt und Mundlos gemobbt worden, der Aufstellungsort des Hauptcomputers im Zimmer der Angeklagten. Bezeichnenderweise wies das Gerät zudem nach den Ausführungen des Sachverständigen Ronny Bo. als Zugangskennung das Kennwort Lise auf, die Nutzer lauteten Lise und PC. Das Laptop Acer wurde im Wohnmobil Eisenach sichergestellt. Nach der Aussage der Urlaubsbekanntschaft Juliane S. [siehe 129. Verhandlungstag] gehörte es der Angeklagten Zschäpe, wurde jedoch während der Urlaube auch viel von Böhnhardt und Mundlos genützt. Dieses Notebook wurde bei den Überfällen mitgeführt, so auch während der letzten Fahrt zum Bankraub in Eisenach. Beate Zschäpe überließ es den Männern für ihre Kommunikation. Nach Aussage der Zeugin S. lautete das W-Lan-Passwort Susan.

        Im Brandschutt der Frühlingsstraße wurde eine DVD-R mit dem Zusatz Treiber und Programme 5.5.07 gefunden. Auch die Inhalte dieses Datenträgers sind als Belege für das vertrauensvolle Miteinander der Gruppenmitglieder und die Vermischung von Gruppenbelangen und Persönlichem zu werten. Geheimnisse bestanden demnach nicht. Auf dem unverschlüsselten Datenträger finden sich die Ordner „Killer“ und die Unterordner „Datenbank Aktion Wichtig“, „Graphiken“ und „Mein Kampf“. In dem Unterordner „Datenbank“
        [finden sich] Ausspähobjekte. In dem Unterordner „Graphiken“ sind zwei Entwürfe für fingierte Mitgliedsausweise Beate Zschäpes für Tennisclubs […] u.a. in Nürnberg und drei Versionen eines selbst entworfenen Hausausweises eines Hotelmitarbeiters mit Lichtbild der Angeklagten Zschäpe gespeichert. Hier befinden sich auch die Bilddateien mit dem Wettvertrag zwischen Lise, Cleaner und Killer und nicht zuletzt Urlaubsbilder von Böhnhardt und Zschäpe. Der Unterordner „Mein Kampf“ enthält eine Version des Buches und Onlinematerial zu rechten Themen. Im Ordner für die Aktions-DVD sind Softwareprogramme für die Bearbeitung von Videos gespeichert.

        Bei der EDV 22 handelt es sich um eine DVD. Auf diesem Datenträger finden sich nach den Aussagen der Zeugen Jeanette Pf. und Roman Gl. [siehe 46. und 239. Verhandlungstag] unter Bezeichnung „Aktionsdatenbank“ eine elektronische Adressliste mit Ausspähmaterial. Auf dem Datenträger sind aber auch drei Urlaubsfotos 2006 in Grömitz gespeichert, [was] zudem der Zeuge Winfried Tu. [siehe 85. Verhandlungstag]und die Sachverständige Elisabeth Pi. [siehe 303. Verhandlungstag] bekundet haben. Die Fotos im Unterordner „Urlaub 2006“ wurden in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen.

        Bei der EDV 11 handelt es sich um eine externe Festplatte, die im Brandschutt der Frühlingsstraße sichergestellt wurde. Darauf befand sich nach Angaben der Zeugen Ellen Ha. [siehe 43. Verhandlungstag]und Jeanette Pf. im Ordner „Max“ die ungesicherte Vorversion des Bekennervideos und im Ordner „Max“ der NSU-Brief. Die Gruppe verfügte über mehrere SIM-Karten und Mobiltelefone. Die Fundorte ergeben sich aus den Vermerken der Zeugen Pf. und […] und Ermittlungsvermerken. Nach der Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass die SIM Karten der Gruppe ausschließlich von der Angeklagten Zschäpe beschafft und dann von den Mitgliedern gemeinsam genutzt wurden. Mit der Ausstattung der Gruppe mit Mobiltelefonen stellte die Angeklagte Zschäpe sicher, während der Abwesenheit Böhnhardts und Mundlos‘ mit diesen kommunizieren zu können. Des Weiteren waren die Mobiltelefone für die Anmietung der Fahrzeuge von Bedeutung, um eine telefonische Erreichbarkeit bieten zu können.

        In keinem Fall wurde nach Aussage der vernommenen SIM-Inhaber Susann Ei. [siehe 56. Verhandlungstag], Janine St. [siehe 66. Verhandlungstag], Sandy N. [siehe 73. Verhandlungstag]und J. Mobiltelefone von Mundlos oder Böhnhardt beschafft. Für die Urlaubsbekanntschaften stellte es sich so dar, dass im Urlaub die Angeklagte Zschäpe das gemeinsame Handy der Gruppe bei sich trug und es den Männern bei Bedarf zur Verfügung stellte. Die Zeugin Ursula Sch. [siehe 60. Verhandlungstag]erinnerte sich, „Lise hatte ein Handy, die Jungs keins“. Die Zeugin Juliane S. formuliert es so, dass die Angeklagte Zschäpe es den Männern zur Verfügung stellte. Die Angeklagte Zschäpe verfügte demnach über Hauptcomputer, Haupthandy und Notebook. Zu den Mobiltelefonen konnten in der Beweisaufnahme folgende Feststellungen getroffen werden: Im Brandschutt der Wohnung wurden insgesamt sechs Mobiltelefone gefunden. Im Wohnmobil in Eisenach wurde ein weiteres Mobiltelefon sichergestellt. Zudem verfügte die Angeklagte Zschäpe über ein Handy, das sie kurz nach ihrer Flucht aus der Frühlingsstraße noch nutzte, dessen Verbleib allerdings ungeklärt ist. Damit sind der Zelle insgesamt acht Handys und mehrere SIM-Karten zuordenbar.

        Die Erwerbvorgänge konnten weitestgehend in der Beweisaufnahme nachvollzogen werden.
        So berichtet die Zeugin Sandy N., dass das Mobiltelefon mit der SIM-Karte und der Nummer
        [0151-Nummer] über sie beschafft worden ist. Die Zeugin wurde dazu von einer ihr unbekannten weiblichen Person in Zwickau angesprochen. Die SIM-Karte mit Telefon führten Böhnhardt und Mundlos bei der Tat in Eisenach mit. Die Nummer verwendete Böhnhardt auch nach den verlesenen Mietverträgen für die Anmietung des Wohnmobils in Arnstadt, zudem für die Anmietung des Wohnmobils für Ausspähung im August 2011.

        Die Zeugin Beatrix Ja. [siehe 66. Verhandlungstag] hat bestätigt, für die Angeklagte Zschäpe, die sie unter Lisa kannte, die Mobiltelefonnummer [0162-Nummer] erworben zu haben. Die dazugehörige SIM Karte benutzte Beate Zschäpe laut dem Zeugen Guido Sch. [siehe 116. Verhandlungstag] während ihrer Flucht nach dem Brand in der Frühlingstraße für Kontaktaufnahme zu André Eminger. Die Rufnummer findet sich auch auf dem Verlesungsprotokoll vom 11.01.2007 zum Komplex Wasserschaden Polenzstraße. Die Nummer wurde laut dem Zeugen Rocco Ra.[siehe 66. Verhandlungstag]damals von der Angeklagten Zschäpe als ihre telefonische Erreichbarkeit genannt. Dieses Mobiltelefon wurde auch während einer Ausspähung verwendet. Nach Aussage des Zeugen Stefanus Er. [siehe 195., 203. und 284. Verhandlungstag]war die Nummer im Bereich Campingplatz Paulfeld in Leinatal, Thüringen in die Funkzelle eingebucht.

        Die Zeugin Janine St. erinnerte sich, die [0160-Nummer] für eine unbekannte Frau in Zwickau erworben zu haben. Die Beschreibung trifft auf die Angeklagte zu. Der entsprechende Prepaidvertrag wurde sichergestellt in der Frühlingsstraße. Die Zeugin Susann Ei. gab an, die SIM-Karte mit der Nummer am 28.04.2004 in der Nähe des Wohnortes der Untergetauchten für die unbekannte Frau beschafft zu haben. Die Vertragsunterlagen wurden in der Frühlingsstraße sichergestellt, so dass davon auszugehen ist, dass es die Angeklagte Zschäpe war, die die Zeugin angesprochen hat. Der Handyvertrag wurde in der Hauptverhandlung verlesen. Diese Rufnummer wurde [gegenüber der] Autovermietung Zwickau als Erreichbarkeit angegeben und auf dem verlesenen Mietvertrag für die Anmietung eines VW Touran für die Anmietung eingetragen. Das Fahrzeug wurde für die Fahrt nach Köln und die Begehung des Anschlages in der Keupstraße verwendet. Die Nummer war auch als telefonische Erreichbarkeit von Holger Gerlach für die Autovermietung H. hinterlegt worden, wie sich etwa aus dem verlesenen Mietvertrag vom 04.11.2006 ergibt, der wiederum im Zusammenhang mit dem Banküberfall in Stralsund steht, und auch aus der Aussage des Zeugen Jochen Gu. [siehe 77. Verhandlungstag], dem zufolge genau diese Nummer zu Holger Gerlach vermerkt war in den Daten der Firma.

        Daneben wurden Unterlagen zum Handy [0162-Nummer] in der Frühlingsstraße aufgefunden. Der Zeuge Michael St. [siehe 42. Verhandlungstag]hat zu den Einzelheiten berichten [können]. Die Nummer wurde von Anette F- angeschafft. Auch hier ist aus […] und der Parallelität der Ereignisse zu schließen, dass die Angeklagte Zschäpe die Anschaffung zu verantworten hat. Die SIM-Karte wurde nach den Bekundungen von den Zeugen Thomas Bl. [siehe 50. Verhandlungstag]und St. von Böhnhardt und Mundlos bei der Tat in München, Fall Boulgarides, mitgeführt und von der Angeklagten Zschäpe konspirativ aus einer Telefonzelle zeitnah zur Tat angewählt. Rechnungen und Belege zu dieser Nummer wurden in der Frühlingsstraße sichergestellt, unter anderem der Zettel mit “Aktion” mit der Rufnummer darauf.

        Sämtliche Verstecke der Gruppe hatte die Gruppe gemeinsam beschafft und genutzt. Der Zeuge Winfried Tu. [siehe 85. Verhandlungstag] hat die wesentlichen Erkenntnisse zu den Wohnungen bekundet. Die Zeugin Annika Al. [siehe 218. und 222. Verhandlungstag]hat zu den Asservaten und zu den mit den Anmietungen verwendeten Aliasnamen ausgesagt. Die Angeklagte Zschäpe hat die Unterkünfte und das gemeinsame Wohnen in ihrer Einlassung grundsätzlich bestätigt. Die Wohnungsgeber Thomas Rothe [siehe 100., 131. und 146. Verhandlungstag]und Carsten Ri. [siehe 95. Verhandlungstag], Max-Florian Bu. [siehe 87. Verhandlungstag] und Matthias Dienelt [siehe 125. Verhandlungstag], so die Zeugen Christoph Gr. [siehe 123. Verhandlungstag], Ralf Be. [siehe 97., 101. und 109. Verhandlungstag] und Christoph Sch. [siehe 122. Verhandlungstag]als Vernehmungsbeamte von Thomas Mü., geb. Starke [siehe 101. Verhandlungstag], die Zeugen Dr. Wolfgand Schaffert und Volker Fl. [siehe 125. Verhandlungstag]zur Vernehmung des gesondert Verfolgten Matthias Dienelt die Zeugen Pe. [siehe 87. Verhandlungstag], Ralf Be. und Christian Vi. [siehe 87. und 97. Verhandlungstag] als Vernehmungsbeamte von Max-Florian Bu.

        Die Wohnungsvermittler Mandy Struck [siehe 89., 90. und 105. Verhandlungstag]und Achim Fiedler [siehe 188. Verhandlungstag] und der Vermieter Volkmar E. [siehe 16. Verhandlungstag]wurden als Zeugen vernommen und haben die Abläufe ebenfalls bekundet und sofern erforderlich die drei Untergetauchten identifiziert. Verlesen wurden die sichergestellten Mietverträge Frühlingsstraße nebst Untermietvertrag, Polenzstraße nebst Untermietvertrag, Kündigung und Übergabeprotokoll, Heisenbergstraße nebst Kündigung und Übergabeprotokoll, Wolgograder Allee nebst Anlagen und Kündigung, und Vertrag Altchemnitzer Straße nebst Kündigung und Schriftverkehr. Diese Unterlagen wurden im Wege der Verlesung in die die Hauptverhandlung eingeführt.

        RA Heer unterbricht: „Ich möchte nicht unhöflich sein, muss auch nicht jedes Wort mitschreiben. Aber bitte etwas langsamer, ich will zumindest die Namen der Zeugen mitschreiben, in der Geschwindigkeit geht das nicht.“ OStAin Greger wiederholt ab der Namensauflistung und den Verträgen.

        Greger fährt dann mit dem Plädoyer fort: Nach dem Untertauchen fanden die drei Untergetauchten, zunächst vermittelt durch Thomas Starke, Unterschlupf für etwa drei Wochen bis Februar 1998 beim Zeugen Thomas Rothe in Chemnitz in der Friedrich-Viertel-Straße. Von Mitte Februar 1998 bis Sommer ’98 stellt Max-Florian Bu. die Wohnung in der Limbacher Straße zur Verfügung. In dieser Wohnung wurde das Spiel Pogromly hergestellt. Max-Florian Bu. hatte die drei Untergetauchten erst über seine damalige Freundin Mandy Struck kennengelernt. Vom 29.08.1998 bis 30.04.1999 benutzten die Angeklagten Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos den Zeugen Carsten Ri. für eine Anmietung. Die Einzimmerwohnung in der Altchemnitzer Straße in Chemnitz für 450 DM warm hatten die drei selbst ausgewählt. Der Zeuge Ri. trat mit der Angeklagten Zschäpe als Pärchen auf bei der Anmietung, um den Eindruck einer unverfänglichen Anmietung zu erwecken. Die Anmietung erfolgte unter dem Namen Ri. Für die Kosten kamen die drei Untergetauchten selber auf. Die Bezahlung regelte nach der verlässlichen Aussage des Zeugen Ri. die Angeklagte Zschäpe.

        Die Zeugen Hendrik Lasch [siehe 190. Verhandlungstag]und Anja S. [siehe 103. Verhandlungstag] erinnerten sich, die drei in dieser Wohnung auch besucht zu haben. In dem Anmietungszeitraum wurde die terroristische Vereinigung gegründet und es erfolgte der erste bekannte Überfall. Die Wohnung wurde kurz nach dem Überfall gekündigt. Der Mietvertrag und das Übergabeprotokoll und die Kündigung wurden sichergestellt und verlesen. Mitte April ‘99 bis 31.08.2000 mietete der Angeklagte Eminger in Kenntnis aller Umstände für Mundlos, Böhnhardt und die Angeklagte Zschäpe eine Zwei-Zimmer-Wohnung in Chemnitz für 416 DM an. Der Mitangeklagte André Eminger hat sich dazu nicht eingelassen. Der Mietvertrag, das Übergabeprotokoll und das Kündigungsschreiben wurden in der Frühlingsstraße sichergestellt. Das Kündigungsschreiben gleicht in der Diktion dem sichergestellten Kündigungsschreiben des Zeugen Carsten Ri. Die Nutzung der Wohnung steht nicht nur aufgrund dieser Asservate fest. Der Zeuge Bu hat sich an die Angeklagte Zschäpe erinnert. Der Zeuge Ralf Be. hat bekundet, Max-Florian Bu. habe ihn zur Identifizierung eines Unterschlupfs der Drei in die Wolgograder Alle geführt, das Haus zwar selbst nicht wiedererkannt, aber die Wohnung zutreffend beschrieben. Der Zeuge Marcel Schenke [siehe 217. Verhandlungstag], ein Bekannter von André Eminger, hat ausgeschlossen, dass André Eminger selbst in dieser Wohnung gewohnt habe. Laut einem verlesenen Behördengutachten finden sich Fingerspuren an der Heizkostenabrechnung aus 1999 und auf einem Begleitschreiben zum Mietvertrag. In diesen Mietzeitraum fällt die Begehung des ersten Sprengstoffanschlags in Nürnberg und zweier Banküberfälle in Chemnitz.

        Zum Juli 2000 erfolgte der Umzug der Gruppe nach Zwickau. Die Gruppe wollte sich bewusst von rechter Szene in Chemnitz auch räumlich distanzieren. Uwe Mundlos mietete als Max-Florian Burkhardt eine Drei-Zimmer-Wohnung in der Heisenbergstraße in Zwickau an. Der Grundrissplan wurde in Augenschein genommen. Der Mietvertrag wurde in der Frühlingsstraße sichergestellt. Die Zahlungen liefen über einen auf den Namen Bu. laufendes Konto, das nach der Aussage des Zeugen Christian Vi. von Uwe Mundlos eröffnet worden ist. In diesem Mietzeitraum fanden die Anschläge in Nürnberg und in Köln, Probsteigasse, statt, zudem ein Banküberfall in Chemnitz.

        Von Mai 2001 bis Mai 2008 mietete Dienelt für die Gruppe eine Drei-Zimmer-Wohnung in der Polenzstraße an und vermietete sie am 18.5.2003 vorsorglich schriftlich an die drei Bewohner unter. In dieser Wohnung wurden bereits Umbauten vorgenommen, so wurde nach der Bekundung der Zeugen Sindy Po. [siehe 82. Verhandlungstag]und Katrin F. [siehe 56. Verhandlungstag] eine Lärmdämmung angebracht. Der Keller wurde mit Holztüren ausgestattet. Die Dämmung erklärte Beate Zschäpe der Nachbarin F. mit lauten Schießspielen, denn die Nachbarn hatten vorher wiederholtes Rumsen wahrgenommen. Zu dieser Anmietung wurden zahlreiche Asservate in der Frühlingsstraße sichergestellt. Laut einem verlesenen Behördengutachten finden sich Fingerspuren der Angeklagten Zschäpe auf dem Mietvertrag. In den Zeitraum dieser Anmietung fällt ein Großteil der Anschläge dieser Gruppe. In der Nachbarschaft lebten Böhnhardt und Mundlos nach Aussage Sindy Po. und Heike Ku. [siehe 67. Verhandlungstag] sehr zurückgezogen, während die Angeklagte Zschäpe kontaktfreudig auftrat.

        Am 01.04.2008 erfolgte der Umzug in die Frühlingsstraße 26 in eine nunmehr 125 qm große Vier-Zimmer-Wohnung. Die Skizze der Raumaufteilung wurde in Augenschein genommen. Die Wohnung hatten nach der Aussage Dienelt – von dem Zeugen Schaffert bekundet – Max und Liese, also Uwe Mundlos und die Angeklagten Zschäpe, vorher ausgesucht. Beide, also Mundlos und Beate Zschäpe, waren bei Unterzeichnung des Mietvertrages anwesend. Der Mietvertrag wurde auf Namen Dienelt geschlossen. Matthias Dienelt schloss dann mit Uwe Mundlos, alias Gerlach, einen Untermietvertrag. Auch zu der Anmietung dieser Wohnung wurden umfangreiche Unterlagen sichergestellt. Laut dem verlesenen Behördengutachten fanden sich auf Grundrisszeichnungen Fingerspuren der Angeklagten Zschäpe. Die Angeklagte veranlasste auch hier Mietzahlungen. So erfolgten unter ihren Alias Lisa Pohl und Lisa Dienelt Bareinzahlungen der Miete, wie sich aus den im Sicherstellungverzeichnis ersichtlichen Zahlscheinen ergibt und die Aussage des Vermieters Volkmar E. beweisen, dass die Angeklagte sehr erregt aufgetreten sei, als die Öffnung der Kellertür im Raum stand. An einem verlesenen Zahlschein und an einem Einzahlungsschein Deutsche Bank Matthias Dienelt wurden Spuren der Angeklagten Zschäpe festgestellt. Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe nutzten auch diese Wohnung gemeinsam. Die niedrigen Verbrauchsdaten sind erklärbar mit den regelmäßigen Abwesenheiten der Männer. Der Schein der angeblichen Montagetätigkeit musste nach außen aufrechterhalten werden.

        Die drei Bewohner trafen in dieser Wohnung umfassende Absicherungsmaßnahmen, zu denen der Zeuge Frank Le. [siehe u.a. 17. Verhandlungstag]und der Zeuge Achim St. [siehe 238. Verhandlungstag]bekundet haben. So überwachten sie die gesamte Umgebung der Wohnung mit vier versteckten Videokameras. Vier getarnte Kameras wurden sichergestellt. Auch eine Festplatte mit Aufzeichnungen der Überwachungskamera wurden sichergestellt. Die Aufnahmen wurden in Augenschein genommen. Diese Aufzeichnungen wurden unter dem Hochbett der Angeklagten Zschäpe, auf dem PC, sichergestellt. Im Zimmer der Angeklagten Zschäpe befand sich der gemeinschaftlich genutzte Computerarbeitsplatz, die Sitzecke der Gruppe, der DVD-Rekorder aber auch die Passfotos von Holger Gerlach vom 19.05.2011, die Buchungsbestätigung Disneyland, Infopost zur Bahncard auf den Namen André Eminger, Zahlscheine auf [den Namen]Lisa Dienelt für die Miete und eine Kundenkarte für das Geschäft PowerGames, aus dem eine Waffe der Gruppe stammen soll, nach Aussage Beate Zschäpes. Die Fundorte der Asservate lassen wiederum Rückschlüsse auf der Stellung der Angeklagten innerhalb der Gruppe zu.

        Die Gruppe ließ den Eingangsbereich mit verstärkten Eingangstüren versehen. Auch die Kellerräume wurden speziell gesichert, u.a. mit [einem]Alarmsystem. In den Mietzeitraum fallen nur noch Beschaffungstaten der Gruppe. Alle drei Personen wechselten nach dem Untertauchen ihre Namen. Sie traten fortan nur noch unter Aliasnamen auf. Auch untereinander sprachen sie sich nur noch mit den Tarnnamen Gerry, Max und Lise an.

        Nach dem gemeinsamen Plan aller drei Mitglieder fuhren ausschließlich die Männer Mundlos und Böhnhardt zu den Anschlagsorten. Die drei Zellenmitglieder arbeiteten zusammen, als es darum ging, Böhnhardt und Mundlos mit verlässlichen Ausweispapieren auszustatten und die Verlässlichkeit der Papiere immer wieder zu überprüfen. Auch hier ist augenscheinlich, wie die drei sich untereinander koordinierten und wie es der Angeklagten Zschäpe von 1998 bis 2011 darauf ankam, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos sorgfältig abzusichern. Greger unterbricht: „Hier würde ich jetzt eine Pause machen.“ Götzl legt eine Pause bis 11:00 Uhr ein.

        Weiter geht es um 11:05 Uhr. OStAin Greger setzt das Plädoyer fort: „Hoher Senat,
        ich stelle dar, welche Ausweispapiere in der Gruppe genutzt wurden und wie wiederum die Rolle der Angeklagten Zschäpe bei der Legendierung von Böhnhardt und Mundlos war.“ Das Auftreten unter Aliasnamen und die Verwendung von Tarnpapieren räumt die Angeklagte Zschäpe ein. Bereits bei ihrer Festnahme am 08.11.2011 wies die Angeklagte den Zeugen André Po. [siehe 17., 45. und 142. Verhandlungstag] darauf hin, sie würde nicht mehr auf ihren Rufnamen Beate reagieren. Ihre eigene Rolle bei der Legendierung von Böhnhardt und Mundlos spart sie in ihrer Einlassung jedoch wieder aus. Die Erkenntnisse dazu beruhen auf den sichergestellten und in Augenschein genommenen Ausweisen und den Anträgen für die Ausweise, den Bahncards und den weiteren im verlesenen Sicherstellungsverzeichnis aufgeführten Dokumenten und Daten, der Verlesung des Führerscheins Gerlach, den Aussagen der Zeugin Struck, die Aussage des Zeugen Bu., bekundet von der Zeugen Ralf Be. und Christian Vi., weiter den Aussagen der Zeugen Gunter Fiedler [siehe 187. Verhandlungstag]und Achim Fiedler, des Zeugen Dienelt, dessen Aussage eingeführt wurde durch die Vernehmung der Zeugen Dr. Schaffert [siehe 131. Verhandlungstag], dann auf Grund der Aussage der Zeugen Gabriele Q., Annika Al., Christian Vi., sowie der Einlassung des Mitangeklagten Holger Gerlach, der Zeugenaussage der Vernehmungsbeamten Horst Thomas Sch., und Dr. Gerwin Moldenhauer [siehe 20. und 256. Verhandlungstag], und schließlich der Ausführungen des Sachverständigen Dr. Carsten Proff [siehe 230. und 231. Verhandlungstag]und der verlesenen Behördengutachten.

        Danach wurde festgestellt, Uwe Mundlos nutzte seit Herbst 1998 durchgängig bis zuletzt die Identität des Zeugen Max-Florian Bu. Mit Hilfe des Zeugen Bu. erlangte die Gruppe einen Reisepass auf dessen Personalien. Im Brandschutt in der Frühlingsstraße wurden drei brandgeschädigte und im Wohnmobil in Eisenach zwei Bahncards, [ausgestellt] auf Max-Florian Bu., gültig bis Juni 2012, sichergestellt. Uwe Böhnhardt nutzte nach dem Untertauchen ab Mai 1998 zunächst die Personalie des Zeugen Gunter Frank Fiedler, eines Kameraden aus der Chemnitzer Szene. Auch auf diesen Namen Gunter Frank Fiedler hatten die drei Untergetauchten einen Reisepass erlangt. Nachdem der Kontakt zu Fiedler aber schwieriger wurde und dieser zuletzt seinen Reisepass zurückverlangt hatte, trat Böhnhardt ab etwa Sommer 2001 bevorzugt unter Personalien des Mitangeklagten Holger Gerlach auf. Holger Gerlach war dem Uwe Böhnhardt im äußeren Erscheinungsbild sehr ähnlich, und er versprach Verschwiegenheit auf Grund seiner langjährigen Freundschaft mit den drei Untergetauchten. Uwe Böhnhardt stattete sich zudem von 1999 bis 2004 mit Bahncards, die mit seinem eigenen Foto versehen waren, aber auf den Namen Fiedler lauteten, aus.

        Im Brandschutt der Frühlingsstraße wurden fünf Bahncards auf den Namen Fiedler aus den Jahren ‘99 bis 2004 sichergestellt. Zudem nutzte Böhnhardt auch den Namen von André Eminger. Im Wohnmobil in Eisenach wurden zwei Bahncards auf den Namen André Eminger, die wiederum mit Foto von Böhnhardt versehen waren und gültig bis 2012 waren, und in der Frühlingsstraße eine weitere Bahncard auf Eminger, sichergestellt. Die Ermittlungen dazu bekundete die Zeugin Ricarda We. [siehe 251. Verhandlungstag]. Anlassbezogen, insbesondere für Bestellungen oder den Verkehr im Internet, verwendeten Böhnhardt und Mundlos noch weitere Aliasnamen.

        Für die Angeklagte Zschäpe hat die Gruppe kein passendes Tarnpapier zur generellen Nutzung beschafft. Gleichwohl trat sie in ihrem Umfeld unter verschiedenen Identitäten auf und entwickelte sich um Laufe der Zeit zu einer Meisterin im Verschleiern. Nach der Auswertung der Asservate bediente sich die Angeklagte Zschäpe – wie die Zeugin Annika Al. glaubhaft bekundet hat – im Laufe der mehr als 13 Jahre im Untergrund mindestens 11 Aliaspersonalien. Die Angeklagte trat auf als Susann Dienelt, Lisa Dienelt, Lisa Pohl, Lise Pohl, Silvia Pohl, Mandy Pohl, Susanne Pohl, Lisa Mohl, Silvia Rossberg oder auch als Mandy Struck. Bei den Nachbarn der Wohnungen in der Polenzstraße und der Frühlingsstraße – so bekundet von den Zeuginnen Beatrix Ja., Heike Ku. und Sindy Po. – nannte sich die Angeklagte Lisa, Lisa Dienelt oder auch Susann Dienelt. In Notfällen konnte sie auf den Bundespersonalausweis der Susan Eminger [siehe 76. Verhandlungstag]zurückgreifen, wie etwa im Januar 2007 bei den Ermittlungen zum Wasserschaden Polenzstraße. Damals wies sie sich dem Zeugen Rocco Ra. gegenüber im Rahmen der polizeilichen Zeugenvernehmung mit einem Personalausweis der Susann Eminger aus. Für Zugfahrten war sie, entsprechendes bekundete Zeugin Ricarda We., mit einer Bahncard ausgestattet, die auf Susann Eminger lautete und mit ihrem eigenen Lichtbild versehen war. Im Brandschutt der Frühlingsstraße wurde nach Bekunden des Zeugen Christian No. [siehe 248. Verhandlungstag] eine entsprechende Bahncard, die bis 2010 gültig war, sichergestellt.

        Während der gesamten Zeit des Zusammenlebens in der Gruppe war die Angeklagte Zschäpe an die Gruppenregeln angepasst. So gelang es der Gruppierung über die Jahre hinweg, in der Interaktion mit Böhnhardt und Mundlos – auch unter der Verwendung von wechselnden Aliasnamen – in der Nachbarschaft und auch gegenüber den verschiedenen Urlaubsbekanntschaften unbefangen aufzutreten. Dies spricht einerseits für unbedingtes Einvernehmen mit Böhnhardt und Mundlos, andererseits auch für einen unbedingten Willen der Angeklagten, auf Dauer fester Bestandteil der Gruppe zu sein. Wie alle drei Personen bei der Beschaffung und auch bei der Sicherung der falschen Identitäten Hand in Hand zusammenarbeiteten zeigt bereits die erste Tarnpersonalie Fiedler. Die Zeugen Struck, Fiedler und Al. haben die Abläufe dazu stimmig dargestellt. Unter Mithilfe der Zeugin Struck ließen sich die drei Untergetauchten für Uwe Böhnhardt am 30.04.1998 einen Reisepass auf die Personalie Fiedler, versehen mit seinem eigenen Lichtbild, also dem Lichtbild Böhnhardt, ausstellen. Der Reisepassantrag mit Lichtbild Böhnhardt wurde beim Einwohnermeldeamt in Chemnitz sichergestellt und in Augenschein genommen.

        Der Zeuge Gunter Fiedler führte dazu aus: Ich bin gefragt worden, ob sie meinen Reisepass haben könnten. Und: “Die haben einen Passantrag gestellt”. Die Angeklagte Zschäpe hat dann in der Folgezeit auf einem Lebenslauf zu Fiedler, der wiederum in der Frühlingsstraße gefunden wurde, die Wohnanschrift und den Geburtstag eines Bekannten von Fiedler notiert. Das Behördengutachten zur Schriftleistung der Angeklagten Zschäpe wurde verlesen. Es ist, berücksichtigt man insoweit auch den Fundort des Dokuments, insoweit eindeutig. Dass die Angeklagte neben diesem Lebenslauf auch noch später, etwa im Halbjahr 2004, mit der Tarnidentität Fiedler befasst war, zeigt ein weiteres Asservat und ein der Angeklagten Zschäpe hinreichend sicher zuordenbares Teilmuster ihres DNA-Profils. Diese Spur wurde festgestellt am Ass. 2.12.139; es handelt sich dabei um einen Einzahlungsbeleg für eine Bareinzahlung auf den Namen G. Fiedler, bei der Commerzbankfiliale Zwickau am 08.06.2004, für die Bahncard Fiedler, die von Uwe Böhnhardt genutzt wurde.

        Ganz ähnlich ging die Gruppe bei der Legendierung von Uwe Mundlos vor. Der Vernehmungsbeamte Christian Vi. hat die glaubhaften Angaben des Zeugen Bu. vom 24.11.2011 und vom 05.01.2012 in dessen Beschuldigtenvernehmungen wiedergegeben. Die Angaben des Zeugen Bu. wurden durch die Aussage der Zeugin Struck, die sichergestellten Asservate, den Passantrag und den Reisepass von 1998, sowie durch die Aussage der Zeugin Al. zu den polizeilichen Ermittlungen, bestätigt. Danach baten im Spätsommer 1998 – wir sind in der Gründungsphase – die Angeklagte Zschäpe Böhnhardt und Mundlos gemeinsam den gesondert verfolgten Bu., ihnen seinen Personalausweis zur Verfügung zu stellen, um damit unter dem Namen Bu. einen Reisepass mit dem Foto von Uwe Mundlos beantragen zu können. Der Reisepass wurde von der Stadt Chemnitz am 07.09.1998 ausgestellt und 2011 im Wohnmobil in Eisenach sichergestellt. Eine Geburtsurkunde von Bu. wurde nach Bekundungen der Zeugin Al. im Brandschutt der Wohnung sichergestellt. Nach den Angaben des Zeugen Bu. sind damals die Angeklagte Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos für ihn als Einheit aufgetreten, auch soweit es um seinen Ausweis ging. Der Zeuge führte aus, „es war also nicht nur dem Mundlos wichtig, dass ich meinen Ausweis zur Verfügung stelle, sondern allen dreien, nämlich auch Zschäpe und Böhnhardt. Zwar habe ich meist mit Mundlos gesprochen, aber für mich hat er meist für alle drei gesprochen.“

        Die Angeklagte war auch später bei der Aufrechterhaltung der Tarnidentität Bu., also der Identität für Mundlos, eingebunden, wie zwei Asservate belegen. Nach einem Behördengutachten des BKA wurde der Fingerabdruck der Angeklagten Zschäpe am Asservat 2.12.136 festgestellt. Dabei handelt es sich wiederum um einen Bareinzahlungsbeleg vom 08.06.2004, diesmal für die Bahncard Böhnhardt bei der Commerzbank Filiale Zwickau. Dieser Fund spricht dafür, dass die Angeklagte Zschäpe am 08.06.2004 zeitgleich mit der Überweisung für die Bahncard Fiedler auch die Einzahlung für die Bahncard Bu. vorgenommen hat. Des Weiteren wurden noch ein Einzahlungsbeleg bei Post Zwickau vom 28.05.2008, also vier Jahre später, für die Bahncard Max-Florian Bu., in der Wohnung Frühlingsstraße sichergestellt. Der Beleg trägt wiederum das DNA-Muster der Angeklagten Zschäpe.

        Besonders aussagekräftig ist ihre Mitwirkung bei der Tarnidentität Holger Gerlach. Im Sommer 2001 baten die Angeklagte Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos den Mitangeklagten Holger Gerlach auf seinen Namen einen Reisepass für Böhnhardt zu beantragen. Die Angeklagte Zschäpe war nicht nur in diese Gespräche mit eingebunden, sondern ihr oblag es nach der Beweisaufnahme vor allem, den Mitangeklagten Holger Gerlach durch Zahlungen gefügig zu halten. Holger Gerlach wurde, wie er selbst nachvollziehbar dargelegt hat, als Legendengeber ausgesucht, weil er aus Sicht der Gruppe dem Uwe Böhnhardt sehr ähnlich sah. Zudem bestand zu diesem Zeitpunkt zu Fiedler, dem früheren Legendengeber des Böhnhardt, kein oder jedenfalls kein verlässlicher Kontakt mehr. Die Gruppe brauchte für Böhnhardt einen verlässlichen Ausweis und auch einen Führerschein, der die erforderliche Mobilität gewährleistete und im Notfall einer behördlichen Prüfung auch standhalten könnte. Den von Holger Gerlach wie besprochen beschafften Reisepass der Stadt Hannover vom 07.06.2001 mit seinem Foto und seinen Personalien übernahmen die Angeklagte Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos zusammen mit einer Krankenversichertenkarte der AOK Niedersachsen unter konspirativen Bedingungen in Zwickau am Bahnhof. Die Angeklagte Zschäpe war dabei nicht nur anwesend, sondern sie war es, die den Mitangeklagten Holger Gerlach aus der gemeinsamen Kasse der Gruppe auszahlte. Sie beschränkte diese Zahlung auch nicht etwa auf die Erstattung der Auslagen, die dem Holger Gerlach für den Reisepass entstanden waren. Die Angeklagte zahlte ihm bei der Gelegenheit vielmehr weitere 3.000 DM zurück, die er den Dreien zuvor geliehen hatte, und weitere 10.000 DM mit dem Auftrag, das Geld für die Gruppe zu deponieren und bei Bedarf wieder herauszugeben.

        Entsprechendes ergibt sich aus den übereinstimmenden Aussagen von Holger Gerlach vom 25.11.2011, 01.12.2011 und vom 12.01.2012, über die der Zeuge Horst Thomas Sch. [siehe 23., 24. und 25. Verhandlungstag] bekundet hat. Uwe Böhnhardt gab sich nunmehr als Holger Gerlach – “Gerry” – aus, und konnte somit unter einer absolut sicheren legalen Identität auftreten. Um selbst Fahrzeuge anmieten zu können, wollte die Gruppe auch einen Führerschein erlangen. Auch daran war die Angeklagte Zschäpe maßgeblich beteiligt. Der Führerschein von Holger Gerlach vom 04.02.2004 wurde 2011 im Wohnmobil in Eisenach sichergestellt.

        Zu dem Führerschein, den Angaben des Mitangeklagten und zu den Ermittlungen bei der Ausstellungsbehörde hat der Zeuge Sch. bekundet: „Der Mitangeklagte Gerlach hat auch insoweit seine Mitwirkung eingeräumt und erneut die Rolle der drei Gruppenmitglieder beschrieben.“ Der Mitangeklagte Holger Gerlach hatte sich auf Wunsch der drei Mitglieder Anfang 2004 einen Ersatzführerschein ausstellen lassen und diesen Ersatzführerschein Böhnhardt überlassen. Wiederum übernahm die Angeklagte Zschäpe die Bezahlung von Holger Gerlach und wieder aus der gemeinsamen Kasse. Dieser Führerschein spielte für die Gruppe eine ganz zentrale Rolle, weil er in der Folgezeit gemeinsam mit den von der Angeklagten Zschäpe beschafften SIM-Karten zur Anmietung von Fahrzeugen genutzt wurde.

        Auch im Jahr 2011 war die Angeklagte Zschäpe noch ganz maßgeblich an der Beschaffung eines neuen Tarnpapiers für Uwe Böhnhardt beteiligt. Der Mitangeklagte Holger Gerlach hat den Ablauf in seiner Vernehmung am 25.11.2011 nach Aussage seines Vernehmungsbeamten wie folgt geschildert: Anfang des Jahres 2011 sprachen die Angeklagte Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos den Angeklagten Holger Gerlach darauf an, ihnen erneut einen Pass zur Verfügung zu stellen. Um eine größtmögliche Ähnlichkeit mit Böhnhardt zu schaffen, schnitt Uwe Böhnhardt kurzerhand dem Angeklagten Gerlach für die Fertigung der Passfotos eigens die Haare und setzte ihm eine Brille auf. Die Angeklagte Zschäpe ging anschließend mit Holger Gerlach in ein Fotostudio, um sicherzustellen, dass dort die erforderlichen Passbilder angefertigt wurden und Holger Gerlach sich dem Ganzen nicht entziehen konnte. Der Mitangeklagte Holger Gerlach hatte nämlich Zweifel. Die Angeklagte bezahlte den Fotografen, ging im Anschluss mit dem Angeklagten Gerlach zum Passamt und ließ dort schon einmal eine Meldebescheinigung auf seinen Namen ausstellen. Den endgültigen Reisepass holte der Angeklagte Gerlach etwa acht Wochen später bei der Gemeinde Rodenberg ab und übergab ihn Böhnhardt und Mundlos.

        Die diesbezüglichen Ermittlungen, bekundet von den Polizeibeamten Jeanette Pf., Annika Al. und Timo Ko., haben diesen Verlauf, wie von Holger Gerlach geschildert, weitestgehend bestätigt. Sieben der Passbilder, die Holger Gerlach mit Brille zeigen, wurden zusammen mit einem Passbild Böhnhardts in einem Briefumschlag im Zimmer der Angeklagten Zschäpe sichergestellt. Die Passbilder, die demjenigen im Reisepass vom 2011 offenkundig entsprechen, weisen eine offenbar bewusst herbeigeführte Ähnlichkeit – wie sie auch von Holger Gerlach beschrieben wurde – zwischen den beiden Abgebildeten auf, nämlich Holger Gerlach mit kurzen Haaren, zum anderen Uwe Böhnhardt. Die Meldebescheinigung von Holger Gerlach wie auch der Reisepass selbst wurden von Böhnhardt und Mundlos bei ihrem letzten Banküberfall mitgeführt und im Wohnmobil in Eisenach sichergestellt.

        Einen wichtigen Umstand bei dieser Schilderung hat Holger Gerlach jedoch bislang verschwiegen. Entgegen der Angaben des Mitangeklagten Gerlach war es nämlich die Angeklagte Zschäpe, die am 16.06.2011 den neuen Reisepass – [ausgestellt auf]Holger Gerlach – alleine in Niedersachsen bei Holger Gerlach abgeholt hat. Die Reise der Angeklagten Zschäpe mit dem Zug nach Haste, Niedersachsen, und die Abholung des Reisepasses konnten anhand des verlesenen Browserverlaufs vom 14.06.2011, der Aussage der Polizeibeamten Britta Ko. [siehe 233. Verhandlungstag], Timo Ko., Pf., Kä. und der Aussage des Taxifahrers Patrick He. [siehe 225. Verhandlungstag], der ebenfalls ermittelt wurde, nachvollzogen werden. Demnach erfolgte am 14.06.2011 mit dem PC in der Frühlingsstraße eine Internetrecherche zur Bahnverbindung Zwickau-Haste für den 16.06. Nach Aussage der Zeugen Ko. und Kä. steht fest, dass der Taxifahrer He. bei seiner polizeilichen Befragung am 22.12.2011 die Angeklagte Beate Zschäpe als den Fahrgast identifizierte, den er am 16.06.2011 morgens von der Frühlingsstraße aus zum Bahnhof fuhr. An genau diesem Tag holte Holger Gerlach in Niedersachsen den Reisepass nach der Bekundung des Zeugen Timo Ko. und dessen in Niedersachsen angestellten Ermittlungen vom Passamt ab.

        Die Zeugin Pf. hat geschildert, dass den Ermittlungen zufolge während der Abwesenheit der Angeklagten Zschäpe am Abend des 16.06.2011 zweimal Anrufe von dem von ihr genutzten Mobiltelefon nach Zwickau festgestellt worden sind. Demnach hielt die Angeklagte Zschäpe während ihrer Abholung des Reisepasses Gerlach wieder engen Kontakt zur Restgruppe. Dass der Mitangeklagte Gerlach insoweit die Rolle der Angeklagten Zschäpe geschönt hat, ist wohl mit einem Versuch, das einzig noch lebende Mitglied der Gruppe weitergehend zu entlasten, zu erklären. An den im Übrigen durch weitere Beweismittel vielfach bestätigten konstanten Angaben des Holger Gerlach ändert diese punktuelle Beschönigung nichts. Belastungstendenzen gegenüber der Angeklagten Zschäpe können dem Mitangeklagten Holger Gerlach jedenfalls nicht vorgeworfen werden. Dass die Angeklagte Zschäpe selbst ihre Fahrt nach Niedersachsen in ihrer Teileinlassung komplett ausgespart hat, zeigt wieder ihre selektive Bereitschaft, sich mit belastendem Beweismaterial auseinanderzusetzen.

        Die Gruppe hat auch Systemchecks ausgeführt. Der Begriff Systemcheck stammt vom Mitangeklagten Gerlach und ist sehr treffend. Er bezeichnet schlagwortartig die Sicherungsmaßnahmen, die alle drei Mitglieder eingeführt hatten, um die Legitimationspapiere für Böhnhardt und Mundlos bestmöglich abzusichern. Eine solche Überprüfung findet sich bereits bei der Identität Fiedler. Auf dem Lebenslauf, zu dem ich bereits ausgeführt habe, hielten Böhnhardt und Zschäpe unter der Überschrift “Ich” bereits dessen persönlichen Lebensumstände und Kontaktpersonen fest. Nach der Aussage des Zeugen Bu. hat ihn Uwe Mundlos bis zuletzt regelmäßig kontaktiert, um aktuelle und authentische Auskünfte zu Lebensumständen der Legende Bu. zu erhalten. Damit Böhnhardt die Legende Holger Gerlach ab 2001 dauerhaft und sicher nutzen konnte, unterzogen ihn die Angeklagte Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos gemeinsam bereits ab dem Jahr 2001 fortlaufend regelmäßig jährlich wiederkehrende intensive Befragungen über seine persönlichen Verhältnisse. Der Mitangeklagte Holger Gerlach hat wiederholt und glaubhaft dargestellt, wie die drei Untergetauchten gemeinsam dazu die Besuche und auch die gemeinsame Zeit bei den Urlauben nutzten.

        Die Kosten und die Auslagen von Holger Gerlach für diese mehrtägigen Aufenthalte auf Campingplätzen beglich – und das ist wiederum aussagekräftig für ihre Rolle innerhalb der Gruppe – regelmäßig die Angeklagte Zschäpe. Sie sei bei diesen Kontrollen stets dabei gewesen. Dass tatsächlich auch im Jahr 2006 noch ein gemeinsamer Urlaub mit dem Mitangeklagten Gerlach stattfand, belegt eine gesicherte fotografische Aufnahme aus dem Urlaub 2006, die auch in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen wurde. Die Identifizierung hat die Sachverständige Elisabeth Pi. [siehe 303. Verhandlungstag] nachvollziehbar dargelegt.

        Greger: „Neben der sicheren Legendierung spielte die Bewaffnung eine ganz wichtige Rolle in der Gruppe.“ Die Angeklagte hat in ihrer Einlassung eingeräumt, dass Böhnhardt und Mundlos in Besitz zahlreicher Schusswaffen gewesen wären. Sie selbst habe damit nichts zu tun gehabt und habe selbst darauf gedrungen, dass die Waffen aufgeräumt worden seien. Die Beweisaufnahme zu dem Komplex Bewaffnung mittels der Einlassung des Mitangeklagten Holger Gerlach, der Aussagen der Zeugen Thilo Ho. [siehe 271. Verhandlungstag], Lutz Ha. [siehe 269. Verhandlungstag], Gerd So. [siehe 269. Verhandlungstag], Holger Sch. [siehe 77. Verhandlungstag], Frank Le. und Michael Menzel [siehe 52. Verhandlungstag], der Aussage des Zeugen Bu., bekundet vom Vernehmungsbeamten Vi., und den überzeugenden und auch nachvollziehbar dargestellten Ausführungen der Sachverständigen Eberhard Opitz [siehe 264. Verhandlungstag], Dr. Thomas Li. [siehe 263. Verhandlungstag], Ruprecht Nennstiel [siehe 83., 89. und 114. Verhandlungstag]und Leopold Pfoser [siehe 50. und 83. Verhandlungstag], des verlesenen Asservatenverzeichnisses vom 31.11.2011 mit der Aufstellung der Fundstücke, des verlesenen Gutachtens zur Sprengstoffuntersuchung des in der Frühlingsstraße aufgefundenen Sprengstoffes, des verlesenen Protokolls über die kriminaltechnische Tatortarbeit in Eisenach, des verlesenen Ermittlungsvermerks zur Waffensicherstellung in Eisenach, des verlesenen Vermerks zu Auffindung der Waffen in der Frühlingsstraße und auch die Inaugenscheinnahme der Waffen hat zur Bewaffnung der Gruppe ein etwas anderes Bild ergeben.

        Uwe Böhnhardt war bereits als Jugendlicher extrem waffenaffin und trug vor dem Untertauchten nach Aussagen von Zeugen, so etwa der Zeugen Kay St. [siehe 202., 219. und 225. Verhandlungstag] und Mike Ma. [siehe 193. Verhandlungstag], stets eine Waffe, ein Messer o.ä. bei sich. Auch die Angeklagte Zschäpe hatte sich bereits vor dem Untertauchen mit einer CO2-Pistole bewaffnet, was sie in ihrer Einlassung verschweigt. Nach der glaubhaften Aussage von Jana J. [siehe 93. und 107. Verhandlungstag]führte die Angeklagte Zschäpe die Waffe regelmäßig mit sich. Dass die Angeklagte über eine entsprechende Waffe verfügt und sie auch bei sich trug, ist eindeutig belegt. Eine Gaspistole wurde bereits bei einer polizeilichen Feststellung am 09.09.1996 sichergestellt. Eine weitere CO2-Pistole wurde über ein Jahr später in ihrer Wohnung sichergestellt. Dass sich die Angeklagte Zschäpe bereits eine geraume Zeit vor dem Untertauchen, wie von Holger Gerlach geschildert, und gestern auch ausführlich dargestellt, ernsthaft und ausdrücklich für einen Einsatz von Waffen im politischen Kampf ausgesprochen hat, verhehlt sie. Nachdem die drei untergetauchten Personen übereingekommen waren, auf Dauer im Untergrund zu leben und auch Anschläge zu begehen, verschaffte sich die Gruppe eine Vielzahl von Schusswaffen, Unmengen an Munition sowie auch Sprengstoff.

        Bereits kurz nach ihrem Untertauchen hatten sie zu dritt den Zeugen Jan Werner [siehe 150. Verhandlungstag]beauftragt, ihnen eine scharfe Waffe zu besorgen. Von der Waffensuche hatte der Zeuge Szczepanski [siehe 167. und 174. Verhandlungstag] im August und September 1998 erfahren und sie an seinen damaligen V-Mannführer weiterberichtet. Eine Differenzierung, zwischen Böhnhardt und Mundlos einerseits und der Angeklagten Zschäpe andererseits, fand damals in der Meldung nicht statt, obwohl die Hinweisgeber offensichtlich hinsichtlich eines geplanten Überfalls über Mitwisserkenntnisse verfügten. Auch der Mitangeklagte Ralf Wohlleben wurde nach dem Untertauchen, wie er selbst einräumt, nachhaltig angegangen, Schusswaffen zu besorgen. Dass alle drei untergetauchten Personen die Beschaffung von Waffen zu ihrem gemeinsamen Anliegen gemacht haben, zeigen die Umstände der Waffenlieferung Holger Gerlach.

        Der Mitangeklagte Holger Gerlach hat als Beschuldigter bereits frühzeitig, nämlich am 25.11.2011 und erneut am 01.12.2011 geschildert, wie es dazu kam. Die Zeugen Michael L. [siehe 19. Verhandlungstag], Horst Thomas Sch. und Dr. Gerwin Moldenhauer [siehe 20. und 256. Verhandlungstag] bekundeten seine damaligen Angaben. Die Aussage des Mitangeklagten Gerlach, mit der er sich frühzeitig selbst massiv mit Waffenlieferung an den NSU belastet hat, erweisen sich als konstant, nach anfänglichem Zögern widerspruchsfrei und als absolut glaubhaft. Der Transport der Waffe erfolgte im Jahr 2001 oder 2002. Der Transport der Waffe fand damit zu einem Zeitpunkt statt, als die drei bereits über die Waffe Ceska, die Waffe Bruni, und auch über die Tatwaffe Raubüberfall Edeka verfügt hatten. An der Übergabe der Schusswaffe war die Angeklagte Zschäpe nicht unmaßgeblich eingebunden. Holger Gerlach war damals eigens mit der Bahn nach Zwickau gereist. Die Angeklagte Zschäpe holte ihn am Bahnhof ab und geleitete ihn zu der Wohnung in der Polenzstraße. In der Wohnung wurde die die Waffe in Anwesenheit der Angeklagten Zschäpe ausgepackt und unter den Augen der Anwesenden durchgeladen. Die Angeklagte war keineswegs überrascht, im Gegenteil. Der Angeklagte Holger Gerlach erinnerte sich, dass es nicht zuletzt die Angeklagte Zschäpe war, die ihn ob seiner eigenen Aufregung wegen des Waffentransports besänftigt hat.

        Seine Angaben in den polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen, die insbesondere vom Vernehmungsbeamten Sch. detailliert bezeugt wurde, hat der Mitangeklagte Holger Gerlach in der Hauptverhandlung noch einmal bestätigt. Seine Erinnerung, er habe die Drei in dieser Situation [angesichts]der Waffenübergabe angehalten, sich nicht anzumaßen, zu fünft die Welt zu retten, ist hinreichend aussagekräftig, auch in Bezug auf die Angeklagte Zschäpe und bedarf auch mit Blick auf die von ihr bestrittene Mitgliedschaft in der Vereinigung und dem politischen Hintergrund dieses Waffentransports keiner weiteren Deutung. Der Mitangeklagte Holger Gerlach hat unmissverständlich klargestellt, dass alle drei Personen von dem Waffentransport wussten und ihn erwarteten. Alle drei hätten ihn beschwichtigt und beruhigt. Zuletzt verfügte die Gruppe über 2,5 kg Schwarzpulver, beträchtliche Anzahl Munition sowie ein Arsenal scharfer Schusswaffen. Insgesamt wurden 20 Schusswaffen sichergestellt: zwei Vorderschaftrepetierflinten mit Pistolengriff, zwei Maschinenpistolen, 12 scharfe Pistolen und Revolver unterschiedlichen Kalibers, drei Schreckschusswaffen und ein Gewehr, dazu über 1600 Schuss Munition, Patronen und andere Munitionsteile.

        Zwölf Schusswaffen lagen zum Teil geladen und zugriffsbereit in der Wohnung in Zwickau, als die Angeklagte den Brand gelegt hat. Das ergab sich aus der Zeugenaussage des Brandermittlers Frank L., den in Augenschein genommenen Lichtbilder und den Ausführungen des Waffensachverständigen Nennstiel. Zwei scharfe Waffen lagen auf dem Fußboden, eine Schreckschusswaffe in dem offen stehenden Wandtresor. Mit der Einlassung der Angeklagten Zschäpe, die Waffen in der Wohnung hätten sie gestört und sie hätte sie immer aufgeräumt, ist dies nicht ganz in Einklang zu bringen. Denn Böhnhardt und Mundlos hatten sich zu diesem Zeitpunkt bereits seit geraumer Zeit zu einem Raubüberfall aufgemacht. Unter den Waffen in der Frühlingsstraße befand sich die Ceska. Auch die bei zwei Hinrichtungen weiter benutzte Waffe, die umgebaute Schreckschusswaffe Bruni, sowie die Tatwaffen zum Polizistenmord in Heilbronn im Jahr 2007 wurden in der Frühlingsstraße gefunden; daneben vier im Bau befindliche Schussapparate aus Metallrohren zum Abschießen von Munition. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Nennstiel wurden zudem 34 Hülsen, die aus der Tatwaffe Ceska verschossen worden sind, und eine Holzplatte mit Einschüssen in der Frühlingsstraße sichergestellt.

        Dass die Gruppe Waffen auch schon früher offen in der Wohnung deponiert hat, hat auch der Zeuge Bu. wahrgenommen. Bei einem Besuch in der Wohnung der drei hat er laut Bekundung des Zeugen Vi. eine Waffe in der Wohnung liegen sehen. Weitere acht Schusswaffen, darunter eine Maschinenpistole, zwei Vorderschaftrepetierflinten, die zwei in Heilbronn geraubten Polizeipistolen und einen Revolver, führten Böhnhardt und Mundlos laut Zeugen Lutz Ha. und Gerd So. im Wohnmobil Eisenach bei sich. Alleine die Anzahl der sichergestellten scharfen Waffen, die enorme Menge an Munition und Sprengstoff zeigt das Gefahrenpotential der Gruppe. Besorgniserregend ist jedoch ein weiterer Fund aus der Frühlingsstraße, zu dem die Zeugin Gabriele Q. bekundet hat. Die Gruppe hatte einen in einer Holzkiste abgetarnten Schussapparat konstruiert, in der die Maschinenpistole Pleter mit Schalldämpfer versteckt werden konnte. Die Apparatur war ausgestattet mit einer Laserzielvorrichtung, die es ermöglichen sollte, in der Öffentlichkeit und unbemerkt eine Salve von Schüssen abzugeben.

        Die Beschaffung der einzelnen Waffen, Munition und Sprengstoffe konnte nicht im Einzelnen nachvollzogen werden. Weitgehend aufgeklärt wurde der Weg der Schalldämpferwaffe Ceska, die von Ralf Wohlleben und Carsten Schultze geliefert wurde. Eine weitere Waffe, die jedoch nicht identifiziert werden konnte, wurden von dem Mitangeklagten Gerlach überbracht. Über das Computerspielgeschäft Power Games vom Zeugen J. erwarb Uwe Böhnhardt laut glaubhafter Angaben des Angeklagten Holger Gerlach wohl mehrere Waffen, u.a. im Jahr 2002 oder 2003 eine Pumpgun. Eine Kundenkarte der Angeklagte Zschäpe für genau dieses Geschäft mit der Aliaspersonalie Lisa Mohl wurde nach Aussage der Zeugin Alper in dem Zimmer der Angeklagten Zschäpe sichergestellt. An dieser Stelle legt der Vorsitzende Richter Götzl die Mittagspause bis 13:30 ein.

        Um 13:35 Uhr geht es weiter. OStAin Greger: „Hoher Senat, die Wohnung war für die Untergrundzelle von ausschlaggebender Bedeutung.“ Die Wohnung bot die Möglichkeit, sich unauffällig zurückzuziehen, die Taten vorzubereiten, ungestört an der Erstellung der Versionen der Bekennerbotschaften zu arbeiten, und die Logistik der Gruppe zu lagern. Wie wichtig die jeweilige Wohnung für die Gruppe war, erschließt sich daraus, dass ein Gruppenmitglied während der Taten in der Wohnung [verblieb und]diese sicherte. Die Aufgabe, in der jeweiligen Nachbarschaft der Wohnung eine unauffällige Fassade aufzubauen und aufrechtzuerhalten, hat die Angeklagte Zschäpe übernommen. Für die sichere Durchführung der Anschläge und auch der Raubüberfälle war eine vertrauensbildende Legende jeweils unerlässlich. Dazu hielt die Angeklagte Zschäpe einen unauffälligen Kontakt zu den Nachbarn. Sie erfand und verbreitete unverfängliche Geschichten. Sie ersann Alibis für Böhnhardt und Mundlos zur Abtarnung ihrer jeweiligen Abwesenheiten. Für sie galt es, die Abwesenheit der Männer im jeweiligen sozialen Umfeld im Bedarfsfall zu verschleiern oder auch plausibel zu erklären. Nachfragen und mögliche riskante Mutmaßungen der Nachbarn musste von vornherein der Boden entzogen werden.

        Der Angeklagten gelang dies auch. Sie überzeugte mit harmlosen Geschichten zu Beruf, Beziehung, Arbeitsplatz und Verdienst der Gruppenmitglieder. Die hatten bei Nachfragen stets unverfängliche Erklärungen parat. So verbreitete sie in der Nachbarschaft, bei Böhnhardt handelte es sich um ihren Freund, bei Mundlos um ihren Bruder, die arbeitsbedingt abwesend seien. Um die Verwirrung perfekt zu machen, glichen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos ihr äußeres Erscheinungsbild mit identischen Frisuren und Kapuzenshirts einander an, wie ein in Augenschein genommenes Video der Überwachungskamera Frühlingsstraße belegt.

        Hier einige Legenden der Angeklagten Zschäpe, wie sie von den Zeugen hier in der Hauptverhandlung bekundet wurden. Der Zeuge Olaf B. [siehe 27. Verhandlungstag]führte aus, einer der Männer sei der Freund der Angeklagten gewesen, der andere der Bruder. Die Angeklagte habe ihm mitgeteilt, sie würden Autos überführen, daher würden oft unterschiedliche Fahrzeuge vor dem Haus stehen. Die Rede sei auch von einer Computerfirma gewesen. Bei dem letzten Wohnmobil Eisenach, das vor der Tür stand, erläuterte die Angeklagte dem Zeugen Olaf B., die Männer müssten wieder ein Fahrzeug überführen. Die Zeugin Sindy Po. war eine Nachbarin in der Polenzstraße. Ihr erzählte die Angeklagte, ihr Freund sei selbstständig, dem Zeugen Schn. erzählte die Angeklagte, ihr Freund würde auswärts arbeiten. Der Zeugin Katrin F., einer Nachbarin in der Polenzstraße, erzählte die Angeklagte, ihr Freund würde gut verdienen in der Computerfirma des Vaters, beide Männer würden dort arbeiten. Dem Zeugen Martin F. [siehe 56. Verhandlungstag]erzählt sie, ihr Mann sei selbständig und würde beim Vater arbeiten. Dem Zeugen Armin Kr. [siehe 60. Verhandlungstag], Nachbar in der Frühlingsstraße, erzählte sie, die beiden Männer würden Autos überführen. Die Zeugen Ku., F. und H. gingen davon aus, die Männer arbeiteten auf Montage.

        Patrick Ku. [siehe 67. Verhandlungstag]erinnerte sich, dass der Freund der Angeklagten öfter im Keller gebastelt habe. Die Zeugin Ku. meinte, einer der Männer arbeitete in der Firma des Vaters. Der Zeugin Isabell St. [siehe 194. Verhandlungstag]gab die Angeklagte an, die Männer – Freund und Bruder – seien oft auf Montage. Die Zeugin Gabriele So. [siehe 186. Verhandlungstag]aus der Polenzstraße erinnerte sich, sie habe die zwei Männer Taschen in ein Wohnmobil einladen sehen. Die Angeklagte erklärte dies damit, die beiden Männer würden auf Montage fahren. Auch dem Zeugen Mario Ge. [siehe 68. Verhandlungstag] erzählte die Angeklagte Zschäpe, Böhnhardt sei mehrere Wochen auf Montage unterwegs. Dementsprechend – erinnerte sich der Zeuge Olaf B. [siehe 27. Verhandlungstag], weil die Angeklagte Zschäpe ihm gegenüber die angeblichen Überführungsfahrten durch die beiden Männer darlegte – waren auch die unterschiedlichen von Böhnhardt und Mundlos genutzten Fahrzeuge und die Abwesenheiten der beiden Männer plausibel dargelegt worden, daher sei auch nicht weiter nachgefragt worden. Böhnhardt und Mundlos ihrerseits vermieden absprachegemäß den persönlichen Kontakt zur Nachbarschaft. Entsprechendes bekundeten Beatrix Ja., Heike Ku., Olaf B. und Katrin F.

        Eine bezeichnende Episode für die Abtarnungsbemühungen bekundete die Zeugin Katrin F. Sie hatte ein leise geführtes Gespräch von Böhnhardt und Mundlos über Waffen und Erschießungen im Kelleraufgang mitbekommen. Ihr gegenüber gelang es der Angeklagten Zschäpe, dass die Zeugin anschließend nach einem Gespräch mit der Angeklagten davon ausging, dass sich das von ihr mitgehörte Gespräch der beiden Männer auf harmlose Computerspiele oder gar einen Schützenverein bezogen hätte. So wurde das Entdeckungsrisiko, das mit der riskanten Begehung der bundesweiten Straftaten der Gruppe und breitflächigen Ausspähung verbunden war, minimiert, und der Gruppe zugleich der erforderliche Spielraum für die Realisierung der langjährigen Anschlagsserie eröffnet.

        Greger: „Die gemeinsame Kasse der Gruppe und die Feststellungen in der Beweisaufnahme dazu.“
        Die Gruppe finanzierte sich durch die Begehung von bewaffneten Raubüberfällen. Der erste bekannte Überfall fand im Dezember 1998 statt. Insgesamt erbeutete die Gruppe etwa 609.000 Euro. Die Beute aus den Raubüberfällen wurde nicht anteilig aufgeteilt. Vielmehr wirtschaftete die Gruppe aus einer gemeinsamen Kasse. Auch die Begehung der Anschläge wurde aus dieser Kasse finanziert. Dass es eine gemeinsame Kasse gab, hat die Angeklagte Zschäpe eingeräumt. Dafür spricht auch die Durchmischung der am 04.11.2011 in der Frühlingsstraße und im Wohnmobil Eisenach sichergestellten Bargeldbeträge. Deren Herkunft konnte nach der Aussage der Zeugin Gabriele Q. teilweise anhand von Banderolen noch nachvollzogen werden. Insgesamt 112.000 € wurden im Wohnmobil sichergestellt. Dabei handelte es sich um die komplette Tatbeute aus dem kurz vorher begangenen Raubüberfall in Eisenach. Aber auch einen Betrag von 20.000 €, der aus einem Raubüberfall im Jahr 2007 stammte. In der Frühlingstrasse wurde ein Betrag von 1.715 Euro in bar sichergestellt. 390 € konnten einem Raubüberfall aus dem Jahr 2004 zugeordnet werden.

        Der Angeklagten Zschäpe kam innerhalb der Vereinigung eine maßgebliche Stellung bei der Verwaltung dieses Geldes zu. Sie hatte die Position, erhebliche Geldbeträge zuzuteilen und sich auch ein gehöriges Mitspracherecht bei den Ausgaben der Gruppenmitglieder herauszunehmen.
        Die Angeklagt Zschäpe verfügte zwar nicht über die alleinige Kassengewalt, jedoch wurden in auffällig hohem Maße Kosten, die der Gruppe entstanden, über die Jahre hinweg vornehmlich durch die Angeklagte Zschäpe beglichen. Und nach der Beweisaufnahme wurden vor allem hohe Summen durch die Angeklagte Zschäpe ausgezahlt. Der Mitangeklagte Holger Gerlach hat dargelegt, welche Zahlungen die Angeklagte Zschäpe für die Gruppe an ihn geleistet hat und welche Rolle ihr zukam. Seine Aussagen wurden über die Aussagen der Zeugen Horst Thomas Sch. und Michael L. in die Hauptverhandlung eingeführt und haben sich auch insoweit als stimmig, konstant und glaubhaft erwiesen. Neben den bereits dargestellten Zahlungen im Juni 2001 für Auslagen und die Rückzahlung eines Darlehens bezahlte die Angeklagte Zschäpe dem Mitangeklagten Gerlach bei dieser Gelegenheit, wie ich bereits dargestellt habe, die damals nicht unerhebliche Summe von 10.000 DM mit dem Auftrag, das Geld als Depot für den NSU zu verwalten.

        Auch die Kosten für die Beantragung des Führerscheins durch den Angeklagten Gerlach im Februar 2004 übernahm sie aus der gemeinsamen Kasse. Als die drei den Angeklagten Holger Gerlach Anfang 2011 baten, ihnen erneut einen Personalausweis auf ihre Personalien zur Verfügung zu stellen, beglich die Angeklagte Zschäpe wiederum die Kosten für den Fotografen und die Auslagen. Sie kam nach der Darstellung von Holger Gerlach regelmäßig allein für die Kosten des Urlaubs von Holger Gerlach und die Auslagen während des Urlaubs auf. Sie war in sämtliche relevanten finanziellen Transaktionen der Gruppe eingeweiht, denn sie informierte den Mitangeklagten Holger Gerlach, dass der Mitangeklagte Ralf Wohlleben von der Gruppe auch 10.000 DM erhalten habe. Während der gemeinsamen Urlaube mit Gerlach beglich die Angeklagte Zschäpe für die gesamte Gruppe die Rechnungen bei Einkäufen, Restaurantbesuchen oder Rundflügen.

        Anhaltspunkte dafür, dass die Angaben, des Mitangeklagten Holger Gerlach zu diesen Zahlungsvorgängen nicht belastbar wären, hat die Beweisaufnahme nicht erbracht. Das Verhältnis der drei untergetauchten Personen und die interne Rollenverteilung hat Holger Gerlach in der Entwicklung seit 1997 und jeweils konstant geschildert, wenngleich er zunächst versucht hat, die eigene Rolle herunterzuspielen. Der Mitangeklagte Holger Gerlach hat sich durchaus auch fähig gezeigt, innerhalb der Personengruppe zwischen den einzelnen Personen zu differenzieren. Korrekturen im Detail zeigen sein grundsätzliches Bemühen, zu den Geschehen wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Auch wenn sich der Angeklagte Gerlach einer konfrontativen Vernehmung verschlossen hat, tragen seine Angaben zu der Aufgabenverteilung
        [bzgl. der Geldverwaltung …]. Denn die Einlassung von Holger Gerlach wird durch weitere Beweismittel gestützt. Die Darstellung von Holger Gerlach korrespondiert nämlich 1:1 mit den Beobachtungen der Urlaubsbekanntschaften, die die drei Gruppenmitglieder in einem völlig anderen Rahmen erlebt haben.

        Auch diese Zeugen haben übereinstimmend von einer für sie bemerkenswerten finanziellen Kontrolle der Angeklagten Zschäpe berichtet. Während der gemeinsamen Urlaube trug demnach allein die Angeklagte Zschäpe nicht nur das Mobiltelefon, sondern auch die Kasse bei sich und bezahlte für Böhnhardt und Mundlos das Essen, die Getränke und deren sonstigen Wünsche. Beispielhaft angeführt hier einige Zitate der Urlaubsbekanntschaften: Die Zeugin Karin Mo. [siehe 60. Verhandlungstag]bekundetet: „Das Geld verwaltet hat die Liese, sie hatte das Geld und bezahlte, ob die Männer über Bargeld verfügten, kann ich nicht sagen. Uns wurde erzählt, dass die beiden Männer in die gemeinsame Kasse einzahlten und dass die Lise das Geld verwalten würde.“ Die Zeugin Juliane S. stellte es folgendermaßen dar: „Lise hatte ein großes Portemonnaie mit mehreren großen Scheinen. Sie hat immer bar bezahlt. Sie hat immer für alle drei bezahlt, an der Eisdiele, beim Einkaufen, im Restaurant. Bei den Männern habe ich kein mal gesehen, dass die mal gezahlt hätten. Es war klar, dass sie die Gruppenkasse hatte und das Geld für die drei verwaltet.“

        Caroline Re. [siehe 68. Verhandlungstag] bekundete, „es gab einen Gemeinschaftsgeldbeutel, den hatte Lise in Verwahrung, Lise hatte diese Kasse“. Und auch die Zeugin Britta Ka. [siehe 68. Verhandlungstag]bestätigt die gemeinsame Urlaubskasse. Die Zeugin Juliane S. erinnerte ein Gespräch über eine neue Surfausrüstung zwischen der Angeklagten Zschäpe und Max. Max, also Mundlos, wollte sie haben, Lise, also die Angeklagte, nicht.

        Dass die Angeklagte Zschäpe Unterstützer finanziell honoriert hat, bestätigt die Aussage von Max-Florian Bu. und [wird]bestätigt durch ein Asservat aus der Frühlingsstraße. Der Zeuge Bu. erinnerte sich, die drei Untergetauchten hätten ihm gegenüber auch einmal von einem Unterstützer in Zwickau gesprochen. Die Zeugin Q. hat zum Asservat 2.5.11 bekundet, nämlich zu der Buchungsbestätigung 15.6.2011 für Disneyreise der Familie Eminger. Wie bestimmend die Angeklagte Zschäpe in Geldangelegenheiten der Gruppe sein konnte, hat die Aussage des Zeugen Mario G. im Zusammenhang mit der Reparatur des Bootsmotors veranschaulicht. Ich hatte diese Aussage bereits kurz einmal dargestellt. Schließlich war die Angeklagte Zschäpe neben den bereits benannten Zahlungen für die Bahncards auch mit den Zahlungen bezüglich der Mietwohnungen befasst. Belegt wird das beispielhaft mit mehreren sichergestellten Einzahlungsnachweisen für die Mietzahlungen der Wohnungen Polenz- und Frühlingsstraße, die auf die Aliasnamen Lisa Pohl und Lisa Dienelt lauten.

        Dass Böhnhardt und Mundlos am 04.11.2011 eine erhebliche Summe an Bargeld im Wohnmobil in Eisenach mitführten, spricht nicht gegen die festgestellte Kassengewalt der Angeklagten Zschäpe. Der Umfang der im Wohnmobil mitgeführten Gegenstände – einschließlich der Bekenner-DVDs – spricht vielmehr dafür, dass Böhnhardt und Mundlos durchaus einkalkuliert hatten, dass eine Rückkehr in die Wohnung womöglich ausgeschlossen wäre, und dass sie entsprechende Vorkehrungen für eine Flucht getroffen hatten. Die Kassengewalt der Angeklagte Zschäpe, wie sie in der Beweisaufnahme festgestellt wurde, lässt einen belastbaren Rückschluss auf Position in der Gruppe zu. Denn erfahrungsgemäß kommt einer Person, die innerhalb einer Bande die gemeinsame Kasse verwaltet, und ein Mitspracherecht bei Anschaffungen der anderen Gruppenmitglieder hat, obwohl sie bei den Raubzügen selbst nicht mitwirkt, eine ganz herausragende Stellung in der Gruppenhierarchie zu. Zudem finanzierte die Angeklagte mittelbar die Taten auch mit. Als fernliegend hat sich erneut die Darstellung der Angeklagten Zschäpe erwiesen, sie habe sich in der Gruppe in einer Außenseiterrolle befunden.

        Greger: „Wie lief die Anmietung von den Fahrzeugen durch die Gruppe ab?“ Die Gruppe verwendete überwiegend Mietfahrzeuge für die Anschläge, die Überfälle und auch für die Ausspähungen. Eine Vielzahl von Anmietungen konnte in den Ermittlungen aufgeklärt werden. Zu diesen Mietvorgängen und den angemieteten Fahrzeugen bekundeten die Zeugen Q., Michael Mo. [siehe 197. und 284. Verhandlungstag], die Zeugen Michele Ar. [siehe 217. Verhandlungstag], Hoffmann und Timo Ko. Zudem wurden die sichergestellten 64 Belege zum Teil mit Mietverträgen und Rechnungen verlesen.Der Zeuge Michael Mo. stellte die Anmietungszeiträume den Taten gegenüber. Danach sind 15 Mietzeiten insgesamt 17 Taten zuzuordnen. Der Zeuge Udo Vo. [siehe 44. Verhandlungstag] berichtete, insgesamt seien 65 Anmietungen bei der Firma Caravan H., Zwickau, M. St., der Fa. B. in Chemnitz und bei der Fa. K. festgestellt worden. Die Rechnungen dazu wurden zum Teil im Brandschutt der Frühlingsstraße und im Wohnmobil in Eisenach sichergestellt. Zum Teil waren die Unterlagen auch bei den Vermieterfirmen noch vorhanden.

        Drei tatrelevante Mietverträge hat der Andre Eminger abgeschlossen. Ab Februar 2004 lauten sämtliche Anmietungen der Gruppe auf die Personalien Holger Gerlach. Uwe Böhnhardt, der unter diesen Personalien die Anmietungen, vornahm, wies sich mit dem Führerschein und dem Reisepass Holger Gerlach bei den Vermieterfirmen aus. Zudem gab er die Mobilfunknummern an, die ihm die Angeklagte Zschäpe besorgt hatte. Für die Anmietungen bei der Firma H. bekundeten Ingeborg Christine H. [siehe 88. Verhandlungstag] und Alexander H. [siehe 54. Verhandlungstag], dass bei der Abholung der Fahrzeuge stets und ausnahmslos der Führerschein vorgelegt werden musste und dass auch bei jeder Anmietung der Ausweis kontrolliert wurde. Mehrmals begleitete die Angeklagte Zschäpe den Uwe Böhnhardt bei der Anmietung von Fahrzeugen. Ein Umstand, den die Angeklagte weitgehend verschweigt. Der Zeuge Maik S. [siehe 48. Verhandlungstag]identifizierte Uwe Böhnhardt als Anmieter und die Angeklagte Zschäpe als weibliche Begleiterin, die, so schätzt er, etwa fünf Mal mit anwesend gewesen sei.

        Zumindest für die Anmietung des zuletzt genutzten Wohnmobils konnte nachvollzogen werden, wie die Anmietung ablief und welche Rolle die Angeklagte Zschäpe bei der Mobilität für den Anschein der Normalität spielte. Bei dieser letzten Anmietung am 25.10.2011 bei der Firma K. gab sich Uwe Böhnhardt dem Vermieter gegenüber als Holger Gerlach aus. Auch hier diente ihm der Führerschein von Holger Gerlach und der auf Holger Gerlach 2011 ausgestellte und – wie wir jetzt wissen – von der Angeklagten Zschäpe in Hannover abgeholte Reisepass als Identifizierung. Die Angeklagte Zschäpe begleitete ihn und spielte ihre Rolle. Dass sie mit vor Ort war, räumt sie auch ein. Einen zusätzlichen Beleg für die Begleitung stellt eine von den Zeugen Stefan Ko., Hoffmann und Udo Ja. [siehe 116. Verhandlungstag]bekundete eine SMS von Susan Eminger vom 25.10.2011 dar. Die Angeklagte Zschäpe wurde zudem von der Zeugin Michele Ar. identifiziert. Wie die Zeugin Ar. erinnerte, gaben Böhnhardt und die Angeklagte Zschäpe bei der Anmietung vor, das Fahrzeug ganz harmlos für eine Urlaubsreise nutzen zu wollen. Greger: „Ich würde jetzt eine Pause machen.“ Götzl unterbricht bis 14:25 Uhr.

        Um 14:28 Uhr wird fortgesetzt. Götzl: „Wir würden dann heute zum letzten Block kommen und dann morgen fortsetzen.“ OStAin Greger: „Hoher Senat, die Taten, die die Gruppe verübt hat, wurden nicht plötzlich, zufällig, unvorbereitet vorgenommen.“ Die Taten wurden sehr gut vorbereitet und die Gruppe hat umfangreiche Ausspähmaßnahmen über die Jahre hinweg durchgezogen. Die Gruppe hat mit ihren Straftaten jahrelang die Bevölkerung terrorisiert. Dass dabei jeder in ihren Fokus geraten konnte, zeigt das sichergestellte Ausspähmaterial. Institutionen, politische Funktionsträger und potentielle Anschlags- und Überfallziele hat die Gruppe bundesweit ausgespäht und dann katalogisiert. Die so zusammengetragene Datensammlung umfasst politische, religiöse und gesellschaftliche Einrichtungen. Ein besonderes Augenmerk hat die Gruppe auf türkische und islamische Institutionen und auch Asyleinrichtungen gerichtet.

        Zuletzt verfügte die Gruppe über einen riesigen Datenbestand von etwa 90.000 Datensätzen und eine Sammlung von über 10.000 Namen und Objekten. Zu den Inhalten und dem Umfang der Datenträger, der Papierausdrucke der Karten und Notizen hat der Zeuge Jürgen He. [siehe 222. Verhandlungstag] umfassend bekundet. Die nachfolgenden Feststellungen beruhen zudem auf den Aussagen der Zeugen Jürgen Kl. [siehe 244. Verhandlungstag], Roman Gl. [siehe 46. und 239. Verhandlungstag], Markus Gr. [siehe 245. Verhandlungstag], David Ka. [siehe 245. Verhandlungstag], Jeanette Pf., Ellen Bu. [siehe 88. und 239. Verhandlungstag], Christian Böhme [siehe 32. und 251. Verhandlungstag], Lars Ka. [siehe 241. Verhandlungstag], Maria Us. [siehe 244. Verhandlungstag] und Gerhard Ze. [siehe 170. und 215. Verhandlungstag], die sich während der Ermittlungen mit dem umfangreich asservierten Datenbestand und Kartenmaterial und deren Tatbezügen befasst haben, sowie auf dem Augenschein des Kartenmaterials, der Fotos und der sichergestellten Schriftstücke in der Hauptverhandlung. Zudem wurden Sicherstellungsverzeichnis und einige Dokumente auch verlesen.

        Die Gruppe hatte mindestens 28 Adresslisten elektronisch erstellt. Die Listen wurden auf mehreren Datenträgern festgestellt. Auf der EDV 22 finden sich die Datenbanken zu den Tatortstätten München, Nürnberg und Dortmund. Die elektronischen Dateien tragen bezeichnende Namen wie Verzeichnis „Killer“, „Datenbank Aktion wichtig”, „Asyl“, oder „Ausländer“. Alle elektronischen Dateien sind unverschlüsselt abgespeichert. Aufgrund der Wohnverhältnisse und der gemeinsamen Computernutzung ist davon auszugehen, dass sie für alle Wohnmitglieder frei zugänglich waren. Eine weitere Adresssammlung in Papierform wurde im sogenannten Katzenzimmer, in dem die der Angeklagten Zschäpe gehörenden Katzen untergebracht waren, sichergestellt, bezeichnet als das Telefonbuch für Deutschland. Es handelt sich dabei um 18 Papierausdrucke mit handschriftlichen Ergänzungen.

        Auch mithilfe von Routenplanern aus dem Internet erstellte die Gruppe Adresssammlungen. Daneben wurden Skizzen und Fotos zu ausgespähten Objekten in der Wohnung sichergestellt. Die Lage von wichtigen Adressen markierten die Mitglieder in Stadtplänen. Insgesamt wurden überwiegend im Flur der Wohnung, aber auch im Wohnzimmer, Pläne zu 14 Städten sichergestellt, die 191 Kennzeichnungen tragen. Die Sterne, Farben, Abkürzungen und andere Markierungen konnten nicht vollständig entschlüsselt werden. Welche Aspekte den Tätern aber grundsätzlich wichtig erschienen, zeigen Zusätze wie „Problem: Tankstelle nebenan Türke aus Tankstelle geht in jeder freien Minute zu Reden rüber, Imbiß mit Vorraum”, „Asylheim, Tür offen ohne Schloß, Keller zugänglich”, „Kaffee wie in Köln, Straße wirkt auch etwa so“. Wie die Ausspähung späterer Opfer der Gruppe ablief, konnte anhand des Ausspähmaterials zu Nürnberg, München, Dortmund und Kassel nachvollzogen werden.

        Der Zeuge Roman Gl. hat das Material bzgl. dieser Tatorte ausgewertet und dazu bekundet: Wie die Ausspähung eines potentiellen Anschlagsziels erfolgte, belegen sichergestellte Fotos aus Stuttgart. Die jeweils festgestellten Zeitstempel und Druckdaten, zu denen die Zeugen auch bekundet haben, haben sich nach Abgleich mit weiteren Daten als durchwegs stimmig erwiesen. So bereitete der NSU die Ermordung von İsmail Yaşar in Nürnberg am 09.06.2005 sorgfältig vor. Im elektronischen Datenbestand der Gruppe findet sich eine Karte von Nürnberg mit markierten Zieladressen. Sie wurde zwei Wochen vor der Tat am 23.05.2005 am PC erstellt und im Verzeichnis „Killer“ im Ordner Datenbank „Aktion wichtig“ gespeichert. Am 26.05.2005 – also drei Tage später – druckten sie eine Adressliste mit sechs Zieladressen in Nürnberg und eine Karte aus, in der die Adressen markiert sind. Zu den Adressen sind persönliche Beobachtungen vermerkt. Eine siebte Adresse bezeichnet die Scharrerstraße neben dem Postimbiss. Die entsprechenden Markierungen in der Karte wurde handschriftlich ergänzt. Diese Adresse bezeichnet den späteren Tatort.

        In einer brandbeschädigten Straßenkarte von München sind insgesamt 16 Örtlichkeiten gekennzeichnet, darunter einige unter Angabe einer Nummer. Die nummerierten Einträge korrespondieren mit entsprechenden Daten in den elektronischen Adresslisten. In der Frühlingsstraße gefundene Routenplanerausdrucke belegen einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Erstellung des Ausspähmaterials und dem Mord an Theodoros Boulgarides in München am 15.06.2005. Am 05.06.2005 – also zehn Tage vor der Tat – druckten die Mitglieder des NSU eine computererstellte Adressliste mit […] aus. Die Adressen markierten sie in einer am selben Tag erstellten Übersichtskarte sowie sechs Detailkarten mit Sternen. Die Detailkarte S6 wurde am 12.06.2005, also drei Tage vor der Tat ausgedruckt. Die Adressliste wurde von Böhnhardt und Mundlos mit Kommentaren wie Hinterhof, sehr gute Lage, Zugang im Garten, komplett türkisches Eckhaus, Döner, Änderungsschneiderei versehen, was die intensiven Beobachtungen vor Ort belegt. Auch auf den Karten sind Kennzeichnungen und handschriftliche Eintragungen vermerkt. Am 13.06.2005 mieteten sie ein Wohnmobil an und begaben sich auf den Weg.

        Auch auf die Begehung des Mordes in Dortmund am 04.04.2006 bereitete sich der NSU langfristig und intensiv – nach der Beweisaufnahme bereits im September des Vorjahres – vor. Laut einer sichergestellten und verlesenen Rechnung mietete Böhnhardt am 19.09.2005 unter dem Namen Holger Gerlach bei der Firma Caravan-Vertriebe H. ein Wohnmobil bis zum 22.09.2005 an. Eine im Brandschutt in der Frühlingsstraße gefundene Adressliste mit Druckdatum 22.09.2005, also dem letzten Tag der Anmietung, wurde mit einem Routenplanerprogramm erstellt und führt sechs Anschriften in Dortmund auf, mit genauen Beobachtungen vor Ort in handschriftlichen Anmerkungen wie “sehr gutes Objekt, guter Sichtschutz, Person gut, aber alt, über 60“ oder „gutes Objekt und geeigneter Inhaber“. Der Verfasser der Anmerkungen ist nach dem Vergleichsgutachten, bezeugt durch die Zeugin Jeanette Pf., Uwe Mundlos. Die Anschriften wurden auf einem ebenfalls im Brandschutt aufgefundenen Ausdruck ebenfalls mit Druckdatum 22.09.2005 übertragen. Des Weiteren wurde eine gedruckte Detailkarte von Dortmund, wo später der Mord stattfand, sichergestellt. Sie trägt die handschriftliche Anmerkung „Wohngebiet wie Mühlheim Köln“, das Druckdatum selbst ist nicht lesbar.

        Eine im Brandschutt sichergestellt Postkarte lässt Rückschlüsse während der Ausspähungen zu. Die Karte und weitere Ausspähunterlagen zu Dortmund wurden in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen. Nach Aussage der Zeugin Pf. trägt die Karte den Stempel 21.09.2005, Briefzentrum 44 Dortmund, und ist an M. Dienelt, Polenzstraße 2 in Zwickau, adressiert. Der kryptische Text lautet “Viele liebe Grüße / das Wetter ist schön / Tschüß”. Zu seinem Aufenthaltsort verhält sich der Verfasser nicht, was den Schluss zulässt, dass der Empfänger den Aufenthaltsort sehr wohl kannte. Nach dem Ergebnis eines Schriftvergleichs, zu dem die Zeugin Pf. bekundet hat, ist Uwe Böhnhardt mit hoher Wahrscheinlichkeit der Verfasser.

        Demnach ergibt sich aufgrund dieser Beweismittel folgender Ablauf: Böhnhardt und Mundlos befanden sich bis mindestens 21.09.2005 zur Ausspähung in Dortmund, die Angeklagte Zschäpe sicherte die Wohnung. Die Postkarte sendeten die beiden Uwes, um die Angeklagte von dem guten Verlauf zu unterrichten. Bereits am Folgetag waren Böhnhardt und Mundlos zuhause, druckten die Unterlagen aus und Mundlos vermerkte darauf ihre Beobachtungen. Unmittelbar vor dem Tattag zwischen dem 28.03. und 03.04.2006 druckten die Täter vier weitere Karten von Dortmund aus. Mehrere in den Stadtplänen gekennzeichnete Adressen liegen nur wenige hundert Meter vom Tatort entfernt. Am letzten Tag ihrer büromäßigen Abklärung möglicher Anschlagsziele mieteten sie ein Fahrzeug, mit dem sie nach Dortmund fuhren.

        Hinsichtlich des Mordes in Kassel am 6.4.2006 lassen sich ebenfalls umfangreiche Ausspähaktivitäten des NSU nachvollziehen. In einem im Flur sichergestellten Stadtplan sind sieben türkische und islamische Stellen markiert. Eine Markierung ist der Holländischen Straße, dem späteren Tatort, zuzuordnen. Sie trägt den Zusatz “Ali” und “2012”. Laut Adressliste handelt es sich dabei um die Adresse des Verbands des islamischen Kulturzentren e.V. Am 02.04.2006, also vier Tage vor der Tat, erstellten die Mitglieder des NSU mit einem Routenplaner eine Übersichtskarte von Kassel und markierten türkische und islamische Einrichtungen und Adressen von Politikern. Einen Tag später, am 03.04.2006, druckten sie eine Adressliste aus und übertrugen die markierten Anschriften. Ebenfalls an diesem Tag, dem 03.04., erstellten sie noch sechs Detailkarten von Kasseler Stadtteilen, übertrugen auch hier die Markierungen und ergänzten zusätzliche Anmerkungen. Vom Internetcafé in der Holländischen Straße fertigten Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos handschriftliche Skizze des Innenraums mit Anmerkungen und vermerkten darauf die Adresse “Hollästr. 82”. Nach der Aussage des Zeugen Rainer Gr. [siehe 42. Verhandlungstag]hatte Uwe Mundlos sogar die Funkfrequenzen des Sicherheitsbereichs in Hessen notiert und auf der Notiz zur Anschlagsörtlichkeit festgehalten. Wie eine Auskundschaftung eines türkischen Lebensmittelgeschäftes in Stuttgart ablief, belegen die Lichtbilder, die nach Auskunft des Zeugen Le. auf einer CD aufgefunden worden sind. Sie stammen von Juni 2003 und zeigen Böhnhardt mit einem Fahrrad, die die Geschäftsfront des Ladenlokales und eines Restaurants zeigen. Auch diese Lichtbilder wurden in Augenschein genommen.

        Den Banküberfällen lag eine ähnlich gründliche Planung zu Grunde. Auch hier orientierten sich die Täter im Vorfeld der Überfälle an ihren Adresslisten. Sichergestellt wurde im Katzenzimmer eine Liste mit 12 Adressen von Banken in Stralsund. In Stadtplänen von Arnstadt, Altenburg, Erfurt, Eisenach und Weimar markierten sie die Lage der Geldinstitute. Die entsprechenden Asservate wurden im Wohnmobil sichergestellt. Auf der Rückseite des Asservats 1.4.199.0 befindet sich die handschriftliche Anmerkung “Arnstadt Topgebäude” und eine detaillierte Skizze der Sparkasse Arnstadt Ilmenau, die am 07.09.2011 überfallen wurde. Das Asservat 1.4.200.0 weist auf der Rückseite unter der Bezeichnung Eisenbach Neubaugebiet eine Skizze des Tatorts in Eisenach auf. Weitere Skizzen von Banken finden sich auf einem Plan von Eisenach und auf einem Geldrollenpapier.

        Zur Sicherung der Flucht setzten Böhnhardt und Mundlos vor Ort einen tragbaren Funkfrequenzscanner ein und hörten den Polizeifunk mit. Ein entsprechender Suchlaufempfänger wurde im Wohnmobil sichergestellt. Das zuletzt angemietete Wohnmobil statteten Böhnhardt und Mundlos zusätzlich mit einer Kamera aus. Ihre Fluchtwege bereiteten die Täter ebenfalls gründlich vor, markierten sie auf Stadtplänen, so etwa dem Stadtplan Chemnitz. Bei dieser Vorbereitung achteten sie darauf, die Vorteile der von ihnen verwendeten Zweiräder gezielt zu nutzen, indem sie – das sieht man auf der Markierung – in ihrem Fluchtweg Engstellen und Wege einbezogen, die für Autos unpassierbar sind. Im Katzenzimmer sichergestellte Ausdrucke belegen zudem nach der Aussage des Zeugen Tu. eine umfangreiche Ausforschung von Banken im Raum Stralsund während des Urlaubs auf dem Campingplatz Grömitz vom 17.07. bis 16.08.2006.

        Das Ineinandergreifen aller Mitglieder zeigt nach den Zeugen Stefanus Er. und Andreas Ma. [siehe 126., 198. und 210. Verhandlungstag] und nach dem verlesenen Browserverlauf und einem verlesenen Mietvertrag beispielhaft die Ausspähung der Geldinstitute Arnstadt und Eisenach. Danach erfolgt am 21.08.2011 eine Internetrecherche vom Rechner der Gruppe, der im Zimmer der Angeklagten stand, nach Campingplätzen Eisenach. Anschließend findet sich eine Buchung für zwei Personen unter dem Namen Holger Gerlach auf dem Campingplatz Paulfeld in Leinatal vom 22. bis 25.08.2011. Vom 21. bis 26.08.2011 hat Uwe Böhnhardt unter dem Alias Gerlach und mittels des Führerscheins Holger Gerlach bei der Autovermietung Zwickau ein VW T5 angemietet. Als mobile Erreichbarkeit hat dieser [0151-Nummer] beschafft über Sandy Ne. vermerkt. Damit also eine Handynummer, die die Angeklagte Zschäpe für die Gruppe beschafft hat. Während des Aufenthalts auf dem Campingplatz [war laut]dem Zeugen Er. das Handy, das von Angeklagten genutzt worden ist, und auch am 04.11.2011 von ihr mitgeführt war, in der Funkzelle des Campingplatzes eingebucht.

        Einen Nachweis, dass die Angeklagte Zschäpe bei den tatrelevanten Ausspähungen selbst mit anwesend war, hat die Beweisaufnahme nicht erbracht. Nach der Aussage des Zeugen Frank Gr. [siehe 317. und 326. Verhandlungstag]ist zwar davon auszugehen, dass diese im Mai 2000 Böhnhardt und Mundlos begleitet hat, als diese sich in der Nähe der jüdischen Synagoge in der Rykestraße in Berlin aufhielten. Ein entsprechender Aufenthalt in Berlin in dem Zeitraum wird von der Angeklagten selbst auch nicht in Abrede gestellt. Nach der Schilderung des Zeugen Gr. war die Angeklagte Zschäpe jedoch damals von ihrer äußeren Erscheinung derart auffällig, dass er sie als uniformierter Wachmann anstarrte und die Angeklagte das auch bemerkt hat. Es ist davon auszugehen, dass nicht zuletzt auch wegen genau dieser optischen Auffälligkeit der Angeklagten Zschäpe die Gruppe davon Abstand genommen hat, zu dritt Ausspähungen oder Anschläge vorzunehmen. Dem entspricht, dass die handschriftlichen Anmerkungen auf dem Ausspähmaterial nach den Schriftgutachten, soweit möglich, Böhnhardt und Mundlos zuzuordnen sind. Die Angeklagte hatte währenddessen die Abwesenheiten von Böhnhardt und Mundlos zu verschleiern.

        Auf Grund des Zeitablaufs war er nicht möglich, die sogenannte Stallwache, also die Tarnung der Abwesenheit von Böhnhardt und Mundlos und die Sicherung der Wohnung für jeden Fall zu belegen. Die Beweisaufnahme hat jedoch einen derartigen Innendienst der Angeklagten Zschäpe für den Anschlag in München, für den Anschlag in der Keupstraße, für den Raub in Arnstadt, für den Überfall in Eisenach, für die Ausspähung Arnstadt und Eisenach und für die Ausspähung in Dortmund belegt. Ihr Vorgehen im Zusammenhang mit dem Banküberfall in Eisenach ist auch insoweit aussagekräftig, als die Angeklagte in diesem Fall ohne Zögern die fest vereinbarte Vernichtung des gemeinsamen Unterschlupfes umgesetzt hat. Ihr Telefonat nach München in zeitlichem Zusammenhang mit der Ermordung von Theodoros Boulgarides belegt, dass die Angeklagte Zschäpe im Vorfeld der Straftaten von deren anstehender Begehung unterrichtet war und mit Böhnhardt und Mundlos während der Tatbegehung Kontakt aufnehmen konnte.

        Nach den Bekundungen der Zeugen Thomas Bl. [siehe 50. Verhandlungstag], Stahl und Christian Dressler [siehe 46. Verhandlungstag]wurde im Brandschutt in der Frühlingsstraße ein Zettel mit der Rufnummer [0162-Nummer] und dem von Uwe Mundlos handschriftlich angebrachten Notiz “Aktion” aufgefunden. In diese Notiz diente ersichtlich dem Zweck, die tatbezogene Erreichbarkeit bedeutsame Telefonnummer während deren Abwesenheit bei Anschlägen zu geben und der Angeklagten Zschäpe auf diese Weise eine Einflussnahme auf die Einzelnen Taten zu ermöglichen. Von der Möglichkeit machte die Angeklagte Zschäpe auch Gebrauch, als sie die beiden vier Stunden vor der Tat aus der Telefonzelle in unmittelbarer Nähe der genutzten Wohnung in Zwickau unter der bezeichneten Mobilfunknummer anrief. Aus der handschriftlichen Notiz “Aktion” folgt auch das Wissen der Angeklagten um den Tötungszweck der Abwesenheit der Männer. Denn die Gruppe nutzte den Begriff „Aktion“ als Synonym für Mordanschläge.

        Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass die Mitglieder des NSU das im Zusammenhang mit den Selbstbezichtigungen, das bei der Ermordung von Michèle Kiesewetter entstandene Datenmaterial unter dem Dateinamen „Aktion Polizeipistole“ [abspeicherten]. Der Begriff fand auch im Bekennervideo selbst Verwendung, wo von „Aktion Dönerspieß“ die Rede ist. Des Weiteren findet sich die Begrifflichkeit als Bezeichnung für die Datenbank mit Ausspähnotizen. Bei ihrem Anruf in München kommt hinzu, dass die Angeklagte Zschäpe bewusst eine Telefonzelle nutzte, um eine Rückverfolgung zu verhindern. Der Umstand, dass die mobile Erreichbarkeit von Böhnhardt und Mundlos auf dem sichergestellten Notizzettel mit dem Zusatz „Aktion“ versehen war, widerlegt somit eindeutig die Einlassung der Angeklagten Zschäpe, sie habe steht erst im Nachhinein von den Anschlägen erfahren. Greger: „Ich wäre jetzt mit diesem Part durch und hätte jetzt noch etwa 20 Seiten, das ist wiederum ein geschlossener Komplex.“ Götzl: „Dann unterbrechen wir für heute und setzen morgen fort.“ Der Verhandlungstag endet um 15:01 Uhr.

        Einschätzung des Blogs “NSU-Nebenklage”

          Der Beitrag Protokoll 376. Verhandlungstag – 26. Juli 2017 erschien zuerst auf NSU Watch.

          Protokoll 367. Verhandlungstag – 31. Mai 2017

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          An diesem Verhandlungstag verliest zunächst der Verteidiger von Beate Zschäpe, RA Heer, eine Erwiderung auf die Stellungnahme des GBA zum Antrag von Sturm, Stahl und Heer auf Einholung eines weiteren Sachverständigen-Gutachtens. Danach stellt die Verteidigung von Ralf Wohlleben einen Befangenheitsantrag gegen den gesamten Senat.

          Der Verhandlungstag beginnt heute erst um 13:12 Uhr. Nach der Präsenzfeststellung möchte Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders das Wort für einen unaufschiebbaren Antrag. Götzl: „Frau Rechtsanwältin Schneiders, bevor wir zu den Anträgen kommen, Sie erleiden dadurch keinen Rechtsverlust: Sollen denn heute noch Stellungnahmen abgegeben werden?“ Zschäpe-Verteidiger RA Heer verliest eine Erwiderung auf die Stellungnahme des GBA zum Antrag von Sturm, Stahl und Heer auf Einholung eines weiteren SV-Gutachtens: Der GBA weist zurecht darauf hin, dass sich die Entscheidung, ob ein weiterer Sachverständiger zu bestellen ist, an § 83 Absatz 1 StPO zu orientieren hat. Demnach kann der Richter eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen, wenn er das Gutachten für ungenügend erachtet. Soweit das Gutachten nicht ungeeignet ist, so dass zwingend eine neue Begutachtung anzuordnen ist, steht die Entscheidung, ob eine wiederholte Begutachtung zu erfolgen hat, im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Ungenügend ist ein Gutachten dann, wenn es dem Richter nicht die erforderliche Sachkunde vermittelt, nicht aber schon, wenn es den Richter nicht überzeugt, denn auch ein nicht überzeugendes Gutachten kann dem Richter – allerdings nur in Ausnahmefällen – die erforderliche Sachkunde vermitteln.

          Die Einholung eines neuen Gutachtens wird daher regelmäßig bei einem unter Mängeln leidenden
          Gutachten geboten sein; zwingend ist sie unter den Voraussetzungen des § 244 Absatz 4 Satz 2 Halbsatz 2 StPO. Der Antrag auf Einholung eines weiteren SV-Gutachtens basiert auf dem methodenkritischen Gutachten, das Prof. Dr. Faustmann am 360. Hauptverhandlungstag erstattet hatte und zu dem er am 362. Hauptverhandlungstag durch den Vorsitzenden und weitere Verfahrensbeteiligte befragt worden war. Prof. Faustmann wurde anschließend entlassen. Auf Ladung durch den Vorsitzenden war Prof. Dr. Saß an beiden Terminen zugegen, so dass er die Methodenkritik unmittelbar zur Kenntnis nehmen konnte. Auf erneute Ladung des Gerichts gab Prof. Saß am 366. Hauptverhandlungstag eine Stellungnahme u.a. zu dem Gutachten von Prof. Faustmann ab und verteidigte sein Gutachten gegen die methodenkritische Kritik. Im Rahmen der sich anschließenden Vernehmung bat der Vorsitzende den SV Prof. Saß ausschließlich, Angaben zu seiner Ausbildung und seiner Tätigkeit als forensischer Psychiater zu machen und die Anzahl der von ihm gefertigten Gutachten abzuschätzen. Fragen im Hinblick auf das methodische Vorgehen stellte der Vorsitzende nicht; die übrigen Senatsmitglieder übten ihr Fragerecht nicht aus. Dies lässt nur den Schluss zu, dass der Senat insgesamt das Gutachten nicht oder jedenfalls nicht mehr als mängelbehaftet und damit nicht als ungenügend erachtet. Unserem Antrag wird daher auf derzeitiger Grundlage der Erfolg versagt sein.

          Nachdem der Vorsitzende Prof. Saß aufgefordert hatte, sein Gutachten gerade im Hinblick auf die Ausführungen von Prof. Faustmann zu ergänzen, muss es uns, vor einer Entscheidung des Senats, ermöglicht werden, Prof. Faustmann mit einer Ergänzung seines methodenkritischen Gutachtens zu beauftragen und mittels derer, entweder in schriftlicher Form oder mündlicher Erstattung in der Hauptverhandlung, den Antrag auf Einholung eines weiteren SV-Gutachtens zusätzlich zu substantiieren, was allerdings den Abschluss der Befragung von Prof. Saß voraussetzt. Da der Vorsitzende der Anregung, Prof. Faustmann zu der weiteren Anhörung von Prof. Saß zu laden, nicht nachgekommen war und unseren hilfsweise gestellten Antrag, die weitere Anhörung von Prof. Saß an einem Tag durchzuführen, an dem Prof. Faustmann verfügbar ist und von uns geladen werden könnte, abgelehnt hatte, umgekehrt aber sicherstellte, dass Prof. Saß bei der Anhörung von Prof. Faustmann zugegen sein konnte, ist uns eine angemessene Zeit für die Vermittlung der Anknüpfungstatsachen einzuräumen. Eine Erwiderung auf die Ausführungen des GBA in der Sache bleibt vorbehalten.

          Danach sagt Heer in Richtung Götzl: „Ich hätte auch noch etwas weiteres. Die Frage ist, ob Sie dazu erst Stellungnahmen einholen möchten?“ Götzl: „Ich habe nicht verstanden, worum es im Weiteren geht.“ Heer: „Um den Beweisantrag der Verteidigung Wohlleben: Frau Sturm, Herr Stahl und ich schließen uns dem von der Verteidigung Wohlleben gestellten Beweisantrag auf Vernehmung eines psychiatrischen Sachverständigen an, zum Beweis der Tatsache, dass Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos jeweils an einer schweren Dissozialen Persönlichkeitsstörung ICD-10 F60.2 litten.“ [Heer, Stahl, Sturm schließen sich dem Antrag vom 365. Verhandlungstag lediglich in Bezug auf die erste Beweistatsache an.] Götzl: „Sollen Stellungnahmen erfolgen? Keine? Wir kopieren es. Dann kämen wir im Anschluss zu Ihnen, Frau Schneiders.“

          Schneiders verliest einen Befangenheitsantrag gegen den gesamten Senat. Zunächst gibt sie aus Sicht der Verteidigung Wohlleben den prozessualen Sachverhalt, nämlich die Ablehnung der Beweisanträge hinsichtlich der Zeugen Luthard, Dressler etc. und hinsichtlich der Zeugin Stefanie Fö. [jeweils 366. Verhandlungstag]. Zur Begründung des Ablehnungsgesuchs sagt Schneiders zunächst, dass der Angeklagte Wohlleben wegen des Beratungsgeheimnisses nicht vortragen könne,
          ob alle abgelehnten Richter und wenn nicht, welche Senatsmitglieder die beiden Beschlüsse mitgetragen haben. Deshalb sei er berechtigt, alle Senatsmitglieder abzulehnen. Dann zitiert sie ausführlich aus dem Beschluss zur Ablehnung des Antrags auf Vernehmung der Zeugen Luthard, Dressler etc. Danach führt sie zur Begründung aus:

          Zunächst verkennen die abgelehnten Richter in dem Beschluss den Inhalt des SAO 220, 61, wonach KHK Wunderlich seit 1994 zur Zielfahndung des LKA Thüringen gehörte und seit 2000 deren Leiter war. In der Organisation gab es seinerzeit nur vier Zielfahnder. Die Zielfahndung LKA Thüringen hatte seit ihrem Bestehen 600 Fahndungsaufträge. Hiervon wurden nach Angaben des KHK Wunderlich alle gelöst – bis auf den Fall des Trios. In ihrem Beschluss führen die abgelehnten Richter keine tragfähigen Gründe an, weshalb die Zielfahnder gerade im Fall des Trios bei Kenntnis sämtlicher damals den Behörden vorliegender Informationen gerade diesen Zielfahndungsauftrag nicht zum Erfolg hätten führen können. Dies gilt insbesondere für die sogenannte Garagenliste und die vom Zeugen Kliem zurückgehaltenen Informationen. Kliems Angaben gegenüber Wunderlich ergeben sich aus den Protokollen des Sächsischen Untersuchungsausschusses, die den abgelehnten Richtern auch vorliegen.

          Kliem gab am 9.9.2013 dazu: „Er schlug damals auf und sagte: ‚Es gibt Hinweise, dass Herr Böhnhardt sich nach Chemnitz begeben konnte‘, und wollte von mir wissen, welche Partywohnungen es in Chemnitz an der Hans-Sachs-Straße gibt bzw. welche Wohnungen relevanter rechter Personen wir in dem Bereich haben. Wir haben einen Check gemacht: Wir hatten dort weder eine Partywohnung, noch haben wir eine relevante Wohnung gehabt.“ Bereits zu diesem Zeitpunkt war Mandy Struck polizeilich als Mitglied der rechten Szene bekannt. In der Nähe der Hans-Sachs-Straße befand sich die Wohnung der Mandy Struck. Dies verschwieg der Zeuge Kliem dem Zielfahnder Wunderlich. Die Angabe des Zeugen Kliem gegenüber dem Zielfahnder Wunderlich, dass keine Wohnung einer relevanten rechten Person an der Hans-Sachs-Straße bekannt sei, entsprach also nicht der Wahrheit. Zum selben Zeitpunkt befanden sich die Untergetauchten tatsächlich in Chemnitz, zunächst in der Wohnung des Zeugen Rothe und kurz darauf in der Wohnung des Freundes der Mandy Struck, des Max Florian Bu.

          Hinweise auf Thomas Starke, jetzt: Mü., wie sie aus der Garagenliste naheliegend waren, hätten direkt zu den Unterstützern der Untergetauchten in Chemnitz geführt. Starke hatte sich erfolgreich sowohl bei Rothe als auch bei Struck um das Unterkommen des Trios bemüht. Der Hinweis, den der Zeuge Wunderlich hatte, nämlich, dass sich Böhnhardt nach Chemnitz begeben konnte, war also zutreffend. Die Verneinung der Kausalität durch die abgelehnten Richter allein deshalb, weil die Ergreifung mit nur „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ erfolgt wäre und nicht zu 100 Prozent, erscheint als rein ergebnisorientierte Konstruktion und ist deshalb willkürlich. Das bei den Durchsuchungen in Jena 1998 aufgefundene Schreiben des Thorsten Schau an Uwe Mundlos enthielt Hinweise auf Chemnitz und den damaligen dortigen Leiter des Dezernats Staatsschutz Kliem. So wurde im Sächsischen UA dem Zeugen Kliem folgendes vorgehalten: „Stellvertretender Vorsitzender Klaus Bartl: In Thüringen spielt eine Rolle – das Dokument als solches haben wir noch nicht vorliegen; wir kümmern uns darum und würden das als Beweismittel gern einbringen – das Schreiben eines Thorsten Schau an Uwe Mundlos vom 07.12.1996. Darin heißt es: ‚Weiterhin gehen natürlich noch Grüße an den Chemnitzer Staatsschutz, insbesondere an Herrn M(eyer) und Herrn K(liem). Auch Eure Urteile warten.‘“

          Kliem berichtete dem Untersuchungsausschuss auch in Bezug auf Schau und andere Folgendes:
          „Alles in allem haben wir dann festgestellt: Unsere Verfahren, die wir gegen ‚Skinheads 88‘ getroffen hatten, griffen langsam auch vor den Gerichten. Wir haben damals zum Kern dieser Gruppe gezählt – neben Werner und Lasch –: Thomas Starke, Thorsten Schau, Markus
          [Fr.], Enrico [Sp.], Rocco [Du.] und Thomas [Wa.]. Das war der Kern. Da gab sicherlich ringsherum noch mehr Leute, aber das waren die, die eigentlich für uns immer relevant in irgendeiner Erscheinung waren, ob als Straftäter, ob als diejenigen, die als Wortführer auftraten.“ Die Informationen, die der Zeuge Kliem dem UA Sachsen gab, lagen 1998 zum Zeitpunkt des Besuches von Wunderlich bei ihm bereits vor. Das Verschweigen dieser für die Zielfahnder elementaren Informationen ließ diese heiße Spur erkalten. Anders als ein staatliches Verschulden der Nicht-Ergreifung des Trios kann dieses bewusste Verschweigen nicht bewertet werden. Zwar geht die Rechtsprechung hinsichtlich des Einflusses auf das Straf- und Schuldmaß lediglich davon aus, wenn staatliche Behörden Einfluss auf die Straftat als solches haben, doch muss in der Gesamtschau von den abgelehnten Richtern berücksichtigt werden, dass auch die Staatsanwaltschaft Gera ihren Beitrag zum Verbleib des Trios im Untergrund und damit eine Radikalisierung zu dieser Zeit gefördert hat.

          Die Eltern des Böhnhardt haben in ihrer Zeugenvernehmung berichtet, dass man sich um eine Selbststellung bemühte und auch RA Dr. Eisenecker dies versuchte. Doch gab der Zielfahnder Wunderlich gegenüber den Eltern des Böhnhardt an, dass bei Ergreifung durch die Polizei das Trio erschossen werden könnte. Dies war für eine Selbststellung nicht förderlich, ebenso wenig wie die Akteneinsichtsverweigerung durch die Staatsanwalt Gera gegenüber RA Eisenecker. Das kollektive Zusammenwirken der genannten Behörden musste die Haltung des Uwe Böhnhardt und des Uwe Mundlos, ihr „Leben verkackt” zu haben, geradezu bestärkt haben und drängt den Schluss auf, die späteren Taten befördert zu haben. Die abgelehnten Richter verkennen in ihrem Beschluss auch, dass die Verfolgungsbehörden im Rahmen des Legalitätsprinzips eine Pflicht zur Amtshilfe haben, insbesondere wenn es darum geht, auf der Flucht befindliche Tatverdächtige zu ergreifen. Und diese Möglichkeit bestand im Falle des Trios, wie darlegt, in besonders hohem Maße.

          Es darf vorausgesetzt werden, dass die abgelehnten Richter die vorliegenden Akten und damit auch die Protokolle aus den Untersuchungsausschüssen kennen. Würden diese hohen Anforderungen an einen Ergreifungserfolg z. B. bei der Prüfung zum Erlass eines Haftbefehls angesetzt werden, dürfte kein einziger Haftbefehl erlassen werden, da ein Ergreifen mit hundertprozentiger Sicherheit niemals sicher ist. Die Anforderungen, die die abgelehnten Richter an die Kausalität im vorliegenden Beschluss anlegen, sind derart überspannt, dass sie einem vernünftigen Angeklagten als willkürlich erscheinen müssen. Gerade die derzeitige Diskussion um ein staatliches Mitverschulden am Weihnachtsmarkt-Attentat im Fall Amri, wegen der unterbliebenen Festnahme trotz Vorliegens von Haftgründen wegen des dringenden Verdachts des gewerbsmäßigen Drogenhandels aufgrund der TKÜ-Erkenntnisse, lässt die Entscheidung der abgelehnten Richter im vorliegenden Fall für einen verständigen Angeklagten als willkürlich erscheinen.

          Den zweiten Teil des Befangenheitsantrags verliest Wohlleben-Verteidiger Nahrath. Auch er zitiert zunächst ausführlich aus dem Beschluss des Senats über den Antrag zur Zeugin Fö. Dann geht er zur konkreten Begründung des Befangenheitsantrags über: Die abgelehnten Richter zeigen mit dem Beschluss überdeutlich, dass sie sich hinsichtlich der Schuldfrage endgültig festgelegt haben. Weiter belegen die Gründe für einen verständigen Angeklagten unabweisbar, dass die abgelehnten Richter den Beweisantrag mit willkürlichen Erwägungen ablehnten. Bei dieser Sachlage hat Herr Wohlleben begründetes Misstrauen in die Unparteilichkeit der abgelehnten Richter.

          Zu Ziffer II, 2 c, iii (1) führen die abgelehnten Richter aus, dass wegen des zeitlichen Abstandes zwischen dem im Waffenhandelsbuch von Schläfli & Zbinden vermerkten Versandes der Waffe Ceska 83 mit der Seriennummer 034678 und der Reise von Werner, Mundlos und Böhnhardt in die Schweiz im April 1998 ein Anhaltspunkt dafür, dass Werner, Mundlos und Böhnhardt bei der Beschaffung der Tatwaffe Ceska 83 half, nicht vorläge. Mit keinem Wort setzen sich die abgelehnten Richter damit auseinander, dass der zeitliche Abstand zwischen dem Versand der Waffe durch Schläfli & Zbinden und dem Erwerb einer Schalldämpferwaffe durch den Mitangeklagten Schultze sogar vier Jahre, die doppelte Zeitspanne, liegen und alle angeblichen Zwischenglieder – Germann, Müller, Theile, Länger) bestritten haben, an der Weitergabe einer Schalldämpferwaffe beteiligt gewesen zu sein. Allein dies belegt für den Angeklagten Wohlleben unabweisbar und schlagend, dass die abgelehnten Richter nicht bereit sind, ihre bereits feste Überzeugung über den Weg der Tatwaffe Ceska 83 auch nur kritisch zu überprüfen. Dies kann der verständige Angeklagte Wohlleben nur so verstehen, als dass das Urteil für die abgelehnten Richter bereits endgültig zu seinen Lasten feststeht. Bemerkenswert ist, dass der Senat bis heute nicht ermittelt hat, wer den Eintrag im Waffenbuch über den angeblichen Versand der Tatwaffe Ceska 83 bei Schläfli & Zbinden vorgenommen hat.

          [Zb.] hat sich während der Ermittlungen wegen illegaler Waffengeschäfte nach Ecuador abgesetzt. Dies alles ist den abgelehnten Richtern keine Überlegung wert. Die seitens der Verteidigung dargestellte Waffenbeschaffung der Tatwaffe Ceska 83 ist hinsichtlich des Jan Werner weitaus naheliegender als der seitens der abgelehnten Richter behauptete und durch keinen Zeugen belegte Weg über das Madley in Jena. Im Gegenteil: Der Zeuge Andreas Schultz gab in seiner polizeilichen Vernehmung sogar an, dass die Schultze verschaffte Waffe möglicherweise sogar eine kyrillische Schrift aufwies, welches ein Ausschlusskriterium für die Tatwaffe Ceska 83 ist. Dies wurde durch die Vernehmungsbeamten bereits in die Hauptverhandlung eingeführt und durch die abgelehnten Richter konsequent ignoriert. Die Angeklagte Zschäpe führte in ihren Angaben aus, dass ihr Böhnhardt berichtet habe, Jan Werner habe eine Waffe für Böhnhardt und Mundlos beschafft, die nach ihrer Erinnerung einen Schalldämpfer hatte, wobei sie letzteres jedoch nicht mehr beschwören könne. Die Identifizierung der Tatwaffe als angeblich durch Schultze gelieferte Waffe durch den Angeklagten Schultze selbst war zum einen unsicher und zum anderen in methodischer Hinsicht mehr als zweifelhaft. Demgegenüber hat Herr Wohlleben ausgesagt, dass die ihm von Schultze gezeigte Waffe klobiger als die in der Hauptverhandlung in Augenschein genommene Ceska 83 gewesen sei. Auch sei der Schalldämpfer kürzer und dicker gewesen. Im Übrigen hat Schultze genau wie Herr Wohlleben angegeben, dass der Schalldämpfer schwerer oder genauso schwer wie die Waffe war. In der Hauptverhandlung wurde das Gegenteil durch die Aussage eines Augenscheinsgehilfen bewiesen, der sowohl die Ceska 83 als auch den dazugehörigen Schalldämpfer gewogen hatte.

          In Anbetracht dessen, dass die abgelehnten Richter selbst davon ausgehen, dass Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt noch weitere Waffenbezugsquellen hatten, ist für Herrn Wohlleben noch weniger nachvollziehbar, weshalb die Richter sich einer Vernehmung der benannten Zeugin Fö. verweigern. Schließlich ist Jan Werner Beschuldigter im sogenannten NSU-Komplex. Ein Richter, der nicht mehr bereit ist, seine bereits gewonnene Überzeugung zu überprüfen, ist kein unparteilicher Richter im Sinne des Gesetzes. Götzl: „18 Seiten, da machen wir eine halbe Stunde Pause bis 14:25 Uhr.“

          Um 14:28 Uhr geht es weiter. Götzl: „Es wird rechtliches Gehör zu den gestellten Befangenheitsgesuchen gegeben.“ Bundesanwalt Diemer: „Wir werden gegenüber dem zuständigen Spruchkörper Stellung nehmen.“ Götzl: „Sind noch Anträge oder Erklärungen? Nicht? Der morgige Termin entfällt. Wir setzen fort am Dienstag, 20.6., 9:30 Uhr.“ Der Verhandlungstag endet gegen 14:30 Uhr.

            Der Beitrag Protokoll 367. Verhandlungstag – 31. Mai 2017 erschien zuerst auf NSU Watch.





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